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I
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1-
) .
GESCHICHTE
SICILIENS
IM
ALTERTHUM
VON
AD. HOLM.
ERSTER BAND.
MIT SIEBEN KARTEN.
LEIPZIG,
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN.
1870.
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ERNST CURTIUS
UND
GEORG GROTE
GEWIDMET.
,i:
VOIlBEDE.
Das Werk, dessen erster Band, das Resultat längerer Studien,
hiermit der Oeffentlichkeit übergeben wird , ist ein Versudi , die alte
Geschidite der interessantesten Insel des Mittelmeeres auf geogra-
phischer Grundlage in der Weise zu behandeln, dass ausser der
Politik auch die Kultur eingehend berücksichtigt wird. Es sollte
gleichsam eine detaiUirtere Ausführung des in grösseren Werken
über alte und besonders griechische Geschichte Vorgetrageoen sein,
in Werken , die in ihrer Umfassung des räumUch Getrennten zugleich
den allgemeinen Hintergrund zeichnen, von dem sich die Schicksale
eines einzelnen Laoides abheben. Und in dieser Hinsicht ist vor
Allem die Griechische Geschichte vcm EanST Cuarnis als ein Buch zu
nennen, das mit der Falle von bedeutenden Gesichtspunkten, die es
in seiner eminent künstleriscfhen Anordnung eröfEnet, die nOthwen-
dige Ergänzung einer Specialgeschichte, wie der vorliegenden, bildet.
Die Forschung, zumal an Ort und Stelle, kann noch sehr viel in der
Geographie und Geschichte des alten Siciliens aufklären; das vor-
liegende, ans den Quellen gearbeitete Buch sollte das gewonnene,
vielfach zerstreute Material zusammenfassen und dadurch eine Grund-
\a%fd für weitere Studien schaifen. Sehr erwünscht würde es mir
insbesondere sein , wenn es Solchen , die die Insel selbst bereisten,
vor oder während ihrer Reise sich als nützliches Hülfsmittel erwiese.
VI Vorrede.
Dankend erkenne ich die Förderung an, welche die Vorstände
der Bibliotheken zu Hamburg und zu Göttingen meinen Studien da-
durch gewährt haben, dass sie mir werthvolle Werke (von denen
manche jetzt in Folge eines, durch die Fürsorge des Lubeckischen
Senates veranstalteten grösseren Ankaufes in der WELCKER'schen
Auction sich auf der hiesigen, in philologischer Beziehung nunmehr
wohl versehenen Bibliothek befinden) zur Benutzung nach Lübeck
sandten, sowie die Bereitwilligkeit, mit der die Conservatoren des
Cabinet des M^dailles der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris mir die
Durchmusterung der sicilischen Münzen dieser reichen, bekanntlich
auch das de Luynes'sche Kabinet umfassenden Sammlung erleich-
terten.
Manche Anregung zu eingehenden Studien über Sicilien brachte
mir der Umstand , dass der Dr. th. und ph. J. F. Böttcher , Conrektor
der Kreuzschule zu Dresden, mir kurz vor seinem im Juni 1863
erfolgten Tode seine Collectaneen über das alte Sicilien überliess. Sie
betreffen hauptsächlich die Syrakusanische Geschichte, vornehmlich
des 4. und 3. Jahrhunderts vor Chr.
Den grössten Dank bin ich jedoch meinem Collegen und Freunde
Dr. JuLHJS ScHCBRiNG schuldig, der mir nicht nur die Benutzung der
bisher photographisch vervielftJtigten Blätter (20) der höchst aus-
gezeichneten, vom Kön. Ital. Generalstabe unter der Leitung des
Obersten dE^ Ybcchi ausgearbeiteten Karte Siciliens ermöglicht, son-
dern mich auch in sehr vielen Fällen durch werthvolle Notizen über
Punkte der Geographie oder Geschichte des alten Siciliens unterstützt
hat. Seine neueste, demnächst in demselben Verlage wie das vorlie-
gende Buch im Druck erscheinende Arbeit über das alte Akragas
hat es mir möglich gemacht, die Specialkarte dieser Stadt (Blatt III)
zu geben, die, wie die übrigen dem Bande beigegebenen Karten und
Pläne, Qine vielleicht besonders den alterthumskundigen Reisenden in
Sicilien willkommene Ergänzung der vorhandenen Kartenwerke über
die alte Welt sein wird. Auch der aus den Generalstabskarten ge-
Torrede. "VH
zogene Anhang HI wird mit seinen neuen und umfassenden Angaben
gewiss von Vielen gern benutzt werden.
Zur vollständigen Trennung des Textes von den in Folge der
eingehenden Berücksichtigung der Geographie ziemlich umfänglichen,
übrigens immer möglichst kurz gefassten Erläuterungen bewog mich
der Gedanke, dass sowohl jener dadurch an Lesbarkeit gewinnen
würde — und ich muss gestehen, dass ich mir nicht blos Gelehrte
als Leser desselben gewünscht habe — als auch diese, wenn nur
der Gegenstand der Bemerkungen und Gitate kurz angegeben würde,
besser im Zusammenhange durchgenommen werden könnten, als
wenn Noten unter dem Texte stehen. In den Citaten zu den litera-
rischen und philosophischen Abschnitten (z. B. Epicharmos, Empe-
dokles) habe ich ein noch grösseres Maass halten zu müssen geglaubt,
als in den übrigen. Dagegen habe ich die Maasse der Tempel etc. aus
Serra di Faico vollständig mitgetheilt, um den sich dafür Interessiren-
den das Auüsuchen des kostbaren und sehr seltenen Werkes zu
ersparen.
In der Orthographie der fär Sicilien wichtigen griechischen Eigen-
namen habe ich die ursprünglichen Formen möglichst beizubehalten
gesucht; in sehr bekannten Namen (Syrakus, Aetna) war es freilich
nicht möglich; auch kann hier und da eine Inconsequenz vorgekom- ,
men sein.
Dass ich in der Angabe von Höhen, in der Beschreibung der
Tempel etc. nicht stets dieselben Maasse anwende, kommt daher, dass
ich mich jedesmal an meine Quelle angeschlossen habe ; die Genauig-
keit hätte bei einer von mir gemachten Reduction gelitten.
Bei den modernen sicilischen Ortsnamen kann hin und wieder
die Form des Dialekts der Insel, der u für o, v für b setzt, z. B. vagnu
für bagno, statt der italienischen Form vorkommen; man findet eben
beide gedruckt, wie Spaccafumo und Spaccafomo.
Ich brauche nicht erst zu versichern , dass jede Berichtigungen
bringende Kritik meiner Schrift mir im Interesse der Sache erwünscht
Vm Forrede.
ist. Ich bin mir ihrer Mängel wohl bewusst, wage aber zu hoffen,
dass sie dessen ungeachtet den Freunden der schönen Insel und ihrer
wechselvollen Geschichte nicht ganz unwillkommen sein wird — wie
sehr auch mein Versuch hinter der Bedeutung des Gegenstandes
zurückgeblieben sein mag.
Diesem ersten Bande, fbr dessen zweckmässige und schöne
Ausstattung der Verleger, wie man finden wird. Alles gethan hat, soll
baldmöglichst der zweite, weniger mit Anmerkungen versehene,
nachfolgen.
Lübeck, den 28. Okt. 1869.
Ad. Holm.
Inlialtsyerzeiclmiss.
Erstes Badh.
Erstes Kapitel. gelte
Eialeltaiis: 1
Lage SiellienB S. 1.2. Natur 2. 3. Gescliiclite 3—5. Inhalt des Baches 5.
Zweites Kapitel.
Die BodeiiTerMltiilsae der insel 5
Sieilien naeh der Annahme der Alten ursprünglich ein Theil des Festlandes 6. 7.
Meerenge?. Charybdis 7— 9. Namen der Insel im Alterthum 9. Küsten 9. Vor*
gebiige vnd Buchten, die im Alterthnm vorkommen 9 — 13. Gebirge 13 — 17.
Aetna 17— 26. Flüsse und ihre antiken Namen 26—34. Produkte 34—36. Klima 36.
Nebeninseln37. Liparen37 — 41. U8tika41. Aegaten41.42. Maltesische Gruppe 42.
Drittes Kapitel.
Sagen 42
Poseidon 42. Kronos 43. Demeter 43. Persephone 44. H^haistos 44. Aetna 45.
Zeus 45. Aphrodite 45. Herakles 45—47. Daidalos und Eokalos 47. Minos und
die Exeter 48. 49. lolaos 49. Aristaios 49. Sieilien und Troja 49. Egesta 49. 50.
Odysseus 50 ff. Eyklopen 50. 51. Aiolos 51. 52. Laistrygonen 52. 53. Skvlla und
Charybdis 53. 54. Thrinakia 54. Ealypso 54. Aeneas 55. Orestes 55. Argo 55.
Gräber auf den Vorgebirgen 56. Arethusa 56. Galateia 56. Daphnis 56. 57.
Tiertes Kapitel.
IMe Urelnwolmer 57
Iberer 57. Sikaner 58. Städte der Sikaner 59—62. Sikeler 62—65. Städte der
Sikeler 65 ff. Mittlere Gruppe 66—69. Südliche Gruppe 69. 70. Nördliche Sikeler-
Städte 70—72. Henna 72. 73. Trinakia 73. Kultur der Sikeler 74. fieligion der-
selben 75. Die Paliken 75—77. Demeter 77—79.
Ffinftes Kapitel.
Die PhSnider ud die Elymer 79
Die Phönicier 79. Niederlassungen derselben auf Sieilien 80. Nachricht des Thu-
kydides darüber 80. MerkmalOi an denen sie zu erkennen 80. Phönieische Nieder-
lassungen an der Ettste 81—85. Motye 83. Panormos 84. 85. Soloeis 85. Nieder-
lassungen im Innern 85. 86. Elymer86— 90. Segesta 90. Eryx 90. Entella 90.
Kreter 90. 91. Palaistiner 91. Thurm Bavch in Palermo 91. Phönicier auf den
Nebeninseln 91. 92. Gottheiten 92 ff. Baal 92. 93. Hera 93. Aphrodite 93. Ha-
dranos 94. 95. Orion-Nimrod 95. Beschäftigungen der Phdnicier Siciliens 96. Ihr
Einfloss auf die Insel 96. 97.
X Inhalt.
Sechstes Kapitel.
^ Seite
Spuren der Utegten Bewohner SicUlenB 97
Phönicische Bauwerke auf Gozzo und Malta 98. 99. Aehnliches in Sicilien 99.
Kyklopische Mauern 100. 101. Cefalü 100. £ryx 100. Grotten (Ddieri) 101—105.
Zweck derselben 105. 6. Gräber 106. Werke des Daidalos 106. 7.
Zweites Buch.
Erstes Kapitel.
Aelteste Bezlehnngren zwlBChen Hellas und Slcillen 108
Beziehungen der Hellenen zum Westen 108. Schwierigkeiten der Fahrt nach
Westen 109—11. Hellenische Spuren in Italien 111. Eyme 111—13. Poseidon in
Sicilien (lonier) 113. ApoUon 113. Aetolier 113. Anapos 114. Or^gia 114.
Artemis 114. Akamanier 114. Kreter 115.
Zweites Kapitel.
Gründung der hellenischen Kolonien in Sicilien 116
Dorier, lonier, Achäer im Westen 116. 17. Chalkis 118. Gründung und Lage von
Naxos 118. 19. Gründung und Lage von Syrakus 120—29. Sage und Geschichte:
Archias 120. 21. Alte Beziehungen von Syrakus zu anderen Städten 122. Ortygia
122. 23. Arethusa 123. 24. Häfen 124. 25. Doppelstadt Syrakusai 125. Achradina
126. Latomien 127. Katakomben 127. 28. Ausdehnung der Achradina 128. Olym-
Eieion und Vorstadt Polichne 129. Mtinztjrpen von Syrakus 129. Gründung und
■age von Leontinoi 130. Gründung und Lage von Katana 130. 31. ElaUipolis und
Euboia 131. Die Megarer 131. Trotilon 131. Gründung und Lage vonMegara
Hyblaia 132. Gründung und Lage von Zankle mit Blick auf Rheg^on 132. 33. My-
lai 133. 34. Die Rhodier 1 34. Gründung und Laffe von Gela 135. Gründung und
Lage von Himera 135. 36, von Selinus 136 — 38. Mazara 138. Die Selinuntischen
Bäder 138. Herakleia 138. Gründung von Akragas 138. L^e der Stadt 139--41.
Syrakusanische Kolonien 141. Akrai 141. Henna 142. 43. Kasmenai 143. Kama-
rina 143. Griechische Niederlassung auf Lipara 143. 44.
Drittes Kapitel.
Politische Geschichte der sicilischen Städte bis znm Anfange des 5. Jalirhan-
derts vor Clir. * 144
Allgemeine Beziehungen der hellenischen Kolonien zu ihren Mutterstädten 145.
Innere Verhältnisse der Kolonien 145. Aristokratie der Gründer 145. Heue An-
kömmlinge 145. Innere Unruhen 146. Dreifache Folge derselben: Gründung
neuer Kolonien ; Tyrannis ; Gesetzgebungen 146. 47. Die erste derselben sichtbar
in der Geschichte von Syrakus 147. 48. Gamoren daselbst 147. Angebliches Kö-
nigthum 147. Agathokles 147. Gründung von Kolonien 148. Mfinzwesen 148.
Die zweite Folge sichtbar in der Geschichte von Akragas 149 — 52. Tyran-
nis des Phalaris 149— 52. Sein Stier 150-52. Des Phalaris geschichtliche Stellung
in Sicilien 152. Gela 152. Telines 153. Selinus 153. Himera 153. Leontini 153.
Die dritte Folge sichtbar in der Geschichte von Katana 153 ff. Gesetzgebung des
Charondas 153 — 56. Wahrscheinliche Ausdehnung der Gebiete der hellenischen
Städte 156. 57. Kleinheit dieser Gebiete 158. Handel 158. l^orhener 158. Stel-
lung Lipara's 158. Beziehungen der griechischen Kolonien Siciliens zu den Urein-
wohnern 158. 59. Münzwesen 159. Pnönicier 160.
Tiertes Kapitel.
Literatur nnd Knnst derselben Zeit 160
Epische Poesie 160. Eumelos 160. Kynaithos 160. Lyrische Poesie 160. Stesicho- •
ros 161 ff. Sein Leben 161. 62. Seine Gedichte 162 — 66. Vortrag derselben bei
Festen 166. Palinodie 166-68. Sicilischer Charakter des Stesichoros 168. 69.
Ibykos ans Rhegion 169. Andere zeitweilig in Sicilien sich aufhaltende Dichter :
Arion, Sappho, Theognis 170. Aelteste Kunstdenkmäler der sicilischen Griechen
170. Selinus 170. Tempel 0 daselbst 170 ff. Metopen desselben 172 ff. Beschrei-
Inhalt. XI
Seite
bnng derselben 172—74. Stil derselben 174. Farbenspuren an ihnen 175. Tempel
D in Selinns 175. Sogenannter Artemistempel auf Ortygia 175. Klearchos aus
Rhegion 176. Sicilisohe Münzen 176.
Fünftes Kapitel.
Religion. Phiiosopliie. Pythagoras 176
Kulte der sicilischen Griechen 177. Fluss- und Quellgottheiten 177. Apolion 177.
Zeus 177. Athene 178. Demeter und Persephone 178. Artemis 178. Dionysos 178.
Aristaios 178. Hermes 178. Poseidon 179. Here 179. Ares 179. Aphrodite 179.
Asklepios 179. Hephaistos 179. Hestia 179. Pan 179. Herakles 179. Dioskuren
179. PheraimonundLeukaspis 179. Tyche 179. Nike 179. Musen 179. Altar der
zwölf Götter 179. Feste der sicilischen Griechen 179. 80. Philosophie 180. Xeno-
phanes Yon Kolophon 181. 82. Sein Naturstudium in Sicilien und den umliegen-
den Inseln 182. Theagenes yon Bhegion, Vertheidiger Homer's 182. Pythagoras
183 ff. P. geht nach Unteritalien 183. Grossgriechenland und seine hauptsächlich-
sten Städte 183—86. Pvthafforas in Grossgriech^nland 186 ff. Sein Einfluss auf
Sicilien, angeblicher und wirklicher, 190. Ekphantos und Empedotimos von Syra-
kus 190. Petron yon Himera 190.
Drittes Buoh.
Erstes Kapitel.
Krieg mit den Karthagern. Gelon 192
Karthago 192. Verfassung desselben 193. Die Karthager in Sicilien gegen Pent-
athlos 194. Malchus in Sicilien 195. Dorieus 195 ff. Bedeutung seines Versuchs,
am Ednyps in Afrika eine Kolonie zu gründen 195. 96. Dorieus in Italien und
Sicilien 196. Der Krotoniat Philippos 197. An die Karthager gerichtete Auf-
forderung des Xerxes, ihm zu helfen 197. Sicilien um 500 y. Chr. 197. Gela 197.
E^leandros 197. Hippokrates 197. Skythes yon Zankle 198. Sk. zieht asiatische
lonier nach Sicilien 198. Sonstige Beziehungen zwischen den kleinasiatischen
Griechen und Sicilien 198. Phokäer 198. Dionysios aus Phokäa 198. Anaxilas
von Bhegion 199. Die Samier bemächtigen sich Zankle's 199. Kadmos aus Kos
199. Zankle Messana genannt 200. Mtlnzen des Anaxilas 200. 201. Krieg des Hip-
pokrates gegen Syrakus 201 . Früherer Krieg zwischen Kamarina und Syrakus
201. Schlacht am Heloroa 201. Tod des Hippokrates 202. Gelon bemächtigt 'sich
der Herrschaft über Gela 202. G. richtet sein Augenmerk auf Syrakus 202. Ver-
hältnisse daselbst 202. Gelon Herr yon S3rrakus 203. G. yergrössert Syrakus 203.
6. yerpflanzt Einwohner yon Gela dahin 203. Schicksal yon Kamarina 203, yon
Megara und £nboia203. 4. Theile yon Syrakus 204. Phormis yon Mainalos 204.
Theron yon Akragas 204. Seine Familie 205. Terillos yon Himera 205. Krieg mit
den Karthagern 205. Belagerung yon Himera und Schlacht daselbst 206. 7. Friede
207. 8. Damareteion 208. Beute; Sklayen; öffentliche Arbeiten 208. Zeit der
Schlacht bei Himera 209. Griechische Gesandtschaft an Gelon 209. Gelon's Weih-
geschenke nach GriechenUnd 210. Scheinbare Niederlegung der Herrschaft 210.
GeIon'sTod211. Leichenbegängniss 211. Charakterzüge yon Gelon 21 1 .
Zweites Kapitel.
Hieron 212
Hieion und Polyzelos 213. Conflict mit Theron 213. Himera 213. 14. Gründung
Aetna's 214. Rettung der Lokrer 215. Sieg über die Etrusker bei Kyme 215. Ko-
lonisation yon Pithekusai 2i5. Charakter Hieron's 216. Sein Hof 216. Simonides
217.18. Bakchylides 219. Pindaros 219 ff. Seine auf Sicilien bezüglichen Oden
221 ff. AnHieronselbstrPyth. 11221.22. IVth. lU 222. Pyth. I 222-24. Ol.
I 224. An Chromios: Nem. I 225. Nem. lA 226. An Ageslas den lamiden
CR VI 226. Auf Theron's Bruder Xenokrates Pyth. VI 227. An Theron selbst
Ol. U und Ol. in 227. 28. An den Flötenspieler Midas Pyth. XU 229. Aischylos
229—31. Epicharmos 231 ff. Sein Leben 232. Ursprung der griechischen Komödie
233. Stücke des Epicharmos 234. 35. Weisheit des Epicharmos 236. 37. Andere
Schriften des Ep. 237. 38. Phormis 238. Deinolochos 238. Slcilisches Theater
238. 39. Xenophanea 239. Pythagoras von Bhegion 240. Hieron und Themisto-
xn iiiittu.
kies 240. 41. Hieron'B und Gelon's Geschenke nach Hellas 241 . Theron's Tod 242.
Krieg des Thrasydaios mit Hieron und Sturz des Thr. 242. Pindar's 12. Ol. Ode
an Ergoteles von Himera und 2. Isthm. Ode an Thrasybulos, den Sohn des Xeno-
knites 242. 43. Hieron und Mikythos 243. 44. Hieron's Tod 244. Sogen. Athene-
tempel auf Ortygia 244. Tempel des Olympischen Zeus vor Syrakus 245. Wasser-
leitungen von Syrakus 246. Tempel F m Selinus246. Seine Metopen247. Wasser-
leitungen von Akragas 248.
Drittes Kapitel.
Stars der Tyrannen 249
Kurze Begierung des Thrasybulos 249. Aufetand der Syrakusaner 249. Entfer-
nung Thraaybul's 250. Dankfeste 250. Aufstand der Söi&er ; ihre Besiegang 251.
Katana erhält seine alten Bewohner 252. Gongress ; Reorganisation der sioilischen
Gremeinden 252. ELamarina von den Geloem wiederhergestellt 252. Pindar's 4.
und 5. Ol. Ode an den KamarinSer Psaumis 253. Münzen von Gela und Kama^
rina 253. MUnoen von Katana und Leontini 254.
Tiertes EapiteL
Bürgerliche Yerhftltiiisse bis sam Kriege mit Athen 254
Syrakus; Korax; Tyndarion; Petalismos 255. Kriege mit den Etruskem 256.
.akragas ; Einführung vollkommener Demokratie durch Empedokles 256. Angeb-
licher Krieg zwischen Egestäem und Lilyb&em 257. Akragas und Motye 257.
Der Sikeler Erhebung unter Duketios 257 ff. Duketios besiegt nach Korinth 259.
Nach Sicilien zurückgekehrt grtindet er Kaiakte 260. Stirbt 261. Uebergewicht
der Syrakusaner 261. Hellenisirung nicht griechischer Städte der Insel, durch die
Münzen bewiesen 262.
Fflnftes Kapitel.
Literatur and geistiges Leben derselben Zeit 263
Empedokles 263. Sein Leben 263 — 66. Seine Schriften 266. 67. Seine Lehren
267 ff. E. als Arzt und Zauberer 274—76. E. und die Aegrpter 276. 77. Bhetorik
in Sicilien entstanden 277. Korax und Tisias 277. 78. Allgemeine Bemerkungen
über Rhetorik und Sophistik 276 — 81. Gorgias von Leontini 281. Sein Leben
281—83. Seine Lehre und seine Schriften 283—86. Sophron und der Mimos 287. 88.
Sechstes Kapitel.
Bildende Kunst 288
Selinus. Tempel A 288. 89. Tempel E 289. Farbenspuren desselben 289. 90. Me-
topen 290—92. Tempel G 292-94. Tempelchen B 294. Akragas 294. Sogenann-
ter Tempel der Juno Lacinia 295. 96. Sogen. T. der Concordla 296. 97. T. des
Herakles 297. 98. T. des Zeus Olympioe 298 ff. Gigantenfiguren desselben 300. i.
Sogen. T. des Kastor und PoUux 302. Sogen. Ceres- und Proserpinatempel 302.
T. des AsklepioB 302. Antiker Tempel im heutigen Gi^nti , jetzt S. Maria de'
Greci und die Kathedrale 303. T. von Segesta 303. 4. Tempel von Gela und Hi-
mera 304. Sarkophage von Oannita 304. Demophilus von Himera 305. Münzen 305.
Vasen 305. 6. Andere Thonarbeiten 306.
I. üeberslcht der antiken und modernen Bearbeitungen der Geschichte des
alten Slciliens oder einzelner Thelle derselben in historischer Folge . . . 307
1. Alterthum (Quellen) 307—19. 2. Neuzeit (Hülfsmittel) 319-26.
IL Belege und Erlftnternngen 327
Zu Buch I, Kap. 1, 327. 28. Kap. 2,328-51. Kap. 3,351—55. Kap. 4, 356— 70.
Kap. 5, 370—77. Kap. 6, 378—80. Buch II, Kap. 1, 380. sl. Kap. 2, 381—97.
Kap. 3,397—402. Kap. 4, 402—8. Kap. 5, 408-10. Buch III, Kap. 1,410— 19.
Kap. 2, 419—29. Kap. 3, 429. 30. Kap. 4, 430—32. Kap. 5, 432-37. Kap. 6,
437—46.
m. Yerzeiohniss wiohttgerer H4hen des nordwestlichen Slciliens in Metern,
naeh den Karten des K^nigl. ItaL Generalstabs 446
IT. Zn den Karten nnd Plftnen 453
Erstes Bnck
Erstes Kapitel.
Einleitang.
Llas Mittelländische Meer, das gegenwärtig einen Theil der Bedeutung
wiederzuerlangen beginnt, die es im Alterthum und im Mittelalter für den
Weltverkehr hatte, zerfällt durch die von der Hauptmasse Europa's nach Süden
auslaufenden Halbinseln , denen noch Inseln vorgelagert sind , in drei Theile
von ungleicher Grösse und verschiedener Gestalt. £s ist zunächst die griechische
Halbinsel , welche mit dem lang hingestreckten Kreta und dem von Afrika aus
nur wenig vortretenden Barka, dem Gebiete des alten Kyrene, die Grenze eines
ersten östlichen Theiles andeutet , worauf dann das schmale Land der Apen-
ninen und seine hauptsächlichste Nd)eninsel durch ihr Vorspringen nach Afrika
zu den mittleren Theil von dem westlidien absondern. Aber von diesen drei
Meeresbecken können die beiden östlichen recht wohl als Eines betrachtet wer*
den, im Gegensatz zu dem dritten, westlichen, dessen Sonderung von jenen in
mehreren Bezidiungen deutlich hervortritt. Zunächst in Lage und Ausdehnung.
Denn das westliche Becken bildet nicht eine auf gleicher Linie weiter gehende
Fortsetzung der beiden anderen ; es schliesst sich im Nordwesten an das mittlere
an und behauptet seine nördlichere Lage bis zum Ende. Es ist aber auch durch
eine schärfere Grenze von ihnen gescliieden , als jene unter sich. Wo die ita-
lische Halbinsel nach Südwesten hin ausläuft, da ragt ihr die einzige Landspitze
von Bedeutung, welche die sonst so stumpf abgerundete nordafrikanisehe Küste
besitzt, entgegen , und der Raum zwischen bdden , an sich ein wenig grösser
als die Entfernung zwischen dem Peloponnes und Barka , wird zu zwei Dritt-
theilen ausgefüllt durch die Insel Sicilien , die unähnlich Kreta , sich gerade in
der Richtung ausdehnt, welche durch eine, die entgegenstrebenden Continente
verbindende Linie bezeichnet wird. Die Entfernung der Westspitze Siciliens
von Afrika beträgt nicht mdiir als i 6-^4 8 geographische Meilen, und von Italien
ist die Insel nur durch den an seiner sdimalsten Stelle etwa ein Drittel einer
deutschen Meile breiten Faro di Messina getrennt.
Holm, Getich. Sicilieot». 1. \
2 Erstes Bach. I. Einleitung.
So kann man denn die Insel Sicilien in mancher Beziehung als das Cen-
trum des Mittelmeeres betrachlen. Sie ist es, die seinen nordwestlichen Theil
von dem südöstlichen scheidet ; sie ist es, welche die beiden Welttheiie, Europa
und Afrika , verbindet. Sie musste in der Geschichte der Völker und Staaten
des Mittelmeeres, welche einst die Weltgeschichte war, eine höchst bedeutende
Rolle spielen, und sie wird eine ähnliche Bedeutung wiedererlangen, sobald die
Kultur, die einen grossen Theil der Küsten des Miltelmeeres verlassen hatte, in
ihre altbekannten Stätten von Neuem eingezogen sein wird.
Sicilien, die grösst« der Inseln des mittelländischen Meeres (532 Quadrat-
meilen) und zu gleicher Zeit die reicht und noch immer die civilisirteste der-
selben, ist, obgleich seine Natur sich in mancher Beziehung der afrikanischen
nähert, dennoch mit Entschiedenheit als eine Fortsetzung Italiens zu betrachten,
von dem ein so schmaler Streifen Wassers es trennt. Die Berge jenseits der
Meerenge von Messina entsprechen in ihren Bestandtheilen den diesseitigen, die
vulkanischen Erscheinungen des südlichen Italiens treten in Sicilien in noch
grösserem Massstabe auf, die Naturprodukte der Insel endlich sind im Wesent-
lichen dieselben wie in ünteritalien.
Und dennoch bildet die Insel ein eigenthümliches, in sich abgeschlossenes
Ganzes : das zeigt deutlich die Geiätaitung des Bodens , welche von der Unter-
italiens wesentlich abweicht. Während vsir hier eine sich lang hinziehende
Gebirgskette erblicken, die bald schroflf zum Meere abföUt, bald von Ebenen
umsäumt ist, stellt Sicilien sich vielmehr als ein Hochland dar, aus dem sich
noch höhere Gebirge erheben. Von der Südküste a|i steigt der Boden allmählich
auf, um zum Nordrande ziemlich schroff abzufallen. Es ist, als ob sich auf
dieser Insel die verschiedenen Bodenelemente , welche das lang hingestreckte
Italien gebildet haben , noch einmal in kleinerem Baume mit desto grösserer
Kraft hätten concentriren wollen. So thürmen sich denn Bergzüge aus primären
und secundären Massen und vulkanische Bildungen der mächtigsten Art neben
und über einander in Sicilien auf, und lassen für Tiefebenen, wie das conti-
nentale Italien sie doch besitzt , fast keinen Raum übrig. Die Insel ist einer
dreieckigen Bui^ zu vergleichen , deren Gebäude von der äusseren Mauer an
nach Innen immer höher ansteigen, und die mit einer Reihe hoher Wartthürme
die Umgegend weithin beherrscht.
Mit dem Charakter des Bodens der Insel hängt natürlich auch die Physio-
gnomie der Landschaft sowohl an sich, als durch den von jenem bedingten
Anbau zusammen. Während der den Norden Siciliens durchziehende Wanderer
sich an vielen Punkten von einer höchst wilden Gebirgsgegend umgeben sieht,
in der wenig mehr als dürftige Weidekräuter, höchstens Cactus oder Oelbäume
gedeihen, macht ein grosser Theil des Südens vielmehr den Eindruck eines
flachen, aber höchst fruchtbaren Landes.
Nur in einem Punkte stimmen beide, Norden und Süden, überein: in dem
Mangel an Wäldern. Das Hochland ist nur an wenig Punkten mit Waid bedeckt
und die höchsten Spitzen sind überall kahl , so dass es für Sicilien charakteri-
stisch ist , wenn der Reisende in der Mitte des Landes von hohen Punkten aus
gewahrt , wie zwischen wilden Gebirgsrücken grüne Thäler ohne alle Bäume
sich hinziehen. Dieser Mangel an Wald hat die weitere Folge, dass es in Sicilien
Natar Siciliens. 3
wenig eigentliche Flüsse giebl. Manche der auf dei\ Karten angegebenen ver-
schwinden in den heissesten Monaten, Juli und August, vollständig. Alle aber
haben nur während der Regennionate, November bis März, eine einigermassen
bedeutende Tiefe , und selbst die grössten unter ihnen sind auch dann meist
nur auf wenige Tage so tief, dass sie nicht mehr durchwatet werden können.
Dieser Mangel an Wald und fliessendem Wasser hat jedoch für die Insel
nicht die Nachtheile herbeigeführt , die man nach dem Beispiele mancher süd-
lichen Länder erwarten sollte. Ihre Fruchtbarkeit hat wenig darunter gelitten.
Das ausgedehnte Hochland besitzt einen schw eren Boden , der die im Winter
aufgenommene Feuchtigkeit ziemlich lange behält, und überdies tritt im Sommer
starker Thau an die Stelle des fehlenden Regens.
So ist denn trotz jenes einen Mangels die im Uebngen mit Allem ausgestattete
Insel , was eine Lage unter dem sechsunddreissigsten bis achtunddreissigsten
Breitengrade nur gewähren kann, eines der schönsten und fruchtbarsten Länder
Europa's. Hier sinkt das Thermometer , ausser auf den höheren Beiden , fast
nie auf den Gefrierpunkt herab ; hier fangen bei den ersten Regengüssen im
Oktober und November die Wiesen an zu grünen ; hier blühen die Mandelbäume
im Februar, liefern die Kirschbäume ihre ersten Früchte am Ende des April
und wird im Juni das Getreide eingeerntet ; hier bedecken den ganzen Winter
hindurch reife Gemüse die Felder und zieren Citronen- und Orangenbäume die
Gärten mit ihren goldfarbenen Früchten. Diese Insel war im Alterthum eine
stets reicb gefüllte Kornkammer, und sie hat auch in der neueren Zeit, wo in
Folge verschiedener Ursachen der Anbau auf derselben so w^eit herabgesunken
ist, dass in manchen Gegenden, wo Korn gebaut werden könnte, Zwergpalmen
und anderes Gestrüpp den Boden bedecken , doch immer noch so viel Getreide
hervorgebracht , dass die Regelung der Ausfuhr desselben lange Zeit hindurch
ein Hauptgegenstand der Sorge der Regierung war. Noch jetzt sind über 58%
des Bodens mit Korn bebaut, 25% Weideland, über lO^o der Gartenkultur
gewidmet, nur 3% mit Wald bedeckt, während auch etwa 3% wüst liegen
oder mit Gebäuden besetzt sind ; mit Ausnahme der vierten Ziffer kein ungün-
stisies Verhältniss.
Wer vermöchte zu entscheiden , ob nicht an dieser grossen Fruchtbarkeit
Siciliens die fortdauernde Wirkung des unterirdischen Feuers einen grösseren
Antheil hat, als es auf den ersten Blick scheint? Jedenfalls tragen die vulkani-
schen Erscheinungen viel dazu bei, der Insel einen eigenthümlichen Charakter
zu verleihen , und selbst der Aetna verbreitet nicht nur Schrecken und Ver-
derben durch die verwüstende Glut, die er ausspeit, sondern auch Fruchtbarkeit
und Segen , wenn nach vielen Jahren sich endlich die Oberfläche der harten
Laven in eine höchst ergiebige Erde auflöst.
Schön , reich und wohlgelegen , wie also die Insel ist , war sie ein wün-
schenswerther Besitz in den Augen aller Fremden, die das Verlangen nach
neuen W^ohnsitzen oder der Trieb nach Herrschaft und Reichthum aus den
Grenzen ihrer Heimath lockte. Die Insel ist wohl gross genug , um ein Reich
für sich bilden zu können, dem es an nichts Nothwendigem fehlen würde, wenn
auch der Verkehr mit der übrigen Welt vollkommen abgeschnitten wäre , aber
sie ist nicht gross genug, um mächtigen fremden Eroberem dauernd zu wider-
4 Erstes Buch. l. Einleitung.
stehen, und daher hat Sicilien so oft seine Herren gewechselt und seine Ge-
schicke so oft von fremden Thronen herab geleitet sehen müssen. Zu der Ur-
bevölkerung der Insel traten von Osten her Phönicier und Griechen , und die
Nähe Afrika's veranlasste die Karthager zu Niederlassungen. Die Griechen
hatten nicht mehr Recht als die Phönicier und Karthager auf den Besitz der
Insel, aber v^ührend diese Semiten, die sich auf Sicilien bereicherten, ihm
keinen andern Ersatz dafür bieten konnten, als die Einführung in den all-
gemeinen Völkerverkehr, und vielleicht gewisse Cultm*en und Industrieen,
brachten die Griechen das schönste Geschenk mit, die Bildung, die sie selbst
auszeichnete , und deren in einzelnen Beziehungen eigenthtlmliches , von dem
Hellenenthum des eigentlichen Griechenlands abweichendes Gepräge auch der
karthagisch bleibende Theil der Insel annehmen musste. Unter den griechischen
Städten aber ragte Syrakus hervor, eine Zeit lang vielleicht die grösste und
schönste Stadt der alten Welt, eine Stadt, die, selbst freilich nur zu bald die
Beute einheimischer Tyrannen, dennoch durch die von ihr gegen die drei wich-
tigsten Staaten des Alterthums bestandenen Kämpfe den grössten und , es ist
nicht zu läugnen, den heilsamsten Einfluss auf die Geschicke der Welt ausgeübt
hat. Sie hat die Athener übei*wunden, als sie im Uebermuth einen Krieg unter-
nahmen , der seinen Urhebern kein dauerndes Glück bringen konnte , selbst
wenn er von einem augenblicklichen Erfolge begleitet gewesen wäre ; sie bat,
was noch mehr ist , durch ihre energischen Kämpfe gegen Karthago , das Hel-
lenenthum des Westens vor der drohenden Uebermacht der Semiten geschützt,
und sie hat endlich, als Rom die Aufgabe übernahm , den Kampf mit Karthago
fortzusetzen, durch langjähriges treues Ausharren beim Bunde mit der grossen
italischen Republik nicht wenig zum endlichen Siege des Occidentes beigetragen.
So ist Sicilien im Alterthum nicht blos der Schauplatz entscheidender Begeben-
heiten der Weltgeschichte gewesen ; es hat selbst ein bedeutendes Gewicht in
die Wagschale der Entscheidung geworfen.
Solche Anstrengungen erschöpften endlich die Kraft der Insel; sie beugte
sich, Syrakus nur nach zähem Widerstand, den Römern, die hier zuerst die
Annehmlich£.eit der Herrschaft über Fremde kennen lernten und ihre Vortheile
anfangs missbrauchten. Aber allmählich verschwanden die schlimmen Folgen
der Herrschaft Roms; mefir und mehr machten sich die Vortheile geltend, die
es gewähren musste, demselben Reiche anzugehören, dem bald sämnitliche
Küsten des Mittelmeeres in Frieden und Wohlstand sich einfügten, und Sicilien
verdankte der Römerherrschaft überdies die rasche Theilnahme an dem grössten
Segen, den diese Herrschaft überhaupt gebracht hat, der Verbreitung des Chri-
stenthums.
Seit dem Untergange des römischen Reiches hat Sicilien noch einmal eine
Zeit der Blüte gehabt, die Epoche der saracenischen, normannischen undhohen-
slaufischen Herrschaft. Dann sind trauinge Zeiten gekommen, Zeiten des lang-
samen Zurückgehens in mateiieller wie in geistiger Beziehung , eines Verfalles,
bei dem zum Glück der Charakter des Volkes unversehrt geblieben ist. Erst
unsere Tage haben den Beginn eines Umschwunges gesehen, der in seinen Er-
schütterungen noch fortdaueit, von dessen heilsamen Früchten aber bereits
einige gereift sind. Noch immer beruht indess der Stolz des Siciiianers auf
Geschichte der Insel. 5
seiner Vergangenheit und vor Allem auf dem, was seine Insel im Aller-
ihum war.
Diese Zeiten zu schildern ist der Zweck der vorliegenden Schrift, welche
rail gleicher Ausführlichkeit die Kulturgeschichte, wie die politische Geschichte
der Insel behandeln wird. Wenn Kriege und Staatsumwülzungen ohne allen
Zweifel deti mächtigsten Einfluss auf das gesammte Leben eines Volkes aus-
üben, so gilt dies doch eben so sehr von seiner Literatur und Kunst, un(f das
LebeA seiner Dichter und Weisen kann weder an Interesse noch an Werth dem
seiner Staatsmänner und Regenten nachstehen. Allerdings wird die Rtlcksicht
auf die üeber sichtlichkeil der Darstellung, welche durch allzu grosse Fülle und
Mannigfaltigkeit des Stoffes nur zu leicht getrübt würde, es nöthig machen, in
der Geschichte eines Volkes, bei welchem für die politische, wie für die kultur-
geschichtliche Seite die Quellen gleich reichlich fliessen, jene entschieden vor-
wiegen zu lassen. Wo aber, wie für das alte Sicilien, alle Ueberlieferung nur
fragmentarisch ist, da fällt ein solches Bedenken weg, und es wird im Gegen-
theil wttnschenswerth, dass Alles, was von der Geschichte des Landes bekannt
ist, gesammelt und in einer seiner Bedeutung für dasselbe entsprechenden
Ausführlichkeit dargestellt werde. Und bei Sicilien darf die Kulturgeschichte
um so weniger zui'ücktreten, da ein Hauptreiz, den die Insel auf den Betrachter
ausübt, gerade kulturgeschichtlicher Art ist. Auf die Entwickelung der griechi-
schen Literatur hat diese Insel einen nicht ganz unbedeutenden Einiluss aus-
geübt, und in der Geschichte der griechischen Kunst ist sie für uns wenigstens,
die wir nur nach dürftigen Resten von derselben urtheilen können , von sehr
grosser Bedeutung. Denn eiri eigenthümliches Schicksal hat gewollt, dass
Sicilien mehr Ueberbleibsel der griechischen Architektur bewahrt hat, als
irgend ein anderes Land, Atlika allein ausgenommen. Wie nun der Reisende
in Sicilien mit Bewunderung die antiken Tiümmer beschaut, welche 'alle
Wechselflille der Insel überdauert haben , so wird , wer die Geschichte dieses
Landes schreiben will , einen bedeutenden Platz der Betrachtung der gewal-
ligen Ruinen von Syrakus, Akragas , Selinus , Segesta und Tauromenion ein-
räumen müssen, die ein beredtes Zeugniss der einstigen Grösse und Schönheit
jener Städte und der hohen und geläuterten Künstliche ihrer Einwohner sind.
Zweites ^Kapitel.
Die Bodenverhältnisse der Insel.
Die Geschichte eines Landes kann ohne vorläufige Kenntniss der natür-
lichen Verhältnisse desselben weder richtig aufgefasst, noch gründlich dar-
gestellt werden. Das Land ist der Boden , aus welchem ein grosser Theil
dessen, was sich auf ihm befindet, hervorgewachsen ist, und mit welchem
auch die Handlungen und Schicksale des Volkes in einer nicht blos äusserlichen
Verbindung stehen.
6 , ^ Erstes Buch. II. Die Bodenverhältnisse der Insel.
Doch erfordert nicht jede Landesgeschichte eine gleich ausführliche geo-
graphische Grundlage. Während bei einem Lande , dessen Bewohner sich in
ihm selbst von den ersten Vorstufen der Bildung bis zu ihrem Gipfel empor-
gearbeitet haben, die genaueste Kenntniss seiner Natur geradezu von unschätz-
barem Werthe für das Verständniss ihrer Geschichte ist, ist dies in minder
hohem Grade bei einem solchen der Fall, das eine fremde, schon in bestimmter
Wei9e ausgeprägte Kultur bei sich aufgenommen und nur weiter fortgebildet
hat. Ein solches Land war Sicilien. Die Eigenthümlichkeit weder der Semiten
noch der Hellenen , die auf ihm wohnten , kann in ihren Grundzügen mit der
Natur der Insel zusammenhängen, und für die später oflfenbar vorhandene,
eigenthümlich sicilische Nationalität ist sicher der Charakter der fremden Ele-
mente, welche sie bilden halfen, von ebenso grosser Bedeutung gewesen, wie
der der Sikeler und der sicilischen Natur. Es würde also unangemessen sein,
der Geschichte Siciliens im Alterthum eine so detail]ii*te Schilderung des Bodens,
wie sie für Griechenlands Geschichte so lehrreich ist, zu Grunde legen zu wol-
len. Wir müssen uns auf einen kurzen Ueberblick des Wichtigsten beschränken,
wobei natürlich die antiken Namen und Verhältnisse einen Hauptgegenstand
der Mittheilung bilden werden.
Es war eine im Alterthum sehr verbreitete Meinung, dass Sicilien einst
keine Insel, sondern ein Theil des Festlandes Italien gewesen sei. Von den
Zeiten des Aischylos an , der in einem von Strabon aufbewahrten Verse den
Namen der Stadt Rhegion von dem Durchbruche der Gewässer herleitete , bis
herab zu denen des Claudianus und Isidorus findet sich die Ansicht von der in
vorhistorischer Zeit geschehenen Losreissung Siciliens bei Dichtern und Pro-
saikern ausgesprochen, und Jenen galt als Urheber der Trennung Poseidon, der
mit seinem Dreizack das Land gespalten habe. Es ist nicht zu bezweifeln, dass
der bedeutungsvolle Name Rhegion viel dazu beitrug, dieser Ansicht allgemeine
Verbreitung zu verschaffen. Indess war sie keineswegs eine blos etymologische
Mythe. Die Alten glaubten von manchen dem Festlande nahe liegenden Inseln,
dass sie ursprünglich nur Halbinseln gewesen seien, und es findet sich in dieser
Beziehung bei ihnen die scharfsinnige Theorie , dass die von den Küsten ent-
fernten Inseln aus dem Meere emporgestiegen , die denselben nahe liegenden
durchgängig von .ihnen losgerissen wären. Wenn nun Poseidon als Urheber der
Trennung genaniit wird , so deutet dies zunächst auf ein Erdbeben als Veran-
lassung derselben hin. Der erwähnten wissenschaftlichen Theorie entspräche
dagegen mehr die andere, ebenfalls mit dem Namen Poseidon^s verträgliche
Annahme, dass stets wiederholtes od^r plötzliches Anstürmen* der Meeresflut
die schwache Landenge zerrissen habe, und in diesem Zusammenhang würden
wir uns an die weitere, im Alterthum geäusserte Vennuthung erinnern dtirfen.
dass urprünglich das Schwarze wie das Mittelländische Meer Binnenseen ge-
wesen seien, bis der Anprall der Wogen des Pontus den Bosporos, und sodann
die sich weiter ergiessende Flut des Mittelmeeres die Strasse von Gibraltar
gebildet hätten. Jedenfalls lag es bei Sicilien um so näher, eine einstige Ver-
bindung mit dem Festlande anzunehmen, je aufmerksamer man die eigenthüm—
liehe Natur der Westküste Italiens betrachtete , wo an einigen Punkten Inseln
der Küste nahe liegen, an anderen sich Vorgebirge finden, die nur durch nie-
Meerenge. 7
drige Sumpfstrecken mit den^ Lande zusammenhängen, und bei einem geringen
Steigen der Flut ebenfalls zu Inseln werden würden. Was bei dem Vorgebirge
von Circeji unvollendet blieb, wäre dann bei Sieilien zum Vollzug gekommen.
Die späteren Jahrhunderte haben die Annahme der Alten bald getheilt, bald
bekämpft ; die heutige Naturwissenschaft enthält sich der Entscheidung. Denn
wenn die Gleichheit des Gesteines, aus welchem die Gebirge zu beiden Seiten
der Meerenge bestehen, sowie die geringe Tiefe derselben für die Meinung d^s
Alterthums sprechen, so laufen doch die Uferlinien keineswegs so parallel, dass
man eine .durch Zermssung des Landes entstandene Rinne zu sehen glaubt.
Uebrigens ward im Alterthum auch die Meinung geäussert, dass ganz Sieilien
durch vulkanische Kräfte aus der Tiefe des Meeres empoi^ehoben worden sei.
Das Meer, das die Insel umgiebt , hiess im Norden das Tyrrhenische, im
Osten , bis nach Griechenland hin , das Siciiische , — früher das Ausonische,
obwohl, wie Strabon sagt, nie Ausoner an seinen Ufern wohnten — nach Afrika
zu endlich das libysche. Das zweite, das als besonders tief galt, führte bis-
weilen auch in ungenauer Weise den Namen Ionisches und Adriatisches Meer,
und solcher Mannigfaltigkeit der Meeresnamen entsprechend , hatte denn auch
die Strasse von Messina die verschiedensten Namen im Alterthum, und hiess
nicht blos siciiische, sondern auch skylläische, rheginische, tyrrhenische, ja
adriatische Meerenge. Thukydides nennt sie geradezu Charybdis.
Den Anfang des Canals kann auf italienischer Seite entweder die Land-
spitze della Galera, oder noch besser das Gap bezeichnen , welches schroff mit
etwas ausgewaschenem Fusse in's Meer hineinragend , das Schloss von Scilla
trägt, das alte Skyllaion. Dieser Punkt ist von der Farospitze nach Capit. Smyth^s
Messungen 6074 Yards entfernt. Von hier bis zum Capo Pezzo ist die Küste
des Festlandes der sicilischen am nächsten. Smyth mass von diesem Voi*gebirge
nach dem schräg gegenüberliegenden sicilischen Dorfc Ganziri 3971 Yards;
nach der Karte des Italienischen Generalstabes zu urtheilen, .betrüge die Breite
der engsten Stelle 3200 Meter. Bei Capo Pezzo beginnt die italienische Küsten-
linie , die bisher in südwestlicher Richtung sich erstreckt hatte , gerade nach
Süden abzulenken, und die siciiische folgt ihr, jedoch bei weitem nicht mit
derselben Entschiedenheit , so dass die beiden Ufer allmählich immer .weiter
auseinander treten. Der vorspringende Hafenarm von Messina unterbricht allein
diese Richtung der sicilischen Küste. Der auf seiner Mitte an dem am weitesten
meerwärts gelegenen Punkte stehende Leuchtthurm ist von dem gegenüber-
liegenden italienischen Vorgebirge deU^ Orso 5427 Yards entfernt. Auf dieser
ganzen Strecke , bis zum Capo delle Anni , dem alten Vorgebirge Leukopetra,
wo die italienische Küste zuerst wieder entschieden nach Osten abbiegt , ist
die Strasse auf italienischer Seite von einem schnell, doch nicht schroff zu dem
nahen, über 4000 Fuss hohen Beiigrücken des Aspromonte aufsteigenden Hügel- '
lande eingefasst, das etwas längere Flüsschen nährt, als dies auf der gegenflber
liegenden sicilischen Küste der Fall ist, wo der Gebii*gskamm dem Meere noch
näher tritt, sich aber nur zu 3000 Fuss erhebt. £twa in der Mitte der Küsten-
strecke zwischen Capo Pezzo und Capo delle Armi liegt in paradiesischer
Gegend, aber an einem schlechten Ankerplatz Reggio, das alte Rhegion, Mes-
sina schräg gegenüber, dessen Leuchtthuim von der Kathedrale von Reggio
S Erstes Buch. IL Die Bodenverhältnisse der Insel.
nach Smyth 43187 Yards entfernt ist. Die Entfernung des Capo delle Armi von
dem gegenüber liegenden Capo Grosso bei Itala ist um die Hälfte grösser.
Diese Meerenge nun , deren Längenausdehnung von Scilla nach Leuko-
petra etwa 32 Million beti*ägt, war durch ihre eigenthümlichen Strömungen
eine der merkwürdigsten für die Alten. Hier sah man , ähnlich wie in dem
Euripos, der Euboea von Boeotien trennt, ein regelmässiges Auf- und Abfluten.-
Zweimal innerhalb 24 Stunden ergoss sich die Strömung von dem tyrrhenischen
Meere nach dem sikelischen zu , und zweimal in umgekehrter Richtung. Auf
diese Strömungen , die man aus dem Zusammenfliessen der beiden .durch die
Stfasse verbundenen Meere erklärte, hatte überdies, wie auf die Ebbe und Flut
im Ocean , die Stellung des Mondes Einfluss. In diesem so eigenthümlich be-
wegten Meere war aber besonders merkwürdig ein gefährlicher Strudel in ge-
ringer Entfernung von Messana, der die Schiffe umdrehte und in die Tiefe zog.
Seit uralter Zeit machten diese Strömung, diese Strudel, die Meerenge berühmt .
und gefürchtet. Sie gaben die Veranlassung zu den Schiffermährchen von der
Charybdis^ und noch aus dem Mittelalter spricht von ihren Wundem die Ge-
schichte von Cola Pesoe, der wie ein Fisch im Wasser lebte und vor den Augen
einer grossen Menschenmenge zweimal den vom König Friedrich von Sicilien in
den Strudel geworfenen goldenen Becher wiederbrachte, bis beim dritten Ver-
suche der Abgrund ihn behielt. Jetzt wissen wir, dass die Alten über die Strö-
mungen der Meerenge Richtiges überliefeit haben , und dass das , was sie von
den Wirkungen des Strudels sagen, wenn auch vielleicht theilweise übertrieben,
doch nicht gänzlich falsch ist. Nach der besten Quelle, den Nachrichten Smyth 's,
ist das Resultat der vielfach von einander abweichenden Beobachtungen folgen-
des. In der Mitte der Strasse geht eine Hauptströmung abwechselnd nach Nor-
den und nach Süden, mit einer Schnelligkeit von 2 — 5 englischen Meilen in der
Stunde. 3ene wird die ansteigende Strömung oder Flut, diese die herabsteigende
oder Ebbe genannt, Bezeichnungen, die auch schon, wenn gleich in etwas ab-
weichender Weise, aus dem Alterthum von Strabon überliefert werden. In der-
selben Richtung hält sie in der Regel 6 Stunden lang an und verwandelt sich
dann nach einer Pause von 13 — 60 Ifinuten in die entgegengesetzte. Diese
Strömungen stehen unter der Herrschaft des Mondes, ausgenommen wenn starke
Winde hinzukommen. Im Allgemeinen beträgt das Steigen und Sinken des
W^assers nur wenige Zoll, doch ist vor dem Frühlingsäquinoctium, wenn Sonne
und Mond der Erde am nächsten sind, ein Aufsteigen von 18 — 20 Zoll bemerkt
worden. An den beiden Küsten gehen Strömungen, welche dem mittleren
Hauptstrome entgegengesetzt sind , die aber, wenn dieser durch starken Wind
kräftiger geworden ist, fast ganz verschwinden. Sie bilden hie und da, wo sie
den Mittelstrom berühren, besonders in der Nähe von Landspitzen, kleine Wir-
bel, von welchen ausser dem, der in der Nähe des C. diFaro selbst beobachtet
wird, besonders derjenige merkwürdig ist, der sich unfern der Spitze des
Hafendammes von Messina befindet. Es scheint, dass hier das gegenüberliegende
Capo Pezzo den Mittelstrom nach Westen treibt, und da ausserdem der sidlische
Seitensti*om durch die vorspringende Hafensichel Messina's etwas nach Osten
abgelenkt wird , so konnte sich an dem Berührungspunkte Beider ein Wirbel
oder vielmehr eine bewegte Stelle bilden, die eine Tiefe von 70 — 90 Faden hat,
Küsteo. 9
lieren Bewegung aber keineswegs zu allen Zeiten gleich gross ist. Kleine Fahr-
zeuge können hier beschädigt werden , und Smyth hat sogar ein Kriegsschiff
von 74 Kanonen durch den Strudel herumgewirbelt gesehen. Der Strudel heisst
jetzt Reroa oder Garofalo (die Nelke).
Der unvergleichlich viel breitere Kanal, welcher Sicilien von" Afrika trennt,
bietet doch auch eine ähnliche, wenngleich keineswegs so regelmässig sich
wiederholende Erscheinung dar. Es ist, ausser einer unbestimmten Ebbe und
Flut, welche sich ^0 — 20 Zoll erhebt, die besonders in der Gegend von Mazara
bemerkte Marobia, die durch Windstille und trübe Luft verkündigt wird. Dann
erhebt sich plötzlich das Meer um fast 2 Fuss und stürzt mit grosser Gewalt
gegen das Land, von wo es in wenigen Minuten wieder zurückkehrt, den
Schlamm aufwühlend und Seepflanzen entwurzelnd. Dies dauert eine halbe
Stunde bis zwei Stunden abw^echselnd fort. Eiije Spur dieser eigenthümlichen,
von Smyth als das ResultM eines Kampfes von West- und Südostwinden be-
zeichneten Erscheinung findet sich im Alterthum in der vereinzelten Nachricht
von einem Aufkochen des Meeres an der Südküste von Sicilien.
Die Insel führte im Alterthum in historischer Zeit nur den einen Namen
Sicilien. Sikanien hiess sie vor der Ankunft der Sikeler, also nur in der Urzeit,
und Trinakria nannten sie die Dichter, die sich natürlich auch gerne des Wortes
Sikania bedienten, mit einem Namen, welcher wahrscheinlidi nur eine Umbil-
dung des homerischen Thrinakia ist, das keineswegs sicher mit Sicilien identi-
licirt werden kann. Es fehlt nicht an poetischen Beiwörtern der Insel, die von
ihrer charakteristischen Gestalt hergenommen sind , und im spätem Alterthum
hat man als Symbol Siciliens eine jetzt Triskeles oder Triquetra genannte Figur
gewählt, gebildet aus drei wie die Speichen eines Bades — oft um ein im Mit-
telpunkte befindHches Gesicht — angesetzten gebogenen Menschenbeinen , ein
Symbol, das übrigens ursprünglich nichts mit Sicilien zu schaffen hat.
Ich betrachte nun zunächst die Küsten der Insel , welche für die alte Ge-
schichte derselben eine weit grössere Bedeutung haben , als das Innere, wobei
die Thatsache nicht zu übersehen ist, dass der Boden Siciliens, und insbesondere
seine Küsten, sich langsam, aber stetig heben, eine Thatsache, die manche Ver-
schiedenheit zwischen jetzt und ehemals erklärt. Die Italien zunächst gelegene
Landspitze, d ie Pe I o r i s , jet«t C. di Faro, wird von einigen alten- Schriftstellern
als hodi bezeichnet, während eine Hindeutung auf ihre wahre Beschaffenheit
sieh in der Sage findet, dass Orion sie in's Meer geschüttet habe. Es ist in der
That nur eine niedrige, theilweise sandige Landzunge. Jene irrige Bezeichnung
ist dem Namen Peloris — die Riesige — entnommen, ein Name, dessen, Ur-
sprung von der gewöhnlichen Tradition nicht in befriedigender Weise angegeben
wird. Es heisst, dass Libyer, vielleicht Karlhager, hier ihren Steuermann
Peloros, von dem sie sich verrätherischer W^eise in einen Meerbusen ohne Aus- "
gang geführt glaubten, erschlagen und dann, zu spät ihren Irrthum erkennend,
dem Opfer ihrer Unwissenheit ein Denkmal am Ufer errichtet hätten. So wollte
man denn auf der Landspitze einen Grabhügel -und eine Bildsäule des Peloros
finden. Später fügte man noch die genauere Bestimmung hinzu, dass das Schiflf
das Hanmbars gewesen sei, der auf seiner Flucht, sei es von Italien nach Afrika,
sei es von Karthago nach Asien , durch die Meerenge gekommen sei. Die den
10 Erstes Buch. II. Die Bodenverhältnisse der losel.
Hannibal hineinmischten, beachteten nicht, dass schon hei Thukydides der
Name Peloris vorkommt. Der Kern der Erzählung , der ja auf irgend einen
andern Karthager gehen könnte, stützt sich auf die Thatsache, dass denen, die.
zumal von Süden her, die Strasse durchfahren, wirklich eine Zeitlang die Meer-
enge wie ein Binnensee oder wie eine Bucht ohne Ausgang erscheint, ist jedoch
offenbar eine Nachahmung einer ähnlichen Sage , welche sich an den Euripos
knüpft. Hier lag die böotische Stadt Salganeus, die ihren Namen von einem
* Steuermann erhalten haben soll, der die Flotte des Xerxes führte, und den der
persische Admiral Megabates aus demselben Verdachte erschlug, wie bei Sicilien
die Libyer den Peloros. Die Symmetrie der beiden Erzählungen ist auffallend.
Hier der Euripos, dort die so ähnliche Meerenge von Messina, hier Perser, dort
Karthager, die beiden Erbfeinde der Griechen. Man könnte nun den Namen
Peloris einfach von dem gewaltigen Gebirge herleiten , das schon bei Messana
das tyrrhenische Meer von dem sikelischen trennt , und das auch Peloros ge-
heissen hat, wenn nicht eine dritte Herleitung noch wahrscheinlicher wäre.
Orion, der ja die Landzunge gemacht haben soll, wird der Riese gewesen sein,
von dem es den Namen hat, und es wäre nicht unmöglich, dass, wenn man
wirklich in alter Zeit daselbst ein Pelorosgrab fand, auch dies sich ursprünglich
auf Orion bezogen hätte. Eigenthümlich ist noch, dass, wie hier, wo die Meer-
enge durch einen gewaltsamen Durchbruch des Wassers entstanden sein soll,
so auch in Thessalien, wo der Durchbruch der Gewässer das Land trocken legte,
sich in der Sage der Name Peloros in den Vordergrund stellt.
Unfern von der Spitze befindet sich ein See von runder Gestalt. Von hier
an beginnt das Land sich zu heben , und zwischen diesem H(dienzuge und der
Strasse von Messina liegt ein zweiter, jetzt mit dem ersten durch einen Kanal
verbundener See von länglicher Form, der aus zwei, noch im Alterthum unter-
schiedenen Seen vereinigt ist. Einem dieser drei wurden wunderbare Eigen-
schaften beigelegt. Die neuere Forschung möchte ihnen denselben geologischen
Charakter und somit denselben Ursprung zuschreiben , wie dem Hafenbecken
von Messina, das dem Krater eines erloschenen Vulkanes gleicht.
Von jetzt an begleitet in sehr geringer Entfernung der immer höher an-
steigende Kamm des Gebii^ges die Ostküste der Insel. Auf dieser Küstenstrecke,
welche die pelontanische und in späterer Zeit auch die tauromenitanische ge-
nannt wurde , und wo fortwährend die Felsen bis nahe an's Ufer treten und
dem Wege wenig Raum lassen, finden sich die Vcu^gebirge Drepanon, Ar-
gen num und Kokkynos erwähnt, deren Lage sich nicht genau bestimmen
lässt. Der letzte Theil derselben hiess auchKopria, das schmutzige Ufer,
angeblich weil dort Ueberreste aller Art von Fahrzeugen, welche in der Strasse
von Messina zu Grunde gegangen waren, an^s Land gespült zu werden pflegten,
und allerdings ist diese Thatsache , die indess mit dem Namen Kopria nichts
gemein zu haben scheint, auch durch neuere Beobachtungen bezeugt. Den Ab-
schluss dieser Strecke macht das bereits aus vulkanischen Massen gebildete
Gapo Schisö, die niedrige Landspitze, auf der das alte Naxos stand.
Südlich hiervon wird die Ktlstenlinie von den einem so häufigen Wechsel
der Gestalt unterworfenen Abhängen des Berges Aetna gebildet. Hier zieht
sich über den nicht selten mehr als 300 Fuss hohen, aus schwarzen und rothen
Küsten. 11
Schichten hßstehenden Uferfelsen eine wellige Ebene hin, die allmählich in den
mit einem Vegetationsgttrtel umgebenen Kegel des Vulkanes übergeht. Ein
wenig nördlich von Gatania ist der unbedeutende Porto di Lognina , welchen
die einheimischen Gelehrten meistens für den im Mittelalter durch Laven ver-
nichteten Hafen des Ulysses erklären, den Plinius in diesem Theile der sici-
lischen Rtlste kennt. Hier tritt das Ufer mehr und mehr nach Westen zurück,
um erst da,, wo das Aetnagebiet in die Ebene übergeht, in südöstlicher Richtung
wieder vorzurücken. So wird der Golf gebildet, der nach der fast im innersten
Winkel desselben liegenden Stadt der Golf von Gatania heisst , und der seinen
letzten Abschluss im Süden erst durch das breite Vorland erhält , welches im
Alterthum Xiphonia oder Tauros genannt wurde und jetzt in seiner süd-
lichen Uauptspitze den Namen G. S. Groce führt. In dieser Gegend treten die
Gebirge auch der Küste wieder näher , als dies auf der von Sanddünen ein-
gefassten Südseite des Golfes von Gatania der Fall war, und das Ufer des rund
vorspringenden Küstentheils , dessen Hauptspitze so eben genannt wurde, ist
felsig. Der südlich davon liegende Megarische Busen , an dessen Anfang eine
sich nach Süden erstreckende Halbinsel gegenwärtig die Stadt Augusta trägt,
hat indess wieder eine ziemlich niedrige Küste, von der sanfte Höhenzüge nach
dem etwas entfernten Gebirgskamme laufen , und unmittelbar vor dem Anfang
des kleinen Dammes, der die Halbinsel Magnisi , das alte Thapsos, mit dem
Festlande verbindet, haben sogar Salinen angelegt werden können. Aber von
Neuem treten die Felsen als letzte Ausläufer des Gebirges dicht an^s Ufer in dem
auf die Meeresbucht Trogllos folgenden breiten Landvorsprunge , der den
festländischen Theil des alten Syrakus trug , und der mit der südlich daran
hängenden Insel Ortygia eine Art von Wiederholung des Gapo S. Groce und
der Halbinsel von Augusta bildet. Und eine eben solche Wiederholung des
megarischen Busens mit seinen niedrigen Ufern im Westen bildet der ihm an
Grösse freilich bedeutend nachstehende, aber besser abgeschlossene grosse
Hafen von Syrakus , der im Süden von dem Ortygia ziemlich nahe kommenden
felsigen Vorgebirge eingefasst wird, welches heutzutage Massa e Oiivero, in
seinem obem Plateau Isola oder il Mondio heisst und bei den Alten den Namen
Plemmyrion führte. Ob der südliche Auslauf desselben, das jetzige Gap
Murro di Porco , der bei Ptolemäus angeführte G her son es os war, muss da-
hingestellt bleiben.
In ihrem ferneren Verlauf nach Süden bleibt die Küste , wenn sie gleich
keineswegs hoch ist, ziemlich schroff und wifd mehr und mehr öde. Die Alten
erwähnen auf dieser Strecke nur das lange Vorgebirge, das jetzige Gapo
Lognina, und einen Ankei*platz Naustathmos, vielleicht den südlich von dem
eben genannten Gap gelegenen.
So sind wir zur südöstlichen Spitze Siciliens gelangt, zumPachynos,
mit welchem Namen bei den Alten vielleicht nicht blos die niedrige, felsige
Halbinsel, welche die Ostseite des kleinen Porto di Palo bildet, und die jetzt den
Namen G. Passaro führt, während das Fort di G. Passaro etwas weiter östlich
auf einer kleinen Insel steht, bezeichnet- worden ist, sondern auch die ganze
' anstossende, in viele kleine Landzungen auslaufende Gegend, die sich nicht
bedeutend über die Meeresfläche erhebt und ziemlich kahl ist. Dann gehört
12 Erstes Buch. II. Die Bodenverhältnisse der Insel.
zum Pachynos auch noch das Odysseische Vorgebirge, vielleicht das jetzige
Capo di Castelluccio , in geringer Entfernung weltlich von der Sttdostspitze der
Insel, ein Vorgebirge, das der Sage nach früher Kakra hiess, bis daselbst
Odysseus, durch ein Traumgesicht erschreckt, ein Denkmal der Hekabe, auf
die er am thracischen Gestade den ersten Stein geworfen hatte, und einen Tempel
der Athene errichtete, worauf das Vorgebirge den Namen des Helden von Ithaka
erhielt. Dem Vorgebirge Pachynos — im engeren Sinne — und dem des Odys-
seus lagen nach ihnen benannte Häfen nahe. Smyth hat die Vermuthung auf-
gestellt, dass jener in dem Thal zu suchen sein mochte, welches sich unterhalb
des heutigen Ortes Pachino vom Meere aus in's Innere erstreckt, und das einen
See mit Salzwasser enthält; wenigstens lehrt der Augenschein, dass hier früher
eine Meeresbucht war; der Hafen des Odysseus aber ist ohne Zweifel die
schmale seichte Bucht von La Marza neben dem Dorfe Castelluccio, obwohl auch
hier die Vermuthung nahe liegt, dass er sich noch über den salzigen Sumpf,
der sich im Grunde der Bucht befindet, erstreckt habe.
Die Südküste der Insel bietet weniger Abwechslung dar , als die bisher
geschilderte östliche. Die Gebirgskämme sind entfernter , und das Land senkt
sich von ihnen sehr allmählich zum Meere herab , so dass dieses sich grösste^—
theils von Hügelland eingefasst zeigt. Erst nach Westen zu wird das Verhältniss
etwas anders. Hier treten die Berge, in denen man theihveise die letzten Aus-
läufer des Hauptgebirges der Insel erkennt , eine kurze Strecke weit der Küste
näher, und der unfern vom Meere gelegene höchste Punkt von Gii'genti, sowie
der S. Calogeroberg bei Sciacca erheben sich mehr als 4 000 Fuss Ober den
Meeresspiegel (350 und 390 Meter). Hier ragen aber auch hinter den Ufer—
bergen die Höhen des Hauptgebirgs selbst hervor, und die hohen und schroffeii
Gebirgsmassen der Umgegend von Caltabellotta sind vom Meere aus deutlich
sichtbar. Gute Häfen hat die Südküste nicht. Die Alten sind mit Namen ein-
zelner Punkte derselben ungemein sparsam. Von Vorgebirgen erscheint nur
das einzige Bukra oder Bruka , das jetzige C. Scolambri, eine niedrige Land-
spitze, und unmittelbar vor demselben wird der Hafen Kaukana genannt, der
also nur der heutige Porto Longobardo sein kann. Smyth vermuthet, dass auch
hier das Meer einst weiter in's Land hineinging als jetzt.
Die berühmte westliche Spitze Siciliens, das Lilybaion, jetzt C. Boeo,
ist, dem Charakter der Küste von Sciacca an entsprechend , niedrig und , wie
die Peloris , sandig , und Untiefen setzen sie noch 2 Millien weit in*s Meer hin-
aus fort. Hier, wo die kymäische Sibylle begraben sein soll, war ein berühmter
Brunnen, der sich noch zwischen den Mauern der Stadt Marsala und dem Ende
des C. Bo6o findet. Der einst vielgenannte, jetzt seit 1570 vernichtete Hafen
von Lilybaion, der sich im Norden von Marsala befand, konnte, nach den Mes-
sungen von Smyth, höchstens 12 — H Fuss Tiefe haben, denn in dieser Tiefe
stösst man bereits auf den Felsgrund. Nördlich von diesem Vorgebirge zieht
sich eine Bucht hin, die an der einen Seite von dem sich sanft erhebenden,
jetzt Terra Spagnuola genannl<?n Lande , auf der andern von zwei Inseln, Bor—
rone im Norden uud Longa im Süden , eingefasst wird. In der Mitte des so
gebildeten, ziemlich seichten Meeresbeckens liegt eine dritte Insel , S. Pantaleo.
Alle drei werden gegenwärtig Isole di Stagnone genannt. Wir werden später
, ' Gebirge. 13
sehen, dass S. Pantaleo eine wichtige phönicische Niederlassung, die Stadt
Motye , trug.. Im Norden wird die Bucht wiederum von einer niedrigen Land-
spitze abgeschlossen, dem Gapo S. Teodoro, das im Alterthum Aigi thallos
oder Aigitharsos, später Akellos genannt wurde.
Die Küste, welche bis zum IBryx noch denselben Charakter behält, wie
bisher, ändert ihn von da an. Der Gebirgskamm läuft auf der ganzen Nordküste
der Insel nahe dem Meere hin, und sie besitzt überdies eine grosse Anzahl von
Vorgebirgen , die schroif in die See abfallen und tiefe Buchten zwischen sich
einschliessen. Es ist daher merkwürdig , dass , wenn wir von Mylai absehen,
das in seinem andern Namen Chersonesos auf die Landzunge, die es trägt,
hindeutet, v(m Allen nur Eines , das jetzige G. Hasiculmo, ein breites frucht-
bares Vorland unfern von €. di Faro, unter dem Namen Pha la krion bei den
Alten vorkommt. So sind wir denn weder für C. S. Vito noch für C. Rama, die
die geräumige, von dem allen Segesta beherrschte Bucht von Castellamare um-
scbliessen, weder für G. Gallo noch für G. Zafarana, die natürlichen Grenzen des
Seegebietes von Palermo, nicht für das G. Orlando noch für das steile C. Calav^,
die die schiene Bucht von Brolo begrenzen, im ßtande, die antiken Namen anzu-
geben. Und doch fehlte es auch im Alterthum dieser Küste nicht an leben-
digem Verkehr; das beweist die grosse Zahl der Städte, die uns hier begegnen
werden , und unter denen vor Allen die Stadt )>des grossen Hafens« Panormos
hervorragt. Wenn übrigens im Allgemeinen die Nordküste der Insel im Ver-
gleich mit der südlichen,ais die schroffere bezeichnet werden muss, so sohliesst
dies natürlich nicht aus, dass in den die Vorgebirge verbindenden Uferstrecken
das Land sich sanft zum Meere hin abdacht, und so entstehen einerseits Ebenen,
wie die von Gastellamare, Garini und Palermo, während anderswo auf dieser
Küste, — wie besonders in dem Kaie Akte genannten Theile derselben zwischen
CeCalü und C. Orlando — die Verbindung von Fels, Baumgrün und Wasser die
reizendsten Gemälde hervorbringt. Die Nordküste ist gegenwärtig der Sitz der
ausgedehniesten Kultur des Oelbaumes in Sicilien.
Das Innere Siciliens, vom Aetna abgesehen, ein zusammenhängendes Hoch-
land, wird von einem Hauptbergrücken durchzogen, der sich vom pelorischen
Vorgebirge, der Nordküst« nahe, nach dem Westende der Insel erstreckt , und
als dessen umfassendsten antiken Namen wir den der Nebrodischen Berge
ansehen können. Strabon nennt von den Gebirgen der Insel ausser dem Aetna
nur dieses.
Der* nordöstlichste Theil desselben, oder, wie Andere sich ausdrücken,
seine nordöstliche Fortsetzung ist das Neptunische Gebirge, dessen Gottheit
in einem auf der Peloris von Orion , dem Schöpfer des Vorgebirges , erbauten
Tempel verehrt wurde. Es ist schon oben bemerkt worden , dass auch der
Name Peloros diesem Gebirge beigelegt worden sein muss , was besondei^s da-
durch bestätigt wird , dass die Küste , neben der dieses Gebirge hinzieht , die
peloritanische hiess. Es enthält die ältesten Gesteine der Insel : Gneiss, Glim-
mer und Thonschiefer, hie und da mit Granit durchsetzt und von festem Kalk-
stein bedeckt, der am Ende dieser Kette zu einem schönen, bunten Marmor
wird. Es erhelbt sich schnell zu einer nicht unbedeutenden Höhe. Der Monte
Dinnamare bei Messina hat eine Höhe von 314 2 Fuss und der Monte Senden
14 Erstes Buch. II. Die Bodeaverhältnisse der Insel.
oberhalb Itala eine solche von 31 90. Der Gebirgskamm, der hier, wo die Meer-
enge][ein Ende hat, etwas weiter von der Küste zurücktritt, behält doch bis
hinter Taormina noch dieselbe südwestliche Richtung bei, um erst dann, beim
Monte Cieri, nach Westen abzubiegen. So dürfen wir diesen Punkt, an welchem
auch das Urgebirge aufhört , als die Grenze des Pelorischen oder Neptunischen
Bergzuges betrachten. Besondere Theile desselben hiessen Ghalkidikos und
Senes, jenes ein Berg, dieses nach der wahrscheinlichsten Annahme ein mehr
oder weniger ausgedehntes Thal nahe bei Messana. in demselben Gebirge wer-
den zwei Engpässe erwähnt, der von Tauromenion und der von Mylai, wor-
unter Zugänge nach Messana von jenen beiden Städten her zu verstehen sind.
Jener ist die Wegesenge an der Küste bei S. Alessio. Hier erhebt sich der aus
gelbem Kalkstein bestehende Berg schroff aus der See , und die Strasse hat in
den Felsen gehauen werden mtlssen. Moderne Befestigungswerke zeigen die
Bedeutung , die man noch lange diesem Punkte beigelegt hat. Der Pass vDn
Mylai ist der Weg über das Gebirge, den noch heutzutage der Reisende zwi-
schen Messina und Milazzo zurückzulegen hat. Auf seinem höchsten Punkte
steht ein verfallener, mittelalterUcher Wartthurm und ein Telegraph, 6 Millien
\ on Messina ; dies ist der Ort, von dem Solin sagt, dass man von ihm, wie von
einer Warte, beide Meere, das tuscische und das adriatische, d. h. das sikelische
erblicken könne. Die Aussicht von diesem Punkte ist prachtvoll. Auf der einen
Seite die Meerenge, die einem Flusse gleicht, der in die weite See mündet, ein-
gefasst hier von den rauheren , aber malerischeren Abhängen des neptunisdien
Gebirges , dort von den sanfter aufsteigenden Höhen des Festlandes , auf dem
Scilla , S. Giovanni und Reggio deutlich sichtbar sind , während Messina halb
durch die Berge versteckt ist , und nur die grüne Hafensichel aus dem blauen
Meere deutlich hervortritt. Auf der andern Seite überschaut man fast die ganze
Nordküste Siciliens und sieht fem im Meere die Aeolischen Inseln daliegen, unter
denen Stromboli besonders das Auge auf sich zieht.
Die Hauptgebirgskette, die in ihrem weiteren Verlaufe von Monte Cieri
nach Westen aus secundärem Gestein, Sand- und Kalkstein , besteht, führt
westlich von der Stadt Gangi, etwa unter dem Meridian von Cefalü, heutzutage
den Namen Madonie. Hier erreicht der Pizzo di Palermo eine Höhe von 6320
Fuss. Man hat in diesem Gebirge mit Recht den MonsMaroneus der Alten
wiedergefunden.
Weiter im Westen , um die Quellen des F. Torto bildet das Gebirge einen
Knotenpunkt , von dem hauptsächlich nach zwei Richtungen hin Gebirgszüge
auslaufen, der eine nach Nordwesten sich in der Nähe der Nordküste haltend, der
andere nach Südwesten. Dieser Letztere scheint zunächst die Gemelli colles
der Alten enthalten zu haben, wenn nämlich auf den Umstand, dass der gewal-
tige 1 570 Meter hohe Berg von Cammarata in auffallender Weise eine doppelte
Spitze zeigt , in dieser Hinsicht etwas zu geben ist. Weiterhin wird er beson-
ders nördlich von Bivona (M. Rose 1 436 Meter) und in der Gegend von Galta-
bellotta. wo der Gastellberg, der diese Stadt überragt, eine Höhe von 949 Meter
hat, [zu einem Bergiande von ziemlich rauhem Charakter, welches deswegen
auch in den Sclavenaufständen am Ende des zweiten Jahrhunderts vor Chr. zu
einem Hauptschauplatze des Kampfes wurde, dem Kratasgebirge der Alten.
Gebirge. 15
Als einen der iSus8ersten Ausl^iufer dieses Bergzuges haben wir den schon er-
wähnten S. Calogero-Berg bei Sciacca zu betrachten , der sich nahe dem Meere
390 Meter über dasselbe erhebt. Er ist von CaUabellotta nur etwa 2^2 geo-
graphische Meilen entfernt. In ihm , von dessen mühsam zu ersteigender Höhe
man eine weite Aussicht über die Küste von Capo Granitola im Westen bis jen-
seits Girgenti im Osten und auf die: am südwestlichen Horizont hervorragende
Insel Pahtellaria hat, darf man einen der Berge wiederfinden, die nach der auf
ihnen verehrten Gottheit den Namen Krön ios trugen, wenn anders der Name
Cranius , den dieser Berg in den ersten christlichen Jahrhunderten geführt zu
haben scheint, mit Kronios identisch ist.
Der zweite, sich der Nordküsta nähernde Arm des Hauptgebirgsrückens der
Insel erreicht, nachdem er nördlich von Corleone in der Bocca di Busamara zur
Höhe von 1 673 Meter angestiegen ist, südlich und westlich von Palermo in den
beiden durch den Lauf des Oretbus getrennte^ Berggruppen eine nicht un-
bedeutende Höhe — in jener der P. di Neviera südlich von Belmonte 848 Meter,
in dieser der Monte Cuccio 4050 Meter — , und seihe Ausläufer sind es, welche
die oben genannten Vorgebirge C. Gallo, C. Bama und G. S. Vito bilden. Aus
dem Alterthum sind keine Namen berichtet, die sich auf dieses Gebirge beziehen
lassen. Die von Südwesten über dasselbe nach Palermo führenden Passe hiessen
die selinuntischen ; man kann sich den Weg von Monreale nach S. Giuseppe (Jato)
darunter vorstellen, der die grosse Senkung zwischen den oben genannten bei-
den Berggruppen benutzt. Den westlichen Endpunkt dieses Gebirges bildet der
im Alterthum hochberühmte Eryx, jetzt M. San Giuliano, der, obwohl nicht
durch eine Tiefebene von dem Bergzuge, den er abschliesst, getrennt, dennoch
nach allen Seiten hin isolirt dazustehen scheint und so ein verkleinertes Abbild
des Aetna darbietet. Sein 754 Meter hoher Gipfel schaut weithin über das
westliche Meer und die Aegatischen Inseln. Die nach C. Gallo und nach C. Bama
sich hinziehenden Gebirgsarme schliessen eine reizende, sidi zum Meere ab-
dachende Ebene ein, die sogenannte Sala (d. h. Ebene) von Garini, und ebenso
breitet sich zwischen C. Bama und dem Berglande, das sein Ende im C. San
Vito hat, die noch ausgedehntere und üppigere Sala di Partinico aus, die die
Araber des 12. Jahrhunderts zu dem Lobe begeisterte, dass sie selbst die Ebene
von Cordova an Fruchtbarkeit übertreffe.
Wirklich von dem Berglande vollkommen getrennt ist dagegen der nördlich
von Palermo gelegene Monte Pellegrino, dessen alter Name Heirkte war. Im
Osten, Norden und Süden vom Meere bespült, ist er im Westen durch die frucht-
bare Tiefebene der Conca d^oro (goldene Muschel) von der gerade hier sich über
3000 Fuss erhebenden Uauptkette völlig gesondert; er selbst hat eine Höhe von
1 955 Fuss. Er ist nur auf der Palermo zugewandten Seite bequem zuganglich,
nach den übrigen Seiten hin fullt er ganz schroff ab. Polybios giebt seinen obem
Umfang zu 400 Stadien an [i^j^ geogr. Meilen) ; das ist um ein Drittel zu viel.
Der Berg ist besonders durch den langen Aufenthalt der Karthager unter Ha-
milkar im ersten punischen Kriege berühmt geworden. Im Mittelalter war
Wald auf ihm gewachsen, jetzt ist er kahl. Man sieht von der Höhe des Berges
die Küste bis zum G. Orlando, den schneeigen Gipfel des Aetna, die Aeolischen
Insebi und das einsame Ustica.
lg Erstes Buch. H. Die Bodenverhältnisse der lasel.
Die Abhänge der beiden westlichen Arme des Haupt42;ebirgsrückens der
Insel füllen nicht die ganze Spitze derselben aus : sie reichen nur bis zu einer
von Sciacca nach Trapani gezogenen Linie ; der Boden jenseits derselben kann
im Wesentlichen als flach bezeichnet werden.
Wir haben jetzt noch von den Seitenästen zu sprechen , die der Haupt-
stamm des Gebirges nach Süden aussendet. Der bedeutendste derselben , die
Herrischen Berge der Alten, beginnt in der Gegend der Stadt Gafigi . von
wo er sich in südöstlicher Richtung nach Gastrogiovanni und weiter nach Gala-
tagirone hinzieht, um dann etwas mehr nach Osten abzubiegen. Nachdem er
die neue Richtung einige Meilen verfolgt hat, drängt er sich in einer Gegend,
als deren Grenzpunkte man die vier Städte Vizzini und Chiaramonte im Westen,
Sortino und Palazzolo im Osten , bezeichnen kann , zu einer Berggruppe zu-
sammen, in der vorzüglich die Gipfel Monte Lauro, Monte Rosso und Monte S. Ve-
nera hervorragen. Dies von vielen Schluchten durchzogene Bergland strahlt nach
.verschiedenen Seiten kleinere Bergzüge aus. Einer derselben zieht, bei Sortino
beginnend, nördlich vom Anaposflusse, demselben parallel nach Osten. Er
heisst zuerst Serra di Buon Giovanni, sodann Montagne Monte und mit all-
gemeinem Namen Crimiti. Dies felsige Waldgebirge ist der Thymbris der
Alten. Es hat seine Fortsetzung im Südosten im Felsplateau des alten Syrakus,
mit dem es durch einen niedrigen Kamm, nordwestlich von Belvedere zusam-
menhängt. Unmittelbarer schliessen sich jedoch an dasselbe im Norden die
Berge, welche ihre Gewässer in die megarische Bucht entsenden ; dies sind die
durch ihren Honig berühmten Hybläischen Berge der Alten. Ein andei*er
Ast, von dem ebengenannten durch das Thal des Anapos getrennt, läuft über
Bagni in das Vorgebirge Plemroyrion aus. Diesem Gebirge gehörte der Ak r ä i -
sehe Fels an , der in der Geschichte des grossen Krieges z\^ischen Athen und
Syrakus eine für die Athener so verderbliche Rolle spielte , dessen Lage aber
noch nicht befriedigend nachgewiesen ist. Sodann geht ein Bergzug aus der
Gegend von Palazzolo weiter nach dem Vorgebti*g»Pachynos hin. In entgegen-
gesetzter . • westlicher Richtung von dem Gebirgsknoten bleibt um das heutige
TeiTanova zwischen dem Gebirge und dem Meere eine ausgedehnte Ebene,
welche die Alten die Geloischen Gefilde nannten, und die durch ihre Frucht-
barkeit berühmt war.
Ein anderer vom Hauptgebirgszug der Insel ausgesandter Seitenast ist der-
jenige, welcher westlich vom südlichen Himeraflusse nach Süden zieht. Nach-
dem er Ausläufer in derselben Richtung weiter bis an die Mündung dieses
Flusses gesandt hat, wendet er sich selbst mit seiner Hauptmasse nach Westen,
wo er sich noch über Girgenti hinaus erstreckt. Von einzelnen ihm angehörigen
Bergen ist besonders der inselgleiche Ekno mos berühmt geworden, der so-
wohl in der Geschichte des Phalaris, als auch in späteren Kriegen vorkommt.
Es ist der Berg, weicher die Stadt Alicata tiberragt, der jetzige Poggio di S. An-
gelo. In unmittelbarer Nähe von Akragas lagderToros, wahrscheinlich die
Anhöhe westKch von der Stadt, jenseits des Flusses. In demselben Gebirge
befindet sich etwa 7 Millien nördlich von Akragas , links von der Strasse , die
von Girgenti nach Palermo führt, eine der grössten Naturmerkwiirdigkeiten
Siciliens , der Schlammvulkan Maccaluba. Man erblickt einen Hügel in Form
Aetna. 17
eines abgestumpften Kegels , etwa eine halbe Millie im Umfang. Der thonige
Boden ist mit weiten Rissen in allen Richtungen durchzogen und mit zahlreichen
kleinen Kratern bedeckt , die einen halben bis zu zwei und einem halben Fuss
hoch sind. Aus diesen Oelfnungen steigen fortwährend Luftblasen empor,
welche beim Platzen kleine Ströme eines feinen , kalten Schlammes ergiessen.
Die EruptioneD sind stärker bei warmem, als bei regnichtem Wetter. Bisweilen
hört man Getöse wie von abgefeuerten Kanonen, und es soll vorkommen , dass
Schlamib und Steine über 30 Fuss hoch in die Luft geschleudert werden. Es
heisst, dass in früherer Zeit alle fünf Jahre Eruptionen dieses Vulkans Statt ge-
funden hätten ; im 1 8. Jahrhundert war er lange still und wurde wenig be>
achtet, bis im Jahre i 777 unter anfangs dumpfem, dann donnerähnlichem Getöse
sieh die Hauptöfifnung erweiterte und Schlamm und Thonstttcke auswarf. Aehn-
liches kommt auch, an anderen Punkten der Umgegend von Girgenti und sonst
in Sicilien vor. Von den alten Sdiriftstellem erwähnt es nur Solin, doch nennt
er keiuNi Ortsnamen, so dass, wenn*er auch ohne Zweifel besonders die Mac-
caluba im Auge hatte, er doch auch das Phänomen für ziemlich verbreitet in
dieser Gegend gehalten zu haben scheint.
Alle diese Gebirge bestehen , ebenso wie die zwischen ihnen sich hin*
streckenden Ebenen, aus Kalkstein ; nur im Val di Noto, im südöstlichen Win*
kel SicUiens, findet eine eigenthümliche Abwechslung von übereinanderliegen-
den Kalk- und Lavaschichten Statt.
Abgesondert von den bisher genannten Bergen, die das eigentliche Gerüste
der Insel bilden, ragt im Osten Siciliens der gewaltige Kegel des grössten euro-
päischen Vulkans, des Aetna, empor. Im Norden wie im Westen erheben
sich ihm gegienüber die verschiedenen Zweige des Hauptgebirgszuges der Insel,
von denen er nur durch die Thäler zweier Flüsse getrennt ist, welche im Nord-
\^esten des riesigen Berges unfern von einander entspringen und sich nördlich-
und südlich vom Aetna in das sicilische Meer ergiessen. Es ist, als hätte sich
hier in uralter Zeit ein tief einschneidender Meerbusen ausgedehnt, der dem all-
mählich aufsteigenden Vulkan Platz machte. Der Umfang des Berges beträgt etwa
100 englische Meilen, sein grösster Dui'chmesser ist von Norden nach Süden. Der
südliche Abhang hat die doppelte Ausdehnung des nördlichen. Der hoch in die
Wolken ragende Gipfel des Aetna — 3313,13 Meter über der Meeresfläche — von
dem der Wanderer nach mühsamem Anklimmen die ganze Insel wie eine Land-
karte zu seinen Füssen ausgebreitet sieht, überragt das Nebrodische Gebirge so
weit, dass Strabon von dem Aetna sagen konnte, er erhebe sich vorzugsweise
nach der Meerenge und der katanäischen Küste hin , aber auch nach dem tyr-
rhenischen Meere und den Liparischen Inseln.
Es ist nicht zu verwundem , dass der Aetna schon im Alterthum weit be-
rühmt war. War er doch vor dem späten Beginne der vulkanischen Thätigkeit
des Vesuv das merkwürdigste und zugleich , seiner centralen Lage wegen , für
die alte Welt am bequemsten zu beobachtende Beispiel der Wirkungen des
UQterirdischen Feuers, ein Gegenstand staunenden Schreckens fUr das Volk,
bewundernder Fc|pchung für die Philosophen.
Die dichte Dampfsäule, die beständig über seinem Gipfel schwebt, und die
auch den Alten auffallen musste und auffiel, zeigt, dass das Feuer des Innern
Holm, Qes«li. SicLliens. I. a
lg Erstes Buch. II. Die BodenverhöUnisse der Insel.
nie erlischt. Von Zeit zu Zeit aber brechen die glühenden Massen aus dem
tiefen Schlünde hervor , und LavagUsse verändern die OberfUiche des Berges.
Solche Ausbrüche, die in unserm Jahrhundert alle sechs bis sieben Jahre vorzu-
kommen pflegen, sind schon im Alterthum nicht ganz selten gewesen, und von
einigen derselben ist die Zeit , in der sie eintraten , genauer überliefert. Der
erste AüSbruch , von dem wir hören , war ein besonders furditbarer. Die an
mehreren Orten hervortretende Lava, deren Jahre lang dauernder Erguss grosse
Strecken verwüstete , soll die Sikaner bewogen haben , die Osthälfte der Insel
zu verlassen und sich nach dem Westen zurückzuziehen. Man sieht, dass die
Eruptionen des Aetna eine lange Geschichte haben , denn diese erste versetzt
uns in das zweite Jahrtausend vor Christi Geburt. Dies ist jedoch Alles , was
wir über die Ausbrüche des Vulkans vor der Griechenzeit wissen. Vielleicht
gehört in jene ferne Zeit der gewaltige Lavastrom, der, von Mojo herkommend,
das Cap Schisö gebildet hat, und der mit dem Strom von \ 669 den Ruhm theilt,
der gewaltigste Erguss des Berges zu sein. Von den auf die erste Landung der
Griechen folgenden Jahrhunderten sind wir etwas besser unterrichtet. Thuky-
dides erzählt, dass, seil Griechen sich auf der Insel niedergelassen hätten, bis zu
seiner Zeit drei Ausbrüche des Aetna vorgekommen seien, einer im Jahre 425
vor Chr., und der vorhergehende 50 Jahre früher. Wann der dritte Statt fand,
sagt der Schriftsteller nicht. Offenbar war er aber früher als die beiden andern^
da Thukydides sonst Veranlassung gehabt hätte, seine Zeit genauer anzugeben.
Es sind jedoch selbst darüber Zweifel erhoben worden, ob die erste jener bei-
den Eruptionen wiriLÜch im Jahre 475 vor Chr. , wie der Historiker andeutet»
Statt fand. Nach dem Berichte des Marmor Parium war nämlich 479 vor Chr.
ein grosser Ausbruch des Aetna, und man hat die Vermuthung aufgestellt, es
möchte dies derselbe gewesen sein, den Thukydides in das Jahr 475 verlegt.
Dann wäre , wenn man nicht einen Irrthum der Parischen Marmorchronik an-
nehmen will, dreierlei möglich. Entweder Thukydides hatte nicht 50, sondern
55 Jahre geschrieben, und es ist ein Fehler im texte des Schriftstellers zu ver-
bessern , , oder die 50 Jahre sind als runde Zahl zu verstehen , die nicht aus-
schlösse, dass es eigentlich 55 gewesen seien, oder endlich, es war ein Aus-
bruch , der fünf Jahre lang dauerte , was an sich nicht unmöglich wäre , da ja
auch der allererste Ausbruch des Aetna mehrere Jahre gedauert haben soll.
Neben allen diesen Vermuthungen bleibt indess immer noch Raum für die ein-
fachste Annahme , die , dass Thukydides in wörtlichem Sinne zu verstehen ist,
dass also der zweite Ausbruch 475 v. Chr. Statt fand, und dass der erste, des-
sen Zeit der Schriftsteller nicht genauer angiebt, eben derjenige ist, den andere
Berichte in das Jahr 479 versetzen. J^ld nach Thukydides, zwischen 400 und
396, wahrscheinlich kurz vor letzterem Jahre , fand ein neuer Ausbruch des
Aetna Statt; die Lava erreichte das Meer zwischen Naxos und Katana, so dass
der karthagische Feldherr Himilkon, der von Norden her Katana erreichen
wollte, genöthigt wurde, den grossen Umweg um den ganzen Aetna zu machen.
Man glaubt den Strom südlich von Giarre noch zu efliennen. Dies ist der ein-
zige Ausbruch, der aus dem 4. Jahrh. v. Chr. gemeldet wijj^. Freilich v^rd
erzählt, dass Piaton nach Sicilien gekommen sei , um die Phänomene des Aetna
zu Studiren , und seine Reise fallt in den Anfang der 98. Olympiade ; es wäre
Aetna. ' 19
•
aber denkbar, dass die damals etwa vor acht Jahren vorgefallene Eruption von
396 ihm Veranlassung gegeben hatte , den Vulkan zu beobachten , und dass
unmittelbar vor seiner Ankunft kein neuer Ausbruch desselben Statt fand. Aus
dem dritten Jahrh. v. Chr. fehlt es an jeglicher Nachncht tlber die Thätigkeit
des Berges. Das zweite Jahrh. sah dagegen in der kurzen Zeit von 20 Jahren
ner Ausbrtlche : 144, 4 35, 426 und I2l2v. Chr., von denen der zweite niil
dem Ausbruche des Sklavenkrieges auf der Insel zusammenfiel, der letzte aber
die Stadt Katana, die so oft das Opfer des Vulkans geworden ist, besondei^
schwer traf. Die herabregnende Asche drtlckte die Dächer der Häuser ein, und
es scheint, dass auch das Gebiet der Stadt weit und breit durch Lava litt;
wenigstens geriethen die Einwohner in solche Noth , dass ihnen Rom 1 0 Jahre
lang die Steuern erliess. Der Abbat« Ferrara hat den Versuch gemacht , die
Lava dieses Ausbruches in dem von Licatia nach Catania sich hinziehenden
Slrome nachzuweisen. Eine neue Reihe von Eruptionen erscheint im ersten
Jahrhundert v/Chr. Der Beginn des Krieges zwischen Caesar und Pompejus und
der Tod des Caesar sollen durch Ausbrüche des Aetna vorher verkündigt worden
sein (also 50 und 44 v. Chr.), und der vor dieser letzteren Begebenheit ein-
tretende machte sich — durch Aschenregen natürlich — bis Rhegion bemerkbar.
Endlich war noch im Jahre 36, während des Krieges zwischen Augustus und
S. Pompejus, der Aetna in Thätigkeit, und einer der Heerführer des Octavianus
halte auf seinem Wege von der tauromenitanischen Küste nach Mylai einen
breiten , kaum erst fest gewordenen Lavastrom mit seinen Truppen zu über-
schreiten. Es war also diesmal dfer Ausbruch des Aetna nach Norden gerichtet.
Aus dem ersten Jahrhundert nach Chr. wird berichtet, dass der Kaiser Caligula
auf einer Reise in Sicflien durch den Rauch und das Getöse des Aetna erschreckt
wurde. Ob diesmal auch ein Lavaerguss Statt fand, wissen wir nicht. Endlich
hören wir noch von einem brausenden Strom, der im Jahre 254 nach Chr. aus
dem Aetna hemiederstieg.
Man kann wohl mit Sicherheit behaupten, dass diese Eruptionen nicht die
einzigen gewesen sind, die im Alterthum vorkamen. Es würde verkehrt seini
aus den wenigen vorhandenen Nachrichten Schlüsse über den Grad der Thätig-
keit des Vulkans in alter Zeit , verglichen mit derjenigen der Neuzeit , ziehen
zu wollen. Dennoch scheint aus dem Angeführten hervorzugehen , dass da-
mals Perioden der Ruhe und Perioden der Thätigkeit des Berges in einer
Weise mit einander abwechselten, wie dies seit mehr als zwei Jahrhunderten
nicht mehr der Fall ist. Denn zufällig kann es kaum sein, dass von den
U Eruptionen, die wir aufzählen konnten, die Hälfte sich zu zwei grossen
Gruppen vereinigt, von denen die erste die vier Ausbrüche zwischen 4 41 und
<22, die zweite die drei zwischen 50 und 36 vor Chr. umfasst, und welche
durch lange Zeiträume der Ruhe unter sich und von den übrigen Eruptionen
gelrennt sind.
Der Abhang des Aetna, der alle Klimate Eumpa^s in sich vereinigt , zerfiet
im Alterthum wie heutzutage in drei deutlich von einander geschiedene Regio-
nen : die bebaute , die waldige und die kahle. Schon Strabon macht in seiner
Beschreibung des Berges diese Jedem , der auch nur aus der Feme einen Blick
20 Erstes Buch. II. Die Boden verhö Unisse der Insel.
auf den Aetna wirft, sich aufdrängende Eintheiiung, wenn er sagt : »Der oberste
Tbeil ist kahl und voll Asche und im Winter mit Schnee bededit , die unteren
Strecken sind mit Wiildem und mannigfaltigen Anpflanzungen versehen.« Die
bebaute Region zeichnete sich im Alterthum v,ie noch jetzt durch ihre ungemeine
Fruchtbarkeit aus. Aetnäischer Käse und Honig waren weithin, selbst ausserhalb
Siciliens, berühmt. Den Schafen musste, damit sie nicht vor allzu vielem Fette
krank würden , alle vier bis fünf Tage an den Ohren Blut abgelassen werden,
und für den Weinbau war die vulkanische Asche ein besonders geeigneter Bo-
den. Wenn so die bebaute Zone damals im Allgemeinen einen ähnlichen Ein-
druck auf den Beschauer hervorgelnracht haben muss wie jetzt, so prangte
dagegen im früheren Alterthum die waldige Region mit weit stattlicherem
Baumschmuck als heutzutage und schon zur Zeit Diodor's und Strabon's. Der
ältere Dionys konnte dort die prächtigsten Fichten und Tannen schlagen lassen,
um seine Flotte daraus zu bauen, und Diodor bemerkt, indem er dieses erzählt,
ausdrücklich dabei, dass damals der Berg mit solchen Bäumen bedeckt war.
Hundert J^^hre nach Dionys fand noch Hieron am Aetna das Material zu seinem
riesigen Prachtschiffe. Aber die sicilischen Tyrannen scheinen diesen Schatz
des Berges , die Nadelholzwaldungen , stark ausgenutzt zu haben : wenigstens
finden sich gegenwärtig beträchtlichere Ueberreste derselben nur noch an den
kuhleren Nord- und Westabhängen des Aetna, z. B. bei Bronte, während die
ausgedehntere Süd- und Ostseite vorzugsweise Waldungen von kräftigen, aber
niedrigen Eichen trägt.
Die Spitze des Aetna , sagt Strabon , ist sehr veränderlich , da das Feuer
sich bald in einen Krater zusammendrängt, bald sich theilt und bald Laven,
bald Flammen und Rauch, zu. anderen Zeiten endlich glühende Massen aus-
sendet. Zu seiner Zeit fanden die Reisenden auf der Höhe des Berges eine von
einem niedrigen Rande um£asste ebene Fläche mit einem kleinen Kegel in der
Mitte. Nicht alle wagten sich nahe an diese Oeffiiung des Schlundes hinan,
und die , welche am nächsten gekommen waren , mussten , wie Strabon sagt,
gestehen , dass sie nicht viel mehr gesehen hätten, als die Uebrigen. Es war
also damals der Krater fast ganz ausgefüllt, ein Zustand des Vulkans, bei dem
ein Ausbruch als nahe bevorstehend betrachtet werden kann. Diese Eruption
hätte nach der zur Zeit des S. Pompejus vorgefallenen, aber vor der, welche
Caligula erschreckte, Statt gefunden.
Im ersten Jahrhundert nach Chr. Geburt wollte man die Bemerkung ge-
macht haben, dass der Gipfel des Aetna nicht mehr aus eben so grosser Feme
auf dem Meere sichtbar wäre , wie früher, und glaubte daraus schliessen zu
können , dass der Berg allmählich niedriger werde , indem seine Spitze sich
selbst durch die Glut des innem Feuers verzehre. Seneca stellte, unter der
Voraussetzung der Richtigkeit dieser Beobachtung, die weitere Vermuthung auf,
es möge die vulkanische Thätigkeit des Aetna im Abnehmen begriffen sein. Es
ist nun einerseits sehr wohl möglich, dass Eruptionen, die sich bis in die Spitze
erstreckten, die Gestalt derselben so sehr veränderten, dass sie um ein Be-
trächtliches niedriger wurde als früher , und es hat sich femer schon aus der
Uebersicht der uns bekannt gewordenen Ausbrüche im Alterthum die Wahr-
scheinlichkeit ergeben, dass der Vulkan in einzelnen Perioden stillei* war als in
Aetna. 21
andern , so dass also sowohl die als Thatsache ausgesprochene Beobachtung,
wie die an sie geknüpfte Vermuthung Seneca's richtig sein können.
Die gewaltige Höhe des Aetna hat bewirkt , dass der Krater des Gipfels
aufgehört hat , das Ventil für die gahrenden Kräfte des Innern zu sein , i|:as er
ursprtlnglich.war. Sie bahnen sich schon seit langer Zeit weiter unten einen
Ausweg durch die Bergwand , welche dem Andrang nicht zu widerstehen ver-
mag , und so ist es gekommen , dass der Abhang des Berges mit einer grossen
Anzahl (etwa 80) klekierer Kegel bedeckt ist, die von eben so vielen Eruptio-
nen das Resultat und zugleich das Zeugniss sind. Einer der grOssten, der
Monte Minardo bei Bronte hat eine Höhe von 700 Fuss. Diese in romantischen
Gruppen über den Berg verstreuten Httgel sind ein so charakteristischer
Schmuck des Aetna, dass man bereits im Alterthum auf sie aufmerksam wer-
den musste , und wirklich hat sich eine Hindeutung darauf in der Bemerkung
des Longinus erhalten, dass der Aetna ganze Hügel her\'orbringe.
Ausbrüche des Aetna pflegen nach in alter, wie in neuer Zeit gemachten
Beobachtungen besonders in den Wintermonaten vorzukommen. Aus dem
Alterthum ist eine Schilderung der damit verbundenen Phänomene in dem latei-
nischen Epos Aetna erhalten. Zuerst deutet, nach der nicht ganz klar gehalte-
nen Darstellung des Dichters, Beben des Bodens und laut aufbrüllender Donner
unter der Erde den Beginn des Ausbruches an. Dann wirbeln zerrissene Trüm-
mer hervor — die ausgeworfenen Lavastücke , die man jetzt lapilli oder rapilli
nennt ^ und
Gewimmel des Sands klingt schwarz durch die Lüfte.
Nun bahnt sich auch die Lava einen Ausw^eg ; zuerst werden die leichteren
Schlacken weggeschoben, dann begront der eigentliche Erguss
in sanffem Gewog' flusstfhnlich heran terzngleiten.
Wohl zwölf Meilen strömt, wie der Dichter sagt, die Lava allmählich fort;
nidits hemmt sie, ja
Felsen nnd Wald raft jetzo den Strahl, ja selber der Boden
St&rket die Gluten und heisst willkommen des Stromes Bekleidung.
Wenn dann in Thalgründen der Strom anhölt, so schieben ^ch die Fluten über-
einander, sie erstarren am Bande, und,
wie jegliche starr wird,
Btfumt hoch auf sich die Mass', und herab von der Schwere gezogen
Rollt sie in donnerndem Schall, und wenn sie in jähligem Absturz
Klingend an Stein' anprallt, so zerschellt sie in treffendem Anlauf,
Und weissglühend In kräftigem Glanz, da, wo sie zersprengt ist.
Flimmert in Funken der flammenden Stein* auffliegender Glutschwarm
Gellenden Tons. Sieb leuchtend im Schwung weit, weit sie dahinziehn,
Stürzend in anvermindertem Brand.
Dieses Ueberstürzen mächtiger, durch irgend eine Unebenheit des Bodens
im regelmässigen Fortgang gehemmter Lavaströme , die das Feuer in einer Be-^
wegung zeigt, wie sie sonst nur dem Elemente des Wassers eigen ist, ist von
neueren Forschem und Reisenden mehrfach geschildert worden. Es gewahrt
einen um so grossartigeren Anblick, je grösser die Höhe ist, von der die Lava
herabstürzt, und wo die Höhe beträchtlich und der Strom breit ist , wie wenn
am Aeina mächtige Lavamassen in das schauerliche Val di Bove stürzen , da
22 Erstes Buch. II. Die Boücnverhöltnisse der Insel.
erreicht das Phänomen eine imponirende Furchtbarkeit , die unübertroffen da-
steht. Weiter schildert der Dichter sodann, wie allroMhlich der Lavastrom festere
und festere Ränder annimmt , so dass ihn , wie er sagt, kaum Jemand mit des
Keils Eindringen spalten könnte. Man wird bei dieser Bemerkung unwillkürlich
daran erinnert, dass bei dem schrecklichen Ausbruche des Aetna im Jahre 4 669
ein unternehmender Mann den Versuch machte , durch Oeflhung der erstarrten
Seitenwände des Lavastromes demselben eine andere Richtung zu geben , ein
Versuch , der durch das Widerstreben Anderer misslang ; vielleicht ist schon
im Alterthum Aehnliches unternommen worden. Zum Schluss sagt der Dichter,
dass der Lavastroni trotz seiner allmählichen Erstarrung das Feuer wohl ?0 Tage
in sich birgt.
In dieser Schilderung eines Ausbruches des Aetna nimmt mit Recht der
Lavastrom und sein Fortrücken die erste Stelle ein. Wirklich trat nirgends den
Alten dies schrecklichste Phänomen der vulkanischen Thätigkeit in einer so
grossartigen Weise entgegen , vne gerade am Aetna. Die Griechen haben dem
Lavastrom einen besonderen Namen , Ryax , beigelegt. Die Römer begnügen
sich mit den gewöhnlichen Ausdrücken , die einen Fluss bezeichnen, fUr die
hart gewordene Lava aber wissen Griechen wie Römer keine bessere Bezeich-
nung zu finden, als indem sie sie Mühlstein nennen.
Ueber die treibenden Kräfte, welche die vulkanischen Erscheinungen
hervorbringen, hat das Alterthum vielfach nachgeforsjcbt. Auffallend ist, dass
der Philosoph, der durch seine Herkunft aus Sicilien wohl Veranlassung gehabt
hätte, sich mit dem Aetna zu beschäftigen, und den die spottende Sage in eine
eigen thüm liehe Beziehung zum Vulkan gebracht hat , dass Empedokles in sei-
nem grossen Gedichte nicht von ihm sprach. Da er jedoch Feuer in der Erde
wirkend annahm und in demselben die Ursache der heissen Quellen fand,
so kann man vermuthen , dass er ähnlich über den Ursprung der Vulkane ge-
dacht haben wird, wie später Piaton, nach dem die Erde voll ist von Höhlen,
grösseren und kleineren , die mit einander in Verbindung stehen , und durch
welche sich unter andern Strömen auch der Pyriphlegethon , ein Feuer- und
Schlammstrom ergiesst. Dieser ist die Quelle aller Laven , die sich, wo auch
immer, auf der Oberfläche der Erde zeigen. Man begann also, um die Vulkane
zu erklären, mit der einfachsten Voraussetzung, deijenigen, auf die man im
Grunde genommen heutzutage wieder zurückgekommen ist, der eines bestän-
digen Feuers im Schoossc der Erde. Aber damit waren doch vorzugsweise
nur die Lavaergüsse erklärt, nicht die übrigen vulkanischen Eruptionserschei-
nungen. Es war deshalb nalürlieh, dass Aristoteles , von den Platonischen
Phantasieen unbefriedigt, nach einer besondern treibenden Kraft suchte , die
nicht wohl das Feuer selbst sein konnte, und die er im Elemente der Luft, in
den Winden, fand. Diese Ansicht gewann allgemeine Verbreitung: sie ist aus-
führlich auch von Lucretius dargelegt worden. Nach ihm sind unter dem
Aetna grosse Höhlen, in denen Wind erzeugt wird, der sich erwärmt, die Fel-
sen in Brand steckt und so die Ausbrüche bewirkt. Zur Luft kommt aber bei
ihm noch eine zweite treibende Kraft, das in die Klüfte der Erde eindringende
Meerwasser. Der Einfluss des letzteren wird ganz besonders von Trogus
Pompejus oder Justinus hervoi*gehoben. Unter dem Aetna ist nach dieser Vor-
Aetna. 23
Stellung der Boden reich an Höhlen und Gängen, in denen sich mächtige Lager
von Schwefel und Harz befinden. Indem nun das Meerwasser in diese Klüfte
eindringt, zieht es Luft mit sich herab und facht so die Flammen an. Während
auf diese Weise Trogus Pompejus in die Fussstapfen von Aristoteles und Lucre-
tius tritt, legt Strabon, dem Piaton oder, wie er selbst will, den dichterischen
Anschauungen von Pindar folgend , wieder grösseres Gewicht auf die unter-
irdische Feuermasse, die sich nach ihm auch unter der Meerenge und dem
tyrrhenischen Meere vom Aetna bis nach Kyme hin ausdehnt. Die ausführ-
lichste Behandlung des Gegenstandes haben wir aber in dem bereits ei*wähnteu
Lehrgedicht Aetna, für dessen Verfasser mit grosser Wahrscheinlichkeit ein
Freund Seneca*s, Lucilius, gehalten wird, der als Procurator Siciliens sich mit
Vorliebe mit naturhistorischen Studien beschäftigte , und , von Seneca dazu
ermuntert, ger<ide den Aetna zum Gegenstand seiner Forschungen machte. Er
hat gegen den Schluss des Gedichtes seine Ansichten über die Ursache der
Thätigkeit des Berges in zwei Versen kurz so zusammengefasst :
Luft durch Oeffnungen sauget die Erd' und drängt sie in Engung,
Windhauch zündet, Ernährung gewährt der gewaltige Steinberg.
Auch nach Lucilius ist es also wieder die Luft , welche , in die tiefen Klüfte
eindringend, den Brand erzeugt, und auch er glaubt, dass die Meeresflut dazu
beiträgt , dass die Winde unter dem Berge umhertosen. Wie? durchj^den Wind
das Feuer entstehen könne, erklärt er durch den Vei^leich mit einem Walde,
wo ebenfalls in heftigen Stürmen die Aesle , sich zu Knoten verschlingend und
an einander reibend, in Brand gerathen. Lucilius legt ein grosses Gewicht dar-
auf, dass die Lava nicht etwa, wie Manche behauptet hätten, ein durch das
Feuer aus ursprünglich ganz verschiedenartigen Bestandtheilen gebildeter neuer
Körper sei ; sie sei vielmehr ein besonderer Stein ^ den die Glut des Berges
schmelze und der später, verhärtet, wieder derselbe werde wie zuvor.
Avich die neuere Wissenschaft hat den mächtigen Einfluss , welchen die
Dämpfe, also luftförmige Körper , auf das Zustandekommen der vulkanischen
Erscheinungen ausüben, vollständig anerkannt und so der einen der von den
Alten geltend gemachten treibenden Kräfte ihre Bedeutung gelassen ; von der
Mitwirkung des Meerwassers dagegen, an die man bis in das gegenwärtige
Jahrhundert allgemein glaubte, wollen seit der Entdeckung der innerasiatischen
Vulkane die Forscher wenig mehr wissen , welche im Gegentheil die in den
Vulkanen sich vielfach vorfindende Feuchtigkeit, wie alles Nass in der Erde,
«1US der Atmosphäre herleiten. Dass diese auch sonst auf die vulkanische Thä-
tigkeit Einfluss ausübt, zeigt die schon oben angeführte, wenn nicht sichere,
doch wahrscheinliche Bemerkung , dass die Herbstzeit die Epoche einer ver-
hältnissmässig erhöhten Thätigkeit des Berges ist. Bei den Liparischen Inseln
wird noch von anderen Witterungseinflüssen auf die vulkanischen Phänomene
die Rede sein.
Wenn so die Gelehrten zur Erklärung der aus der Erde hervorbrechenden
Feuerei*scheinungen noch zu den beiden andern Elementen der Luft und des
W^assers ihre Zuflucht nehmen mussten , bewegten sich Volk und Dichter mit
ihren Sagen und Meinungen über den Aetna stets so ziemlich auf demselben
Gebiete , wo Feuer und Erde die Hauptrolle spielen. Bald ist der Aetna , der
24 . Erstes Buch. II. Die BodeDveiiiäitnisse der Insel.
selbst mit seinen gewaltigen Formen und dem \^ie durch Athemzüge regel-
mässig ausgestossenen Rauche den Eindruck eines schlummernden Riesen
macht, der Sitz des Hephaistos, bald hat er den Kyklopen als Esse gedient,
als sie für Zeus den Rlitzstrahl schmiedeten , bald wieder ist er ein Denkmal
des Kampfes der G()tter mit den Giganten, jenen erdgeborenen Riesen, die
den Ossa auf den Pelion häuften , um den Himmel zu stürmen. Denn als die
Verwegenen besiegt waren, da begruben die Götter sie an verschiedenen Orten
noch lebend unter die Erde, und Enkelados wird unter den Aetna geworfen,
den er, die Glieder bewegend, erschüttert. Den Giganten ist aber Typhon oder
Typhoeus ähnlich , der wie sie ein Feind der Götter ist und wie sie besiegt
wird. Auch er liegt unter dem Aetna, der aber nicht ausreicht, ihn zu be-
decken. Nun, sagt Pindar,
Drückt die meeramfriedete Veste von Kyme,
Drückt Sikelia des Unthiers zottige Brust.
Ovid aber lässt ihn unter Siciiien allein ausgestt^ckt liegen , so dass die rechte
Hand die Peloris, die linke der Pachynos, die Füsse Lilybaion deckt, und das
Haupt, das unter dem Aetna ruht, Flammen ausspeit. Bei ApoUodoros ist das
Feuer des Aetna dagegen das der von Zeus auf Typhon geworfenen Blitze, die
noch fortwährend glühen.
Wenn auch Zeus auf dem Aetna mit dem Beinamen des Aetnäischen ver-
ehrt wurde , so war doch die Hauptgottheit des Berges Hephaistos , der dort
einen mit einem heiligen Haine umgebenen Tempel hatte, in welchem ein ewi-
ges Feuer brannte. Es wird von diesem Kult, der besonders durch die Hunde—
schaaren, welche den Tempel bewachten, merkwürdig ist, weiterhin die Rede
sein ; wir werden sehen, dass der Tempel an dem Orte zu suchen ist, wo jetzt
die Stadt Ademö steht, und so kann Gluver's Yermuthung, die Ueberreste,
welche den Namen Torre del filosofo führen, möchten diesem Tempel angehört
haben, nicht gebilligt werden. In der Höhe, wo diese Ruine liegt, kann über-
dies nie ein heiliger Hain gestanden haben.
Nach Pausanias hätte sich an die Krater des Aetna der Gebrauch geknüpft,
Gegenstände aus Gold und Silber, auch andere Opfergaben , hineinzuwerfen,
um dann , wenn sie verschlungen wurden , es als ein günstiges , wenn sie
wieder ausgestossen und also verschmäht wurden, als ein ungünstiges Zeichen
anzusehen. So viel ist klar, dass hier nicht von dem Ki*ater der Spitze des
Berges die Rede sein kann. Es ist nicht so bequem, sich ihm zu nähern, wie
es hiernach scheinen möchte, und schon Strabon hat bei Gelegenheit der
Fabel vom Empedokles , dessen Schuh der Vulkan wieder ausgeworfen haben
sollte, die Bemerkung gemacht, dass, wenn es schon schwer sei, nahe genug
zum Krater zu gelangen, um etwas hineinwerfen zu können, es noch unwahr-
scheinlicher sei, dass Hineingeworfenes unverändert wieder an's Tageslicht
komme.
Gewiss ist indess, dass im Alterthum so wenig wie heutzutage es an Rei-
senden fehlte, die bis zum Gipfel des Aetna vorzudringen versuchten. Im
Allgemeinen scheint damals wie jetzt der Zugang von der Südseite der bevor-
zugte gewesen zu sein, da hier der längere und somit sanftere Abhang die
Ersteigung erleichtert ; aber w^ährend die Reisenden gegenwärtig von Gatania
Aetna. 25
aufzubrechen pflegen, war, wenigstens zu Strabon^s Zeit, die Stadt AeCna,' die
zwischen Patemö und Nicolosi gelegen zu haben scheint , ihr Ausgangspunkt.
Auch zu Seneca's Zeit war der Gipfel des Aetna ein nicht seltenes Reiseziel.
Man liebte es damals wie jetzt, in dunkeler Nacht oben anzukommen, um dann
von der gewaltigen Hohe das herrliche Schauspiel des Sonnenaufgangs zu ge-
niessen und allmählich vor seinen Blicken Land und Meer aus der Finstemiss
emportauchen zu sehen. So wird auch vom Kaiser Hadrian berichtet, dass er
zu diesem Zweck den Aetna bestiegen habe. Sein Biograph fttgt hinzu , der
Sonnenaufgang solle sich, von hier gesehen, durch einen Regenbogen verschö-
nert zeigen, eine Bemerkung, die seitdem Niemand gemacht hat.
Sollten wir nun annehmen dürfen, wie geschehen ist, dass die lieber-
reste , welche sich ein wenig Ostlich von der Casa degF Inglesi oder di Gem-
mellaro, auf einem kleinen Hügel in einer Höhe von 2917,24 Metern dicht unter
dem Aschenkegel des Aetna vorfinden, zu einem Gebäude gehört haben, wel-
ches Reisenden oder Forschern , die die Erscheinungen des Vulkans, studiren
wollten , zum Obdach diente ? Wir sahen schon , dass das Volk sie Torre del
filosofo nennt und dabei an Empedokles denkt, der hier den Aetna beobachtet
habe; aber das unten auf Gewölbebögen ruhende, aus Lavastücken von ver-
schiedener Grösse (opus incertum) errichtete kleine Gebäude, ein Quadrat von
etwa 24 Fuss, in welchem d'Orville noch Ueberreste alter Marmorbekleidung
vorfand , scheint vielmehr aus der Römerzeit herzustammen. Wenn es auch
nicht gerade, wie ein sicHianischer Gelehrter gemeint hat, speciell für den
Kaiser Hadrian als Ruhepiatz bei seiner Besteigung des Berges errichtet worden
ist, so wäre es doch immerhin möglich , dass es einem ähnlichen Zwecke die-
nen sollte, wie gegenwärtig die Gasa di Gemmellaro. Eine andere, ebenfalls oft
vertheidigte Annahme, dass es die .Ueberreste eines heiligen Gebäudes seien,
lässt sich vieUeicht mit der ersten vereinigen. Denn warum sollte in dieser
öden Höhe ein Gebäude , das wir uns freilich ursprünglich grösser zu denken
hätten, als die Ruinen vermuthen lassen, nicht die doppelte Bestimmung eines
Obdaches für die Reisenden, und einer heiligen Stätte, wo diese zu den Göt-
tern um Schutz und Rettung beten konnten, gehabt haben ? Es ist eigenthüm-
lich , dass der Berg so nahe seiner Spitze ein solches Menschenwerk so viele
Jahrhunderte hindurch geduldet hat.
Die Dichter haben seit Aischylos und Pindaros, der den Aetna die himm-
lische Säule tiennt, nicht leicht eine Gelegenheit vorübergehen lassen, den
gewaltigen und furchtl>aren Berg und seine Ausbrüche zu schildern, und zu-
mal die röfnischen sind reich an solchen Gemälden. In Lucretius und dem
Verfasser des Epos Aetna vereinigen sich Dichter und Philosoph, und bei Lu-
ciKus hat der Dichter so weit wenigstens den Philosophen sich unterworfen,
dass Anfang und Ende des Gedichtes demjenigen gewidmet sind, was auch die
Ungelchrten interessirt. Denn den Anfang macht eine Uebersicht der Mythen,
die sich auf die feurige Thätigkeit des Berges beziehen, und den Schhiss bildet
die Mittheiiung der schönsten rein menschlichen Sage , die sich an den Aetna
knüpft, und mit der auch wir unsem Bericht über diesen Bei*g abschliessen.
Als einst — nach anderen Nachrichten wäre es im fünften Jahrhundert
v. Chr. geschehen -* ein Lavastrom Katana bedrohte, und die Meisten ihre Kost-
2(5 Erstes Buch. IL. Die Bodenverhältnisse der Insel.
•
barkeiten retteten , da nahmen die beiden Brüder Aniphinomos und Änapias,
der eine den Vater, der andere die Mutter auf die Schultern und trugen sie fort.
Die ungewohnte Last hemmte ihre Schritte, und die Lava kam immer naher.
Sie waren nahe daran, von der Glut erreicht und verschlungen zu werden, da
theilte sich plötzlich der Lavastrom und Hess die frommen Brüder unversehrt.
Ihr Andenken hielten dieKatanäer, wie billig, in Ehren; sie bildeten ihre That
auf den Münzen der Stadt ab und nannten das Feld, auf dem sie begraben
lagen, das Feld der Frommen. Die Syrakusaner, auf diesen Ruhm Ratana's
eifersüchtig, behaupteten, die Brüder seien aus Syrakus gebürtig gewesen.
Ob Mario Gemmbllaro Recht hatte , in dem Namen Pampiu , den ein Ort bei
Gatenia tragt, die Worte campus Piorum wiederzufinden, muss dahingestellt
bleiben.
Südlich vom Aetna liegt eine grosse fruchtbare Ebene, deren grösster Theil
heutzutage von dem Simeto im Osten und dem Gumalonga im Süden begrenzt
wird, in einer von West nach Ost sich erstreckenden Länge von etwa i geo-
graphischen Meilen , und einer Breite , die etwas mehr als eine Meile — am
Meeresufer kaum so viel — betragt. Sie heisst jetzt die Ebene von Catania, im
Alterthum die Leontinischen Gefilde. Damals durch ihren reichen Ertrag be-
rühmt, ist sie gegenwärtig unbewohnt und wenig bebaut, und ihr fetter Boden,
der einst das schönste Korn hervorbrachte, trug zuletzt fast nur Kräuter, die das
Vieh abweidete, bis man neuerdings den Baumwollenbau auf ihr begonnen hat.
Nach diesem Ueberblick über die Gebirge Siciliens betrachten wir die aus
ihnen hervorgehenden und von ihnen genährten Flüsse , von deren Charakter
bereits im ersten Kapitel gesprochen ist. Die Fiumaren, jene von Oleander-
gebüsch eingefassten , winterlichen Giessbäche , welche das Reisen in Sicilien
in dieser Jahreszeit so sehr erschweren , finden sich vorzugsweise an einigen
Theilen der Nord- und Ostküste, da, wo die Gebirgskämme dem Meere nahe
sind ; die grösseren Gewässer, die eigentlichen Flüsse, ergiessen sich, der Ab-
dachung des Landes entsprechend, vorzugsweise nach Süden und Südosten, in
das Libysche und das Sikelisclie Meer.
Zunächst dem pe lorischen Vorgebirge — um mit der Ostküste auch hier
wieder zn beginnen — macht die Nähe von Gebirg und Meer jede Flussbiidunu
unmöglich, und es finden sich nur wilde Fiumaren, die südlich vom C. Grosso,
wo , wie wir sahen , das Gebirge ein wenig zurücktritt , etwas grösser wer-
den , jedoch noch nicht so, dass sie den Namen von Flüssen verdienten. Von
diesen Bächen wird nur der Onobala oder Tauromenios erwähnt, ein
kleines Gewässer, das sich südlich von Tauromenion, neben dem heutigen
Giärdini , in das Meer ergiesst , und dessen jetzigen Namen die Karten nicbt
verzeichnen. Der erste eigentliche Fluss ist der heutige Gantara, der die Nord—
grenze des Aetna bUdet , wenngleich an seiner Mündung ihn die Laven einst
Uberfluthet und das kleine Vorgebirge geschafifen haben, auf dem das alte Naxos
stand , da» heutige Cap Schisö. Er fühlte bei den Alten den Namen A s i n e s
oder Akesines. Dieser Fluss, der von reizenden, höchst romantischen Ufern
eingefasst ist und ein weites Thal bildet , vereinigt die Gewässer, welche dem
anstossenden Theile des Südabhanges des Hauptgebirgszuges der Insel entströ-
men^ und empfangt auch einige wenige Zuflüsse vom Aetna, aus dessen Wäl-
Flüsse. 27
dem er heutzutage l)eti*<lchtliche Massen Bauholz zum Meere fordert. Einzig
vom Aetna , der wegen der Natur seines Bodins wasserarm ist , geht dagegen
der Akis aus, der in der Nähe der Orte fliesst, weiche mit verschiedenen Zu-
sätzen gegenwärtig den Namen Aci führen. Jetzt heisst er Acque Grandi. Er
bricht als ein bedeutender Strom aus der Lava hervor und stürzt , I Meile von
seiner Quelle, halbwegs zwischen Aci Reale und G. Mulini ins Meer. Dieser
Fluss ist in neuerer Zeit nicht immer sichtbar gewesen. Nachdem G luver ihn
noch gesehen hatte , beschreibt ihn R. Pirrus als durch eine Eruption des Vul-
kans vei*schttitet. Er hat also dasselbe Schicksal gehabt, wie der Akis der
Sage: er ist wie er begraben und wie er wieder auferstanden. Aus vulkani-
schem Boden bricht femer hervor der A m e n a s oder Amenanos, der Fluss
von Ratana , jetzt Judicello genannt , dessen Lauf zum Theil unterirdisch ist,
und der überdies, seinem Namen getreu, häufig versiegt.
Wie der Akis und der Amenas , wenn gleich in etwas anderer Weise, hat
die Wirkung der Zeit und des Vulkans an sich erfahren der nächste grosse Fluss,
der heutige Giarretta , der im Westtm und Süden den Aetna von der übrigen
Insel abscheidet , wie es der Gantara im Norden thut. Wahrend im 1 6. Jahr-
hundert , wie FazelFs Beschreibung lehit , sich südlich von seiner Mündung in
einer Entfernung von 4 Millien ein anderer bedeutender Fluss in's Meer ergoss,
der S. Paolo , ist heutzutage die Mündung des Giarretta die einzige in dieser
Gegend, und der frühere S. Paolo ist unter dem Namen Gurnalonga ein Neben-
floss des Giarretta geworden. Offenbar hat der Vulkan den untern Theil des
Laufes des Giarretta um so viel weiter nach Süden gedrängt. Und dies ist nicht
die einzige Veränderung, die seit dem 16. Jahrhundert mit dem Flusssystem
dieser tvegend vorgegangen ist. Damals ergoss sich der Fluss von Aidone direkt
in den Giarretta ; heutzutage vereinigt er sich mit dem in jener Zeit selbständi-
gen Gurnalonga. Im Angesicht solcher durch den Vulkan herbeigeführten Ver-
änderungen hat es immerhin etwas Missliches, antike Flussnamen dieser Ge-
gend mit modernen identlHciren zu wollen; doch lässt sich Folgendes mit
ziemlicher Sicherheit feststellen. Der nördliche Hauptstrom, zu dem man Alles
rechnen kann, was nördlich von der Ebene von Gatania fliesst, führte im Alter-
thum den Namen Symaithos. Ihn bilden, oder zu ihm stossen mehrere
l)e8onders benannte Flüsse. Der Ostlichste derselben führt in seinem Hauptarme
anfangs von der ihm nahe liegenden Stadt den Namen Fiume di Troina ; da,
wo er diesem Orte am nächsten kommt, wendet sich sein bis dahin nach Süden
gerichteter Lauf nach Osten hin , und er eilt in vielen Windgingen durch ein
felsiges Bett der Stadt Bronte zu. Hier nimmt er einen von Norden kommenden
Zufluss auf und wird durch den Aetna gendthigt, wiederum nach Süden ab-
zulenken. Er hat sich seinen Lauf hie und da durch gewaltige Lavamassen,
die ihn überflutheten , bahnen mtlssen', an einzelnen Punkten ist der Ein-
schnitt, den er in einem Zeiträume von zwei und einem halben Jahrhundert
gemacht hat, 50 Fuss tieL Dieser Fluss ist der alte Hadranios. Ein zweiter,
westlicherer Quellarm des Symaithos ist der Kyamosoros der Alten, der
heutige F. Salso. Er entspringt aus mehreren Quellen nördlich von Nicosia
und fliesst^ wie der F. di Troina , zuerst nach Süden , dann, von der Gegend
von Argiro an , in Ostlicher Richtung in einem tiefen Thale , anfangs zwischen
28 Erstes Buch. U. Die Bodenverhältnisse <3er Insel.
«
Kalksteingebirgen , zuletzt über Lava , auf den so eben genannten Fluss zu,
mit dem er sich unterhalb Adern#s vereinigt. Die so vermehrte Wassermasse
umsäumt in südöstlicher Richtung den Fuss des Vulkans , anfangs sich zwi-
schen Laven einen Weg bahnend, später die weite Ode Ebene von Catania
durchschneidend , bis im Meridian von Misterbianco ein dritter grosser Quell-
arm des Symaithos, der Dittaino, sich in sie ergiesst. Dieser Fluss, der Chry-
sas der Alten, bildet sich aus einer Menge von Bächen, die nördlich und
südlich von Castrogiovanni entspringen ; auch er windet sich in der zweiten
Hälfte seines Laufes durch die Ebene von Catania. Nach der Aufnahme des
Dittaino fliesst der Hauptstrom, den wir jetzt als Symaithos bezeichnen müssen,
im W^esentlichen in östlicher Richtung weiter, um endlich etwa 3 Millien vom Meere
auf den Gumalonga zu stossen, den Erykes der Alten, der die von Piazza bis
Calatagirone nach Nordosten hin dem Gebirge entströmenden Bäche vereinigt,
und südlich von der Ebene von Catania dem Meere zuführt. Die verbundenen
Flüsse folgen der bisherigen Richtung des Gumalonga mit einer kleinen Ab-
weichung nach Nordosten. Von der Fähre, auf der man dicht vor der Mündung^
den in einem schmutzigen Bette zwischen Ufern von grauem Thon, die mit
Cactus und Tamarisken besetzt sind , dahin fliessenden Strom überschreitet,
empfängt er den Namen Giarretta. Auch die Alten scheinen alle diese Flüsse als
zu einem System gehörig betrachtet und mit dem Gesammtnamen Symaithos
belegt zu haben, was die Vermuthung erwecken könnte, dass damals wie heu-
tiges Tages nur eine Mündung vorhanden war. Das Gebiet dieses Flusssystems
ist das grösste Siciliens. Man kann es auf etwa 70 Q. -Meilen veranschlagen,
d. h. auf fast ein Siebentel der gesammten Oberfläche der Insel. Es ist in sei-
ner Gestaltung einigermassen mit dem allerdings viel grösseren Thessalien zu
vergleichen : ein von Bergen umschlossenes Becken mit einem einzigen Aus-
gang ; nur dass sich hier noch mehr als in Thessalien rauhe Bergzüge zwischen
die Flusstliäier drängen , die von ausgezeichneter Fruchtbarkeit sind. Seine
Bedeutung in der alten Geschichte Siciliens entsprach , wie wir sehen werden,
vollständig seiner Ausdehnung und seiner Gestalt, die, einem Quadrate ähn-
licher als die der schmäleren Gebiete aller übrigen sicilischen Flüsse, die Be-
wohner desselben zu engerem Zusammenhalt veranlasste. An der Mündung
des Giarretta wird jetzt Bernstein gefunden, der nach der Behauptung der sici-
lischen Naturforscher von den Bergen des Innern heruntergespült wird.
Während wir so eben von Flüssen zu berichten hatten, die, an entlegenen
Punkten entspringend, im untersten Theil ihres Laufes zusammenkommen,, tritt
das Gegentheil bei den Gewässern der Südostecke Siciliens ein , die , in ihren
Quellen nicht sehr von einander getrennt , im weiteren Laufe nach, den ver-
schiedensten Seiten auseinandergehen. Es ist nämlich der Ursprung der be-
deutenderen unter ihnen am M. Lauro , der den Hauptgebirgsstock des Val di
Noto ausmacht, und die kürzeren entspringen wenigstens an den Vorbergen
und Ausläufern desselben. Der erste ist der Terias , in dessen Nähe Leontini
lag , jetzt F. di S. Leonardo genannt. Er sammelt die Gewässer, welche sich
n(Mdlich vom M. Lauro und dem westlich von Sortino emporragenden M. S, Ve-
nera bilden , und seinem Gebiete gehört auch der nördlich von Leontini g^e-
gene See Biviere an , der grösste d^s heutigen Siciliens , von dem im Alterthum
Flüsse. 29
I
nicht die Rede ist, und der vielleicht in jener Zeit noch nicht existirte. In den
Terias ergoss sich der westlich bei der Stack Leontini vorbeifliessende. kleine
Lissos. Die nächsten Flüsse sind unbedeutend. Nördlich von der Punta deU'
Edera ist der sogenannte Kanal della Bruca , die von steilen Felsen eing^fasste
Mttndung des Porcari, des Pantakyas oder Pantagias der Alten, der zwi-
schen Garlentini und Yillasmundo nördlich von dem im Gap S. Groce endigen-
den Höhenzuge seine Quelle hat. Nun folgen sttdiich von diesem Vorgebirge die
Flüsse des megarischen Meerbusens. Der erste ist det* Molinello oder S. Giu-
liano, der südlich voii Garlentini entspringt, vielleicht der Damyrias der
Alten , dessen steile Ufer Zeugen eines glänzenden Sieges Timoleon's waren.
Dann kommt der Marcellino , wahrscheinlich der M y 1 a s , hierauf der Gantara,
in welchem man bisher den durch Daidalos berühmt gewordenen Alabon
vermuthet hat, den neuere Forschung vielmehr in dem zunächst folgenden,
ebenfalls sehr kleinen S. Gusmano wiederfinden will. Diese Flüsschen kommen
von den Hybläischen Bergen herunter. In dem Anapos, dem bekannten
Flusse von Syrakus, haben wir dagegen wieder ein an dem quellenreichen
M. Lauro selbst entspringendes Gewässer. Sein Ursprung ist nicht fem von
Akrai, dem heutigen Palazzolo. Von hier fliesst er anfangs in nördlicher, dann
in östlicher Richtung, indem er die Grotten von Pantalica und die auf hohem
Felsen thronende St-adt Sortino links lässt und besonders von der linken Seite,
aus dem M. S. Venera und dem M. Lauro, in engen, tief eingeschnittenen Thal-
falten zahlreiche Nebenflüsse empfangt. Zu beiden Seiten des in tiefer Schlucht
dahinrauschenden, von Oleander- und Brombeergebüsch ttberlaubten Flusses
ziehen sich Kornfelder und Oelwaldungen hin. Bei Syrakus, wo er m die
Ebene tritt, empfängt er das mit Papyrusstauden bedeckte Wasser der Quelle
Kyane, jetzt Pisma, und ergiesst sich endlich in einer sumpfigen Gegend in
den grossen Hafen der Stadt. Die Sümpfe ziehen sich hauptsächlich links,
i^rdlich von der Mttndung des Anapos, am Meeresufer hin; sie heissen im
Alterthum Syrako und Lysimeleia, Namen, die wahrscheinlich dasselbe
Gewässer bezeichnet haben, jener in älterer, dieser in späterer Zeit. Von
dem berühmten Quell Arethusa auf Ortygia wird später ausführlich die
Rede sein.
Die drei nächsten Fltlsse, die bei Gelegenheit des unglücklichen Rückzuges
der Athener von Syrakus erwähnt werden, waren der Kakyparis, der Eri-
neos und der Assinaros. Jener ist der heutige Gassibili, der unweit der
Quelle des Anapos südöstlich von Palazzolo entspringt, der Erineos ist ent-
weder der Miranda oder F. d'Avola nördlich von Avola, oder der Gavallata
südlich von dieser Stad^t, ein schmaler, aber tiefer Bach, der zwischen weissen
Kalkfelsen dahinströmt; der Assinaros endlich, in dessen Gewässern der Rest
der Athener den Syrakusanem erlag, ist der Falconara, der bei der alten Stadt
Neeton den Abhängen des Berges von Mezzo Gregorio, einige Meilen südöstlich
von Palazzolo entquillt, und durch ein tiefes und felsiges Bett dem Meere zu-
fliesst. Die Athener zogen über diese Flüsse auf dem helorinischen Wege, der
sie nach der am gleichnamigen Strome gelegenen Stadt Heloros geführt haben
würde. Der Heloros entspringt unfern vom Anapos, westlich von Palazzolo,
in geringer Entfernung vom M. Lauro. Er strömt im grössten Theile seines
30 Erstes Buch. 11. Die Uodcnvcrhallnisse der ln»cl.
Laufes über felsigen Boden , weshalb ihm Silius den Beinamen des gei^u5<^-
vollen gegeben hat , und seine Ufer waren so reizend , dass die Alten sie mit
dem ihessslischen Tempe verglichen. Noch jetEt wissen die iteisenden das
Thal dieses im oberen Tfaeile seines Laufes Atellaro oder Tellaro , im unteren
Abisso genannten Flusses, das Nuss-, Handel- und Oelbaume beschatten, und
Rnenn ntiA Jasmin mit aromatischen Duften füllen, nicht genug ru preisen. Der
itt im Winter weil über seine Ufer. Er war i-eicii an vortrefflichen
Ir die man in seinem Bet(£ ein besonderes Reservoir gebaut halle,
len auf der StidkUste mündenden FlUssen ist, da der von Spaccafumo
len nicht vorkommt, zuerst hier zu nennen der Hotykanos, der
Hodica, der gegenwärtig nach einem andern Orte, an dem er vorbei-
r Fluss von Scicii heissl. Er enlspringt bedeutend südlicher als der
Ihm folgt der Hyrminos oder Hirminius, der, da ihn Plinius
dem Pachynischen Voi^ebir^e und der Stadt Kamarina allein nennt,
fei [der grOssle Fluss dieser Strecke, der am M. Lauro selbst ent-
) F. di Bagusa oder Haull ist. Beide zuletzt genannten Gewässer
I tiefen Schluchten dahin, welche die Einftinnigkeit des felsigen Pia-
Sttdostspitze Siciliens durch ihre Oasen von mannigfaltigem GrUn
len. Wir treten jetzt in das Gebiet der allen Stadt Kamarina, deren
^indar genannte Flüsse, derOanis und derUipparis, die heu-
colaro und F. di Camarana sind. Jener ist kurzen Laufes, dieser
am Berge von Chiaramonte , einem Vorberge des IH. Lauro, und
]der Mitte seines Laufes von links her einen in der heutigen Stadt
if dem Markte in grosser Wasserfulle hervorsprudelnden ZuOuss
m^Ufer als besonders reizend durch ihren RetchUium an Citronen,
nd Granaten geschildert werden. - Eine halbe Millie von seiner MUn-
hstfjlmt der Camarana einen See oder Sumpf von zwei Hillien Um-
von etwa 20 Quellen gebildet wird. Er hiess bei den Alten Kama-
nach ihm soll die Stadt benannt worden sein. Von ihm ging die
, afs er einst sehr seicht war und verpestende Ausdünstungen verbrei-
ginwohncr der Stadt den Plan fassten , ihn ganz ausintrocknen und
I fragten, ob sie es durften. Apollon antwortete: Buhrt Kamarina
Dennoch trocknete man — freilich nicht mit dauerndem Erfolg, —
IS, und spater drangen gerade über diese Stelle Feinde in die Stadi
rlen sie.
'erlassen jetzt die um den M. Lauro gelagerte SUdostspilzc Siciliens
en eine Gegend , die vermtlge der grösseren Entfernung des Bet^-
von dem die Gewässer herkommen — des Hauptzuges der Madonie
on Gangi — wieder längere Flusse aufweist. Doch sind die Gewässer
ih im gidsseren Theile ihres Laufes von ziemlich schroffen Bcrgztlgen
die sich von der Haupikette der Insel abzweigen. Das erste dersel-
Fluss von Terranova , entspringt bei Piazza und Aidone unfern von
T erwähnten Fluss von Aidone, einem Arm des Symaithos, und
1 Osten von dem Bergzuge begleitet, der sich von Gangi zum M.
zieht, in gewundenem Laufe nach Süden durch eine grosse Ebene
ies sind die Geloischen Gefilde der Alten, und der Fluss ist der
FlüBse. 3 1
Gelas, dem die Sikeler diesen Namen wegen der Kalte seines Wassei'S bei-
legten. Ovid bezeichnet ihn als unzugänglich durch seine Strudel, was er
jetzt nur nacii heftigen Regengüssen ist. In der Gegend von Piazza ist das Thal
des Gelas in reizender Abwechselung mit Waldern , Weinbergen und Korn be-
deckt. Nun folgt einer der grössten Flüsse Siciliens, der alte Hirne ras, der
jetzt von seinem salzigen Wasser den Namen Salso führt. Dieser Fluss theilt
die Insel in zwei dem Anschein nach ziemlich gleiche Hälften. Die Alten glaub-
ten , und man hat in neuerer Zeit wiederholt , dass aus derselben Quelle, die
diesen Fluss hervorbringe , sich noch ein anderer nach Norden in das tyrrhe-
nische Meer ergiesse, welchem sie denselben Namen beilegten. Die östliche
Hauptquelle des südlichen Himeraflusses befindet sich unter dem Breitengrade
des Aetnagipfels, stldwestlich neben der Stadt Gangi ; der hier gebildete Haupt-
arm ist es, der speciell den Namen Salso führt. Mit ihm vereinigt sich weiter
ab\^rts zunächst rechts ein zwischen Petralia und Polizzi aus mehreren Quel-
len entspringender Arm , und sodann links ein anderer, der bei Calatascibetta
und Gastrogiovanni entspringt. Das Thal des Himeras ist tief und fruchtbar; der
Strom hat nach Regengüssen eine gewaltige Wassermasse , so dass zu seiner
Ueberschreitung oft nicht einmal die Hülfe der kräftigen Maraguni ausreicht
Nach Fazell befindet sich da , wo der Himeras aus den Bergen in das niedrige
I^nd an der Küste tritt, rechts von ihm an dem Orte Rocca stricti (Rocca dello
stretto , etwa ^4 Meile von Licataj ein gewaltiger Löwe in den weithin sicht-
baren Fels gehauen.
Wir kommen nun, einige kleinere, im Alterthum nicht genannte Gewisser
übergehend, zu den Flüssen des Gebietes des alten Akragas. Sie haben sämmt-
lich einen nui* kurzen Lauf, da sie nicht auf der Hauptbergkette der Insel, son*
dem auf einem von derselben abgezweigten und von ihr in der Gegend von
Akragas durch eine tiefe Einsenkung getrennten , und hier auch mit derselben
parallel laufenden Höhenzuge entspringen. Von den Alten sind nur zwei Namen
überliefert, welche den unmittelbar bei Akragas fliessenden Gewässern ange-
hören, der Akragas und der Hypsas. Jener ist der heutige S. Biagio, dieser
der Drago, die sich unterhalb der Trümmerstätte der alten Stadt im Angesichte
des Meeres vereinigen.
Die tiefe Einsenkung , welche das Quellgebiet der akragantinischen Ge-
wässer von dem Hauptbergrücken der Insel trennt, durchströmt von Osten her
der Platani, der bei den Alten Lykos oder Halykos hiess, und der letztere
der beiden Namen findet sich der Bedeutung nach auch in der Benennung Salso
oder Salito' wieder, die der östliche der beiden Hauptquellaime des Flusses
heutzutage führt. Dieser entspringt südlich von Polizzi und fliesst, die Gewässer
westlich bis in die Nähe von Yillalba und südlich bis nahe bei Galtanisetta
sammelnd, nach Südwesten, um sich bei Campofranco mit dem zweiten Haupt-
arm zu vereinigen, der, von Lercara und Castronuovo herkommend, und zw'i-
schen dem gewaltigen Berge von Cammarata rechts und den eigenthümlichen
kegelförmigen Hügeln von Musumeli und Sutera links dahinströmend , den
Namen des Flusses von S. Pietro führt. Der so gebildete Strom, der nun Pla-
tani heisst, fliesst in westlicher Richtung weiter, um endlich seine, im Winter
32 Erstes Buch. 11/ Die Bodenverhältnisse der Insel.
höchst bedeutende Wassermasse neben C. Bianco, der Statte des alt«n Hera-
kleia, ins Meer zu ergiessen.
Die Flüsse, die jetzt bis Lilybaion folgen, lassen sich nicht alle mit Sicher-
heit mit antiken Namen belegen. Es sind zehn : Macasoli, F. di Caltabellotta,
Carabi oder Gannitello, Gavarello, Leone, Beiice, Madiuni, Arene, Mazzara und
Marsala. Von diesen bildet sich der erste aus zwei Armen , die südlich von
Palazzo Adriane am Monte Rifesio und östlich von Bivona entspringen, der
zweite östlich von dem erstgenannten Punkte , um den er dann aber nördlich
durch eine enge Schlucht im Bogen fliesst, worauf er, sich nach Süden durch ein
weiteres Thal wendend, die Stadt, von der er den Namen hat, rechts lässt. Da
nun in der Gegend von Caltabellotta die rauhen Höhen deis Kratas* dem Meere
ziemlich nahe kommen , so sind die nächstfolgenden Gewässer nur klein , bis
zum Beiice, der der bedeutendste der genannten, und einer der wenigen wirk-
lich perennirenden sicilischen Flüsse ist. Ihn bilden zwei Hauptarme, der Beiice
destro und der Beiice sinistro , von denen dieser in der Nähe von Gorieone,
jener nicht weit von Palermo bei Plana de' Greci entspringt und welche sich
östlich von Salaparuta vereinigen. Das obere Flussgebiet des Beiice trennt die
Beiden, in nordwestlicher und in südwestlicher Richtung auslaufenden Zweigi\
in die sich das Hauptgebirge der Insel sondert. Der siebente der Flüsse, der Ma-
diuni , ist nur ein kurzer Küstenfluss mit stagnirender Mündung. Der dann
folgende F. Ar^ne entspringt südlich von Calatafimi und fliesst anfangs in
südlicher, dann, durch die Höhen von Gastelvetrano seitwärts gedrängt, in
westlicher Richtung , von Salemi an in der Ebene , zum Meere. Der Mazzara
hat seine Quellen 3 Million von Salemi, er fliesst im letzten Theile seines Laufes
über harten Felsboden in einem nach Art eines Kanals von Menschenhand ge-
regelten Bette. Der letzte endlich , der Marsala , hat einen sehr kurzen Lauf
durch eine schöne , mit Bäumen bepflanzte Gegend. Mit Sicherheit lässt sich
nun in Betreff der antiken Namen dieser Gewässer behaupten, dass der ßelice
der Hypsas , und der Madiuni der S'elinus der Alten sind, da diese beiden
Flüsse bei Selinus genannt werden, und zwar jener östlich von der Stadt, deren
Trümmer zwischen den Mündungen von Beiice und Madiuni sichtbar sind.
Sodann ist klar, dass der Mazaras der Allen dem heutigen Mazzara entspricht.
Weiter führte der F. di Galtabellotta den Namen Alba, während der Macasoii
wahrscheinlich Kamikos hiess. Der Marsala hiess im Alterthum Akithios.
Der So SS i OS und der Isburos werden zwischen Selinus und Herakleia, und
nach ziemlich sicherer Vermuthung der Achates zwischen Selinus und Sciacca
erwähnt, so dass für diese drei Flussnaroen die drei zwischen Sciacca und Se-
linus mündenden Flüsschen Gannitello , Gavarrello und Leone übrig bleiben,
ohne dass sich sagen liesse, wie jene Namen unter sie zu vertheilen sind. Nun
bleibt noch der F. Arene zu benennen. Nach Gluver^s schai*fsinniger Deduction
würde er Hai y kos geheissen haben, es ist aber nicht unmöglich , dass sein
Name eigentlich Halikyas war.
Wenn wir jetzt nach Norden und Osten weiter wandern, so finden wir
erst im Gebiete von Segesta antike Flussnamen erwähnt, weldie also die im
Golfe von Gastellamare ihr Ende findenden Gewässer sein werden. Hier ist
der bedeutendste der F. S. Bartolomeo, der sich aus zwei Quellflüssen bildet,
Flüsse. 33
von denen der eine, F. Frcddo genannt, einige Meilen östlich von der Stadt
Salemi in gleicher Entfernung vom Afrikanischen wie vom Tyrrhenischeu Meere
entspringt, während die Quelle des anderen, kürzeren, der den Namen Gaggera
fuhrt, sich weiter westlich unweit Galatafimi befindet. An dem letztgenannten
lag das alte Segesta. Der Fluss S. Barlolomeo mündet östlich von dem heutigen
Gastellamare. Nun werden von den Alten bei Segesta zwei Flüsse genannt,
der Skamandros und der Simoeis, deren Namen an die angebliche tro-
janische Heimath der Elymer erinnern , und die man entweder in den beiden
Quellarmen des S. Bartolomeo, dem Gaggera und F. Freddo, oder in den beiden
Flüsschen, aus denen sich bei Segesta der Gaggera bildet, dem Pispisa und
dem Galemici , wiederfinden kann. Aller Wahrscheinlichkeit nach führte femer
der F. Freddo den Namen Krimi sos. Die enge Verbindung, in welche die
Sage den Krimisos mit der Gründung von Segesta bringt, —- der Trojanerin
Egesta und des Flussgottes Krimisos Sohn war der Erbauer der Stadt — lässt
kaum einen Zweifel hierüber zu, und die dagegen geltend gemachten Bedenken
haben keinen zwingenden Charakter. Ausserdem werden bei Segesta noch der
Telmissos oder Helbessos — wenn diese Namen wirklich dasselbe Ge-
wässer bezeichnen — mit plötzlich aufbrausendem Wasser und der Porpax
erwähnt. Es giebt mehrere Flüsschen , welche in die Bucht von Gaste llaniare
fallen, und an die man bei den genannten Gewässern denken könnte. Des Auf-
brausens wegen haben indess Manche den Helbessos und sodann auch den
Porpax für identisch gehalten mit den berühmten Seges tan ischen war-
men Quellen, die sich etwa 3 Miliien unterhalb Segesta's am Gaggera befin-
den. Es sind im Ganzen sechs. Die erste , von unten gerechnet , Gorgo caldo,
ist die heisseste ; die nächste , Fönte di S. Gerolamo , ist von .jener Y2 Millie
entfernt ; die dritte, Bagno delle femmine, entspringt in einer Höhle ; die vierte
führt den Namen Bagno di Galamet, und die sechste, die oberste, sprudelt mit-
ten im Gaggera selbst hervor.
Demselben Meerbusen gehört noch der von Ptolemaios erwähnte Bathys
an, man kann ihn für den heutigen Jali halten, der westlich von Parlinico
mündet.
Die Flüsse der Nordküste sind durchgängig, der Nähe des Gebirgskammes
wegen, klein. In die Bucht von Panormos mündeten der Orethos und der
Eleutheros. Jener, früher Ammiragiio , jetzt wieder Oreto genannt, ent-
springt aus mehreren Quellen im Gebirge hinter Monreale und ergiesst sich
eine halbe Millie südlich von Palermo in^s Meer. Der zweite, der heutige Ba-
garia , hat seine Quelle einige Miliien nördlich von Gorleone und durchströmt
kurz vor seiner westlich von Gap Mongerbino gelegenen Mündung die reizende,
heutzutage mit prächtigen Villen bedeckte Ebene, welche sich um die Stadt
Bagaria lagert Von den in die nächste ausgedehntere Bucht, die von dem. Gap
Zafarana im Westen und dem Gap Gefalü im Osten umschlossen wird, aus-
mündenden Flüssen wird nur einer bei den Alten erwähnt, der Himeras. •
Man erzählte von ihm , dass er aus derselben Quelle mit dem südlichen Flusse
gleiches Namens entspringe. Wenn nun der nördliche Himeras der bei Prizzi,
unweit Palazzo Adriane entspringende Fluss S. Leonardo oder Termini wäre,
wofür ihn nach Gluver Manche halten , so ist dessen Quelle doch zu weit von
Holm, 0«Mh. SieUieni. I. 8
34 Ersles Buch. II. Die Bodenverhältnisse der Insel.
denen des F. Salso entfernt, als dass man einsehen könnte, wie eine solche
Behauptung sich zu bilden vermocht hutte. Es ist indess sicher, dass nicht der
Terminifluss der Himeras war , sondern vielmehr der F. Grande , der weiter
östlich aus mehreren Quellen in der Ni^lhe von Polizzi entspringt und sich beim
Thurme Bonfomello in*s Meer ergiesst. Hier sind , wie wir später sehen wer-
den , die Ruinen der Sladt Himera gefunden worden , die links von der Mün-
dung des gleichnamigen Flusses lag. Wie Quellen des F. Grande sind denjeni-
gen des F. Salso ziemlich nahe, ja Amico versichert, dass ein Quell Fantuzza
bei Polizzi nach beiden Himeras Gewässer entsende, üebrigens verdient dieser
Fluss den Namen des grossen nur in der Zeit starker Regengüsse; in der
heissen Jahreszeit ist sein sehr breites, mit Oleandergebüsch besetztes Bett
ziemlich leer an Wasser. Dagegen befinden sich die heissen Quellen, die seit
uraller Zeit berühmt und nach Himeras benannt waren , in der Nähe des Ter-
miniflusses , im unteren Theile der heutigen Sladt Termini. Das Gebiet von
Himera nährt noch manche andere kleine Flüsse, so dass Pindar es mit Recht
ein wohlbew*ässertes Gestade genannt hat.
Von den weiterhin bei den Alten erwähnten Flüsschen gehören mehrere
der ausgedehnten Küstenstrecke an , die sich vom Cap Cefalü , nach welchem
sich ein kurzer Arm des Hauplgebirgsstockes hinzieht, bis zum C. Orlando
erstreckt. Es ist zunächst der Mo na los der Alten, der heutige Pollina ^ der
unterhalb Gangi entspringt und , nachdem er von Westen her den F. di Ca-
stelbuono aufgenommen hat, durch ein wohlangebautes Thal zum Meere fliessl;
sodann der durch seine blumigen Ufer berühmte Hai aisos , der jetzige Polti-
neo, ein unbedeutender, kaum eine geographische Meile vom vorigen entfernter
Fluss; endlich derChydas, der heutige Furiano, ein im Bosco di Garonia
entspringendes Gewässer von kurzem Lauf. Der T methos war vielleicht der
jetzige F. di Naso, der in die schöne Bucht zwischen C. Orlando und C. Brolo
fällt. In den Meerbusen östlich vom Cap Tindaro mündete der Helikon, wel-
cher der heutige Oli vero gewesen sein kann. Der "M e 1 a s und der F a c e I i n u s
der Alten — denn die böiden Namen, wie gewöhnlich geschieht, als Benennun-
gen eines und desselben Flusses zu nehmen, ist kein Grund vorhanden —
müssen östlich vom Vorgebirge von Mylai gesucht werden , und sind wahr-
scheinlich die heutigen Nocito und Condro. In dem dann folgenden Monfort^
finde ich den Longanos wieder, der gewöhnlich für den westlich von Mylai
fliessenden F. di Castroreale gehalten wird, dem Zusammenhang der Erzählung
Diodor's nach, in dem er vorkommt, jedoch östlich von diesem Orte gesucht
werden muss ; — wenn anders nicht im Diodorischen Texte ein Fehler ist.
Das Land, dessen Bau wir so eben nach den Berichten der Alten zu schil-
dern versucht haben , brachte einen ausserordentlichen Reichthum von Pro-
dukten hervor. Besonders war es für den Kornbau geeignet. Man hatte' die
Sage — für etwas Anderes kann es kaum erklärt werden — dass im Leontini-
schen Gefilde und an anderen Orten Siciliens noch zur Zeil der Römer sich
wilder Weizen gefunden habe, so dass also das Getreide hier heimisch sein
müsste, und die Behauptung nicht wunderbar erscheinen konnte, dass Sicilien
die Heimath des Ackerbaues sei. In der Römerzeit war der Selinuntische
Weizen besonders berühmt, und ausser den Leontinischen und Geloischen Fei-
Produkte. 35
dem pries man die Umgiegend von Mylai wegen ihrer ;)usserordentUcben Ergie-
bigkeit, lieber d^n Ertrag des Bodens, der natürlich sehr verschieden war,
gehen die Bericht der Alten noch weiter auseinander, als man erwarten könnte.
Während Cicero von S—IOfälliger Frucht spncht, reden Andere von hundert-
fältiger, und wenn dies auch übertrieben ist, so ist Cicero jedenfalls unter
der Wahrheit geblieben.
Andere Gegenden der Insel waren in ebensojiervorragender Weise für die
Viehzucht geeignet. Sicilien ist deshalb auch die Heimath der bukolischen Poesie
geworden. Pindar nennt Sicilien das schafreiche ; durch seioe Pferdezucht war
besonders Akragas berühmt ; und wie man die Rinderheerden des Helios nach
Sicilien verlegte , so war auch später der siciiische Talg sehr geschätzt. Häute
und Wolle gehörten z,u Stxabpn's Zeit zu den Hauptausfuhrartikelq der Insel.
Auch in der Schweinezucht thaten die sicilischen Landwirthe sich hervor.
Die würzigen Kräuter der Bergabhänge nährten eine vorzügliche Bienenai*t.
Der Honig von Hybla war seiner Güte wegen sprichwörtlich geworden , und
noch heute erinnert der aromatische Duft , der die hybläischen Hügel am Meer-
busen von Megara umschwebt, an diesen alten Ruhm der Gegend. Dass aber
dieser Landstrich der Insel nicht der einzige war, der die Bienenzucht mit Eifer
betrieb, das beweisen die im südlichsten Theile Siciliens an manchen Orten in
die Bergwände eingebauenen Bienenlöcher. Die Tauben der Insel hatten weit
verbreiteten Ruf.
Die Insel zeigte sich überdies nicht wenig für den Anbau mancher wich-
tigen Produkte geeignet, die offenbar, ohne dass wir jedoch sagen können,
wann dies geschehen ist, aus der Fremde dorthin verpflanzt worden sind. Der
Weinstock und der Oelbaum gediehen vortrefflich auf Sicilien , und von den
W^cinen sind die Namen verschiedener Sorten aus dem Alterthum erhalten. Die
Bezeichnungen Mamertiner, Tauromenier, Iny einer sagen, dass diese Weine in
der Nähe der Städte Messana , Tauromenion , Inykon wuchsen ; der Pollische
Wein soll nach einem übrigens unbekannten Könige PolHs benannt sein, der ihn
zuerst auf Sicilien anbaute. Der Potulanische wuchs in der Nähe von Messana ;
wo der lotalinische zu Hause war, und weshalb er diesen Namen führte, wissen
wir nicht. Von dem Weinbau am Aetna ist schon oben die Rede gewesen. Von
Safran, Aepfeln, Granatäpfeln und Feigen können wir nur sagen , dass sie sich
in vorzüglicher Güte und grosser Menge auf Sicilien fanden.
Der Boden der Insel gab vortreffliches Baumaterial für Häuser und Tem-
pel. So fäUt der Kalkstein von Campobello, aus dem die selinuntischen Tempel
gebaut sind , noch jetzt den Reisenden durch seine Feinheit und seinen Klang
auf, und schon im Alterthum war der tauromenitanische Stein, ein bunter
Marmor, sehr geschätzt. Marienglas und halbedle und edle Steine wie Achate
und Smaragde fanden sich ebenfalls auf der Insel. Endlich werden Salz, Farbe-
erde und Asphalt als Produkte Siciliens im Alterthum erwähnt.
Schwer aber und allzu umständlich würde es sein, im Einzelnen den rei-
chen Segen nachzuweisen , den das Meer den Bewohnern der Insel in seinen
Geschöpfen spendete , von dem mächtigen Thunfisch herab bis zum kleinsten
essbaren Weichthier. Die AlU3n wussten gerade diesen Reichthum vortrefflich
zu würdigen , und es haben sich unter andern die komischen Dichter der Insel
8*
36 Erstes^Büch. 11. Die Bodenverhältnisse der Insel.
in Weitläufige Aufzählungen dieser den Feinschmeckern so werihen Thiere
ergossen, ein Beweis, wie populär dieser Zweig der Naturwissenschaft und
wie beliebt der Gegenstand derselben war. Man wird schon« im Alterthum die
meisten der Thiere gekannt haben, die Smyth in einem acht Seiten langen Ver-
zeichnisse am Ende selbes Werkes zusammengestellt hat. Auf den Münzen
der Insel sind Seethiere vielfach angebracht. Kunstgemäss vinu'de vor Allem
der Fang des Thunfisches in den sicilischen Meeren betrieben, sicher ähn-
lich wie heutzutage, und die meisten Vorgebirge waren Warten zur Beobadi-
tung der heranziehenden Schaaren. Ausdrücklich geschildert wird sodann der
Fang der Schwertfische in der sicilischen Meerenge, der dort noch jetzt in ähn-
licher Weise Statt findet. Die Fischer befanden sich in kleinen, zweirudrigen
Kähnen , in jedem zwei ,* von denen der eine ruderte , der andere am Vorder-
theile mit der Harpune bereit stand , nach dem Fische zu stossen , dessen Ort
ihm von einem für die ganze Fischerschaar als Späher angestellten , auf einem
hohen Punkte befindUchen Manne gezeigt war. Sobald derStoss aus freier üand
geführt ist, zieht der Fischer den hölzernen Stiel der Harpune zurück, während
die nur leicht am Holze befestigte, mit Widerhaken versehene eiserne Spitze im
Leibe des Thieres zurückbleibt. An dieser Spitze hängt aber ein Tau, von wel-
chem vom Boote aus so viel abgelassen wird , als n&thig ist, bis dek* erschöpfte
Fisch sich gefangen giebt. Heutzutage ist im Uebrigen das Verfahren dasselbe
geblieben, nur sind ausser einer grossen Feluke, die zum Beobachten der Fische
dient, zwei kleine Böte im Gebrauch, von denen das eine den Harpunisten trägt^
das andere dagegen die besondere Aufgabe hat , dem fliehenden Fische zu fol-
gen, und ihn, wenn er todt ist, einzunehmen.
Das Klima war mild. Cicero sagt von Syrakus, dass kein Tag vergehe, an
dem nicht die Sonne sichtbar werde , was freilich ein später lebender Syraku-
saner M. Aretius als eine rhetorische Uebertreibung bezeichnet hat. Natürlich
brachte ein längerer Aufenthalt unter ungünstigen Verhältnissen in sumpfigen
Niederungen ebensowohl in Sicilien, wie anderswo,' die schlimmsten Wirkungen
hervor; das hat die Geschichte der verschiedenen Belagerungen von Syrakus,
von der durch die Athener an bis zu der durch Marcellus , zur Genüge be-
wiesen.
Merkwürdig ist, dass im Alterthum die Gegend der Strasse von Messina als
ziemlich frei von Erdbeben galt.
Sicilien ist von einer Anzahl kleinerer Inseln umgeben, die theils einzeln
daliegen, theils zu Gruppen vereinigt sind. Die meisten und wichtigsten lassen
sich mit einigem Bechte den drei Spitzen der Insel zuweisen , wo dann die
Aegatischen dem Lilybaion , die Aeolischen derPeloris, die Maltesischen dem
Pachynos entsprechen würden , während Ustica im Norden und Pantellaria im
Süden vereinzelt den zwei längern Seiten gegenüber liegen , der Oslküste aber
keine Insel von Bedeutung angehört. Die Zugehörigkeit dieser Inseln zu Sicilien
beweisen Geschichte wie Naturverhäitnisse. In Bezug auf die letzteren bedarf
dies bei den Liparischen und Aegatischen Inseln keiner weiteren Begründung;
für Pantellaria und die Maltesische Gruppe dient die Bodengestaltung des Meeres
als Beweis. Während nämlich nördlich von SicUien , der Gestaltung der Küste
entsprechend, der Meeresboden schnell zu einer bedeutenden Tiefe herabsinkt,
NebeniDselQ. 37
erstrecken sich von der Südktlste als Fortsetzung des nach dieser Seite allmäh-
lich sich abdachenden Bodens der Insel in sttdlicher und südwestlicher Rich-
tung unter dem Meeresspiegel zwei flache Zungen von durchschnittlich 20 — 50
Faden Tiefe , weit nach der afrikanischen Küste hin , von denen die westliche
Pantellaria, die östliche die Maltesische Inselgruppe mit umfasst. Der Meeres-
boden, welcher erst ausserhalb dieser Zungen eine Tiefe von 100 Faden erreicht,
und innerhalb derselben an einzelnen Stellen nur 7 , resp. 4 7 Faden tief ist,
sinkt bereits in geringer Entfernung von den genannten Inseln auf mehr als
700 Faden herab.
Die wichtigsten aller Nebeninseln Siciliens , wenn wir von der Bedeutung,
welche ^Malta in neuerer Zeit bekommen hat, absehen, und die interessantesten
sind die, welche bei den Alten die Gesammtnamen der Aeolischen, Lipa-
rischen, Hephdstischen oder Vulkanischen Inseln führten und die
beiden ersten Namen auch noch heute tragen, die letzten aber ihrer Natur wegen
wohl verdienen. Das Alterthum war gewohnt, ihre Zahl auf sieben anzugeben,
obwohl die Schriftsteller, welche in dieser Beziehung übereinstimmen , keines-
wegs alle dieselben sieben meinen. In Wirklichkeit ist ihre Zahl allerdings be-
deutend grösser ; wenn man indess Panaria mit den umliegenden Inseln , die
eine Gruppe bilden und ufsprünglich nur eine einzige Insel ausgemacht zu
haben scheinen, auch nur als eine rechnet, so ist die Zahl sieben doch zutref-
fend. Die Inseln sind sämmtlich vulkanischen Ursprungs und einige von ihnen
enthalten noch heutzutage thätige Vulkane. Ihre Thätigkeit ist aber im Allge-
meinen als im Abnehmen befindlich zu betrachten. Sie war im Alterthum be-
deutender als gegenwärtig , und es kam bisweilen vor , dass in dem die Inseln
umgebenden Meere sich neue Krater öffneten und neue Feuerinseln entstanden.
Die Liparischen Inseln liegen zwischen dem Aetna im Süden und dem
Vesuv im Norden , und während nur wenige Breitengrade diese drei Vulkan-
bezirke trennen , sind sie von andern Gegenden derselben Natur beträcMHch
entfernt. Es lag deshalb der Gedanke an eine unterirdische Verbindung dersel-
ben nahe, und zwar zunächst zwischen den Liparischen Vulkanen und dem
Aetna , deren Entfernung von einander die geringere ist. Diese Meinung hegte
man denn auch im Alterthum , und man versicherte , dass die Ausbrüche des
Aetna und der Liparen abzuwechseln pflegten , eine übrigens , wie es scheint,
nicht ganz richtige Bemerkung. Andere nahmen dann weitergehend an, dass
die ganze Gegend zwischen dem Aetna und Kyme von zusammenhängendem,
unterirdischem Feuer erfüllt sei.
Man theilt bekanntlich die Vulkane in Central - und Reihenvulkane. Die
Gruppe der Liparischen Inseln , in der sich bei Panaria zwei Eruptionsspalten
kreuzen, darf als eic^ Mittelglied zwischen beiden Systemen angesehen wer-
den. Die zwei sich schneidenden Linien sind deutlich erkennbar. Die von
West nach Ost, genauer von Südwest nach Nordost, gerichtete trägt Alicudi,
Feiicudi und Salina und trifil bei Panaria auf die andere, von Nord nach
Süd , mit einer Ausbiegung nach Westen , gerichtete , welcher Stromboli , Pa-
naria, Lipari und Volcano angehören. Die letztgenannte Spalte, die nach dem
Vesuv und dem Aetna hinweist, hat allein die vulkanische Thätigkeit noch bei-
behalten. Die sämmtlichen Inseln haben, ihrer Natur entsprechend, eine
38 Erstes Bach. II. Di« Bodenverhältnisse der Insel.
kegelförmige Gestalt y doch ist es eigen thtimlich , däss bei allen die Westseite
schroffer in*s Meer abfallt als die Ostseite , und dass vor den meisten nördlich
kleine .Inselchen liegen. Die Liparen haben , ^ie der Aetna , nur sehr wenige
und unbedeutende Quellen, und der aus vulkanischen, leicht zerreibbaren
Massen bestehedde Boden hält die Feuchtigkeit der Atmosphäre nur kurze Zeit
fest; so ist die Anlage von Cistemen das einzige Mittel gewesen, sie bewohnbar
zu mächen. Dennoch bringt das Land, wo es überhaupt des Anbaues f^hig ist,
laichen Ertrag; nur für die Viehzucht' ist es nicht geeignet.
Die grösste und bedeutendste derselben ist das heutige Lipari, bei den
Alten Lipara oder Liparai genannt, angetilicli nach dem Könige Liparos,
Auson's Sohn. Anfangs soll die Insel mit einem unerklärten Namen Mel igu-
nis geheissen haben. Im früheren Alterthum war nur diese eine Insel be-
wohnt; die Einwohner von Lipara Bebauten aber auch die andern. Später
hatten dagegen wenigstens einige derselben — ausdrüißklich' werden Strongyle,
Eiikussa' imd Phoinikussa genannt — fest angesiedelte Einwohner. Nach Gluver
war es in dieser Beziehung im Anfang des siebzehnten Jahrhundierts wieder
wie zur Zeit des Thukydides geworden, im Alterthum war auf Lipara ein thä-
liger Vulkan , Über dessen Lage jedoch , wenn nicht etwa mehrere Oefihungen
an verschiedenen Punkten der Insel anzunehmen sind , keine Gewissheit vor-
handen ist. Doch war er schon damals nicht sehr kräftig. Feuer sah man nur
zur Nachtzeit aus ihm hervordringen, und nach einer von Xenophanes herstam-
menden Nachricht waren sechszehnjährige Pauisen zwischen den Ausbrüchen.
GegenwäiM;ig haben die Krateröffiiungen sich völlig geschlossen , und' es wird
nur , wenn man den Boden bis zu einer gewissen Tiefe aufgräbt , Rauch und
schwefliger Geruch bemerkbar. Die warmen Bäder der Insel zogen aus Sicilien
viele Kranke herbei ; sie erweisen sich noch jetzt als sehr heilsam, fier Boden
Lipara's, aus dem viel Alaun gewonnen wurde, wird im Allerthum bald als
fruchtbar, bald als dürr bezeichnet, und noch heutzutage rechtfertigen die ver-
schiedenen Theile der Inset beide Bezeichnungen. Denn während die grossen
Strecken nackten vulkanischen Gesteines , die an manchen Punkten zu Tage
treten, immer noch den gebirgigen Thetlen Lipara's den Charakter der Un-
fruchtbafrkeit aufdrücken, enthalten einzelne Ebenen einen sehr fruchtbaren
Boden, und die Insel bringt besonders guten Wein hervor.
Südlich von Lipara , zwischen dieser Insel und Sicilien , liegt das heutige
Volcano, von den Allen mit den Namen Thermissa, Therasia, Hiera,
Vulcania bezeichnet. Es enthielt ursprünglich drei Krater, von denen aber
schon zu Polybios* Zeit nur noch zwei übrig waren. Der grösste derselben hatte
einen Umfang von 5 Stadien. Thukydides berichtet, dass die Insel bei Tage
Rauch, bei Nacht Feuer ansstosse. Dass das Getöse der Eruptionen 500 Stadien
weit zu hören sei , schien den Alten so wenig übertrieben , dass Andere die
Grenzen sogar auf 4000 Stadien erweiterten. Zur Zeit, da das Epos Aetna
geschrieben wurde, also wahrscheinlich unter Nero, war die Glut der Insel
schon etwas erkaltet. Früher waren sehr bedeutende Eruptionen vorgekom-
men. Aristoteles erzählt von einer, bei der nach einem Erdbeben sich plötzlich
eine Anschwellung des Bodens bildete, die sich ötffiaete und Funken und Asche
ausstiess. Die Asche bedeckte die Stadt Lipara und flog sogar bis nach Italien.
Lfparen. 39
Die Erhebung des Bodens blieb als dauernde Spur des Ausbruchs : es halle sich
einer jener trachy tischen Dome gebildet. \s,ie sie in so manchen Gegenden von
einstiger vulkanischer Thüligkeil Zeugniss ablegen. Von einem andern heftigen
Ausbruche, der zur Zeil des Bundesgenossenkrieges Stall fand, spricht PI inius,
und Poseidonios bei Strabon giebl. einige interessante Umstände an, welche damit
verbunden waren. Es war um die Zeit der Sommersonnenwende bei Tages-
anbruch; da erhob sich zwischen Hiera und Euonymos (Volcano und Pana-
ria) das Meer zu einer gewaltigen Höhe und verweilte eine Zeitlang so. Als es
sich wieder gesenkt hatte , hielten dennoch die Hitze des Wassers und der Ge-
stank der auf demselben schwimmenden Fische dje Schiffer von dem Orte fern,
und Einige, die sich naher gewagt hatten, verfielen spijtcr in epileptische
Zuckungen. Nach einigen Tagen zeigten sich Flammen und Rauch auf der
Oberfläche des Meeres und ein zäher Schlamm, der dann hart wurde wie
Mühlsteine. Es fand also ein Lavaausbruch im Meere Statt. Der ftömische Senat
schickte Gesandle, welche in Hiera und Lipara den Göttern des Meeres und der
Tnlerwelt Opfer darbrachten.
An die vulkanische Thäligkeit Hieraus knüpften sich eigen thüm liehe meteo-
rologische Beobachtunj^en. Man stellte als Thatsache hin, dass bei Südwind die
Insel von Nebel bedeckt sei , dass bei Nordwind die Flammen rein in die Höhe
schlügen und das Getöse lauter erschalle , während bei Westwind ein Mittel-
zusland zwischen beiden herrsche. Mf^n glaubte somit bemerkt zu haben, dass
die vulkanischen Erscheinungen je nach der Windrichtung und dem Wetter
verschieden seien , und man knüpfte hieran eine uns nur unvollkommen be-
kannte Theorie , nach welcher aus der Verschiedenheit der ersteren — dem
verschiedenen Gelöse des Kralers und der verschiedenen Richtung der her%'or-
brechenden Flammen — auf den Wind und das W'etter, und zwar eigen thüm-
licher Weise, wie dieselben nach zwei Tagen sein würden, geschlossen wurde.
Besonders bewandert in dieser Kunst waren die Einwohner von Lipara. Diese
Weiterprophezeiung der Liparäer sollte dann auch eine Erklärung dafür abge-
ben, dass Aiolos, der Beherrscher dieser fnseln, von der Sage zum Herra
der Winde gemacht war: er war bereits im Besitz jener Prophetengabe ge-
wesen 1
In seinem gegenwärtigen Umfange hat Volcano noch zwei thätige Krater.
Der grössere derselben, offenbar der von den Allen beschriebene , südlich vom
Porto diponente gelegen, ist nach den neueren Reisenden eines der prachtvollstcri
Beispiele vulkanischer Thäligkeit und übertrifft an Grossartigkeit des Eindrucks
selbst den Aetna. Dolomieu schildert den grössten Umfang desselben als eine
halbe italienische Meile betragend ; nach Smyth ist er bedeutend grösser, eine
und ein viertel Meile. Die innem Wände fallen schroff ab, und man IjLann
in die Tiefe des regelmässig gestalteten Trichters blicken. Der kleinere Krater
liegt auf einem, noi*döstlich sich an die Insel anschliessenden Anhängsel, Volca-
neilo genannt, das offenbar einst eine besondere Insel ausgemacht hat, wie es
denn auch nur durch einen aus der eigenen Lava gebildeten niedrigen Felsen
mit Volcano zusammenhängt. Da man nun aus dem Alterlhum einen Bericht
hat, nach w^elchem im Jahre 183 vor Chr. die hisel des Vulcan plötzlich ent-
standen sei , so liegt bei der Unmöglichkeil, diese Nachricht auf Volcano selbst
40 Erstes Buch, II. Die BodenverhtfUnlsse der Insel.
zu beziehen, die Annahme nahe, dass Volcanello gemeint sei, das dann spflter,
wie es scheint, erst im sechszehnten Jahrhundert, mitVolcano verbunden wurde.
Ausserdem findet sich noch an einer wenig klaren Stelle des Plinius die Nach-
richt von dem im J. 1 26 v. Chr. geschehenen Auftauchen einer neuen vulkani-
schen Insel unter den Liparen. Zu gleicher Zeit war in der ganzen Gegend das
Meer im Aufsieden begriffen, so dass die Fische todt auf der Oberfläche schwam-
men , und als die Bewohner von Lipara von diesen Fischen assen , brach eine
Seuche unter ihnen aus. Welches die damals entstandene Insel war , ob sie
überhaupt noch besteht, ist unbekannt. Da im Jahre 1S6 v. Chr. auch ein Aus-
bruch des Aetna Statt fand, so bestätigt dies wenigstens nicht die oben erwähnte
Theorie von der Abw^echslung der Eruptionen der Liparischen Inseln und des
grossen sicilischen Vulkans.
Die nächstwichtige Insel , gegenwärtig wohl die bekannteste von allen, ist
die nördlichste derselben, das heutige Stromboli, eine Insel, die ihren alten Na-
men Strongyle ihrer runden Gestalt verdankt. Ihr konischer, aus Doleritge-
stein bestehender Berg hat mehr als die doppelte Höhe des Vulkans von Hiera.
Stromboli's Feuerberg hatte im Alterthum nicht die Berühmtheit , die er heut-
zutage durch die nur in neuester Zeit gestörte Regelmässigkeit besitzt , mit der
er so ziemlich alle 1 0 Minuten Feuer, Asche und glühende Steine auswirft. Zu
Strabon's Zeit stand er noch an Kraft der Flamme den übrigen thätigen Vulka-
nen der Liparischen Inseln nach. Wenn dagegen Plinius ihm ein helleres Feuer
zuschreibt, als dem Vulkan von Lipara, mit dem er ihn im Uebrigen vergleicht,
so möchte wohl der Schluss gestattet sein , dass er damals schon angefangen
hat, die anderen zu übertreffen. Vielleicht hängt diese Steigerung der Kraft der
Ausbrüche von Stromboli mit einer Veränderung seines Kraters zusammen.
Denn oberhalb der jetzigen , auf halber Höhe des Berges befindlichen Oeffhung
giebt es eine ältere, nunmehr verstopfte, die vielleicht im früheren Alterthum
brannte. Auch an StrongyIe*s Eruptionen knüpften sich Wetterprophezeiungen,
und Smyth sagt ausdrücklich, dass nach den übereinstimmenden Berichten der
Einwohner Stürme , besonders solche , die von Süden herkommen , durch das
Ausströmen dicker Rauchmassen aus dem Krater von Stromboli vorher verkün-
digt werden.
^ Zwischen Stromboli und Lipari ist die Gruppe von Panaria, einer Insel,
welche bei den Alten den Namen Euonymos geführt haben muss. Wenig-
stens wird von den Liparischen Inseln diejenige mit diesem Namen bezeichnet,
welche den von Lipara nach Sicilien Schiffenden links lag , was ziemlich auf
Panaria passt, die sonst auch von den grösseren Inseln allein unbenannt geblie-
ben wäre. Wenn freilich die Lage zur Linken im strengsten Sinne genommen
werden müsste, und man sich ausserdem auf die andere Nacliricht über Euo-
nymos verlassen könnte, dass sie am meisten seewärts von allen gelegen habe,
so müsste man die kleine Insel Liscabianca für Euonymos erklären, was denn
auch von Manchen geschehen ist. Wie aber glauben, dass die Alten die kleinere
Insel benannt, die grosse dagegen in der Aufzählung der 7 Inseln unerwähnt
gelassen hätten ? Nach Dolomieu's Bemerkung sind Panaria , Liscanera , Basi-
iuzzo, Liscabianca, Bottaro, Le Formiche die Ueberreste eines zum grössten Theil
untergegangenen grossen Kraters, dessen Umkreis sie noch bezeichnen.
Liparen. Aegaten. 41
Dies sind die Inseln der östlichen, von Nord nach Süd streichenden Spalte.
Auf der nach Westen gerichteten treffen wir zuerst Salma , von den Allen D i -
dynie genannt, wegen der zwei Bergspitzen, die der Insel ihren eigenthtim-
liehen Charakter verleihen. Das die beiden Berge trennende Thal, Fossa felice,
ist von ausserordentlicher Fruchtbarkeit.
Zehn oder elf englische Meilen westlich von Salina liegt sodann Felicudi,
eine ziemlich fruchtbare Insel von 9 engl. Meilen Umfang. Sie hiess bei den
Alten Phoinikussa oder Phoinikodes, nach den Palmen, die einst dort
wuchsen, und der jetzige Name ist aus dem antiken entstellt. An ihrer West-
küste zwischen den Vorgebirgen Stampaniata und Perciata ist eine Grotte von
160' Lange, 420' Breite und 50' Höhe, die schon den Alten aufgefallen zu sein
scheint, da eine der bei Philostrat beschriebenen Inseln, in denen man die Li-
paren erkennt, eine grosse Drachenhöhle hat.
Die westlichste von allen ist endlich Alicudi , ein steiler konischer Krater
von 6 engl. Meilen Umfang, der zwar lange aufgehört hat zu brennen, aber
dennoch so kahl ist, als hatte er erst vor Kurzem gebrannt. Der Name Alicudi
ist aus Erikodes entstanden, denn so oder Erikussa nannten die Alten
nach dem dort wachsenden Haidekraut die Insel.
Ausser diesen sieben Inselnamen werden noch im Alterthum in (dieser Ge-
gend und als zu den Liparen gehörig genannt: Hikesia, nach Gluver und
Serra di Falco Panaria, und Herakleotes, das nach denselben Schriftstellern
Basiluzzo wäre. Beide werden jedenfalls der Gruppe von Panaria angehört
haben.
Getrennt von den Liparischen Inseln liegt weiter im Westen Ustica , das
im Alterthum ebenso hiess, eine Insel vulkanischen Ursprungs. Femer wird
noch ungefähr in»derselben Gegend von einigen Schriftstellern die Insel Osteo-
des genannt, die ihren Namen »Knocheninsela folgender Begebenheit verdanken
soll. Zur Zeit, da die Karthager mit den Syrakusanem Krieg führten, machten
ihnen 6000 Söldlinge, deren Forderungen sie nicht befriedigen konnten, viel zu
schaffen. Man beschloss, sich ihrer ohne Aufsehen zu entledigen, brachte sie
unter dem Verwände eines Feldzuges, zu Schiffe und setzte sie unter irgend
einem andern Verwände auf einer kleinen , wüsten Insel unweit Siciliens aus,
wo sie alle verhungerten. .Von den Haufen der Gebeine wurde dann die Insel
Osteodes genannt. Piinius setzt sie Solunt gegenüber, und Cluver kennt in der
Nahe von Ustica eine Insel , die er für Osteodes halt. Man kann leicht mit
Smyth, der von einer kleinen Insel in dieser Gegend nichts weiss, auf den Ge-
danken kommen, Osteodes sei nur ein anderer Name für Ustica.
Die zweite , den Liparen an Bedeutung weit nachstehende Inselgruppe ist
die der Aegatischen Inseln, welche ebenfalls vulkanischen Ursprungs sind.
Die westlichste von ihnen ist die alte Hiera oder Hieronesos, jetzt
Marittimo. Sie ist hoch, hat 7 Mill. Umfang, ihre Westküste f^llt schroff in^s
Meer ab, wahrend an der Ostküste Schiffe landen können. Südöstlich von ihr,
dem sicilischen Vorgebirge Aigithallos gegenüber, liegt die alte Aigusa, jetzt
Favignana genannt. Smyth vergleicht ihre Gestalt einem Vogel mit ausgebrei-
teten Flügeln. Sie ist niedriger und fruchtbarer als Marittimo. Nördlich von ihr,
Drepanon gegenüber, liegt Levanzo, bei den Alten Phorbantia oder Bu-
42 Erstes Buch. 111. Sagen.
ein na genannt, Namen welche beide auf einen grossen Reichihum an Kühen
hinzudeuten scheinen. Nach d^r Schilderung übrigens, welche Smyth von ihr
entwirft) erscheint sie durchgängig steil und von rauher Oberfläche, und bringt
nur wenig hervor, so da$s jene Ableitung doch zweifelhaft wird. Zwischen Le-
vanzo und Trapani sind noch einige kleine Inseln, Le Formiche, die nach Smyth
die gewöhnlich für Aegimurus (jetzt al djamur) in der Nähe von Karthago,
von Anderen schon im Alterlhum für die Aegaten selbst erklärten ärae wären,
an denen bei Vergil Aineias. seine Flotte verliert, und dicht bei Trapani die nie-
drige Felseninsel Colombara, die Pelias der Alten.
73 engl. Meilen südlich von Marittiroo liegt die Insel Pantellaria , das alte
Koss.ura. Sie hat 30 M. im Umfange und ist durchaus vulkanischer Natur,
wie die Spuren von Kratern und die gewaltigen Massen von I^va , Bimstein,
Schlacken u. s. w. , sowie endlich die zahlreichen warmen Quellen, die sich dort
ßnden, beweisen. Das Innere ist gebirgig, doch theilweise sehr fruchtbar.
Endlich haben wir noch einen Augenblick bei der Maltesischen Insel-
gruppe zu verweilen, die, gerade südlich von Sicilien gelegen, im Alterthum
wie im Mittelalter slets in politischer Verbindung mit demselben gestanden hat
und auch unter der Herrschaft des Johanniterordens noch immer die engsten
Beziehungen zu Sicilien bewahrte. Es sind 3 Inseln , von denen Malta , die
Melite der Alten, die grösste ist; Gozzo, die näc^stgrosse , hiess Gau dos
oder Gau los. Das zwischen diesen beiden gelegene kleine Comino findet sich
im Alterthum nicht benannt. Sie sind ursprünglich kahle Kalkfelsen, aber ihre
vortreffliche Lage an den grossen Handelsstrassen des Mittelmeeres, ihre zahl-
reichen Buchten, Häfen und Küstenhöhlen , die ausgezeichnete Schlupfwinkel
darboten, haben früh Einwohner herbeigelockt, die den öden Felsboden mit
fruchtbarer Erde bedeckten. Aus der von den Melitäem mit Vorliebe betriebenen
Weberei feiner Zeuge hat man geschlossen , dass auf diesen Inseln bereits im
Alterthum die Baumwollenstaude gezogen wurde.
Drittes Kapitel.
Sagen.
Die Geschichte Siciliens beginnt, wie\lio jedes andern Lanj^es, mit Sagen
von Göttern und Helden , die ausser ihrem poetischen Werth eine grosse Be-
deutung für die Erkenntnis^ der charakteristischen Eigenthümlichkeiten des
Landes haben , und in denen ausserdem mancher historische Kern verborgen
liegt. Ich stelle sie hier übersichtlich zusammen , ohne mich auf weitläufige
Erläuterungen einzulassen. Sie mögen als ein von den Vorfahren gesammelter
Schatz , an dem die Späteren sich erfreuten , angesehen werden ; der für die
Geschichte daraus zu ziehende Gewinn wird später zu Tage treten.
Den Anfang kann Poseidon machen , weil durch seinen Dreizack Sicilien
erst zu einem selbständigen Lande geworden ist. Freilich tritt er selbst nur
Poseidon, Kronos, Demeter. 43
wenig handelnd auf; aber er ist der Vater vider Heroen, welche die Sage mit
der Inse) in Verbindung bringt : des Trinakros und des Sikelos , die ihr die
Namen gegeben haben ; des riesigen Polyphemos, den Odysseus blendete ; der
bösen Laistrygonen, die Manche nach Siciiien versetzten, des Eryx , der ähnlich
jenem andern wilden Poseidonsohne Amykos — von dem er nach Einigen ab-
stammen soll — trotz seiner Stärke einem Sohne des Zeus unterliegen musste.
Auch Selinus heisst ein Sohn Poseidon^s ; freilich wird er nicht ausdrücklich
mit der sicilischen Stadt dieses Namens in Verbindung gebracht. Endlich spielt
Poseidon in die Geschichte des Aiolos und seiner Söhne, sowie in die des Akestes
hinein. Nichts war natürlicher, als dass der Meeresgoti zu der grossen Insei in
enger Beziehung stand , und ebenso erklärlich ist es, dass gerade die rauhen
Figuren der Sage von dem Beherrscher des wilden Elementes herstammen.
Nahe liegt aber auch die Vermuthung , dass die Sagen von Poseidon vpn einem
der seefahrenden Völker herrührten, welche von Osten her nach Siciiien kamen.
In einer engeren Verbindung mit Siciiien als der die Küste flüchtig strei-
fende Gott des Ifeeres ^eigt sich Kronos. Er herrschte im Westen und unter
andern auch in Siciiien; nach der gewöhnlichen Sage ein milder, freundlicher
Gebieter , der dio wilden Menschen ein friedliches und gesittetes Leben lehrte,
weshalb denu auoh seine Zeit das goldene Zeitalter der Welt war; nach einem
wesentlich abweichenden Berichte dagegen ein grausamer ujad habsüchtiger
Fürst, der sich auf kochgelegenen Punkten verschanzte und von solchen Orten
aus, die noch in spälerer Zeit den Namen Kronia trugen, die Menschen tyranni-
sirte. Jenen Charakter nahm der Gott besonders in. Italien an ; dieser, der des
semitischen Baa^- Moloch, wird ihm in Siciiien ausdrücklich beigelegt. Man
deutete hier die Kronia auch als Gräber des Kronos. Bekanntlich ist ein Attribut
dieses Gottes die Sichel , die er gegen seinen Vater Uranos gebrauchte. Nach
der That soll er sie fortgeworten oder versteckt haben. In Siciiien erklärte man
die Ortsnamen Drep^on und Zankle, welche Sichel bedeuten, dadurch, dass
hier jenes Werkzeug des Kronos verborgen sei. Im Zusammenhange damit sollte
denn auch die Fruchtbarkeit der Insel von dem auf die Erde träufelnden Blute
des alten Gottes herrtüiren. Dies Alles beweist, wie allgemein verbreitet in
späterer Zeil die Ansicht von der einstigen Herrschaft des Kronos auf Sici-
iien war.
Aber sein Reich hatte bald ein Ende. In historischer Zeit wusste man
wohl , dass er einstmals in Siciiien regiert habe , aber man verehrte ihn wenig
mehr. Seine Tochter Demeter hatte seine Stelle eingenommen , und an ihren
Namen knüpfen sich die bekanntesten Sagen der Insel.
Es heisst, dass die Göttin mit Hephaistos um den Besitz Siciliens stritt,
und dass in diesem Wettstreit die Nymphe Aetna Richterin war. Wie sie ge-
urtheilt hat , ist nicht überliefert. Sie mag eine Tbeüung der Herrschaft vor-
genommen haben, wenigstens hat keiner von Beiden, weder der Gott des Feuers,
noch die Beherrscherin der fruchtbaren Erde, je die Ansprüche auf Siciiien auf-
gegeben. Die Sicilier selbst scheinen , wie billig, der wohlthätigen Göttin den
Vorzug eingeräumt %u haben. Sie waren stolz darauf, dass ihre Insel die Ueimat
des Kornes sei , und'dass hier zuerst Demeter die Menschen seinen Anbau ge-
lehrt habe.
44 Erstes Buch. III. Sagen.
Durch Demeter war aber auch ihre Tochter Köre oder Persephone in Sici-
lien heimisch. Hier spielte Köre mit den beiden andern jungfräulichen Göttinnen
Athene und Artemis, und jede von ihnen hatte sich einen Lieblingsorl gewählt.
Athene hielt sich gern an der NordkUste in der Gegend von Ilimera auf, wo
durch oder für sie die berühmten warmen Quellen entstanden ; Artemis zog die
Insel Ortygia vor, wo die Nymphen ihr zur Freude die Arethusa schufen ; Köre
endlich verweilte am liebsten im Mittelpunkte der Insel , bei Enna. Auf den
Wiesen um diese Stadt wuchsen Veilchen und andere Blumen so üppig, dass
über den starken Duft derselben Jagdhunde die Spur des Wildes verloren. Hier
lustwandelte Köre und pflückte Blumen, um aus ihnen , wie die Sage sich aus-
drückt, ihrem Vater Zeus ein Gewand zu machen. Einst war sie in dem dichten
Walde , der den See Pergus mit seinem Schatten umgab , als plötzlich Pluton,
der sie bemerkt und bewundert hatte , aus einer tiefen , nach Norden sich öff-
nenden Höhle, einem Eingange der Unterwelt, hervorbrach und Köre trotz ihres
Sträubens auf seinem Gespanne entführte. Er eilte mit ihr über die Insel nach
Syrakus hin, wo sich ihm die Nymphe Kyane entgegenstellte und ihn beschwor,
Köre freizulassen. Umsonst, Kyane wurde in eine Quelle verwandelt, und Pluton
verschwand mit seiner Beute in die Erde. Die trauernde Mutter zündete am
Aetna die Fackel an, um die Verlorene überall auf der Erde zu suchen , die sie
für den Verlust ihrer Tochter mit Unfruchtbarkeit bestrafte. Und als Köre nicht
wieder dauernd zu ihr zurückkehren konnte, da sie schon von dem Granatapfel
in der Unterwelt genossen hatte und so die Göttin des Hades geworden war,
da gab ihr Zeus die Insel Sicilien als Hochzeitsgeschenk. Die beiden Gewässer,
an die sich diese Sage knüpft, sind noch vorhanden und wohlbekannt. Der See
Pergus liegt 5 Millien südlich von Enna; sein Umfang beträgt 4,— 5Millien; der
dichte Wald aber, der ihn einst umgab, ist verschwunden , und von der Grotte
an seiner Südseite, aus der Pluton hervorbrach, sind wenig Spurenr noch übrig.
Die meisten Reisenden sind enttäuscht , wenn sie den sagenberühmten Ort er-
blicken, der nicht mehr den Blumente{^pich zeigt, welcher Köre einst entzückte.
Der Quell Kyane, der jetzt den Namen Pisma führt, ist ein schönes rundes
Becken von etwa 30 Fuss Umfang in der sumpfigen Gegend südlich vom Ana-
pos , etwa S Millien vom grossen Hafen. Das fast 30 Fuss tiefe Wasser ist so
klar, dass man die Fische auf dem Grunde zv^schen den Steinen spielen sieht.
Es ergiesst sich in einem schmalen und hellen Bache , der, dicht mit Papyrus-
stauden auf seinem 2 Millien langen Laufe besetzt , dem Boote des Besuchers
nur langsam vorzurücken gestattet, in den Anapos.
Es ist klar, dass der Raub der Proserpina, den die Sage mit verschiedenen
Orten verknüpft hat, in kein passenderes Land verlegt werden konnte, als ge-
rade nach Sicilien. Wenn diese Sage auch ursprünglich weiter nichts zu be-
deuten hatte, als das Bergen der Saat in die Erde, so muss doch als Schauplatz
der mythischen Handlung das Land besonders geeignet erscheinen, welches so
oft und so vielfach die Macht der Unterwelt erfahren hat.
Nach einer völlig abweichenden Sage wurde Köre auf Sicilien durch Zeus
die Mutter des Dionysos, aber eines älteren als des thebanischen , eines Gottes,
der bald wieder den Tod erlitt.
An Hephaistos, dessen Herrschaft besonders der Aetna und die Liparischen
Aetna. Herakles. 45
Inseln untergeben sind, knüpft sich die eigenthümKche Sage von den^Paliken.
Diese waren Genien gewisser vulkanischer Seen südlich vom Symaithos, Kinder
des Hephaistos und der Aetna , nach andern des Zeus und der Nymphe Thalia,
nach einem dritten Berichte endlich des Hadranos , eines nur in Sicilien vor-
kommenden Gottes, der, wie wir später sehen werden, den Charakter des Ares
mit dem des Hephaistos vereinigt. Von den Pauken wird bald ausführlicher die
Rede sein.
lieber die Abstammung der Nymphe Aetna selbst war man nicht einig.
Während Einige sie für eine Tochter des Uranos und der Erde erklärten, war sie
nach Andern die Tochter des Briareus, eines Ryklopen, der wiederum als Aigaion,
mit dem er für identisch galt, als einer der von den Göttern besiegten Giganten
selbst unter dem Berge Aetna liegen sollte. Als Sohn der Aetna aber und des
Hymaros, eines durchaus unbekannten Wesens, vdrd Gelon bezeichnet, der für
den mythischen Repräsentanten des Flusses und der Stadt Gela gelten mussj
Während nun so gewöhnlich der ungeheure feuerspeiende Berg als Weib
personificirt wird , muss er doch auch als riesiger Mann gedacht worden seio ;
wenigstens erscheint er so auf einem Vasenbilde.
Zeus, der, wie wir früher gesehen haben , auch auf dem Aetna herrschte
und als Gott des Berges verehrt wurde , greift unmittelbar in die Sagen der
Insel nur wenig ein. Sein und der Asterope, einer Okeanide, Sohn soll Akragas
gewesen sein ; es giebt aber auch anderswo als in Sicilien Städte dieses Namens,
und so ist es nicht ganz sicher, ob diese Sage eine sicilische ist.
\on andern Gottheiten tritt ausser Hermes, welcher der Vater des Daphnis
ist, noch Aphrodite in der mythischen Geschichte Siciiiens auf. Sie thront als
UeiTScherin auf dem Berge Eryx ; sie nimmt sich des von den Sirenen verlockten
Argonauten Butes an, und wird von ihm, oder nach Anderen von Poseidon, die
Mutter des Eryx. Mit diesem Namen werden wir von der Göttergeschichte,
welche in Sicilien eben nicht von besonderem Reichthum , wenngleich keines-
wegs ohne dichterischen Reiz ist, in die Geschichte der Heroen hinübergeleitet.
Nachdem Herakles die Rinder des Geryoneus gewonnen hatte , zog er mit
ihnen durch Iberien, Gallien, Italien an die Meerenge von Rhegion. Als er hier
an der Grenze des rheginischen und lokrischen Gebietes ausruhte, fielen ihm
die Gicaden mit ihrem Geschmetter lästig, und er that den Wunsch, dass sie
verstummen möchten; die Götter erfüllten sein Begehren, und die Gicaden
dieser Gegend waren seitdem stumm. Nun trieb er seine Rinder durch die
Heerenge und schwamm selbst, sich am Home eines Stieres festhaltend, hin-
über, nach Anderen nahm ihn dagegen ein Becher, der Becher der Sonne, statt
eines Nachens auf. Er umwanderte die Insel. Zuerst zog er an der Nordküste
entlang, wo die Nymphen zu seiner Erquickung die Thermen von Himera und
Segesta schufen. Es ist wie in Griechenland , wo auch überall die warmen
Quellen dem Herakles heilig waren. Die von Himera sollen nach einer andern,
oben mitgetheilten Sage für Athene geschaffen sein ; ab6r Athene ist die Be-
schützerin des Herakles , und so ist kein innerer Widerspruch zwischen diesen
Angaben. Im Westen der Insel forderte ihn der König Eryx zum Ringkampfe
heraus. Wie nun dieser sein Land als Preis des Kampfes einsetzte, setzte Hera-
kles die Rinder dagegen, die Eryx anfangs nicht als einen entsprechenden Preis
46 Erstes Buch. III. Sagen.
anerkennen wollte, bis ihm der Sohn des Zeus sagte , dass er mit den Rindern
ja auch die Hoffnung auf die Unsterblichkeit verlieren würde. So rangen sie
denn , und Eryx wurde ül)erwunden. Herakles konnte nun das Land des Be-
siegten in Besitz nehmen , aber er liess den Bewohnern ihre Freiheit unter der
Bedingung} dass, wenn später einer seiner Nachkommen zu ihnen kiäiroe, sie ihn
als ihren ;K<$nig anerkennen sollten. Wir werden von den Schicksalen des Hera-
kliden Dorieus hören , der nach vielen Jahrhunderten den Lohn für die Thaten
seines grossen Ahnherrn einernten wollte. Hier ist also Eryx efn gewaltthätiger
Feind der Fremdlinge , die er im Ringkampfe zu besiegen und dann zu tödten
pflegt, wie solche Gestalten mehrfach in der griechischen Sage vorkommen.
-Nach einer etwas abweichenden Ueberlieferung raubt er dagegen , dem römi-
schen Gacus ähnlich, eines der Rinder, das bei Rhegion dem Herakles entlaufen
ist und die Meerenge durchschwömmen hat, worauf Herakles seine Heerde dem
Hephaistos zur Obhut anvertraut, dem Rinde nacheilt, es von Eryx zurück-
fordert, und als dieser es nur als Preis eines Ringkampfes zurückgeben will,
ihn dreimal überwindet und dann tödtet. Hier ist es ein Weib, Namens Hotye,
das ihm den Räuber seines Eigenthums nachweist. Ausser dem Eryx erscheint
noch Solus auf Sicilien als ein Peiniger der Fremden, den Herakles tödtete.
Später wollte man wissen , dass unterhalb des Eryx eine unfruchtbare Ebene
sei, drei Joch umfassend, wo Herakles und Eryx gekämpft hätten. Jetzt nennt
man die Gegend zwischen dem M. San Giuliano und dem südlich davon gelege-
nen Orte Paceco, Campo d^Ercole ; es ist ein Landstrich , der Korn , Wein und
Oel im üeberfluss hervorbringt. Psophis, des Eryx Tochter, folgte .dem Hera-
kles , der sie später in der Arkadischen Stadt Phegia zurückliess, wo sie den
Echephron und Promachos gebar.
Auf seinen weitem Zügen kam der Heros nach Syrakus, und als er hier
erfuhr , was sich an der Kyane mit der Köre zugetragen hatte , brachte er ihr
und der Demeter ein feierliches Opfer und versenkte den schönsten seiner
Stiere in die Quelle ; den Einwohnern aber g^bot er, jährlich ein ähnliches Fest
an demselben Orte zu feiern. Wie er nun von da in das Innere der Insel zosi,
stellten sich ihm grosse Heerschaaren von Sikanem entgegen ; er überwand sie
und tödtete auch viele von den Anführern , deren Namen bei Diodor Leukaspis
Pediakrates, Buphonas, Glychatas, Bytaias und Krytidas sind. Es waren ein-
heimische Heroen , von denen die beiden erstgenannten auch sonst noch als
Gestalten der siciliscben Sage erscheinen.
Nun wanderte Herakles über die Leontinische Ebene, deren Fruchtbarkeit
seine Bewunderung erregte , weiter nach Norden , und gelangte in die Stadt
Agyrion, wo er zum ersten Male in seinem Leben einwilligte, dass ihm göttliche
Ehren erwiesen wurden. Als Zeichen , dass er schon anfangen dürfe , sich zu
den Unsterblichen zu rechnen, betrachtete er das Wunder, dass seine und seiner
Rinder Spuren sich im harten Felsen abgedrückt hatten. Zu gleicher Zeit richtete
er aber in Agyrion einen Tempelbezirk für den Kultus des Geryoneus ein , und
gebot den Einwohnern, auch seinen treuen Begleiter lolaos zu verehren, dem zu
Ehren dann alle jungen Agyrinäer ihr Haar wachsen Hessen, bis sie sich durch
gewisse Opfer von dieser Yerpilichtung befreit hatten; wer dies versäumte, verlor
die Stimme. Ausser der allgemeinen Feier des Gottes war noch eine besondere für
Herakles. Datdalo». 47
die Sclaven eingerichlet. Von den Erinnerungen an Herakles, auf welche Agy-
rion stolz war, wird später noch die Rede sein; riesige Fussspuren des Heros
kommen sonst noch mehrfach vor.
So vollendete Herakles seinen Rundgang um die Insel.
Diese Sage soll die in Sicilien vorhandenen äusserst zahlreichen Kulte des
Heros mit einander in Verbindung setzen und in ihrer Entstehung nachweisen.
Sie ist aber selbst offenbar ein Gemisch von Ueberlieferungen verschiedenartigen
Charakters. Denn wenn Herakles mit dem Eryx kämpft, so ist er ein Anderer,
als wenn er die in Schlachtordnung aufgestellten Sikaner überwindet. In jenem
Kampfe ist er der griechische Heros, der die Welt von Missethätern säubert ; in
diesem der semitische Gott, der in den Westländem des Mittelmeeres Eroberun-
gen macht, wenn wir nicht einfach in den Heeren, welche den von Herakles
besiegten einheimischen Heroen beigegeben werden, willktlrliche Umgestaltungen
der Sage in euhemeristischer Art sehen wollen.
Ganz vereinzelt steht die Sage da, dass Herakles sich, statt auf dem Oeta.
auf dem Aetna getödtet haben sollte; — allerdings ein Scheiterhaufen, der des
Gottes würdig war 1
Während die Heraklessage sich besonders an die Noixl- und Oslktlste Sici-
liens knüpft, und die Südküsle fast unberührt lässt, ist diese der Schauplatz
einer andern Sage, der von Daidalos und Kokalos geworden.
Als Daidalos sich den Zorn des Minos zugezogen hatte , entfloh er heimlich
aus Kreta, nach Einigen zu Schiffe, nach Andern, da alle Schiffe von dem Könige
mit Beschlag belegt waren, indem er sich und seinem Sohne Ikaros Flügel mit
Wachs anfügte. Während der Knabe nun im Uebermuth sich hoch aufschwang
und so seinen Tod herbeiführte, streifte Daidalos vorsichtig die Meeresfläche, in
die er von Zeit zu Zeit die Flügel tauchte. So kam er nach Sicilien zum Könige
Kokalos , der über die Sikaner herrschte , und fand bei ihm freundliche Auf-
nahme, die er durch mehrere auf der Insel ausgeführte und zu Diodor's Zeit
noch sichtbare Werke lohnte. So fasste er den Fluss Alabon im spätem megari-
schen Gebiete durch steinerne Mauern ein und machte auf diese Weise aus
ihm ein grosses Reservoir. Er machte femer den Aufgang zur Burg Kamikos so
schmal und gewunden, dass er durch drei oder vier Männer vertheidigt werden
konnte, weshalb Kokalos sie zu seinem Wohnsitz und zu seiner Schatzkammer
erwählte — Diodor, der dies Alles erzählt, sagt nicht, wo Kokalos früher gewohnt
hat. — Sodann legte er im selinuntischen Gebiete eine Grotte an , in welcher
der aus der Erde hervordringende heisse Dampf zu Schwitzbädern für Kranke
benutzt wurde, eine Anlage, die sich durch die geringe Beschwerlichkeit aus-
zeichnete, welche sie den Badenden bereitete. Auf dem Berge Eryx erweiterte
er durch eine kühn gezogene Mauer die Grundfläche, auf der die Baulichkeiten
des Aphroditetempels standen , und verfertigte als Weihgeschenk für die Göttin
eine naturgetreue Wacbsscheibe von< Gold. Ausser diesen Werken , die^ mit
Ausnahme des letzten , den Daidalos mehr als Architekten , denn als Bildner
zeigen, wird noch in der Stadt Omphake eine Bildsäule erwähnt, die von ihm
herrühren sollte. Wir werden an einer andern Stelle zu betrachten haben , ob
nicht vielleicht von einem oder dem andern Werke , welche Diodor dem Dai-
dalos zuschreibt, noch Spuren vorhanden sein könnten.
48 Erstes Buch. III. Sagen.
Inzwischen rüstete Minos, der zur See mächtig war, eine grosse Flotte aus
und verfolgte den Flüchtling nach Sicilien. Hier landete er bei dem spätem
Herakleia Minoa , — so nach dem kretischen KOoige benannt , — dem früheren
Makara , und sandte Bolen an Kokalos , welche die Auslieferung seines Feindes
forderten. Kokalos versprach Alles, was verlangt wurde, und bat Minos, sich
zum fiehufe einer Unterredung zu ihm zu begeben. Aber in dem warmen Bade,
das er ihm durch seine Tochter bereitete, Hess er ihn einsticken und gab den
Kretern die Leiche ihres Königs mit der Versicherung zurück , dass er durch
seine eigene Unvorsichtigkeit den Tod gefunden habe. Die Kreter errichteten
dem Minos ein prachtiges, aus zwei Theilen bestehendes Grab: der untere
Raum enthielt die Leiche, der obere, allein sichtbare, einen Tempel der Aphro-
dite, der von den Umwohnern Opfer gebracht wurden, während man allmählich
vergaäs, dass darunter die Gebeine des Minos inihten. Viel später, erst zur Zeit,
als Theron in Akragas regierte , fand man die Ueberreste des kretischen Königs
wieder, und gab sie seinen Landsleuten zurück.
Nach dem Tode des Minos hatten die Sikaner die kretischen Schiffe ver-
brannt ; so waren die Kreter gezwungen , in dem fremden Lande zu bleiben.
Sie trennten sich : einige Hessen sich in der schon erwähnten Stadt nieder, die
den Namen Minoa emp6ng ; die andern zogen in das Innere und gründeten an
einem festen Punkte neben einer Quelle die Stadt £ngyon, in der sie später
andern Kretern ein Obdach gewährten, den Gefährten des Meriones, die auf
der Rückkehr von Troja nach Sicilien verschlagen waren. Durch glückliche
Kämpfe mit den Nachbarn dehnten sie ihr Gebiet aus, und bereiteten ihrer
Stadt einen grossen Namen durch den von ihnen gehegten Kult der Mütter,
dunkler Gottheiten , die in Kreta als Ernährerinnen des jungen Zeus heimisch
waren.
In der Heimath des Minos war man nicht unthätig geblieben, als die Nach-
richt von dem Tode des berühmten Herrschers angelangt war. Alle Stämme
der Insel mit Ausnahme der Polichniten und Praisier bewaffneten sich ; man
fuhr nach Siciüen und griff Kamikos an. Aber nach fünfjährigem vergeblichem
Kampfe blieb den Belagerern, unter denen Hungersnoth ausbrach, 'nichts übrig,
als die Schiffe zu besteigen und die Insel wieder zu verlassen. Ihr Vaterland
sahen sie jedoch nicht wieder. Ein Sturm trieb sie an die Küste von lapygien,
wo sie Hyria gründeten und die Stammväter des Volkes der Messapier wurden.
Diese Sage enthält einzelne Züge , welche auch anderswo, wenngleich mit
einigen Modificationen, vorkommen. So ist die Flucht des Daidalos nichts als die
gebräuchliche Erklärungsweise seiner Anwesenheit an einem fremden Orte —
auch nach Kreta ist er auf der Flucht gekommen , und Niemand reiste in jener
Zeit zu seinem Vergnügen — so erinnert der Tod des Minos durch seinen Gast-
freund Kokalos an die in manchen orientalischen t}egenden herkömmlichen
Fremdenopfer ; so ist endlich schon eine gevsisse Beziehung dieser Sage zu der
in derselben Gegend in späterer Zeit spielenden vom Stiere des Phalaris unver-
kennbar , da die Analogie zwischen dem Verbrennen im glühenden Stier und
dem Ersticken im heissen Bade in die Augen springt. Gewisse Aehnlichkeiten
des Zuges des Dorieus mit dem des Minos werden wir später sehen. Es mag noch
lolaos. Aristaios. Egesta. 49
bemerkt werden , dass man bei dem Grabe des Halbgottes Hinos unwillkürlich
an die Gräber des Kronos erinnert wird.
Als lolaos , der Begleiter des Herakies , mit den Tl^espiaden , den Söhnen
seines Freundes, die Insel Sardinien erobert hatte — so berichtet die Sage, die
uns ein neues Stttck der mythischen Geschichte Siciliens enthüllt — da machte
er «ie aus einer Wildniss zu einem wohl angebauten Lande und holte aus Sicilien
den I>aidalos, der auf Sardinien viele Bauwerke errichtete, welche noch zu
Diodor's Zeiten bestanden mid nach ihrem Erbauer benannt wurden. Dann
kehrte er selbst wieder nach Griechenland zurück und berührte bei dieser Ge-
legenheit von Neuem Sicilien,^ wo er einige Zeit verweilte. Von seinen Gefährten
aber Hessen sich mehrere, von der Schönheit des Landes gefesselt, ganz in
Sicilien nieder , wohnten unter den Sikanem und erfreuten sich grosser Ehre
von ihnen.
Eine ähnliche Rolle wie lolaos spielt Aristaios , der Sohn des ApoHon und
der K}Tene , der ausser der Insel Keos , die ihn besonders verehrte , Sardinien
und dann auch Sicilien sich zum Schauplatz seiner friedlichen Thätigkeit aus-
ersehen hatte. Von der Fruchtbarkeit der Insel angezogen, lehrte er ihre Be-
wohner seine landwirthschaftiichen Künste, weshalb er als Gott von ihnen ver-
ehrt wuixle, und besonders, wie Diodor hinzufügt, von denen, welche sich mit
dem Einernten der Oliven] beschäftigten. Aristaios ist der gute Gott, der die
Menschen gegen die schlimmen Einflüsse der heissen Uundstage beschützt.
Sicilien musste auch von den ISagen berührt werden , die sich auf das ge-
waltigste Ereigniss der mythischen Geschichte Griechenlands, auf den trojani-
schen Krieg, beziehen. Sollte es doch von Troja , als diese Stadt noch blühte,
eine Colonie empfangen haben, deren Geschichte in folgender Weise erzählt
wird. Als der König Laomedon dem Apollon und dem Poseidon den verspro-
chenen Lohn für den Bau der Stadtmauern nicht zahlen wollte, da schickte
dieser ein Seeungeheuer, welches das Land verwüstete, und Apollon befahl,
ihm eine Jungfrau als Beute vorzuwerfen : dann würde der Gott versöhnt sein.
Laomedon bradite seine eigene Tochter Hesione als Opfer dar; manche an-
dere Trojaner aber, welche fürchteten, dass auch von ihnen Aehnliches ver-
langt werden möchte , suchten ihre Kinder in Sicherheit zu bringen ; so Hip-
potes, der seine Tochter Egesta nach Sicilien schickte. Nach einem etwas
abweichenden Bericht war Egesta dagegen die Tochter des Trojaners Phoino-
damas, der besonders dazu gerathen hatte, Hesione zum Opfer zu wählen,
und den der erzürnte Laomedon dadurch strafte, dass er die Jungfrau SchiiTem
mitgab, um sie auszusetzen. Als nun Egesta nach Sicilien gekommen war, er-
blickte sie der Flussgotl Krimisos, der die Gestalt eines Bären oder eines Hundes
angenommen hatte, und sie gebär ihm den Akestes , welcher König der West-
spitze Siciliens wurde. Nach der rationalistischen Auffassung Spaterer wäre
freilich der Vater des Akestes nicht ein Flussgott, sondern einfach einer der
trojanischen Reisegefährten der Egesta gewesen. Später ging Akestes nach
Troja und half die Stadt gegen die Griechen vertheidigen ; als er nach ihrem
Falle mit drei Schiffen nach Sicilien zurückkehrte, nahm er einen Sohn des
Anchises, Eiymos, mit sich, nach welchem dann das Volk des Akestes den
Namen Elymer erhielt. Nach Anderen dagegen wäre Elyraos in Sicilien selbst
Holm, Gesch. Sicilien«. I. 4
50 Erstes Buch. III. Sagen.
geboren und ein Bruder des Eryx , also offenbar ein Sohn der Aphrodite. Die
Gattin des Akestes hiess Atalla. Vom Akestes stammen die di*ei ely mischen
Städte her , obwohl nach anderen UeberUeferungen erst Aeneas die wichtigste
derselben gründete.
Ich muss, bevor ich von dem Aufenthalte dieses trojanischen Helden auf
Siciiien rede, zuerst von den Fahrten des Odysseus sprechen, da die homerische
Erzählung derselben das Muster gewesen ist, nach welchem man die Sagen von
Aeneas gebildet hat.
Die Irrfahrten des Helden von Ithaka sind erst von einer späteren Zeit mit
der Insel Siciiien in Verbindung gebracht worden.^ Man beachtete nicht , dass
Homer unklare Nachrichten über die Wesüänder mit Göttersagen und mähr-
chenhaften Zügen allgemeineren Charakters zu einem schönen Ganzen verwoben
hat, und glaubte, weil Siciiien das merkwürdigste und schönste der Westländer
war und überdies Einzelnes aus den Homerischen Erzählungen sich bequem
auf Siciiien und seine Nachbarschaft deuten Hess, in die Odysseus doch jeden-
falls bei seiner Fahrt in den Westen gekommen sein musste , das Meiste auf
unsere Insel selbst beziehen zu dürfen.
Nachdem Odysseus bei den Kikonen an der thrakischen Küste verweilt
hatte, ward er nach längerer Fahrt vom Vorgebirge Malea , das gewissermassen
die Westgrenze der wirklichen Welt bezeichnet , zu den Lotophagen getrieben,
die die gewöhnliche Ueberlieferung auf der Insel Meninx an der kleinen Syrte
fand. Einige jedoch nach Siciiien in die G^end von Akragas oder von Kamarina
versetzten. Hierauf kommt er zu den Kyklopen, welche das Alterthum mit
seltener Uebereinstimmung in Siciiien suchte. Diese übermüthigen, einäugigen
Riesen wohnen einzeln im Gebirge in Höhlen, von Heerden umgeben; sie achten
weder Recht noch Gastfreundsdiaft und fürchten die Götter nicht. Die Schiffe
des Odysseus legen an einer kleinen waldigen Insel vor dem Kyklopenlande an,
die von wilden Ziegen bevölkert ist. Elf Schiffe lässt der Held hier; mit dem
zwölften, seinem eigenen, fährt er nach dem Lande hinüber, bringt es in einer
Uferhöhle in Sicherheit und geht mit zwölf auserlesenen Gefährten nach der
Grotte des Polyphem, der ein Sohn des Poseidon und der Phorkystochter Thoosa
ist. Alle haben im Homer gelesen , wie Polyphem die Gefährten des Odysseus
frisst, wie dieser ihn blendet und, an einen Widder sich klammernd, entkommt,
und wie Polyphem zweimal riesige Felsstücke nach ihm in^s hochaufbrausende
Meer schleudert.
«
Das Alterthum war überzeugt, dass der Schauplatz dieser Begebenheiten
die Ostküste Siciüens und speciell die Gegend am Fusse des Aetna gewesen sei.
Dachte man doch bei den Homerischen Kyklopen unwillkürlich an jene andern,
die der Theogonie, die titanischen Götter der Blitze, Brontes, Steropes und
Arges, die ihr Vater Uranos, nachdem sie kaum geboren waren, in den mütter-
lichen Schooss der Erde zurückstiess , und weiter an die Giganten , die unter
dem Aetna, wie unter andern feuerspeienden Bergen lagen, und brachte so die
Kyklopen in Verbindung mit dem Aetna, wo sie dann dem Hephaistos in seiner
unterirdischen Werkstatt behülflich sein konnten. Aber abgesehen von einei'
solchen Gedankenverbindung , die von dem Namen Kyklopen mit Leichtigkeit
zum Aetna hinüberführte , passte das einfache Hirtenleben der sonst so wilden
Odysseus. 51
Genossen Polyphem's vortrefflich zu den heerdenreichen AbhHngen des riesigen
sicilischen Vulkans, und man halle nichl nölhig, sich viel um die Beanlwor-
tuDg von Nebenfragen zu kümmern , wie z. B. wo denn das kleine Eiiand sei,
an dem Odysseus elf seiner Schiffe liess. Denn Orlygia, die einzige bedeulende
Insel an der Oslküste Siciliens, konnte doch kaum für die von Homer gemeinte
gehalten werden , wenigstens nicht , wenn diejenigen Recht halten , die unmit-
telbar am Pusse des Aetna die Felsen der Kyklopen und den Hafen des Odys-
seus kannten. Die Annahme der Letzteren beruht namentlich auf der Schilde-
rung Vergirs, der den sichern Hafen im Kyklopenlande , denselben, wie es
scheint, welchen Homer an der Ziegeninsel kennt, in die nächste Nähe des don-
nernden Aetna versetzt. Es ist schon oben bemerkt worden , dass man ihn in
der kleinen Bucht von Lognina, nördlich von Catania, wiederfindet. Noch etwas
weiter nach Norden, dem Vorgebirge Trezza, südlich vom Cap Molini, gegen-
über , ragen ausser einigen Klippen vier kleine Inseln aus dem Meere hervor,
von denen die der Küste zunächst liegende, grösste, welche etwa Y2 Millie im
Umfang hat und Isola della Trezza heisst , nur niedrig ist , während die drei
übrigen, die man Faraglioni nennt, sich in Form von abgestumpften Kegeln mit
fast senkrechten Wänden hoch'aus den Fluten erheben. Es sind Basaltfelsen,
aus prächtigen , dunklen Pfeilern aufgebaut , die mit ihrer theilweise von den
Wellen ausgewaschenen Oberfläche einen höchst eigen thüiKf liehen Anblick ge-
währen. Plinius spricht hier von den drei Felsen der Kyklopen, das wären die
drei Faraglioni. Wenn der Name, den die Alten ihnen beilegten, sich dadurch
erklären soll , dass es die Felsstücke waren , welche Polyphem dem Odysseus
nachschleuderte, so hat man sich augenscheinlich nicht darum gekümmert, dass
der Homerische Kyklop seinem Feinde nur zweimal einen Felsen nachwirft.
Die grOsste, dem Lande nächste Insel würde sehr wohl für Einen, der durchaus
den Fuss des Aetna als den Wohnsitz d^r Kyklopen nachweisen w^ollte, die
Ziegeninsel Homer's vorstellen können. «
Von den Kyklopen gelangt Odysseus zum Aiolos, dem Sohne des Hippotes,
der auf einer schwimmenden Insel wohnt, welche von einer ehernen Mauer und
glatt aufsteigenden Felsen umgeben ist. Seine 6 Söhne und 6 Töchter führen
ein üppiges Leben ; er selbst aber ist von Zeus zum Beherrscher der Winde
eingesetzt und giebt bekanntlich dem Odysseus einen Schlauch mit, in dem die
Winde eingeschlossen sind, und der ihn sicher nach Ithaka geführt hätte, wenn
er nicht von den neugierigen und habsüchtigen Geführten geöffnet wäre. Die
Insel des Aiolos wurde von den Alten für eine der Liparen erklärt , obgleich in
der Beschreibung- derselben nichts vorkommt, was dazu Veranlassung geben
kann , da die Deutung der Herrschaft des Königs über die Winde auf die Wet-
terprophezeiungen aus dem Zustande der Liparischen Vulkane eine allzu ge-
zwungene ist. Da indess noch der Umstand hinzukam, dass der Gründer der
griechischen Golonie auf Lipara, Pentathlos, von einem Hippotes, freilich einem
Nachkommen des Herakles abstammen wollte, so befestigte sich die Meinung
immer mehr, dass Aiolos, der Sohn des Hippotes, auf den nach ihm benannten
Inseln geherrscht habe ; und weil dieser Aiolos nicht derselbe sein konnte , wie
der Stammvater der Aiolier, der Sohn des Hellen, so musste er wenigs^ns Von
ihm abstammen, wobei denn Einige sich mit einem zweiten Aiolos, eben dem Hip-
52 Erstes Buch. ÜI. Sageu.
potessohne, begnügten, während Andre sogar einen dritten ersannen, derein
Sohn des Poseidon und der Arne und ein Binder des Boiotos war und in Meta-
pont geboren wurde. Aiolos wanderte aus und kam nach den im tyrrhenlschen
Meere gelegenen Inseln , auf denen Liparos herrschte, des italischen Königs
Auson Sohn , der wegen eines Streites mit seinen Brüdern dahin gefehr^i war
und die Stadt Lipara gegründet hatte. Er heiratfaete die Kyane , des Liparos
Tochter, und beherrschte anfange gemeinschaftlich mit seinem Sdiwiegervaier
die Inseln; dann, als dieser in seinem Alter nach Italien zurttdLzukehren
wünsdite, verschafifte er ihm die Herrschaft über die Gegend von Sorrent, wo
er starb und später als Heros verehrt wurde ; er selbst aber regierte von nun
an allein über die jetzt nach ihm benannten Inseln. Dies war der gastfreund-
liche Fürst, zu welchem Od ysseus gelangte, ein Freund derCrÖtter, Erfinder
des Segels , und im Besitz der Fähigkeit, aus dem Feuer des Berges die Witte-
rung vorherzusagen. Aiolos hinterliess 6 Söhne — die Homerische Zahl — ,
welche ihre Herrschaft über Sidlien und einen Theii von Italien ausbreiteten,
und denen Sikaner wie Kkeler gehorchten. Von ihnen übernahm lokastos die
süditalische Küste , Astyochos die Inseln ; die vier tlbrigen theilten sich in
Sicilien oder wenigstens in den grössten Theil desselben so , dass Xuthos die
Gegend von Leontini, wo auch eine Stadt Xuthia lag, Agathymos die der Stadt
Agathyrnon , Pheraimon den östlichen und Androkles den westlichen Theil der
Nordküste erhielten. Dass Pheraimon noch in späterer Zeit in Messana verehrt
wurde, wissen wir durch Münzen dieser Stadt. Nach andern Sagen hat vielmehr
lokastos Sicilien erhalten, das Poseidon ihm zu Liebe zu einer Insel machte.
Es ist hier nicht zu verkennen, dass Hippotes und Poseidon eigentlich
identisch sind. Die Beziehungen auf den Namen des Bosses sind bei Allem, was
mit dem Meeresgotte in Verbindung steht, sehr hftufig, und so erklärt sidi,
weshalb Aiolos bald ein Sohn des Itippotes, bald des Poseidon genannt wird.
Sollte die Yermuthung allzu gewagt sein, dass auch der Hippotes, welcher uns
in der Sage von Akestes beg^net, n^ir Poseidon selbst ist ^ Es kann kein Binder-
niss dieser Annahme sein, dass Poseidon scheinbar die Egesta verfolgt, die dann
eigentlich seine Tochter wäre , und die ja auch in Sicilien keineswegs ein un-
glückliches Loos hat.
Wir kehren jetzt zum Helden von Ithaka zurück.
Als er durch die Thorheit seiner Gefährten wieder zurückgetrieben ist und
Aiolos ihm nicht zum zweiten Male helfen will , kommt er zur Küste der Lai-
strygonen und zur Stadt des Lamos, wo Menschenfresser wohnen , die ihm alle
seine Schiffe zerstören. Es gab im Alterthum Manche, die, wie Thukydides es
der Mühe werth gehalten hat, zu bemwken, annahmen, dass die Laistrygonen
ebenso wie die Kyklopen auf Sicilien gewohnt hätten. Ihr Gebiet war dann die
Gegend von Leontini, und diese Ansicht wurde so gewöhnlich, dass Plinius in
seiner sehr kurzen Beschreibung der Insel die Leontinische Ebene mit dem Na-
men Lästrygonische Gefilde belegt. Weshalb es gerade diese Gegend sein sollte,
dafür wird nur die Stelle Homer's von dem doppelten Lohne, den ein Hirte, der
nie schliefe, gewinnen könnte, indem er abwechselnd Schafe und Rinder wei-
dete, angeführt, eine Stelle, die deswegen auf die leontinischen Gefilde zu passen
schien, weil hier wegen der lästigen Stechfliegen die Rinder nur Nachts auf der
Odysseys. •, .53
Wade sein konnten. Ob man dann den von Felswänden eingeschlossenen Hafen,
wo die elf Schiffe des Odysseus zu Grunde gingen , in der oben geschilderten
Mtlndung des Pantagias, des heutigen Porcari, wiederfand ? Man wusste weiter,
das8 schon Herakies die Laistrygonen bekämpft habe — man gab also den sikani-
sehen Schaaren, die er m dieser Gegend besiegt haben soll, einen wohlbekannten
Namen. Bagegen waren die Römer sonst gewöhnlich der Meinung, die Laistry-
gonen hätten in F(Miniae an Italiens Kttste gewohnt.
Nach dem Aufenthalt auf der Sonneninsel Aiaia bei der Zauberin Kirke —
nach der herrschenden Annahme dem waldigen Vorgebirge Kirkaion an Italiens
Westküste — und der Fahrt in die Unterwelt kam Odysseus bei der Insel der
Sirenen vorbei, welche man gewöhnlich für die Sirenusen südöstlich vom Miner <-
venvorgebirge unfern der Stadt Neapolis, die ihren Namen Parthenope von einer
dort begrabenen Sirene führen sollte , seltener für die niedrige Landspitze Pe-
loris hielt.
Bei der weitem Fahrt konnte der Held entweder den Irrfelsen — Planktai -—
sich nähern , bei denen jedoch nur das Schiff Argo unverletzt vorbeigefahren
war, oder zwischen l^ylla und Charybdis hindurch zu gelangen suchen. Ob
der «verzehrende Feueroikan« und der Rauch jener auf einer dunkeln Kenntniss
von den Liparischen Vulkanen beruht, muss dahingestellt bleiben. Die Skylla
war schon von der Kirke ausführlich dem Odysseus geschildert worden : ein an
den Himmel ragender Felsen, den rings Gewölk umwallet,
Dunkelblan, das nimmer hinwegzieht, nie. auch erhellt ihm
Heiterer Glanz den Gipfel, im Sommer nicht» oder im Herbste,
Aach nicht süege hinanf ein Sterblicher oder herunter
Denn das Gestein ist glatt, dem rings behauenen öhniich.
Mitten im Fels ist eine dunkle Höhle , in welcher Skylla wohnt , das bellende
Scheusal , »deren Stimme so hell , wie des neugeborenen Hündleins « , die mit
sechs Köpfen nach Seewild haschte Aber niedriger ist der andere Felsen, einen
Bogenschuss von j^iem entfernt. Dort schlurft unter einem Feigenbaum Cha-
r^-bdis das dunkele Gewässer,
Dreimal ftmdelt sie täglich hervor und schlürfet auch dreimal.
Und als nun Odysseus die Fahrt zwischen Skylla und Charybdis gewählt hat
und ihnen nahe gekommen ist, da kann er die Skylla in ihrer Höhle nicht sehen,
aber die Charybdis sieht er und beschreibt sie später den Phaiaken so :
Wenn sie die Wog' ausbrach, ^ie ein Kessel ans flammendem Feuer,
Tobte sie ganz aufbrausend mit trübem Gemisch, und empor stieg
Weisser Schaum, bis zum Gipfel die FeJshöh'n beide bespritzend.
Wenn sie darauf einschlürfte die salzige Woge des Meeres,
Senkte sich ganz inwendig ihr trübes Gemisch, und umher schwoll
Gräulich der Fels von Getös, und tief auf blickte der Abgrund,
Schwarz von Schlamm und Morast
Zu dieser Schilderung kann , wain ihr überhaupt etwas Wirkliches zu Grunde
Hegen soll, keine andere Gegend als die Strasse von Messina die erste Veran-
lassung gegeben haben. Dass die Homerischen Verse keine genaue Beschreibung
der Wiiklichkeit enthalten , versteht sich von selbst ; wenn wir aber auch alles
Uebrige als dichterische Ausschmückung abziehen, und als zu Grunde liegende
54 Rrstes Buch. III. Sagen.
Thatsache einfach das Vorhandensein einer Meerenge mit einem steilen Felsen,
an dem die Wogen sich brechen , an der einen , und einem starieen Strudel an
der andern Seite nehmen , so passt dies so gut und so ausschliesslich auf die
Strasse von Messina, dass wir ohne zu grosse Kühnheit annehmen dllrfen, dass
eine dunkele Kunde von ihr dem Sänger der Odyssee zugekommen war. Der
Felsen der Skylla ist freilich in den Augen eines Seemanns ein steiler Felsen
wie viele andere , und an seinem ausgewaschenen Fusse klingt das Gebrause
der Wogen nicht mehr wie Hundegeheul, als an jeder andern steilen Küste, aber
der Strudel unweit der Stadt Messina ist noch immer ziemlich bedeutend und
verdiente es wohl , von den Alten , deren kleinere Schiffe ihm weniger Wider-
stand leisten konnten, für die Gharybdis gehalten zu werden. Wenn die Zeit-
angabe des Wechsels der Strömungen , wie Hom^r sie giebt , auch nicht der
Wirklichkeit völlig entspricht, so ist sie doch auch nicht allzu weit von ihr
entfernt.
Von der Skylla und €harybdis gelangt Odysseus mit seinen Gefährten nach
der Insel Thrinakia, wo die Rinder und Schafheerden des Gottes Helios weiden,
je sieben zu 50 Thieren. Nach Homer werden sie von den Töchtern des Helios
und der Neaira, den Nymphen Phaethusa und Lampetie, gehütet; Spätere
wussten noch von einem Wächter Phyiakios, der ein Aiolide sein sollte. Thrina-
kia wurde für Sicilien gehalten, wofür im Grunde nichts spricht, als die Wahr-
scheinlichkeit der Umformung des Namens in Trinakiia und sodann der Heer-
denreichthum unserer Insel. Man sah in der Landzunge von Mylai den Oit, wo
die Heerden des Helios geweidet haben sollten, und noch wird unt^r dem Kastell
von Milazzo eine geräumige Höhle gezeigt , die beim Volke die Höhle des Ulyss
heisst , und die die Grotte der Nymphen sein würde , in welche sich Odysseus
mit seinen Geführten zurückzog. In Mylai war auch ein Heroen des Phyiakios.
Weiter kommt der Dulder dann , nachdem der Zorn des Helios über das
Schlachten der Rinder allen Geführten den Untei*gang bereitet hat, allein nach
Ogygia, der Insel der Kalypso, die von Manchen im Alterthum für Gaulos, das
jetzige Gozzo, gehalten worden ist. In neuerer Zeit hat man gefunden, dass das
grössere Malta noch besser auf die Homerische Beschreibung von Ogygia passe,
und man hat im Grunde der maltesischen Bucht Melieha die Grotte w ieder-
gefunden, in welcher einst Kalypso wohnt«. Die weitere Fahrt nach der Phaia-
keninsel Scheria entfernt Odysseus — wenn Scheria nach gewöhnlicher An-
nahme Korfu ist — wieder mehr von Sicilien, und es ist nur noch zu ei*wähnen.
dass das Land Hypereia, wo die Phaiaken früher, nahe den Kyklopen, wohnten,
nach der Meinung der Alten die Gegend von Kamarina in Sicilien gewesen sein
soll, so dass also auch die Phaiaken neben den Kyklopen imd Laistrygonen zu
den mythischen Bewohnern Siciliens gehören.
So sind bis auf die Gharybdis alle Beziehungen der Odyssee auf Sicilien
höchst unsicher, und nur im letzten Buche derselben, wo sich Odysseus bei
Laertes Eperitos nennt, der aus Sikanien nach Ithaka verschlagen sei, scheint
eine directe liinweisung auf unsere Insel enthalten zu sein. Bekanntlich ist aber
dieses Buch viel späteren Ursprungs, als alle übrigen.
Von andern griechischen Helden des trojanischen Krieges sollen noch Me-
nelaos und Meriones nach Sicilien gelangt sein. Von diesem sprachen wir schon
Aeneas. Orestes. Argonauten. 55
oben. Von den Trojanern aber tritt Aeneas in sehr enge Beziehungen zu un-
serer Insel.
Schon im sechsten Jahrh\indert vor Chr. tritt die Sage von der Fahrt des
Aeneas nach Westen und nach Sicilien aus dem Dunkel hervor; allmählich
ward Latium als das eigentliche Ziel des Helden anerkannt. Am ausführlichsten
ist uns diese Sage von Vergii tiberliefert. worden, der natürlich viel aus seiner
eigenen Phantasie Entsprossenes eingeOochten hat. Aeneas nUhert sich Sicilien
in der^etnagegend^ er legt am Lande der Kyklopen an und nimmt den Ächae-
menides, einen vor drei Monaten von Odysseus zurückgelassenen Gefährten
desselben auf, sieht die Kyklopen an*s Ufer stürmen und f^hrt weiter nach
Süden , dann um den Pachynos und an der Südküste der Insel , wo die später
berühmten Städte Kamarina, Gela und Akragas bereits erschein^i, entlang,
nach Drepanon, wo Anchises stirbt. Nun treibt ihn der Sturm nach Afrika zur
Dido. Ais er von hier scheiden muss, föhrt er wieder nach Drepanon zum
Akestes zurück, um d^n Jahrestag des Todes seines Vaters festlich zu begehen.
Man glaubt am Fusse des Monte S. Giuliano nahe der Küste den von der Natur
geschaffenen Circus zu erkennen , die grasige Arena , in welcher die Leichen-
spiele Statt fanden, und 2 Millien vom Ufer in dem niedrigen schwarzen Felsen
Asinello die Klippe, auf der Aeneas den Eichenzweig als Ziel für die Wettfahrten
aufpflanzte. Wahrend die Männer hierbei beschäftigt sind, zünden die Weiber,
von der Juno verleitet , die im Hafen von Drepanon liegenden Schiffe an : aber
Jupiter sendet auf des Aeneas Bitten einen Regenguss und rettet bis auf vier die
Schiffe vor dem Untergang.
Nun werden die Frauen und alle die , welche die Fahrt scheuen , zurück-
gelassen , und Aeneas gründet für sie die Stadt Egesta und den .Tempel der
Venus Idalia auf dem Eryx, er selbst aber, mit seiner auserwählten Mannschaft,
fährt nach Italien.
Wir müssen noch hinzufügen, dass ihn über das Ionische Meer Akarnanier
unter dem Thurier'Patron geführt hatten, von denen viele mit Patron selbst bei
ihm blieben ; diese sollen i\pch weiter nach Sicilien hineingezogen sein und die
Stadt Alontion gegründet haben.
Malta erscheint, vom Könige Battus regiert, als Zufluchtsstätte der aus
Karthago geflüchteten Anna.
Im Zusammenhang mit der Sage vom trojanischen Kriege steht auch die
von Orestes dem Muttermörder, der auf seiner Wandenmg mit dem Bilde der
Artemis bis. nach Sicilien kommt, nachdem er ei*st in Rhegion von aller Schuld
völlig gesühnt worden ist. Auf ihn wird der bertthmte Tempel der Artemis
Phakelitis in der Nähe von Mylai zurückgeführt.
Von der Fahrt des Schiffes Argo im Westen, wo es einen Theil der Schreck-
nisse, welche uns die Odyssee kennen gelehrt hat, ebenfalls durchmachen muss,
brauche ich hier nicht zu reden. Doch wird hier ausdrücklich SicUien genannt,
wenn es in der offenbar spätem Sage heisst, dass Aphrodite den Butes, der zu
den Sirenen schwimmen wollte, nach Lilybaion rettete.
Bemerken wir nun noch , ehe wir zu einem besondem Kreise von Sagen
übergehen , dass sich eigenthümUcher Weise an die drei Vorgebirge der Insel
Sagen knüpfen, welche das Gemeinschaftliche haben, dass sie zu Gräbern in
56 Erstes Buch. III. Sagen.
Beziehung stehen. Wir haben schon oben von dem Grabe des Peloros an dem
nach ihm benannten Vorgebirge gesprochen und eine Beziehung auf den Riesen
Orion vennuthet, der hier nicht, wie sonst gewöhnlich, als ein gewaltiger Jäger,
sondern als ein Baumeister auftritt, der für den König Zanklos den Hafen und
das hohe Ufer Messana's baut und die Landspitze Peloiis in das Meer hinein-
schüttet. Wir haben femer beim Pachyiios der Erinnerungen an Odysseus ge-
dacht, der ein Kenotaph der Hekabe doi*t errichtet. Am Lilybaion aber war die
kumäische Sibylle begraben. Heutzutage befindet sich Ober der zwischen der
Stadt und der Landspitze gelegenen Grotte , welche ihr Grab bergen musste.
eine Kirche des heil. Johannes des Täufers; aber noch Houel weiss zu er-
zählen, wie am Tage vor dem Feste desselben Frauen und Mädchen in die Grotte
kommen und in den Brunnen , der fliessendes Wasser hat — Sibyll^i waren
Gottheiten feuchter Grotten — aUeriei Fragen hineinrufen, die das Echo beant-
wortet. So erhält sich uraltes Heidenthum unter den Gewölben einer christ-
lichen Kirche, und der Täufer kann die Sibylle nidit vollständig vertreiben.
Man sieht , dass in allen bisher angeführten Sagen Fremde die Hauptrdle
spielen. So ist es im Grunde genommen auch noch in der anmuthigen Sage von
der Arethusa. Wir sahen vorhin, dass diese Quelle Ortygia^s von den Nymphen
ftlr Artemis geschaffen sein soll. Nach der verbreiteteren Annahme ist Arethusa
dagegen eine Nymjrfie in Elis, die, von dem Flussgotte Alpheios verfolgt, nach
Sicilien flüchtet ; Alpheios eilt ihr aber nach und erreicht sie auf Ortygia. Wir
werden später bei der Schilderung von Syrakus auf diese Sage zurückkommen.
Wenn nun Arethusa auch nur in Sicilien berühmt wird , so ist sie eigentlich
doch noch eine fremde Nymphe. Heimischer ist dort schon Galateia, die Tochter
des Nereus, die von dem Kyklopen Polyphem geliebt wird, welchem sie aber
den Akis, den Sohn des Faunus und der Nymphe Symaithfs, vorzieht. Der
riesige Hirt schleudert, als er einst die Liebenden zusammen überrascht, einen
Felsblock auf Akis und tödtet ihn. Aber ein Bach rann imter dem Felsen her-
vor : es war der verwandelte Akis. Von den Oertlichkeiten am Fusse des Aetna^
auf welche sich die Sage bezieht, die Polyphem recht als einen siciUschen Hirten
/eigt, ist schon oben die Bede gewesen. Aber ihren vollständigsten AusdrudL
hat die Poesie des sicilischen Hirteniebens doch erst in der Sage von Daphnis
gefunden, die hier nur ganz kurz mitgetheilt werden kann. In den Heräischen
Bergen, deren Baumreichthum wir kennen, lebte Daphnis, der Sohn des Hermes
. und einer Nymphe , ein Hirte , der viele Binderschaaren besass. Er war der
Erfinder der bukolischen Poesie; er begleitete die Artemis auf ihren Jagden
durch die Insel und erfreute sie durch seine Lieder und sein Spiel auf der
Syrinx. Von einer Nymphe, die ei; liebte, ward er mit dem Banne belegt, dass,
wenn er ihr untreu würde, er das Augenlidit verlieren sollte, und wirklich als
er, von einer Königstochter mit Wein berauscht, semer Geliebten die Treue
gebrochen hatte, erfüllte sich ihre Drohung, und er ward blind. So weit Diodor.
Sein Ende wird verschieden erzählt ; bald wird er von seinem Vater in den
Himmel erhoben und eine Quelle auf Erden geschaffen, an der die Sikeler jähr-
lidi opfern ; bald i^türzt er vom Felsen, bald wird er in Stein verwandelt, und
ein Fels bei Kephaloidion zeigt seine Gestalt. Von dieser Sage weichen zwei
andere vollständig ab; die eine ist die von Theokrit benutzte, von der an einer
Dapbnis. Iberer. 57
andern Steiie die Rede sein wird; nach der zweiten kommt er, die von ihm
geliebte Pipiea oder Thalia, die von Räubern entführt ist, suchend, nach Phry-
gien zum König Lityerses , dem Sohne des Midas , dcyr mit allen Fremden im
Mähen wetteifert und ihnen, nachdem er sie besiegt hat, den Kopf abschneidet.
Herakles rettet ihn aus der Noth , indem er selbst sich zum Wettkampfe stellt
und dem Lityerses den Kopf mit der Sense abhaut. Daphnis erhält nun seine
Geliebte. Man wird bei dieser Geschichte lebhaft an die des £ryx erinnert.
Dies ist eine kurze Uebersicbt dessen, was von der mythischen Geschichte
Siciliens bekannt ist Wir sehen schon hier das dreifache Element, das die Ge-
schichte der Insel ausmachen wird, hervortreten : das orientalische , das grie-
chische, endlich, freilich am meisten und fast im Hintergrunde verstedJLt, das
einheimische. Die folgewlen Kapitel werden von diesem Gesichtspunkte aus
noch einige Erläuterungen zu dem auf den letzten Seiten Mitgetheilten bringen.
Viertes Kapitel.
Die Ureinwohner.
Indem wir nun von dem Gebiete der Sage auf das der Geschichte über-
gehen, haben wir wohl nicht nöläig nachzuweisen, dass die ernsthaft auf-
gestellte Behauptung, in der Urzeit hutten wirklich Kyklopen und Laistrygcmen
in Sicilien gewohnt , jedes Grundes entbehrt. Sie ist nur ein mit Homerischen
Erinnerungen und Namen ausgeschmückter Ausdruck der wohl in jedem Lande
berrscbend^Q Volksmeirmng , dass die ersten Bewohner desselben gewaltige
Ri^en von wilden Sitten gewesen seien. In Sicilien ist dieses bis in die neuere
Zeit hinein so sehr die Ueberzeugung des Volkes gewesen, dass, wenn irgendwo
im Lande Ueberreste grosser vorweltlicher Thiere gefunden wurden , Gelehrte
und Ungelehrte mit Entschiedenheit behaupteten, es seien dies die Gebeine der
ühesttti, riesigen Bewohner der Insel. Man indet die angeblichen Beweise für
solche Behauptungen von Faiell und nach ihm von Gluver zusammengestellt.
Wenn wir von solchen Fabeln absefa^i und nadb besser beglaubigten Nach-
Heilten über die Urmnwohner der Insel fragen, so tritt uns als eine nach dem
Zeugniss des Ephoros ziemlich verbreitete Ansicht die entgegen, dass sie
Iberer gewesen seien« UnglttckHoherweise ist diese Nachricht so abgerissen
mitgetheiit, dass über eine Hauptfrage, die dabei zunächst zu erledigen wäre,
volle Klarheit nicht zu eriialten ist, die nSmlich, ob unter diesen Iberern nicht
vielleicht die sogleich zu erwähnenden Sikaner zu verstehen seien, die von
einigen alten Schriftstellern aus Iberien hergdeitet werden. Wie dem auch sein
iuag, es hat in neuerer Zeit nicht an Gelehrten gefehlt, die sich der Meinung
von dem iberischen Ursprünge der sicilischen Urbevölkerung angeschlossen
haben , und insbesondere hat W. von Humboldt zur Untetrstützung derselben
auf Aehnliehkeiten zwischen iberischen und sicilischen geographischen Namen
aufmerksam gemacht > ohne dabei die Frage entscheiden zu wollen , ob diese
58 Erstes Bach. lY. Die Ureinwohner.
Iberer die Sikaner waren oder nicht. Dabei neigt Humboldt zu der auch v<m
einigen sicilischen Gelehiten getheilten Ansicht bin , d^ss die Iberer nicht aus
dem jetzigen Spanien, sondern von Osten her, also auf ihrem Zuge nach Spanien,
auf die Insel gekommen sein möchten. Auch wir halten es nicht fttr unwahr-
scheinlich , dass in der Urzeit Iberer in Sicilien wohnten ; wenn es jedoch der
Fall war, so waren sie von den Sikanera verschieden. Jene mag man dann
auch als die Yerfertiger der Feuersteingeräthschaften betrachten , die man hie
und da auf der Insel, vermischt mit Thierknochen, gefunden hat.
Die Sikaner dagegen bildeten die wiiiLlich nachweisbare Urbevölkerung
der Insel, von der sie noch in historischer Zeit einen Theil bewohnten.
' Ueber ihre Herkmift waren die Alten nicht einig. Einige hielten sie für
Eingew änderte , Andere für Autochthonen , und dieselbe Verschiedenheit der
Ansicht findet sich auch bei denen , welche den Namen des Volkes nach alter
Weise von dem eines Königs Sikanos herleiten ; es ist dieser König bald ein
Fremder, bald ein Sohn des Bnareus und Bruder der Aetna, also ein Einbeimi-
scher. Für Autochthonen erklarten die Sikaner sich selbst , und Timaios und
Diodor stimmten ihnen bei. Thukydides dagegen und der Syrakusaner Philislos
sahen in ihnen Iberer , die vom Flusse Sikanos in Iberien nach Sicilien gewan-
dert seien, von Ligyem veitrieben, wie Thukydides hinzusetzt. Hier treten uns
sogleich zwei Schwierigkeiten entgegen. Die Iberer müssen westlicher gewohnt
haben, als die Ligurer, damals so gut wie später, so dass schwer einzusehien ist,
wie sie von diesen nach Sicilien, d. h. nach Osten verdrängt sein können, und
dann — was noch mehr ist — ist das Vorhandensein eines Flusses Sikanos in
Iberien mehr als zweifelhaft. Zwar findet sich auch bei Stephanos ein Fluss
dieses Namens bei einer Stadt Dera in Iberien ang^eben und bei Hekataios eine
Stadt Sikane, aber wo in Iberien dies Alles war, weiss Niemand zu sagen.
Einige haben dieser Schwierigkeit dadurch auszuweichen gemeint, dass sie statt
des unbekannten Sikanos den bekannten iberischen Fluss Sikoris, — den jetzi-
gen Segre — als den heimathlichen Fluss der Sikaner bezeichneten. Aber so-
bald die Namenähnlichkeit eine so entfernte wird, wie die zwischen Sikanos und
Sikoris ist, hört sie auf, für die Entscheidung ethnographischer Fragen von Be-
deutung zu sein. So ist denn der Sikoris hier nicht weiter zu berücksichtigen,
und die Herleitung der Sikaner von Spanien muss überhaupt als der rechten
Begiilndung ermangelnd bei Seite geschoben werden. Ein anderer , scheinbar
glücklicherer Ausweg besteht darin , bei dem Sikanosfluss an die Sequana in
Gallien zu denken, wo dann weiter die Ligyer an den nahen Ligur — die Loire
— erinnern. Hier stimmen die Namen wenigstens besser überein, und die Aus-
dehnung der Bezeichnung Iberer über einen Theil Galliens kann nicht über-
raschen. Wenn wir aber einen Augenblick den Fluss Sikanos ganz aus dem
Spiele lassen und die Sikaner in dem Lande aufsuchen, aus dem sie nach Sici-
lien hinüber gegangen sein müssen, nämlich in Italien, so finden wir dort ihren
Namen in Beziehungen , die uns auf eine ganz andere Herkunft des Volkes als
eine keltische oder iberische schliessen lassen. Sie werden in Latium in enger
Verbindung, ja als identisch mit den Sikelem genannt, einem Volksstamm, der
neines der Elemente des römischen Volkes bildete und nach den Sikanem in
Sicilien einwanderte. Wenn sie nun nur in der Aeneis als latinische Urbevöl-
Sikaner. Kamikos. 59
kerung erschienen, so könnte man nooh an eine willkürliche dichterische An-
wendung des Namens Sicani für Siculi denken, aber auch in prosaischen Schrift-
stellern kommen sie vor. Und hier ist beachtenswerth , dass von Tibur, das
einst die Sikaner bewohnt haben sollen, ein Theil Sikelikon hiess. ^£s ist also
klar, dass man die Sikaner für alte Bewohner Latiums hielt, und höchst wahr-
scheinlich, dass sie sich von den Sikelem kaum jinterschieden. So können wir
denn allerdings nicht behaupten , dass wir von denselben Sikanem , w eiche
später im Westen Siciliens wohnten, Spuren ihres Aufenthaltes in Latium hätten,
denn die latinischen Sikaner haben sich nicht von den Sikelem getrennt, aber
es scheint doch bewiesen , dass der Name Sikaner kein den Sikelem fremdes
Volk bezeichnet, und dass somit auch den sicilischen -Sikanem derselbe Ur-
sprung wie den mit den Römern itahe verwandten Sikelem zugeschrieben w^er-
den muss. Wir haben uns die Sache so zu denken. Die Sikaner Siciliens haben
sich frühzeitig von ihren Stammesgenossen getrennt und sind aus Italien nach
SicUien gezogen. Die damals Zurückgebliebenen hiessen vorzugsweise Sikeler,
wurden aber nach einigen sikanischen Ueberbleibseln, die ihren Brüdem nicht
gefolgt waren, auch bisweilen Sikaner genannt. Wenn wir nun mit dieser
Ueberzeugung an die Hypothese von dem gallischen oder iberischen Urspmnge
der Sikaner wieder hinantreten, so wird sie immer unwahrscheinlicher. Denn
wer sie noch billigte, wäre genöthigt, auch in den Römern ein iberisches oder
gallisches Element vorauszusetzen, eine Annahme, die freilich Anhänger gefun-
den hat , aber dem heutigen Stande der Sprachwissenschaft durchaus wider-
spricht. Wir beschränken uns deshalb darauf, die Sikaner für den Sikelern
verwandt und italischen Stammes zu erklaren. Die Betrachtung der Sikeler
seihst wird uns einen Schritt weiter bringen.
Die Sikaner wohnten längere Zeit über die ganze Insel verbreitet, bis hef-
tige und andauemde Ausbrüche des Aetna, oder nach Anderen die Ankunft der
S&eler, sie aus den östlichen Theilen derselben verscheuchten.
Welches ihre Städte waren, darüber ist nur wenig bekannt. Wo sie einst
im östlichen Theile der Insel wohnten, lässt sich natürlich gar nicht bestimmen,
aber auch über die damals und später von ihnen im Westen bewohnten Orte
geben unsere Quellen nur spärliche Auskunft.
Unter den bei den alten Schriftsteliem ausdrücklich als sikanisch bezeich-
neten Orten ist zuerst Kamikos zu nennen, das gewöhnlich als Herrschei^sitz
des Kokalos genannt wird und, wie wir wissen, von Daidalos noch beson-^
ders befestigt sein soll. Weil nun ein Theil der Stadt Akragas, deren Um-
gebung später vorzugsweise den Namen Sikania führte, hoch auf einem von
Höhlen durchzogenen, schwer zugänglichen Berge liegt, so haben Manche, die
in diesen Hohlen und dem schmalen Zugange die Daidalos zugeschriebenen Ar-
beiten zu erkennen glaubten, den Theil von Akragas, auf welchen sich das
heutige ixljqgenti beschränkt hat, für das alte Kamikos erklärt. Aber mehrere
Stellen der Alten sprechen deutlich gegen eine solche Annahme. Duris nennt
neben Akragas unter den Städten, welche mit vorbeiströmenden Flüssen gleich-r
namig seien, auch Kamikos. Hippokrates und Kapys, Vettem des akragantini-
schen Tyrannen Theron, hatten Kamikos inne, während Akragas dem Theron
gehorchte. Als die Römer im ersten punischen Kriege Akragas schon eingenom-
50 Erstes Buch. IV. Die Ureinwobner.
men hatten, belagerten und eroberten sie noch Ramikos. Sirabon endlidi , zu
dessen Zeit Akragas nicht unbe'deatend war, bezeichnet Kaniikos als' eine ver-
lassene Stadt. Da es somit ein Kaniikos gab, das von Akragas verschieden war,
so haben Einige, die durchaus in der Stadt des Kokalos Akragas sehen wollten,
gemeint, es habe zwei Kamikos gegeben, von denen das eine später zu Akragas
geworden sei. Aber auch zu fieser Annahme liegt nicht die geringste Veran—
lassung vor , denn der Umstand , dass die locale Tradition in Girgenti seit ge-
raumer Zeit diesen Theil des alten Akragas für Kamikos erklärt, beweist nur,
dass diese zuerst von einem Gelehrten (Pancrazi) aufgestellte Ansicht allmSihlidi
populär geworden ist. Es muss also dabei bleiben , dass Kamikos nicht das
jetzige Girgenti war. Manche haben es an der Stelle, wo sich gegenwärtig fiber
dem am F. delle Canne gelegenen Orte Siculiana ein im Jahre \ 350 errichtetes
Schloss erhebt, gesucht, aber die Lage dieses Ortes passt nicht. Schubring
glaubt, dass Kamikos obertialb Caitabellotta's stand, an einem der merkwürdig-
sten Punkte des westlichen Siciliens. Hier umschliesst eine Reihe von schroffen.
Felsgabeln im Halbkreise ein nach Süden sich öfihendes Hochland, und die
höchste derselben, welche die Mitte einnimmt, das sogenannte Gastello, dessen
Gipfel 94^ Meter über das Meer jansteigt , passt überdies noch durch die Enge
ihres Aufgangs vortrefflich f&r Kamikos. Man kann jedoch auch die Ruinen auf
dem Berge Platanella , am linken Ufer des Macasoli, wo an dem Orte La Galata
sieh eine fast unzugänglidie Festung von einer Millie Umfang erhebt , ftir das
alte Kamikos halten , wenigstens spridit das oben über die Flussnamen dieser
Gegend Bemerkte gegen CaltabeFlotta, dessen Fluss einen anderen Namen führte
als Kamikos.
An der Stelle von Kamikos galt bei Andern als Hauptstadt des Kokalos die
Stadt In ykon. Cluver sucht dies, auf sehr schwache Gründe gestützt, welche
auf die Nachbarschaft des Hypsaflusses hinzudeuten scheinen, links von der
Mündung des Beiice.
Verhältnissmässig am besten bekannt ist unter den als sikanisch ausdrück-
lich bezeugten Städten die Lage von Hykkara, das von den Athenern unter
Nikias zerstört wurde und im Allerthum als die Vaterstadt einer der Buhlerin—
nen , die den Namen Lais fühlten , berühmt war. Der Name Hykkara soll auf
Fische, welche Hykai hiessen , hindeuten. Eine alte Ueberiieferung, der schon
Fazell folgt, sucht Hykkara veestlich von Palermo am Ufer des Meerbusens, der
im Osten von der kleinen Isola delle femmine begrenzt wird , da , wo an einem
Garbolangi genannten Orte sich einige Mauerreste finden. 3 Millien landeinwärts
liegt die Stadt Carini, die ihren Namen von Hykkara herleitet.
Nahe der Südküste dagegen, im Osten von Akragas, haben wir die sika—
nische Stadt Omphake zu suchen, bei deren Eroberung Antiphemos, der
Gründer von Gela , eine von Daidalos verfertigte Bildsäule erbeutete. Cluver's
eigenthümliche Hypothese , Omphake sei jene von Daidalos befestigte Stadt des
Kokalos und kein anderer Ort als das heutige Girgenti gewesen, hat keinen
Beifall finden können.
Ganz und' gar unbekannt ist sodann die I^ge folgender sikafnischer Städte :
1 n d a r a , das Stephanos erwähnt ; K r a s t o s , woher nach Einigen der Dichter
Epicharmos stammle, und das durch die Schönheit seiner Frauen berühmt war ;
SikaDerstädte. 61
•
l'essa , wo zur Zeit des Phalaris der KOnig Teutes regierte ; endlich Miskera,
das DQan mit Makara, d. li. Herakleia M inoa hat identificiren wollen.
IHe so eben aufgezahlten Orte, die einzigen, welche den Sikanem in unsern
Quellen ausdrücklich zugeschrieben werden, sind in späterer Zeit ganz un-
bedeotend. Aber es kommen in der Westhälfte der Insel noch manche andere
Ortschaften vor, von denen venuulhet werden moss, dass sie sikanisch waren,
wenn auch kein antiker Schriftsteller es ausdrücklich sagt. Denn in dieser
Gegend wohnten ausser den Sikanern nur nodi drei Völkerschaften, Ph(^icier,
£lymer und Griechen, und wir glauben mit Sicherheit angeben zu können,
weiches die Städte waren, die diese nach den Sikanem von auswärts her-
gekommenen Stämme inne hatten. So liegt also die Annahme nahe , dass alle
übrigen Wohnsitze dieses Landstriches den sikanischen ürbewohnem gehörten.
Unter den Orten, die wir aus diesem Grunde für sikanisch zu halten haben,
nenne ich, von Westen anfangend, zuerst Halikyai. Zwar bei Thukydides
erscheint diese Stadt neben Kentoripa als sikelisch, und man könnte sonach
versucht sein, Halikyai in Kentoripa's Nähe im Osten der Insel zu suchen ; aber
Theopomp setzt es zwischen Entelia und Lilybaion, und in den Kriegen zwischen
Dionys und den Karthagern kommt es in enger Verbindung mit den Egestäem
vor. Deshalb hat denn auch die sinnreiche Gombination Cluver's , der in dem
Namen der auf einer Anhöhe rechts vom Flusse delie Arene, 442 Meter über dem
Meere, da, wo das bis dahin enge Thal sich öShet, malerisch gelegenen Stadt
Salemi eine Uebertragung des Weites Halikyai zu finden glaubte — beide W^örter
sollten auf Salz hindeuten — und deshalb Salemi für das alte Halikyai erklärte,
allgemeinen Beifall gefunden. Allerdings ist nichts Ungewisser, als der Zusam-
menhang beider Namen , aber die Lage von Salemi passt vortreflTlich für die
Bedeutung einer Stadt wie Halikyai.
Nordöstlich von Salemi Hegen auf einem nur von einer Seite zugänglichen,
über 700 Meter hohen Berggipfel zwischen dem Beiice und den Quellen des
Flusses Jati , der sich in den Golf von Castellamare ergiesst , neben dem Orte
S. Giuseppe die Ruinen der von Friedrich iL zerstörten Stadt Jato. Es war
ohne Zweifel das alte, sonst unbekannte letai oder laitia, falls diese zwei
Namen überhaupt d^iselben Ort bezeichnen.
W^o das von Ptolemaios nördlieh vom Kratasberge angesetzte Sehers
gelegen haben mag, ist nicht genau zu bestimmen. Cluver findet es in dem im
Gebirge zwischen den Queilarmen des Beiice liegenden Gorleone wieder. Die
durch die SUavenkriege berühmt gewordene Stadt Triokala sollte äiren
Namen von den drei Vorzügen haben , die sie auszeichneten : eine feste Lage,
Ueberfluss an Wasser und ein fruchtbares , besonders an Weinstöcken reiches
Gebiet. Sie lag, der herrschenden Annahme zufolge, 21 00 Meter stkiöstlich von
dem jetzigen Galtabellotta auf einem 270 Meter über dem Meere erhabenen
Bergvorsprunge am Saume fruchtbarer Gefilde, in denen noch der Weinbau
blüht, an der Stelle, wo sich heutzutage neben dem Orte S. Anna die Kapelle
der S. Maria a Monte Vergine erhebt. Die jetzt nicht mehr vorhandene Kirche
S. Giorgio , welche nach FazeU von dem Grafen Roger wegen eines über die
Saracenen gewonnenen Sieges erbaut wurde, führte den Beinamen von Triokala.
Freiiidi triflll hier der eine der Vorzüge , die grosse Festigkeit des Ortes , nicht
62 Erstes Buch. IV. Die Ureinwohner.
i
ZU, so (iass Schubring den Gedanken ausgesprochen hat, die Stadt mö^te von
den empörten Sklaven an die Sielte des damals schon lange zerstörten Kamikos
auf den Castellberg oberhalb Galtabellotta's veriegt worden sein. Unfern von
Triokala lag das ebenfalls in der Geschichte der Sklavenkriege erwähnte Skir-
thaia, das Gluver in dem links'vom F. di Galtabellotta 1600 Meter nordöstlich
vom Orte S. Carlo in einer Höhe von 449 Meter auf steilem Felsen gelegenen
Acristia, einer schon zu Fazell's Zeit verlassenen Stadt, sucht.
In den Ruinen auf einer Höhe zwischen den Bergen Pecuraro und Plala—
nella , 7 Millien landeinwärts von der Stätte Herakleia's vermuthet Gluver die
alte Stadt A n k y r a i. Nun wird allerdings diese Stadt zur Zeit des Dionys aus-
drücklich als nicht den Sikanem angehörig bezeichnet, aber da sie ursprUnglidi
weder Phöniciem, noch Eiymern, noch Griechen gehörte, so dürfen wir sie als
anfangs von Sikanem bewohnt ansehen.
Im akragantinischen Gebiete lag Herb essos, das Fazell ohne recht trif-
tigen Grund in Le Grotte, zwischen Gomitini und Regalmuto, einige Millien süd-
lich vom Salitoflusse, wiederfindet.
Endlich muss erwähnt werden, dass es vielleicht eine Sikanei*stadt Nisa
gab. In den alten Schriftstellern kommt dieser Name freilich nicht vor ; aber die
Stadt Caltanisetta , eine in geringer Entfernung westlidi vom südlichen Himera
auf einem Berge gelegene Provinzialhauptstadt, enthält oder enthielt zwei für antik
gehaltene Inschriften, eine griechische und eine lateinische,* welche vermuthen
lassen, dass hier ein antiker Ort, Namens Nisa , stand, der selbst dann für
sikanisch zu halten wäre, wenn man, vrie gewöhnlich geschieht , den Lauf der
beiden Himera als die Grenzlinie zvrischen Sikanem und Sikelem betrachtet.
Ich möchte, jedoch, da die Gründer von Gela schwere Kämpfe mit den Sikanem
zu bestehen hatten, die Grenze im Süden vielmehr durch den Gelafluss, den
F. di Terranova, gebildet denken.
Die sikanischen Ortschaften lagen grösstentheils auf Anhöhen. Schon Diodor
sagt von den Sikanem, dass sie, mit Ackerbau beschäftigt, in einzelnen offenen
Weilern wohnten , aber auf den Höhen Burgen hatten , in die sie sich in Zeiten
der Gefahr zurückzogen. Es ist dieselbe Lebensweise, wie sie z. B. von den alten
Latinern berichtet wird. Eine Ausnahme macht von den uns bekannten sikani-
schen Orten nur Hykkara , das wir uns als eine vorzugsweise zum Behufe des
Fischfanges gegründete Niederlassung zu denken haben.
DieJSikaner gehorchten nicht einem einzigen Fürsten; jede Stadt hatte
ihren besonderen Herrscher. Es ist ausdrücklich überliefert, dass sie die Aphro-
dite vom Berge Eryx eifrig verehrten. Im Uebrigen mag ihre Religion der der
Sikoler ähnlich gewesen sein.
Von ihrer Geschichte ist nichts zu berichten, als was vielleidit in den im
vorigen Kapitel erzählten Sagen steckt. Damach erscheinen sie wie eine träge
Masse, in welche die Fremden — Daidalos, Herakles — einige Bewegung und
einiges Leben bringen. Von diesen Fremden werden wir bald zu sprechen
haben.
Wir kommen jetzt zu den Sikelern, welche an Macht und Bedeutung
ihre sikanischen Brüder weit übertrafen. Sie gelten allgemein als Eingewan-
derte, und man hat sogar versucht, die Zeit ihrer Einwandemng zu fixiren.
Sikeler. ^ 63
Im Einzelnen weichen die Ansichten der Alien jedoch vielfach sowohl hierüber
wie über ihre Herkunft unter einander ab. Wenn wir die Berichte nach der
Zeitfolge der Gewährsmänner ordnen, so waren nach Hellanikos die Sikeler
Ausoner, die unter dem Könige Sikelos vor lapygiern flohen, und ihre Einwan-
derung in Sicilien fiel in das dritte Menschenalter vor dem ti*ojanischen Kriege,
als Alkyone das 26ste Jahr Priesterin in Argos war, also in das 13. Jahrhun-
dert V. Chr. Dann kommen die höchst fragmentarisch erhaltenen Nachrichten
des Syrakusaners Antiochos. Ein Bruchstück derselben lehrt uns, dass die
Sikeler von Oenotriem und Opikem aus Italien vertrieben sind , und ein zwei-
tes, wie Anfangs Oenotrier in Italien wohnten, die durch den König Morges zu
Morgeten wurden, und zu Sikelern, als Sikelos, der nach einem dritten Frag-
mente aus Rom kam, unter dem Volke des Morges Unruhen erregle. Thukydi-
des erzählt von den Sikelem, dass sie, von den Opikem vertrieben, aus Italien
nach Sicilien gegangen seien , indem sie bei günstigem Winde auf Flössen oder
auf andere Weise die Meerenge überschritten. Sie besiegten die Sikaner und
nöthigten sie, nach den westlichen Gegenden der Insel zu ziehen. Dies geschah
etwa 300 Jahre vor. der Einwanderung der Griechen, also um 1030 v. Chr.
Nach Phiiistos fand dagegen die Einwanderung 80 Jahre vor dem trojanischen
Kriege Statt, eine Annahme, in welcher dieser Schriftsteller mit Hellaüikos
übereinstinunt, von Thukydides dagegen um etwa zwei Jahrhunderte abweicht.
Nach ihm waren die Sikeler Ligurer, geführt von Sikelos, dem Sohne des
Italos , und die sie vertrieben , Umbrer und Pelasger. Dionys von Halikamass
hat endlich aus älteren Schriftstellern die Nachricht entlehnt, dass die Sikeler
von den über Thessalien, Epirus, die Pomündungen und Urobrien eingewan-
derten Pelasgem und den um Reate heimischen Aboriginern aus der Gegend
von Rom vertrieben nach Süden gewandert seien und , von der Südströmung
begünstigt , die Meerenge auf Flössen überschritten hätten , dann aber wie es
scheint ^Ibst den Irrthuro hinzugefügt, dass sie sich zuerst im Westen Siciliens
niederliessen.
Es geht aus di^en Berichten mit Sicherheit hervor , dass die Sikeler aus
Italien, wo sie angesiedelt waren, nach Sicilien kamen. Nun wissen wir, dass
eine Anzahl Städte des unteren Tibergebietes, wie unter andern Rom selbst,
ursprünglich von Sikelem bewohnt war, deren Gebiet sich von Falerii bis Ari-
cia, vom Giminischen Walde bis zum AJbanergebirge erstreckt zu haben scheint.
Wenn sie nun in der italischen Geschichte nur als schon früh vertriebene Ein-
wohner Latiums erscheinen , so ergiebt sich dagegen aus anderweitigen Zeug-
nissen, dass sie mit den Römern stammverwandt v^ren, wofür ein schlagender
Beweis in den geringen Ueberresten liegt, die wir von ihrer Sprache besitzen.
Die sicilischen Griechen nannten nach Varro einen Hasen leporis und eine
Schüssel katinon , Ausdrücke , die mit den lateinischen leporem und catinum
vollständig übereinstimmen. Es ist nicht anzunehmen , dass sie diese Worte
von den Römern entlehnt hatten; sie werden vielmehr, wie so manche andere,
aus der Sprache der Sikeler in die griechische übergegangen sein. Noch deut-
licher spricht aber Folgendes. Stepfaanos sagt bei der Angabe , dass die Stadt
Gela nach dem Flusse Gela l>enannt sei , dass dieser Fluss so heisse , weil er
vielen Reif erzeuge, und Reif heisse' in der Sprache der Sikeler und Opiker
54 Erstes Buch. IV. Die Ureinwohner.
geia. Hier ist einerseits die Aehnlichkeit mit dem lateinischen gelu unverkenn-
bar y und andererseits ist die ausdrückliche Angabe , dass die Sikeier und die
jOpiker oder Osker, ein acht italisdies Yolk^ gemeinsame AusdrUdLe hatten, von
grosser Bedeutung. Die Sikeier erweisen sidk also auch durch ihre l^rache als
ein Volk italischen Stammes, als^eine desx Oskem und Latinern nahe verwandte
Nation. Sie lassen sich aber noch weiter zurück in ihre früheren Wohnsitze
verfolgen , und diese Spuren weisen , weit weg von dem ligurischen Lande,
wohin uns Philistos führen möchte, vielmehr zunächst nadi Picenum und so-
dann nach Epeiros, wo in alter Zeit Sikeier gewohnt zu haben scheinen, ja nach
Macedonien, in dessen mit dem Griechischen nahe verwandter Sprache das
sikelische Wort zankie , Sichel , seine Ericlärung findet. Wir dürfen somit be-
haupten , dass . das Volk der Sikeier dem grossen Stamme angehörte , welcher
die gemeinschaftliche Wurzel für Griechen wie für Römer bildete, dem Stamme,
den man bisweilen den Pelasgischen genannt hat , und dass sie von der Halb-
insel des Hämus über die des Apennin nach der Insel gewandert sind, die ihren
Namen bis auf den heutigen Tag erhalten hat.
Als ein Zweig der Sikeier sind nach dem oben aus Antiochos Angeführten
die Morgeten zu betrachten, von denen Strabon ausdrücklich sagt, dass sie
aus Italien nach Sicilien zogen. Doch kommen sie in Sicüien selbst nicht weiter
als besonderer Stamm in der Geschichte vor. Man leitet gewöhnlich von ihrem
Namen den der Stadt Morgantia her , und die Stadt Galaria gtebt sieh dadurch
als ihnen angehörig kund, dass Morges als ihr Gründer gilt.
In der südwestlichen Spitze Unteritaliens sind noch längere Zeit sikelische
Schaaren wohnhaft geblieben. . Als im achten Jahrhundert vor Chr. die ersten
griechischen Kolonisten in diese Gegenden kamen, fanden sie dort Sikeier, und
Thukydides versichert , dass sie noch zu seiner Zeit , also drei Jahrhund^te
später, dort ansässig waren.
Die Sikder erscheinen um die Zeit , wo wir sie uns auf der Wanderung
nach Sicilien begriffen denken müssen , als ein rauhes Volk, das bei den west-
lichen Hellenen in schlechtem Rufe stand; das geht aus der Stelle der Odyssee
hervor, wo die Freier dem Telemach rathen, lästige Fremdlinge zu Schiffe
bringen und zu den Sikdern schaffen zu lassen, wo man einen guten Pi*eis für
sie erzielen könne. Sie würden darnach Sklavenhandel getrieben haben. Nun
sind neuerdings Urkunden bekannt geworden, die, wenn ihre Deutung auf die
Sikeier keine irrige ist , uns in derselben Richtung überraschende Aufschlüsse
über ihre ältere, vielleicht versicilische Geschichte geben. Es ist eine hieix>gly-
phische Inschrift von Kamak (Theben) , welche einen Bericht über einen Einfall
von Fremden in Aegypten zur Zeit des Merenptah , des Nachfolgers des grossen
Eroberers Ramses mithält. Diese Fremden sind theiis Afrikaner, vor Allen Rebu
(Libyer) , theiis Völker der »Gegenden des Meeres«, wie die Inschrift sagt, näm-
lich die Tursa , die eigentlichen Veranstalter des Zuges , die Sardaina, die Sa-
kalas, die Akaios und die Leku, in denen wir wohl mit dem Vicomte de Rouge
die seeräuberischen Tyrrhener, die Sardinier, die Achäer, die Lykier, (vielleicht
die Leleger) und die Sikeier erken^ien dürfen. Der Kampf endete mit einer
vollständigen Niederlage der Eindringlinge. Von den Sakalas scheinen 222 ge-
fangen, 250 getödtet zu sein, deren Hände als Siegeszeichen dem Könige über-
Sikeler. 65
bracht wurden. Aueh unter Ramses IIL hören wir noch einmal von einem
Siege der Aegypter über die mit anderen Bundesgenossen auftretenden Sakalas.
Es ist nun an sieb nicht unwahrscheinlich^ dass die Sikeler, die ja nach Stlden
vorwärts drängten, sich unter der Leitung der £tru5ker in Verbindung mit den
SardiDiem auf Seeraufo und zuletzt sogar auf eine Expedition nach Aegypten
eingelassen haben sollten, und wenn wir Merenptah's Kegierungszeit 4217
— 1196, den Anfang derjenigen ' Ramses^ HL aber 1184 ansetzen, so wäre
dies gerade die Zeit, wo die Sikeler nach Einigen, bereits in Sicilien waren,
nach Anderen sich allerdings noch in Italien befanden, aber, wie wir annehmen
dürfen , schon von leMiaftem Verlangen nach neuen Wohnsitzen, nach regerer
£riegsthätigkeit beseelt.
Ueber die Art und Weise ihrer Uebei^siedelung nach Sicilien ist eine An-
deutung in der oben erwähnten Sage erhalten, dass Liparos, Auson^s Sohn, von
seinen Brüdern vertrieben, nach den Aeolischen Inseln üoh, und dass die Söhne
seines Nachfolgers Aiolos auch Sicilien sowie einen Theil von Unteritalien be-
herrschten. Hieraus wird man schliessen dürfen, dass ein Theil der ausonischen
Sikeler von Italien nach den Liparischen Inseln zog, und dass diese Inseln schon,
ehe noch Sicilien selbst unterworfen war, einen Uauptsitz der sikelischen Macht
bildeten.
Verschieden von den Sikanem , deren Spui*en auf Sicilien die Geschichte
mühsam aufsuchen muss , erscheinen die Sikeler der Insel noch mehrere Jahr-
hunderte nach der Ansiedlung der Griechen als ein thätiges und bedeutendes
Volk. Es ist deshalb auch leichter, über di^ von ihnen bewohnten Städte Mit-
theilungen zu machen. Hier ist zunächst bemerkenswerth , dass diejenigen,
welche auch später noch, zur Zeit, da die Griechen das Uebergewicht auf der
Insel hatten, als sikelisch bezeichnet werden, gi*össtentheils im Innern lagen.
Von den Rüsten, wo sie anfangs ebenfalls wohnten, wenn sie auch, wde die
Sage von ihrer Fahrt über die Meerenge auf Flössen zeigt, später nicht recht
mehr für ein seefahrendes Volk galten , wurden sie im Grossen und Ganzen
durch die Griechen verdrängt , und wenn auch später noch manche sikelische
Gemeinden am Meeresufer sassen , so waren doch Wesen und Bedeutung des
Volkes der Sikeler die von Bewohnern des Innern. Es kann deshalb nicht un-
angemessen erscheinen , wenn wir bei der Schilderung der Wohnsitze dieses
vor den Gnechen nach der Insel gekommenen Volkes doch die Zeit zu Grunde
legen , da die Griechen ihnen schon lästige Nachbaren geworden waren. Und
da dürfen wir, um zu erforschen, weiche Städte sikelisch waren, wieder das-
selbe Verfahren anwenden, wie oben für die Sikaner. In der Osthälfte der Insel
kommen nur Griechen und Sikeler vor; wir können also getrost alle alten
Städte dieses Tbeils , die nicht nach sicheren Spuren für griechische zu halten
sind, den Sikelem zuweisen.
Die sikelischen Städte lassen sich in drei Gruppen sondern, eine nördliche,
eine mittlere und eine südliche, welche letztere nicht fehlen darf, wenngleich
Thukydides dip Sikeler nur im Norden und in der Mitte der Insel wohnen lässt.
Ich betrachte zuerst die mittlere , welche den Kern des Volkes enthielt. Sie
umfasst das grosse Stromgebiet des Symaithos in seiner weitesten Ausdehnung,
wie ich es oben zu schildern versucht habe. Hier lag auf Berghöhen eine be-
Holm, Oescb. Sieiliens. I. 5
66 Erstes Buch. IV. Die Ureinwohner. * *
trächtliche Menge von grösseren und kleineren sikelisdien Ortschaften ; hier,
in einem durch den Aetna von der Küste und dem Seeverkehre abgeschiedenen
Berglande hat ISlngere Zeit hindurch ein eigenthüroliches und höchst mannig-
faltiges , von dem griechischen wesentlich verschiedenes nationales Leben ge-
bltlht, tiber das uns leider nur äusserst Wenige Nachrichten erhalten sind.
Wenn wir dies Land von Norden her durchforschen , so finden wir im
Bereiche des dem Aetna zunächst fliessenden Symaithosarmes Spuren einer
alten , wahrscheinlich den Sikeiem angehörigen Stadt in dem heutigen Traina
oder Troina. Dieser Ort ist auf dem Gipfel eines Berges erbaut, der, von Osten
gesehen, die Gestalt eines abgestumpften Kegels hat, und der sich über 3000
. Tuss erhebt , so dass die Stadt oft Tage lang den Blicken der Umwohner durch
Wolken entzogen ist.* An diesem festen Punkte hat die Burg emer alten Stadt
gestanden, in der Cluver Imachara vermutbete, das Cicero mit Städten des
Symaithosgebietes zusammen nennt, andere Herbita, eine Stadt, die im
5ten Jahrhundert vor Chr. sich bei der von Duketios veranstalteten Gründung
von Kaiakte betheiligte , im 4ten aber, zur Zeit des älteren Dionys , eine solche
Bedeutung erlangt hatte, dass sie selbständig an der Nordküste der Insel eine
Kolonie, die Stadt Alaisa, gründen konnte , welche zum Unterschiede von an—
deren uns unbekannt gebliebenen sikelischen Städten: desselben Namens nach
dem Beherrscher Herbita's Alaisa Archonideios hiess. Noch zu Cicero's und
später zu Ptolemaios' Zeit war Herbita angesehen. Ausserdem stand noch links
von demselben Flusse, unfern von seiner Vereinigung mit dem nächstfolgenden
Symaithosarme , am Fusse des Aetna seit alter Zeit ein Tempel des Gottes Ha-
dranos, bei welchem der ältere Dionys die Stadt Hadranon gründete, das heu-
tige Ademö.
Dem Gebiete des zweiten und dritten Flusses, des Kyamosoros (Salso] und
des Chrysas (Dittaino) gehörten dagegen mehrere der bedeutendsten l^keler-
Städte an, von denen die wichtigsten zwischen den beiden Flüssen auf der Höhe
erbaut waren. Hier liegt ganz im Norden am Abhänge des Hayptgebirgszuges
die Stadt Capizzi, das alte Kapytion, ein unbedeutender Ort, der sicher
sikelischen Ursprungs war. Man hat den Namen von der eigenthümlichen Gestalt
des Hügels , auf welchem die Stadt erbaut ist , und der einem menschlichen
Kopfe ähnlich sieht, hergeleitet. Südwestlich von Capizzi liegt inmitten einer
wilden, felsigen Landschaft , auf dem Gipfel des schroffen, kegelfonnigen Mte.
S. Giovanni, zwischen zwei Quellfltlssen des F. Salso die Stadt Nicosia , und
unweit davon im Westen auf einem anderen Berge das Castell Sperlinga , be-
rühmt durch die Zuflucht, die es, allein von allen Orten Siciliens, in der
Schreckenszeit der Vesper den Franzosen gewährte. An einem dieser beiden
Punkte und zwar meistens an der Stelle von Sperlinga, wo zur Zeit d^s Aretius
noch antike Trümmer zu sehen waren , wo aber bereits Houel keine anderen
Spuren des Alterthums mehr fand , als Grotten , pflegt man gewöhnlich das so
eben besprochene Herbita zu suchen.
Weiter abwärts liegt tinks vom Salso auf einem steilen Granitfelsen der
Ort Gagliano, in dem man das von Morges gegründete Galaria vermuthet.
Auf dem Hochlande , das den Salso vom Dittaino trennt , lag in der Nähe
des südlicheren der beiden Flüsse auf einer Anhöhe die Stadt As so res, das
' Siketerstiidte der mittleren Gruppe. 67
jetzige Asaro , ein kleiner , elender Ort in der Nahe des grösseren Leonforte.
Assoros, das zur Zeit des Dionys nicht die letzte Stelle unter den sikeliscben
Städten einnahm, war, als Cicero Sicilien kennen lernte, bereits unbedeutend
geworden. Der ROmer erwähnt den Tempel des Flussgottes Ghrysas, der am
Wege von Assoros nach dem südwestlich gelegenen Henna stand. Wenn Fazell
noch drei grosse Bögen und neun Pforten dieses GebSludes am Fusse des Ber-
ges, auf welchem die Stadt liegt, erkannt zu haben meint, so kann er sich in
der Benennung dieser Ruinen getäuscht haben , wogegen seine Angabe , dass
von der alten Stadt noch Mauerstücke und ein vollständiges Thor erhalten sei^i,
nichl bezweifelt zu werden braucht. Houel fand auf der Spitze des Berges
noch acht Schichten der Mauern eines griechischen Tempels, die in eine Kirche
der heil. Jungfrau verbaut waren, und von der Kirehe des heil. Petrus, die nach
der Behauptung der Einwohner an der Stelle des alten Chrysastempels stehen
sollte, schienen ihm wenigstens die Fundamente antik.
Von Asaro und Leonforte leitet das Hochland von Santa Agata östlich nach
der Stadt S. FIlippo d'Ai^rö, über deren Identität mit der alten Sikelerstadt
Agyrion kein Zweifel obwalten kann. Wir fanden sie in den Sagen der Insel
als Ruhepunkt des Herakles auf seiner Wanderung durch Sicilien. Sie kommt
noch in der Geschichte des Dionys als bedeutend vor, wird durch Timoleon zu
einer hellenischen Stadt gemacht und wusste ihre Bedeutung, wenngleich in
geringerem Grade , auch In der Römerzeit zu behaupten. Der Kultus des He-
rakles, den später ein anderer aus dem Osten kommender Fremdling, der heil.
Philipp, verditingte, machte die Stadt berühmt, die ein Thor und einen von dem
Heros angelegten Teich von 4 Stadien Umfang nach Herakles benannte. Als
Agyrion seine Selbständigkeit schon lange verloren hatte , konnte es noch auf
seinen ausgezeichneten Mitbürger, den Historiker Diodor, und auf sein grosses
Theater stolz sein. Zu FazelFs Zeit befanden sich noch in dem Theile der Stadt,
welcher Lombardia benannt wurde und jetzt La Maldia heisst, Trümmer grosser
Quaderbauten, Ueberreste aus dem Alterthum. Von der Spitze des Kegeis von
Argirö gewahrt man ein Meer von Bergen verschiedener Höhe, viele mit Städten
und Schlössern gekrönt, welche einst die Wohnsitze der Slkeler waren: im
Westen das nähere Asaroj das entferntere Castrogiovanni , im Norden Nicosia,
Gagliano, Troina, im Osten Regalbuto und Gentorbi. Nur im Südosten öffnet
sich die Bergreihe und lässt die grline Ebene von Catania erblicken.
Wenn wir nun längs des Höhenzuges von gelbem Sandstein , welcher das
Tnal des Salso von einer Reibe sich nach dem Dittaino öffnender, grüner
Schluchten trennt, nach Osten hin fortschreiten, so kommen wir, 6 Millien von
Argirö, nach dem kleinen Orte Regalbuto, saracenischen Ursprungs, der in
fruchtbarer Gegend auf einem Hügel liegt. Hier, wenn nicht richtiger auf dem
Hügel S. Giorgio, zwei Meißen davon, muss das alte Ameselon gestanden
haben, das Diodor zwischen Agyrion und Kentoripa setzt. Noch weiter abwärts
finden wir , nicht gar fem von dem Punkte, wo der Kyamosoros sich mit dem
Hadranios vereinigt , also unfern auch vom Aetna , dessen gewaltige Masse sich
dem von Regalbuto Herkommenden beständig darstellt , die kleine Stadt Gen-
torbi. Sie nimmt den schmalen Rücken eines hohen und schwer zugänglichen
Berges ein , von dem man eine weite Aussicht über das umliegende Land hat.
5*
68 Erstes Buch. IV/Die^ürefnwohner.
Die an die Hauptstrasse des Ortes sich anschliessenden Strassenarme sind
durch tiefe Abgründe von einander und von jener getrennt , und man hat die
Gestalt der Stadt mit einem fünfspitzigen Sterne verglichen. Eine der Spitzen
erstreckt sich nach Norden zum Salso , die zweite nach Nordwesten giBgen Re~
galbuto , die dritte nach Süden zum Dittaino , die vierte flussabwSirts in der
Richtung auf das entferntere Vorgebirge S. Groce, das deutlich hinter der wei-
ten Ebene von Gatania sichtbar wird, und die fünfte nach Nordosten, dem
Aetna gegenüber, auf das hoch gelegene, etwa i^/2 geogr. Meilen entfernte
Ademö zu, dessen (järten ihren Duft herübersenden, und das dennoch durch
die Reise eines halben Tages von Gentorbi getrennt ist. Dies ist das alte Ken-
toripa, das bereits von Thukydides als Sikelerstadt bezeugt ist. Noch zur
Zeit Cicero^s war es ein bedeutender und wohlhabender Ort, dessen Einwohner
auch ausserhalb seines Gebietes Landbau betrieben und den Römern beson-
ders anhänglich waren. Nach Fazell waren im 16ten Jahrhunderte noch sehr
ansehnliche Ueberreste der aus Quadern erbauten, mächtigen Stadtmauer vor-
handen, und nicht wenige Ruinen haben sich auch seitdem noch erhalten,
welche zeigen, dass die alte Stadt sich viel weiter über die Terrassen des Ber-
ges erstreckte , als die heutige. Unter den Trümmern und besonders in den
zahlreichen Gräbern sind unendlich viele, jetzt überall hin zerstreute AlterthU-
mer , wie Vasen , geschnittene Steine , Thonfiguren und dergleichen gefunden
worden : ein Beweis der Kunstliebe und wohl auch der Kunstfertigkeit der
Einwohner.
In südwestlicher Richtung von Caitorbi ragt rechts vom Dittaino 720 Meier
hoch der Berg Judica empor , welcher Ruinen einer alten, offenbar sikelischen
Stadt trägt. Sie könnte das nicht gar weit von Agyrion entfernte Morgantion
gewesen sein.
Wenn wir uns nun wieder nach Osten wenden und den Simeto über-
schreitend den Südabhang des Aetna betreten , so finden wir die sikelischen
Orte Hybl a uiid Inessa , die nach Thukydides zwischen Ken toripa und Ka-
tana lagen. Den Namen Hybla trugen drei alte sicilische Städte ; das ätnäiscHe
- Hybla ist dasjenige, welches einen von den alten Schriftstellern in. verschiede-
j^er Weise angegebenen Beinamen führte, der bei Thukydides Geleatis, bei
?wsanias Gereatis lautet, und in welchem man mit Recht eine. Beziehung auf
die Galeoten erblickt hat, die als Bewohner von Hybla und zu gleicher Zeit als
wdis98gende ApoHodiener galten. Dies Hybla Scheint an der Stelle der Bui^
d^AihcsuUgen Patemö , die Graf Roger 1 073 während der Belagerung Gatania 's
aM&steitettt Felsen am Simetö gründete, gelegen zu haben. Die Lage von Inessa,
disinticb .4er > Vertreibung des syrakusanischen Tyrannen Thrasybul unter dem
Nadn^iA^nti (griechisch und durch Duketios wieder sikelisch wurde, ist nicht
$0)j^Da«i'jKUj bestimmen. Wenn es, wie Strabon sagt, 80 Stadien von Katana
«Dtlordtiwaft'i/^olkann es nicht das nördlich von Paternö gelegene S. Maria di
IiicMiaiig^^'^seiiiiiseini, wofür es Manche gehalten haben. Man könnte an B^—
p(asso.-)öall)^bxiYiOn/Paten»ö denken; Schubring nimmt Givita , zwischen Paternö
u{|4:UfQ(iif>y)aii>i;^0il$ic^iinannigfache antike Trümmer finden.
wiih'i^ß^^h ^M)t^ltet^fnoQb. die Queligebiete des südlichsten Symaithosarmes,
di^{Sffy(kes)i(6uniiilJonga)>leiTOiAnzahl nicht unwichtiger, sikelischer Städte, so-
Sikelerstfidtd der mittleren Gruppe. 69
i;vie einen der Mittelpunkte des Kultus der Sikeler. Von den drei hier in Be-
tracht kommenden QuellilUssen ist bei dem nördlichsten, dem F. Gabelle, nur
zu erwähnen, dass links von demselben sich % Miliien östlich von der Bergstadt
Aidone auf dem Berge Gitadella antike Ruinen finden , die nach Cluver der in
der Geschichte wenig vorkommenden Stadt Ergetion oder Sergention ge-
hören würden. Dem Thale des nächstfolgenden, des F. Tenchio, w^tlrde dagegen
die antike Stadt Imachara angdiört haben, wenn sie, was von Manchen an-
genommen ist, das heutige Imbaccari oder Mirabella, das südöstlich von Piazza
auf dem Gipfel eines Hügels liegt, gewesen sein sollte. Eine grosse Bedeutung
hatte endlich das Thal des dritten und südliehsten der Quellarme des Gumalonga
durch eine Anzahl von Städten , welche sich um das alsbald zu besprechende
Heiligthum der Paliken gruppirten. Da lag auf einem Berge in der Nähe dessel-
ben, nach Kallias 90 Stadien vom Gebiete Gela^s entfernt, Eryke, das man in
den Ruinen auf dem Berge Gatalfano bei Caltagirone wiederfindet. In derselben
Gegend müssen wir auch Neai suchen, eine sonst un1>ekannte Stadt, die aber
der Geburtsort des Sikeierfürsten Duketios war und von ihm unter dem Namen
Palike aus dem Gebirge in die Ebene verpflanzt wurde. Palike, das man auf
dem Hügel La Rocca vermuthet, bestand nicht lange ; ob aber nach seiner Zer-
störung die Einwohner wieder an die alte Stätte zurückkehrten , vermögen wir
nidit zu sagen. Gewöhnlich hat man ohne irgend welchen Grund Neai ver-
wechselt mit dem von Duketios gegründeten Menai oder Menainon, dem
heutigen Mineo , das auf einem hohen Berge unfern vom Flusse liegt und noch
manche Ueben*este des Alterthums enthält. Neai war eine von Menai verschie-
dene Stadt. Es giebt in dieser Cregend so viele Spuren antiker Wohnsitze, dass
man, weit entfernt, mehrere Namen auf denselben Ort beziehen zu müssen,
sich vielmehr in Verlegenheit befindet, sie alle zu benennen. Schliesslich würde
noch demselben Plussgebiete das alte Echetla angehören, wenn Cluvei* Recht
hatte, es in dem 4693 durch ein Erdbeben zerstörten und seitdem nicht wie-
der aufgebauten, neben Granmichele gelegenen Oi*te Occhiola zu sudien. An-
dere halten es für das weiter östlich gelegene Vizzini. Echetla, dessen Pflug-
sterze bedeutender Name nicht die Meinung erwecken muss, dass der Ort
griechischen Ursprungs war,* wird zur Zeit Hieron's H. als zwischen syrakusa-
nischem und karthagischem Gebiete liegend bezeichnet.
An diese mittlere Gruppe der Sikelerstädte schliessen wir zunächst die
südliche. Sie umfasst die Städte , welche den Gebieten der dem Mte. Lauro
oder seinen Vorbergen entspringenden Flüsse angehören. Diese Gegend ist, wie
wir bald genauer sehen werden , reich an Spuren des Alterthums und höchst
wahrscheinlich des sikelischen ; dennoch will es nicht gelingen, hier mit einiger
Wahrscheinlichkeit viele sikelische Städte nachzuweisen. Manche dieser Thäler
sind freilich so vollständig von den Griechen in Besitz genommen worden, dass
es nicht zu verwundem ist, wenn das Andenken an die Sikeler ganz verdrängt
wurde.
Wenn Xuthia , eine nach Xutbos, dem Sohne des Aiolös benannte Stadt,
sikelisch war, was nicht ganz sicher ist, so würde sie hier zuerst zu nennen
sein, da Xuthos in der Gegend von Leontini geherrscht haben soll. Ihre Lage
ist ebenso unsicher,- wie die von Herbessos, einer Stadt, welche durch ihre
- r-
70 Erstes Buch. IV. Die Ureinwohner.
Namengleichheit mit einem sikanischen Orte in der Gegend von Akragas als
sikelisch bezeugt ist. Da im Jahre 2 1 4 vor Chr. zwei Karthager, Hippokrates
und £pikydes, in einer Nacht von Leontini nach Herbessos gelangten , so kann
es nicht gar fem von jenem Orte gewesen sein. Pazell und die meisten Neueren
suchen es in der für die Grotten von Pantalica, von denen bald die Rede sein
wird, vorauszusetzenden Stadt, die oberhalb Sortino's zwischen zwei Schluch-
ten, nördlich vom Anapos, lag. Patazzolo, wohin Gluver es versetzen wollte,
hat sich inzwischen als das alte Akrai erwiesen, das übrigens selbst, ehe es
griechisch wurde, sikelische Einwohner gehabt haben muss. Ebenso ist sicher
das auf einem in Form eines Vorgebirges zwischen den Quellen des F. di Noto
oder Falconara emporragenden Felsen gelegene alte Noto, das seit dem grossen
Erdbeben von 1 693 ganz verlassen ist, da die Einwohner sich weiter östlich in
der Ebene angesiedelt haben, das Nee ton der Alten, eine Stadt, die zwar erst
zu Hieron's II. Zeit vorkoinmt, schon damals aber eine solche Bedeutung hatte,
dass die Römer es für angemessen hielten, sie gleich Messana und Tauromenion
zum Range einer verbündeten Stadt zu erheben, ursprünglich sikelisch gewe-
sen. Bedeutend war auch .Heloros, dessen Ueberreste von Fazell nördlich von
der Mündung des gleichnamigen Flusses, des heutigen Abisso , nachgewiesen
worden sind. Skylax z2)hlt es sogar in der Reihe der Griechenstädte auf, zu
denen es keinenfalis von Anfang an gehörte. Seine Wichtigkeit bezeugt der
Name des Helorinischen Weges, den die von Syrakus nach Süden führende
Strasse trug. Weiter westlich finden wirModica, das alte Motyke, das, wenn
auch vielleicht von Phöniciem gegründet , doch bald sikelisch wurde. Modica
liegt an dem Vereinigungspunkle von drei tiefen Thälem und nimmt auch die
Höhen ein, auf welchen die Stadt der sikelischen Urbevölkerung ausschliesslich
lag. Noch weiter westlich, in der Nähe des heutigen Ghiaramonte, haben wir ein
zweites Hybla zu suchen: Hybla Heraia, das in den Itinerarien eine Station
zwischen Akrai und Galvisiana, einem westlich von Akrai gelegenen Orte, bildet.
Dass endlich im Thal des Gelaflusses , des F. di Terranova, Sikeler wohnten,
beweist , was wir oben über die Bedeutung, des Namens Gela gesagt haben.
So wird denn Maktorion sikelisch gewesen sein, ein Ort, von dem in der
Geschichte der Stadt Gela die Rede ist, und den man bald in Mazzarino, bald
in Butera gesucht hat; ich möchte es für Gastelluzzo, nördlich von Terranova,
halten.
Nicht wohl auszumachen ist, wo die Sikelerstädte Bidis und Ichana
lagen. Jenes war nicht weit von Syrakus, scheint jedoch mit dem Thale S. Gio-
vanni del Bibino, wohin Cluver es versetzt, nichts zu thun zu haben; diesem
könnten vielleicht die Ruinen unweit der Insel Vindicari nördlich vom Pachynos
angehören, die Fazell Imachara zuschrieb.
Noch manche Sikelerstadt mag in diesem Theile der Insel gestanden haben,
deren Namen die einzigen Spuren, die an sie erinnern, die Höhlengräber, nicht
verrathen.
Wir wenden uns nun zur nördlichen Gruppe der Sikelerstädte , wenn an-
ders die ziemlich zerstreut liegendem Orte unter einer solchen Bezeichnung zu-
sammengefasst werden dürfen. Den Uebergang mögen zwei Städte machen,
welche dem obersten Theile des Flulssgebietes des südlichen Himera angehören.
Nördliche Sikelerstädte. 7 1
Es ist zunüchst Petra, das in den alten Schriftstellern nur wenig erwähnt
wird. Wir finden es in dem jetzigen Petralia Soprana wieder, einem Orte, der
auf einer Höhe zwischen Gangi und Polizzi nahe der Quelle eines der Himera-
arme liegt. Nicht weit von Petralia nach Osten steht sodann, 2 Millien von der
heutigen Stadt Gangi, das Kloster des heil. Benedict, errichtet auf den TrUm-
mem eines älteren, von Friedrich II. zerstörten Gangi, in welchem. eine alte
Tradition jenes Engyon sieht, das als Ruhepunkt der Kreter in Sicilien und
Sitz des kretischen Kultus der Mütter berühmt war. Dass Engyon im Norden
der Insel gelegen haben muss , beweist der Umstand , dass es zu Timoleon's
Zeit denselben. Herrseber mit ApoUonia hatte ; und die von Diodor gegebene ,
Nachricht, dass Engyon von einer in der Stadt selbst entspringenden Quelle den
Namen erhalten habe, passt vollkommen auf die Stätte des genannten Klosters,
wo sich eine der Quellen des Himera befindet. Nur passt die weitere Angabe
Diodor's nicht, dass Engyon von Agyrion 100 Stadien entfernt sei. S. Filippo
dArgirö und Gangi sind direkt statt 2^2 gcograph. Meilen 5, statt 400 Stadien
^00 von einander entfernt. Die übrigen Sikelerstädte der Nordgruppe gehören .
fast alle dem Nordabhange der Insel an. Die westlichste möchte Paropos ge-
wesen sein , das nicht gar weit von den Himeräischen Thermen lag und in der
Geschichte der punischen Kriege vorkommt. Es wird in den Ruinen bei GoUe-
sano vermuthet, die westlich von. der Stadt dieses Namens auf einem Hügel
an der Quelle des kleinen Flusses ftoccella liegen. Weiter nach Osten fortschrei-
tend, finden wir die am Fusse eines steilen, über 200 Meter hohen Vorgebirges
liegende Stadt Cefalü. Uralte Ueberreste, von denen ich bald sprechen werde,
hezeugen, dass schon im früheren Alterthum sowohl die vorspringende Anhöhe
wie- auch das vonr ihr beherrschte Meeresufer bewohnt waren. Hier lag also
das alte Kephaloidion, das, wenn es auch, wie nicht unwahrscheinlich ist,
zuerst von den Phöniciem angelegt sein sollte, doch, seit dieses Volk sich weiter
im Westen concentrirte, nur von Sikelem bewohnt gewesen sein kann. Später
beschränkte man die Stadt auf die Höhe des die Küste überragenden Felsens;
an ihrer heutigen Stelle steht sie erst wieder seit König Roger. Mehr landein-
wärts lag Amestratos oder My tistraton ^» wenn, wie ich nicht bezweifle,
diese beiden Namen denselben Ort bezeichneten — das nicht ganz unbedeu-
tend war , obwohl es bisweilen nur Kastell oder Städtchen genannt wird ; es
ist das heutige Mistretta, das hoch zwischen Bergen nahe dem Flusse Reitano
liegt. Weiter östlich haben wir das schon oben erwähnte Apoll onia zu
suchen. Diese erst in Timoleon's Zeit vorkommende Stadt scheint trotz ihres
griechischen Namens eine Sikelerstadt gewesen zu sein, vielleicht allerdings
späterer Gründung. Nach Stephanos von Byzanz lag es in der Nähe von Alon-
tion. Daher suchte es schon Gluver am Flüsse Foriano, und Schubring setzt es
nach dem zwischen Acqua dolce und S. Fratello sich erhebenden M. S. Fratello,
dessen rings abschüssiger Gipfel in Mauerresten , Brunnen und Inschriften die
deutlichen Spuren einer antiken Stadt trägt. Nun folgen die Sikelerstädte Aga-
thyrnon und Alontion. Dies letztere schildert Cicero als auf einem steilen
Berge liegend, den Yerres zu bequem war zu ersteigen. Man hat eine Inschrift,
in welcher von dem Municipium der Aluntiner die Rede ist, in dem heutigen
S. Marco gefunden , das sich östlich vom Flusse Rosamarina auf einer steilen
72 Erstes Bach. IV. Die Ureinwohner.
Höhe, welcher das Wasser durch einen noch in Ruinen vorhandenen Aquädukt
zugeführt werden ronsste, erhebt, so dass sich dieser Ort als das alte Alontion,
dessen hohes Alter durch sein Vorkommen in der Aeneassage bezeugt ist^
erweist. Agathymon, das sich durch seinen von einem Sohne des Aiolos her-
geleiteten Namen deutlich als Sikelerstadt kundgiebt, soll von Tyndai-is 28 — HO
MiUien entfernt gewesen sein. Ueberdies bezeugen Phnius undTtolemaios, dass
es östlich von Alontion lag. Wir werden es ein wenig westlich vom Gap Or-
lando tvL suchen haben , an einem S. Martine genannten Orte, wo sohon Fazell
kaum noch einige wenige Ueberreste bemerkte. Nodi weiter nach Osten^ süd-
lich von der Bucht von Oliveri , finden sich im Innem«des Landes neben den
Mauern der Stadt Tripi nicht unbedeutende RiHnen , welche man für die 6er
alten Stadt Abakainon hält. Abakainon muss in dieser Gegend gelten
haben, da es einerseits mehrmals bei Belagerungen von Messana genannt wird
und andererseits im Gebiete dieser Stadt die Messaner Tyndaris gründeten, das
nicht weit von Tripi entfernt ist und Abakainon allmählich in den Schatten stellte.
Dass noch weiter östlich in dem Gebirge oberhalb Naxos Sikeler wohnten^
zeigt die Geschichte der ersten Expedition der Athener nach Sicilien, wahrend
welcher Naxos durch solche Sikeler befreit wurde. Sonst ist der einzige Name^
der noch einer Sikelerstadt des Nordostens angehören könnte, der von Tissa,
einem kleinen Orte , den man gewöhnlich für das heutige Randazzo am Cantara
halt. Dies wäre dann zugleich der einzige bekannte antike Ort im schönen
Thale dieses Flusses.
Wenn ich hier nicht ausschfiesslich von den alten sikeliscben Orten zu
reden hätte, wobei natürlich die, welche alt sein können, nicht ausgeschlossen
sind , so würde ich zwei wichtige Sikelerstädte des NordenS noch genauer zu
besprechen haben: Kalakta und Alaisa, deren spätere Gründung beweist, dass
die Sikeler die Vorzüge dieser von den Griechen ziemlich veinachlKssigten
Küste wohl zu schätzen wussten.
Es ist jedoch die Aufzählung der hier in Betracht kommenden Städte noch
nidbt vollendet. Ich habe eine derselben, die in mancher Beziehung die wich-
tigste von allen war, bis jetzt übergangen , weil sie nach Lage und Bedeutung
eine centrale Stellung, nicht sowohl unter den Sikelem, als auf der Insel über-
haupt, einnimmt. Es ist Enna oder richtiger Henna, der Nabel Siciliens^
für die Sikeler' eine Grenzstadt, den Sikanern gegenüber. Diese Stadt, das
heutige Gastrogiovanni — ein aus castrum Ennae umgebildeter Name — hegt
als der höchste bewohnte Ort der Inseh 3049 Fuss über dem Meeie auf der
Höhe eines schwer zugänglichen Berges, über eine sehr unebene Flädie von
mehr als 1 Mill. Länge ausgestreckt. Der höchste Theil ist der Burgfelsen im
Norden , der sich dem durch eine tiefe Schlucht von Castrogiovanni getrennten
Calascibelta entgegen, steil über die Stadt, etwa 20— 40 Fuss, erhebt, und
eine prachtvolle Aussicht über einen grossen Theil der Insel gewährt. Nach
W^esten erblickt man die Berge von Cammarata und Sutera ; im Nordwesten
zeigt sich die kegelförmige Spitze des S. Calogero bei Termini. Die Berge im
Norden ziehen sich in zwei langen parallelen Reihen hin, von denen die nörd-
lichere links den hohen Gipfel von Petralia oder Gangi , rechts den Monte Arte*
sino enthält. Im Osten sieht man eine Anzahl von H^hen verschiedener Gestalt
Henna. 'Trtnakia. 73
jede von einer Stadt gekN^nt , Leonforte, 'Asaro, S. Filippo, Centorbi, Trohia,
und dahinter den gewaltigen Kegel des Aetna. Nach Süden dehnen sich die
Hentiftischen Gefilde aus, die mit ihren jetzt kahlen Hügeln den berühmten See
Pergns einsohliessen y un<l hinler ihnen senkt sich das Land aUmühlich zum
Meere hinab, das Bussierre am Horizonte glänzen sieht. Man gewählt, wie der
Mlirquis von Ormonde sagt , von der Hohe Henna'^s aus nichts als Berge hinter
Bergen, gleich den Wogen des Oceans während eines Sturmes. Die Stadt birgt
selbst in den heissesten Monaten Wasser in ihren Brunnen. Henna wurde von
den Syrakusanem kolonisirt, aber es ist deswegen durchaus nicht für eine Seht
griechische Stadt zu halten. Nur ein einziges Mal im ganzen Verlauf der Ge-
schichte erscheint es als hellenisches Gemeinwesen, in der Mitte des 6. Jahrhun-
derts vor CikT, — und spater, zur Zeit des Dionys, wird es ausdrücklich unter
die Sikelerstttdte gerechnet. So wie nun überhaupt die Griechen sich in SicUien
an wenig Orten niederliessen, die nicht schon vx)rher von anderen Volkei*schaf-
ten besetzt gewesen wären , so ist ganz besonders bei der herrschenden Lage
von Henna und seinem eigentbümltdien Reicfathum an Trinkwasser anzuneh-^
nien , dass dieser Punkt bereits vor der Ankunft der griechischen Kolonisten
Bewohner hatte, die nur Sikeler gewesen sein können. Unmöglich hätte eine
winzige griechische Niederlassung, die Thukydides nicht einmal der Erwähnung
werth gehalten hat, dem Orte die Bedeutung geben können, die er später
besass, und die namentlich in religiöser Beziehung gross war.
Und nun bleibt uns nur noch eine Stadt zu erwähnen, von deren Lage wir
nichts sagen können, weil sie nur in älterer Zeit von Bedeutung war und schon
früh zerstört wurde. Es ist Trinakia, von dem es bei Diodor heisst, dass es
stets den ersten Rang unter den sikelisehen Städten eingenomn>en habe. Die
S>rak]]saner eroberten und zerstörten es in der Mitte des 5. Jahrh. vor Chr.
Es ist nicht einmal ipöglieh zu entscheiden, ob zwei von späteren Schriftstellern
genannte Orte ähnlichen Namens etwa mit Trinakia als identisch zu betrachten
sind: Tyrakinai, das Stephanos eine kleine, aber wohlhabende Stadt nennt,
und Tiracia, das Plinius erwähnt. Möglich wäre es ja immerhin, dass später
einige Bewohner sich an der alten Stätte eingefunden hätten.
Die bisher genannten Städte blieben mit. wenigen Ausnahmen auch noch
nach der Ankunft der Griechen auf der Insel sikelisch. Wenn wir uns aber
eineci Ueberblick über die Macht und die Wohnsitze der Sikeler in der vor-
griecfaischen Zeit verschaffen wollen, so dürfen wir nicht übersehen , dass da-
mals auch die Ostküste von Sikelem besetzt war. Sikeler wohnten in Zankle,
dessen vortreffliche Lage sie freilich kaum zu würdigen gewusst haben ; Sikeler
hatten , wie sie auch später noch wohl im Gedächtniss behielten , die Stätten
inne, wo die Griechen Na^os und Tauromenion erbauten ; Sikeler wohnten an
den Orten , die durch die Griechen unter den Namen Megara und Leontini be-
rühmt wurden — jenes hiess Hybla, der dritte der Orte dieses Namens — ;
Sikeler mussten endlich von Ortygia vertrieben werden , als Archias sich mit
seinen Korinthem dort niederlassen wollte.
Auffallend ist, dass während das Symaithosthal mit einer Reihe blühender
Städte prangte , das des südlichen Himera so wenig nachweisbare Wohnsitze
a:ithäll. Es scheint fast, dass weder Sikeler noch Sikaner recht wagten, dies
74 Erstes Buch. IV. Bie Ureinwohner.
Grenzgebiet sich zu eigen zu machen. Noch heutzutage ist die Zahl der Städte
dieses Thaies einp yerhdltnissmdssig geringe.
Auf welcher Bildungsstufe befand sich nun das Volk der Sikeler um 'das
achte Jahrhundert vor Chr. ? Wenn, bei dem Mangel an Nachrichteu Über die
älteste Geschichte Siciliens, wenigstens die der Niederlassung der Griechen auf
dieser Insel einigermassen ausführlich Überliefert wäre, so rottsste sich daraus
ein ziemlich genügendes Bild der Kultur der Sikeler gewinneu lassen. Leider
sind jedoch nur die dürftigsten Grundzüge davon erhalten, und die einzige be-
stimmte J^achricht über ihren Zustand in dieser Zeit besteht darin, dass ihnen
trotz des kriegerischen Rufes , in dem sie standen , Sdiwäche und Ohnmacht
den Griechen gegenüber zugeschrieben wird. Da müssen wir es denn als einen
sehr glücklichen Zufall betrachten, dass sich in einem Excurs des Polybios über
die Grüpdung von Lokri einige Nachrichten über die Sikeler finden , auf deren
Grund und Boden diese Stadt angelegt wurde. Als die Griechen dort ankamen,
wurden sie von den Sikelem freundlich aufgenommen , und diese gestatteten
ihnen, sich auf ihrem Gebiete niederzulassen. Die Griechen schworen, Frieden
und Freundschaft mit den Sikelem zu halten , »so lange sie auf dieser Erde
stünden und Köpfe auf ihren Schultern trügen «. Die Treulosen hatten aber
Erde in ihre Schuhe gethan und Knoblauchkopfe auf ihren Schultern versteckt
und glaubten nun das Recht zu haben, nach einiger Zeit die nichts Btfses ahnen-
den Sikeler zu vertreiben. Diesem so schmählich gistäuschten Volke entlehnten
die Lokrer verschiedene religiöse Gebräuche, und unter anderen den einer
jährlichen Prozession , bei der in feierlicher Weise eine Opferschale getragen
wurde. Träger war bei den Sikelem ein Jüngling gewesen , die Lokrer be-
trauten eine vornehme Jungfrau mit dem Amte. Aus dieser Erzählung lässt
sich der wichtige Schluss ziehen, dass die Sikeler nicht sehr hinter den Griechen
des achten Jahrhunderts in der Bildung zurückgestanden haben können, da
sonst eine Entlehnung sikelischer Religionsgebräuche undenkbar wäre. Was
aber von den italischen Sikelem gilt , muss nicht minder von ihren sicilischen
Landsleuten angenommen werden , bei denen überdies ähnliche Schltlsse aus
dem Umstände zu ziehen sind, dass in einigen Städten eine Zeit lang Hellenen
imd Sikeler vereinigt wohnten.
Wie die Sikaner, von denen es ausdrücklich überliefert ist, werden somit
die Sikeler ein ackerbautreibendes Volk gewesen sein. Nach Aristoteles hätte
der König Italos, der bei Thukydides Beherrscher der italischen Sikeler ist, sein
Volk vom Hirtenleben zum Landbau hinübergeführt; von demselben stammten
femer verschiedene bürgerliche Einrichtungen, und unter anderen gemeinschaft-
liche Mahlzeiten , ähnlich den kretischen , die sich bei einzelnen Stännmen der
Nation noch lange Zeit erhielten. Ob solche Syssitien auch in Sicilien anzuneh-^
men sind, vermögen wir nicht zu sagen; für die Liparischen Inseln sind sie
wahrscheinlich, £s versteht sich von selbst, dass die Sikeler da, wo der Boden
es begünstigte, auch die Viehzucht betrieben, die schon in den Sagen als eine
Hauptbeschäftigung der Bewohner Siciliens erscheint.
Der unmhige Wandergeist, die wilde Kriegslust, die sie getrieben hatte,
im Gefolge der Etmsker auf den Meeren zu schwärmen, hatte sich offenbar seit
der Ansiedlung auf Sicilien fast vollständig gelegt. Dass sie nicht ganz un-
KuUar der Sikeler. Religion. Pauken. 75
kriegerisch geworden waren , wie die Nachrichten über die Landung der Grie-
chen im 8. Jahrhundert es vermuthen lassen könnten, zeigen sowohl ihre spfltei^
Geschichte , als auch Berichte über eine besondere Art der Heeresaufstellung,
die ihnen zugeschrieben wird.
Im Innern muss der Handelsverkehr bereits eine gewisse Ausdehnung er-
langt haben, da wir bei den Sikelem, wie bei den verwandten italischen Völ-
kerschaften das Kupfer als Tauschmittel 6nden. Es wurde gewogen. Die Ein-
heit, das Pfund, das jedoch nur zwei Drittel des römischen Pfundes ausgemacht
zuhaben scheint, hiess, dem italischen libra entsprechend, litra. Dia litra
zerfiel, wie das römische as, in zwölf uncien.
Ihre Städte lagen, wie wir sahen, mit Ausnahme weniger früh an die
Griechen übergegangenen Küstenpunkte , wie die der Sikaner auf Bei^ipfeln,
zum Theil auf recht schwer zu ersteigenden. Es war das BedUrfniss der Ver-
theidiguog, das sie dort sich vereinigen liess. Von da werden sie dann, wie
noch heutzutage die Bewohner derselben Orte, früh Morgens meilenweit aus-
gezogen sein , das Land zu bestellen , um Abends ermüdet die sicheren Woh-
nungen auf hoher Felsspitze zu erreichen. Nur die Hirten mögen auch in ge-
fährlichen Zeiten in den über das Land zerstreuten Weilern ein nächtliches
Obdach gefunden haben.
Die sich aufdrängende Frage nach der Beligion der Sikeler lässt sich nicht
leicht und einfach beantworten, da fast alle bestimmten Angaben darüber fehlen.
Und doch ist es für ein gründliches Verstfindniss der Geschichte des alten Sici-
liens, die auf der Wechselwirkung der drei Elemente, des sikelischen, orienta-
lischen und hellenischen beruht, unumgänglich nothwendig, den Beitrag,
welchen ein jedes derselben auch zu der Kultur der Insel geliefert hat, zu
kennen. Wir haben deshalb die Pflicht, die mangelhaften Nachrichten über die
Religionsverhnltnisse der Sikeler durch in der Sache begründete Combinationen
zu ergänzen.
Mit völliger Bestimmtheit erscheint zunächst als sikelisch der Kultus der
Paliken.
Die Paliken sollen zwei Brüder gewesen sein, Söhne des Zeus und der
Nymphe Thalia, nach Anderen des Hephaistos oder des Hadranos und der
Aetna. Vor ihrer Geburt in die Erde verborgen, gingen sie im Augenblick der-
selben daraus hervor. Ihre Verehrung knüpfte sich an eine eigenthümliche
Naturerscheinung, mit Wasser gefüllte Krater von nur geringem Umfang, aber,
wie es- hiess, unermesslicher Tiefe, aus welchen das heisse Wasser hoch auf-
brauste und Funken hervorzuschiessen schienen. Sie liefen jedoch niemals
über. Das Wasser verbreitete einen starken Schwefelgeruch ; es war unrein
und glich unten einem weissen Schlamm. Nach einer Nachricht wurde es
6 Ellen hoch aufgeworfen. Ein Gewölbe, das sich an diesem Orte befand, hatte
überdies dieselben Eigenschaften wie die berühmte Hundsgrotte bei Neapel.
Wenn man dort umherging, empfand man nichts Unangenehmes, so wie man
sich aber hinlegte, erstickte man. Diese den Paliken gehörenden Krater hiessen
Belli, welcher Name auf das Sieden des Wassers hinzudeuten scheint. Sie
wurden auch die Brüder genannt, eine Bezeichnung, mit welcher ursprünglich
die Paliken selbst belegt wurden , und die später seltsam genug so aufge-
76 Erstes Buch. IV. Die Oreinwoliner.
fasst worden ist , wie die alten Berichterstatter es darstellen , als sollten die
Krater die Brtlder der Paliken sein , während diese doch nicht« anderes als die
Gottheiten der Krater waren. Diese Krater befanden sieh unterhalb der Stadt
Eryke, die wahrscheinlich bei Galtagirone lag, so dass Vergirs Angabe, dass
sie in der Mibe des Flusses Symaithos gewesen wären, von diesem Flusse in
seiner weitesten Ausdehnung zu verstehen ist.
Auch heutzutage tragen die Krater der Paliken noch ungefähr denselben
Charakter wie im Alterthum. Nahe dem Weiler Favarotta, 3 Millien von Pala-
goni» und vier von Mineo, befindet sich der Lage Naftia oder FeUa, ein Teich
von runder Gestalt, dessen Grösse mit den Jahreszeiten wechselt, und der im
Sommer bisweilen ganz austrocknet. Sein gewöhnlicher Durchmesser wird zu
60 — 70 Yards, seine durchschnittliche Tiefe zu 15 Fuss angegeben. In ibiu
befinden sich drei kleine Krater, von denen zwei das Wasser i, — 3 Fuss hoch
auswerfen, der dritte zu einer geringeren üöhe und nur in Zwischenräumen.
Der ganze See gleicht einem siedenden Kessel, wegen der Menge von Blasen, die
an die Oberfläche steigen. Das trübe und grünliche Wasser ist von gewöhn-
licher Temperatur. Die Luft ist von einem starken Asphaltgeruch erfüllt. V(%el
fliegen nicht über den See ; kleinere Thiere, wie Kaninchen, Hasen, sterben,
wenn sie sich ihm nähern ; Ochsen und Pferde, in's Wasser getrieben, schnap-
pen ängstlich nach Luft; der Mensch wird von Kopfschment ergriffen. W>nn
der See trocken ist, findet man in der Mitte des Bodens mehrere Löcher von
grosser Tiefe, aus denen beständig ein warmer Wind hervorströmt, welcher
den Schlamm oder Sand, mit welchem sie etwa verstopft sind, emporhebt. Die
Umwohnenden nennen den See Donna Fetia ; eine Fee ist an die Stelle der Pa-
liken getreten. Man kann nicht verkennen, dass die heutiges Tages bemerkbaren
Erscheinungen dieser Gegend sich von denen, die das Alterthum von den Pali-
kenkratem erzählte , nur durch die geringere Heftigkeit , mit der sie auftreten ,
unterscheiden, sowie dass das Phänomen eine grosse Aehnlichkeit mit der Mac-
caluba bei Girgenti hat , von der es vielleicht nur durch die Lage in einer Nie-
derung verschieden ist.
Um diese Palikenkrater, welche des nicht immer gleich hohen Wasserstan-
des wegen auch mit den Ausdrücken Teiche oder Seen im Alterthum bezeichnet
werden, war ein heiliger Bezirk. Vielleicht stand doit ein Tempel , jedenfalls
ein Altar. Der Bezirk war ein Asyl für Sklaven, die die schlechte Behandlung
ihrer Herren nicht mehr zu. ertragen vermochten. Sie konnten hier in völliger
Sicherheit mit denselben verhandehi uod waren nur dann verpflichtet, den Zu-
fluchtsort zu verlassen, wenn ihre Herren eidlich gelobt hatten, sie in Zukunft
besser zu behandeln. Dieser Eid wurde bei den Paliken selbst geleistet und
war von solcher Heiligkeit, das kein Beispiel eines Treubruches von Seiten der
Herren, die ihre Sklaven von den Paliken wiedererhalten hatten, vorgekommen
sein soll. In dem heiligen Bezirke war durch Hallen tmd Herbergen dafür ge-
sorgt, dass Flüchtlinge Aufnahme fanden.
Auch sonst war es gebräuchlich, £ide, die eine besondere Kraft haben
sollten , bei den Paliken zu leisten. Vorzugsweise scheint man Rdnigungseide
bei ihnen abgelegt zu haben. Wer sich von einem ihm zur Last gelegten Ver-
brechen reinigen wollte, hatte sich, nur mit dem Chiton bekleidet, bdt^ränzt und
Paliken. Demeter. 77
einen Zweig in der Hand, an den Krater zu stellen, ihn zu berühren, den auf
ein Täfelchen geschriebenen Eid, den der Ankläger vorsprach, nachzusprechen
und endlich die Tafel in das Wasser zu werfen. Schwamm sie oben, so galt
der Eid als wahrheitsgemäss, und der Angeklagte war frei; sank sie unter, so
hatte er falsch geschworen und wurde für sein Verbrechen und seinen Mein-
eid bestraft. Der Schuldige wurde getMtet, — wie es heisst, verbrannt, d. h.
wahrscheinlich in den Krater der Pauken geworfen ; naeh einer anderen Nach-
richt war Verlust der Aug^i die Strafe des Meineides. Man hat vermuthet, dass
im Laufe der Zeit die ursprüngliche sprichwörtlich gewordene Strenge der Pa-
liken gemildert, und etwa spater an Stelle des Versenkens in den Krater die
Blendung getreten sei.
Dass der Kultus der Paliken den Sikelern eigen war, wird besonders da-
durch bewiesen, dass Duketios, der Vorkämpfer der sikelischen Unabhängigkeit
gegen die Griechen, im 5. Jahrh. v<fr Chr. seine neue Hauptstadt bei ihrem Hei-
ligthume gründete und nach ihrem Namen benannte. Es ist aber auch sonst
gerade in Italien ein Anknüpfen des Kultus an heisse Quellen , welche betäu-
bende oder jtödtliche Ausdünstungen verbreiten , nichts Seltenes. So werden
die Sikeler auch den Aetna in den Kreis ihrer Verehrung gezogen haben. Dass sie
den schon mehrfach erwähnten Gott Hadranos hoch verehrtai , ist ebenfalls ge-
wiss, und wir würden deshalb hier genauer von ihm zu sprechen haben, wenn
nicht die Vermuthung grosse Wahrscheinlichkeit hätte, dass er ursprünglich
eine orientalische Gottheit war. •
Wenn Ovid den italischen Faunus als Vater des Akis in die sicilische My-
thologie einführt, so könnte das , als dichterische Freiheit aufgefasst , vielleicht
nicht zu dem Schlüsse berechtigen, dass Faunus wirklich in Sicilien verehrt wiu*de.
Bedenken wir aber, dass er einen Tempel an dem Schwefelquell der Albunea bei
Tibur hatte , der in mancher Beziehung mit dem Palikensee verglichen werden
kann, so möchte doch einige Wahi*scheinlichkeit dafür vorhanden sein, dass jener
(lOtt, wenn auch vielleicht unter anderem Namen, auch den Sikelern bekannt
v^ ar. An sich ist es auch nothwendig, bei diesem Volke den Kultus von Wald-
und Feldgottheiten anzunehmen ; die Natur der Insel , die Beschäftigungen der
Einwohner und die Sagen von Akis und Daphnis weisen darauf hin.
W^enn aber die vulkanischen Kräfte der Erdg und die den Boden bedecken-
den Wälder und Wiesen ihre Gottheiten bei den Sikelern hatten, wie stand es
mit dem Kultus der fruchtbringenden Erde, mit der Verehrung der Demeter?
Ich glaube, dass die Sikeler auch diese Gottheit bereits verehrten. Gewöhnlich
wird freilich angenommen , dass der Demeterkult erst von den Griechen nach
Sicilien gebracht sei. Es wird als. Beleg hierfür abgeführt, dass Henna, in spä-
terer Zeit der Hauptsitz ((es Demeterkultus auf der Insel , als eine Kolonie von
Syrakus bezeichnet wird. Nun genoss aber Demeter in Henna eine so grosse
Verehrung , dass die Sage entstehen konnte , die hennäische Demeter sei die
älteste von allen , und überdies galt , wie wir wissen , die ganze Insel als in
besonders hohem Grade der Demeter geweiht. Wenn dies Alles von den
Griechen herstammte, so müsste nachgewiesen werden können, nicht blos,
dass in den grossen, acht griechischen Städten der Insel , welche auf das sike-
lische Innere Einfluss ausübten, Demeter in hervorragender Weise verehrt
78 Erstes Buch. IV. Die (Jreiu wohner.
wurde , -sondern auch , wo weiter rttckwäins , in der griechischen Heimat , die
Quelle dieses Kultus lag. Da findet sich denn nun , dass die Verehrung der
Göttin in Geia und Akragas durch mitgebrachte griechische Kulte ihre Erklärung
erhält ; aber es ist kein Zusammenhang zwischen diesem Demeterkult und dem
von Henna ersichtlich. Es käme vielmehr darauf an, zu zeigen, dass Syrakus,
welches Henna kolonisirte, seinen Demeterkult aus der griechischen Heimat
mitgebracht, und dass er schon hier an dem Orte, von wo ihn Syrakus erhielt,
eine der sidiischen wenigstens annähernd entsprechende Bedeutung gehabt
hätte. Aber woher sollte er dann stammen? AusKorinth sicherlich nicht, denn
in Korinth galt Demeter nicht viel. Aber , sagt man , es waren einige Jfegarer
unter den Grtlndem von Syrakus , und in Megara war die Gdttin hochgeehrt.
^ Wenn das megarische Element der syrakusanischen Bevölkerung, das nicht
liedeutend war, genügte , um in Syrakus den Demeterkult in so hohen Flor zu
bringen, wie kommt es, dass wir in einer rdfn megarischen Kolonie, in Seiinus^
nichts vom Demeterkult hören? Es soll keineswegs geläugnet werden, dass
diese Gottheit in Selinus verehrt wurde; es ist im Gegentheil höchst wahr-
scheinlich, dass es der Fall war ; aber da \%ir nie etwas davon hör^n, trotzdem
dass die Umgegend der Stadt einen trefiflichen Weizen hervorbrachte , so liegt
die Schlussfolgerung nahe, dass Demeter wenigstens keine hervorragende Stel-
' lung unter den in Selinus verehrten Gottheiten einnahm. ' Es ist also gewiss
mehr als bedenklich , einen Kultus , der in einer rein megarischen Kolonie von
geringer Bedeutung war, in einer Stadt, die nur wenige Megarer unter ihren
Gründern zählte, und wo derselbe nicht unbedeutend war, aus Megara her-
leiten zu wollen, zumal da sich daran die weitere Folgerung knüpft, dass der-
selbe Kultus in einer dritten Stadt, die wiederum nur wenige Syrakusaner auf
kurze Zeit zu Bewohnern hatte, und wo er noch grossartiger war, aus Syrakus
herstammen müsste. Das hiesse aus immer schwächer werdenden Ursachen
immer stärkere Wirkungen herleiten wollen.
Und warum soll Demeter nicht schon von den Sikelem verehrt worden
sein ? Warum soll gerade die Annahme nicht gellen, welche am einfachsten die
dauernd grosse Verehrung der Göttin auf der Insel erklärt? Die Sikeler waren
ein Volk griechisch -italischen Stammes; sie hatten ausgebildete Kultusge—
brätiche; sie Svaren ein friedliches, ackerbauti'*eibendes Volk ; weshalb sollten
sie die GöUin der fruchtbringenden Erde nicht verehrt haben? Wenn Herodot
sagt, dass der thesmophorische Demeterkult, derselbe, den wir auch in Syrakus
finden, der pelasgischen Urbevölkerung Griechenlands angehöre, dürfen wir
nicht nach den Begriffen , die wir uns von der Verwandtschaft der Sikeler mit
der ältesten Bevölkerung Griechenlands machen müssen, hierin eine Wahr-
scheinlichkeit dafür finden , dass auch bei den Sikelem Aehnliches der Fall
war? Es kommt noch hinzu, dass auch Unteritalien die Demeter hoch ehrte,
und doch lagen auch hier in den Stammreligionen der griechischen Einwan-
derer keine besonderen Motive ftlr diese Erscheinung vor. In Lokri war ein
berühmter Tempel der Persephone, und gerade Lokri hat nachweislich viel
Sikelisches beibehalten; auch an die lokrische Kolonie Hipponion knüpfen sich
Sagen vom Aufenthalte der Köre. So werden wir denn auch annehmen können,
dass, wenn wir nach alten , jedenfalls schon aus dem 5. Jahrh. vor'Chr. stam-
Demeter. Phönicier. 79
menden Münzen von Ahakainon hier Demeter verehrt finden , dieser Kult von
den Ureinwohnern der acht sikelischen Stadt herstammte.
Wenn wir sonach den Kultus einer der Demeter entsprechenden Gottheit
als sikelisch betrachten dürfen, so erweist sich uns im Allgemeinen die Religion
der Sikeler als eine Naturreligion mit weniger individualisirten Gottheiten, als
z. B. die Griechen sie hatten. Daher die geringe Zahl von Mythen.
Aus der Geschichte der Sikeler vor der griechischen Zeit ist fast nichts
bekannt , als was die schon mitgetheiiten Sagen enthalten können. Mit den
Sikanem, die sich vor ihnen zurückzogen , sollen sie auch spater noch um die
Grenzen — vielleicht um das Gelathal — Krieg geführt haben. Nach dem
Aussterben der Aeoliden , heisst es, brachen unter den Sikanem Bürgerkriege
aus,. während die Sikeler die Herrschaft den Besten übertrugen, d. h. zur Ari-
stokratie übergingen. Doch finden wir später in den einzelnen sikelischen
Städten Fürsten an der Spitze des Volkes.
Fünftes Kapitel.
Die Phonicler und die Elymer.
Zu den Völkerschaften pelasgischen Stammes, die von Italien her die Insel
besetzten und im Verhältniss zu den später Gekommenen als Ureinwohner zu
betrachten sind, gesellten sich zunächst Einwanderer aus dem Oriente. Es ist
unbestreitbar , dass die abendländische Kultur in mannigfacher Weise direkte
Einflüsse des Morgenlandes erfahren hat; aber es ist nicht überall möglich
gewesen, das Mass und die besonderen Umstände dieser Einflüsse mit Sicher-
heit nachzuweisen. Für Sicilien. sind wir dagegen im Stande, einen hierher
gehörigen wichtigen Punkt mit Bestimmtheit zu behaupten : die Einwandeming
der Phönicier, die dann noch mancherlei andere orientalische Einwirkungen
in ihreni Gefolge hatte.
In aflen drei Becken des Mittelländischen Meeres haben anfangs die Phö-
nicier einen bedeutenden Einfluss ausgeübt. Aber allmählich: und zwar schon
ziemlich früh , mussten sie im östlichen und mittleren Becken der Uebermacht
der Hellenen weichen y während sie im westlichen noch Jahrhunderte lang die
HeiTen blieben. Und dieses war auch von allen das wichtigste für sie, sowohl
dadurch, dass sie in ihm selbst, zumal in dem metallreichen Iberien, die be-
deutendsten Ziele für ihren Handel fanden , als auch weil es ihnen das Privileg
der Fahrt in den dahinter liegenden Ocean sicherte. Den Schlüssel des west-
lichen Theiles des Mittelmeeres bildete aber die Insel Sicilien.
Und im Alterthum war sie dies in noch viel höherem Grade als heutzu-
tage. Denn bei der Nothwendigkeit, die Küsten entlang zu fahren, musste man
die sicilischen Gewässer den gefährlicheren afrikanischen und der Fahrt um
das Gap Bon vorziehen. Es ist nun anzunehmen, dass anfangs, und so lange
als die Griechen sieh nicht in Sicilien und Italien niedergelassen hatten , die
Phönicier häufig genug auch durch die Meerenge von Messina fuhren. Allmäh-
80 Erstes Buch. V. Die Phönicier und Elymer.
lieh aber erlangte die Fahrt längs der SudkUste der Insel durchaus den Vorzug.
Hier befand man sich beständig in der Nähe der in den afrikanischen Kolonien
wohnenden Landsleute , zu denen man im Falle der Noth flüchten konnte. . So
wurde denn von den drei Spitzen der Insel besonders Pachynos und Lilybaioii
für die Ph(:^nicier wichtig ; jenes als der Punkt der Insel , welchen sie zuerst
berührten, wenn sie nach Westen fuhren , dieses, weil hier die nach Afrika,
Sardinien und Iberien bestimmten Flotten , weldie so weit in geschlqssenen
Massen fahren« konnten, sich theilen mussten. Von diesen zwei Punkten war
wiederum Liiybaion der wichtigere für die Phönicier , weil es, nach Westen
gelegen, dem üauptschauplatz der Thätigkeit des Volkes näher war, und weil
überdies sein Besitz denen , die ausserdem die gegenüberliegende afrikanische
Küste beherrschten, stets die freie Durchfahrt nach dem Westen sicherte. Da-
her ist es denn auch gekommen, dass das Westende Siciliens von den Semiten
mit der grössten Hartnäckigkeit behauptet worden ist, und dass zuerst die
Phönicier sich dort den Hellenen gegenüber concentrirten , nachher aber die
Karthager gerade die Gegend um Liiybaion am längsten vertheidigt haben und
den Griechen nie, den Römern aber erst nach langem Kampfe gewichen sind.
~~^ Wenn nun die Phönicier so Sicilien anfangs nur als Station auf ihren
Fahrten nach dem ferneren Westen benutzten und schätzten , so mussten sie
doch bald einsehen, dass es der Mühe lohnte, auch mit den Bewohnern der
Insel Handel zu treiben. Sie fanden hier manche Naturprodukte, die sie an-
derswo sehr gut absetzen konnten , und verkauften dagegen die Erzeugnisse
ihrer eigenen Industrie den Sikelem. So wurden sie veranlasst, sich an vielen
Punkten Jer Insel niederzulassen , die sie sonst nicht i)esuckt haben würden,
und dieser Zweck ihrer Ansiedelung auf Sicilien erschien den Griechen der
älteren Zeit, die in die Handelspolitik der Phönicier nicht sehr eingeweiht
waren, so überwiegend, dass sie den zuerst von uns angeführten darüber
ausser Acht Hessen.
- Es wohnten, sagt Thukydides, die Phönicier in Sicilien anfangs auf allen
Landspitzen um die ganze Insel herum und auf den naheliegenden kleineren
Inseln, des Handels mit den Sikelem wegen. Als aber die Griechen das sike-
lische Meer häufiger befuhren, verliessen die Phönicier den grössten Theil ihrer
Wohnsitze auf der Insel und drängten sich in Motye, Panormos und Soloeis zu-
sammen. Dies ist die bestimmte, höchst werthvollc Naphricht über phönidscho
Kolonien auf Sicilien. Wir haben zu versuchen , sie durch genauere Nach-
weisung der Niederlassungen dieses Volkes auf der Insel zu eriäutern, und
daran anzuschliessen , was sonst von Spuren orientalischer Völker auf Sicilien
zu finden ist, — abgesehen natürlich von der spätem Einwirkung der Karthager.
Wenn wir nun die Punkte der Insel suchen, welche einst von Phöiii-
ciern bewohnt waren , so müssen wir uns zuerst über die Merkmale klar wer-
den , an denen wir sie beim Mangel ausdiilcklicher Nachrichten zu erkennen
haben. Es sind hauptsächlich zwei ; einerseits das Vorhandensein orientali-
scher Relistionsformen an einem bestimmten Orte und andererseits die Wahr-
scheinlichkeit , dass ein Ortsname orientalischen .Ursprungs sei, eine W^ahr-
scheinliehkeit, welche sich entweder aus seiner Uebereinstimmung mit acht
orientalischen Ortsnamen oder daraus ei^bt, dass für denselben eine onen-
Phönicier in Sicilien. 81
tausche Etymologie Evidenz besitzt. Das erste Merkmal darf jedoch nur mit
grosser Vorsicht benutzt werden. Denn da unsere Kcnntniss von den Kulten
der sicilischen Orte fast nur auf Nachrichten oder Denkmillem einer spllteren
Zeit beruht, so ist es nicht immer ganz gewiss, dass orientalische Religions-
formeo , von denen sich in den griechischen oder sikelischen Orten der Insel
Spuren finden , aus einer früher dort befindlichen , phönicischen Niederlassung
herstammen ; sie können in manchen Filllen direkt in die schon bestehenden
griechischen oder sikelischen SUidte einge;fuhrt worden sein. Orientalische Orts-
namen aber werden nur dann mit Sicherheit auf altphönicischen Ursprung hin-
deuten , wenn sie entweder schon in früher Zeit oder im Osten der Insel vor-
kommen , da im Westen später manche Niederlassungen von den Karthagern
gegründet sein müssen.
Es ist höchst wahrscheinlich, dass das Vorgebirge Peloris in sehr alter
Zeit von den Phöniciern besetzt war. Die Nachricht des Thukydides passt ganz
besonders auf diese Landspitze. Wenn femer in der oben angeführten Sage,
dass der Name von einem Libyer herrühre, auch nicht eine Hindeutung auf eine
alte orientalische Niederlassung daselbst liegen sollte, so werden wir doch als-
bald sehen , dass Orion , dessen Name sich an dies Vorgebirge knüpft , höchst
wahrscheinlich ein orientalischer Heros ist.
Weiter südlich lag in der Nähe von Messana der Ort Tamaricium oder
Palma. Tamar bedeutet in den semitischen Sprachen die Palme, und es ist somit
dieser übrigens unbekannte und unbedeutt»nde Ort als ein ursprünglich phöni-
cischer anzusehen. Da Katana, wie spätere Münzen zt»igen, ägyptische Gott-
heiten verehrte, so hat man mit Movers vermuthet, dass hier' eine alte phö-
nicische Niederlassung war, die ägyptischen Gottesdienst eingeführt hatte.
Sehr viel wahrscheinlicher ist es indess, dass diese auch auf späteren
syrakusanischen Münzen sich offenbarenden ägyptischen Kulte von direkten
Beziehungen der Städte Katana und Syrakus zu Aegypten , etwa aus der Zeit
Hieron's H. henilhrten. Noch zweifelhafter muss die Vermuthung erscheinen,
dass an der Stelle von Leon t in i bereits in alter Zeit Phönicier wohnten, ob-
wohl allerdings das Vorkommen der Stadt in der Heraklessage auf alten Zu-
sammenhang mit Tyrus hinzuweisen scheint. Bei Thäpsos macht dagegen
die Lage auf einer Halbinsel und der semitische Name — Tiphsach d. h. Ueber-
gang, nämlich über die Halbinsel auf das feste Land — es ziemlich sicher, dass
einst Phönicier hier wohnten. Sollte nicht auch die Halbinsel Augusta in
uralter Zeil eine phönicische Kolonie getragen haben?
Auch in Syrakus deuten Spuren auf eine frühe Niederlassung der Phö-^
nicier hin. Schon in der Heraklesmythe, deren orientalische Grundlage bereits
angedeutet wurde, erscheint die Gegend, in der später die Stadt des Archias lag.
Wir wissen, dass der Heros, als er dort die Quelle Kyane gefunden und erfahren
hatte , dass hier Pluton und Persephone in die Erde verschwunden seien , den
schönsten Stier seiner Heerde in die Quelle versenkt und den Einwohnern ge-
boten haben soll, jährlich so die Köre zu feiern. Deshalb wurde denn jedes Jahr
dort eine grosse Pestversammlung gehalten, wobei von Privatleuten kleinere Opfer
gebracht und von Slaatswegen ein Stier in die Tiefe versenkt wurde. Der orien-
talische Charakter, den dieses Opfer trägt, wird noch durch das verstärkt, was,
Holm, Gesck. Sidlieiis. I. ^
$2 ErsteH Buch. V. Die Phdnicier und Elymer.
von der gewtibnliclien Sage nbweiobend, von Plularclt aus DosUheos über Kyane
heriohlel wird. Der Syrakusaner Kyanippos lud durch VemachluasiguDg des
Dionysos den Zorn dieses Gottes au! sich. Zur Strafe mit Ti'unkenheit heimge-
sucht, Uben^HlllKte er an einem dunkeln Oile seine l'ocbler Kyane ; diese nahm
dem TfaSter, um ihn später einmal darBn erkennen zu können, einen Hing ab,
dan sie ihrer Amme zur Aufbewahrung gab. Nun brach eine Pest aus, und der
Pylhiscbc Apolkui gebot, den Verbrecher den Göttei-n xu opfern. Den dunkeln
Spruch verslaud nur Kyane, di» inawischen den. Misselhaier erkannt hatte. Sie
Uidtete ihren Vater und dann sich selbst. Diese Geschichte spielt nun aller-
dings, wie die Erwähnung des pythischen Apollon leigt, in der griechischen
Zeit; indess scheint sie doch weiter nichts als eine mit etwas veränderten
Neben umstanden erziihlte , alte Sage zu sein , aus der man vielleicht nicht mil
Unrecht auf die Thalsache schJiessen durfte, dass einst an der Quelle Kyan>-
Statt eines Stieropfers ein Menschenopfer, wenn auch nur das eines Verbrechers,
dargebracht au werden pflegte. Dies sowohl wie die ganze Erzählung hat aber
einen durchaus oiientulischen Charakter, dem es andererseits keinesvs'eg.s wider-
spricht, wenn Herakles es ist, 4ler das OpTerfesl an der Quetle stiftet.
Femer passl Syrakus vortntfllich in die Reibe der kleinen Inseln um Sici-
lien , die nach Thukydides die Phtinicier bewohnten , und es kann uns in der
Annahme, dass sie einst auf Ortygia ansässig waren, auch der Umstand nicbl
irre machen , dass , als die Griechen unter Archias dort anlaiui;ten , nach dem
Zeugniss desselben Schriflslelteis es Sikeler waren, die sie von dort vertrieben
— die PhOnicier werden es schon früher wieder verlassen haben.
Nordlich vom Vorgebii^e Pachynos wird in der Nühe der Stadt Heloros ein
Hafen Phoinikus erwähnt; also hatten sich auch hier Phflnicier angesiedelt.
Das Vorgebirge Pachynos selbst zeig! schon in seinem Namen die Erin-
nerung an eine alte phOnicigche Kolonie. Pachun bedeutet Warte, und eine
Warte war das Vorgebirge in dc^pelter Beziehung. Einmal nümlich konnte von
hier aus Wacht Über die herankommenden Schiffe gehallen werden , die auf
der Fahrt nach Westen hier zuerst Sicilien berührten , und sicherlich gern auf
kurze Zeit, wenn auch nur, um frisches Wasser einzunehmen, in einen Hafen
liefen. Ferner war aber dieser Funkt wegen des dort betriebenen, bedeutenden
ThuDßscbfauges ohne allen Zweifel mit einem Wart thurnie versehen, dessen
Bewohner die Ankunft dei' wandernden Fischscbaaren zu si^ialisiren und so
das Zeichen eines Fanges zu geben hallen , der den PhOniciem einen wichtigen
Handelsartikel lieferte.
An der SüdkUsle, die keine guleif Hafen besitzt, und wo also trotzdem,
dass die PhOnicier hier vorbeifuhren , schwerlich viele bedeutende Niederias-
sungen gegrllndel sein werden, darf doch des Namens wegen, der von einer
auch in's Griechische hinUbergenommenea Wurzel Kamar, Stein, herkonmil
und auch einen babylonischen Ort liezeichnet, Kaniarina als eine ursprllng-
lich ihnen angehorige Stadt beU'acblet werden. Ffatlnicischen Urspnuigs war
femer die Stadt H a k a i-a , deren Name von Baal - Dakar oder Heikart berau-
leilen ist. Deshalb heisst die Stadt denn auch auf MUnzen mit phönicischer
Inschrift Bus Heikart, und es erklärt sich leicht, wie ihr, nachdem sie nach
Hinos bereits Uinoa genannt worden war, spätere spartanische Kolonisten den
Motye. Selinufi. Panormos. 83
Namen Herakleia beilegen konnten , der mit Makara ziemlich gleichbedeutend
Isl. Die Lage des Ortes ist noch nachweisbar. Oestlich von der Mündung des
Platani erhebt sich ein grosser, weisser Fels 60 — 80 Meter Über die Meeresflache,
jetzt Capo Bianco genannt. Er ftült nach Osten , Süden und Westen steil ab,
wilhrend er von Norden ziemlich zugänglich ist; die obere FlHche hat etwa
1800 Fuss nach allen Richtungen. Hier lag die Stadt, welche die Namen Ma-
kara, Minoa, Herakleia führte, und von der Fazell noch die Fundamente der
Ringmauern erkannte.
Weiter nach Westen ist bei den selinuntischehBiidern, dem heutigen
Sciac^a , das auf einem Felsen am Ufer des Meeres , überragt von dem grauen
S. Calogeroberge, sich erhebt, eine phönicische Ansiedlung zu vermuthen. Von
den Bädern selbst und ihren Spui^n des AUerthums wird bald die Rede sein.
Auch Selinus könnte, wenn der Name, statt nach der gewöhnlichen
£»riechiscben Etymologie: Eppichstadt, vielmehr nach semitischer — von Sela
— Fetsenstadt bedeutete, ursprünglich von Phöniciem gegründet sein, und
dasselbe ist von dem nahen Mazara zu vermuthen, dessen Name einfach Ka-
stell bedeutet.
Die Westspitze von Sicilien führt bekanntlich den Namen Lilybaion,
weil sie Libyen gegenüber liegt. Auf der Landzunge lag auch eine Stadt gleiches
Namens, aber erst in späterer Zeit. Lilybaion wurde 396 v. Chr. von den Kar-
thagern angelegt. Es ist deshalb falsch, wenn bei Diodor bereits im Jahre 454
V. Chr. einer Streitigkeit gedacht wird , welche zwischen den EgestHem und
den Lilyhäern ausgebrochen sei. Es findet hier eine Verwechselung zwischen
Lilybaion und Motye Statt. Es konnte aber auch im 5. Jahrhundert vor Chr.
da, wo später Lilybaion lag, noch keine bedeutendere Stadt sich erheben, weil
in unmittelbarer Nähe damals noch das so eben genannte Motye stand. Nach
den Angabien der Alten hat Motye auf einer Insel, nahe dem Festlande von Si-
cilien, gelegen. Diese Insel ist die Isola S: Pantaleo, deren Lage oben beschrieben
ist. Sie hat einen Umfang von \ ^j^ Millien und erhebt sich ^ — 4 Meter über die
Oberfläche des Meeres. Mauerreste, welche dem Lauf der Küste folgen, deuten
darauf hin , dass die ganze Insel nur einen einzigen befestigten Ot bildete ;
Münzen und Gefässscherben, Stücke von bleiernen Wasserröhren und eine, wie
es scheint, auf dem Festlande, der Insel gegenüber, gefundene phönicische In-
schrift lassen weiter auf eine phönicische Stadt und speciell auf Motye scbliessen.
Noch ist der Damm vorhanden, der später die Insel mit dem Festlafnde verband,
wenn ihn gleich bei hohem Wasserstande die Meeresfluten bedecken. Den
Hafen von Motye bildete die ganze Bucht, die die Insel umgab, und die, da die
nach aussen vorliegenden Inseln sicher unter sich und wahrscheinlich auch mit
dem Cap Teodoro wenigstens durch eine von Schiffen nicht zu passirende Un-
tiefe zusammenhingen, nur von Südwesten her durch einen schmalen Pass zu-
gänglich war. Das Alter der Stadt Motye zeigt sich auch darin , dass ihr Name
schon in die Heraklessage verflochten ist. Ueber die Deutung des Wortes aus
semitischen Wurzeln herrscht keine Uebereinslimmung unter den Gelehrten.
Wenn wir nun die KtlStenlinie weiter verfolgen, so ist, da Drepanon, das
heutige Trapani , trotz seiner Erwähnung in der Aeneis , eine spätere kartha-
gische Kolonie ist, der erste nachweislich phönicische Ort Panormos. Doch haben
6*
84 Erstes Buch. V. Die Pbönicier uiid'Elymer.
sicherlich auf den dazwischeD liegenden Vorgebirgen und Inselclien , wie z. B.
auf der IsoUi delle Femmine , westlich von C. Gallo , Phönicier gewohnt, und
das von Ptolemaios in dieser Gegend erwähnte Keia ria war ohne Zweifel eine
phönicische Thunfischfangstation.
Es ist eigen tbUmlich , dass die Stadt Pa norm os, die nie von Griecben
beherrscht wurde , einen hellenischen Namen fuhrt , den noch manche andere
Hafenorte in £uropa und Asien tragen. Wie die Phönicier selbst die Stadt
nannten, wissen wir nicht, denn es ist keineswegs sicher, dass die auf sicilisch-
phönicischen Münzen sich findende Inschrift Machanat^ das Lager, sich auf
Panormos bezieht, und ebenso unsicher ist die weiter darauf gegründete Ver-
muthung, dass der eigentliche Name von Panormos »das Lager der Buntwirker«
gewesen sei, wie Movers das Wort Machoschbim, weidies andere ähnliche Mün-
zen tragen, hat erklären wollen. In dem griechischen Namen Panormos liegt die
Hindeutung auf den geräumigen Hafen, welchen die Stadt besass, und der Name
würde schon gerechtfertigt erscheinen, wenn sie auch keinen andern Hafen
gehabt hätte, als den herrlichen Golf, an welchem sie liegt. Dieser wird von
den beiden isolirten steilen Felsen des Monte Pellegrino und des Cap Zafarana
eingeschlossen , und seine grösste Ausdehnung in's Land hinein beträgt etwa
5 Millien. SchifTe können hier an den verschiedensten Punkten sicher ankern,
ohne dass sie, selbst bei starkem Winde, ernstlicher Gefahr ausgesetzt wären.
Am westlichen Ufer dieser Bucht, ihrer Oeffnung gerade gegenüber, liegt und
lag nun in dem prachtvollen, amphitheatralisch von Gebirgen, die sich, zuletzt
niedriger werdend , bis in die Nähe des Cap Zafarana hinziehen , umgebenen
und nur nach Nordwesten und Südosten geöffneten Thale der Goldenen Muschel
— Conca d'oro — auf einem leicht ansteigenden Boden die Stadt Palermo , das
alte Panormos. Heutzutage besitzt sie zwei Häfen , von denen der äussere,
neuere durch einen , das Ufer des Monte Pellegrino in südlicher Richtung fort-
setzenden Molo gebildet ist , während der andere, Cala felice genannt, sich in
die Stadt selbst, aber nur wenig, hineinzieht. Dieser ist nur ein Ueberrest eines
grösseren, von dessen Gestalt, wie sie im 4 0. Jahrh. nach Chr. war, man sich
nach der Beschreibung des Geographen Ibn - Haukai eine Vorstellung machen
kann. Hiernach spaltete sich die Cala an ihrem Ende in zwei nach Westen und
Osten in die Stadt eindringende Becken. Da nun seitdem eine nicht unbedeu-
tende Meeresstrecke Land geworden ist , so liegt die Vermuthung sehr nahe,
dass dieses Zurücktreten des Meeres bereits früher begonnen habe, dass somit
im Alterthum der sich in die Stadt Panormos hineinziehende Hafen noch aus-
gedehnter gewesen sei , als im 1 0. Jahrhundert nach Chr. Sicherlich ist es
dieser Ankerplatz, welcher die Veranlassung zu dem Namen Panormos gegeben
hat. Und in der That, wenn aus dem Alterthum von Hunderten von Schiffen
gemeldet wird , welche zu gleicher Zeit in Panormos Schutz fanden , so wiid
man nicht an die offene Rhede , an den Golf von Palermo denken mögen , man
wird einen wirklich abschliessbaren Hafen verlangen, der gegenwärtig nicht in
der erforderlichen Grösse vorhanden ist , aber durch eine weitere Ausdehnung
der Cala in's Land hinein hergestellt wird. Man hat ferner die passende Ver-
muthung aufgestellt, dass der von den beiden Armen des Hafens umschlossene
Stadttheil die ursprüngliche und alte Stadt Panormos gew esen sei , an welche
Soloeis. Pbönicier im iDoern. g5
sich im 3. Jahrhundert vor Chr. noch eine Neustadt anschioss , von der wir
annehmen dürfen , dass sie südlich oder südöstlich von jener lag. Die Altstadt
wird ungefähr durch den oberen Theil der hei|tigen Gassarostrasse bezeichnet.
Unweit von Panorraos nach Osten lag der dritte Hauptsitz der Phönicier
Siciliens, die Stadt Soloeis oder Solus, deren Lage das heutige Gastello di
Solanto, südlich vom Cap Zafarana^ kund thut. Solunt lag auf einem haupt-
sächlich von Süden und Westen zugänglichen Berge, dessen obere Fläche noch
jetzt die Spuren von Gebäuden in Kapitalen , Ai*chitravcn und verschiedenen
Mauerresten zeigt. Von den zwei antiken Strassen , die nach Panormos und
Himera führten , sind noch Stücke erhalten , und ebenso in der Stadt selbst
zwei andere, von denen die eine , 6,:^ 5 Meter breite, am Rande des Abhanges
entlang läuft , während die andere , 5 Meter breite , auf der vorigen senkrecht
stehend, mitten durch die Stadt, an manchen Punkten treppcnförmig, empor-
st^ic^t. Am Fusse des Berges öffnet sich ein kleiner Hafen , der allerdings nur
wenigen Schiffen Zuflucht gewähren konnte. Auch den Namen dieser Stadt
kntlpfte die Sage an die Wanderungen des Herakles; in Wirklichkeit scheint er,
wie der von Selinus, den Ort als eine Felsenstadt bezeichnet zu haben.
Weiter nach Osten hin finden wir zunächst am Himeraflusse die Stadt
Himera. Ihre warmen Bäder sollen für Herakles geschaffen sein, und der
Name kann mit der für den Fluss passenden Bedeutung des Brausenden aus
den semitischen Sprachen hergeleitet werden. Ob dies genügt, in ihr eine alte
phönicische Kolonie zu sehen ? Aehnlich steht es mit Kephaloidion, das
allerdings später nur von Sikelern bewohnt war, das aber durch seine Lage an
einem für den Fischfang besonders geeigneten Vorgebirge vortrefflich in die
Reihe der von Thukydides als phönicisch bezeichneten Oertlichkeiten passt.
Der Name wäre dann die Uebersetzung des bei phönicischen Ortsnamen öfter
vorkommenden Bus — Vorgebirge.
Bis hierher haben wir die Stelle des Thukydides, die von Ansiedlungen an
der Küste spricht, zu erläutern gesucht. Es sind aber Spuren vorhanden , die
auf ein Eindringen der Phönicier auch in das Innere der Insel hinweisen , Spu-
ren, die vorzugsweise in den Ortsnamen liegen. Von diesen kommt eine kleine
Zahl überhaupt in semitischen Gegenden häufig vor. Dahin gehören Arbela ,
Amathe, deren Lage in Sicilien gänzlich unbekannt ist, und Tabai,.das man
in Tavi bei Leonforte wiederfindet. Andere sieilische Ortsnamen treten in der-
selben oder in ähnlicher Form in punischen Gegenden auf. So könnte Ame-
selon dem Namen der Stadt Annesel an der grossen Syrte entsprechen; die
Namen Bidis und Bidios, die Orte im syrakusanischen und tauromenitani-
schen Gebiete bezeichneten , erinnern an Bida und Bidil , Städte in Mauretania
Caesariensis; Maktorion an Muktar, wie zwei Ortschaften in Byzacium und
Numidien hiessen; Motyka an das numidische Mutuga und das mauretanische
Mutecia ; l n y k o n endlich an das in Karthago's Nähe gelegene Inuka oder Unuka.
Eine dritte Klasse sicilischer Ortsnamen erscheint in kanaanitischcn Gegenden
wieder. Hierher gehört wohl weniger das von Movers angeführte Atabyrion, das
obwohl Tabor entsprechend, doch nur aus Rhodos nach Sicilien verpflanzt sein
durfte, als Ateri^n, unbekannter Lage; Gena, das im Itinerar des Antonin
I8MU1. westlich von Agrigent vorkommt und in der Gegend von Monte Allegro
m ' mm '
86
Erstes Buch. V. Die Pböoicier uod J^lymer.
gelegen haben könnte; efidlich llelkelhion, das Ptoleinaios nahe der West-
spitze Sicüiens setzt.
Schliesslich sind noch' Ortsnamen zu nennen, die am passendsten aus den
semitischen Sprachen erklärt werden. Es ist keinem Zweilcl unterworfen, dass
Amestratos oder Mytistraton eigentlich Volk der Astor oder Astart« be-
deutet, und höchst wahrscheinlich, dass Kabala, der Name eines Ortes von
.ungewisser Lage Besitzthum bezeichnet, dass Solusapre, welches in den
Itinerarien unfern der Nordküste bei Kaiakle voriLommt, seinen Namen von der
Lage auf einem »schönen Felsen« hat, sowie endlich, dass L a nari um, wie in
denselben Itinerarien scheinbar ein Fluss 1 0 Miliien östlich von Mazara heisst,
nichts weiter ist, als das semitische lanar, d. h. am Flusse, so dass es einen Ort
oder eine Station bezeichnete.
Von den hier angeführten Orten ist es mit Ausnahme von dreien , Cena,
Helketbion und Laiiarium , welche im Westen der Insel liegen und erst in spä-
terer Zeit vorkommen, wo schon die Karthager sich auf Sicilien heimisch ge-
macht hatten, wahrscheinlich, und bei vielen derselben sogar unbedingt noth-
wendig, dass sie schon in alter Zeit phönicische Niederlassungei) gehabt haben,
von denen ihre Namen herrühren, tis miiss also als erwiesen l)etrachtet wer-
den , dass die Phönicier auch in das Innere der Insel eindrangen , trotz des
Schweigens, das die alten Schriftsteller bieiilber beobachten.
Aber die Phönicier waren keineswegs das einzige orientalische Volk, das
nach Sicilien kam. Sehr bedeutend ist auch der von den Elymern auf die Ge-
schicke der Insel ausgeübte Einfluss , und auch diese sind für Orientalen zu
halten. Nach Thukydides war das Volk der Elymer aus zwei Bestandtheilen
gebildet, aus Trojanern und Phokiern, von denen die ersteren nach der Zer-
störung Trojans geflohen waren und, nach Sicilien gelangt, sich doit neben den
Sikanem niedergelassen hatten , die letzteren aber auf der Hückkehr, ebenfalls
von Troja, durch Sturm anfangs nach Libyen , sodann auch nach Sicilien ver-
schlagen worden waren. Nach Hellanikos' vollkommen abweichender Angabe
waren die Elymer, die 5 Jahre vor den Sikelern auf der Insel eintrafen , da-
gegen eine aus Italien gekommene, von den Oenotriern vertriebene Völkerschaft.
Mit dieser Auffassung steht Hellanikos jedoch unter den Alten völlig allein da :
die herrschende Ansicht leitete die Elymer von Troja her. Dies zeigt sich be-
sonders in den ob^n erzählten Sagen von Egesta, die vom Krimtsos den Akestes
gebiert, von Elymos, der bald in Troja, bald in Sicilien geboren ist, von Aeneas
endlich, der den Akestes besucht und nach späterer Darstellung den Elymern
Städte, vor allen Segesta selbst gründet, das so mit Rom stammverwandt ist,
wozu hier noch hinzuzufügen ist, dass nach einer abweichenden Nachricht be-
reits Eryx als König der Elymer erscheint.
Wir müssen versuchen, aus diesem Sagengewirr wenigstens einige feste
Punkte über die Herkunft der Elymer zu gewinnen. Es ist vor allen Dingen zu
beachten, dass die Sagen am meisten von Akestes zu erzählen wissen, der
überall als ein Fürst von trojanischer Herkunft erscheint, wenn auch über seine
Eltern und Vorfahren sich geringe Abweichungen linden. Elymos aagegen, der
doch der wichtigere war, da das gesammte Volk nach ihm benannt ist, wird
nur im Vorübergehen erwähnt. Man suchte dies dadurch wieder gut zu machen,
filymer. 87
dass man sagte, Elymos sei von königlichem Geschlecht gewesen, und deshalb sei
bei dei' Benennung des Volkes seinem Namen der Vorzug gegeben worden. Es
ist aber klar, dass von Elymos auch die Sage nicht mehr wusste, als z. B. von
Sikanos , mit anderen Worten , dass er nur das nach antiker Weise in einem
Stammvater personißcirte Volk selbst ist, und dass man eben deswegen, weil
wirklich keine Sagen über ihn vorhanden waren, sich darauf beschränkte, ihn
auf möglichst einfache Weise mit Akestes, von dem Manches erzahlt wurde, in
Verbindung zu bringen. Wenn also Elymos auch von Einigen ein Trojaner
genannt wird, so ist das weiter nichts als eine gelehrte Combination, und kann
für den trojanischen Ursprung des eigentlichen Kernes des Volkes , der dem
Ganzen den Namen gegeben haben muss, nicht als Beleg angeftthrt werden.
Wenn wir nun weiter berücksichtigen, dass schon Eryx, der Sohn der Aphro-
dite, der doch- mit Troja nicht in Verbindung steht und vor Akestes gelebt
haben soll, als König der Eiymer bezeichnet wird, so wird die Annahme wahr-
scheinlicher, dass das Elymervoik ursprünglich nicht von Troja herstammte,
dass es aber vielleicht von dorther Zuzug erhielt, und dass diese Ankömmlinge
bald den alten Kern an Bedeutung überwogen und so sehr verdunkelten , dass
man dann auch vermittelst eines fingirten Elymos denselben an Troja zu knü-
pfen suchte. Hierbei ist immer noch eine trojanische Kolonie als historisch vor-
ausgesetzt. Es versteht sich von selbst, dass auch dies eine blosse Fiction sein
kann , und natürlich haben trojanische Niederlassungen im westlichen Siciiien
nicht mehr innere W^ahrscheinlichkeit als Kolonien desselben Volkes in Laltum.
Jedenfalls ist aber einleuchtend, dass wir uns mit der Herleitung des
Elymervolkes aus Troja in keiner Weise zufrieden geben können. Wir müssen
einen anderweitigen Ursprung für dasselbe suchen. Nun liegen aus dem Alter-
thume noch einige Nachrichten über sonstige Bestandtheile dieses Volkes vor,
die zunächst zu erwägen sind. Thukydides nennt Pfaokier als bei seiner Grün-
dung betheiligt, aber er steht mit dieser Nachricht ganz oder fast ganz vereinzelt
da , und nichts deutet darauf hin , dass er Recht hatte. Wir werden später
sehen , dass schon früh kleinasiatische Phokäer nach Siciiien gekommen Sind ;
vielleicht könnte Thukydides die Nachrichten hierüber irriger Weise auf die
Phokier bezogen haben.
Etwas mehr Aufklärung scheint .auf den ersten Blick Strabon's Angabe zu
bringen, dass Thessaler, Genossen des Philoktet, der Petelia und die Burg Kri-
misa nördlich von Kroton in Unteritalfen gegründet hatte , von ihm dem Akestes
bei der Gründung von Egesta zu Hülfe gesandt worden seien. Diese Nachricht
stützt sich auf die Namenähnlichkeit der Burg Krimisa mit dem Flusse Kri-
misos im Elymerlande , und es wäre demnach nicht unmöglich , dass wirklich
in uralter Zeit eine Verbindung zwischen der Gegend nördlich von Kroton und
dem Elymerlande bestanden hätte; eine Verbindung, die freilich, da der Fluss
Neaithos südlich von Krimisa an eine Soene der Aeneassage erinnert — es
sollen hier die Schiffe der Trojaner verbrannt sein — nicht gerade durch das
Volk Philoktet^s hergestellt zu sein braucht.
Wenn aber zugegeben werden kann , dass aus Unteritalien eingewanderte
Schaaren sich mit den Elymern verbanden, so ist doch damit der Ursprung des
Volkes selbst noch nicht erklärt, und wir sind jedenfalls noch weit von der An-
88 Erstes Buch. V. Die Pböoicier und Elyaier.
nähme des Hellanikos entfernt^ dass die El)mer überhaupt aus Italien gekom-
men seien. Dieser Ansicht beizustimmen, hindert uns, was wir von der Ge>
schichte und der Kultur der Elymer wissen. Alles dies weist entschieden nach
Asien, wenngleich. nicht gerade nach Troja hin.
Mit den Phöniciern werden die Elymer, abgesehen von der vielleicht nicht
ganz zufölligen NameniJhnlichkeit, die der Vater der Egesta, Phoinodamas,
zeigt, dadurch verbunden, dass Herakles zu ihnen in einem eigenthUmlichen
Verhältnisse steht. Er erscheint als der eigentliche Herr ihres Gebietes , was
die Sage so ausdrückt : Herakles halte durch seinen Sieg über Eryx das Land
seines Gegners gewonnen , aber er gab es grossraüthig mit seinem ganzen Er- .
trage den Einwohnern zurück, unter der Bedingung, dass sie es später, wenn
Einer seines Stammes kommen und es fordern würde , ihm übergeben sollten.
Es wurde also offenbar in alter Zeit das Elymerland als Eigenthum des Herakles
betrachtet. Ein Land des Herakles ist nun, wenn es sich um einen Küstenstrich
des Mittelmeeres .handelt, nach welchem Phönicier gekommen sein können,
sonst einfach für ein von tyrischen Kolonisten besetztes Land zu halten, denn
Herakles ist Melkart, der Nationalgott der Tyrier, dem alle tyrischen Kolonien
zu Zins verpflichtet waren. Hier erhält jedoch die Sache dadurch eine andere
Gestalt, dass Herakles die Elymer für eine Zeit lang frei giebt, ihnen, wie
Diodor sagt, gestattet, die Früchte des Landes einstweilen für sich zu nehmen.
Es wäre das Verhältniss des Volkes also etwa so zu denken. Die Elymer, ohne
selbst Phönicier zu sein , standen seit ihrer Niederlassung in Sicilien doch mit
den Phöniciern in sehr engen Beziehungen, und wenn sie auch nicht dem tyri-
schen Melkart zinspflichtig waren, so erkannten sie doch an, dass sie ihm
eigentlich ihr Land verdankten. Es liegt also die Vermuthung nahe , dass sie
von den Phöniciern nach Sicilien gebracht waren und deshalb in einem gewissen
Abhängigkeitsverhältniss zum tyrischen Gotte standen. Somit ergeben sich uns
die Elymer als ein Volk orientalischer HerkunfL Es giebt aber Spuren, die dar-
auf hindeuten, dass sie aus dem Innern Asiens stammten.
Die Sage wie die Geschichte zeigt bei den Elymem den Kult der Aphrodite
heimisch. Sie ist die phönicische Astarte, aber der Kult dieser Gottheit stammt
noch weiter aus Osten her. Es gab im Innern Asiens, in Persien, eine Land- '
Schaft Elam oderElymais, bewohnt von einem Volke, das die Griechen Elymäer
nannten. In dieser Landschaft scheint der Kultus der Göttin urspiilnglieh hei-
misch gewesen zu sein, die unter den vei*9chiedensten Namen von Indiens
Grenzen bis zum VVestende des Mittelmeeres verehi*t wurde, die bald persische
Artemis, bald Astarte, bald Tanais, bald Aphrodite hiess — dieselbe Gottheit,
welche auch die Elymer auf dem Eryx anbeteten. Wenn man auf die Bei-
namen, welche dieser Göttin beigelegt werden , sidiere Schlüsse bauen dürfte,
so würde man mit mehr Nachdruck, als jetzt möglich ist, hervorzuheben haben,
wie sie in Persien Aine und Zaretis, auf dem Eryx Zerynthia und Aineias
hiess. Wenn aber auch hierin bei der Willkür, mit welcher Dichter in solchen
Gegenständen verfahren, kein zwingender Beweis der Identität der so benannten
Gottheiten und besonders der direkten llerleitung der einen von der andern
liegen kann, was hindert uns, aus der Aehnlichkeit der Kulte in Persien und
am Eryx, verbunden mit der Uebereinstimmung der Namen Elymaei und Elymi
Elymer. 89
den Schluss zu ziehen, dass hier die gesuchte Aufklarung über die Elyraer ge-
funden ist, und dass der Kern derselben aus dem innern Asien herstammt?
Sicherlich nicht die grosse Entfernung zwischen Persien und Sicilien; sollen
doch Perser Begleiter des Herakles auf seinem Zuge nach dem Westen gewesen
sein. Jener persischen Aphrodite, der Mylitta oder Tanais, waren auch Hunde
heilig, und so erhält auch die Sage von dem in einen Hund verwandelten Kri-
niisos eine Erklärung, die ihr sonst fehlt, da Flussgötler in ganz andern Gestal-
ten aufzutreten pflegen. So wird es überdies wahrscheinlich , dass der Hund,
den man auf den Münzen von Segesta findet, sich nicht blos auf den verwan-
delten Krimisos bezieht; denn dasselbe Symbol sehen wir auch auf denen von
Motye, Pdnormos und Selinus, die doch mit dem Krimisos nichts zu thun haben.
Es scheint der Hund vielmehr auf den Kult der Venus überhaupt hinzudeuten,
der in den phönieischen Städten Motye und Panormos sehr natürlich war, aber
auch in der westlichsten und den Phöniciern und Elymera benachbarten Grie-
chensladt Selinus, die sich Überdies vielleicht an Stelle einer alten phönieischen
Niederlassung erhob, leicht. in orientalischer Weise eingerichtet sein konnte.
Nach dieser Untersuchung hätten wir also die Elymer als ein Gemisch von
Persem, Phöniciern und vielleicht auch von Troern zu betrachten, die auf tyri-
.schen Schiffen nach Sicilien gekommen waren. Ihr orientalischer Ursprung zeigt
sich ganz besonders noch darin , dass sie stets den Phöniciern und Karthagern
befreundet blieben und sich mit ihnen gegen alle Griechen , die an der West-
spilze Siciliens Niederlassungen gründen wollten, verbanden. So haben Kni-
dierund Spartaner ihre Feindseligkeit erfahren.
, Was nun aber den trojanisch^i Bestandtheil der Elymer anbetriflt, so ist
die Existenz desselben sehr zweifelhaft. Es wird, wie in Italien, der Kult der
Aphrodite gewesen sein, an den sich die Sagen voü der Wanderung des Acneas
und der Trojaner überhaupt knüpften. Wenn nach einer von Strabon mil^
getheillen Nachricht Aeneas, als er nach Aigesta gekommen war, nicht blos
Eryx, sondern auch Lilybaion occupirt haben soll, so muss man bei diesem
letzleren Orte daran denken , dass hier die mit der Aeneassage in enger Ver-
bindung stehende Sibylle begraben war. Bei dem Versuche aber, den Namen
der wichtigsten elymischen Stadt durch Egesta und Akestes oder Aigestos mit
Troja in Beziehung zu bringen, stellt sich immer der Umstand hindernd in den
Weg, dass Egesta keineswegs die älteste Namensform der Stadt war.
An der Existenz uralter Beziehungen zwischen dem Elymerlande und La-
tiam, insbesondere Lavinium, darf indess nicht gezweifelt werden. In Lavinium
wurde nicht blos eine Athene llias verehrt, sondern auch eine Aphrodite, der
.\eneds zur Seite stand ; ihr dem Ufer naher Tempel war sicher von Fremd-
lingen gegi-ündet, die sehr wohl von Sicilien dahin gekonmien sein können.
Aus den karthagischen Handelsverträgen mit Rom ist ein aller Verkehr zwi-
schen dieser Stadt und dem westlichen Sicilien ersichtlich. Warum sollten wir
nicht annehmen , dass Fahrten der Elymer das ihrige dazu beigetragen haben ?
Wenn so aus allem Angeführten immer nur der orientalische Ursprung der
Elymer wieder hervortritt, muss es äusserst auffallend erscheinen, dass an der
ligurischen Küste sich die drei charakteristiscben elymischen Ortsnamen Eryx
^ jetzt Lerici , Segesta — jetzt Sestri , und Entella , hier für einen Fluss ge-
r^-Ti-
. 90 Erstes Bach. V. Die Phönicier und Elymer.
braucht, wiederfinden. Da an eine Wandeiiing des Volkes von Ligurien nach
Sicilien nicht zu denken ist, so möchte eher eine in umgekehrter Richtung in
späterer Zeit ausgesogene Kolonie anzunehmen sein.
Der Zeit nach reiht sich die Einwanderung der Klymer, wie die Beziehung
auf den trojanischen Krieg lehrt, vor die der Sikeler ein.
Die lilynier hatten drei Städte, unter denen Soges ta die bedeutendsl«
war. Die so el>en genannte Form war die ursprüngliche und einheimische ; denn
die älleslen Münzen haben übereinsliumiend Segestii oder Sageslci, nicht Egesta,
wie die Griechen zu sagen pflegten. Die Römer, die zur Form Segesla zurück-
kehrten, scheinen sich eingebildet zu haben, dass sie das Verdienst hätten, dem
Namen durch Vorsetzung des S seine schlimme Beziehung auf Armuth — ege-
stas — genommen zu haben. Segesla's Ruinen sind auf dem Berge Barbaro
oder Varvaro sichtbar , der sich 3 Miilien nördlich von Calataßmi erhebt, hn
Süden und Westen wird er von Bergketten über^'agt, die durch tiefe Thäler
von ihm getrennt sind. Nach Norden und Osten dagegen flacht sich das Land
ab und gestattet eine freie Aussicht nach dem Meere," und über seine Fläche hin
bis zum Cap Rama, das den Golf von Castellamare im Osten abschliesst. Mit
dem von Trünunern bedeckten und einst, wie die Ueberreste bezeugen, von
Mauern umschlossenen Hügelrücken, auf dem die Stadt Segesta stand, hängt
im Westen ein zweiter, niedrigerer Hügel zusammen, der das Peristyi eines
prachtvollen griechischen Tempels trägt. Diese Höhen sind auf drei Seilen von
dem Bache Pispisa uujflosscn, der sich im Südosten mildem grösseren Galc-
mici vereinigt, worauf der so gebildete Fluss unter dem Namen Gaggera weiter
nach Npnhui strömt. Segesta's Rinnen liegen 1 5 Millien vom Meere entfernt.*
Das an dem Ufer desselben in späterer Zeil erwähnte Flmporium der Segestaner
muss ungefähr dem heutigen Castellamare entsprochen haben.
Die zweite Stadt der Fllymer war Eryx , das nahe dem Gipfel des merk-
würdigen Berges gleiches Namens in ehier Höhe von fast 2000 Fuss über
dem Meere lag. Den höchsten Punkt nahm der berühmte Venustempel mit
seinem Bezirk ein, der jetzt, wie es scheint, durch die Stadt S. Giuliano oder
Trapani del Monte ausgefüllt wird. Ihr Kastell gewährt eine entzückende Aus-
. sieht über Land und Meer , die mir leider nicht selten durch die vom nahen
Meere aufsteigenden Dünste unterbrochen wird. Der Hafen oder das Emporiuni
der Eryciner wurde dalui^emäss von der durch eine sichelförmige Landzunge
geschützten Bucht am Fusse des Berges gebildet , die schon in der Sage vom
Aeneas vorkommt. Im ersten Jahre des vierten Punischen Krieges (261 v. Chr.)
verpflanzte Hamilkar hierher die Einwohner der Bergstadt und gründete so die
Stadt Drepanon, das heutige Trapani.
Am wenigsten bedeutend war endlich die diitte Elymerstadt Ente IIa.
die ihren Namen von der Gattin des Akestes haben sollte ; sie lag auf einem
Berge am Beiice, der noch den Namen Rocca d^Entella führt, und wo Uoucl im
hohen Grase antike Ueberreste mancherlei Art fand.
So wie nun im Volke der Elymer sich eine Verbindung phönicischer Ele-
mente mit innerasiatischen darstellt, so tritt in den Sagen von den Thaten und
Schicksalen des Daidalos und des Minos auf SicUien das semitische Element mit
Orientalische Spuren in. Sicilien. 91
dem hellenischen verbunden «uf, jedoch so, dass das lelzlere zurücksleM. Das
Semitische in den Ki^elern zeigt sich besonders im Minos selbst, der dem Hera-
kles oder Baal-Melkart der Phönicier entspricht, weshalb denn auch die Stadt,
an die sich besonders die Sage von der kretischen Einwanderung knUpft, in
ihren drei Namen Makara, Minoa, llerakleia die drei Erscheinungen desselben
Gottes darstellt. Das orientalische Element zeigt sich ferner in der Beziehung,
in welcher sowohl Daidalos wie Minos zur Aphrodite stehen, für die jener
arlMjitel, und deren Ueiliglhum sich tlber dieses Grabe» erhebt.
Es wird Ix^ricbtet, dass in der Stadt Minoa kretische (lesetze galten.
Dass wirklich in sehr alter Zeit enge Beziehungen zwischen Kreta und
Sicilien obwalteten , scheint auch aus der Uebereinstimmung mehrerer Orts-
namen auf beiden Inseln hervorzugehen. Dahin gehören die Namen Lissos,
Phoinix, Minoa, Kamara, Olus oder Olulis (an Solus erinnernd;, Panormos,
Drepanon und Kydonia.
. Wenn wir nun von dem Sieheren zu dem Zweifelhafteren übergehen , so
ist zuerst zu erwähnen , dass sich nach Appian im nordöstlichen Sicilien ein
Volk, Namens Paiaistiner, vorfand, das also aus Kanaan herstan)men würde.
Leider komnit der ^ame nur ein einziges Mal vor, so dass es zweifelhaft ist, ob
nicht eine falsche Lesart vorliegt. An si(4i hat es natürlich nichts Unwahrschein-
liches, dass die Phönicier auf ihren Schiflen auch kanaanitische Auswanderer
nach Sicilien gebracht hatten. Wenn man freilich die Jahrhunderte lang herr-
schende sicilische Tradition hört, so stünde diese Spur einer Einwanderung von
Kanaaniteru keineswegs vereinzelt da ; Sicilien hätte vielmehr seine gesammte
Urbevölkerung von Kanaan erhalten. Noch im 16. Jahrhundert stand in Pa-
lermo nahe der Kirche S. Antonio nördlich vom Cassaro bei dem einstigen
Haupteing^nge der Stadt, der Porta de' Palilelli , ein altt»s Gebäude, der so-
genannte Thurm Baych, um den eine bischrift lief, in der man zu lesen glaubte,
dass ein Enkel des Esau den Thurm gebaut habe. Diese Einbildung hat sich bis
in das gegenwärtige Jahrhundert hinein bei Manchen erhalten. Glücklicherweise
ist die Insdmft, als der Thurm abgebrochen wurde, grösstentheils aufbewahrt
worden , und es hat sich neuerdings , wie man die Stücke derseU)en besser
geordnet hat, herausgestellt, dass sie, wie zu vermuthen war, eine muhame-
(lanische ist, die aus dem 4. Jahrh. der Hcdschra stanunt und ausser der Zeit-
angabe nichts als Koranverse enthält, wie solche an Moscheen angebracht zu
werden pflegen.
Die Zeit, in welcher Sicilien durch die Phönicier colonisirt wurde, lässt
sich durch die Verbindung , in wt^lcher diese Niederlassungen mit denen in
Spanien stehen, auf die Jahrhunderte vom H. bis zum 9. vor Chr. festsetzen.
Nachdem wir so die orientalischen Spuren auf Sicilien selbst verfolgt
haben, müssen wir sie noch auf den umliegenden kleineren Inseln aufsuchen.
Auf den Liparen, nach denen früh die Sikeler zogen, sind keine Spuren
des Aufenthaltes der Phönicier nachweisbar. Von den Aegaten versteht es
sich von selbst, dass sie das Si;hicksal der Westspitze Siciliens theilten und so
lange phönicisch waren, wie diese, aber sie werden niemals ausdrücklich des-
wegen crwiihnt. Anders ist es mit der maltesischen Inselgruppe. Melite und
Gaulos sind von Diodor als phönicische Kolonien bezeugt. Er fügt hinzu,
92 Erstes Buch. V. Die Pbönicier und Elymer.
dass die Einwohner schnell wohlhabend wurden. Es war Energie nölhig, um
dem Felsboden die Mittel zum Lebensunterhalt einer grösseren Menschenzahl
abzuringen. Schon im Alterthum aber entwickelten die Bewohner dieser Inseln
eine rege Thätigkeit, besonders in industrieller Beziehung. Sie zeichneten sich
durch die den Phöniciem eigene Fertigkeit in der Webekunst aus und brachten
besonders feine Zeuge hervor, die nach der herrschenden Vermuthung Baum-
wollengewebe waren. Die grosse Bedeutung Malta^s in alter Zeit wird beson-
ders durch den Umstand bewiesen, dass es auf der gegenüber liegenden liby-
schen Küste eine Kolonie, die Stadt Achulla, gründen konnte. Da Achulla
unweit Karthagers und in dem später zu dieser Stadt gehörigen Gebiete liegt, so
muss man annehmen , dass die Melit^er diese Kolonie anlegten, ehe Karthago
bedeutend geworden war. Sonach reicht die BlUthe Malta^s schon in eine sehr
frühe. Zeit hinauf.
Es würde anzunehmen sein, dass Malta zu derselben Zeit wie Sicilien von
den Phdniciern kolonisirt wurde, wenn nicht die alsbald zu besprechenden
Kultusverhältnisse , insbesondere die Verehrung der Hera in Malta , die Ver-
muthung anregten , dass diese Insel schon phönicische Ansiedler beherbergte,
ehe Tyrus noch mächtig genug war, um Kolonien auszusenden, zu einer Zeit,
wo Sidon an der Spitze Phöniciens stand. Doch braucht Melite nicht von Sidon
selbst seine ersten Kolonisten empfangen zu haben ; sie können von dem sido-
nischen Karthago gekommen sein.
Endlich war auch Kossura von Phöniciem kolonisirt. Die Lage der Insel
mitten in der Afrika von Sicilien scheidenden Meerenge war zu günslig für den
Handel, als dass diePhönicier sie nicht hätten besetzen sollen. Ob Kossura, das
in späterer Zeit neben Karthago genannt wird und also eine gewisse Unabhän-
gigkeit gehabt haben muss, schon früh bedeutend war, wissen wir nicht.
Wir müssen uns jetzt, ehe wir von den inneren Verhältnissen der phönid-
schen Kolonien Siciliens sprechen , von der durch sie der Insel überhaupt ge-
brachten eigen thümlichen Kultur Kenntniss zu verschaß'en suchen. Unter den
kulturhistorischen Momenten stehen natürlich die religiösen obenan.
Die höchste männliche Gottheit der Phönicier, wie der Semiten überhaupt,
war B e 1 oder Baal, der freilich bei den verschiedenen zu diesem Stamme ge-
hörigen Völkerschaften in den verschiedensten Modiiicationen erscheint. In
seiner älteren Gestalt als Weltbeherrscher, der jedoch in grausamer Weise durch
Menschenopfer verehrt wurde , ward er von den Griechen mit ihrem Kronos
identiücirt. Die Völker , welche ihn anbeteten , verbreiteten an allen Orten,
nach denen sie auf ihren westlichen Wanderungen kamen, seinen Kultus, daher
die Sagen von seinem Verschwinden in den östlichen Ländern und von seinen
Zügen nach Westen , auf denen er dann sein Ende gefunden haben soll. So
entstanden in Sicilien die oljen angeführten Sagen von Kronos, seiner grausamen
Herrschaft und seinen Grabstätten.
Während es nun nicht wohl möglich ist, mit Bestimmtheit anzugeben,
welchen besonderen Völkerzügen die Verpflanzung dieser älteren Erscheinung
der semitischen Hauptgottheit nach Westen verdankt wird , tritt dies bei einer
anderen Erscheinungsform desselben Gottes deutlicher hervor. Ich spreche hier
von Herakles, insoweit er ein semitischer Gott ist. Als solcher ist er der Baal-
KuUur der Pbönicier. 93
*
Melkart von Tyros, dessen Kultus von allen tyrischen Auswanderom in ihre
neuen Wohnsitze übertragen wii-d, und den wir auoh in Sicilien gefunden
haben. Und hierbei ist auch der Umstand nicht zu Ubei'sehen, dass, wie Hera-
kles von Westen her nach Sicilien kommt , so auch die Phönicier erst nach der
Anknüpfung des Verkehres mit Spanien , also auch gewissermassen von daher
kommend , sich auf Sicilien niederliessen. So symbolisirt die Mythologie die
Geschichte !
Mit Herakles, der in Agyrion zuerst göttliche Ehren erhielt, ward in dieser
Stadt zugleich lolaos verehrt. Dieser Gott wird, da er auch in Karthago an-
gebetet wurde, von Movers für den libysch- phönicischen Jarbas oder Jubal
gehalten , während Andere in ihm den Repräsentanten von Stämmen griechi-
scher Herkunft — loniern — sehen , die sich den Pfaöniciern auf ihren Zügen
nach Westen angeschlossen hätten. Wenn nun weiter erzählt wird, dass lolaos
Einige aus seinem Volke von Sardinien , wo sein Hauptsitz war , nach Sicilien
hinUberführte , so ist hierin eine deutliche Hinweisung darauf, enthalten , dass
aus entlegeneren phönicischen Kolonien mancherlei Volk nach dem schöneren
Sicilien wieder zurückströmte.
Bei der Annahme, dass lolaos nicht ein griechischer, sondern ein libysch-
phönicischer Gott gewesen sei, kommt auch die Analogie mit Aristaios wie-
der zum Vorsehein, der in Sardinien und Sicilien Kultur verbreitete, und der,
weil er als ein Sohn der Kyrene galt, ebenfalls für einen libyschen Gott gehalten
werden kann.
IHe weiblichen phönicischen Gottheiten sind im Grunde genommen nur
Eine, wie auch nur Eine männliche da war, aber diese Einie erscheint in zwei
verschiedenen Gestalten. Wir finden zunächst die sidonisch-karthagische Gott-
heit, eine jungfräuliche Feuergöttin , die mit der Hera identificirt wird; sie
ward auf Hellte verehrt , wo ihr ein berühmter Tempel geweiht war. Ganz
anders ist der Charakter der Göttin, welche in Babylon als Mylitta, in Askalon
als Derketo verehrt wurde; dies ist die unzüchtige Aphrodite, wie sie be-
sonders in Paphos einen berühmten Kultus halte ; sie tritt in Sicilien besonders
auf dem Berge Eryx auf, wo ihr Kultus entweder vom Eryx oder vom Aeneas,
u eiche beide als Söhne der Aphrodite galten, gegründet worden sein soll*. Man
hat die Bemerkung gemacht, dass der Gipfel des alleinstehenden Berges, den die
Umwohner nur il Monte nennen , von gewissen Punkten gesehen , einer eigens
für ein darauf sich erhebendes Prachtgebäude zugeschnittenen Basis gleicht,
und dass er mit seinem durch die Zeit und die Witterung bedingten Wechsel
des Aussehens — bald in heller Luft glänzend , bald von düsteren Wolken
umgeben, schön im rosigen Strahl der Morgensonne, wie im bleichen Schimmer
des Mondes , — recht den Charakter einer der Gottheit selbst geweihten Stätte
hatte. Es gab auf dem Eryx zahlreiche Hierodulen, Sklavinnen, die in Folge
von Gelübden der Gottheit geschenkt zu werden pflegten , und die mit dem
Erwerbe ihres Körpers die Tempelschätze vermehrten. Man nährte dort Schaa-
i^n von heiligen Tauben , die jedes Jahr acht Tage lang vom Tempel und von
der Insel überhaupt fern blieben. Während dieser Zeit, so glaubte man, weilte
die Göttin selbst in Afrika. Am neunten Tage kam die ganze Sch'aar zurück,
unter der Anführung einer rothen Taube, unter deren Gestalt Aphrodite selbst
94 Erstes Buch. V. Die PtitJnicier und Elymer,
verbolzen gedacht wunip. Der Tfig der Enlfcmung der GSUin wnrd unter dem
Nnmen Anagt^ia fesllirb begangen, der der Wiederkehr unter dein Namen Kni-
agflgia nalUrlieh noch viel festlicher. Noch jetzt umschwitrmen Tauben schaarpn
den Gipfel des Rryx uud nixlen dort, und alle Bemühungen der tieistlichen, die
teuflischen Vi^ei 7,u bannen, sind vergeblich gewesen; Die F,rycinis<!he Venus
besnss auch in Karthago und Rom Temp«'l, die vom Fryx herfjelritel wurden,
und nach Psophts in Arkadien kam ihr Kuli durch die l*sophis, die Tochter des
Bryx. In Sicilien wurde die orientalische Aphrotlile alter nicht Uos auf dem
Rry\ verehrt ; das beweisi der Nnmc der Stadt' Hylistrn Ion oder Am^stralos.
Zu diesen unzweifelhaft durch die Phünicier nach Sicilien verpOnnilen
Kulten kommt nun noch ein anilerer, der des (loltes AdranOK oiler Hadra-
nos , dem mit hoher Wahrsebeinlichkrit ein orientalischer Ursprung zugeschrie-
ben werden kann. Dies<T Holt hfltt»' am Aetna einen Tempel, bei welchem im
.lahix! 400 vor Chr. der ältere Uionys die Stadt Hadmnon , das jHiigp Ademb,
gründete. Rr ei-freute sieh aber auch im übrigen Sicilien grosser Verehruna;.
was lM>sanders durch sein Vorkommen aurMtinzen von Hessana bewiesen wirrt.
Bei seinem Tempel am Aetna wanm Elunde, schüner und gr«fiser, als die be-
rühmten motossisrhen, in gewattiger Z»hl, ntehr als lausend. Diese benahmen
sich gegen Fremde und Arme auf das freundlichste, und Trunkene, die ihren
Weg verfehlt hatten, führten sie sogar nach Hause ; wenn .sich aber Jemand in
der Trunkenheit ungebührlich b<>lrug, so sprangen sie ihn an und zerrissen ihm
die Kleider. Die Bildsüule des Gottes führte eine Lanze. Wir haben oben ganz
Aelmliclies von einem Tempel des Hephaistos auf dem Aetna bericblel : ein
beiliges Haus, ewiges Feuer und Scbaaren \on Hunden, die gute Menschen
rreundliHi, l)itse aber feindselig Itehandellen. Es isl nun an und für sich auf-
fallend, dass so sonderbare, ganz ähnlich sieh benehmende Himdeschaaren aul
demselben ßei^e awei verschiedenen Gottheiten bei verschiedenen Tempeln
eigen gewesen sein sollen; es muss vielmehr angenommen werden, dass man
Nachrichten von demselben Gotle und demselben Tempel irrthUmlieh verschie-
denen beigelegt hat, mit anderen Worten , dass Hadranos und Hephaistos die-
selbe Goltiieil sind . und dass der Tempel des Hephaistos , von dem oben die
Rede War , kein anderer ist als der Hadranoslempel an der Stelle des heutigen
Adernä. Die ldentit<lt dieser beiden Gottheiten wird at>er noch dndurdi bestä-
tigt, dass sie in der Sage von den Paliken in derselben Eigenschaft als Vaier
der erdgeboii'uen Genien vorkommen. Hiemach butlen wir in Hadranos einen
Gott zu sehen , iler den Charakter des Kri^gotles , den die Lanze andeutet,
mit d<>m des Feuei^oiles vereinigt, und den man deshalb sehr wohl auch als
Hephaistos bezeichnen konnte.
Nun hiess das Feuer in seinen verschiedenen Ei'scheinungen als Gatt per-
sonificirt I>ei den Chaldiiein und Assyrem Adar oder Azar, ein Name, der .«ich
auch bei den Neupersem erhallen hat, die den Keuergotl und das heilige Feuer
Adar, Azer, Atesch Adaran nennen. Es ist derselbe Gott, der in Palästina als
Moloch auftritt, der bei der assyrischen Kolonie, welche Asarbaddnn nach Ra-
lüstina verpflanzt hati«', als Adramelech erseheint, und ohne Zweifel derselbe,
ilen Plutarch Halkander nennt. Auch in Kleinasien linden sich Spuren der ¥er-
ohrung des assyrischen Adar, so in dem Namen Adramytlos, d. h. Tode^feoer.
Hadranoe. 95
und vielleicht auch in dem des lydischen Adrasios, der als Mörder des Aiys und
seines Bruders Agatbon, des Guten, dem Mars gleich kommt. Und so erscheint
der Feuergott Adar überhaupt auch als Kriegsgott.
Diesen Adar finden wir im sicilischen Adranos wieder. Der Name passt
und ebenso , was wir vom Charakter des sicilischen Gottes wissen. Er führte
eine Lanze als Kriegsgott; er hatte ein ewig brennendes Feuer als Hephaistos.
Bndlich passt noch die Heiligbaltung der Hunde auf Adar oder Moloch, denen
dieses Thier geweiht war. Auch bei den Karthagern waren Hundeopfer ge-
bräuchlich y und es ist kein so grosser Untersdiied zwischen der Opferung von
Hunden und einer Heiligbaltung dersell)en, denn geopfert wurde einem Gotle'nur
was ihm werth war, und gewöhnlich galten die Hunde als unreine Thiei'e. Dem
Kriegsgotte gebi*achte Hundeopfer kommen auch bei den Karern und Spartanern
vor, während andererseits <len Vulkantempel bei Rom heilige Hunde bewachten.
Ganz besonders weist aber auf den Orient das Verbalten der Hunde gegen Trun-
kene bin. Da sie sie in ihren Schutz nehmen und sicher nach Hause geleiten, so
ist es klar, dass die Tmnkenheit an sich als etwas nicht nur zu Entschuldigen-
des, sondern sogar als eine dem Gotte woblgefiillige Sache betrachtet wird.
Nur wenn die Trunkenen Böses begangen haben , fallen die heiligen Hunde sie
au. Wir müssen hier daran denken , dass gerade im Orient enge Beziehungen
zwischen dem wilden Feuei^ und Kriegsgott und dem Gotte des Weines her-
vortreten. Dionys streift in den wilden Wiildern umher und raubt der Venug
den Adonis , wodurch er ganz den Charakter der wilden JHger Mars und Orion
annimmt, welcher letztei'e ebenfalls trunken erscheint. Am deutlichsten tritt
aber die Verbindung des Kriegs- und Weingottes , die bei Adranos bemerkt
wurde, in dem persischen Feste der Sak^ien zu Tage, wo Sandan, der mit dem
assyrischen Feuergott identisch ist, durch den Rausch gefeiert wird.
Wenn wir so in dem sicilischen Adranos den assyrischen Adar wieder-
ünden, so ist es klar, dass wir hier wieder nur eine neue Erscheinung des Baal
haben , die jedoch von einer anderen Kolonistenschaar nach unserer Insel ver-
pflanzt sein muss, als die waren, welche Kronos und Herakles mitbrachten.
Zum Schlüsse dieser Zusanifnenstellung der Spuren semitischer Religion
in Sidlien möge noch die Vermuthung gestattet sein , dass Orion , der, wie wir
sahen, grosse Werke im Nordosten der Insel ausführte, aus dem Oriente nach
Sicilien kam. Wir möchten diese Vermuthung durch eine neue Erklärung des
Namens des nebrodischen Gebirges unterstützen , den wir von Nebrod , d. h.
Nimroid, abzuleiten vorschlagen, einem Heros, der wie Orion ein gewaltiger
Jäger und mit ihm in mancher Beziehung identisch ist.
Die Richtigkeit der Vermuthung, dass auch das auf späteren sicilischen
Münzen vorkommende Zt^chen der Triquetra semitischen Ursprungs sei und
eigentlich den Baal als Sonnengott in seiner dreifachen Gestalt als Gott der
Frühlings-, Sommer- und Wintersonne bedeute, muss wohl dahingestellt blei-
l>en. Allerdings findet sich die Triquetra auf einem numidisohen Denkmal, wo
sie recht wohl Baal bezeichnen könnte; aber auch auf altattischen Münzen
kommt sie vor, und das macht doch ihren semitischen Ursprung sehr unsicher.
Ueber die Verfassung der phönicischen Kolonien auf Sicilien ist nichts
Näheres bekannt. Aus späterer Zeit geben allerdings Inschriften über die
ErslcN Buch. V. Die PhUnicier und Elymer.
isse von Maltn einigen Aufsciiluss; al>er es muss dahingesleilt
weit die Kinriehliingen einer bereits unl^r );riechisrbem Ein-
ilpoche aus nllev, iichl pliOnicischer Zeit hf rsUimmen. Darnach
gebende Gewalt hei dem Rathe und der Volksversammiunf;;
iRfden ein Opferpriesler und Kwei Arctionten s^enannl: leUlere
ist wall rsc heinlich den zwei lyrischen und karthagischen Suf-
also von Alters her die obeislen Ik'ainlen des Staates gewesen
lere Hervorbehun{; des Opferpi-iesters dagegen , der noch vor
L-nanntwird, ist sonst nicht als eine altphttnictsche Sitte be-
licier werden in Sicilien wie anderswo über ihre Unlerthanen,
ist wohnende Urbevölkerung, eine ziemlich harte Heirschafl
ligungen der sicilischen Phtinicier haben wir uns vorzugsweise
islrie zu denken. In der Heihe der letzteren wird, ^ie vor
ispiel zeigt , die Weberei mit den verwandten KUnslen obenan
I ; nicht ohne Bedeutung scheint auch , wie besonders die
iolufi lehren , die Glasbereitung gewesen zu sein ; ausserdem
ang, hauptsiichhch der Thunfische, viele HUnde in Anspruch,
ih, zumal im Westen Siciliens, betriebene Ausbeutung derKo-
enfalls schon von den PhOniciera begonnen worden und viel-
von Molye aus betrieben. So mögen denn die grossen Hufen
md Hotye ein buntes Bild regen Lebens dargeboten liaiN'n.
[ivoller Ladung von Tynis und Kiirtbago, von Gades, Sardinim
n und gingen ; Barken brachten die erbeuteten Scliütse dei'
che ; sikanische Landleule trieben Vieh herbei und fuhren Kom
■ Speicher, um mit Manufacturwaarcn beladen in ihre Heimat
; von Zeil zu Zeit tief auch wohl ein Schilf voll Sklaven ein,
' geraubt oder erhandelt hatten , und die zur hüuslichen Arbeit
t in den Tempeln bestimmt waren.
Mleutimg der Phttnieier fUr Sicilien liegt weniger in dem , w.is
hnen ausschliesslich gehörigen Ortschaften thaten, als in dem
i auch über die ihnen ni<'ht unmittelbar unterworfenen Gegen-
usühten. Nach den im Vorhergehenden über die ganze Insei
in der Plitinicier und anderer Orientalen zu urlheilen, tnUssen
?ren Scbaaren überall hin auf Sicilien verbleitet haben. QfTen-
: sich friedlich unter den Ureinwohnern an, mit denen sie dann
hmolzen. Welches nun war der Einduss. den sie-»uf sie aus-
;ie mit den PitMlukten ihrer Industiie bekannt machten und an
rselben gewöhnten, hoben sie schon ihren Bildungsstand. Wenn
eines Volkes weniger im Gebrauche der von vorgesch ritten eren
Iben zugefUbrten Waaren , als ^ielmehr in der Uöglichkeit be-
in selbst hervorxuhringen , so ist in dieser Beziehung allerdings
n und Sikelern nur ein theilweiser Fortschritt durch die PhOni-
Jenken. Wir müssen bezweifeln, dass-die Ureinwohner Siciliens
Industrien, wie z. B. die Weberei, selbständig ausüben lernten.
Badeulung der Phdnlcier für Sicitien. 97
Dagegen scheinen sie durch.die orientalischen Kolonisten mit dem Zweige der
Land^'irthschaft , der rech^ eigentlich aus dem Orient herstammt, der Kultur
der Fruchtbäume, l)ekannt gemacht worden zu s^n. Aristaios, dem die Ein-
führung des Oelbauras beigelegt wird, steht mit den Phöniciern in Verbindung,
und Dionysos kömmt bekann termassen aus dem Oriente her. Dass die Sikeier
und Sikaner auch die vei*vollkommnete Weise des Fischfangs den PhOniciern
absehen mussten, versteht sich von selbst. Ausserdem kann kaum bezweifelt
werden, dass die zuerst vom Oriente auf die Insel gebrachte bildende Kunst —
Ddidrflos, der Vertreter derselben, hat manche Beziehungen zum Oriente — den
Ureinwohnern bald, wenigstens in Bezug auf die Architektur, zum Vorbilde
wurde. Endlich ging Manches aus dem Kultus der Orientalen auf die Urein-
wohner über; der einfache Glaube an ländliche und llirtengotlheiten wurde
durch das Eindringen der orienUilischen Mythen mit ihren schroffen Gegen-
sätzen, mit ihren grossen Lichte und Schatlenmassen, wesentlich modificirt.
Wir können also zusammenfassend sagen, dass die orientalischen Koloni-
sten der Insel Sicilien manche neue Bildungselemente brachten und sie einen
bedeutenden Schritt auf der Bahn der Civilisation vorwärts thun liessen. Zu
den einfachen, mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigten Ureinwohnern waren
Männer ans weiter Ferne gekommen, in mancherlei Künsten und Wissenschaften
jenen weit überlegen. Sie hatten einzelne Punkte der Insel ganz für sich in
Besitz genommen , in alle Theile derselben aber zerstreute Schaaren zu fried-
licher Niederlassuni: entsandt. Von ihnen erhielten die Ureinwohner die Pro-
dukte einer entwickelten Industrie, von ihnen lernten sie die Fruchtbarkeit
ihres Bodens und den Beichthum ihj^er Meere besser benutzen , von ihnen em-
pfingen sie den ersten Unterricht in mancherlei Künsten und nahmen einen
Theit ihrer Beligion an. Die verschiedenen Nationalitäten standen sich also auf
Sicilien keineswegs feindlich gegenüber, aber sie vermischten sich auch nicht.
Es hatte noch nicht den Anschein, als ob sich aus den Elementen , welche die
Insel enthielt, ein neues Ganzes bilden sollte, wenigstens nicht ein solches, das
für die Weltgeschichte von Bedeutung sein würde.
Dies wurde erst durch die Einwanderung eines dritten Volksstammes her-
beigeführt: des hellenischen.
Sechstes Kapitel.
Sporen der ältesten Bewohner Siciliens.
Bevor wir jedoch zur Erzählung der Niederlassung der Griechen auf Sici-
lien übergehen können, hat uns die Frage zu beschäftigen, ob nicht vielleicht
noch jetzt Spuren der Thätigkeit der vorhellenischen Bewohner der Insel vor-
handen sind. Wir werden hierbei von dem einfachen, wenngleich keineswegs
immer leicht in Anwendung zu bringenden Gesichtspunkte ausgehen müssen,
dass die Kunstübung der Sikaner, Sikeier, Phönicier und Elymer der älteren
Holm, Qesch. SicUiens. I. 7
98 Erstes Buch. VI. Spuren der ttllesten Bewohner Siciliens.
Zeit sich durch eine ^^rö^sere Robheit von der hellenischen unterschied. Das
Bedenkliche dieser Voraussetzung liegt darin, dass sie dem griechischen Wesen
eine VoUkonttnenheit zuzuschreiben scheint, die es zu Anfang keineswegs hatte,
die es vielmehr erst im Laufe der Zeit erreichen konnte , eine Thatsacfae , di«
ytiv nicht leugnen, wenn uns auch gerade für die Baukunst, die hier besonders
in Betracht kommt,, von diesem allmählichen Aufklimmen zur Vollendung die
nähere Kenntniss abgeht. Wenn es nun hiemach schwer, ja unmöglich scheinen
konnte , Vorgriechisches auf Sicilien von Aitgriechischem zu untei^scheiden , so
stellt sich die Sache doch etwas günstiger , wenn man auf die Oertlichkeiten,
an denen sich Spuren des Alterthums finden, Rücksicht nimmt. Man kann, im
Allgemeinen wenigstens, in Sicilien die Orte, welche schon früher von den
Griechen besetzt wurden , von denjenigen unterscheiden , bei denen dies erst
spät Statt fand ; man wii*d also , was in den letzteren einem höheren Alter-
thum anzugehören scheint , unbedenklich der vorhellenischen Zeit, oder viel-
mehr den vorhellenischen Völkerschaften zuschreiben dürfen.
Mit Sicherheit können zunächst gewisse alte Bauwerke , die sich auf der
maltesischen Inselgruppe finden, für vorgriechi^sch erklärt werden. Da hier seit
alter Zeit Phönicier wohnten , so sind diese Ueberreste als Denkmäler der pho-
bischen Kunst EU betrachten. Zwei dei*selben gehören der Insel Gozzo an. Das
eine ist kreisförmig ; es hat einen Durchmesser von \ 32 Fuss , und im Innern
sind Spuren von Abtheilungen. Die Eingangspforte ist durch zwei grosse,
i 8 Fuss hohe, 6 Fuss dicke und 4 Fuss breite, wenig behauene Steine gebildet,
welche 7 bis 8 Fuss von einander abstehen. Die Mauern bestehen aus abwech-
selnd der Länge und der Breite nach gestellten grossen Steinen. Das Gebäude
ist unbedeckt, wie alle ähnlichen auf Gozzo und Malta. Sechshundert Fuss öst-
lich von diesem Gebäude steht ein anderes ähnliches Bauwerk, der sogenannte
Thurm der Riesen. 133 Meter im Umfang, dessen Hauptbestandtfaeil zwei neben
einander befindliche, nicht unter sich in Verbindung stehende, unbedeckte
Räume sind, ein jeder aus fünf unregelmässigen Halbkreisen gebildet, die sich
einem mittleren Gange anschliessen. Die Länge des linken, grösseren Raumes
beträgt vom Eingänge bis zum Ende des gegenüberliegenden mittleren Runds
S6,30 Meter, seine Breite auf einer durch die beiden sich daran zunächst an-
schliessenden Apsiden gezogenen Linie 32 Meter, während die Endpunkte der
beiden dem Eingange nächsten Apsiden 1 6,1 0 Meter von einander entfernt sind.
Die Mauern bestehen aus mehreren Steinschichten, in deren unterster die Steine
abwechselnd der Länge und der Dicke nach gelegt sind. Jene sind gewöhnlich
zw ei , welche zusammen die Dicke der Mauern ausmachen ; bisweilen ist es
auch nur einer; darauf folgt dann ein einzelner Stein, dessen grösste Aus-
dehnung von innen nach aussen geht und so die ganze Dicke der Mauer —
5 — 6 Fuss — ausfüllt, oft sogar noch etwas nach aussen hervorragt. Die oberen
Schichten sind auf gewöhnliche Weise gebaut. Am deutlichsten zeigt noch das
erste rechte Halbrund des linken Raumes die ursprüngliche Einrichtung. Hier
führen Stufen zu einem Platze, dessen Mitte durch zwei grosse Pfeiler eingefasst
wird , zwischen denen aufrecht stehende und deckende Steine eine Art von
innerstem Heiligthum bilden ; ein konischer Stein stand davor.
Auch auf Malta haben sich ähnliche Ruinen erhalten. So befindet sich in
Maltesische Bauwerke.
der Nahe der Ueberreste , welche dem Heraklestempel zugeschrieben werded,
unfern einer Kapelle des heil. Georg ein Gebäude, das aus zwei kreisförmigen
Abtheilungen besteht, welche 70 — 80 Fuss Durchmesser haben und durch
eine Mauer mit einander verbunden sind. Noch bedeutender ist aber auf der-
selben Insel ein anderes ähnliches Bauwerk , das man an einem Hadjar Cham
genannten Orte unter einer Masse von unförmlichen Ruinen desselben Charak-
ters sieht. Es ist nach üouel , dem zufolge es den Namen Tadarnadur Isrira
führt, ein Kreis von fast 100 Fuss Durchmesser, dessen Ringmauer aus gröss-
tentheils am Boden liegenden Steinen besteht; — nur fUnt stehen aufrecht,
davon vier neben einander, 18 Fuss hoch. Im Innern dieses Kreises sind Ab-
theilungen sichtbar. Nach neueren Schriftstellern wSiren es zwei elliptische
Haupträume, von vier ebenfalls elliptischen und mehreren anderen Neben-
räumen umgeben.
Im Innern aller dieser Gebäude sind mehrfach Steintische, steinerne Becken,
Schranken, Platten, steinernes Fachwerk, konische Steine und dergl. gefunden
worden, auch hat man hie und da sehr einfache, aus Wellen- und Spirallinien
bestehende Verzierungen bemerkt, in dem grossen maltesischen Gebäude hat
man endlich noch acht kleine, unförmliche, kopflose steinerne Figuren entdeckt.
Diese Bauwerke waren offenbar zu Kultuszwecken bestimmt. Da Hadjar
Cham die Ruinen Cham's bedeutet, so hat Movers wohl mit Recht vermuthet,
dass Cham hier für Chamman stehe, einen Beinamen BaaFs, wie denn Baal-
Chamman wirklich in einer phönicischen Inschrift Malta's vorkommt, und
weiter daraus geschlossen , dass es die Ruinen eines diesem Gotle geweihten
Ueiligthumes waren. Das Heiligthum im ersten Halbrund des Riesenthurms
auf Gozzo erinnert mit den zwei aufrecht stehenden Pfeilern und dem konischen
Steine lebhaft an den besonders durch kypiiscbe Münzen bekannten Venuslempel
auf Paphos; es ist deshalb wahrscheinlich, dass es ebenfalls ein Venustempel
war, wie denn auch Mttnzen von Gaulos auf der einen Seite Mars, auf der
anderen Venus zeigen. Uebrigens hat die Architektur mehrAehnlicbkeit mit den
celtischen Gromlecb^ , als mit dem , was sonst von der Baukunst der Phönicier
bekannt ist; wir dürfen also vermuthen, dass die beschriebenen Bauten de^
maltesischen Inselgruppe aus einer sehr frühen Zeit herstammen.
Auf Sicilien selbst hat sich ein Bauwerk ähnlicher Art in Sparano (zwischen
Akrai und Note) gefunden, wo ein Ring von fünf aufrecht stehenden Steinen
eine in drei Räume getheilte Substruction umschliesst, in der eine aus phöni-
cischen Schriftzeichen gebildete Inschrift entdeckt ist. Ausserdem ist die bei
den Ruinen von Gozzo bemerkte Art, die Mauern zu errichten, Uouel auch
an sicilischen alten Bauwerken aufgefallen. Er nennt in dieser Beziehung die
sogenannten Macararuinen bei der Insel Vindicari nördlich vom Pachynos , die
Ruinen der alten Stadt bei Castronovo (südlich von Lercara gelegen) und Pre-
falaci bei Palernö am Aetna. Hier sah er ein rundes Gebäude, so errichtet,
dass immer zwei Steine aufrecht neben einander in der Weise gestellt
waren , dass sie durch ihre doppelte Dicke die der Mauer bildeten , worauf
dann jedesmal ein Stein folgte, der ebenso dick war wie die beiden vorher-
gebenden zusammengenommen. Ganz Aebnliches fand er an den beiden andern
genannten Orten. Nun konnte der Hafenbei der Insel Vindicari sehr wohl eine
100
Erstes Buch. VI. Spuren der ttHesten Bewohner Sicitiens.
phöDicische Anlage enthalten — Schubring erinnert an den Ort Phoinikus, der
in dieser Gegend erwähnt wird — , ob aber am Aetna und mitten im Lande bei
Castronovo Phönicier selbst diese Gebäude errichteten , darf zweifelhaft er-
scheinen. Es steht aber nichts der Annahme im Wege, dass die Sikeler und
Sikaner, indem sie von den Phöniciern die Baukimst erlernten , auch diese Art
der Mauerbauten nachgeahmt haben.
Sodann gehören einem hohen Alterthum Reste sogenannter kyklopischer
oder peldsgischer Mauern an , mit welchem Ausdrucke bekanntlich Bauwerke
bezeichnet werden, die aus Steinen von unregelmässig polygoner Form zusam-
mengeftlgt sind.
Die merkwürdigste Ruine dieser Art befindet sich oberhalb der Stadt
Cefalü in dem alten Kephaloidion. Das mit der Rückwand sich an den Berg
lehnende Gebäude besteht aus zwei Kammern und einem Gange , der beide
trennt. Die Eingangsthür des Ganzen führt in diesen Gang , in welchem sich
zunächst rechts eine Thür in die grössere Kammer, sodann ein wenig weiter
links eine zweite in die kleinere öffnet. Der Gang und die rechts liegende,
grössere Abtbeilung stehen um sechs Fuss weiter nach aussen vor, als die
kleinere links. Die Thüröffnungen sind von ziemlich gut gearbeiteten Gesimsen
und Pfosten eingefasst, welche gegen die Mauern des Gebäudes zurücktreten und
erst später, vielleicht in der Römerzeit, hineingearbeitet sind. Eine antike Be-
dachung ist nicht mehr vorhanden , doch ragt aus der grossen Kammer an der
Vorderseite eine Regenrinne nach aussen hervor, ein Beweis, dass die Höhe des
Gebäudes noch ungefähr die ursprünglicheist. Die Vorderseite liegt nach Norden,
die Seitenwand der grossen Kammer nach Westen, die der kleinen nach Osten.
Jene hat eine Breite von circa 24, diese von circa 10 Fuss; der sie trennende
Gang ist 6 Fuss breit. Die Steinschichten der Mauern werden nach oben zu
regelmässiger. Das Gebäude hat offenbar nicht einem religiösen Zweck gedient;
es scheint vielmehr die Wohnung eines angesehenen Mfmnes gewesen zu sein.
Die grosse Kammer ist gegenwärtig von einem römischen Gewölbe bedeckt,
worüber sich eine kleine Kirche aus der ältesten christlichen Zeit erhebt, die
auch bereits zur Ruine geworden ist. So gehört das kleine Gebäude drei ver-
schiedenen Epochen und Kunstrichtungen an.
Ob das ursprüngliche Bauwerk von Phöniciern oder Sikelera herrührt, ist
nicht mehr zu entscheiden.
Ausserdem scheint noch ein Theil der Mauern des heutigen Cefalü, der
ähnliche Construction zeigt, aus sehr alter Zeit herzustammen ; er gehörte viel-
leicht der phönicischen Stadt, die ja wahrscheinlich am Meeresufer lag, an.
Unter den sonstigen Ueberresten pelasgischer Bauten in Sicilien sind zu-
nächst die Mauern zu erwähnen, die das alte Eryx nach Westen hin einschlös-
sen, und worin sich noch 13 viereckige Thürme befinden. E)in anderes Mauer-
Stück dieser Art-ist auf der Höhe des Berges Eryx sichtbar. Man hat dasselbe
für einen Theil der Fundamente des Tempels der Aphrodite erklärt : nach seiner
Lage könnte man, wenn die Bemerkung Houers, dass es an einer Felsecke sonst
ungesicherten Boden stütze, richtig ist, darin eine Bestätigung der Nachricht
Diodor's finden, dass Daidalos die Oberfläche des Eryx durch seine Bauten er-
weitert habe. Natürlich kommt es hier auf den Namen und die Persönlichkeit
Pelasgische MauerH. Grotten . 101
des Daidalos nicht an ; aber es wäre interessant , ein Stück dessen vor sich zu
sehen, was man im AU^rthum als das Werk des ältesten Künstlers betrachtete. ^
Sodann sieht man in den westlich von Collesano gelegenen Ueberresten
einer alten Stadt, die wir oben (S. 71] mit Anderen für Paropos erklart haben,
vielfache Beispiele der pelasgischen Construktion.
De Sayve und Alessi haben ein Stück kyklopischer Mauer in Catania in
der Nahe der Bastion degli Infetti finden wollen. Es besteht aus vulkanischen
Blöcken von 5 oder 6 Seiten. Es ist aber nicht wahrscheinlich , dass es der
vorgriechischen Zeit angehört.
Andere pelasgische Mauern sind bemerkt worden : von Houel und Forbin
bei Marza in der Nähe des Odysseushafens am Pachynos ; von Houel bei Pal-
conara , auf der Insel Vindicari , in dem Lehen S. Marco und in der Umgegend
von Palazzolo ; von Schubring in Cassaro, 4 M. vonModica, sowie im Fondo
della Corte, unweit davon. Ndch Smyth Fände sich endlich auch auf der Insel
Lipari Aehnliches.
Bei den genannten Lokalitäten kann man unbedenklich annehmen , dass
es Sikeler waren, welche diese Bauwerke errichteten.
Beispiele der älteren Art des Wölbens , wo die Seitenmauem allmählich
mehr und mehr gegen die Mitte übertreten , bis sie sich endlich berühren oder
wenigstens im Stande sind, einen darüber gelegten Schlussstein zu tragen, sind
in Akrai und Akragas bemerkt worden.
Sodann giebt es in Sicilien eine Menge Grotten, von Menschenhand ge-
machte Aushöhlungen der Felsen , welche zum' Theil wenigstens sicher einem
sehr hohen Alterthum angehören. Die Natur des sicilischen Bodens, der gross-
tentheils aus Kalkstein besieht, begünstigte das Ausgraben derselben sehr. Ich
spreche hier nicht von den vollkommen unterirdischen , künstlich gemachten
Höhlen unserer Insel, deren es neben zahlreichen natürlichen nicht wenige giebt;
es wird von ihnen gelegentlich die Rede sein. Die hier in Frage kommenden sind
in der Regel in grossen Mengen neben und übereinander in den Seitenwänden der
Thäler angebracht. Bereits Fazell hat die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt; das
Verdienst, sie genauer verzeichnet und beschrieben zu haben, gebührt Houel.
Seitdem ist eine Zeit lang besonders eine einzelne Reihe derselben, die des
Thaies von Ispica, besichtigt und beschrieben worden, und man hat halb und
halb vergessen, dass die Grotten dieses Thaies, wenngleich höchst merkwürdig,
keineswegs die einzigen ihrer Art in Sicilien sind, bis neuerdings unter Anderen
Schubring wieder in Erinnerung gebracht hat , dass es ausser diesen und in
grösserer Nähe von Syrakus noch sehr viele uralte Grotten giebt. Dennoch sind
sie noch nicht gründlich und vollständig genug untersucht worden.
Ich will nun zuerst eine Uebersicht der hauptsächlichsten Pimkte geben,
an denen die Reisenden und Alterthumsforscher Grotten der genannten Art
erwähnen; .die Frage, zu weldiem Zwecke sie bestimmt waren, wird sodann
besprochen werden.
Im Westen und Norden der Insel sind verhältnissmässig wenige gefunden
worden. Ganz vereinzelt scheinen diejenigen dazustehen, die Fazell an der
Mündung des F. S. Cataldo, südlich vom Capo Rama bemerkte. Weiter südlich
finden sich viele Grotten (50) in dem Gypsberg Finestrelli, drei Millien nördlich
Erstes Buch. VI. SpureA der altesteii BewohiiurSicllLena.
(infa. Wenn wir von bier nach Ost«n fortschreiten, so fälh uns die in
her Beziehung merkwürdige Berggruppe von Caltabellotta auf. Hier
drei Punkleii Grotten : bei San Paolo südlich vom Berge Gogola
tenj , am sogenannten Niscbenbei^e westlich davon ['.i'i] , endlich am
n Abhang des noch westlicher gelegenen Berges von S. Benedello Cal-
vo sieb in vier bis fünf Stockwerken Über einander 59 Grollen in den
mg eingeschnitten finden. Endlich enthalt noch der Honte di PieU
vom Nischenberg eine grosse aus sechs Zimniem bestehende Grotte,
werden erwähnt bei Alisilibesi, <1 H. von Hemfrici , beiSambuca, bei
I, bei.ftafladale, bei Le Grotte, beiNaro, bei Pietreperzis gegenüber
etta.
nn wir uns vonhier nach Norden wenden , so treffen wir im Mittel-
ier Insel die auf steilen Höhen zu beiden Seiten der Ueerstrasse liegeu-
Ite Castrogiovanni und Calascibetta. Hier finden sich zahlreiche Grotten,
oviinni insbesondere entbült deren in den Wanden der Schluchten,
das Plateau des Berges durchziehen, dicht neben den Strassen der
nd diese Grotten, die griechische genannt werden, sind theilweise noch
Kvobnt.
:h Osten zu giebt es im nördlichen Tbeile des Symaithosthales Grotten:
) Asaro's, in Sperlinga, bei Nicosia, wo der Berg , an dessen Fusse die
igt, voll von ihnen ist; an dem Berge, auf welchem Regalbuto erbaut isi,
idiich zwischen Bronte und Maletto in unmittelbarer Nahe des Aetna,
südlichen Theile des Symaithosgebietes sind sie besonders hau6g in der
des Paiikensees. Schon zwischen Piazza und Caltagirone werden sie
.. An der südöstlichen Seite des Hügels La Rocca , auf dem man das
ke sucht, sah Houel eine üi den Fels gehauene, theilweise erhaltene
die zu Grölten führte. Einige Heilen dstlich davon liegt der isolirte
. Basilio, der ausser anderen Ueberresten des Alterthums auch Grotten
Zwischen Minco und Militello bemerkte Houel ebenfalls verschiedene
und in ihrer Näbc stets Quellen , woraus er den Schluss Z(^ , dass sie
mungen gedient hatten.
I zablreicbsleo sind die Grotten aber in der Sudostecke Siciliens, in
)ietei) der Flüsse, welche vom Monte Lauro und seinen Vorheizen ber-
icn.
Flus^ebiel des Tcrias finden wir sie , ausser bei Licodia und Vizzioi,
die auf der Scheide zwischen ihm und dem in's libysche Meer sich er-
len Diriilo liegen, bei Uiliiello und Francofonte, in ganz besonderer
iber bei Leoniini, das sich nach der Bemerkung eines neueren Beisenden
1 von tausend Grotten durchlöcherten Berg lehnt,
ich an Grotten ist sodann die Gegend zwischen den HUndungen des
Lind des Anapos , d. h. das vorspringende Land um das Cap S. Croce
megarische Bucht. Da ist im Norden der eine Millie lange, gewundene
'on La Bruca , durch den sich der Fluss Forcari (Pantagias} io's Heer
, und in dessen klaren Gewüssern die in den 40—50 Fuss hohen Fels-
I angebrachten Grotten sich spiegeln. In der Nähe ist die Schlucht,
Grotten^ 1 03
weiche Cava (so werden die durch fliessendes Wasser gebildeten Schluchten
genannt) diavolo d^opera heisst, wegen der ungeheuren Arbeit, die die vielen
Grotten, welche sie enthält, gemacht haben müssen. An dem Wej^e von Lentini
nach Aogusta fand Houel unter vielen dort sichtbaren Grotten besonders eine
an dem Orte Deluderi befindliche, La Timpa genannte bemerkenswerth , die
aus mehreren Stockwerken bestand, Schubring nennt die den Fluss Molinello
3 Millien weit in den senkrechten Felswänden, welche ihn einfassen, begleiten-
den ; derselbe erwähnt die Grotten an der Quelle des Flusses S. Gusmano und
an der Küste der Halbinsel Magnisi (Thapsos) .
Wir kommen jetzt zum Thal des Anapos. Hier zeichnet sich vor Allem das
Quellgebiet durch seinen Grottenreichthum aus. Houel bemerkt , dass sich in
der Gegend von Palazzolo mehr als hundert Grabgrotten fänden. Bassierre er-
zählt, dass er auf seiner Beise von Buccheri nach Palazzolo, die ihn am Fusse
der Felsmasse , auf deren Gipfel , wie er sagt , Occhera (?) liegt , vorbeigeführt
habe , diesen Berg von einer unendlichen Menge von Grotten durchlöchert ge-
funden, und er vergleicht diese zum Theil.sehr schwer zugänglichen Grotten
mit den m Castrogiovanni gesehenen. Sie könnten sehr wohl identisch sein mit
den von Houel bei Buscemi bemerkten, einem Ort, der ebenfalls zwischen
Buccheri und Palazzolo liegt. Dieser Reisende beschreibt besonders ausführlich
die in der Nähe von Palazzolo befindliche , nach Floridia sich hinziehende Cava
von Spinpinatus mit ihren Grotten, unter denen vor allen eine interessant war,
da sie eine fast vollständige häusliche Einrichtung, mehrere Wohnräume, eine
Treppe, sogar Latrinen hatte. Houel erwähnt noch die merkwürdige Thatsache,
dass in früherer Zeit Wald und undurchdringliches. Gestrüpp den Grund der
Cava bedeckte, und dass, als eine zufällig entstandene Feuersbrunst die Bäume
und Siräucher in Asche verwandelt hatte, die Einwohner von Palazzolo, die
nun den Boden untersuchten, dort Lanzen, Pfeile und andere Kriegswerkzeuge
von Bronze fanden. Eine andere, sehr merkwürdige Grotte ist die eine Stunde
von Palazzolo gelegene Einsiedelei von S. Lucia. Es ist ein ganzer Felsen, den
man zu einer Burg ausgehöhlt hau Da ist ein kreisförmiger Raum , von dem
mehrere Gänge zu Kammern führen ; im Grunde eines dieser Gänge leitet eine
Treppe zu einem noch tiefer gelegenen Zimmer , in welchem sich fliessendes
Wasser befindet. In unmittelbarer Nähe des Berges von Akrai liegt endlich der
mit demselben durch den Sattel des Monte AUeriu zusammenhängende Monte
Pineta, auf dem Scbubring Grotten sah, die, mit der Front nach Norden gerichtet,
in unregelmässigen Reihen in drei bis vier Stockwerken über einander an-
gebracht waren.
Die Strasse, weldie sich von Palazzolo nach Syrakus hinabzieht, ist die
ersten 4 Millien weit auf beiden Seiten von terrassenförmig abgestuften, theater-
artig gerundeten Felsrändem eingefasst, welche alle mit uralten Höhlengräbem
besetzt sind. Das Anaposthal selbst enthält Grotten bei Ferla und besonders
bei Sortino in der sogenannten Höhlenstadt von Pantalica. Hier sind die Fels-
wände des sich vielfach windenden Thaies in der Ausdehnung einer Millie von
Grotten durchlöchert, deren Zahl ein neuerer Reisender auf 4000 geschätzt hat.
Eine derselben soll gegen 400 Fuss lang und an ihrem Ende nicht weniger als
1 50 Fuss. hoch sein ; es ist klar, dass dies eine natürliche Höhlung des Berges ist.
Erstes Bach. VI. Spuren'der ältesten Bewohner Sicillens.
E nahe bei Syrakus sind Grollen auf Pleminyrion, die verhältnissmfissig
u erreichen sind, als die am Anapos und bei Palazzolo.
den FlUssen südlich vom Anapos ist es besonders der Cassibili, dessen
) sogenannte Cava gründe, eine gewundene Schlucht von höchstens
Breite, an Grotten reich ist. Ausserdem hat Houel die wichtige Be-
ßemacht, dass von Syrakus bis Avola, eine Sli'ecke von 18 Uillien
mg, wo das Gebirge durchschniliüch eine Millie vom Ufer abslebt,
rotten in den Fels gehauen sind. Treppen, Grabkammern mit Saluten,
Arkaden, Alles ist aus dem Stein ge'irheilet. An einzelnen Punkten
mel zu dqr Vennulhung veranlasst, dass diese Felsknmmem nur die
hg von Baulichkeiten gewesen seien, die vor den Felsen, sich an sie ao-
gestanden hiltl«n.
kommen jetzt zu einer der grSsslen Merkwürdigkeiten Siciliens , dem
al von Ispica.
lieht sich ungefilhr acht Million lang in verschiedenen Krümmungen
Hodica und Spaccafurno hin, von einem Bache, dem Busaidone. durcb-
1er hier und da kleine Teiche und WasscrHiUe bildet. Die Vegelalion
»Dhnliche solcher Schluchten. Den Grund bedeckt ein Üppiges Dickicht
ider-, Feigen- und Johannisbrodbaumen ; weiter hinauf vkachsen breil-
Akanlhus und wilde Artischoken, und von der Höhe der gelben Sand-
n hängen dicke Cnklusi^ewinde herunu-r. Das ganze Thal birgt in den
Jen, die es einschliessen, unzählige Grotten, oft in mehreren Slork-
Iber einander. Auch jeiit noch, wo durch den Einsturz vieler Fels-
(irliche, wenngleich milunler etwas unliequcme Treppen gebildet sind,
ugang zu manchen derselben sehr beschwerlich, und ursprünglich
lan zu vielen von ihnen nur auf Leitfirn haben gelangen zu können,
ohne jf^licfae Verzierung, sei es im Innern oder im Acuasern; die
id Fensteröäbungen haben keine Einfassung irgend welcher Art. Die
er Höhlenrilume ist verschieden ; doch hüben sie selten mehr als
riefe und (i Fuss Breite und Htihe. Der ThUr gegenüber, sagt St. Non,
eine Grotte schildert, welche nls Beispiel für viele ähnliche dienen
nd Nischen angebiachl, und in diesen eine Art von Trog; im Boden
sich Vertiefungen, die ebenso gut Schlafstellen wie Grabstütlen sein
Ringsumher sind unförmliche Ringe in die Uauer gehauen und kleine
,te in den Fels gemacht. In einigen Kammern befindet sich auch eine
Kasten, der von einer Platte bedeckt ist, und durch welchen eine
r Ableitung von Wasser lauft, ein GerSth von sehr unklarer Bestim-
!>ie nebeneinanderliegenden Baume sind durch dünne Scheidewände,
einander liegenden nur durch dünne Fussböden getrennt. Gewöhnlich
[ammer isolirt, nur wenige haben hinler der ersten Zelle noidi eine
1er stehen mit der über ihnen befmdlichen durch eine einem Brunnen-
chende OofTnung in Vetbindun;;. Wahrend nun die meisten der Grotten
H dem hier entworfenen Bilde gleichen , giebt es einige , die sich vor
;en durch Besonderheiten auszeichnen. So Gelen Houel die Grotten am
n Ende der Cava auf, in denen sich kleine Corridore, Nebenireppen
jres fand, das auf grössere Bequemlichkeit hindeulet«. Sonderbar war
Grotten. 105
vorzüglich eine, die den Namen La Spezierin , der Krämerladen, führte, weil
grosse viereckige, in den Seitenwinden angebrachte Vertiefungen dem Gemache
eine gewisse Aehnlichkeit mit einem solchen gaben , und wo ausserdem noch
seltsame sechseckige Löcher sich im FusSboden befanden. Die merkwürdigste
von allen Grotten dieses Thaies ist aber das sogenannte Gastello dlspica , ein
ziemlich isolirter, ausgehöhlter Felsen , der viie ein von Menschenhand auf-
gebautes Kastell aussieht. Es ist bei*eits so viel von dem Felsen eingestürzt,
dass die Vorderwünde der Räume grösstentheils fehlen und man nun v^ie in
einem architektonischen Durchschnitte das Innere der Wohnungen offen ge(egt
sieht, liier gewahrt man mehrere Stockwerke über einander , durch Treppen
verbunden, und in den Gemächern verschiedene, auf ehemalige Bewohnung
hindeutende Einrichtungen, wie mörseriihnliche Höhlungen zum Zermalmen des
Getreides, Löcher zum Abflüsse des Wassers u. a. m. Dies sogenannte Kastell
wird für den Wohnsitz des Herrschers der Höhlenstadt ausgegeben.
In dieser Gegend hat noch das zwischen Spaccafumo und dem Meere ge-
legene Stafenda Grotten.
Wenn wir nun, der Südküste nabebleibend, nach Westen weitergehen, so
sind die in und bei Scicli gelegenen Grotten zu erwähnen , die nach Einigen
die Lage des alten Kasmenai bezeichnen. Jedenfalls lag hier eine alte Stadt auf
den verschiedenen Absätzen eines Berges , und es ist noch ausser den Grotten
eine lange Treppe merkwürdig , die im Felsen hinunterführte , und vermittelst
deren man, von Feinden unbemerkt, Wasser holen konnte.
Auf Malta ßnden sich ähnliche Werke.
Welchem Zwecke dienten nun diese Grotten? Man ist in früherer Zeit
durchgängig dejr Ansicht gewesen, dass sie menschliche Wohnungen waren,
und die oben nach St. Non und Houei gegebene Schilderung einiger der Grotten
von Ispica beruht auf dieser Voraussetzung. An sich hat nun eine solche An-
nahme nichts Unwahrscheinliches. Es giebt und gab Troglodyten in den ver-
schiedensten Theilen der Erde, und insbesondere wird im Alterthum aus Libyen,,
aus Sardinien und von den Balearischen Inseln gemeldet, dass es dort Stämme
gebe, die in Höhlen wohnten. Wäre es nun auffallend, wenn in alter Zeit
dieselben Stämme auch einen Theil von Sicilien inne gehabt und sich dort
ebenso eingerichtet hätten, wie in ihren übrigen Wohnsitzen? Dennoch ist
neuerdings die Meinung mehr und mehr herrschend geworden , dass diese so-
genannten Höhlenstädte nichts als Todtenstädte gewesen seien. Man ist dabei
besonders von der Aehnlichkeit mit den etruskischen Nel£ropolen ausgegangen.
Indem aber die Vertheidiger dieser Ansicht sich hauptsächlich in allgemeinen
Bemerkungen hielten, konnten sie die Frage noch nicht zu einer befriedigenden
Lösung bringen, und es ist daher um so erwünschter, dass ganz kürzlich über
einzelne Grotten Siciliens Nachrichten uns zugekommen sind, weiche für diese
wenigstens die Frage entscheiden. Schubring, von dem wir zugleich Ddieri
als den siciiischen Namen solcher Grotten erfahren , schildert die von ihm be-
sonders in der Nähe von Syrakus und Akrai, sowie bei Galtabellotta gesehenen
in folgender Weise. Durch kleine , viereckige , fensterartige Eingänge von ge-
wöhnlich 2 Fuss Breite und 3 Fuss Höhe schaut man hinein ; am Rande dieser
Oeffnung sieht man noch die Angeln für die eingefügten Holzthüren, von denen,
i-y
106 Erstes Buch. VI. Spuren der jiltesteQ Bewohi>er Siciliens.
nach Spuren im Steine zu urtheilen, gewöhnlich mehrere vor einander zu gros-
serer Sicherheit angebracht waren. Wenige grössere ausgenommen , sind sie
gemeiniglich so klein , dass ein Mensch nicht anders Platz darin 6ndel , als auf
allen Vieren. Diese Bemerkung ist entscheidend für ihren Gebrauch als Grab-
stätten , und es wird somit äusserst wahrscheinlich , dass auch die grösseren
und geräumigeren zu demselben Zwecke gedient haben, wenigstens die meisten
derselben. In späterer Zeit können dann diejenigen von ihnen, weiche am zu-
gänglichsten waren, von Hirten, oder wer sonst genöthigt war, in der Einsam*
keit zu leben, zu Wohnungen eingerichtet worden sein, und daher mögen dann
die Spuren stammen, welche auf eine derartige Benutzung hindeuten. Ganz
ausgeschlossen ist aber damit die Möglichkeit immer noch nicht, dass einzelne
schon in uralter Zeit bewohnt waren.
Welchem Volke aber diese Graber angehörten, ist nodi nicht entschieden.
Manche halten sie fttr griechisch , andere für sikelisch (resp. sikanisch) ; ich
scbiliesse mich fUr die Mehrzahl derselben der letzteren Ansicht an. Einzelne
griechische Thonscherben , die in den Grotten von Ispica gefunden sind, kön-
nen natürlich nur eine nachtragliche Benutzung durch die Griechen mit Sicher-
heit beweisen. Im Allgemeinen ist es auffallend , dass man in ihnen so wenig
Gegenstände entdeckt hat, wie sie sonst in Gräbern vorzukommen pflegen.
Dies ist mehr der Fall gewesen bei einfach in den Felsboden' gehauenen,
mit Steindeckeln geschlossenen Gräbern , wie sie z. B. in der Nähe von Syrakus
und Akrai vielfach vorkommen. Man hat eine Anzahl dei^lben neuerdings für
phönicisch erklärt. Schubring schildert die bei Akrai gefundenen als 1,50 bis
1,80 Meter lang und bald von Osten nach Westen, bald von Norden nach Süden
gerichtet, je nachdem sie Gräber von Frauen oder Männern waren, die man an
den in den ersteren gefundenen Haarnadeln unterschied. Die Skelette waren
vollständig erhalten , die Köpfe an den Schläfen sehr eingedrückt und fast von
der Form einer Mandel , die Zähne weit hervorstehend. Dies passt nicht auf
Menschen hellenischen Stammes. Die in diesen Gräbern gefundenen Schmuck-
sachen waren aus Kupfer.
Ob dagegen die in der Nähe von Palermo selbst aufgefundenen Gräber
schon einer sehr alten Zeit angehören, ist noch zweifelhaft. Im Südwesten
dieser Stadt sind schon seit lange viele Gräber entdeckt worden, etwas genauer
ist man aber über die im vorigen Jahrhundert, 173S, 1746 uifd 1785, sowie
über die 1834 daselbst aufgegrabenen unterrichtet. Die letzteren bestehen ans
kleinen, unterirdischen Kammern, zu denen Stufen hinunterführen **- ganz wie
in manchen etruskischen Gräbern — , sie enthalten Sarkophage und Ascbea--
umen. Die daselbst gefundenen Münzen aber, punische, römische und byzan-
tinische, beweisen, dass die Gräber noch sehr spät im Gebrauche waren.
Als merkwürdig wird noch ein Rundgebäude bei Sparano bezeidinet, das
als Grab gedient haben soll, ein kleines Bauwerk aus polygonen Blöcken, deren
Zwischenräume mit kleineren Steinen ausgefüllt sind.
Ob von dem berümten Reservoir, das Daidalos aus dem Flusse Alabon im
niegarischen Gebiete gemacht haben soll, noch Reste vorhanden sind, ist s<Awer
zu entscheiden. Allerdings zieht sich quer durch das Thal des S. Gusmano, in
geringer Entfernung von der Mündung ein 2—3 Meter dicker Mauerwall, der.
Werke des Daidalos. 107
so lange er wohl erhalten war , das Thal oberhalb zu einem See machte ; a))er
das Werk stammt erst aus dem 13. Jahrhundert , und es bliebe nur die Yer-
muthung übrig, dass es die Erneuerung eines uralten Werkes wäre.
Endlich müssen wir noch einiger Grotten anderer Art, als die vorher-
genannten , gedenken : der Grotten bei Sciacca., der Stätte der seiinuntischen
Bäder. Sie befinden sich nahe dem Gipfel des Monte S. Calogero , an dessen
Fusse die heissen Quellen entspringen. Hier bewirken fast geruchlose Ströme
warmen Dampfes, die aus dem Innern des Berges hervordringen, eine heilsame
Transpiration bei den Leidenden. Besonders merkwürdig für den Alterthums-
forscher ist eine der äusseren Höhlen, in der lur Bequemlichkeit der Badenden
Sitze aus dem Felsen gehauen sind , welche aus sehr alter Zeit zu stammen
scbeinen. Ebendaselbst waren früher in den Stein gehauene Buchstaben von
eigenthttmlicher Form zu sehen , in denen man Angaben über die Heilung der
Kranken suchte, die aber gegenwärtig nicht mehr erkennbar sind. Fazell, der
sie noch sah, obgleich sie schon damals undeutlich geworden waren, versichert,
dass sie weder griechisch, noch hebräisch, noch chaldäisch seien. Hinter dieser
Höhle zieht sich noch eine andere tiefer in den Berg hinein , in der Houel , je-
doch ohne besondere Entdeckungen zu machen, eine Strecke weit vorwärts
drang. Die alte Sage will bekanntlich, dass Daidalos im Gebiete von Selinus
Höhlen-Dampfbäder eingerichtet habe. Es ist höchst wahrscheinlich , dass die
Bäder, deren Einrichtung man dem kretischen Flüchtlinge zuschrieb, eben die
des Berges S. Calogero sind; und man darf weiter annehmen, dass dieselben
aus der phönicischen Zeit herstammen. Dann könnten auch die nun ver-
wischten Insdiriften sehr wohl phöniciscbe gewesen sein.
Zweites Buch.
ürstes KapiteL
Aelteste Beriehnngen zirlschen Hellas und SielUen.
'ie Völkerschaften, welche wir bis jHzt als Bewohner Siciliens kennen
t haben , waren ihrer ganzen geistigen Begabung nach nicht im Stande,
isel eine hohe geschichtliche Stellung zu verleihen. ' Die Sikaner und
r scheinen nicht einmal die so höchst nothwendige und vt^^iger gebil-
SUmmen sonst meistens innewohnende Eigenschaft eines Kervorragen-
riegerischen Sinnes besessen zu haben, und das Hinzukommen der
ier, die in ihren Kolonien auf der Insel vorzugsweise als Kaufleule
abrikanten auftraten , konnte der üi"l)evölkerung zwar gewisse Fertig-
des praktischen Lebens bringen, war aber zur Beförderung einer inner-
EntwickeEung derselben zu höherer Bildung nur wenig geeignet. Alles
anders, als Griechen sich auf Sicilien niederliessen.
lies Volk, das vermöge seiner vortrefflichen körperlichen und geistigen
m zur Ausübung fast alles dessen, was der menschlichen Natur Uber-
zuganglich ist, geeignet war, und dessen Ausbildung nicht, wie die der
wüschen Stämme, mit denen es zusammenhiingt, durch lastende Tradi-
eines religiösen und politischen Despotismus gehemmt wurde, bat nicht
seinem eigenen Lande das glänzendste Schauspiel freier menschlicher
cklung dargeboten, das die Geschichte kennt; es hat auch Sicilien
trsten Male zu einem Uxr die ganze bekannte Welt bedeutenden Lande
ht.
V'elches ist nun der Zeilpunkt des ersten Beginnens der griechischen
-lassungen in Sicilien? Die herkömmliche, auch von Thukydides vertre-
s Ansicht setzt ihn in das 8, Jahrhundert vor Chr., und es ist allerdings
eslsiehende Thatsache, dass die historische Bedeutung des griechischen
ntes in Sicilien erst mit den wohlbezeugten Kolonien beginnt, die in
Jahrhundert fallen. Diese Ansicht befindet sich Überdies in vollkomme-
tbereioslimmung mit dem, was wir sonst von den anfänglichen Betiehuo-
!r Griechen zu den fremden Landern wissen.
Fahrten der Hellenen nach Westen. 109
Die älteste griechische Geschichte spielt fast ausschliesslich an den Gesta-
den des Aegüischen Meeres. Von Osten her sind in vorgeschichtlicher Zeit die
hellenischen Stämme in das nach ihnen benannte Land gekommen, und so
finden wir denn schon in den Sagen der Griechen Kleinasien und Hellas in
fortwährender, bald freundlicher, bald feiitdiicher Beziehung zu einander. Die
Abenteuer des Perseus und des Herakles versetzen uns vielfach an die Ost-
kUsten des Archipelagos, und in dem trojanischen Kriege macht ganz Griechen-
land sich auf, um mit vereinlen Kräften eine asialische Stadt zu besiegen. So
kommt es, dass sich von den Inseln des Aegäischen Meeres und einem. Theile
der kleinasiathchen Küste eine fast ebenso genaue mythische Geographie ent-
werfen lässt, wie von Hellas selbst. Der Beginn der historischen Zeit, weit
entfernt, diese Beziehungen zwischen Griechenland und dem Orient zu unter-
brechen', macht sie nur noch enger. In Folge der dorischen Wanderung ent-
stehen grossartige Völkerztige von Hellas nach Kleinasien, und es werden
dort die äolischen , ionischen und dorischen Kolonien gegründet , die es bald
in der Bildung dem Mutterlande zuvorthun und einen bedeutenden Einfluss
auf dasselbe ausüben. Und nachdem diese Kolonien gegründet sind , vergehen
noch einige Jahrhunderte, bis der Unternehmungsgeist der Griechen , der bis
dahin nach Osten gewandt war, sich nach Westen richtet, und spät erst ent-
stehen die bekannten Niederlassungen in Italien und Sicilien, in Ländern, die,
wie wir von Sicilien schon nachgewiesen haben, auch in den Mythen Griechen-
lands keine bedeutende Rolle spielen.
Dies ist im Grossen und Ganzen der. Portschritt der Beziehungen des
eigentlichen Griechenlands zu seinen östlichen und westlichen Nachbarländern.
Das spätere Eingreifen des Westens in die hellenischen Angelegenheiten ist
unverkennbar. Und so ist denn auch umgekehrt die Thatsache nicht abzu-
läugnen, dass in der älteren Zeit, wo die Griechen mit den kleinasiatischen
Küsten sich ganz vertraut zeigen, ihre Kunde von den westlichen Ländern eine
ausserordentlich schwache und dürftige ist. Homer weiss nichts Sicheres von
Italien und Sicilien , und die Mährchen , die er von den westlichen Meeren
erzählt, beweisen, dass man zu seiner Zeit diese Gegenden noch nicht oder nur
wenig von Griechenland aus befuhr. Wenn aber Odysseus auf seinen Fahrten
von Meeresstrudeln und Menschenfressern zu leiden hatte, wenn er von Sirenen
und Zauberinnen festgehalten wurde , und nach langer Irrfahrt nur durch be-
sondere göttliche Fürsorge nach Hause gelangte, wer durfte es dann noch wa-
gen, diese Meere zu befahren?
Und so ganz unbegründet waren die Befürchtungen, mit denen die Grie-
chen der ältesten Zeit in der That auf die Westfahrten blickten, nicht, wenn
sie gleich sehr übertrieben wurden. Bei dem damaligen Zustande der nauti-
schen Wissenschaften , der eigentlich nur Küstenschiffahrt gestattete , war es
immerhin ein Wagniss, von Griechenland nach Italien und weiter nach Sicilien
zu fahren, zumal für die Bewohner der Ostseite Griechenlands, welchen schon
die westlichen Küsten von Hellas als unwirthliche Gestade erschienen. Man
konnte freilich, wenn man einmal bis Epeiros gekommen war, das Südostende
Italiens unschwer erreichen. Indess war damit noch nicht viel giewonnen. Es
handelte sich nun darum, weiter vorzudringen, und da machte sich der bedenk-
110 Zweites Buch. I. Aelteste Beziehungen zwischen Hellas und Sicilien.
liehe Uaistand geltend , dass die Küstenlinie sich imm^r weiter in westlicher
Richtung fortzog. Wie wenn überlegene Feinde den Schiffer anfielen und ihm
den Rückweg an derselben Küste verlegten? Dann war er genöthigt, zu seiner
Rettung quer über das weite, unbekannte, insellose Meer nach Osten zurück-
zuschiffen — ein Unternehmen der gefiihrlichsten Art. Dass eine so leicht zu
störende Fahrt anfangs nicht viel unternommen wurde, ist sehr erklärlich. Und
wenn nun der kühne Schiffer, alle Gefahren verachtend, wirklich bis zur Süd-
westspitze Italiens vordrang , so befand er sich dort in der Nähe des verrufen-
sten Strudels und einer Strömung, die für die kleinen Fahrzeuge jener Zeit nur
zu leicht verderblich werden konnte. Zu den Gefahren , die in dieser Gegend
Wind und W^ellen bereiteten , kamen aber noch die , welche von gefUrchteten
Feinden drohten. Zwar erwies sich der bei den Grijechen herrschende Glaube,
dass die Bewohner Siciliens sehr wild und fiurchtbar seien , der vielleicht eine
Zeit lang noch Berechtigung haben mochte, als unbegründet, sobald man nur
ernstlich versuchte auf der Insel Fuss zu fassen ; aber die zur See mächtigen
Etrusker wollten wirklich keine Fremden in ihren Gewässern dulden und zeig-
Jten sich als gefährliche Gegner der griechischen Seefahrer.
"^ ~ So kam Manches zusammen , um den Hellenen die Fahrt nach Westen zu
verleiden , ein Uindemiss ungerechnet, das vielleicht das noächtigste von allen
war , und sich besonders ihren Niederlassungen auf Sicilien entgegenstellte.
Der Handel dieser Insel befand sich in den Händen der Phönicier , die überall
mit ausserordentlicher Eifersucht darüber wachten , dass ihre Handeisgebiete
nicht fremder ConcuiTenz geöffnet wurden. Fi^emdo Schiffe, die in Gegenden
kamen, welche sonst nur Phönicier zu befahren und auszubeuten pflegten^
wurden von den kriegerischen Kaufleuten angefallen und wo möglich vernichtet,
und wie man es machte, wenn offene Gewalt nicht angebracht war , zeigt eine
von Strabon mitgetheilte Geschichte über die anfangs nur von den Bewohnern
von Gades betriebene Fahrt nach den Kassiteriden. Als einst römische Sdiiffer,
um diesen Handelsweg kennen zu lernen, einem dahin steuernden phöfiicischen
Schiffe folgten, wurde es von seiner Besatzung auf eine Untiefe gelenkt, so dass
es selbst scheiterte, aber auch die nachfolgenden Römer zu Grunde gingen:
und die Phönicier, die ihr Leben zu retten wussten, erhielten als Anerkennung
ihrer verdienstlichen That vom Staate Ersatz für die geopferte Habe. Wie dies
Volk es in späterer Zeit mit der Fahrt im Ocean hielt, so wird es früher es mit
der im Westen des Mittelmeeres gemacht haben. Nun waren schon die Tyrrhe-
ner gefährliche Nebenbuhler, aber sie waren, ihrer Nähe wegen, nicht zu ver-
drängen, und so hielten die Phönicier es für besser, in ein freundschaftliches
Verhältniss zuihnen zu treten; um so mehr aber mussten sie darauf bedacht
sein, die Griechen, die, da sie entfernter wohnten, vom Handel nach dem
Westen ausgeschlossen werden konnten , auch wirklich auszuschliessen. Dies
Hess sich aber weder durch offene Gewalt, noch durch Listen der ang^ebenen
Art bewirken. Sie suchten ihren Zweck auf eine dritte Weise zu erreichen.
Sie verbreiteten die übertriebensten Gerüchte von den Gefahren des Westens.
Sie sind es gewesen , die den Fabeln von Ungeheuern und Menschenfressern,
welche dem Schiffer im Westen auflauern sollten , durch ihre Mittheilung Be-
kräftigung verliehen ; ihren Berichten ist es zuzuschreiben , dass die Griechen
Hellenen in Italien. Kynoe. 11]
die Bewohner Siciliens noch für.gewahige Krieger hielten, als sie es längst nicht
mehr waren. Später ward deshalb bei den Hellenen der Ausdruck phönicische
Liigen sprichwörtlich.
Dass aber die Griechen, die nachher mit so grosser Energie die Fahrten
nach dem Westen aufnahmen , sich damals durch wirkliche und eingebildete
Hindemisse davoii zurückschrecken Hessen , das erklärt sich einfach dadurch,
dass noch kein mächtiges Interesse sie nach diesen Gegenden trieb. Die Grie- .
chen waren nicht ein in einseitiger Richtung thätiges Volk wie die Phönicier.
Tapfer im Kriege, wie nur irgend eine andere Nation, im Landbau keinem Volke
nachstehend , haben sie sich auch im Handel und in der SchiffTahrt äusserst
tüchtig und gewandt gezeigt. Aber alles , was sie betrieben , war Mittel zum
Zweck , der Entwicklung eines gedeihlichen staatlichen und individuellen Le-
bens. Zu diesem Zwecke konnten sie das Grösste leisten ; wo er aber nicht
in's Spiel kam, blieben sie unthätig. So gaben sie, da die blosse Bereicherung
durch den Handel ihnen niemals letzter Zweck war, bei den ersten Schwierig-
keiten, die ihnen in den Weg traten, die Fahrt nach Westen auf, an welche sich
sonst kein Interesse für sie knüpfte.
Wenn nun so im Allgemeinen die Beziehungen zwischen Griechenland und
dem Westen in der ältesten Zeit gering und die Kenntnisse der Griechen von
demselben unbedeutend waren , so stösst man doch bei einer genaueren Be-
trachtung der älteren Geschichte Italiens und Siciliens auf Manches, was zur
Behauptung berechtigt, dass diese Länder und insbesondere auch Sidlien doch
nicht so ganz von griechischem Einflüsse in jener Periode der Geschichte frei
geblieben sind. Solcher Einfluss zeigt sich in Sage wie in Geschichie. Was
jene anbetrifil, so können hier weniger die Wanderungen des Herakles in Be-
tracht kommen, da sieh, wie wir sahen, in diese Figur viel Semitisches mischt,
als die Schicksale der Heiden des trojanischen Krieges , auf welche besonders
viele italische Städte ihren Ursprung zurückführten. So sollen nach Skylletion
Athener unter Menestheus sich gewandt haben ; Petelia und Makalla behaupte-
ten, von Philoktet , Metapont von Nestor und Epeios gegründet zu sein. Nach
Siciiien sind allerdings zu dauernder Niederlassung von den Theiinehmern am
trojanischen Kriege nur Kreter gekommen , und es ist bekannt, dass in ihnen
auch ein semitisches Element vorhanden ist.
Aber neben diesen in der Sage hervortretenden Beziehungen zwischen
Griechenland und dem Westen giebi es auch solche, die einen mehr historischen
Charakter tragen. Es kommt hiei* einmal in Betracht , dass Hesiod nach Stra-
hon's Zeugniss bereits eine ziemlich bedeutende Kenntaiss von Siciiien besass,
wenn er von dem Vorgebirge Peloris, das Orion aufgeschüttet haben soUte,
sprach , und wenn er den Aetna und die Insel Ortygia erwähnte. Das zweite
ist die frühe Gründung der Stadt Kyme in Unteritalien.
Dies^ Stadt soll von Chalkidiern und Kymäem unter der Anführung des
Kymäers Hippokles und des Ghalkidiers Megasthenes gegründet sein , anfangs
auf der Insel Ischia , dann auf dem gegenüber liegenden Festlande , wo noch
heute auf dem Gipfel eines isolirten Hügels von trachytischem Tuff nördlich
vom Gap Misen und den Seen Fusaro und Averno , nach dem Meerbusen von
Gaeta schauend die Trümmer der alten Stadt zu sehen sind, lieber die Zeit
112 Zweites Buch. I. Aeltesle Beziehungen zwischen Hellas und Stcilien.
ihret Gründung berichtet die Chronik des Eusebios , dass sie \ 33 Jahre nach
dem trojanischen Krie|<e Statt gefunden habe , was in das Jahr i 051 v. Chr.
fiele. Nach Veliejus Palerculus wäre das italische Kyme noch eher gegrtlndet
worden als die äolischen Kolonien in Kleinasien, zu denen auch das dortige
Kyme gehört; somit würde jene Stadt noch älter sein, als selbst Eusebios an-
nahm. Strabon sagt einfach , dass Kyme die älteste der italischen und sicili-
schen Kolonien sei, und es möchte allerdings schwer fallen , die Gründung der
Stadt mit Wahrscheinlichkeit in eine so frühe Zeit zu versetzen^ wie Veliejus
und Eusebios wollen. Abgesehen davon, dass diese späten Schriftsteller in
einer das hohe Alterthum berührenden Frage kaum als gültige Zeugen für eine
an sich so auH^dllige Sache, wie die Giündung einer chalkidischen Kolonie im
fernen Westen so lange vor allen andern chalkidischen. Kolonien in derselben
Gegend, betrachtet werden können, scheint überdies die Nennung zweier
Gründer aus zwei verschiedenen Mutterstädten eine so planmässige Anlage der
neuen Stadt zu verrathen . wie sie für jene halb mythischen Zeiten bald nach
trojanischen Kriege kaum angemessen sein möchte. Es ist rathsamer, die
Gründung von Kyme ohne Rücksicht auf die allzu positiven Angaben jener bei-
den Schriftsteller nach allgemeinen Wahrscheinlichkeitsrücksichten anzusetzen,
wo sie dann 1 00 bis ^00 Jahre später fallen würde, als Jene annahmen. Wenn
aber Kyme auch erst, wie wir meinen, etwa um das Jahr 900 v. Chr. gegründet
sein sollte , so bleibt immer noch ein hinreichend grosser Zeitraum zwischen
der Gründung dieser ältesten griechischen Kolonie im Westen und den ersten
Niederlassungen der Hellenen in Sicilien, um die Vorstellung von einem gänz-
lichen Fernbleiben der Griechen vom Westen und von Sicilien insbesondere,
vor dem 8. Jahrhunderte v. Chr., einigermassen zu erschüttern.
In der That mussten , seit Griechen auf dem Felsen am Ufer des Meerbu-
sens von Gaeta angesiedelt waren, häufige Fahrten von dort nach Griechenland
und wiederum von Griechenland nach Kyme unternommen werden , und auf
diesen Fahrten lernte man noth wendig auch einen Theil der Ostküste Siciliens
kennen. So verbreitete sich in Griechenland unter denjenigen, welche mit
Kyme und Chalkis in Berührung kamen , bereits vor der Gründung von Naxoä
einige Kennlniss von Sicilien, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies der
Weg ist, auf dem Hesiod, dessen Vater aus dem asiatischen Kyme stammte, zu
seiner Kennlniss von Siciliens Oslküste kam.
Indess werden wir uns diesen Verkehr zwischen Griechenland und dem
italischen Kyme doch auch nicht allzu lebhaft denken dürfen, da sonst die ei-ste
Niederlassung schon bald andere hätte nach sich ziehen und z. B. das Vorur-
theil, dass die Sikeler sehr kriegerisch seien, bei häufigeren Landungen an der
sicilischen Küste hätte verschwinden müssen. Und wenn wir fragen, 'w*as es
.war, das einen regeren Verkehr zwischen Kyme und Hellas verhinderte, so
liegt die Antwort nur in der nicht ganz unwahrscheinlichen Annahme , dass
Kyme , statt ein Vorposten hellenischer Bildung in jenen fernen Gegenden zu
werden , sich vielmehr selbst den Sitten seiner Nachbaren asstmilirte. Nur so
konnte es in geringerem Grade das Bedürfniss empfinden, mit dem Mutterlande
in stetem Verkehr zu bleiben. Was uns aber zu dieser Annahme berechtislt
ist die Nachricht des Thukydides , dass italische Kymäer Seeraub im Grossen
Hellenische Kulte in Stoilien vor Theokies. 113
betrieben. Von den Etniskem ist es bekannt genug, dass sie die anstossenden
Meere unsicher machten. Es scheint demnach, dass die Kymäer den Etniskem
ähnlich wurden, und soviel ist wenigstens einleuchtend , dass isolirte Griechen
am besten für ihre Sicherheit sorgten, wenn sie sich dem Wesen der Nachbar-
völker möglichst anbequemten.
Nach dem Bisherigen wären wir nun zu dem Schlüsse berechligt, dass
schon vor dem 8. Jahrhundert, vor der Gründung von Naxos, die Griechen
einige Kenntniss von Sicilien haben mussten , ohne dass wir jedoch behaupten
könnten , sie hatten schon angefangen sich dort niederzulassen. Es giebt aber
gewisse Thatsachen, welche auch dies Letztere wahrscheinlich machen.
Es sind vor allen Dingen Spuren griechischer Religion in Sicilien, die in
eine sehr frühe Zeit zurückzugehen scheinen.
Ichmuss hier zunächst an das erinnern, was ich-oben über die Beziehun-
gen Poseidon's zu unserer Insel gesagt habe. Wir sahen, dass dieser Gott Sici-
lien vom Festlande getrennt haben soll , dass Trinakros , Eryx , die Kyklopen
und Laistrygonen , sowie endlich Selinus Söhne Poseidon's sind, dass er zur
Auswanderung der trojanischen Elymer nach Sicilien die Veranlassung giebt ;
wir können hier hinzufügen, dass mehrere mit Aig anfangende geographische
Namen, wie die Aigatischen Inseln, Aigusa, das Vorgebirge Aigithallos offenbar
auf Poseidon hindeuten. Sdlen wir nun in diesem Poseidon, wie Einige wollen,
einen phönicischen Gott sehen? Werden wir uns nicht lieber daran erinnern,
dass , während Poseidon bei den Phöniciern gegen andere Gottheiten zurück-
tritt, er bei dem griechischen Stamme, der vorzugsweise das Meer befuhr, dem
ionischen, die Hauptgottheit war, und hieraus den weiteren Schluss ziehen,
dass ionische Griechen in uralter Zeit seinen Kultus nach Sicilien brachten ?
Ein anderer altsicilischer Kultus , der des Apollon , wird ausdrücklich mit
Griechenland in Verbindung gebracht. In der sikelischen Stadt Hybla, wo auch
ein Heiligthum der Göttin Hyblaia war, zeichneten sich, heisst es, die {Anwoh-
ner durch ihre Frömmigkeit aus. Sie oder wenigstens viele von ihnen waren
auch unter dem Namen Galeoten Ausleger von Träumen und Wunderzeichen,
eine Beschäftigung , die von Apollon hergeleitet wurde. Dieser Gott hatte von
der Themisto zwei Söhne, Telmissos und Galeotes, die nach einem Spruche des
dodonäischen Orakels in entgegengesetzter Richtung auswanderten , Telmissos
nach Karien , wo die nach ihm benannte Stadt durch ihre Wahrsager berühmt
war, und Galeotes nach Sicilien. Hier liegt sicher eine Verpflanzung des Apollo-
kultus, wenn auch nicht aus Griechenland selbst, so doch aus Kleinasien vor;
dass diese Verpflanzung aber vor die Zeit des 8. Jahrhunderts fällt , beweist
der Umstand, dass eine sikelische, also barbarische Stadt Apollon aufnahm.
Wenn es nun so wahrscheinlich wird, dass hellenische Schaaren schon vor
der Zeit des Theokies und Archias nach Sicilien gekommen sind, so werden wir
auch einer bestimmten, sonst freilich nicht weiter bezeugten Nachricht über eine
altgriechische Niederlassung auf unserer Insel etwas mehr Beachtung schenken,
als sie gewöhnlich findet. Der alexandrinische Dichter Nikandros , der selbst
lange Zeit in Aetolien lebte, behauptete, dass Aetolier zuerst von allen Griechen
nach Sicilien und zwar nach Syrakus gekommen seien. Dieser Nachricht steht
nur ihr vereinzeltes Vorkommen entgegen , um glaublich zu erscheinen. Für
Holm, Oesch. SiciUeAS. I. - g
114 Zweites Buch. I. Aelteste Beziehungen swiscben HellMund Siciiien.
die Westgriechen , die — denken wir nur an die Sagen von Odysseus und von
den Phaiaken — unstreitig in der Schiffahrt bewandert wai*en , hatte die Fahrt
nach Italien und Siciiien weniger Schwierigkeiten, als für die Griechen des
Ostens ; und wenn man annimmt, dass sie wii*klich nach Siciiien und vielleichl
nach Syrakus gekommen sind, so wäre es nicht schwer zu erklär«! , weshalb
sich die Kunde von diesem Ereigniss so gänzlich verlor. Die Kultur der Grie-
chen und somit auch ihre Literatur umfasste lange Zeit hindurch nur die
östliche Seite Griechenlands ; die Thaten der Westgriechen fanden Verhältnisse
massig wenig Beachtung. Wenn Aetolier früh in Verkehr mit einer entfernten
Insel des Westens standen und dort auch für kurze Zeit Niederlassungen grün-
deten, wer mochte sich in Athen, auf den Inseln des ägäischen Meeres and an
der kleinasiatischen Küste darum kümmern? Die ostgriechischen Stämme, die
sich vor den übrigen den- Vorrang in der Bildung erwarben, beachteten wahr-
scheinlich ebenso wenig die alten und allerdings nicht kräftig genug betrid)enen
SeezUge ihrer in der Kultur zurückgebliebenen westlichenLandsIeute, wie das
gebildetere südliche Europa im Mittelalter die Fahrten der Normannen nach
W^esteu, und.es ist nicht auffallender, dass Athener nichts von der frühen Ver-
breitung der Aetolier nach Siciiien wussten, als dass man in Italien und
Deutschland viele Jahrhunderte keine Ahnung davon hatte, dass Nordländer
lange vor Columbus nach Amerika gekommen waren. Wenn man die Nach-
richt Nikander*s annimmt , so erklärt sich auch, wie ein Fluss Siciliens zu dem
Namen Anapos kam. Anapos hiess ein Nebenfluss des Aeheloos, und es ist
klar , dass es Westgriechen näher lag , diesen Namen einem sicilischen Flusse
beizulegen, als aus dem Osten von Hellas gekommenen Kolonisten. Es wäre
dann femer aber auch möglich, dass von diesen Ansiedlem die syrakusaniscbe
Insel den Namen Ortygia empfangen hätte : Ortygia hiess auch ein Ort in Aeto-
lien. Dann wäre aber auch die weitere Vermuthung geboten, dass Siciiien die-
ser altai westgriechischen Einwanderung bereits den später so bedeutend ge-
wordenen Kultus der Artemis verdankte. Denn Ortygia's Name ist bekannllich
eng mit dem der Artemis verknüpft und die Herleitung aus dem äftoiischen
Lande ist auch für diesen Kultus deswegen nicht unangemessen, weil das Volk
der Leleger, zu dessen vielen Wohnsitzen in Griechenland auch Aetolien ge-
hörte , gerade vorzugsweise die Artemis verehrte. Wenn Ortygia femer durch
die Arethusa und deren sagenhafte Beziehungen zum Alpheios mit Elis in Ver-
bindung steht, so würde dies nieht der Annahme widersprechen, dass der
Arlciniskult und die ihn begleitenden Namen von einem aus Aetolien herüber-
gcküoimenen lelegischen Stamme herrührten; denn auch in Elis hatten sich
L(; leger niedergelassen.
Indess kann nicht geläugnet werden, dass für die Namen Ortygia und
Arethusa und ihre Verpflanzung nach Siciiien auch ein anderer Ursprung
möglich ist, — durch die Chalkidier, die auf ihren frühen Fahrten von und
nach Kyme diesen Punkt der sicilischen Ostküste entdeckt und besetzt haben
mögen.
Und nun haben wir uns noch an eine Erzählung zu erinnern , die uns
oben in der n)ythischen Geschichte Siciliens entgegentrat : die Gründung von
Alontion durch Akamanier unter Patron aus Thurion, der den Aeneas nach
k<.
Artemis. Apollon. Kreter. 115
Italien geleitet Ifatte. Es ist wiederum eine Beziehung der Acbeloosgegend zu
unserer Insel, der sehr wohl eine historische Thatsadie zu Grunde liegen kann.
Jetzt kann denn auch die Yermuthung gewagt werden, dass, wenn die phöni-
cische Hauptstadt Siciliens einen griechischen Namen führt, ohne dass je Helle-
nen sie besessen haben , die erste Benutzung und Namengebung des Grossen
Hafens in uralter Zeit von Halbgriechen — sei es östlichen oder westlichen —
ausging, die so gut nach Panormos, wie nach Alontion oder nach Hyhla gelangt
sein können.
So hätte denn die bisherige Untersuchung die insbesondere von Thukydides
vertretene gewöhnliche Ansicht, dass erst im 8. Jahrh. v. Chr. HelTenen nach
Sicilien kamen, einigermassen modificirt. Es ist zunächst nicht unwahrschein-
licfa, dass von den westlichen Griechen, die Italien so nahe wohnten. Einzelne
auch nach Sicilien zogen , wohin sie vielleicht den Kultus der Artemis gebracht
haben. Es ist aber femer nicht unmöglich, dass auch kleinasiatische und Insel-
griechen sehr früh nach unserer Insel kamen , und dass diese es waren , die
dort die Verehrung des weissagenden Apollon heimisch machten. Die ersten
können Leleger gewesen sein ; mit welchem Namen die letzteren zu benennen
wären, ist schwer zu sagen.
Wir dtlrfen annehmen, dass diese Stämme nicht ohne Einfluss auf die
ältere Berölkerung der Insel blieben , was ja auch sdion durch die Einfttbrang
des apollinischen Kultus in eine Sikelerstadt bewiesen wird ; sie haben also die
schon von den Kretern, in denen neben dem semitischen Elemente doch auch,
wie der in Engyon eingeführte Kult der kretischen Mütter zeigt, ein griechisches
unverkennbar ist, begonnene Vermittlung zwischen den Ureinwohnern und den
eigentfichen Hellenen, den Ostgriechen, fortgesetzt.
Denn das darf, wenn wir auch nicht unbedeutende griechische Einwan-
derungen vor Archias und Theokies annehmen müssen, keinen Augenblick
übersehen werden, dass das eigentliche Hellenenthum doch erst mit der Grün-
dung von Naxos und Syrakus nach Sictfien kommt , und so ist die gewöhnliche
Annahme , dass Naxos die erste hellenische Kolonie auf Sicilien sei , in einem
gewissen Sinne dennoch richtig. Die griechischen Vorläufer dieser Kolonisten
waren zu wenig zahhreich , und überdies in Sitte und Bildung zu sehr mit den
Ureinwohnern verwandt, als dass sie nicht, statt eine neue abgesonderte Gruppe
zp bilden, sich ihnen assimiiirt und friedlich unter ihnen gewohnt hätten ; und
so konnte es kommen, dass, als nun Osthellenen in grösserer Anzahl nach
SiciKen kamen, um sich dort dauernd und selbständig niederzulassen, für diese
in ganz anderer Weise auftretenden Griechen westliche oder kleinasiatische
Hellenen auf Sidlien gar nicht vorhanden waren , und sie sich die ersten ihres
Stammes dünkten, welche diese Insel kolonisirten.
8*
Zweites BueJi. II. Gründung der he He ni sehen Kolonien in SicilJei
Zweites Kapitel.
Grandang der hellenlsclien Kolonieo in Sielllen.
Inllenen sind l<inge Zeit hindurch ein Wandervolk gewesen. Die Ein-
g des ganzen Volkes von Asien nach Europa entzieht sich allerdings
sehen Kunde ; aber seit die Geschichte von den Helieuen meldet, bis
Anfange des 6. Jahrhunderts v. Chr. finden wir die einzelnen Siainme
zuerst in beständigem Ortswechsel und dann in fortdauernder Aus-
•pgriDen. per Beginn der eigentlichen Geschichte Griechenlands wird
dorische AVanderung bezeichnet, in der von Norden her gekommene
ich in den südlicheren Theilcn des Landes festsetzen und vor Allem
den Peloponnes zu ihrem Sitze machen. Dies ist eine Wanderung
mme, denn wenn auch dorische Gemeinden am Oeta blieben, so log
lauptmasse dieses Volkes nach SUden. Anders wird es schon in den
den Zügen, durch welche in Kleinasicn die dorischen, ionischen und
Kolonien gegründet wurden. Wenn auch eine grosse Masse von
jscr Suimme nach Asien auswanderte , so blieb doch der eigentliche
riechenland zurück. Es geht, wie man sieht, mit den Wanderungen
en wie mit einer Bewegung im Wasser , die durch einen hineinge-
Stein hervoi^erufen wird. Die Kreise werden nach und nach schwä-
mdcutlicher. Fast die letzten Wellen dieser Bewt^ung sind es, welche
Nation von Italien und Sicilien bezeichnen.
treten uns dieselben drei, nach Stimmen geschiedenen Gruppen cnt-
ie bei der Kolonisation Asiens, und gerade hierin liegt der Beweis,
vosilichen Niederlassui^en wirklich als eine nur nach der entgegen-
liimmeisrichtung gewandte Fortsetzung der Bewegung zu betrachlen
he die Besiedelung Kleinasiens hervoi^erufen hatte. Wie dortDorier,
1 Aeolier, so haben wir hier Dorier, lonier und Achäer, und es ist
enug, dnss auch die Solischen Kolonien Kleinasiens grOsslentheils
<m bestanden, die nur, weil sie vom Peloponnes her durch das
öfllicn zogen, und sich hier verstäiiiten und einschilTlen , mit dem
oller iK^legt worden sind. Aber e^ ist auch die geographische Lage
en der drei Stämme im Wcslen dieselbe wie im Osten. Wenn wnr
id Sybaris nis Iteprilscntantcn der achäischen , Lcontini und Kaiana
len, Symkns der dorischen Gmppe betrachten, so wohnen auch hier
r , wie in Kleinasien , im Norden , die lonier in der Mitte , die Dorier
, und wenn die nUixiliche Lage des dorischen Tarenl dem zu wider-
scheint, so zeigt sich , auch abgesehen von dem Umstände, dass in
1 starkes achüisches Element vorhanden ist , sobald man die Beibe
Pflnnzstildte der Sfldkust« Siciliens berücksichtigt, die südlichere Lage
len dieses Slammcs auch hier als die Begel. Allerdings ist die Scbei-
Gruppen nicht so scharf und deutlich wie im Osten , und es sind
Hellenische Kolonien . 117
besonders die Dorier gewesen, welche sich in die eigentlich den beiden andern
Stämmen Aigefallenen Gegenden einzudrängen gewusst haben , aber dies be-
weist eben nur, dass die Volksbewegung, welche die westlichen Niederlassun-
gen veranlasste, bereits von ihrer ursprünglichen Gewalt eingcbUsst hatte, so
dass es nicht mehr grosse, für sich bleibende Völkerschaaren, sondern mehr
oder weniger gemischte, einzelne Volkshaufen waren, die nach Italien und Sici-
lien zogen.
Wenn so im Allgemeinen die westlichen Kolonien des 8. Jahrhundert«
V. Chr. als ein Ausfluss des noch nicht erstorbenen Wandertriebes der Hellenen
zu betrachten sind, so fehlte es doch nicht an besonderen Veranlassungen,
welche diesen Trieb gerade damals von Neuem wachriefen, und unter denen
eine grössere Zunahme der Bevölkerung und mit Verfassungsverändeningen
zusammenhängende bürgerliche Unruhen in den Stadien Griechenlands als die
hauptsächlichsten zu betrachten sind. Dass aber die Auswanderung jetzt
nach Westen gerichtet war, dafür lag der Grund einfach in dem Umstände,
dass die östlich gelegenen Küsten sich bereits vollständig mit hellenischen
Pflanzstädten bedeckt hatten. Wenn die Griechen in dieser Beziehung einer
besonderen Anleitung bedurft hätten, so würden sie sie in der Stimme des
delphischen ApoUon gefunden haben , dessen Orakel damals, wie noch in spä-
terer Zeit , den grössten Einüuss auf ganz Griechenland ausübte und als der
geistige Mittelpunkt desselben betrachtet werden konnte. Zu den wichtigen
Unternehmungen , bei denen der Rath des Gottes erforderlich war^ gehörte vor
allen Dingen die Gründung einer Kolonie , und es scheint, dass die delphischen
Priester den ihnen in dieser Beziehung gestatteten Einfluss damals in der sehr
richtigen Weise benutzt haben , dass sie die Hellenen auf die Bahn der west-
lichen Kolonisation leiteten.
In dem Vorhergehenden haben wir zugleich den wesentlichen Unterschied
der hellenischen Kolonien von den phönicischen ausgesprochen. Während die
Niederlassungen der Phönicier ursprünglich und hauptsächlich Handelsstatio-^
nen oder wenigstens zum Zwecke des Handels gegründete Städte waren,
sollten die der Griechen das Mittel sein, einer überhandnehmenden Volksmenge
neue und bessere Sitze zu verschaffen. Jene standen stets in einer gewissen
Abhängigkeit von der Mutterstadt , bei diesen überwog entschieden die Selb-
ständigkeit. Dennoch zeigt sich darin bei den hellenischen Kolonien des We-
stens ein Unterschied von den älteren östlichen , dass sie doch mehr als diese
uts Gründungen einzelner Städte betrachtet werden müssen , welche allerdings
gerade durch ihren Handel dazu kamen, die nach neuen Wohnsitzen begierigen
Schaaren bei sich zu concentriren und so die Mutterstädte solcher Kolonien zu
werden.
Am wenigsten ist dieses noch der Fall bei den achäischen Pflanzstädten,
nn't denen wir es hier auch nicht speciell zu thun haben. Diese sind das
Resultat einer grossartigen Auswanderung von Achäem des Peloponnes .nach
einem Lande, in dem sich schon einige Spuren griechischer Kolonisation vor-
fanden , und das nun ganz von hellenischen Elementen durchdrungen wurde.
Bei diesen Niederlassungen kommen die peloponnesischen Städte , von denen
die Kolonien ausgingen , wenig in Betracht ; es ist von einem besondem Ver-
118 Zweites Blieb. II. Gründung der hellenischen Kolonien in Sicilien.
hällAiss derselben zu ihnen kaum die Rede, Anders ist es bei den Kolonien
auf Sicilien. Hier sind es vor allen zwei griechische Städte, eine iMiische und
eine dorische , denen der Ruhm , zu jenen Ansiedlungen die Veranlassung ge-
geben zu haben, in vollem Masse zukommt: Ghaikis und Korinth. Beide waren
bedeutende Handelsplätze, und schon durch ihre Lage dazu bestimmt, es zu
sein ; Cfaalkis an der wichtigsten Meerenge von Griechenland , dem Euripos,
Korinth an seiner hauptsächlichsten Landenge gelegen. Von diesen beiden
Städten muss Ghaikis , das unmittelbar am Meere lag , als die ältere Handels-
stadt gelten, wie schon die von diesem Orte ausgegangene frühe Gründung von
Kyme zeigt. Konnth ist erst auf den Spuren von Ghaikis gewandelt, wie an-
derswo, so auch in Sicilien. Ausser diesen beiden Handelsplätzen ersten Ranges
nahm sodann das ebenfalls fdr den Verkehr zur See wohlgelegene Megara von
Anfang an Theil an dem Werke der Kolonisation Sidliens.
Ghaikis, das den Anstoss gab^ war in älterer Zeit eine der angesehensten
Städte von Hellas. Die Pythia bezeichnete als die besten Männer von Griechen-
land diejenigen, welche das Wasser der schönen Arethusa tränken, und heftige
Streiti^eiten , welche die durch ihren ausgebreiteten Erzhandel berühmte und
reiche Stadt mit dem nahen Eretria über den Besitz der lelantischen Ebene
hatte , rissen ganz Griechenland in einen dem peloponnesischen Kriege ähn-
lichen Kampf hinein. Es hat daher bei dieser alten Bedeutung von Ghaikis der
folgende Bericht des Ephoros über den Beginn der sicilischen Kolobisaüon an
und für sich nichts Befremdendes.
«
Nachdem man lange Zeit hindurch aus Furcht vor den Seeraub treibenden
Tyrrhenem und vor den angeblich sehr kriegerischen Einwohnern Sidliens
diese Insel nicht besucht hatte, auch nicht um Handel zu treiben, erkannte der
durch Sturm dahin verschlagene Athener Theokies den Ungrund dieser letzte-
ren Annahme und zugleich die Vortreflflichkeit des sicilischen Bodens, und es
entstand in ihm der Gedanke, dort eine Niederlassung zu gründen. Da seine
Mitbüi*ger nicht zu bewegen waren, zur Ausführung seines Planes die Hand zu
bieten , so wandte er sich nach Ghaikis, wo er Gehör fand. Neben den Ghal-
kidiem nahmen noch andere lonier , sowie einige Dorier Theil an der von ihm
geleiteten Fahrt. Jene gründeten Naxos ; diese dagegen, welche besonders aus
Megarem bestanden, Megara Hyblaia , während andere Dorier sich wieder ent-
fernten und am italischen Vorgebirge Zephyrion verweilten, bis Archias sie von
da nach Syrakus mitnahm.
Von diesem Berichte, der einen Athener mit Ghalkidiem, anderen loniem
und Doriem nach Sidlien ziehen und Naxos und Megara die ältesten Kolonien
sein lässt, weicht die Darstellung des Thukydides, der wir uns im Folgenden
anschliessen, ab. Nach ihm war nur Naxos die erste Niederlassung auf Sicilien,
und die Gründung von Megara ist nicht so eng mit der von Naxos verbunden,
auf das vielmehr als zweite Kolonie Syrakus folgt, so dass hier Korinth's
Thätigkeit mehr in den Vordergrund tritt.
Näxos lag an dem Punkte Sidliens , auf welchen man bei einer ersten
Fahrt nach diesen Gegenden fast von selbst geführt wurde. Wenn d^ Schiffer
von der Südspitze Italiens nach Westen hinüber lenkte und nun die sicilische
Ktiste in südlicher Richtung verfolgte, so fand er eine Zeit lang schmale Ufer-
Naxos. 1 1 9
säume , auf denen der nahen , fast ttbertiängenden Felsen wegen an eine ge-
sicherte Niederlassung nicht zu denken war. Der nädiste zur Anlage einer
Stadt geeignete Platz war am Gap Schisö, ein wenig stidlich vom Berge Tauros,
der spHter die Stadt Tauromenion trug. Dass man ihn wählte und nicht weiter
südlich nach bessei^en Plätzen suchte, das erklärt sich durch die Nähe des Ber-
ges Aetna , den man fürchtete , und von dem man hier doch wenigstens noch
durch ein tiefes Thal und einen Fluss getrennt war. Die Gegend, in welcher
die Stadt gegründet wurde , ist fruchtbar und malerisch zugleich ; der Boden
erhebt sich auf der einen Seite allmählich zum Aetna, dessen Gipfel nur wenige
Meilen entfernt ist; auf der andern ruht der Blick mit Wohlgefallen auf den
schroffen Abhängen des Taurosberges. Nach Ferrara beweisen die aus grossen
Lavablöcken bestehenden Ruinen , die grösstentheüs schon wieder mit vegeta-
bilischem Terrain bedeckt sind , dass das auf einem nur wenig über das Meer
erhabenen und von einem uralten Lavastrom gebildeten Vorgebirge stehende
Naxos eine Ausdehnung von einer Millie in die Länge wie in die Breite hatte.
Der der Stadt gegebene Name zeigt , dass Leute von der Insel Naxos unter den
Begleitern des Theokies waren. Dies werden die lonier gewesen sein, von denen
Ephoros spricht. In der neu gegründeten Stadt .errichtete Theokies am Strande
einen Altar dem ApoUon Archegetes , dem Führer der griechischen Kolonisation
nach Sicilien ; ein Beweis, dass die Stimme des delphischen Gottes es gewesen
^\ar, die einem durch zufällige Umstände erwachsenen Entschlüsse ihre Weihe
gegeben hatte. Diese erste heilige Stätte der Hellenen der Insel wurde noch
lange Zeit so allgemein verehrt , dass die Theoroi, die Gesandten , welche die
griechischen Städte Siciliens zu den grossen hellenischen Festversammlungen
schickten, hier vor ihrer Abfahrt aus der Heimat ein letztes Opfer zu bringen
pflegten. Thukydides sagt von diesem Altar, dass er sich »jetzt« ausserhalb der
Stadt befinde ; also hatte zur Zeit des peloponnesischen Krieges die Grösse von
Naxos mit seiner Bedeutung schon abgenommen. Esmuss deshalb dahingestellt
bleiben, ob die Vermuthung Ferrara's richtig sein kann, dass dieses uralte Hei-
ligthum an dem Punkte zwischen der Stätte von Naxos und Tauromenion ge-
standen habe, wo sich jetzt am Ufer die Bildsäule des heiligen Pancratius
erhebt. Es wäre dann an die Stelle des ersten griechischen Gottes , der sich
dauernd in Sicilien niederliess , der erste Yerkündiger des Evangeliums getre-
ten, den diese Küste sah ; und es ist allerdings bekannt genug, dass das Gbri-
stenthum es liebte , antike Kultusstätten in dieser Weise zu benutzen. Man
sollte vermuthen, dass Naxos im Alterthum einen guten Hafen hatte ; heutzutage
ist, obgleich, so viel wir wissen, keine Lavaströme diese Gegend seitdem über-
scliwemmt und das Ufer verändert haben , kein geschützter Ankergrund dort
vorhanden. Ausser dem Apolloaltar wird noch ein Aphrodision am Strande
erwähnt, das rielleicht älter war als die Niederlassung des Theokies, vielleicht
desselben Ursprungs wie die Aphroditetempel auf dem Eryx und am Ufer
bei Lavinium. Aber die Hauptgottheit der Stadt war eine dritte: Bakchos,
der beimische Gott der Insel, von welcher die sicilische Stadt ihren Namen
empfangen hatte. Deshalb haben die ältesten Münzen von Naxos auf dem
Avers den bekränzten Bakchoskopf . auf dem Revers eine Traube. Auf spä-
teren erscheint der Apollokopf, auch der Flussgott Assinos. Natürlich wurde
120 Zweitos Buch. IT. Gründiug der helleottcheo KoloBien Id Sictiieo.
auch im Gebiete des sicilischen Naxos der Weinbau eifrig betrieben. — Naxos
wurde 735 v. Chr. (Ol. H , 9) gegründet.
Wir dürfen annehmen , dass die Gründer von Naxos alsbald die grösste
Befriedigung über ihre Erfolge und den Zustand der neuen Kolonie emptmden,
und dass die Nadiricht hiervon sich schnell in den Seestädten von Hellas ver-
breitete ; denn auf die erste Kolonie folgte alsbald eine zweite. Es waren die
Korinther, die, durdi das Beispiel ihrer Handelsfreunde angetrieben, ein Jahr
nadidem Naxos angelegt war (73 i, Ol. 1 f , 3), Syrakus gründeten. Der Ur-
sprung dieser wichtigsten aller sicilisdien Städte wird an folgende Sage g^nüpft.
In Korinth lebte ein Büif;er, Namens Mellssos, dessen Vater, ein Argiver von
Geburt, Abron mit Namen, wegen eines den Korinthem gegen den argivischen
Tyrannen Pbeidon geleisteten grossen Dienstes seine Vaterstadt hatte veriassen
müssen und nach Korinth übergesiedelt war. Er hatte nämlich tausend Jüng-
linge , die Pheidon als Hülfstnippen von Korinth erbeten und erhalten hatte,
und die er nun aus dem Wege zu räumen beabsiditigte , um auf diese Weise
Korinth's Macht zu schwächen, rechtzeitig gewarnt und so gerettet. Des Me-
lissos Sohn Aktaion zeichnete sich durch Schönheit und Sittsamkeit vor allen
korinthischen Jünglingen aus, so dass sich Viele um seine Gunst bemühten, vor
Allen , aber vergeblich, Archias, ein Heraklide, einer der reichsten und ange-
sehensten Männer der Stadt. Archias beschloss endlich , Gewalt zu brauchen.
In schwärmendem Zuge begab er sich mit seinen Freunden zum Hause des
Mellssos und versuchte, den Jüngling zu entführen. Mellssos mit den Seinigen
widerstand , und es erhob sich ein Handgemenge, in welchem der hin und her
gezerrte Aktaion das Leben verlor. Die Frevler zogen ab, Mellssos aber brachte
die Leiche seines Sohnes auf den Markt und forderte Bestrafung der Schul-
digen. Das Volk jedoch , das den mächtigen Archias fürchtete, begnügte sich
damit , dem unglücklidien Vater ein müssiges Mitleid zu zeigen. Als nun das
nächste Mal die Isihmischen Spiele gefeiert vmrden , da erschien plützlidi, als
alles Volk versammelt war , Mellssos auf oder vor dem Tempel des Poseidon,
erinnerte an das Verdienst , das sein Vater Abron sich um Korinth erworben,
und an die Art, wie ihm dafür das Volk gelohnt, verfluchte die Bakchiaden —
das Herrschergeschlecht der Stadt — als Mörder seines Sohnes und stürzte
sich dann vom Felsen herunter. Bald darauf brach die Pest in der Stadt aus,
und das delphische Orakel antwortete den Korinthem auf ihre Anfrage, was
sie dagegen thun sollten , Poseidon^s Zorn werde erst dann schwinden , wenn
Aktdion*s Tod gesühnt wäre. Archias selbst war es gewesen, der als Gesandter
Korinth's den Orakelspnich in Delphi empfangen hatte. Er vollzog sogleich den
Willen des Gottes und ging , ohne seine Vaterstadt wiederzusehen, in die Ver-
bannung nach Sicilien, wo er Syrakus gründete.
So die Sage. Es ist möglich , dass Aehnliches vorgefallen ist und den An-
stoss zur Auswanderung des Archias gegeben hat. Dass aber so viele Korinther
sich ihm anschlössen, dafür müssen andere Gründe vorgelegen haben. Sie sind
zum grösseren Theil in den leider nur zu wenig ^bekannten inneren Verhält-
nissen der Stadt zu suchen. -Es war die Zeit, wo daselbst an die Stelle des
Königthums eine aristokratische Regierung trat, die jedoch in den Händen des-
selben Geschlechtes blieb, das auch die Königswürde besessen hatte, der
Syrakus. 121
Bakchiaden. Wenn es nun auch nicht weniger als 200 Familien waren , die
sich, als sämmtlich von Bakchis abstammend, in die Herrschaft so theilten,
dass jährlich Einer aus ihrer Mitte als Prytane an der Spitze des Staates stand,
so konnte es doch leicht geschehen, dass manche Bakchiaden gegen diesen Zu-
stand der Dinge, der ihren Ehrgeiz vielleicht nicht befriedigte, Widerwillen
empfanden und deshalb neue Wohnsitze suchten. Freilich ist keineswegs be-
stimmt ttberhefert, dass Archias selbst zu den Bakchiaden gehörte — eine
Nachricht ISisst ihn sogar von Temenos, demjenigen Herakliden, welchem Argos
zu Tbeil geworden war , abstammen , während die Bakchiaden sich von dem
Herakliden Aletes herleiteten — aber wenn er auch selbst kein Bakchiade ge-
wesen sein sollte , so ist es doch gewiss , dass viele dieses Geschlechtes sich
ihm anschlössen. So kam es , dass Mitglieder der herrschenden Klasse von
Korinth auswanderten. Fttr das Volk der Stadt lag aber die Veranlassung, dieses
Unternehmen zu unterstützen, in der ganzen Biehtung, welche der Handel Ro-
rinth^s verfolgte. Denn wenn dieser wichtige Handelsplatz , über welchen ein
Hauptstrom des Weltverkehrs ging, ohne Zweifel auch nach Osten hin im ägSii-
sehen Meere Schiffahrt trieb, so war die Hauptthätigkeit seiner Bttrger doch
nach Westen gerichtet, wo sie mit wenigeren Goncurrenten den Gevnnn zu
theilen hatten. Lag doch die Stadt selbst dem nach ihr benannten Meerbusen,
der zum Ionischen Meer führte, näher als dem Saronischen. So waren sie früh
in ihm heimisch und fuhren von da weiter in die Ionische See. Alle älteren
Kolonien der Korintber lagen nach dieser Seite hin; das thrakische Potidaea
wurde erst später gegründet. So war das bereitwillige Eingehen der Korinllier
auf die Kolonisation Siciliens sehr natürlich. Uebrigens haben sie , wenn sie
gleich die Fahrt nach dem fernen Westen erst auf den Spuren der Ghalkidier
unternahmen , doch zuerst unter den Griechen in Schiffbau und Seewesen be-
deutende Fortschritte gemacht; sie sind von allen Hellenen den Phöniciem in
der ganzen Art ihrer Thätigkeit am ähnlichsten. Wie bei diesen , war auch in
Korinth Handel und Industrie die Hauptsache, und auch die Kunst ist dort
immer vorzugsweise in ihrer Beziehung zur Industrie ausgebildet worden. Es
ist deshalb eigenthümlich , dass die Kolonie der den Phöniciem Aehnlichsten
unter den Griechen es gewesen ist , welche ihnen in Sicilien mit der grössten
Kraft und dem grössten Erfolge entgegentrat.
Als die Gründung einer Niederlassung in Sicüien von den Korinthem be-
schlossen war, suchten sie für ihr Unternehmen die Sanction des delphischen
Orakels. Es heisst , dass , als Archias zu diesem Zwecke in Delphi verweilte,
sich dort auch Myskellos, ein Heraklide aus Bhypai in Achaja befand, der eben-
falls eine Kolonie gründen wollte. Der Gott fragte Beide , was sie vorzögen,
Reichthum oder Gesundheit , und als Myskellos die Gesundheit, Archias aber
den Beichthum nannte, da gebot er jenem, Kroton in Italien, diesem, Syrakus
auf der sicilischen Insel Ortygia zu gründen. Es ist natürtich eine , nach den
späteren SchidLsalen der beiden berühmten Städte ersonnene Geschichte, denn
wie Syrakus durch seinen Beichthum , so zeichnete sich Kroton durch die ge-
sunde Kraft seiner Bürger aus.
Die Fahrt wurde begonnen , und Archias leitete sie. Unter den Auswan-
derern , die ihm folgten , waren besonders viele aus dem korinthischen Orte
122 Zweites Buch. II. Gründung der belleniscben Kolonien in Siciiien.
Tenea. Als Weissager scheint den Zug ein Mann aus dem Propheiengeschlechte
von Olympia, den lamiden, begleitet zu haben, dessen Familie noch zu Pindar's
Zeit in Syrakus blühte. Auch der Bakcbiade Eumelos , ein Dichter von Ruf,
war unter den ersten Kolonisten. Während der Fahrt soll einer der Auswan-
derer, Aithiops, einem Genossen seinen Landantheil an der zu gründenden
Stadt um einen Honigkuchen verkauft haben.
Es ist bemerkenswerth, mit wie vielen andern Niederlassungen die von
Syrakus in Verbindung gebracht wird. Wir sahen schon, dass zugleich mit
Archias der Stifter Kroton's in Delphi anwesend war ; Archias soll denselben
aber auch bei der Anlage seiner Stadt thätig unterstützt haben. Vorher hatte
er schon einen andern Bakchiaden, Ghersikrates, zur Gründung Kerkyra's an^s
Land gesetzt, und ehe er nach Siciiien gelangte, verweilte er noch am Zephyri-
sehen Vorgebirge, wo er Dorier fand, die so eben von der Gründung M^ara*s
kamen , bei der sie geholfen hatten , und er nahm diese Männer mit sich nach
Syrakus. Diese Geschichten, bei denen auf die Chronologie keine besondere
Rücksicht genommen ist, sollen die Städte Kerkyra, Kroton , Megara und Syra-
kus in einer uranfänglichen Verbindung zeigen, und in dem Verweilen am
Zephyrischen Vorgebirge scheint überdies eine Hindeutung auf Lokri zu liegen,
von dessen frühen Beziehungen zu Syrakus alsbald die Rede sein wird. Man
sieht , dass später der Stolz der SyrakusanoF auf ihre berühmte und prächtige
Stadt schon ihre Gründung dadurch zu verherrlichen suchte, dass Archias
- — nebenbei als der freundliche und mächtige Helfer aller Hellenen des Westens
bei «ähnlichen Unternehmungen, wie die seinige war, dargestellt wurde ; Sy-
rakus sollte schon mächtig gewesen sein, als es noch kaum bestand, und mit
Glanz in die Geschichte eintreten. Uebrigens weisen bei Kroton alte Münzen
mit dem Pegasus auf eine Theihaahme Konnth^s bei der Gründung der Stadt hin^
wogegen Lokrische Münzen ähnlichen Gepräges , aus denen derselbe Schluss
gezogen worden ist, gegenwärtig von bedeutenden Forschem dem Epizephyri-
sehen Lokri aberkannt werden.
Als Archias endlich nach Siciiien gelangt war, fuhr er an dem neugegrtln-
deten Naxos vorbei nach dem Punkte der Ostküste , der den voi*ztlglichst«n
Hafen darbot , und wo die Verheissungen der Pythia am besten in Erfüllung
gehen konnten. Er landete auf der Insel Ortygia, von der er die Sikeler
vertrieb.
Ortygia liegt am Eingang einer geräumigen, nach Osten geöffneten Meeres-
bucht, nahe dem i.ördlichen Ufer derselben, so dass die Einfahrt stets südlich
von der Insel gewesen ist. Es zerteilt heutzutage in zwei Theile , von denen
der erste, etwa 400 Meter lang und SOO Meter breit, welcher ganz von einer
Festung eingenommen ist, die in südöstlicher Richtung vom Festlande sich hin-
ziehende Verbindung de^elben mit der eigentlichen Inselstadt bildet , die sich
dann weiter nach Süden erstreckt. Jener erste Theil ist an beiden Enden durch
schmale Wassergräben von der Stadt wie von dem Festlande getrennt. Wo
nach dieser Seite hin ursprünglich die Grenze der Insel Ortygia war, wissen
wir nicht. Es ist nicht bekannt, ob der Raum der jetzigen Festung anfangs vcm
Wasser bedeckt war und also der Damm ist, der, wie wir hören werden, später
geschüttet wurde, oder ob derselbe bereits von vornherein als trockenes Land,
Oriy^ia. ArethoA. 123
sei es zu Ortygia , sei es zum sicilischen GoDtinent gehörte. Vielleicht kann
diese Frage durch genauere Untersuchungen des Bodens jener Strecke gelöst
werden. Der südliche Uaupttheil hat bei einer Länge von 1400 Metern eine
ungleiche Breite und sondert sich in dieser Beziehung wieder in zwei Theile,
von denen der nördliche etwa 900 Meter lang und 500 Meter breit ist, wahrend
der südliche mit nur 200 Meter Breite beginnend , zuletzt in eine nach Osten,
dem offenen Meere zu, gebogene Spitze ausläuft. Man sieht hieraus, dass der
zu 4:i00 Meter angegebene Uiftfang der Insel keine richtige Vorstellung von der
Geringfügigkeit ihres Flächenraums giebt. Ihr felsiger Boden erhebt sich in der
MiUe etwa 44 — 15 Meter über das Wasser, das sich an der äusseren, etwa
i 1 Meter hohen Seite an rauhen Klippen bricht, während es auf der Seite des
grossen Hafens ein ebeneres Ufer bespült.
Die grösste Merkwürdigkeit Ortygia^s war für die. Alten die Quelle Are-
Ihusa, deren schon das an Archias gerichtete Orakel gedenkt. Sie entspringt an
der Westseite der Insel, da, wo dieselbe anfangt schmal zu werden, in unmit-
telbarer Nähe des Meeres , von dem sie nur durch einen Theil der Stadtmauer
getrennt ist, und in das sich ihre Gewässer ergiessen. Sie war reich an grossen
Fischen, die nicht gefangen werden durften; wenn dies in Zeiten der Noth
geschah, so befiel die Stadt grösswes Unglück. Wir haben bereits erzählt, wie
nach der gewöhnlichen Sage Arethusa eine elisdie Nymphe war, die, vom
Flussgott Alpheios verfolgt , nach Ortygia entfloh , wo sie als Quelle zum Vor-
schein kam ; aber Alpheios folgte ihr auch dahin , erreichte sie und vermischte
sein Wasser mit dem ihrigen. Uebrigens war, wie alte Nachrichten zeigen, die
Nymphe Arethusa eigentlich Niemand anders , als Artemis selbst , die Nymphe
unter den Göttinnen. Ausserordentlich populär war die Sage von dem geheimen
Zusammenhang der Quelle mit dem Alpheios. Man wollte wissen , dass sie an
den Tagen der Olympischen Feste von den Stieropfem in Elis trübe werde,
und daes einmal eine in jenen Fluss geworfene Schale in ihr wieder zum Vor-
schein gekommen sei. So nennt auch Pindar Ortygia des Alpheios heilige Ruhe-
statt, und man sagte geradezu, Arethusa sei der Alpheios selbst. Wenn man
nun Ober die Thatsache des Wunders einig war, ging man natürlidi in dem
Versuche, es zu erklären, aus einander. Auf welchem Wege kam der Alpheios
nach Syrakus ? Nonnos lässt ihn an der Oberfläche des Meeres dahin gelangen,
Moschos und Sidonius Apollinaris lassen ihn unten durch's Meer strömen , nach
Ovid endlich taucht Arethusa in Elis in düstere Höhlen, durch die sie nach
Sicilien gelangt , und ebenso wird dann auch Alpheios , der sich schon vorher,
um sich mit ihr zu verbinden, in Wasser verwandelt hat, durch dieselben
üöhlen nach Sicilien gekommen sein. Wenn man aber auch nicht wusste, wie
man ihn nach seiner neuen Heimat bringen sollte, so herrscht doch darüber
kein Zweifel, dass er mit und in der Arethusa aus der Erde hervorkommt, und
Niemand unter den Alten lässt ihn als selbständige Quelle neben ihr aufspru-
deln. Es ist deshalb durchaus ungerechtfertigt, wenn man jetzt gewöhnlich den
sogenannten Occhio della Zilica — eine Süsswasserqnelle im grossen Hafen von
Syrakus, etwa 80 Fuss von der Arethusa entfernt — in diese Fabel mischt.
M. Aretius erklärte sie für den Alpheios, und diese Behauptung, welche nicht
einmal Mirabella unbedingt annahm, hat später sehr mit Unrecht die Kraft einer
124 Zweites Buch. 11. GrttaduDg der beüenischeQ Koloniea io Siciiien.
alten Tradition bekommen. Es ist gewiss, dass mit der Quelle im Laufe der
Zeit manche Veränderungen vorgegangen sind. Cicero rühmt ihr süsses Was-
ser ; wenn später im Alterthum das Wasser als salzig bezeichnet wird, so kann
die euboische Quelle dieses Namens gemeint sein. War das Wasser aber wirk-
lich das ganze Alterthum hindurch noch süss, so hat es sicher seinen Geschmack
im Jahre 1 1 70 verändert, wo in Folge eines Erdbebens Meerwasser sich mit ihm
mischte. In diesem Zustande, der es nicht wohl trinkbar macht, ist es bis jetxt
geblieben. Bis in die neueste Zeit gewährte die Arethusa überdies als privi-
legirter Waschplatz der Syrakusanerinnen einen wenig erfreulichen Anblick, aber
der von den früheren Reisenden lebhaft beklagten Profanirung des altheiligen
Ortes ist jetzt em Ende gemacht. Die Wäscherinnen sind vertrieben; eine Treppe,
die freilich mehrere Grotten zerstört hat, führt zu dem etwa 50 Fuss breiten und
20 Fuss tiefen, gemauerten Bassin hinunter, das mit Papyruspflanzen besetzt ist,
und in welches sich durch vier Oefihungen die Gewässer der Quelle ergiessen.
Uebrigens ist auch sonst die Insel Ortygia nicht arm an Quellen , die hie
und da , meistens tief unter der Oberfläche des Bodens , kleine Becken fUUen.
Man hat schon früher vermuthet , dass alle diese Gewässer in einem gewissen
Zusammenhang mit einander stehen , worauf unter andern der Umstand hin-
deutete, dass, als im Jahre 4506 die Arethusa eine Zeitlang versiegte, neue
Quellen in der Nähe des kleinen Hafens entstanden , welche alsbald vertrodL-
neten, da jene wieder zu fliessen begann. Neuerdings' ist man nun zu der An-
sicht gelangt, dass ein grosser Theil des reichen unterirdischen Wasserschatzes
der Ortygia vermittelst der Aquädukte vom Festlande Siciliens hergeleitet ist^
und man will sogar in der Arethusa mehr die Mündung einer Wasserleitung als
eine natürliche Quelle sehen.
Die Lage der neuen korinthischen Kolonie machte sie vorzugsweise zum
Handel geeignet. Ortygia besass zwei Häfen, vrie die Mutterstadt Eorinth und
das zu derselben Zeit gegründete Kerkyra. Nördlich von der Insel , zwischen
ihr und dem Festlande Siciliens lag der kleinere der beiden, der den Namen
Lakkios führte, ein Name, der auf Gruben oder Hohlen deutet, welche sich an
seiner Umfassung fanden. Er ist und war keine 1 500 Fuss lang und an der
breitesten Stelle keine 1 000 Fuss breit, übrigens wenig tief, am Eingange gegen-
wärtig etwa 4 0 , im Innern höchstens 6 Fuss. Desto trefflicher war der grosse
Hafen, der die ganze Meeresbucht umfasst, an deren Eingang die Insel Ortygia
als Wache liegt. Sein innerer Umfang wiixt von Strabon zu 80 Stadien an-
gegeben; in Wirklichkeit beträgt er höchstens zwei Drittel dieses Masses,
etwa 32000 Fuss. Seine Tiefe ist verschieden ; er wird nach der Mtindung des
Anapos und den flachen Theilen des Ufers zu seichter, doch beträgt sie in ganz
geringer Entfernung von den westlichen Mauern Ortygia's schon ungefähr SO Fuss
und in der Mitte durchschnittlich mehr als 30. Der Eingang ist etwa 70 Fuss
tief. Da dieser verhältnissmässig schmal ist — die Thukydideische Angabe von
8 Stadien (= 1 Miliiej stimmt mit der Wirklichkeit überein — so war es möglich,
die innen liegenden Schiffö gegen Feinde zu vertheidigen. Der Hafen ist einer
der schönsten, die es giebt; guter Ankergrund, leichter Zugang und reichlich
vorhandenes Quell- und Flusswasser stellen ihn den besten Europa*s gleich. Er
wird in späterer Zeit einmal der marmorne genannt , und der Anblick , den er
Name der Stadt. 125
gewährte, als er noch zu Gicero's Zeit ganz von Gebäuden eingefasst war, mag
prächtig genug gewesen sein.
Bald nach der Gründung der Stadt sollen die Syrakusaner den Lokrem
bei der Verlegung ihrer Wohnsitze von dem Zephyrischen Vorgebirge nach einem
etwas nördlicheren Punkte geholfen haben. «
Von Archias berichtet die Sage noch , dass er zwei Töchter gehabt habe,
Ortygia und Syrakusa, und dass er von Telephos , den er liebte , und der ihn
nach Sicilien begleitet hatte, erschlagen worden sei. Dieses ist poetische Ge-
rechtigkeit für den Mord Aktaion's ; jenes führt auf eine wichtige Frage über die
älteste Geschichte von Syrakus. Die Stadt« des Archias erscheint unter dem
Namen Syrakusai, den sie von einem Sumpfe Syraka oder Syrako erhalten
haben soll. Nun ist von Sümpfen, die einst auf Ortygia gewesen wären, nichts
bekannt; die nächsten befinden sich nördlich von der Mündung des Anapos.
Dürfen wir nun annehmen, dass eine auf Ortygia gegründete Stadt nach diesen
entfernten Sümpfen benannt worden ist? Schwerlich. Wenn wir dagegen jetzt
wieder an die Sage von den zwei Töchtern des Archias denken, welche Ortygia
und Syrakusa Messen, so können wir darin wohl eine Andeutung davon finden,
dass Syrakus ursprünglich nicht mit Ortygia identisch war. Wo lag denn nun
aber das Syrakus der ältesten Zeit, die Schwesterstadt Ortygia^s, dem sie bald
ihren Namen mittheilte?
Zunächst würde man an den Stadttheil denken, der später mit Ortygia
zusammen Syrakus ausmachte , und der dem Sumpfe am Anapos schon näher
lag, als die Insel. Indess gäbe es noch eine andere Möglichkeit, die immerhin
der Erwähnung werth ist. Wie, wenn es die Höhe südlich vom Anapos gewesen
wäre, die den Tempel des Olympischen Zeus trug, und in deren Nähe sich
nach dem Anapos und dem Meere zu ebenfalls Sümpfe befanden ? Allerdings
war in späterer Zeit hier nur eine Vorstadt , indess ist einerseits dieser Ort für
Solche, die sich am grossen Hafen niederlassen wollen, ohne die Insel selbst zu
besetzen , der passendste zu einer Ansiedlung , und dann ist es merkwürdig,
dass noch in der Zeit des athenischen Kineges sich hier im Tempel des Olympi-
schen Zeus das Verzeichniss der Bürger von Syrakus befand, das doch kaum
an einem Orte aufbewahrt werden durfte , der nie etwas anderes als eine ent-
fernte Vorstadt gewesen war. Sollte es nicht denkbar sein, dass, wie die Athener
hier zuerst landeten, als sie Syrakus belagern wollten, so auch Archias mit den
Seinigen an diesem Punkte an's Land gestiegen wäre, um sich dann weiter
nach Ortygia zu wenden ? Dass aber in dieser Gegend eine alte Stadt sich er-
hob, darauf scheinen auch die von Herakles hergeleiteten Opfer an der nahen
Kyane zu deuten. Andererseits könnte man bei der Annahme, dass Syrakusai,
wie die Namensform überdies zu bezeugen scheint, ursprünglich eine Doppel-
stadt war, auf die weitere Vermuthung kommen, dass hierin die Spur einer
wiederholten Niederlassung der Korinther zu finden wäre , so dass , wenn Ar-
chias sich auf der Insel Ortygia angesiedelt hat , andere Korinther nach ihm
etwa die Gegend des Olympischen Tempels besetzt hätten, worauf dann später
eine Vereinigung der Orte in der Weise eingetreten wäre , dass derjenige der
beiden , der im Wesentlichen in den andern aufging , zur Entschädigung dafür
dem Ganzen seinen Namen gab.
126 Zweites Buch. 11. Gründang der hetlenf sehen Kolonien in SiciUen.
Wie dem auch sein mag, die alten Historiker melden uns nichts von dieser
Urgeschichte von Syrakus. Thukydides sagt einfach ; Archtaa gründete Syra-
kus, indem er zuerst ans der Insel, die, jetzt nicht mehr vom Meere umflossen,
die innere Stadt trägt, die Sikeler vertrieb. Nach einiger Zeit vt^urde auch die
äussere mit der inneren durch eine Maner verbunden und volkreich. Diese
Worte lassen für mehr als eine Frage Raum. Wann ist die äussere Stadt an-
gelegt veorden? Wann ist sie mit der inneren durch eineManer verbunden?
Jenes könnte bereits unter Archias selbst geschehen sein, und es v^Sre möglich,
dass auch das zweite, die Verbindung der beiden Städte durch eine Mauer baki
darauf Statt gefunden hätte. Wir werden sehen, wie Syrakus bereits 70 Jahre
nach seiner Gründung Kolonien in's Inland aussandte, die offenbar vorge-
schobene Posten der syrakusaniscfaen Macht waren, und es ist klar, dass dies
nicht geschehen konnte, wenn nicht seit geraumer Zeit schon der der Insel zu-
nächstliegende Theil des Festlandes in den Bereich der Stadt gezogen war. Man
verband die Insel — Nasos war die gewöhnliche Bezeichnung für Ortygia —
mit dem Festlande durch einen Damm »von ausgewählten Steinen«, wie der
Dichter Ibykos sagte. Später, zu Strabon's Zeit, war eine Brücke an, Stelle des
Dammes getreten^ und derselbe Wechsel zwischen Damm und Brücke hat sich
in neuerer Zeit wiederholt.
Der besondere Name für den festländischen Theil von Syrakus war Achra-
dina, eigentlich, wie es scheint, der Ort der wilden Birnbäume, deren viele
dort gestanden haben mögen. Diesen Stadttheil haben wir jetzt genauer zu
betrachten.
Nördlich von Ortygia ist eme flache Gegend, die sich etwa 2500 Fuss weil
erstreckt ; in dieser Entfernung erhebt der Boden sich plötzlich und bildet eine
Hochfläche, welche nach Osten und Norden ziemlich schroff zum Meere abfölit,
während sie nach Westen hin sich anfangs in derselben Breite , dann immer
schmäler werdend, in's Land hinein fortzieht. Unweit von dem Punkte, wo der
Nordrand dieses Plateau^s sich vom Meere entfernt , befindet sidi eine schmale
Bucht: die Bucht von S. Panagia oder Bonagia, die in einer klräien FaHe des
Terrains nach Süden hin ihre Fortsetzung ßndet. Eine von dieser Bucht nach der
Nordspitze Ortygia's — östlich von dem Punkte, wo es mit dem Fesllande ver-
bunden ist — gezogene Linie sondert von dem in westlicher Richtung sich fort-
ziehenden Plateau einen besonders hoch gelegenen Theil desselben ab, der einen
Umfang von 9000 Metern, aber eine Grundfläche, welche etwa sechsmal so gross
ist, wie die von Ortygia, besitzt. Diese Linie, welche durch die \ 839 entdeckten
üeberreste einer Mauer bezeichnet wird, ist die sichere Westgrenze von Aehradina.
Dagegen walten über die Ausdehnung dieses Stadttheiles nach Süden Zweifel ob.
Während nämlich einerseits der Gedanke nahe liegt , dass der älteste Theil des
festländischen Syrakus der Insel als dem zuerst kolonisirten Bezirke so nahe als
möglich gelegen habe, mit andern Worten, dass die Bevölkerung, welcher Or-
tygia zu eng wurde, sich zunächst über die gegenüberliegende Küste ver-
breitete . woraus dann folgen würde , dass die Niederung zwischen der Insel
und dem oben beschriebenen Plateau jedenfalls zu Achradina gehört haben
müsste, ist von Einigen dies Letzlere bestimmt in Abrede gestellt und behauptet
worden , dass nur das nördliche Hochland den Stadttheil Achradina getragen
Latomien. Katakomben. 127
habe, da eben nur die Höhe die für eine Stadt wesentliche Bedingung der
Sicherheit zu erfüllen im Stande gewesen sei. Es kommt als weitere Stütse
dieser Ansieht hinzu , dass sich in dem südlichen Abhang des Plateau's grosse
Steinbrüche und noch weiter südlich in der Niederung selbst gewaltige Kata-
komben befinden und man Steinbrüche und besonders Grabgewölbe sich nur
ungern im Innern einer hellenischen Stadt denkt.
hd der That sind diese Aushöhlungen des Felsbodens von höchst bedeuten-
dem Umfange. Unter den Steinbrüchen ist der gi*össte und berühmteste der
östlichste, die Latomie oder Selva der Kapuziner, deren £Lloster am Rande des
Abbanges liegt, und die aus dem Steinbruche einen Garten gemacht haben,
welcher, von den hundert Fuss hohen grauen Felswänden umschlossen, mit
seinen Kräutern und Blumen, seinem Moos und seinen SchlingpflaniBen, seinen
Gruppen von Orangen, Feigen, Lorbeer und €ypressen einen reizenden, höehM
eigeaibümlichen Anblick gewährt. Aus der Mitte des üppigen Laubwerkes er-
heben sich mehrere isolirte Felspfeiler zur Höhe der die Latomie einschliessenden
Wände, von denen der eine an seiner Spitze eine Reihe von jetzt unzugänglich
gewordenen Stufen trägt. Die Felswände selbst sind hie und da zu Hallen mit
flacher Decke ausgehöhlt. Westlich von diesem Steinbruche finden sich am
Südrande des Plateau's von Achradina noch drei andere , die Latomien Casale,
Cassia und Novantieri. Von allen diesen ist nur die Latomie Gasale späteren
Ursprungs , die drei übrigen gehören der ältesten Zeit von Syrakus an. Nach
dem grossen athenischen Kriege dienten sie den Syrakusanern als Gefängniss
für ihre tiberwundenen Feinde; aber schon ein Jahrhundert früher, zur Zeit
des Philosophen Xenophanes, wird ihrer gedacht. Wir müssen also annehmen,
dass sie zu einer Zeit ausgehöhlt worden sind , wo Achradina schon als Theil
von Syrakus bestand. £s folgt jedoch hieraus keineswegs, dass dieser Stadt-
theii nördlich von ihnen lag. Ebenso wahrscheinlich wUre die Annahme, dass
sie die Nordgrenze desselben bildeten,, und dass sie unter andern auch zu dem
Zwecke ausgehauen wurden, um Feinden den Angriff von oben her zu er-
schweren. Jedoch ist natürlich auch denkbar, dass sie sich innerhalb der Stadt
befanden, die sich sowohl südlich wie nördlich von ihnen ausdehnte. Man
konnte sehr wohl einen in der Stadt gelegenen Felsrand, der zur Bebauung mit
Häusern weniger geeignet schien , füi* den Zweck der Gewinnung von Bruch-
steinen bestimmen.
Aber in der Niederung südlich von den Latomien sind auch noch die Kata-
komben. Sie ziehen sich ungemein weit nach Norden hin und waren in früherer
Zeit in weiterer Ausdehnung zugänglich als jetzt, wo die auf älteren Karten in
der Nabe der Kirche S. Lucia verzeichneten eingesunken oder vermauert sind
und nur noch die westlicher gelegenen, nach der nahen Kirche S. Giovanni
benannten besucht werden können. Es sind regelmässige, in den Fels ge-
arbeitete Galerien ; die Hauptgänge, 42 — 16palmi breit und 8 — 42 p. hoch,
sind häufig von schmäleren Nebengängen durchschnitten , deren Boden nicht
überall dasselbe Niveau hat. Hie und da finden sich runde oder viereckige
Säle, jene gewöhnlich mit gewölbter, diese mit flacher Decke. Hin und wieder
sind in der Decke Luftlöcher angebracht. Diese Galerien sind, wie die Nischen
in den Seitenwänden und die Gräber im Fussboden, besonders der Nebengänge,
128 Zweites Bacb. II. GrUndung der hel]eoi8chen Kolonien in Sicilien.
sowie die Inschriften beweisen , als Grabgewölbe benutzt worden. Wenn sie
nun als solche bereits in der älteren griechischen Zeit angewandt worden wären,
so liesse sidi allerdings die Frage schwer beantworten, wie ihre Anlage im In-
nern der Stadt sich mit dem bekannten Gebrauche der Griechen , die Todien
vor den Thoren zu bestatten , vertrüge , und man hätte sich vielleicht dazu su
entschliessen, die Niederung nördlich von Ortygia als ausserhalb der Achradina
befindlich anzusehen. Es ist aber kein zwingender Grund vorhanden, den Ur-
sprung der Katakomben in die erste Zeit des Bestehens von Syrakus zu ver-
setzen , und die dort gefundenen Inschriften weisen vielmehr auf die Epoche
des beginnenden Christenthums hin. Allerdings finden sich Spuren von Aus-
höhlungen, welche auf eine vorchpstliche Zeit hindeuten ; aber diese erscheinen
in keiner Weise als ftir Begräbnisszwecke gemacht ; sie können zur Auffindung
von Wasser und zur Anlage von Brunnen unternommen worden sein.
Wenn nun so das Vorhandensein der Latomien und Katakomben keinen
Beweis liefert, dass die Niederung zwischen Ortygia und dem Plateau von
Achradina nidit zu diesem Stadttheil gehört haben könne, so giebt es anderer-
seits Gründe, die die gegentheilige Annahme als unabweisbar erscheinen lassen.
Es ist zunächst keinem Zweifel unterworfen , dass dieser Raum sich innerhalb
der Mauern der Gesammtstadt Syrakus befand, seit dieselbe Ortygia und Achra-
dina umfasste. Dies wird einerseits dadurch bewiesen, dass es eine undenkbare
Vernachlässigung ihrer wichtigsten Interessen gewesen wäre, wenn der Syra-
kusaner die zwei bedeutendsten Theile ihrer Stadt getrennt gelassen hätten;
sodann durch die Thatsache, dass, während z. B. bei der Belagerung der Stadt
durch Marcellus vorkommt, dass ein freier Platz zwischen Tyche und Neapolis,
zwei anderen syrakusanischen Stadttheilen , von den Belagerern besetzt ^^rd,
ein solcher Raum zwischen Ortygia und Achradina niemals erwähnt wird, end-
lich aber durch die ausdrückliche Angabe des Thukydides, dass Adiradina mit
Ortygia durch eine Mauer verbunden war. In der so von den Stadtmauern um-
schlossenen Niederung nördlich von Ortygia befand sich aber der Markt von
Syrakus, da Cicero von demselben sagt, dass er in der Nähe des grossen Hafens
war, und derselbe Schriftsteller nennt ihn bei einer andern Gelegenheit als eine
der Hauptzierden der Achradina. Und ein ähnlicher Beweis liegt in dem, was
uns an verschiedenen Stellen von der Lage einer von Dionys erbauten grossen
Sonnenuhr gemeldet wird. Sie stand nämlich in der Nähe Ortygia's und wird
anderswo als in Achradina befindlich bezeichnet.
Es kann nach allem diesem wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die
Achradina sowohl die Niederung, welche an den grossen und kleinen Hafen
stösst , wie das nördlich davon gelegene Plateau umfasste. Dass sich von den
Mauern y welche jene einschlössen, nichts mehr erbalten hat, erklärt sich da-
durch, dass die Materialien zu Lande wie zu Wasser leicht wegzuschaffen wa-
ren. Von der das Plateau umgrenzenden, einer späteren Zeit angehörenden
Mauer sind dagegen nach der Seeseite hin noch ziemlich beträchtliche Ueber-
reste vorhanden. Man sieht, dass sie 8 — 9 Fuss dick war und aus Blöcken von
nicht ganz regelmässiger Gestalt bestand. Das Plateau von Achradina ist gegen-
wärtig eine nackte, kahle Felsebene , fast ohne Spuren antiker Gebäude , wo-
Pollchne. 1 29
gegen in der Niederung von Ortygia nunnche, dem spätem Alterlhum angehörige
üeberreste gefunden sind.
Wir haben uns also folgendes Bild von Syrakus, wie es einige Jahrzehnte
nach seiner GiUndung war, zu entwerfen. Die innere Stadt lag auf der Insel
Ortygia, geschmückt mit den illtesten Tempeln und verherrlicht durch die
Quelle Arethusa; die äussere concentrirte sich , was die Privat Wohnungen an-
hetrifll, mehr und mehr auf dem PlaU^au von Achradina, während die südlich
davon gelegene Niederung haüptsitchlich von dem Markte und den sich daran
anschliessenden öfientlichen Gebäuden und Handelsniederlagon eingenommen
war. Man kann diesen Raum demjenigen vergleichen , der sich in Rom zwi-
schen Gapitolin, Palatin und Quirinal ausdehnt, und der das römische Forum
wurde.
Dazu kommt endlich die Vorstadt am Olympieion. Denn wenn auch die
Vermuthung, dass hier eine der ersten Niederlassungen gegründet wurde, irrig
sein sollte , alt muss dieser Wohnsitz gewesen sein ; das beweist die Aufbe-
wahrung derBüi'gerregister daselbst. Der Weg dahin führt am Ufer des grossen
Hafens entlang, zuerst über die Mündung des Gewässers, welches heutzutage
das Theater durchströmt, des sogenannten Fiumicello delle lavandaje und sodann
zwischen dem Sumpf, den man für Syrako oder Lysimeleia halten muss, und
dem Meere an den Anapos, den er auf einer Brücke überschreitet. Jenseits des-
selben leitet die Strasse, die Küste verlassend, in gerader Richtung weiter auf
eine felsige Anhöhe, die sich etwa 40 — 50 Fuss über die umliegenden Sümpfe
erhebt und nur im Süden mit dem ebenen Lande zusammenhängt , während
im Osten nach dem grossen Hafen zu Salzwerke vorliegen, im Norden der Ana-
pos sti'Omt und im Westen durch eine sumpfige Gegend die Kyane fliesst,
welche sich gerade nördlich von der Felskuppe mit dem Anapos vereinigt. Hier
lag das Olympieion und um dasselbe die Polichne genannte Vorstadt. Der Punkt
ist ein Brückenkopf (Ür Syrakus und insofern für diese Stadt von grosser Be-
deutung.
Der auf den syrakusanischen Münzen gewöhnlich sich findende' weibliche
Kopf deutet ursprünglich und in den meisten Fällen wahrscheinlich auf den
Kultus der mit der Arethusa identischen Artemis als der Hauptgottheit von
Ortygia hin.
Wir sind auf den letzten Seiten auf Verhältnisse eingegangen , die sich
theilweise erst im Verlaufe einiger Jahrzehnte gestaltet haben roögen^ und
müssen jetzt wieder zur Zeit, da Syrakus gegründet wurde, zurückkehren.
Sicilien gefiel, je mehr es bekannt wurde, um so besser den Griechen ; der
Zudrang von Einwanderern mehrte sich. Zunächst kamen besonders viele Chal-
kidier an, die in Naxos nicht mehr Aufnahme finden konnten, so dass es noth-
wendig erschien, eine neue Stadt zu gründen. Wohin sich jetzt wenden? Hatte
man in Naxos den der Heimath nächsten Punkt der Küste gewählt , und dann
in Syrakus denjenigen, welcher den besten Hafen darbot, so war man doch
immer noch unmittelbar am Meere geblieben. Wie wenn man sich weiter im
Innern ansiedelte, um die bald erkannten Schätze des Bodens besser auszu-
beuten? In Naxos war man nördlich vom Grenzflusse des immer noch gefürch-
leten Aetna , die fruchtbarste Ebene des Landes lag aber südlich vom Vulkan,
Holm , Oofich. Sieiliens. I. 9
1^0 Zweites Buch. U. Gründung 4er helfeuischen Kolooieii la Sicilien.
und so suchte niciD sich südlich von dem Flusse, der hier seine Grenze bildete,
einen Platz für die neue Ansiedlung aus. Fünf Jahre nach der Gründung von Sy-
rakus (Ol. 12, 4; 729 vor Chr.) baute Theokies mit den Chalkidiern aus Naxos
die Stadt Leontinoi, die eine deujtsche Meile vom Meere entfernt ist. Ihre
Lage ist von Polybios genau beschrieben worden. Sie lag auf einem nach Norden
gewandten Abhänge, welcher in seiner Mitte ein Thal enthielt, in dem der Mai4Lt
und die öfientlichen Gebäude waren. Die beiden östlich und westlich vom Thale
liegenden Hügel fallen nach aussen schroQ'ab. Thore hatte die Stadt zwei; das
eine, am südlichen Ende des Thaies, führte nachSyrakus; das andere, am
nördlichen, nach den Leontinischen Gefilden ; an dem westlichen Abhänge floss
der Lissos, der sich in den nördlich in einer Millie Entfernung da hinströmenden
Ter las ergoss. Die neueste Forschung {Schubring) will die Statte , auf welche
diese Beschreibung passt, südwestlich neben dem heutigen Lentini nach-
weisen, das, im grossen Erdbeben von 1693 vollständig zerstört, seitdem nur
kümmerlich wieder aufgebaut worden ist. Die Stadt wird von den im Süden sich
hinziehenden Höhen beherrscht, von denen eine das von Karl Y. gebaute, aber
seit 1 693 ebenfalls schon verfallende Carlentini trägt. Der Ort war schon von
~ Sikelern bewohnt, welche die Ghalkidier bei sich aufnahmen. Um die Stadt
allein zu besitzen, forderte Theokies dieMegarer, welche gerade dwials Wohn-
sitze in Sicilien suchten, auf, die Sikeler zu vertreiben, er werde ihnen in der
Nacht die Thore öShen ; selbst aber die Sikeler anzugreifen, verböten ihm und
den Seinigen die geleisteten Eide. Der Verrath wurde Verabredetermassen aus-
geführt ; wie nachher auch die Megarer hinterlistig vertrieben wurden, werden
wir alsbald sehen. Für den Ackerbau war Leontini trefflich gelegen ; es schaut
auf jene fruchtbaren Leontinischen Gefilde, welche im späteren AI terthume und
jetzt nach der wichtiger gewordenen Stadt die Katanäischen heissen^ Neben
dem Löwenkopf des Averses, der auf den Namen der Stadt hindeutet, weist
ein Gerstenkorn auf dem Revers der leontinischen Münzen auf die Fruchtbar-
keit der Gegend und die Hauptbeschäftigung der Einwohner, der Apoliokopf
auf ihren HauptkuUus hin.
Bis jetzt waren die in Sicilien gegründeten Städte jede durch einen Haupt-
vorzug ausgezeichnet gewesen. Naxos und Syrakus konnten zunächst nur als
Handelsstädte y Leontini vorzugsweise als ackerbautreibende Stadt von Bedeu-
tung sein. Wenn mau aber Muth genug hatte, sich über die Furcht vor dem
Aetna hinwegzusetzen , so liess sich Beides vereinigen ; man konnte eine Stadt
gründen, die, unmittelbar am Meere gelegen, als Handelsstadt ihre Bewohner
zu bereichern im Stande war, und die, an die fruchtbaren Abhänge des Aetna
gelehnt, zu gleicher Zeit den unermess liehen Reichthum des Bodens'duszubeat^a
vermochte. Dasselbe Naxos , dem schon Leontini seinen Ursprung verdankte,
grtkndetc kurze Zeit darauf (ebenf. 729) auch Katana, unter der Führung des
Euarchos. Man war jedoch noch soweit in Furcht vor dem Aetna befangen, dass
man zur Niederlassung einen möglichst südlichen Punkt wählte, der, wie man
freilich mit Unrecht hoflle, den Eruptionen weniger ausgesetzt wäre ; aber ab-
gesehen hiervon war die Wahl des Platzes eine sehr zweckmässige; denn Katana
liegt so ziemlich im innersten Winkel der Bucht, wo überdies das noch nicht ganz
Üache Ufer es den SchifTen möglich macht, in der Nähe des Landes anzulegen.
Katana. KalHpoIis. Eubola. Megarisohe Niederiassangen. 131
und auch ein wenngleich kleiner Fluss die Niederlassung erleichtert. Weiter
südlich wäre man vor dem Aetna noch sicherer gewesen, aber die sandige
Küste hiUte keinen Hafen gestattet. Dagegen wird der Hafen von Ratana vor
Winden wenig Sicherheit gewährt haben, und so war es noch in neuerer Zeit,
bis ein grösserer Molo erbaut worden ist. Dass aber die Wahl des Ortes eine
glückliche war, beweist am schlagendsten der Umstand , dass von allon bisher
genannten hellenischen Kolonien Katana allein, trotz melirfacher Verheerung
durch den Vulkan, eine grosse und bedeutende Stadt geblieben ist. Üer Boden,
auf dem es erbaut ist, steigt sanft nach Norden an, in weicher Richtung sich die
alte Stadt nur bis in die Gegend des Amphitheaters erstreckt hat ; hier begann
die Nekropolis. Katana war durchflössen vom Amenas oder Amenanos , jetzt
Judicello genannt, von dessen Natur oben die Rede war, und der gegenwärtig
fast nur bei seiner Mündung in den Hafen sichtbar ist. Der Name der Stadt,
der von den Alten in verschiedener Weise ausgelegt wird, könnte phönicischen
Ursprungs sein und klein bedeuten.
Von den alten Mttnztypen deutet der wichtigste , ein Stier mit mensch-
liebem Haupte, auf den Kult des Flussgottes Amenanos hin (Revers : schreitende
Nike mit Binde in der Hand) ; der andere ist der Apollokopf, der an die Mutter-
Stadt Naxos mit ihrem Kultus des Archegetes erinnert ; das später vorkommende
Silenhaupt beweist, dass die Verehrung des Bakchos , welche sowohl die Lage
der Stadt am fruchtbaren Aetnaabhang , wie die Gründung durch Naxos als
natürlich erscheinen lässt, unter den Katanäem sehr verbreitet war.
Zu diesen zwei Kolonien von Naxos kommt endlich noch eine dritte , die
Stadt Kallipolis, von unbekannter Lage. Cluver hält sie für das jetzige
Mascali , das am Aetna unfern vom Meere liegt. Und hier muss erwähnt wer-
den, dass auch Leontini eine Kolonie gründete, Euboia genannt, deren Lage
und Grtlndungsjahr aber eben so wenig bekannt sind. Die Meinung Gluver's, es
möchte das heutige Licodia di Vizzini sein , das auf steilem Felsen in der Nahe
des Ursprungs des Dirillo liegt, hat nur die Existenz von antiken Trümmern in
der Nähe dieser Stadt für sich.
Nach Chalkis und Korinth nahm auch Megara selbständig an der Koloni-
sation Siciliens Theil. In Megara herrschten Dorier, aber die Volksmasse bestand
aus den älteren Bewohnern des Landes , und die Lage der Stadt machte sie für
Unternehmungen zur See geeignet. Ihre wichtigsten Kolonien lagen an der
Küste von Thracien und Bithynien, am Eingange des Schwarzen Meeres. Nach
Sicilien sind Megarer wahrscheinlich schon mit Theokies und Archias gekom-
men ; gesonderte und bald auch feste Wohnsitze erhielten sie unter der Führung
des Lamis. Dieser besetzte am Flusse Pantakyas einen Ort, Namens Trotilon,
der, wenn er am Meere lag, an dem oben (S. 10^) beschriebenen Hafen La
Bruca gesucht werden muss. Man vermuthet Trotilon auf den niedrigen Hügeln
rechts von der Bucht. Doch blieb Lamis nicht lange hier. Er wandte sich mit
den Seinigen nach Leontini, wo sie in der geschilderten Weise Eingang fanden.
Aber Theokies hatte sie nur aufgenommen , um sich mit ihrer Hülfe von den
Sikelem zu befreien; nach kurzer Zeit schaffte er durch einen {ähnlichen Ver-
rath auch sie aus der Stadt. Er gab vor, den zwölf Göttern einen feierlichen
Umzug seiner Chalkidier gelobt zu haben , zu dessen glänzenderer Ausstattung
9*
1 32 Zweites Buch. II. Gründuag der helleoischen Kolonien in Sicillen.
sie auch der Waffen der Megarer bedürften. Als die Arglosen sie ihnen aus^
geliefert hatten und die Ghalkidier säinmtlicb bewaffnet auf dem Markte waren,
Hess er durch einen Herold den Megarern gebieten , vor Sonnenuntergang die
Stadt zu verlassen , imd die ihrer Waffen Beraubten musst^n gehorchen. Sie
siedelten sich jetzt auf der nördlich von Syrakus gelegenen Halbinsel Thapsos
(Isola di Magnisi) an, wo Laniis starb. Hierauf verlicssen sie auch diesen Ort
und fanden nun erst bleibende Wohnsitze in dem sikelischen Uybla, dessen
König Hybion sie bereitwillig «nufnahm, und welches von nun an Megara
H y blaia genannt wurde. Megara, dessen früherer Name den von den Hellenen
dem Orte gegebenen in der Benennung der nahen Berge überdauert hat, lag an
dem Meerbusen, der jetzt nach der Stadt Augusta benannt wird und im Alter-
thum der Megarische hiess, zwischen den Flüssen S. Gusmano und Gantara,
auf einem niedrigen Hügel ; die Mauerreste zeigen , dass es einen Umfang von
etwa drei Million halte. Der Hafen scheint an der Mündung des Gantara ge-
wesen zu sein. Der Ort war dem durch seine Lage in jeder Beziehung bevor-
zugten Syrakus zu nahe, als dass er auf die Dauer hätte gedeihen können; es
sind nicht einmal Münzen der Stadt sicher nachweisbar. Die Gründung von
Trotilon ist gleichzeitig mit der von Leontini und Katana ; die von Megara ralit
wahrscheinlich in das Jahr 728 vor Ghr. (Ol. 43, \).
Wahrend sich von Naxos, Syrakus, Leontini, Katana und Megara das Grün-
dungsjahr ziemlich genau bestimmen liisst, ist dies bei einer andern, wahrschein-
lich um dieselbe Zeit von Griechen besetzten, höchst wichtigen Stadt nicht der
Fall, bei Zankle, dem späteren Messana. Der prachtvolle Hafen, den hier in
der wichtigsten Meerenge eine kreisförmig gebogene Landzunge bildet , musste
schon in sehr früher Zeit zu Niederlassungen einladen. Wenn nun erzählt wird,
dass Orion für den König Zanklos den Hafen gemacht, dass die Stadt von Zan-
klos oder von der Sichel des Saturn den Namen erhalten habe, wenn wir end-
lich belehrt werden, dass die Sikeler eine Sichel Zankle nannten, so ist daraus
zu schliessen, dass die Sikeler hier eine Stadt besassen, welcher sie wegen der
Gestalt des Hafendammes den Namen Zankle oder, wie man ursprünglich
sagte, Dankle gegeben hatten. Von Hellenen besetzten zuerst Seeräuber aus
KymedcnOrt; splUer kamen Auswanderer aus Ghalkis und anderen euboi-
sehen Städten hinzu, und als Gründer galten Perieres und Krataimenes, jener
ein Ghalkidier, dieser ein Kymäer oder, nach Pausanias, ein Samicr. Nach
Strabon wöre dagegen Zankle wie Leontini und Katana eine Gründung der
sicilischen Naxier gewesen. Die Zankleer erkannten schnell, wie vortheilhafi es
für die sichere Fahi't durch die wichtige Meerenge wäre, wenn auch die gt^en-
über liegende italische Küste sich in befreundeten HUnden befände, und sie
forderten deshalb die SUidt Ghalkis auf, dort eine Kolonie zu gründen. Den
Glialkidiern , die hierzu auszogen , vom delphischen Apollon gesandt , dem sie
ihr Schicksal als ein von der Stadt geweihler Zehnte anvertraut hatten, schlös-
sen sich aus ihrem Valerlande vertriebene Messenier an , und die ZankleiT
schickten als Anführer Antimnestos. So wurde am Flusse Apsia, an einer Stelle^
wo sich ein Weinstock um einen Feigenbaum schlang, was man als ErfüUung
eines Orakelspruclies nahm, am Grabe des Aeoliden lokastos die Stadt Rhe-
gion gegründet, deren Name an die Trennung Siciliens vom Fesllande erinnert.
Zankle. Mylai. 133
Mit Hülfe dieser Nachricht l^st sich die Zeit der Gründung von Zankle durch
die Chalkidier wenigstens annähernd hestimnien. Die Anlage Rhegions fand
vor dem Ende des ersten messenischen Krieges — vor 72 i ~ Statt , da den
auswandernden Messeniem vom delphischen Gotte bemerkt wurde ^ dass sie
vor dem ihrem Valerlande bevorstehenden, traurigen Schicksale bewahrt werden
wünien. Noch etwas früher fHlit also die Gründung von Zankle, da dies die
Anlage von Rhegion veranlasste. Wenn nun Thukydides Recht hat, dass Naxos
die ei^te hellenische Kolonie auf Siciiien war, so kann Zankle wiederum nicht
vor 734 gegründet sein, und wir haben somit die Gründung dieser Stadt etwa
in das Jahr 730 zu setzen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass auch die Ankunft
der ersten kymäischen Seeräuber in Zankle erst nach 73i fallen müsse. Man
wird eine Niederlassung von Seeräubern nicht mit dei' förmlichen Gründung
einer Kolonie verwechseln dürfen. Jene können inmierhin schon lungere Zeit
den Ort mit dem sichelförmigen Hafendarame zu ihrem Sammelplatz gemacht
haben, ehe die Stadt Kyme selbst ihr Augenmerk auf diesen Platz richtete und
den Plan fasste, dort in Verbindung mit den Chaikidiern eine Stadt zu gründen,
und wenn nur dies Letztere erst nach 735 geschah , so hatte Thukydides wohl
das Recht, Naxos als die ältere Kolonie zu betrachten. Pausanias bezeichnet
freilich Perieres und Kratairaenes als Anführer der Piraten. Die ältesten Münz-
typen der Stadt, ein Delphin und eine Sichel (Revers : in dreizehn Abtheilungen
getheiltes vertieftes Feld, meist mit einer Muschel in der Mitte) deuten auf ihre
Lage hin ; man liest auf den Münzen den Namen Dankle.
Der Hafen Zankle's ist einer der schönsten und sichersten der Erde. Die
sichelförmige Landzunge, die ihn bildet, springt nach Norden vor; sie ist etwa
1 DOO Meter lang und an der breitesten Stelle beim Leuchtthurme gegen 500 Meter
breit. Der Umfang des ganzen Hafens beträgt cii*ca Y2 deutsche Meile; er fasste,
nach Diodor, über 600 Schiffe. £r ist 40—50 Klafter lief, und grosse Schiffe
können unmittelbar am Ufer anlegen. Sein Eingang hat eine Rreite von etwa
iOO Meteinn. Gleich rechts von demselben, an der Westseite des Hafens, erhebt
sich die Stadt auf einem sanft ansteigenden Boden , der leider den vom unmit-
telbar dahinter sich erhebenden Gebirge herabstürzenden Fiumaren als Durch-
gang nach dem Meere zu dienen muss. Das Gebirge erlaubt der Stadt auch
keine grosse Ausdehnung nach Westen hin; sie betrügt nur 1800 — 3000 Fuss,
während sie von Süden nach Norden , wo auch die hauptsächlichsten Thore
sind, sich etwa 6000 Fuss weit erstreckt. So ist es heutzutage. Die älteste
Sladt war noch kleiner.
Die Sicherheit der Stadt erforderte , dass das sie beherrschende Gebirge
ihren Einwohnern gehörte. Sie besetzten also zunächst den Kamm desselben*
al)or sie mussten noch einen Schritt weiter gehen. Fast ebenso kurz, wie nach
Zankle hin, ist der Abfall des Gebirges nach dem Tyrrhenischcn Meere. Wenn
die Zankleer nun hier in zweckmässiger Lage eine Küstenburg hatten, so konnten
sie jedem Feinde den Weg an der Nordküste nach dem Gebirgskamme und so-
mit nach Zankle selbst verlegen. Sie fanden diesen Punkt et^^a 5 deutsche
Meilen vom pelorischen Vorgebirge. Hier erstreckt sieb ungefähr 4 Müllen weit
in's Meer hinaus eine schmale Halbinsel , die an ihrer Wurzel nur etwas mehr
als 1000 Schritte breit und so niedrig ist, dass ein geringes Steigen der Meeres-
134 Zweites Buch. II. Gründung der bellenischeo Kolonien in Siciiien.
flut sie Kur Insel mächen würde , die sich aber weitei'hin zu einer mehr als
doppelten Breite ausdehnt und bis 320 Fuss über die Meeresfläche ansteigt.
Hier legten sie ein Kastell an, das sie Mylai oder Ghersonesos nannten.
Jetzt liegt hier die Stadt Milazzo , die in einen unteren und oberen Theil zer-
fällt, an welchen letzteren sich im Norden das die ganze Halbinsel beherrschende
Fort anschliesst. Dies stammt erst aus der normannischen Zeit; es ist aber
nicht zu bezweifeln , dass an derselben Stelle die alte griechische Festung lag,
die Ol. 16,1 — 716 v. Chr. — gegründet wurde. Der Wichtigkeit wegen, welche
die Lage von Mylai hat — die Kämpfe des Jahres 4860 haben dies von Neuem
bewiesen — Hessen die Einwohner von Zankle nicht zu , dass der Ort selb-
ständig wurde.
So war im ersten Anlauf die Ostküste der Insel mit griechischen Kolonien
besetzt; ja, man hatte sogar schon ein wenig auf die Nordküste hinüberge-
griffen. Die in Besitz genommenen Punkte waren die besten der Insel ; zu der
vortrefflichen Lage für den Handel kam noch das gesunde Klima, v^ie denn der
einzige Ort Siciliens , der in Bezug auf seinen Hafen mit Messana und Syrakus
wetteifern konnte, Panormos, gerade voi*zugsweise dein Sciix)cco ausgesetzt ist,
der sich an der Ostküste der Insel etwas weniger fühlbar macht. Nun trat
eine kurze Pause in der Kolonisation Siciliens ein. Es scheint, dass in den letz-
ten Jahren des achten Jahrhunderts der Blick der Griechen , die sich um den
Westen kümmerten, mehr nach Italien gerichtet war, wo in der Reihe schöner
Griechenstädte, die sich an dem südlichen Meerbusen des Landes hinzogen,
einige damals sicher entstanden, andere, wenn sie schon zugleich mit Syrakus
gegründet sein sollten , doch jetzt erst einen mächtigen Aufschwimg nahmen.
Ausser dieser Richtung der Griechen auf Italien hatte aber das augenblickliche
Aussetzen der weiteren Kolonisation Siciliens noch einen doppelten Grund. Der
eine galt für die Nord- und Südküste gemeinsam , auf denen beiden man bei
weiterem Vordringen den Mittelpunkten der phönicischen Macht immer näher
kam, und deshalb alle Ursache hatte, auf seiner Hut zu sein; der zweite ftlr
die Südküste allein, die bekanntlich nur schlechte Häfen darbot. Dennoch war
gerade diese Küste, die allerdings den von Osten her Kommenden offener daliegU
die erste , auf der ein Fortschritt der griechischen Kolonisation gemacht w urde.
Doch waren es nicht wieder Griechen des eigentlichen Hellas, welche sich dort
niederliessen, sondern Griechen dos Ostens, vorzüglich Rhodier. ^chou die Sage
weiss von einer uralten Seemacht dieses Volkes. Nach der Berechnung der
alexandrinischen Chronologen begann die Seeherrschaft der Rhodier 187 Jahre
nach dem Heraklidenzuge und daueite 23 Jahre, und nach Strabon fuhren sie
viele Jahre vor dem Beginn der Olympiadenrechnung weit und breit zur See.
Sicherer als diese Herrschaft der Rhodier auf dem Meere ist ihr Streben nach dem
fernen Westen des Mittelmeeres, wovon ein deutlicher Beweis in der Gilindung
einer Niederlassung in Iberien, der Stadt Rhode, liegt.
Aus diesem schon im homerischen Schiffskatalog wegen seines Reichthums
gefeierten Volke war Antiphemos, von Andern Deinomenes genannt., der sich
den Kreter Entimos beigesellte und mit einer Schaar kühner Seeleute , unter
denen auch Männer von der Insel Telos, sowie Peloponnesier waren, vom del-
phischen Orakel angetrieben, nach Siciiien fuhr (Ol. 22, i ; 68ü vor Chr.) Es ist
Die Rhodler. Gela. Himera. ]35
nicht unmöglich, dass bei der Wahl der Sudktiste der Insel der Kreter mit seinen
Erinnerungen an Minos von Einflüss gewesen ist. Nachdem sie das Vorgebirge
Pachynos umschifft, machten sie Halt im Mittelpunkte der ausgedehntesten
Bucht, welche die Südküste Siciiiens darbietet, an der Mündung des kalten
Gela, des heutigen F. di Terranova. Zur Wahl dieser Gegend veranlasste noch
besonders die Nähe der durch ihre Fruchtbarkeit a^isgezeichneten Gefilde , die
seitdem die Geloischen hiessen. Hier ward eine Burg erbaut, welche, weil viele
der Kolonisten aus dem Rhodischen Lindos waren, den Namen Lindioi em-
pfing, und um welche sich bald die Stadt Gela bildete. Es ist klar, dass dieser
Name dem des Flusses entlehnt war ; Einige wollten ihn freilich von einem
Gelon, Sohn der Aetna und des Hymaros, herleiten, während noch Andere die
Geschichte erzählten, dass Antiphemos über das unerwartete Geheiss des Ora-
kels, eine Stadt zu gründen, gelacht und die Stadt deshalb von gelan, lachen,
den Namen empfangen habe. Nach der gewöhnlichen Annahme lag Gela am
rechten Ufer des Flusses, an derselben Seite, wo das moderne Terranova liegt,
und an derselben Stelle oder unfern davon. Wenigstens werden in Terranova
selbst, besonders in der Piazza della matrioe, verstümmelte Uebcrreste des
Alterthums bemerkt, und etwa SOO Schritte von der Stadt nach Osten zu liegen
auf der Höhe eines mit Maulbeerbäumen besetzten Hügels die Stücke einer
schönen, einst etwa 24 Fuss hohen dorischen Säule von fast 5 Fuss Durchmesser,
die zu d*Orville's Zeit noch ganz aufrecht stand. Fazeli erkannte noch deut-
lich den ganzen Tempel, dessen Fundamente seitdem durch Triebsand über-
schüttet worden sind und der Lcake als ein Hexastylos des 6. oder 5. Jahrh. vor
Chr. erschien. Ausserdem sind in der Nähe von Terranova mancherlei antike
Ueberreste, besonders Vasen und Münzen, gefunden worden, vor Allem auf dem
im Westen gelegenen Capo Soprane , wo sich eine der Nekropolen Gela's be-
fand. Mit diesen antikei\ Spuren, die das rechte Ufer des Flusses als die Stätte
des alten Gela bezeichnen, lässt sich eine Stelle Diodor's nicht vereinigen, nach
der die Stadt vielmehr am linken Ufer gelegen haben muss. Es scheint, dass in
einer nicht mehr nachweisbaren Zeit die Mündung des Flusses ihren Platz ge-
wechselt hat. So konnte Gela an der Stelle von Terranova, wie die Ueberreste,
und doch am linken Ufer des Flusses, wie die Schriftstellen verlangen, liegen.
Von der Höhe, wo der Tempel stand, übersieht man die Geloischen Gefilde,
von Bergen im Halbkreise eingefasst und durchschnitten von den blmkenden
Windungen des Gelastromes. Dass das Gebiet der Stadt nicht ohne Krieg mif
den Sikanem Eigenthum der Kolonisten wurde, haben wir oben bei der sikani-
schen Stadt Omphake gesehen. *
Der gewöhnliche Münztypus Gela's, das Vordertheil eines Stieres mit Men-
schenhaupt, stellt den Fiussgott Gela dar; auf der anderen Seite erscheinen auf
den grösseren Münzen ein Gespann, auf den kleineren ein Heiter oder ein Pferd.
Beinahe ein halbes Jahrhundert nach Gela's Giündung — Ol. 33, \ ; 618
vor Chr. — wurde ein ähnlicher Fortschritt nach Westen auf der Nordküste
gemacht, mit dem Unterschiede, dass hier die Griechen verhältnissmässig weiter
vordrangen , als sie es bis dahin im Süden gethan. Die Hauptmasse der Aus-
wanderer bildeten Zankleer unter Eukleides, Simos und Sakon. Doch kamen
zu ihnen syrakusanische Flüchtlinge, die sich Myletiden nannten, ein Name, der
136 Zweites Buch. II. GrUadung der helleoisclien Kolonien in Sicitien.
sich nicht befriedigend erklären Uisst, aber einige Schririsleller zu der Bchaup-
nlasst zu fauben scheint, duss in Myliii wohnende ZunkLcer die Gründer
Stadt geworden seien, die den Namen lliinera erhielt, Ueberreslc
sind in der itlitto der von C. Cefalü und C. Znüirnna cingefasstcn
e durch ihren breiteren L'fersaum zur Ansiedlung einlud , am linken
\ Grande , des alten lliniera , H 00 Meter vom Meere gefunden ww-
wo jetzt ein Pachthaus, genannt Hasseria di Bonfomelio, Kl<.<ht.
'on demselben sieht niati in drr Ebene Ucherreste eineä Tempels ; die
st lag aber südlid) auf einem breiten und ilaclien Plateau, das sich
Meter über das Meer erhebt, und dessen sl^ilcr, mit Oelbitunien Iw-
■ Abhang sich ungef^lhr 500 Meter weil von Osten nach Westen hin-
e Stiidt, deren sehr geringfügige Ueberreste kein Geltitude vollsUlndi^'
hissen, ist nur auf einem Wege zug<lnglicl), dei' westlich von dem nii)
legenenkegelftn-migen Hugel, Cozzo della Signoni, beginnend, in sUil-
litung weiter führt. Im Westen wird das PlaUüiu von einer sich lur
i öffnenden Schlucht begrenzt, in der Grilber gefunden sind; jenseits
«iehl sich 900 Meier weil eine zweite IlochllHdic hin, die südlich von
cht mit der erslei'en zusammcnhüiigt ; ob auch sie zur Stadt gehörte,
veit dieselbe naeh Süden sieh erstn'dite, ist noch nii'ht aiisgcmarhl.
itigliehen Ucrleitung des Namens Uimera «us den semitischen Spradicn
die Rede gewesen ; die Ilerleilungcn aus dem Griechischen entweder
ira, Tag, wofür hiniera eine alte Nebenform ist, eine Etymolf^ie,
jrch den auf den MUnzen der Stadt abgebildel^'n Hahn angedeulel
der die von hrmeros , lieblich , was besonders auf die schöne Aussicht
Irdo, die' sich von der StJitU; llimcra's über die Küste nach Ost um!
Land hinein bis auf die einen Theil des Jahres mit Schnee bedeckten,
il der Stadt cinscbiiessenden Berge aufthut, können nicht ernsllirl]
1 werden. Ueber einen andern Nnmcu, den die Stadtauf altenHünzen
scheint, ist nichts Nuhcres bekannt. Die Sprache der Bewohner von
ar ihres doppellen Urspiungs wegen aus chalkidischer pnd dorischer
gemischt; die Gesetze aber waren die chal kidischen. Vielleicht lag
;hon innerhalb der Grenz mai-ken der Sikancr, sicheriich nicht weil
Wohnsitzen dieses Volkes, das jetzt also zum zweiten Halo in unniiltcl-
rUbrung mit den Griechen kam.
ilteslon Münzen haben einerseits den auf Askicpioskult hinweisenden
dererseils ein in acht Dreiecke getheiltes , eingeschlagenes Quadrat,
»igen, dass zu llimcra's Gebiet die berühmten Thermen im heul^'n
ehörtcn, da auf ihnen ein von einem Wassci'strahl bespritzter Siit}r
L ist. Auch den Kopf des Herakles, für den ja die Quellen sprudelk-n,
lie Münzen zu zeigen. Andere enlballcn ei gen thUm liehe, wahi-schcin-
lische Darstellungen : ein phantastisches Thior, und einen Bock , »uf
les sitzt.
folgten dem Beispiele der Bhodier und Zankleer die von den Syraku-
igeengten Megarer, die nicht weit von der Westspitze Siriliens, hun-
j nach der Anlage des sicilischen Megara — 6J8 vor Chr. [Ol. :!8, I)
Icr Anführung des Panunilos, der aus dem nisitischen Megara nach dem
Seiinas. 137
hyhUiischen gekonirnen wnr, die Stadt Selinus gründeten, die, wie von den
Alten behauptet wird, nach dem nahen Flusse den Namen führte, einen Namen,
der dann weiter die Stadt in der auf den Münzen angedeutc^ten Weise als Eppich-
sladt bezeichnet. Oben ist von einer semitischen Etymologie die Rede gewesen.
Die Stadt erhob sich links von der Mündung des genannten Flusses in einer
fruchtbaren , besonders durch ihren reichen Ertrag an Weizen ausgezeichneten
(legend. Hier zieht sich zwischen dem Seiinusflusse und einer feuchten Nie-
derung, die das Wasser der umliegenden Höhen sammelt, ein Hügelrücken
hin, elwa 1000 Meterlang und 200—300 Meter breit, der in der Mitte am
schmälsten , im Norden am ausgedehnteslen ist und hier sich noch weiter in
das Land hinein fortsetzt. Dieser Hügelrücken trug den illU?stini Theil der Stadt
Selinus. Er zerfiillt selbst wieder in zwei durch eine leise Vertiefung des Bo-
dens geschiedene Terrassen. Die südlichere derselben, die sich 80 — 100 Fuss
hoch schroff aus dem Meere erhebt und etwa eine Millie im Umfang hat, trug
die Burg von Selinus; die nordlichere, sich bis zu 47 Meter erhe}>ende die
eigentliche Stadt, die Wohnhäuser der Bürger; der beide verbindende Raum
mag als Marktplatz gedient haben. Von der Burg hatten die Beamten und Ty-
rannen von Selinus eine herrliche Uebersicht über das blaue Meer und das
ziemlich ebene Terrain des ihnen unterworfenen Gebietes , das die Berge von
Partanna und S. Margherita einfassen. Die BurgteiTasse, auf der sich jene spä-
ter zu beschreibenden Ueberresle alter heiliger Architt^ktur beßnden , ist voit
einer antiken Mauer umgeben, welche zum grösseren Theiio aus der Zeit stammt,
da Selinus nach der Zerstörung durch die Karthager neu befestigt wurde, wäh-
rend sie zum kleineren offenliitr noch die ursprüngliche Ummauerung der Stadt
ist; jene Stücke bestehen aus dem schönen Kalkstein, der das Material zu den
Tempeln liefeite, diese aus gröbereni Muschelkalk. Die Burg scheint nur einen
Zugang gehabt zu haben, in der südöstlichen Ecke nahe dem Meere, und die hier
einmündende Strasse hat sich noch eine Strecke weit nach Norden verfolgen
lassen; es ist anzunehmen, dass sie von dem Marktplatze herführte. Der Raum,
auf welchem dieser vermuthet wird, zeigt zwei Ruinengruppen, von denen die
östliche dem Heiligthum des Zeus Agoraios, der in der Geschichte von Selinus
vorkommt, angehört haben könnte. Das eigentliche Stadtplateau hat an der
Weslseile noch deutliche Ueberreste der Mauer, die sogar eine doppelte gewiesen
zu sein scheint ; im Norden und Osten hat sich nur der geglättete Felsrand er-
kennen lassen, auf dem die Mauer ruhte. Manche Ueberreste des alten Selinus
mögen noch unter dem Sande stecken, der die Stätte in gewaltiger Anhäufung
bedeckt , und unter welchem die vielen Zwergpalmen , die ein schon bei den
Alten beillhmter und noch immer charakteristischer Schmuck der Gegend sind,
mühsam im Kalkstein ihre Nahrung suchen müssen. Am Fussc der Akropolis
sind sowohl nach dem Flusse Selinus zu, wie nach Osten Spuren weiterer Be-
ftrsligungen , die uns die Stadt von Vorstädten umgeben zeigen , von denen die
östlichen aber noch einem andern Zwecke dienten, der Einfassung des Hafens,
der noch weiter östlich durch eine zweite parallellaufende, auch noch in Ueber-
resten vorhandene Mauer seine entsprechende Begrenzung fand. Dieser 910 Pal-
men breite Hafen nahm den unteren Theil der oben erwähnten feuchten Niede-
rung ein , die von einem kleinen Bache durchOossen w ird ; ihren obern Theil
138 Zweites Buch. II. Gründung der hellenischen Kolonien in Sicilien.
müssen wir uns als zur Stadt Selinus gehörig denken, zu einer Zeit, da die
Macht des Gemeinwesens sich beträchtlich gehoben und eine bedeutende Aus-
dehnung der Stadt nöthig gemacht hatte. Denn östlich von dieser Niederung
erhebt sich ein zweiter Hügel ebenfalls 40 Meter hoch über das Meer, der etwa
600 Meter von demselben die Ueberreste von drei grossen und merkwürdigen
Tempeln trägt. Es lassen sich für diesen Stadttheil die östlich ihn abschliessen-
den Mauern nicht mehr nachweisen , dennoch muss bei der Zahl und dem ge-
drängten Zusammenstehen der Tempel vermuthet werden, dass hier nicht blos
eine offene Vorstadt lag. Der Umfang der Gesammtstadt muss wenigstens eine
halbe geographische Meile betragen haben. Nördlich von der Stadt waren die
Begräbnissplätze.
Die Münzen, von denen die ältesten einerseits das Eppichblatt, andererseits
ein in acht Dreiecke getheiltes eingeschlagenes Quadrat (eine Aehnlichkeit mit
Himera} zeigen , weisen den Kult des Herakles als einen der wichtigsten der
Stadt nach.
Ob der Hafen von Selinus von Bedeutung war, ist schwer zu sagen. Jeden-
falls benutzten die Selinuntier auch den, welchen einige Mi llien westlich vom
C. Granitola die Mündung des Flusses Mazaras darbot, und die Stadt, welche
links vom Flusse an der Stelle des heutigen Mazzara lag , war das Emporium
der Selinuntiei* und zugleich ihre Grenzfestung gegen die Phönicier und Kar-
thager, von deren Waffenplatz Lilybaion nur die geringe Entfernung von 18 Mil-
lion sie trennte. Die Flussmündung hat über eine Millie weit Seewasser, ist
breit, ziemlich tief, und man sieht noch die Pundamente der alten gemauerten
Einfassung des Hafens. Viele Arbeiten, Grotten, Treppen u. s. w., zeigen, wie
gut man den über Fclsboden strömenden Fiuss zu benutzen wusste. Von dem
antiken Wege, der von Selinus nach Mazara führte, fand d'Orville noch
Spuren.
So wie im Westen das selinuntische Gebiet durch das Emporium Mazara
weit über die natürlichen Grenzen der Bucht, an der die Hauptstadt lag,
hinausgriff, so im Osten durch die Stadt, die sich neben den berühmten war-
men Bädern am Berge S. Galogero erhob , das heutige Sciacca , das unter dem
Namen der selinuntischen Thermen am Bande eines hohen, die See überragen-
den Felsens in malerischer und fester Lage thronte und den Selinuntiem als
östliche Grenzfestung dienen mochte. Es gab eine Zeit, wo die selinuntische
Macht noch weiter nach Osten reichte , denn Herakleia , links von der Mündung
des Halykos, die alte Stadt des Minos, empfing eine selinuntische Kolonie.
Nachdem so die Megarer fast an das Ende der Südküste Siciliens gelangt
waren, blieb zwischen dieser neuen Kolonie und Gela noch ein grosser Raum
übrig, der für hellenische Niederlassungen ein treffliches Feld darbot. Gela be-
nutzte diesen günstigen Umstand. Es waren die Geloer Aristonoos undPystilos,
welche im Jahre 581 vor Chr. (Ol. 49, 4) — 108 Jahre nachdem Gela gegründet
worden war — hier die Stadt Akragas erbauten. Sie wählten nicht ganz in
der Mitte zwischen ihrer Vaterstadt und Selinus, etwa 4 4 Million von jener, 60
von dieser Stadt, zu ihrer Niederlassung eine ausgedehnte Anhöhe, che unfern
vom ,Meere — 1 8 Stadien nach Polybios — sich erhebt. Es ist eine viereckige
Hochfläche, die durch eine Ausbauchung in der nordwestlichen Ecke eine un-
Akragas. 139
regelmässige Gestalt erhält, rings von Tiefen umschlossen, aus denen sie überall
steil emporragt. Zwei Flüsse fassen sie ein, im Osten und Süden der Akragas,
im Westen der H^^sas , die sich südlich von der Stadt vereinigen und nach
kurzem Laufe in's Meer ergiessen. Die Senkung der Hochfläche ist nach Süden
gerichtet ; sie ist im Norden am höchsten , wo sich auf einer von Nordwesten
nach Südosten gehenden Linie zwei Gipfel erheben, der nordwestliche zu '^^0
Meter, der sudöstliche zu 3i0; die beide trennende £insenkung geht auf 240
Meter herunter. Die westliche Höhe dacht sich nach Süden zu allmählich zum
F. Drago (Hypsas) ab; diese Abhänge lagen ausserhalb der antiken Stadt und
bildeten die Nekropolis. Die durch ein Thal, das V. S. Leonardo, von der Ne-
kropolis getrennte Abdachung des südöstlichen Gipfels , der sogenannten Rupe
Atenea, bildet die eigentliche Hauptmasse der Stadt. Sie erstreckt sich im We-
sentlichen in südwestlicher Richtung und hat das Charakteristische, dass sie in
der Mitte von zwei Senkungen durchschnitten wird, in denen sich Wasserrinnen
hinziehen — die westliche stets nach Südwesten gerichtet, die östliche, von
der Fontana Bonamorrone ausgehend , anfangs südlich , dann nach Westen ge-
wandt — , welche sich nahe der südwestlichen Ecke der Stadt vereinigen, wo
in der tiefsten Senkung des Stadtbodens die Gewisser einen Ausgang finden.
So bleibt zwischen diesen beiden Rinnen eine ausgedehnte* Hochflache , rechts
und links aber schliessen hohe Runder die Stadiflüche ab. Der westliche Rand,
einem nach Süden gerichteten Höhenzuge vergleichbar, gipfelt in drei nach
einander niedriger werdenden Punkten, der Höhe von S. Leonardo, !80 Meter,
und zwei andern, 127 und 88 Meter, die zusammen nut der sie trennenden
Fläche von etwa 600 Fuss Länge den Poggio della Meto bilden, so benannt, weil
man hier die Bahn suchte, auf der die Akragantiner mit ihren berühmten Rossen
Wettrennen hielten. Er schliesst im Süden nahe dem F. Drago mit dem Platze,
auf welchem der sogenannte Vulkantempel steht, 60 Meter hoch. Ein östlicher
Nebenzweig ist \^n den Absenkungen des Poggio della Meta durch eine Schlucht
getrennt, deren Gewässer sich mit den oben erwähnten vereinigen. Der östliche
Rand entspricht in seiner Richtung dem Zuge der ihn begleitenden Wasser-
rinne ; er bildet dem entsprechend an dem Punkte , wo in 4 20 Meter Höhe der
sogenannte Junotempel steht, die Südostecke der Stadt, zieht sich dann im
Norden von der immer näher kommenden, soeben bezeichneten Wasserrinne
begleitet, 1330 Meter weil in fast schnurgerader Richtung nach Westen fort bis
zum sogenannten Herkuleslempel, um dann jenseits dieses Punktes, wo in einer
Senkung des Bodens das Hafeuthor war, breiter und niedriger werdend, noch über
den Zeustempel hinaus bis zudem jenem Vulkantempel auf gleicher Höhe gegen-
überliegenden Castor- und Polluxtempel sich fortzusetzen. Nach Polybios erhob
sich die Burg im Nordosten der Stadt, und auf ihrer Höhe standen zwei Tempel,
der Athene und des Zeus Atabyrios, wie in Rhodos, der Mutterstadt Gela's, der
Stadt , aus welcher ohne Zweifel manche Bürger , mit den Geloem vereinigt,
zur Gründung von Akragas ausgezogen waren. Wenn nun andererseits Diodor
den Athenehügel als die Stadt tiberragend nennt, so meint er ohne Zweifel da-
mit die Burg mit dem Tempel der Athene. Wir mtissten also Beides in dem
östlichen Theile der nördlichen Hübe wiederfinden , der jetzt nicht bewohnt
wird , während die westliche «Hälfte derselben das heutige Girgenti trägt —
Zweites Buch. II. Gründung der helleDischen KolonieD in Sicillen.
r der sl«il anslnigcnde Gipfel dieses TheUes entweder Ruloen odvr
' ;slcns «ine hinreichend grosse, ebene PUtchc darbtfl« für eine Burg
lifJmcrn u. s. w. Ua nun iiir G^ensatz hierzu das moderne Girgenli
der betrilchtlichen Steigung, die innerhalb desselben heri-scht, dm-
■ grösseren Ausdehnung wegen vortrefflich zu einem Burgrsume ab-
ist die Angabc Polyb's grossen Bedenken unlenvorfen. Der Blick voo
Itcnea ist ein höchst ausgcdotinl«r. M;in sieht zu seinen Füssen den
enlheiJs mit Kornfeldern und Du Umpflanzungen bedeckten Raum iI(t
, und weiterhin im Sllden das Meer, im Westen und Norden hioUT
iifsteigende Bci^reihen, im Osten aber eine ziemlich ebene Flilclici
i nach Palma, 1 4 Hillicn weil, hinzieht. Die Blauern der allen Stadl
Iheilweisc erhallen , besonders die Strecken des östlichen und des
Thores. Im Süden ist die Mauer und sogar die Fetsbrtlslung, welche
i^rösslentheils zerstört. Nur Im Norden ist die Grenze der allen
ganz deutlich zu erkennen ; sie scheint sich hier jedoch nicht his
ege , der gegenwürlig von Molo di Gii^enli , dem modernen Hafen-
1 Girgenti führt, erstreckt zu haben, sondern nur bis zur öslliclKr
Kinscnkung des Val di San Leonardo, jenseits deren die bereits
fekropolis war, und die sie wahrscheinlich bei dem Ponte dei morli
, um dann auf das moderne Gii^enü zuzulaufen , von dem sie den
El Theil nicht umfasste. Hiernach hat der Umfang des allen Akrag^
ilhalb deutsche Meilen betragen. Der nordwestliche Endpunkt, dii^
von Gii^cnti , ist vom nordöstlichen , der Spitze der Rupc Atenra,
■, dieser vom südöstlichen, dem Junotempcl, iHO Meter, dieser
I südwestlichen, dem Vulkanlempel, 1975 Meter entfernt, und die
i'ischen diesem und der Kathedrale hetnlgt in direktem AbsbiiHl,
ie drei andern Entfernungen angegeben wurden, 2300 Ucter. D«
!he Theil der alten Stadt , welcher das moderne Girgenti tragt , enl-
^pur uralter Thatigkeit in den grossen, unregelmässig gostalletcn
liehe den Bci^ durchziehen. Sie sind von mächtigen Pfeilern gesltttzt
I durch schmale GUngc mit einander in Verbindung, llic und da
eckige Schachte zu ihoen hinunter, von denen die noch nicht vcr-
zl als Zugänge zu den Höhlen dienen. In diesen haben sieb ntder
h Inschriften gefunden, so dass sie nur als Steinbrüche bciTachlel
incn. Das ähnliche Material der akragantinischeo Hauern lUssl vrr-
ass man es von hier genommcm hat. Sie sind den syrakusaniachcn
anz tthnlich, von denen sie sich nur dadurch unlerscheiden , diiss
I nicht eingestürzt sind. Grosse Höhlen, die unten an dem HUgel,
m das heutige Gii^enti steht, sichtbar sind, mt^en vielleicht die jeiil
en OcITnungeD sein , durch welche die Akraganliner die Steine aus
en entfernten. Es ist eine auffallende Erscheinung , dass die wich-
non von Aki-agas sJImmllich am Bande des Stadtbezirkes liegen. Dn.'
id schönsten derselben stehen hart am Saume des steilen sUdüclini
Als sie noch unversehrt in buntem Glänze strahlten, müssen sie niil
ihnen sich aufthürmenden Stadt und der roichbebaulen Umgehung
e Ankommenden einen prachtvollen Anblick gewährt haben. Mit der
Akragaft. Akrai. 141
grossten Sicherheit vorgetragene, jedoch durch Nichts begründete Behauptungen
über die Topographie von Akragashat die Angabe Solin's hervoi^erufen, dass ein
Hügel, Namens Yulcanius , nahe bei einem Agrigentinischen See sei, aufwei-
chen) Oel schwimme. Fazell hat versichert, diese Oelquelle in einem Garten bei
Girgenti gesehen zu haben, und man hat dann einen Hügel westlich vom Drago-
flusse, unter dem man eine solche Quelle entweder gesehen oder doch am Ge-
rüche erkannt haben wollte, als Yulcanius bezeichnet, wührend Andere der obtm
erwähnten Tempelruine in Akrngas selbst, in deren Nähe ein schmutziger Teich
sein soll, den Namen Vulkantempel beilegen. Da aber die Existenz eines Oelseos
in unmittelbarer Nähe dieses Tempels gar nicht mit Sicherheit nachzuweisen
ist, so ist ein Yulkantempei in Akragas eine völlig in der Luft schwebende Sache.
Die Burg war von der Stadt durch eine Mauer geschieden, in der sich nur
ein Thor befand ; die Stadt selbst hatte drei grosse, deutlich nachweisbare Thore ;
im Westen das von Herakleia, im Osten das von Gela und im Süden das Hafen-
thor, jetzt Porta aürea genannt, wozu im Süden wahrscheinlich noch zwei klei-
nere, neben den Tempeln der Juno und des Gastor und Pollux, kamen.
Akragfis verehrte besonders den Zeus; das zeigen die Münzen der Stadt,
deren Haupttypus der Adler ist, und wo der Seekrebs auf dem Bevers und die
sonstigen Seethiere die Seestadt und den Kultus des Poseidon andeuten.
Die Umgegend von Akragas war sehr fruchtbar. Die Büi^er bereicherten
sich bald durch den Ertrag ihrer Aecker und zogen auf den üppigen Weiden
eine vortreffliche Pferderace. Ihr Handel bestand in der Ausfuhr ihrer Produkte.
Gegenwärtig ist der schlechte Hafen durch einen Molo geschützt, der im vorigen
Jahrhundert aus den Ueberresten des mächtigen Zeustempels gebaut wurde ;
der Hafen des alten Akragas war östlicher, an der Mündung des Flusses.
Jetzt bleiben uns von den griechischen Kolonien auf Sicilien nur noch die-
jenigen zu betrachten übrig, welche Syrakus gründete. Sie fallen sämmtlich
vor die Gründung von Akragas und hätten also früher erwähnt werden müssen,
wenn nicht ein Theil von ihnen, und gerade die ältesten, einen von den übrigen
hellenischen Kolonien Siciliens etwas abweichenden Charakter trügen.
Bereite 70 Jahre nach der Erbauung von Syrakus wurden nach verschie-
denen alten Berichten zwei Kolonien von den Syrakusanem ausgesandt : Akrai
und Henna. Ak ra i wird als syrakusanische Pflanzstadt von der besten Autorität,
von Thukydides, bezeugt, und Henna kommt wenigstens einmal entschieden als
hellenische Stadt in der sicilischen Geschichte vor. Die Lage von Akrai steht heut^
zutage fest. Unfern von den Quellen des Anapos steigt, südwestlich von der
modernen Stadt Palazzolo (wahrscheinlich so genannt , weil sie an der Stätte
eines alten Palastes, vielleicht des Königs Hieron H., errichtet wurde) ein Berg an,
dessen obere Fläche etwa eine Millie im Umfang hat, und der nach Süden und
Westen steil abfüllt, während von Norden und Ostender Zugang leichter ist.
Von dieser Bergspitze, die den Namen Acremonte führt, überblickt man die ganze
südöstliche Ecke Siciliens von dem Hafen von Augusta und dem Megarischen Meer-
busen an, über Syrakus und das Vorgebirge Pachynos bis nach Terranova hin,
wahrend im Norden der riesige Aetna emporragt. Hier lag, wie die Inschriften von
hier gefundenen Münzen und einer Terracotta in Verbindung mit den Angaben
der alten Schriftsteller zeigen, das alte Akrai, dessen eisige Höhen , wieSilius
14) Zweites Buch. [[ Gnindune dar belleolMhen Koloolcn lo Siclllon.
sie nennt, noch jelil ihrem Bufe u-eu geblieben sind, indem sie im Winter
^ (Ur ck-n Sommerbodarf der Syrakusiiner einsammeln. Die Ausgrabut^pn
's und der Alterlhumseommissioa hnben maneheriei interessante Anüqui-
lufgedeckt, au denen vor Allem ein eigonlhllDilichcs System von unter-
len Güngen gehVrt, die sieb in einer noch nicht gani erforschten Aus- '
ng durch den Bei^ liinziehen und durch senkrechte Brunnenschächte und
en zugllnglicli sind. Ucrkwtlrdige Beliefs, die am sUdlirhen Fusse des äie
Irngenden Fels<'ns in einer Reih<! von Nischen-angebracht sind, und , aus
er Zeil stamuiend , vielleicht auf den Kult der GUtl/Tmulter hindeuten,
schon vor den Ausgrabungen Judiea's bekannt. Die Stadt hat Suin
i, den syrakusiinischen ähnlich. Akrai liegt nicht ^^'enige^ als ii Hillien
'rakus im Innern des Landes. Dass so frUh schon (Ol. 39, 1 ; 66lvorChr.;
ser Enlfemung von der Rtlste syi'akusanischc Pflanzer sich niederlasse
'n, beweist, dass diese Sladt schnell mitchtig geworden war, und nicht
ir See und an der KUste, sondern aucli tÜNtr ein oBenbnr sehr bedeutendes
ebiel hin. War nun Akrai von Anfang an nicht blos ein vorgescholiener
I der Syrakusaner — was es ohne Zweifel auch gewesen Ist — , sondern
'irkliche Stadt mit einer mehr oder weniger selbsUndigen BUrgerschafI,
in es seine Bedeutung nur durch Landhandel und besonders durch
:>aubetrieb gehabt haben. Darauf deuten auch die erst später vorkom-
0 Münzen biu, die den Kopf der Demeter zeigen.
^enn nun die Anlage von Akrai beweist, dass den Syrakusanem das Thal
iapo6, dessen Quellen es beben-scht, gehorchte, so zeigt uns die tirUn-
einer Niederlassung in Henna Syrakus im Lichte einer Herrscherin über
nie Insel. Henna, das heutige Castrogiovanni, der Nabel Siciliens, 11^
il so weit als Akrai, etwa 80 Uiltien, von Syrakus entfernt. Die Slrassi'
, von der wir nicht mehr sagen können, durch welche Orte sie führte,
! unmliglich iro wirklichen und ausschliesslichen Besitze der Symkusaner
Denn ging man von Syrakus Über Akrai nach Henna , so hatte man von
9tadt an über rauhe Ber^fade und durch eine Menge von Schlueblrn zu
, die nur zu leicht Gefahren bt^en konnten ; wanderte man aber das
Ihosthal in die Hohe, so waren alle wichtigsten sikeliscben Stüdte in
^n, denen nichts leichter war, als den Syrakusanern den Weg zu er-
ren. Wenn nun trotzdem Syrakus Henna eu einer G)'iechensladt mach),
m dies nur im Einvernehmen mit den Sikelern geschehen sein, welche
ilh die Uebermachl der korinthischen Pflanzstadt anerkannt haben ntUs-
nd es beweist eine herrschende Stellung dieser Stadt, w ie sie die Ubi-igeo
iscben Geuicinwesen Sicilieofi, mitAusnahmc vielleicht von Akragas, auch
nicht gehabt haben. Es gehtirt deshalb aber auch mehr als die blosse
tut des Stephanos von Byianz dazu, um die Existenz einer hellenischen
e in Henna glaublich zu niaclien , und es wird insbesondere die nur von
1 Schriftsteller gemachte Angabe, dass Henna's Grtlndung in dasstill>e
lit der von Akrai falle, wohl bezweifelt werden dUrfon, nenn mao er-
dass Akrai, als eine Station auf dem Wege nach Henna, vielmehr fritber
3Se Stadt gegrtlndet sein inuss. Welches kannte aber der Zweck der
lung einer hellenischen Niederlassung in Henna sein ? Oßenbnr nicht blos.
H^nna. Kasmeo«!. KamarlDa. Lipara. 143t
auch nicht vorwiegend ein nülitfiriscber, denn ein so entfernter Posten ist ein
verlorener, wie denn auch später, in einer uns unbekannten Zeit, Henna wie-
der sikelisch geworden ist. Denken \vir aber an den Ruhm der Hennüischen
Geßlde in der Geschichte des Ackerbaues, so liegt die Vermuthung nahe , dass
die Syrakusaner sich an diesem Centralpunkte des Demeterkultus' festsetzten,
um hier ditv Produkte der niitUeren Landstriche der Insel zu sammeln , die sie
dann weiter nach Syrakus schafften. In derselben Weise konnte Äkrai als
Stapelplatz für das Korn und die übrigen Erzeugnisse der der Küste näheren
Gegenden dienen, und Syrakus, wohin dies Alles zusammenOoss, vermochte so
auch in der Ausfuhr von landwirthschaftlichen Produkten mit den durch die
Fruchtbarkeit ihrer nächsten Umgegend begünstigteren Nachbarstaaten Leontini
und Katana zu wetteifern. Die meist spiiteren Münzen Henna*s zeigen haupt-
sächlich den Demeterkopf; auf der ältesten ist einerseits eine an einem Altar
opfernde , verschleierte Frau mit einer Fackel in der Hand , andererseits eine
Biga mit einer weiblichen Figur darin dargestellt.
Die zwei später gegründeten syrakusanischen Kolonien fallen dagegen in die
Kategorie der gewöhnlichen griechischen Niederlassungen, die sich an den Küsten
oder in ihrer Nähe zu halten pflegten. Die erste ist Kasmenai, das $0 Jahre
nach Akrai ( Ol. 34, 4 ; 644 vor Chr.) entstand und vielleicht oberhalb der in
der Tiefe liegenden Stadt Scicli auf der Costa di S. Lucia lag. Kasmenai kommt
nur sehr wenig in der Geschichte vor. Die zweite ist die bertthmtei^ Stadt Ka-
marina, 435 Jahre nach Syrakus, Ol. 43, 2; 599 vor Chr. gegründet. Es lag
auf einem 80 — 400 Fuss hohen Hügel am Meere, zvrischen den Mündungen der
Flüsse Oanis (Frascolaro) und Hipparis (Camarana}, am Ostlichen Anfange der
grossen Meeresbucht, deren innersten Punkt Gela einnahm, so dass es nach
Westen hin den Endpunkt des direkten Einflusses der Syrakusaner bezeichnete.
Fazell fand Grundmauern von Gebäuden der alten Stadt auf einem Räume, der
einen Umfang von 4 Y2 Millien hatte. Die mächtigen , bis in's tiefe Meer hinaus
sich erstreckenden Bafenbauten , die grössten , die er gesehen hatte, waren im
Jahre 4 554, als er den Platz von Neuem besuchte, verschwunden, da man das
Material nach Terranova gebracht hatte. Munter sah nichts mehr als ein noch
vorhandenes Stück Mauer von der Cella eines Tempels. Fazell spricht etwas
undeutlich von einem burgähnlichen Orte nördlich von der Stadt, der durch
seine Gräbernienge merkwürdig sei. Nach seiner Zeit sind dann, besonders im
vorigen Jahrhundert durch den Fürsten von Biscari, überall um das alte Kama-
rina herum Ausgrabungen veranstaltet , die prachtvolle Vasen in grosser Zahl
an's Licht gefördert haben. Als Gründer Kamarina's nennt Thukydides Daskon
und Menekolos.
Der charakteristische Münztypus Kamarina^s ist der Schwan , sonst aller-
dings der apollinische Vogel , hier aber wohl ein Beprüsentant des Sees Kama-
rina. Die Mitesten Münzen haben auf dem Avers sein B.ild, auf dem Bevers ein
eingeschlagenes Quadrat.
Die letzte Niederlassung der Griechen ist endlich die auf den Liparischen
Inseln — Ol. 50 ; 580 vor Chr. — , von deren Veranlassung spater noch genauer
die Bede sein wird. Bhodier uYid Knidicr unter Pentathlos hatten vergeblich im
westlichen Sicilien eine Kolonie zu gründen versucht, die Phönicier und Kar-
144 Zweites Bucb. m. Pollt Getob. d. *lcU. Stadt« bli i. Anf. d. runften Jahrh. v. Chr.
thagei-, Jetzt zuerst sich gegen das besljindige UiDSicIigreifen der Hellenen er-
mannend, hatten sie vertrieben. Nun begaben sie sich , da Pentathlos inzw-
schen, wie es scheint, gefallen war, unter der Fuhrung von dreien seiner Ge-
fiihrlen, Gorgos, Thestor und Epithcrsides, nnch den Aeolischen Inseln, wo sie
von den Sikelem, deren Zahl etwa 500 betrug, freundlich aufgenommen wur-
den. Die Hauptstadt Lipnm lag an der Oslktlste d«r gleichnamigen Insel , in
der Mitte einer Bucht, welche durch nttrdlich und südlich vorspringende Berge
gebildet und geschützt wird; auf dem steil in's Meer abfallenden Vorgebii^e,
das heutzutage das Castell der Stadt Lipari trägt, stand auch die antike Burg.
Es sind manche Ueberreste des Allerlhums in und bei Lipara gefunden worden.
Die Hltnzen Lipnra's beweisen, dass die Bürger haupisilchlich Hephaislos
verehrten. Ausserdem deuten Bakchos und ein Schiffsvordertheil auf ihre Er-
worhsqueljen zu Land und See hin.
Dies sind die hellenischen Kolonien , die in einem Zeilraum von mehr als
anderthalb Jahrhunderten, von 13^— '■'>&(>, auf Sicilien gegründet wurden
Ihre Bflrger nannten sich zum Unl^rschiede von den Ureinwohnern der Insel
Sikeliolcn, ebenso wie die U^einv^ohner Italiens Italer, die hellenisehcn Bewoh-
ner des Landes dagegen llaliotcn hicsscn.
Drittes Kapitel.
Politische Geschichte der sicilisehen Städte bis zdid Anfange des
fBnften Jahrhnnderta ror Chr.
So waren dünn nun die Völkerschaften auf Sicilien angesiedelt, deren
Entwicklung und deren Kampfe die Gcschidite. der Insel im Älterthum aus-
machen sollten. Der zuletzt gekommenen ward alsbald das Uebei-gewicbt zu
Thcil, und alle Übrigen, Sikaner wie Sikcler, Elymer wie Phanicier, nmssu>n,
wenn nicht ihren Waffen , so doch ihrer Bildung sich unterwerfen. Die Ge-
schichte der Insel wird, seil die Griechen sich iiuf ihr niedergelassen halten,
im Wesentlichen eine Geschichte der Griechen daselbst. Und da ist es um so
mehr zu bedauern, doss auch für diese in der ersten Zeit, und besonders bis
zum Anfange des fünften Jahrhunderts vor Chr. die Quellen nur höchst dürftig
fli essen.
Einiges fi'eilich, was gewissermassen die Grundlage dieser Geschichte
bildet, lüsst sich durch eine einfache, mit Hülfe der Analogie gezogene Schluss-
folgerung ersetzen. Allen hellenischen Kolonien sind gewisse Verhältnisse ge-
meinsam. Sie stehen, w'o sie auch angelegt sein nißgcn, in denselben Beziehun-
gen zum Mutlerlande, und sie schalten sich in den Ländern, in denen sie liegen,
Verhältnisse, welche im Wesentlichen ebenfalls Überall dieselben sind, ohne
dass die verschiedene geographische LUnge und Bi-eite hier einen l>edeutenden
Unterschied begründete. Diese allgemeinen Verhilltnisse aller griechischen
PHanzsUldte müssen also auch auf die sicilischen Anwendung finden.
\ -
VorfflssQngszastönde der Kolonieo. 145
Zunächst ist bekannt, dass die griechischen Kolonien zu ihren Mutter-
stadten fortwährend in dem Verhaitniss zu stehen pflegten, welches die Liebe
und Ehrfurcht erwachsener Kinder zu ihren Eitern begründet. Sie hatten aus
der Mutterstadt die Kulte derselben, meistens sogar das Feuer aus ihrem Pry-
taneum mitgenommen , sie nahmen stets an den hauptsächlichsten Festen der-
selben durch Gesandtschaften und Geschenke Theil, und sie zeichneten Bürger
der Mutterstadt, die den Festen der Kolonien beiwohnten, durch die Gewährung
von Ehrenplatzen und einer besonders hervorragenden Theilnahme an den
Opfern aus. Indem die Kolonie es so der Mutterstadt gegenüber nicht an
Aeusserungen der Pietät fehlen Hess, war sie im üebrigen dtirchaus selbständig.
Für die Rechtsverhältnisse der Bewohner der Niederlassung selbst war
der Umstand massgebend, dass die den Gniniislock derselben bildenden Aus-
wanderer von vornherein das gesammte Landgebiet unter sich getbeilt hatten
und so die ausschliesslichen Grundbesitzer der Kolonie waren , während die
Ureinwohner der in Besitz genommenen Gegenden , falls sie nicht vertrieben
wurden, in ein ähnliches Verhältniss zu treten pflegten, wie das der spartani-
schen. Periöken oder gar Heloten war; sie hatten das Land zu bestellen und viel-
leicht im Kriege als Leichtl>ewaflFnete zu dienen. So waren also natürlich nur
die Griechen Bürger der Stadt. Die Verfassung, welche sie sich gaben, war notb-
wendig an den verschiedenen Orten im Einzelnen eine verschiedene, im Grossen
und Ganz.en aber musste wenigstens insoweit Uebereinstimmung herrschen,
dass auf Grund der gleichen Gefahr, die Alle im fremden Lande bestanden,
die wesentlichsten bürgerlichen Rechte Allen gleichmässig gewährt wurden*
Aber dieser Zustand der bürgerlichen Gleichheit pflegte nicht lange zu
dauern. Wenn es sich zeigte, dass die Niederlassung, an einem passenden
Orte mit Umsicht angelegt, Gedeihen hatte, so kamen bald aus Griechenland
neue Ansiedler hinzu, ,die in dem fremden Lande ihr Glück zu machen ge-
dachten. Ihrer Aufnahme stellten sich keine Hindernisse entgegen ; sie konnten
in der Stadt wohnen und in voller Freiheit Handel und Gewerbe betreiben,
aber Ländbesitz konnten sie nicht erhalten, da bereits zu Anfang alles Land
seine üerren gefunden hatte, und ebensowenig dachte man in den meisten
Fällen daran , diesen Ankömmlingen politische Rechte zu gewähren. So war
aus der ursprünglich auf allgemeiner Gleichheit ruhenden Verfassung schnell
eine Aristokratie geworden. Eine Zeit lang konnte diese ungefährdet und un-
bestritten Bestand haben, so lange nämlich, als der Schwerpunkt des Staates
in dem G rundeigen th um und seinen Inhabern ruhle ; denn hierauf stützte sich
die Aristokratie, und die ackerbautreibenden Staaten pflegten eine aristokratische
Verfassung zu besitzen. Nun waren aber die meisten Kolonien durch ihre Lage
an der See wenigstens ebenso sehr auf Handel und SchiflTahrt, wie auf Acker-
bau angewiesen, und Städte, die diese Beschäftigungen vorzugsweise bei sich
ausbildeten, waren für Verfassungen denK)kratischer Art der geeignete Boden.
Sobald nun in einer Kolonie Handel und Verkehr einen grosseren Aufschwung
nahmefi , fanden die später hinzugekommenen , nicht mit Grundbesitz ausge-
rüsteten Ansiedler eine treffliche Gelegenheit, sich zu bereichem, und der unter
ihnen aligemein werdende Wohlstand lockte immer Mehrere aus Griechenland
nach. So wuchsen zugleich Reichthum und Anzahl der minder berechtigten
Holm, Gesch. Siciliens. L 10
146 Zweites Buch. 111. Polil. Gescb. d. sicil. SUdle bis z. kat. d. tüntten Jahrh. v. Cbr.
Bürger, und die nolhwendlge Folge tlavon war, dass sie je langer, desto aiehr
luil ihrer abhängigen und cinflussloseD Stellung im Slaale unzufrieden wurden,
hie AoTia endlich der Augenblick eintrat, wo sie eich slarii genug glaubten,
«rechliguDg mit den Allhflrgern fordei'n zu kttnnen. Wenn dies geschab,
ie Arislokralie sich lu entscheiden , ob sie durch Nachgiebigkeit den in-
ieden erhallen oder durch Kampf ihre Vorrechte bewahren wolle. In
isten Kulten entschied sie sich fUr das LeUlere. Nachgiebigkeit in Bezug
politischen Reihte der NeubUrgcr konnte diese dazu fuhren, endlifh
ine neue Landtheilung zu verlangen , und tlberdies waren zu der Zeit,
; NeubUrger mit ihren Forderungen aufzutreten begannen, ihre Gegner
ch noch an wirklicher Hi<chl ihnen überlegen. So liessi'n sie es denn
IS auf einen Kampf ankommen, und es brachen bürgerliche Unnibeo
s in der Hegel die inneren Verhältnisse der StJidte vollstiindig umgcstal-
venn auch die Zeil, welche darüber verOoss, in den vcrschiedeoen Orten
der weniger lang war.
n schneller Sieg des niederen Volkes und eine dauernde Befestigung der
'atie scheint am seltensten den Ausgang des Kampfes gebildet zu haben,
len der Volksherrschaft brachen, selbst fUr die Kolonien, erst später an.
a Iral nicht selten der Fall ein, dass man sich, wenn Überdies die Ge-
iaht der Bürger sehr gross geworden war, Über die Verpflanzung cmes
der Bürgerschaft nach einer andern WohnsUtlte verstund igte, dass man
ue Kolonie gründete, in der dann natürlich Gleichheil unter den Er-
faerrschte. Indem so den Unzufriedensten Gelegenheil gegeben wurde,
;m andei'u Orte die Rechte zu erwerben, welche sie zu Hause nicht
erlangen können, behauptete sich hier dagegen die Arislokralie, und^e
ine Zeit lang Ruhe, bis die wieder zunehmende Hacbl der NeubUi^er
am ben herbeiführte. Weniger vortheilhaft für die Aristokratie worein
■, ofl vorkommender Ausgang der l)Urgerlichen Zwisligkciten. Ange-
BUrger stellten sich an die Spitze d<'S unzufriedenen niederen Volkes,
Beschwerden sie Abhülfe zu verschaOen verhtessen, abei' sie benuliten
^lluDg , um sich selbst zu Herrschern der Stadt zu machen. Dit^ sind
annen, welche in der Geschichte des giiechiscben Volkes eine so be-
le Rolle spielen. Die Art und Weise, auf welche sie zu ihrer Macht ge-
aren, hatte zur Folge, dass sie allerdings vorzugsweise die Arislokialie
o ,' gegen welche sie ja besonders sich ei hoben ballen , dass sie jedoch
cht allen Bestrebungen des niederen Volkes die Untei-stützung gewahren
I, welche dieses erwartete. Durch Gewalt oder List Herrscher gewor-
mssten sie durch List und Gewall sich als Herrscher behaupten , und
är das niedei-e Volk ebenso sehr gegen sie eingenommen , wie die Arv-
:n, die sich ihnen stets nur gezwungen gefügt hallen. Man verschwor sich
na Sturz, und früher oder spüler hatten die Verschwörungen Erfolg. Nun
für die Bestimmung der Verfassung, die jetzt der Stadt zu Theil werden
larauf an, welche Partei am meisten zum Sturze derTyrannis beigetra-
te. Meistens war weder der Adel noch das niedere Volk müchiig genu^,
ieitig über die Ordnung der bürgerlichen Verhallnisse zu entscheiden,
! Verfassung wurde eine gemischte. Nicht seilen kam es auch vor, dass
Syrakus. Gamoreo. 147
nach neuen Unruhen neue Tyrannen auftraten. Eine bessere und vortheii-
hafiere Art; den inneren Frieden herzustellen, bestand dagegen in der Aus-
arbeitung eines neuen Systemes der Gesetzgebung, und dieser Weg ist eben-
falls in manchen Kolonien eingeschlagen worden. Sie knüpft sich, entsprechend
den Sitten und der Denkweise des Alterthums, in der Regel an den Nameti
eines einzelnen Mannes, der, mit heiliger Autorität ausgerüstet, allen Parteien
das Joch eines gerechten und billigen Gesetzes auflegt.
Dies sind die allgemeinen GrundzUge der ältesten Verfassungsgeschichte der
griechischen Kolonien. Was von den sicilischen aus der ersten Zeit bekannt ist,
passt vollkommen zu diesem Bilde. Wir haben freilich nur von wenigen Städten
def Inset etwas genauere Nachrichten, aber diese reichen doch so weit, dass sie
das Vorhandensein von Beispielen der drei soeben besprochenen Fälle erkennen
lassen, die als Folgen der inneren Unruhen eintreten konnten.
Der zuerst angeführte Weg , Unruhen zu beseitigen , vermittelst der Aus-
sendung neuer Kolonien, ist längere Zeit mit Erfolg von Syrakus beschritten
worden, das überdies am deutlichsten einige der Elemente erkennen lässt,
welche nach unserer obigen Darstellung das Gemeinwesen einer hellenischen
Kolonie auszumachen pflegten. Hier finden wir in der älteren Zeit die Ga-
moren oder Geomoren, deren Namen schon daraufhindeutet, dass sie die
Nachkonnmen der ursprünglichen Ansiedler und Theilhaber am Grundbesitz
waren. Ausdrücklich berichtet ist, dass sie um die 45. Olympiade die Herr-
schaft der Stadt in Händen hatten. Es liegt nun die Schlussfolgerung nahe, dass
sie sie von Anfang an gehabt haben. Dennoch hat neuerdings die Ansicht viel-
fachen Beifall gefunden, dass zuerst noch die königliche Würde in Syrakus
bestanden habe, was man aus der Erwähnung eines Königs Pollis schliesst, der
eine nach ihm benannte Weinarl nach Sicilien verpflanzt haben soll. Indess ist
von diesem Poliis ebenso wenig bekannt, wann er lebte, als es sicher ist, dass
er über Syrakus herrschte. Wir finden nirgends Archias als König von Syrakus
bezeichnet; sollte wirklich nach seiner Zeit das Königthum dort eingeführt
worden sein? Es ist mit mehr Wahrscheinlichkeit hier, wie in andern sicili-
schen Städten, von Anfang an eine aristokratische Verfassung anzunehmen, die
wir uns so geordnet zu denken haben , dass aus den Ga moren ausschliesslich
die Magistrate und die Mitglieder des hohen Balhes gewählt wurden , — wenn
nicht etwa sämmtliche Gamoren diesen letzteren bildeten — während wir uns
zur Volksversammlung — der Halia — , der es freilich nach dorischer Sitte nicht
zustand , Vorschläge zu machen , sondern nur dem , was die Obrigkeiten oder
der Bath vorschlug, zuzustimmen oder es zu verwerfen, auch die zweite Volks-
klasse, das nicht von den Gründern der Stadt herstammende Volk , als mit-
benifen denken mögen. Ohne alle bürgerlichen Bechte waren aber die Nach-
kommen der unterjochten Ureinwohner des Landes, die den Namen Kallikyrioi,
Killikyrioi oder Kyllyrioi führten, ein Name, der vielleicht ursprünglich einem
Sikelerstamme eigen sein mochte. Wir haben uns diese nicht besser gestellt zu
denken, als die lakonischen Heloten.
Es ist aus dieser älteren Zeit eine Geschichte erhalten, die uns einen flüch-
tigen Bli<5k in die damaligen Zustände von Syrakus eröffnet. Ein angesehener
Bürger, Namens Agathokles, war zum Aufseher beim Bau des Athenelempels
> 40*
148 Zweites Buch. III. Polit. Gesch. d. sicil. Städte bis z. Anf. d. fünften Jahrh. v. Cbr.
erwählt worden, für welchen er die Steine von der Stadt geliefert erhielt. Von
diesen Steinen nahm er zum Bau seines eigenen Hauses , doch ersetzte er den
Werth derselben. Dennoch betrachteten die Götter seine Handlung ^Is einen
Frevel, und ein Blitzstrahl verbrannte ihn und sein prächtiges Haus. Nun entr-
schieden die Gamoren, dass die Statte desselben geweiht und dem profanen
Gebrauche entzogen werden soüte — ein durch einen Blitzstrahl getroffener
Ort (Embrontaion, bidentalj war Griechen und ßdmern ein heiliger — , und sie
verfugten Uberdiess ; obwohl die Kleronomen , die Finanzverwalter der Stadt,
dem Agathokles das Zeugniss ausstellen konnten , dass er den Staat nicht be-
naöhtheiligt habe, die Einziehung seines Vermögens.
Es ist hier die Stellung der Gamoren bemerkenswerth , welche in dem
Charakter eines besonderen CoUegiums erscheinen ; bemerkenswerth auch der
Name Kleronomen für die Finanzbehörde, der dieselbe urspiilnglich und vorzugs-
weise mit der Beaufsichtigung der Landloose (kleroi) betraut kennzeichnete und
so den grossen Werth erkennen lässt, den man auf die Ackerverhäitnisse legte.
Wenn die Volksmasse in Syrakus zu gross und die Ansprüche der Neu-
bürger den Gamoren zu lästig wurden , sandte man Kolonien aus. Schon bei
den ersten unter ihnen, bei Akrai und Henna, können diese Rücksichten mass-
gebend gewesen sein, obwohl sie, wie wir sahen , als wirkliche Vorposten der
syrakusanischen Macht und Thätigkeit zu betrachten sind; sicherlich ist aber
der Ursprung der beiden letzten, Kasmenai und Kamarina, auf Gründe der an-
gegebenen Art zurückzuführen. Bei jener lässt sich überdies noch eine be-
stimmtere Veranlassung vermuthen : die Vermehrung der Volksmenge , weldie
die Gründung von Kasmenai im Jahre 644 veranlasste, kann mit dem etwa
zehn Jahre vorher eingetretenen Sturze der Bakchiadenaristokratie in Korinth
und der Giilndung der Tyrannis des Kypselos zusanimenhangen , die manchen
korinthischen Mann in die Fremde und zumal nach Syrakus getrieben haben
mochten. So hielt sich die Aristokratie der Gamoren längere Zeit. Endlich
wurde sie dennoch gestürzt , und, wie es heisst, durch die Schuld der regie-
renden Klasse selbst. Ein vornehmer junger Mann benutzte die Abwesenheit
eines Freundes , der ihm volles Vertrauen geschenkt hatte , um den Gelieblen
desselben für sich zu gewinnen. Zur Rache verführte der Gekränkte die Frau
seines Beleidigiers. Die Feindschaft zwischen den Beiden theiHe sich ihren Sian-
desgenossen mit ; es bildeten sich zwei Parteien , die sich heftig befehdeten.
Das minder berechtigte Volk benutzte die Gelegenheit, sich zu erheben, und
die Herrschaft der Vornehmen ward gestürzt. Wann dies geschah , ist nicht
überliefert ; wir vermuthen : im Laufe des sechsten Jahrhunderts , nach der
Gründung von Kamanna. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass an den Sturz der
Herrschaft der Gamoren sich ein wichtiger Fortschritt von Syrakus auf wirth-
schaftUchem Gebiete geknüpft hat. Im Laufe des sechsten Jahrhunderts hat
Syrakus angefangen, selbst zu münzen; bis dahin hatten di^ Büi^er sich frem-
der Geldslücke bedienen müssen. Sie prägten nun nach dem athenischen, von
Selon eingeführten, bald darauf ein wenig geänderten Münzfusse, der in Grie-
chenland selbst in so früher Zeit keine Verbreitung gefunden hat und auch in
Sicilien noch hinter dem, den chalkidischen Kolonien Naxos und Zankle^ sowie
Himera und, wie es scheint, Akragas, ursprünglich eigenen äginäischen zurüdk-
Akregas. Phalaris. ' 149
Stand. Seine Annahme in Syrakus kann kaum anders als durch eine daselbst
eingetretene Revolution erklärt werden , die auch in Bezug auf den Verkehr in
auffallender Weise mit dem Hergebrachten zu brechen wünschte. Es ist zu
vermuthen, dass um dieselbe Zeit auch die übrigen dorischen Kolonien Siciliens
begonnen haben, Münzen zu prägen , welche dem nachsolonischen Fusse , wie
Syrakus, folgen ; nur von Selinus sind solonische Didrachmen vorhanden.
So waren nun die Gamoren ihrer Vorrechte beraubt. Sie müssen versucht
haben, sie wieder zu erlangen. So entstanden Unruhen, in Folge deren sie
später, wie wir sehen werden, aus der Stadt flüchten mussten.
In einem entschiedenen Gegensatze zu den Zuständen von Syrakus befan-
den sich die von Akra gas. Hier trat nach sehr kurzer Herrschaft des Gesetzes
wahrscheinlich bei aristokratischer Verfassung , wie sie in dorischen Städten
gebräuchlich war , Tyrannis ein. Der Grund dieser auffallenden Erscheinung
liegt darin, dassAkragas, von vornherein als Gro$sstadt angelegt, eine gemisch-
tere Bevölkerung hatte als Syrakus und andere Städte, eine Bevölkerung, welche
sich nicht so sehr durch die Schranken des Herkommens gebunden fühlte.
Die äussere Veranlassung zu dem wenig mehr als ein Jahrzehnt nach der
Gründung der Stadt in Akragas eintretenden Verfassungswechsel soll folgende
gewesen sein. Als die vorhandenen Tempel nicht mehr ausreichten und der
Beschluss gefasst war, neue zu errichten, da wurde der Bau des bedeutendsten
derselben, des Tempels des Zeus Polieus, der sich mit einem Aufwände von 200
Talenten auf der Burg erheben sollte, unter die Aufsicht eines der angesehensten
Männer der Stadt, des Phalaris, der als Zollpächter bezeichnet wird, gestellt.
Nun hatten in den hellenischen Städten die Aufseher Öffentlicher Bauten, welche
für die ganze Dauer des betreffenden Werkes ernannt wurden, einen sehr aus-
gedehnten und bedeutenden Wirkungskreis. Sie hatten nicht blos die Arbeit zu
vertheilen und zu leiten ; wenn unter den Arbeitern Streitigkeiten ausbrachen,
so stand ihnen die Entscheidung darüber zu, und überdies hatten sie als Ver-
walter beträchtlicher Geldsummen auf das niedere, von Handarbeit lebende
Volk einen grossen Einfluss. Es ist bekannt, wie sehr die Verwaltung dieses
Amtes die Macht des Perikles in Athen beforderte ; wir haben soeben gesehen,
wie der Syrakusaner Agatbokles dasselbe Amt missbrauchte; es kann also
keine Verwunderung erregen, wenn Phalaris sich dadurch sogar die Tyrannis
erwarb. Auf die von ihm gemadite Anzeige , dass von dem zum Bau auf der
Barg angesammelten Material viel gestohlen werde , erhielt er die Eriaubniss,
die Burg zu befestigen. Nun bewaffnete er seine Arbeiter und machte, als die
Bürger das Fest der Tbesmophorien feierten , einen so gut angelegten Angriff
auf die Stadt, dass er nach einem grossen Blutbade Herr derselben wurde. Er
regierte über Akragas i 6 Jahre, wie es seheint von Ol. 52, 3 — 56, 3 (570 — 554
vor Chr.). Phalaris soll nicht nur das akragantinische Gebiet, sondern auch einen
grossen Theil des übrigen Siciliens sich unterworfen haben, und man sagte mit
einiger üebertreibung von ihm, wie später von Dionys, er habe die ganze Insel
beherrscht. Nach Einigen hatte sich sein Machtkreis bis nach Leontini erstreckt,
was Verwunderung erregen darf, wahrend wir durchaus keine Veranlassung
haben, 2u bezweifeln , dass die Sagen, welche ihn mit Himera in Verbindung
briDgen, anif wirklichen Vorfällen begründet sind. Hier hatte Phalaris bereits
150 Zweites Buch. IH. Polit. Gesch. d. sicil. Städte bis z. Anf. d. fünnen Jahrb. v. Chr.
durchgesetzt, dass er zum Feldherrn erwählt wurde; als er aber, um der
Tyrannis einen Schritt nüher zu kommen, eine Leibwache verlangte und die
Himeräer schon im Begriff waren, seinen Wunsch zu erfüllen, da erzählte ihnen
der Dichter Stesichoros die Fabel von dem Pferde , das anfangs eine Weide für
sich allein hatte, als aber der Hirsch hinzukam , den Menschen ersuchte, ihm
bei der Vertreibung des Eindringlings behUlflich zu sein. Der Mensch bestieg
das Pferd und verjagte den Hirsch , war aber von nun an des Pferdes Herr.
Die Himeräer verstanden den Wink und schlugen dem Phalaris sein Begehren
ab. Besser gelangen ihm seine Plane in den sikanischen SUidten, von denen er
einige durch Listen eroberte, die das Alterthura der Erinnerung werth gehalten
hat. So schloss er, um eine feste Stadt, die sich ihm mit Erfolg widersetzte,
desto leichter unterwerfen zu können , mit ihr ein BUndniss und bat um die
gern bewilligte Gunst, in einem besonderen Gebäude derselben eine groisse Menge
Getreide aufbewahren zu dürfen, wogegen ihm dasjenige geliefert werden sollte,
welches die Stadt in ihrem Gebiete ernten würde. Als der Vertrag vollzogen
war, gewann Phalaris die Aufseher des Speichers durch Geld; sie durch-
löcherten heimlich das Dach des Gebäudes, und der eindringende Regen ver-
darb das Rom. Nun griff Phalaris die Stadt von neuem an, und die Einwohner,
die ihr eigenes Getreide an den Tyrannen ausgeliefert hatten und das ihm ge-
hörige verfault fanden, mussten sich bald ihrem Feinde eingeben. — Eine andere
List ersann er, um die vom Könige Teutes regierte Stadt Uessa zu erobern.
Er bat um die Hand der Tochter des Königs , und als sie ihm bewilligt war,
schickte er in der Verkleidung von Weibern, welche die Braut bedienen sollten,
Soldaten nach Uessa , die sich ohne Mühe der Stadt bemächtigten. — Am be-
kanntesten ist aber der Name des Phalaris durch seine Grausamkeit; er eröffnet
mit seiner sagenhaften* Gestalt die Reihe der im Alterthum sprichwörtlich ge-
wordenen siciiischen Tyrannen. Womit man sein Andenken belasten zu dürfen
glaubte, beweist der Umstand, dass man von ihm sagte, er habe als vollendeter
Kannibale Säuglinge schlachten lassen und verzehrt; aber solche offenbar erfun-
dene Geschichten haben doch nicht dieselbe Gunst bei der Nachwelt gefunden,
wie die von seinem Stier. Es soll ein aus Athen gebürtiger Künstler, Namens
Perilaos oder Perillos, ihm einen inwendig hohlen Stier aus Erz gemacht haben,
um in denselben die , welche der Tyrann tödten lassen wollte , zu werfen ;
durch darunter angelegtes Feuer wurde der Stier glühend gemacht und ver-
brannte die Opfer, deren Wehgeheul überdies durch eine künstliche Vorrichtung
des Perilaos wie Stiergebrüll klang. Phalaris, der das Werk des athenischen
Künstlers gern annahm, belohnte ihn für seine Erfindung dadurch, dass er ihn
zuerst in seinem Stier braten Hess; ein Zug roher Gerechtigkeit, wie er sich in
ähnlicher Weise auch in anderen Sagen von grausamen Tyrannen findet. Der
Stier ward auf einer Burg im Gebiete von Akragas aufgestellt, welche davon
den Namen Eknomos , die Gesetzlose, empfing. So lautet die Sage vom Stiere
des Phalaris, die die Alten, mit Ausnahme des Timaios, allgemein für wahr
hielten. Timaios widersprach besonders der Behauptung, dass die Wahrheit
der Tradition durch das wirkliche Vorhandensein des Stieres bewiesen werde.
Man versicherte, dass das Erzbild von den Karthagern, als sie Akragas erobert
hatten, mit anderer Beute nach Karthago geschafft worden sei ; Timaios dag^en
Phalaris, 151
behauptete, der in Karthago befindliche Stier stamme gar nicht aus Akragas.
Der eifrige Gegner des sicilischen Historikers , Polybios, hatte später, als der
jüngere Scipio Karthago erobert hatte, die Genugthuung, auch in diesem Punkte
den ihm verhassten Mann eines Irrthums zeihen zu können. Er constatirt mit
Befriedigung, dass der eherne Stier, der als der des Phalaris betrachtet wurde,
und den Scipio den Akraganlinem zurückgab, noch die Klappe an der Schulter
hatte, durch weiche die Opfer hineingebracht worden seien. Es ist jedoch klar,
dass hierin kein Beweis für die Wahrheit der Sage liegt, denn das für den Stier
des Phalaris gehaltene Erzbild in Karthago konnte ja ein zu Molochopfem ge-
brauchter, ursprünglich karthagischer Stier sein. Nach Anderen blieb der Stier
des Tyrannen in Akragas, wogegen wieder geltend gemacht wurde, dass dies
Werk nichts Anderes als ein Bild des Flusses Gela gewesen sei ; den achten Stier
des Phalaris, wurde hinzugefügt, hatten die Akragantiner nach dem Sturze des
Tyrannen in's Meer geworfen. — Im Uebrigen weiss die Sage nur wenig aus
dem Leben des Tyrannen zu berichten. Als er einmal erfuhr, dass viele Bürger
von Akragas Waffen in ihren Häusern verborgen hatten , lockte er sie unter
dem Vorwande gymnischer Spiele vor die Stadt und liess indessen die Waffen
aus den Häusern wegnehmen. Einigen. Verschwörungen entging er glücklich
und zeigte sich dabei in einem Falle nicht so grausam, wie man nach seinem
Rufe erwarten sollte. GharitonundMelanippos, die eng mit einander befreundet
waren , und von denen der letztere in einer Streitsache gegen einen Vertrauten
des Tyrannen nicht hatte Recht erhalten können, hatten sich zu seinem Unter-
gange verschworen. Aber Chariten, der seinen Freund nicht in's Unglück stür-
zen wollte, beschloss, dieThat allein auszuführen. Sein Vorhaben wurde jedoch
entdeckt und er selbst in's Geföngniss geworfen. Auch unter Martern wollte er
keine Mitverschworenen nennen. Da gingMelanippos zum Tyrannen , erklärte
sich für den eigentlichen Urheber des Planes und forderte, allein bestraft zu
werden. Phalaris bewunderte die aufopfernde Liebe der beiden Freunde und
schonte ihr Leben unter der Bedingung, dass sie Sicilien verliessen. Die Pythia,
die Feindin aller Gewallherrscher, pries die That der Freunde; Zeus aber ver-
längerte zum Lohne für die Menschlichkeit des Tyrannen sein Leben noch um
zwei weitere Jahre. Endlich erreichte den Phalaris doch die Rache seiner Feinde.
Er sah einst einen Raubvogel eine Schaar Tauben verfolgen und that die un-
vorsichtige Aeusserung, sie könnten ihren Feind woiil besiegen, wenn sie nur
Muth hütten. Unter der Anführung des Telemachos ermannten sich die Akra-
gantiner wirklich und stürzten den Tyrannen, der, wie ^es heisst, mit den
Seinen in seinem eigenen Stier verbrannt wurde. Die Erbitterung gegen das
Andenken des Phalaris war so gross, dass es verboten wurde, blaue Kleider zu
tragen, weil dies die Farbe der Leibwache des Tyrannen gewesen war.
Es ist natürlich Vieles von dem , was ich soeben aus Phalaris' Leben nach
den Berichten des Altertbums milgetheilt habe, erdichtet, und Manches stimmt
mit Begebenheiten aus dem Leben anderer Tyrannen , z. B. des Dionys, über-
ein ; dennoch ist nicht zu läugnen, dass ein Kömlein Wahrheit zu Grunde liegen
moss. Ohne Zweifei waf Phalaris sehr grausam, obschon keineswegs sicher
ist , dass er wirklich einen Stier zu dem angegebenen Zwecke gebraucht hat.
Die Widersprüche in Betreff der späteren Schicksale des Stieres sind bereits
152 Zweites Buch. III. Polit. Ge'sch. d. sicil. St&dte bis z. Anf. d. fünften Jahrb. y. Chr.
besprochen. A))er abgesehen von den Zweifeln, die so auf die Existenz des Mar-
terinstrumentes fallen, .Hesse sich die Ansicht begründen, dass die Sage nur auf
der Thatsache beruhte, dass Phalaris Molochdienst in Akragas eingeführt oder
geduldet habe. Das Molochbiid der alten Israeliten hatte einen Ochsenkopf und
briet auf seinen glühenden Armen die zum Opfer daiigebrachten Kinder; der
karthagische Moloch liess die Kinder von seinen Armen in einen FeuerschluDd
rollen, und die kretischen Sagen von dem Mjnotauros, der Henschenopfier for-
dert, und von dem ehernen Riesen Talos, der die auf der Insel landenden
Fremden in seinen feurigen Armen tödtet, weisen auf Aehnlidies hin. So wür-
den sich die beiden Züge der Phalarissage erklären , dass der Tyrann Fremde
und Kinder getödtet habe. Doch wie dem auch sein mag , wichtiger für die
Geschichte der Insel ist die Machtstellung des Phalans in Sicilien. Es darf als
richtig angenommen werden, dass der Tyrann über einen nicht geringen Theil
der Insel gebot. Dann entsteht aber die Frage , ob nichts Anderes in seiner
Handlungsweise und seinem Auftreten war, was bewirkte , dass man sich an
ihn anschloss. Wenn wir nicht irren, deuten zwei der von ihm erzählten Ge-
schichten darauf hin , dass er für die unterworfenen Städte mehr sein wollte,
als blosser Zwingherr. Er lässt sich von den Himeräem zumFeldheim erwöhlen,
er , der eine weit von Himera entfernte Stadt beherrscht. Das ist nur dann,
aber dann auch vollkommen erklärlich , wenn wirklich ein mächtiger Feind da
war, den die Himeräer zu fürchten hatten. Und nur durch dieselbe Voraus-
setzung lässt es sich erklären, wie er in einer sikanischen Stadt sich ein Korn-
magazin anlegen kann. Nun traten, wie wir bald sehen werden, gerade zur
Zeit des Phalaris die Phönicier und Karthager ktlhner und unternehmender in
Sicilien auf, als früher; dürfen wir nicht annehmen , dass dies der gemein-
scbaftliche Feind yon Griechen und Sikanern war, gegen den Phalaris kämpfen
wollte oder zu wollen vorgab? Diese Annahme erklärt aufs Beste sowohl die
sonst dunkeln Züge der beiden Geschichten , als das grosse Ansehen , das der
Tyrann von Akragas eine Zeitlang besessen zu haben scheint; sie zeigt ihn in
einer historischen Zeit als einen nicht blos mährchenhaften Charakter. Phalaris
wird so ein rechter Vorläufer der späteren Tyrannen der Insel, insbesondere des
Dionys, dessen Hauptbedeutung für die Geschichte^ ebenfalls in der Sammlung
der Kräfte der Insel gegen die Punier besteht. In diesem Zusammenhang ist es
denn auch nicht ohne Bedeutung, dass Phalaris wie Dionys eine besondere Sorg-
falt auf die Erßndung von Kriegsmaschinen verwandte. Eine Spar seiner Thä-
tigkeit haben wir in dem Namen des Kastells Phalarion , Ostlich vom Himera,
wahrscheinlich dem heutigen Monte Gallodoro, etwa 5 M. von Licata.
Ob Telemachos, nachdem er die Stadt vom Tyrannen befreit, selbst an die
Spitze des Staates getreten ist, wissen wir nicht. Bald nachher aber finden wir
in Akragas einen neuen Herrseber, Alkamenes, auf den Alkandros folgte.
Wie in Akragas kam es auch in Gela schon zur Einsetzung einer Tyran-
nis, als Syrakus noch frei war, wenngleich die akragantinische Tyrannis der in
Gela um mehr als 50 Jahre voranging. Zuvor aber hatte die Stadt bereits
manche innere Bewegungen durchgemacht, von dene^ eine durch ihren eigen-
thümlichen Ausgang etwas genauer bekannt geworden ist. Eine Anzahl Geloer
nämlich, die zur unterliegenden Partei zählte, sog sich nach Maktorion surüok,
Gela. Selinus. Leontini. Katatia. Charondas. 153
einem oberhalb Gela's gelegenen Orte, wie Herodot sagt, also vielleieht dem
heutigen Gasielluzzo. Hier nahmen sie eine drohende Stellung gegen Gela ein,
etwa wie die Plebejer auf dem heiligen Berge gegen Rom. Man sah nicht, wie
der Streit gütlich beigelegt werden könnte, als Telines, ein Geloer, dessen Ahn-
herr aus der nahe beim triopischen Voi^ebirge liegenden Insel Telos mit den
Rhodiern und Kretern zur Gründung Gela's nach Sicilien gekommen war', mit
den Symbolen und Opfergeräthen der triopischen Erdgottheiten sich zu den
Abgefallenen begab und durch die Erregung ihrer religiösen Gefühle sie zur
Rückkehr nach Gela bewog. Zum Danke für die Rettung des Staates übertrugen
die Geloer dem Telines und seiner Familie das erbliche Priesterthum der Gott-
heiten, mit deren Hülfe er den Bürgerkrieg verhindert hatte, und die bis dahin
vielleicht nur in seinem Hause verehrt worden waren. Herodot fügt die Bemer^
kung hinzu, dass dieser Mann, dem man nach seiner That ein^n sehr kräftigen
Charakter zuschreiben würde , nach den sicilischen Berichten von weichlichem
und weibischem Sinne gewesen sei. Während nun diesmal noch die Freiheit
der Bürger unangetastet geblieben war, gelang es im Jahre 504 vor Chr. dem
Kleandros, dem Sohne des Pantares, sich zum Tyrannen von Gela zu machen ;
von seiner Geschichte wird später die Rede sein.
Auch in Selinus. finden wir bereits in dieser Periode einen Tyrannen,
den Peithagoras, auf den wir wieder zurückkommen werden ; ob auch Theron,
der nicht mit dem berühmteren Akragantiner verwechselt werden darf, ihr
ang^ört, ist weniger sicher.
Jetzt haben wir uns zu einer dritten Gruppe von sicilischen Städten zu
wenden, zu den chalkidüschen. Auch hier bestand in alter Zeit Aristokratie oder
Oligarchie, wie dies nach der Verfassung von Ghalkis, wo der Adel der Hippo-
boten herrschte, zu erwarten war. Auch hier kam es zu Streitigkeiten zwischen
Adel und Volk, und aus Volksftlhrem wurden Tyrannen. So machte sich in Hi-
rne ra Terillos zum Alleinherrscher — erst um die Zeit, da Kleandros in Gela als
Tyrann auftrat — und in L conti ni Panaitios, der als der älteste sicilische Ty-
rann gilt, da er von Eusebios ijnLdas Jahr 608 vor Chr. (Ol. 43, J) gesetzt wird.
Dieser war Polemarch der Leontiner, als die Stadt mit den Megarern Krieg
führte. Er verdächtigte die reichen Ritter bei dem ärmeren Fussvolke, dass sie
einen unbilligen Vortheil aus dem Kriege zögen, und als er die niederen Bürger
hinlänglich gegen die Vornehmen aulgeregt hatte, veranstaltete er vor den
Thoren der SUidt eine Musterung, bei der die Reiter Pferde und Waflfen zur
Inspection abgeben mussten. £r hatte ihre Diener gewonnen , die nun nebst
600 Leichtbewaffneten ihre Herren überfielen und niedermachten. So wurde
Panaitios Tyrann von Leontini. Aber zu diesen Erscheinungen, die in Leontini
und Himera ähnliche Verhältnisse zeigen, wie in Akragas und Gela, kommt in
den chalkidisohen Städten noch etwas Neues hinzu , die Abfassung einer das
ganze Leben regeind^a Gesetzgebung. Das grossartigste Beispiel einer solchen
war bis dahin in Hellas von einem dorisch^i Staate dtu*ch die Gesetzgebung
des Lykurgos aufgestellt worden, und so wird denn auch die des Charondas
von Katana , um welche es sieh hier handelt, auf dorischen Ursprung zurück-
geftahrt. Dena von dem kretischen Weisen und Sänger Thaletas, dem man einen
grossen Einfluss auf Lykurgos zuschrieb, soll Zaleukos von Lokri seine Weis**
154 Zweites Buch. III. Polit. Gesch. d. «ii^l. Sudte bU i. Anf. d. rUnflen Jshrh. v. Cbr.
l haben , und von diesem wieder Charondas. Leider ist Über die
wie über die Thmigkeit des Charondas wenig mit Sicherheil aus
liten der Alten zu entnehmen. Mit Enischiedenheit ist [reiiich die
Diodor zurückzuweisen, der, wie er Zateukos für einen Schüler des
trklQrt, so Charondas in das fUnfle Jahrhundert vor Chr. - versetzt
irger der Stadt Thurioi macht, der er Gesetze fiegeben habe. Dass
in Kalantter war und Kaiana Gesetze gab, steht durch Aristoteles
£usebios.den Zaieukos der 29. Olympiade (6Gi vor Chr. i zuweist,
hts einzuwenden ist, so dUrfeu wir Charondas, der so oft mit Za-
nmen genannt wird, ein wenig später setzen. Von seinen sönstif!cn
anden wissen wir nur, dass er, aus Katana verbannt, nach Bbegion
<n seine Gesetze ebenfalls einbUi^erte. Von seinem Tode erzahlt
ndes. Charondas halte das Gesetz gegeben, dass Niemand bewaUhet
Versammlung erseheinen solle, und Uberlrat, als er einen Zug gegen
acht hatte, sein eigenes Verbot, indem er schnell, ohne an das
s er tmg, zu denken, in die Volksversammlung eilte. Jemand rief
übertrittst dein Gesetz, Charondas I Nein, erw lederte er, ich be-
ielmehr, zog sein Sdiwert und tödlete sich auf der Stelle. Abge-
I, dass Diodor diese Geschichte von dem thurischen Gesetzgeber
as nicht hindern würde, sie von dem Kalanüer zu verstehen, wird
1 Zaleukos und dem Syrakusaner Diokles erzahlt, so dass dahin-
>en muss , wem sie eigentlich zukommt. Einen wichtigeren Auf—
' die Verhältnisse des Charondas , als diese Nachrichten , giebt der
tsetzgebers selbst, der kein ionischer ist, wie die chalkidische Stadt,
mgehdrt, erwarten Hesse , sondern ein dorisch-aolischer, und an
imen, wie Epaminondas, erinnert. Charondas war also kein Chal-
erkunft, und so erklärt sich, wie die ionische Stadt Kaiana zu einer
lg kam , die in ihrem Geiste mehr mit den berühmten dorischen
Igen übereinstimmte.
'ober.die Nachrichten über das Werk des Charondas nehmen? Di<^-
anches aus den Gesetzen des Thuriers mit. G^bDrt dies Thurioi
atanäischen Charondas an? Einiges offenbar dem letzteren, da
Dichtem, in denen sein Name genannt ist, sich auf diese Gesetze
^ber darf man von dem Theil auf das Ganze schliessen ? Sodann
lei Stobaios die angebliche Einleitung zu den Gesetzen des Charon-
in der vorliegenden Form ist sie sicher nicht acht , nicht weil sie
dorischen Dialektes tragt, denn der wäre für Gesetze des Charondas
emessen, sondern gewisser Ausdrücke wegen, die so nicht im Ur-
amen konnten. Ist indess darum das ganze Stück auch seinem In-
unaditf Endlich finden sich vereinzelte werthvolle Nolizen bei
Wenn indess dieser so glaubwürdige SchriftsteUer sagt, dnss von
lur ein wirklich neues Gesetz herrlihre, was sollen wir dann von
n bei Diodor urtheilen, die offenbar viel Neues, nur gerade das von
lH geführte nicht, enthalten? So ist, wohin wir blicken, Unsicherheit
iken, und wir können wenig mehr thun, als unter Angabe der
imtnenslellen, was dem Charondas zugeschrieben wird.
/ Charondas. 155
Durch Arbtoteies wissen wir, dass er für die Hausgenossen einen beson-
deren Ausdruck, homosipyoi, d. h. die aus demselben Brodkorb Essenden,
halte, eine Hindeutung darauf, dass ihm das Haus als die rechte Grundlage des
staatlichen Lebens ^alt. Nach demselben gestattete seine Gesetzgebung Aer«-
meren, Aemter und Richterstellen auszuschlagen, welche Reichere annehmen
mussten. Aristoteles giebt endlich die Klage wegen falschen Zeugnisses als die
einzige, Charondas eigenthttmliche Einrichtung an.
Diodor hebt eine Anzahl von Bestimmungen des Charondas hervor, die ihm
besonders merkwtlrdig erscheinen. Zuerst die , dass ein Wittwer seinen Kin-
dern keine Stiefmutter geben darf, bei Verlust der bürgerlichen Rechte. Sodann
dürfen diejenigen , welche falscher Anklagen überführt sind , nicht anders als
mit einem Tamariskenkranze öffentlich erscheinen. Es steht Strafe darauf, mit
Schlechten Umgang zu haben. Der Staat sorgt durch öffentlich angestellte Lehrer
dafür, dass alle Kinder, auch die der Unbemittelten, Lesen und Schreiben
lernen. Sehr klug ausgedacht ist das Gesetz über die Sorge für die Waisen.
Während nämlich das Vermögen derselben den Verwandten väterlicherseits
zur Verwaltung übertragen wird, werden sie selbst den mütterlichen Ver-
wandten zur Pflege anvertraut, eine Anordnung , wovon Folgendes der Grund
ist. Im Falle des Todes des Kindes wurden die väterlichen Verwandten Erben ;
indem sie also das Vermögen der Waise verwalten, behüten sie etwas, das
vielleicht ihnen selbst zufallen wird , und sie behüten es deshalb gut ; aber
eben deswegen sind ihnen die Kinder selbst zur Obhut nicht übergeben, damit
nicht ihre Tugend auf eine zu harte Probe gestellt werde. Solche, die im Kriege
ihren Posten feige verlassen^ hatten , mussten drei Tage lang in Weiberkleidem
auf dem Markte sitzen. Endlich hatte Charondas, um unüberlegten Abände-
rungen seiner Gesetze einen Damm entgegenzustellen , die strenge Verfügung
getroffen, dass, wer' eine Veränderung vorschlagen wollte, mit der Schlinge um
den Hals in die Volksversammlung kommen musste , um , wenn sein Antrag
nicht angenommen wurde , sogleich den Tod zu erleiden. Wir dürfen die drei
Anekdoten, welche Diodor als die einzigen Fälle glücklicher Gesetzveränderung
in Thurioi vorträgt , hier um so weniger mittheilen , da diese Verordnung an-
derswo dem Zaleukos zugeschrieben wird.
Endlich haben wir noch das angebliche Prooemium des Charondas bei
Stobaios. Es beginnt mit der Hinweisung auf Gott, den Ursprung aller Dinge,
von dessen Gemeinschaft die Schlechten ausgeschlossen seien, weshalb man
das Böse meiden müsse. Dann wird Achtung und Liebe zu guten Men-
schen eingeschärft und Hülfsberei tschaft gegen Mitbürger und Fremde, wobei
an die allgemeine Verehrung des gastlichen Zeus erinnert wird. Die Aelteren
sollen den Jüngeren mit gutem Beispiel vorangehen. Mässigung ist vor Allem
nöthig. Der Obrigkeit sollen die Bürger mit Ehrfurcht gehorchen, die Obrigkeit
aber die Büi^er wie ihre Kinder behandeln. Die Reicheren müssen den Bedürf-
tigen helfen, ausgenommen, wenn diese durch ein schledites Leben arm ge-
worden sind. Ein Jeder ist verpflichtet, das Schlechte, das er absichtlich be-
gehen sieht ^ zur Anzeige zu bringen. Besonders wird der Tod für^s Vaterland
gepriesen ; die Todten sollen nicht mit Wehklagen , sondern durch ein gutes
Andenken und durch jährliche Opfer der Früchte, welche die Jahreszeit bringt,
156 Zweites Buch. III. Polit. Gesch. d. sicii. Sttfdte Iris z. Anf. d.JüoOeD Jaiirh. v. Chr.
gefeiert werden. Die PrivathSliiser dürfen Dicht prächtiger sein als Tempel und
öffentliche Gebäude. Unsittliche Reden sind ebenso strenge verboten wie un-
sittliche Handlungen. Tadelnswerth ist, wer seinen Kindern eine Stiefmutter
in's Haus bringt. Die Prooemien, heisst es zuletzt , sollen alle Bürger aus-
wendig wissen, und bei Gastmählern soll sie der von dem Wirth dazu Bezeich-
nete nach den an die Götter gerichteten Paanen hersagen.
Von dem hier Angeführten stimmt das über die Ehrfurcht gegen die Obrig-
keit Gesagte mit einer Aeussening Gicero's über eine Vorschrift des Gharondas
Uberein, und das zuletzt Bemerkte von dem Vortrage seiner Gesetze wird durch
die Nachricht bestätigt , dass sie auch in Athen beim Weine gesungen seien.
Dass Vieles von den Vorschriften des .Gharondas in die Gesetzgebung von
Thurioi überging, ist wahrscheinlich ; aus Aristoteles wissen wir, dass ausser
Katana auch andere chalkidische Städte in Sicilien and Italien die Gesetze des
Gharondas hatten. Eigenthümlich ist , dass die Hauptstadt von Kappadoden,
Mazaka , sie ebenfaHs angenommen hatte. Hier war ein Nomode , d. h. Vor-
sänger der Gesetze, mit ihrer Auslegung betraut.
Die Gesetzgebung des Gharondas war eine jener alten Gesetzgebungen^
die das ganze menschliche Leben einer festen Reg^ unterwarfen und also einen
nicht blos politischen Gharakter hatten. So konnten ihre Grundzüge ebenso-
wohl für das aristokratische Katana, wie für das demokratische Thunoi passen,
wenn sie gleich mit ihrem conservativen Charakter für jenes angemessener sein
mochten, als für dieses.
Dies ist das Wenige, was über die Verfassungen und das innere politisdie
Leben der hellenischen Kolonien Siciliens in der Zeit bis zum Beginne des fünften
Jahrhunderts vor Chr. bekannt ist. Man sieht, wie viele Fragen unbeantwortet
bleiben, lieber die äusseren Beziehungen derselben sowohl untereinander, als
zu den fibrigen Bewohnern der Insel ist noch weniger zu sagen möglich.
Die Machtstellung der Städte kann nur errathen werden. Wir glauben
Syrakus in einer nicht unbedeutenden, wenngleich etwas schwerfälligen Macht
zu erblicken ; die chalkidischen Städte scheinen mehr mit inneren Angelegen-
heiten als mit den Beziehungen nach aussen beschäftigt; Akragas endlich tritt,
kaum gegründet, als eine Grossstadt von bedeutenden Ansprüchen und un-
ruhiger Thätigkeit auf. Es wäre höchst wünschenswerth, die Ausdehnung des
Gebietes der hauptsächlichsten Griechenstädte Siciliens zu wissen. In dieser
Beziehung ist nur eine kurze Notiz aus späterer Zeit erlfaiten , die inciess auch
auf die ältere angewandt werden darf. Kallias sagt, dass die sikelisc&e Stadt
Eryke 90 Stadien vom Gebiete Celans entfernt war. Nun kann Eryke , das in
der Nähe von Caltagirone lag, nicht mehr als SOO Stadien von Gela und der
Küste entfernt gewesen sein, so dass sich daraus für die Ausdehnung des Ge-
bietes Gela 's in das Innere etwa 4 20 Stadien , d. h. höchstens drei deutsche
Meilen ergaben. An der Küste, wo im Osten das Gebiet von Kamarina, dessen
Grenze der Dirillo gebildet haben wird, im Westen das von Akragas, dBS wahr-
scheinlich westlich von der Mündung des Himera, bei dem heutigen Licata
begann , anstiessen , kann die Ausdehnung des Geloischen Gebietes auch nur
wenig über fünf geogr. Meilen betragen haben , so dass wir im Ganzen nur
1 5 Quadratmeilen für das Territorium von Gela in Anspruch nehmen dürfen.
Gobiet der Städte. 157
WeDD wir nun versuchen, auch für eiDu:;e andere Städte die Gebietsausdehnung
vermuthungsweise festzustellen, so haben wir bei Selinus eine Küstener-
Streckung von 3i Mühen in gerader Linie (Mazzara bi»Sciacca}, in's Innere eine
Ausdehnung des Gebietes von höchstens 1 5 Millien, was nicht ganz. 50 Quadrat-
meilen Gebiet ergübe. Bei Akragas dürfen wir von Licata bis in die Nähe von
Uerakleia an der Ktlste etwa 42 Millien rechnen ; nehmen wir in*s Innere wie-
der durchschnittlich 15 Millien, so haben wir ein Gebiet von über !^i Quadrat-
meilen. Bei Hiniera können wir für die KUste wegen Solos und Kephalmdion
Diebi mehr als fünf deutsche Meilen und für die Ersireckung in^s Innere nur
etwa 272 rechnen, so dass wir ein Territorium von nur *? Quadratmeilen er-
hielten. Zankle^s Gebiet dürfte von der Farospitze bis westlich von Mylai einer-
seits und bis zum C. S. Alessio andererseits gegangen sein, etwa 18 Quadrat-
Dieilen um£assend. Wenn das Gebiet von Naxos sich etwas aufwärts am
Cantara erstreckte , so kann es bei einer Küstenausdehnung vom C. S. Alessio
bis vielleicht nach Mascali hin keine 10 Quadratmeilen betragen haben. Ka-
tana's Gebiet — denn über das von Kallipolis, das vielleicht die von Naxos und
Katana trennte und jedenfalfs unbedeutend war, iässt sich nichts sagen — wird
sich an der Küste von Mascali bis zur Mündung des Symaithos 5 geogr. Meilen
weit erstreckt haben. £s umfasste einen grossen Theil der Ostabhänge des
Äelna und. kann deshalb wohl zu 1 5 Quadratmeilen veranschlagt werden ; und
ebenso gross dürfen wir das von Leontini schätzen, da es einerseits die in alter
Zeit nach Leontini benannte Ebene von Gatania umfasste und sich ausserdem
im Südwesten, wie es scheint, bis in die Gegend des Palikensee's erstreckt hat.
Die Megaris, von Leontini und Syrakus eingeengt, umfasste nicht mehr als etwa
4 Quadratmeilen. Das syrakusanische Gebiet, das ausser dem Anaposlbale
noch cinigie südlicher gelegene Flussthüler in sich begriff, kann schwerlich auf
mehr als 1 5 Quadratmeilen abgeschätzt werden. Ueber die Ausdehnung des
Territoriums von Kasmenai lässt sich gar nichts sagen. Kamarina's Gebiet mag
im Westen des Uyrminos begonnen haben; wenn es bis zum Dirillo ging,
bat es doch kaum 1 1 Quadratmeilen umfasst. Bei allen diesen Annahmen ist
ebne Zweifei eher zu hodi als zu niedrig gegriffen; wobei zu beachten ist, dass
eine etwaige Ausdehnung der Herrschaft einer Stadt über benachbarte sika-
oische oder sikelische Orte nicht eingerechnet ist.
Dieser Versuch einer Gebietsunigrenzung der hellenischen Städte Siciliens
giebt zu einer doppelten Betrachtung Veranlassung. Einmal zeigt sich bei den
meisten derselben , nämlich bei denjenigen, welche der Ostküste angehören,
dass sich die Gebiete nicht mit solcher Natürlichkeit scheiden wie im helleni-
schen Matterlande , wo jede Landschaft ihren besondern Charakter und ihre
natürlichen Grenzen bat. Wer vermöehte zwischen- Naxos , Kallipolis, Katana,
Leontini Grenzlinien zu ziehen , die sich einigermassen aus nothwendigen Be-
dingungen der Bodengestalt ergäben? Syrakus und Megara einerseits, Syrakus
und Kamarina nebst Kasmenai andererseits sind ebenso schwer auf ihr natür-
liches Gebiet zurückzuführen. Anders ist es schon mit den westlichen Släkiten,
Uimera^ Gela, Akragas, Selinus, die inmitten von Buchten gelegen , ein an-
gewiesenes Gebiet beherrschen. Dah^r die grössere Gesondertheit der west^
liehen y die grössere Zusammengehörigkeit der östlichen Städte, die sieh unter
158 Zweites Buch. III. Polit. Gesch. d. sicil. Städle bis z. Anf. d. füoflea Jahrh. v. Chr.
Anderm in häufigeren Eroberungen und Unterjochungen durch die Nachbarn,
in hiiußgeren Verpflanzungen der Einwohner von einer Stadt in die andere
äussert , und die den Aufschwung des wohlgeiegenen Syrakus wesentlich be~
fördert hat.
Das Zweite ist die Kleinheit der Gebiete. Es musst« offenbar etwasr An-
deres hinzukommen, um die Stödte gross und bedeutend zu machen, und dies
Andere war in den meisten Fällen eine ausgebreitete Uandelsthätigkeit. Eine
solche lässt schon die Lage der Städte voraussetzen bei Zankte und bei Syra-
kus, welches letztere nach dem oben über seine Mttnzgeschichte Bemerkten
schon früh mit Athen in Verbindung getreten sein muss. Von Akragas endlich
wissen wir, dass es im 5. Jahrhunden Afrika mit Oel und Wein versorgte ; es
ist möglich, dass dies bereits im sechsten begann. Ein Hauptzug des Handels
nach Hellas ging über Delphins Nachbarstadt Krisa, dessen Einwohner sich
durch Zölle bereicherten, mit welchen sie italische und siciiische Waaren
belegten.
Doch wurden die Städte in der freien Entwicklung ihres Handels durch
die Tyrrhener gestört , die früher schon ein Hindemiss der Niederlassung der
Hellenen auf Sicilien gewesen waren und später noch mit den Syrakusanern,
als diese auf dem Gipfel ihrer Macht standen, sich in lebhaftem Gonflict befan-
den. In älterer Zeit übernahmen besonders die Bewohner der Aeolischen Inseln,
die später gegen ihre Stammesgenossen auf Sicilien selbst entschieden zurück-
treten, den Kampf gegen die Tyrrhener, von denen sie ja auch zunächst zu
leiden hatten , obwohl die verwegenen Räuber auch die Meerenge von Zankle
durchschifilen und das sikelische Meer ebenfalls unsicher machten. Fortwährend
genöthigt, gegen sie auf ihrer Hut zu sein, gaben sie sich eine eigcnthamliche
Verfassung. Sie richteten Gütergemeinschaft und Syssitien ein — offenbar waren
die Gebräuche der alten sikelischen Bevölkerung der Insel hier von Einfluss —
und während die Hälfte von ihnen zur See die Tyrrhener bekämpfte, bebauten
die Uebrigen das Land. Nach einiger Zeit änderten sie dies dahin ab, dass sie
den Grund und Boden der Hauptinsel Lipara fest vertheüten, während die
anderen zum allgemeinen Nutzen bewirthschaftet wurden, und zuletzt theilten
sie sämmtliche Inseln in so viel.Loose, als Bürger da waren, aber mit Zurück-
nahme derselben und Neutheilung nach Ablauf jedes zwanzigsten Jahres. In
den Kämpfen gegen die Tyrrhener waren die Liparäer. die sich überdies durch
den Handel mit dem bei ihnen gewonnenen Alaun bereicherten , oft glücklich,
und Delphi empfing manchen Zehnten von der durch sie gemachten Beute.
Von Kämpfen unter den hellenischen Städten Siciliens hören wir ausser
von einem zwischen Leontini und Megara, von dem wir gesprochen haben, und
dem zwischen Syrakus und Kamarina, von dem noch die Rede sein wird, aus
dieser Zeit nichts. Das mag vor Allem an der Mangelhaftigkeit unserer Quellen
liegen , doch ist es möglich , dass das Gefühl der Zusammengehörigkeit aHer
Hellenen in dem fremden Lande längere Zeit hindurch noch gross genug war,
um dergleichen innere Zwistigkeiten wenigstens seltener zu machen.
Auch über die Beziehungen der Griechen zu den übrigen Völkerschaften
der Insel lassen sich nur allgemeine Andeutungen geben. Zu den Elymem und
besonders zu den Phöniciern stand man offenbar meist in gespannten Verhält-
Verkehr. Münze. 159
Di'ssea; die Sikaner waren theilweise Akragas unterworfen, zu den sikeUschen
Städten scheint dagegen ein freundliches , auf Anerkennung ihrer Unabhängig-
ieit beruhendes Verhältniss bestanden zu haben. Sonst wäre es unmöglich
gewesen , in Henna eine syrakusanische Kolonie zu gründen , sonst hätte ein
Verkehr dut'ch das Innere der Insel , wie er in dem Namen des selinuntischen
Thores in Akrai angedeutet liegt, nicht bestehen können. Selinus war die erste,
nach Akrai im Westen der Insel angelegte Kolonie ; Akragas , dessen Gebiet
zwischen dem von Akrai und Selinus lag, ist erst später gegründet worden«
Wenn also ein Thor von Akrai nach Selinus , nicht nach dem näheren und be-
deutenderen Akragas hiess, so stammt der Name offenbar aus der Zeit, wo die
letztere Stadt noch nicht bestand. Würde es aber wohl den Einwohnern von
Akrai eingefallen sein, das Thor das selinuntische zu nennen, wenn man durch
dasselbe nicht wirklich nach Selinus zog? Der Weg führte durch sikelisches
und sikanisches Gebiet ; die dazwischen wohnenden Völkerschaften haben also
offenbar dem Landverkehr der Griechen kein Hinderniss in den Weg gelegt.
Uebrigens waren einzelne sikelische Stämme den Syrakusanem zinspüichtig,
und wir sehen die Bewohner der sikelischen Stadt Petra in Beziehungen zu
Himera, wie sich aus dem Namen Petron, den ein Himeräer führte, ergiebt.
Sehr bemerkenswerth ist, dass die Griechen der Insel den Sikelern die
Rechnungseinheit ihres Münzvvesens entlehnten , indem sie als Grundlage des-
selben die Litra, das Pfund Kupfer, annahmen, deren Namen sie auch bei-
behielten. Jedoch prägten sie nicht etwa kupferne Münzen aus ; sobald sie,
was nicht allzu fillh geschah, selbst Münzen schlugen, waren diese aus Silber :
Gold wie Kupfer treten erst später auf. Die Litra in Silber ward nummos ge-
nannt. Die Beziehungen zwischen dieser Rechnungseinheit und dem Münzfusse,
der ja anfangs in manchen Städten der äginäische war, später aber überall der
attische nachsolonische , lassen sich nur für diesen letzteren nach Angaben des
Aiistoteles bestimmen, und es ist höchst wahrscheinlich, dass eine Silberlitra
der fünfte Theil einer attischen Drachme war, weshalb die Sicilier eine Deka-
drachme ein Fünfziglitrenstück nannten. Volistän4ige Serien von Münzen der-
selben Emission einer Stadt sind neuerdings besonders in Folge eines Fundes
kleiner Silbermünzen in Sicilien von Akragas bekannt geworden, wo nach einer
vereinzelten äginäschen Didrachme und altischen Didrachmen eine Serie von
Telradrachmen , Didrachmen, Drachmen und Bruchtheilen derselben nachge-
wiesen ist, mit dem Adler auf einer Reihe von Punkten oder einer ionischen
Säule einerseits und dem Seekrebs andererseits , und eine andere von Deka-
drachmen , Tetradrachmen , Didrachmen , Drachmen , Obolen mit dem Adler
über Hasen oder der Schlange auf dem Avers und dem Seekrebs auf dem Re-
vers. Auf einer Drachme der ersten Serie findet sich die Inschrift pen , wahr-
schein lieh fünf Litren bezeichnend. Die Syrakusaner variirten die Typen der-
selben Emission nach der Grösse der Stücke: hat die Tetradrachme ein
Gespann, so haben Didrachmen und Drachmen einen Reiter, die Litra, lange
das gewöhnliche syrakusanische Kleinsilber, einen Polypen, und der Obol ein
Rad mit vier Speichen. Epicharmos erwähnt Pentunkien , fünf Zwölftel einer
Litra als gebräuchlich, einen Bruchtheil, der offenbar wegen der Uebereinstim-
fflung mit dem halben attischen Obol gewählt war.
160 Zweites Buch. IV. Lileralur und Kunst derselben Zeit.
Auf die PhOnicier hatte, wie wir wissen , das Ueberhand nehmen der hel-
leniscbcn Niederlassungen in Sicilien zunUclist die Wirkung, daSs sie sich in
ihren drei Städten des Westens, Motye, Panormos und Solus concenirirlen. Es
mOgen deshalb aus dieser Zeit Erweiterungen der ersten beiden derselhen
stammen, welche sich bei Panormos in dem Vorkommen einer Neustadt nehen
der Altstadt, bei Motye in dem mehr vermulheten als sicher bezeugten Vorhan-
densein einer Nebensladt auf dem Festlande kundgeben. Wenn nun femer die
ganze Gegend zwischen Panormos nnd Solus im Alterlhum sttlriier bevölkert
war — und es scheint besonders auf dem Berge Cannita nicht blos ein sara-
cenischcs Schloss Kasr Sad, von dem man Nachricht hat, 5<Hidem auch eine she
phttnicische Stadt unbekannten Namens gestanden zu haben, von der als merk-
würdige Ueberreste zwei noch zu besprechende Sarkophage vorhanden sind—,
ao dürfen wir den Beginn solcher Niederlassungen wohl in diese Zeit versetzen.
Eine Einwirkung des orientalischen Elementes auf das hellenische dOrfle
in der aus dem Vorkommen des Hundes auf einer seli nun tischen Htlnze lu
schtiessenden Verbreitung des erycinischen Aphroditekultus nach Selinus lu
finden sein, einer Stadt, die wegen ihrer Lage solchen Einfhissen am meisU'n
ausgesetzt war: wir werden sie bei den> grosseh Feldzuge der Karthager na«^
Sicilien um das Jahr 480 sogar auf der Seile der Barbaren finden.
Viertes Kapitel.
Llteratnr und Knust derselben Zeit. *
So sehen wir die griechischen Sutdle Siciliens schon im ersten Zeilrsum
ihrer Geschichte ein reiches bürgerliches Leben entfalten. Verfassungen wech-
seln fest schneller noch, al&im Mutlerltinde; es fehlt nicht an Hünnem, die die
Kräfte der Städte ihren eigenen Zwecken dienstbar zu machen wissen, und
daneben treten andere auf, die ihre Mitbürger durch gute Gesetze zu etnein
friedlichen und glücklichen Dasein zu bringen suchen. Srctliens SUtdie nahmen
aber auch an der geistigen Entwicklung Griechenlands lebhaft Theil; sie blie-
ben in Poesie und Kunst nicht hinler dem Mutlerlande zurück, und ein sicili-
schcr Grieche reihte sich in die Zahl der Meister der hellenischen Dichtkunst.
Unter den Gründern von Syrakus befand sich Eumelos, der zu den
Dichtem des epischen Cyklus gezahlt wird. Er s<A\ eine Titanomachie verfasst
haben, ausserdem ein Epos, das sich auf seine Vaterstadt Korinth bezog, und
andere. Die eigenthümlicbe Nachrrcht, dass in der 69. Olympiade zuerst die
Homerischen Gedichte voq Kynaithos in Syrakus vorgetragen seien, hat man
vielmehr auf die 9. Olympiade iu beziehen gesucht. So ward die epische
Dichtkunst in Sicilien geehrt und gepflegt. Doch war e^entlich in der Zeit, da
die griechischen Kolonien der bisel sich entwickelten, die Bleiezeil der epischen
Poesie vorüber und die lyrische in voller Entfaltung begriffen. Diese umfassle
zwei HauplgattuDgen. Entweder stellte man die EmpfindongeQ und Geftlble
Stesichoras. 161
Einzelner dar, ein Zweig der Lyrik, der besonders von den Aeoliem auf Lesbos
ausgebildet wurde , oder der Dichter sprach im Namen einer Anzahl von Men-^
sehen, die sich zu bestimmten, besonders gottesdienstlichen Zwecken vereinigt
hatten. Dies ist die Lyrik der Chorlieder, die vor Allem der dorische Yolksstamm
pflegte. Denn kein anderer Stamm der Hellenen besass in Festen und festlichen
Versammlungen solchen Antpeb zur Ausbildung einer Dichtungsart, deren Er-^
Zeugnisse von Vielen gesungene Festlieder waren, als gerade der dorische.
Dazu kam die Liebe zur Musik und zu geordnetem , einen Theil des Kultus
bildendem Tanze, die die Dorier, zumal die Kreter und Spartaner, auszeichnete,
und so konnte sich gerade bei den Doriern eine Dichtungsart bilden, in welcher
die Elemente der Musik, der rhythmischen Bewegung und der Poesie zu einem
harmonischen Ganzen vereinigt waren. Der erste bedeutende Dichter dieser
Gattung war der in Lydien geborene , in Sparta lebende Alkman ; weiter aber
bildete die chorische Poesie der Hiroeräer Stesichoros aus.
Die Familie dieses berühmten Dichters stammte aus Matauros, einer lokri-
sehen Kolonie in Unteritalien, und hiermit hängt auch die von den Lokrem
festgehaltene Sage zusammen, dass Hesiodos sein Vater gewesen sei. Denn
dieser Dichter soll bei den Lokrem von Oinoe den Tod gefunden haben, wie es
heisst, durch zwei Brüder, welche die Schande ihrer Schwester Klymene an
ihm rächen wollten; der Sohn dieser Klymene wäre nun Stesichoros gewesen.
Nacb Andei*en geschah die Ermordung des Hesiod in Naupaktos. Wenn man
nun bedenkt, dass an diese Stadt sich eine Hesiodeische Sängerschule knüpfte,
welche das Gedicht Naupaktia hervorgebracht ha{, so liegt die Vermuthung
nahe, dass die Hesiodeische Abstammung des Stesichoros eben den Sinn haben
solle, dass der sicilische Lyriker aus der Hesiodeischen Dichterschuie hervor-
gegangen sei. Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dtiss wirklich die
Dichtung de» Stesichoros einen mehr Hesiodeischen als Homerischen Charakter
halt^. Sonst werden als Namen seines Vaters noch Euphorbos, Euphemos,
Uyetes genannt , und Eukleides — auch einer der Gründer von Himera führt
diesen Namen — scheint der Vater des Dichters auf einer unvollständig erhal-
tenen Herme desselben zu heissen. Gewöhnlich hält man den Namen Euphemos
für den wahren, weil schon Piaton ihn anerkennt. Auch für den Dichter selbst
erneuert sich die Frage nach dem ächten Namen, denn es ist überliefert, dass
er eigentlich Tisias hiess und Stesichoros, der Chorsteller, nur nach seiner
Thätigkeit genannt worden sei. Stesichoros, denn so müssen wir ihn mit dem
gesanamten Alt«*thum nennen, lebte zwischen der 35. und 56. Olympiade
(zwischen 6i0 und 556). Aus seinem Leben ist wenig bekannt. Auf den
Mund des Kindes setzte sich eine Nachtigall , den künftigen Dichter vorherver-
kündigend. Dass er sich in seiner Geburtsstadt viel aufhielt und dort in Ehren
stand, zeigt die nicht wohl zu bezweifelnde Geschichte von dem Antheile, den
er an der Ablehnung der verfänglichen Anträge des Phalaris durch die Himeräer
hatte. Aber auch nur diese feindliche Beziehung zum Tyrannen von 'Akragas
ist von Stesichoros bezeugt ; der sonstige , ziemlich freundschaftliche Verkehr
mit ihno, von welchem die Phalarideischen Briefe erzählen, bleibt unbewiesen,
und damit auch die Existenz und die Namen seiner dort vorkommenden
Töchter, wogegen Namen und Beruf seiner Brüder aus anderen Quellen glaub«-
Holm, Qeseh. Siciliens. I. 44 •
\
162 Zweites Bach. IV. Literatur und Kunst derselben Zeit.
licher berichtet sind. Dass er auch in Lokri lebte und angesehen war, sieht
man aus der Nachricht, dass er die Lokrer vor Hochmuth gewarnt habe mit
den Worten , sie möchten sich in Acht nehmen , dass nicht die Gicaden bei
ihnen auf der Erde sängen -^ wenn nilmlich die Feinde so ihre Ländereien
verheert hätten, dass diese Thiere, auf deren Gesang ja bekanntlich die Lokrer
den Rheginem gegenüber stolz waren, keine Bäume mehr finden könnten, dar-
auf zu sitzen. Der berühmteste Vorfall aus seinem Leben ist aber seine Er-
blindung und die Ursache und Heilung derselben. Er hatte in einem Gedichte
die Helena geschmäht und wurde durch Blindheit von ihr dafür gestraft, und
als er in einem andern Gedichte seine Worte zurücknahm, erhielt er das Augen-
licht wieder. Ich werde bald genauer auf diese Geschichte eingehen. Stesicho-
ros soll 85 Jahre alt geworden sein. Einige behaupteten, dass er in Katana
gestorben sei, wohin er aus dem arkadischen Pallantion gekommen wäre. Letz-
teres muss zweifelhaft erscheinen, das Erstere dagegen wurde dadurch bestä-
dass man sein Grab in Katana zeigen konnte. Es lag vor dem Thor, das
nach ihm das Stesichoreische hiess, und hatte 8 Stufen, 8 Ecken, 8 Säulen,
weshalb man die Zahl 8 mit dem Namen des Dichters in Verbindung brachte
und im Würfelspiel dieselbe Zahl Stesichoros nannte. Ein ebenso gestaltetes
Grabmal des Stesichoros befand sich aber nach Anderen in Himera. Es ist im
Alterthum nichts Seltenes, dass mehrere Orte sich um das Grab eines berühmten
Dichters streiten, und es pflegt dabei die Thatsache zu Grunde zu liegen, dass
sie sämmtlich von ihm hergeleitete Dichterschulen enthielten. Man hat ver-
muthet, dass die Achtzahl ursprtinglich bei der Eintheilung der Stesichoreischen
Gesänge vorgekommen sei , und dass diese wieder mit einer Eintheilung des
Volkes von Himera oder Katana in acht Phylen in Zusammenhang gestanden
habe. GrabscBriften auf ihn werden zwei überliefert, beide auf Katana hin-
deutend, die eine in lateinischer Sprache. Eine Statue des Stesichoros, die ihn
als gebückten Greis mit einer Rolle in der Hand darstellte, befand sich zu
Gicero^s Zeiten in Thermae. Scipio hatte sie aus Karthago, wohin sie als Beute-
stück von'Himera gekommen war, zurückgebracht und den Thermitanern als
Erben der alten Himeräer, überliefert. Eine andere beschreibt viel später
Chrislodor als im Zeuxippo^gymnasium zu Byzanz befindlich. Die Thermitaner
scheinen die Gestalt des berühmten Dichtete sogar auf ihre Münzen gesetzt zu
haben.
Es werden von Stesichoros 26 Bücher erwähnt , und es ist bemerkens-
werth, dass immer nur im Allgemeinen von seinen Gedichten die Rede ist und
nicht, wie bei andei*n Lyrikern, z. B. Pindar, bestimmte Gattungen derselben
unterschieden werden. Nur ein Päan findet sich citirt; ein Trauergedicht auf
eine Zeitgenossin ist wenigstens wahrscheinlich; im Uebrigen muss aber die
gross0 Masse der Gedichte einen und denselben Charakter gehabt haben : den
einer entschiedenen Anlehnung an das Epos. Stesichoros galt den Alten als
Epiker in lyrischer Form. Seine Gesänge, von denen nur geringe Bruchstücke
vorhanden sind, waren fast alle mythologischen Inhalts.
So dichtete er die Leichenspiele des Pelias. Bekanntlich war Pelias auf
Anstiften der Medea, die ihn zu verjüngen verhiess, zerstückelt worden, und
sein Sohn Akastos^veranstaltete bei seinem Begräbnisse grosse Spiele, an denen
Stesicboros. 163
die berühmtesten Heldeo Griechenlands Theil nahmen. Dass diese Spiele viel
gefeiert waren , zeigt sich dann , dass sie sich auch auf dem Kasten des Ky-
pselos, sowie an dem Throne von Amyklai dargestellt fanden. Unter den we-
nigen aus diesem Gedichte erhaltenen Fragmenten ist eins , in welchem die
Helden aufgefordert werden, von den Jungfrauen Speisen anzunehmen, Back-'
werk verschiedener Art und Honig, und das deswegen merkwürdig ist, weil
hier in der direkten Anrede an die Helden eine fast dramatische Lebendigkeit
der Stesichoreisehen Poesie sich offenbart.
Aas dem Kreise der Heraklessage waren mehrere Gedichte, von denen
Geryonis, [Kerberos und Kyknos genannt werden. Et oder nach Anderen der
Epiker Peisandros soll es gewesen sein , der zuerst dem Herakles $tatt der ge-
wöhnlichen Waffen eines Kriegers die Löwenhaut , den Bogen und die Keule
gab, mit denen er später dargestellt zu werden pflegte. Ein alter Schriftsteller
giebt ihm deswegen Schuld, dass er den Halbgott nicht wie einen Helden, son-
dern wie einen Räuber auftreten lasse. Aus dem Kerberos und dem Kyknos
des Stesichoros ist wenig bekannt, mehr aus seiner Geryonis.
Hier war er einer der Ersten , welche die Insel Erytheia , auf der Geryo-
neus wohnt, bei Tartessos in Iberien suchten. Er gab dem Riesen 3 Leiber,
6 Hände und 6 Beine und Flügel, und die spätere Kunst hat sich auch hier
nach dem sicilischen Dichter gerichtet. Stesichoros hat endlich der Sage von
dem goldenen Becher , in welchem Helios den Okeanos durchschifft , eine be-
sondere'Verbreitung gegeben und, wie es scheint, hinzugedichtet, dass Herakles
ihn von dem Gotte entliehen habe, um zu Geryoneus zu gelangen. Nach einer
früher von' uns angeführten Sage hat der Heros ihn auch noch auf seiner Rtick-
kebr und schifft in ihm nach Sicilien hinüber; auch dies mag von Stesichoros
herrühren. Jedenfalls sieht man, dass er den Zug des Herakles nach dem Westen
mit besonderer Sorgfalt behandelt hat ; der Umstand, dass der Heros auf dem-
selben auch Sicilien betrat, muss dem Dichter von Himera ein Sporn mehr zur
Bearbeitung dieses Gegenstandes gewesen sein. Er wird hierbei auf Sagen
seines Vaterlandes Rücksicht genommen, sie vielleicht zuerst poetisch aus-
gebildet haben. Herakles verweilte auf Sicilien bei den Quellen von Himera,
welche die Nymphen ihm zur Erquickung schufen; sollte der Himeräische
Dichter dies in seiner Geryonis übergangen haben ?
Ein anderes Gedicht des Stesichoros hiess die Saujäger. Es ist wohl un-
zweifelhaft , dass es die Geschichte der k'alydouischen Jagd , die zu so vielen .
Bildwerken Veranlassung gegeben hat, enthielt.
Thebanische Sagen behandelte er zunächst in seiner Europeia, wo Athene
es ist, welche die Drachenzähne säet. Ein anderes Stück desselben Sagenkreises
enthielt seine Eriphyle. Bekanntlich hiess so die Gattin des Amphiaraos , die
von Polyneikes durch das Geschenk eines Halsbandes bestochen, ihren Gemahl
gegen seinen Willen zur Theilnahme am thebanischen Kriege brachte und so
seine Mörderin wurde. Man hat vermuthet , dass Stesichoros der Handlungs-
weise der Eriphyle edlere Motive untergelegt habe. Wir wissen nicht, in wel-
chem Gedichte er die Sage von dem durch seine Mutter von Kadmos herstam-
menden Jäger Aktaion erzählt hat, in welcher er von den gewöhnlichen Berichten
wesentlich abwidi. Aktaion wird hiemach, weil er die Artemis im Bade be-
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lg4 Zweites Buch. IV. Literatar und Kunst derselben Zeit.
Inuscht, von ibr id einen Hirsch verwandelt und nun von seinen eignen Hun-
den zerrissen. Stesichoros dagegen sagte , Artemis habe, um Aktaion zu ver-
hindern, die Semele zu heirathen, ihm ein Hirschfell umgehängt, worauf ihn
seine Hunde zerrissen haltten. Wir werden sehen, wie die sidlische Kunst sich
die Auffassung des Dichters von Himera zu eigen gemacht h^.
Vielfach beschäftigte den Stesichoros endlich der troische Sagenkreis. Vor
Allem ist hier merkwtirdig die lliu persis, Ilions Zerstörung, worüber wir be-
sonders durch die Tabula liiaca unterrichtet sind, ein antikes Bildwerk mit
einer Reihe von, Scenen aus dem troischen Sagenkreise , unter denen die Zer-
störung der Stadt ausdrücklich als nach Stesichoros dargestellt bezeichnet ist.
Wir wollen nicht die einzelnen Scenen, welche das Werk enthalt, beschreiben,
nur das muss angeführt werden, dass in gewisser Weise Aeneas den Mittel-
punkt des Ganzen bildet. Seine Fahrt nach Hesperien — dieser Name steht auf
dem Bildwerke beigeschrieben — ist das Hauptresultat des trojanischen Krieges.
Wir haben also bei Stesichoros die Auffassung des grossen Kampfes vom Stand-
punkte des Westens, der sich von Aeneas herleitet, nicht von dem der Griechen,
deren Ahnen Troja zerstört hatten. Es ist klar, dass diese Einftthrung des
Aeneas, als des Haupthelden, in die griechische Literatur von Stesichoros her-
rUhi*t, der in seiner Heimat manche Spuren des Heros. 6nden mochte , und der
überdies zu Italien in engen Beziehungen stand. Dabei ist die Annahme nicht
gerade nothwendig, dass Stesichoros den Aeneas bis nach Latium führte; der
ihn begleitende Misenos deutet nur auf Gampanien hin, obschon andererseits, da
in Gampanien sich keine Spuren des dauernden Aufenthaltes des Aeneas finden,
bei der geringen Entfernung zwischen Hiitiera und den mit Latium offenbar
in Verbindung stehenden ElymersUtdten doch nicht unwahrscheinlich ist, dass
Stesichoros des Aeneas Gelangen nach Latium berichtete, wenn er auch vielleicht
Lavinium selbst nicht nannte. Eigenthümlich war noch dem sicilischen Dichter
die Auffassung des Epeios , der als Wasserträger von den Achäem gebraucht
wurde, und den Helena bemitleidete. Dies scheint keine besonders freundlichen
Beziehungen zu Metapont, der Stadt des Epeios, bei Stesichoros zu verrathen.
Wahrend in allen diesen Gedichten Stesichoros bekannte Figuren der Sa^e
verherrlicht hat, ist dies nicht der Fall in zwei andern, weldie die Ueberschrif*
ten Kalyke und Badine trugen, und die das Gemeinschaftliche haben, dass sie
eine unglückliche Liebe schildern. In jenem wurde erzählt, wie die Frau, nachj
der das Gedicht benannt ist, Aphrodite bittet, sie die Gattin des Euathlos wer-
den zu lassen, sonst wolle sie lieber sterben, und da Euathlos sie verschmähl
stürzt sie sich vom leukadischen Felsen herunter. Die Badine ist eine Jungfrai
aus Samos, die einem korinthischen Tyrannen als Gattin versprochen ist. Si^
fahrt zu ihm mit günstigem Zephyrwinde; es begleitet sie ihr Bruder, der al
Anführer einer Festgesandtschaft nach Delphi reist; ihr Vetter aber, der sij
liebt, .fährt auf einem Wagen nadi Korinth. Da erfasst Eifersucht den Tynrannei
und er lässt Beide tödten, sie und ihren Vetter; bald aber gereut ihn seil
That, und er richtet den Gemordeten ein £eiei*liches Begräbniss aus.
Man hat mit diesen beiden Gedichten auch seine Behandlung der Sage v(
Daphnis, dem jungen sicilischen Hirten, zusammengestellt; nicht ganz
Becht, da es sich bei Daphnis, wenn auch nicht um eine Figur der Heldensage,
t
Stesichoros. |65
doch immer der Sage, handelt, während Kalyke und Radine ihr nicht angehören^
und ferner, da Daphnis nicht, wie diese, ein fremder, sondern ein heimischer
Stoff ist. Stesichoros soll der erste Dichter gewesen sein, der den Daphnis be-
sang. Man hat ihn deswegen als den Urheber der bukolischen Poesie bezeichnet ;
mit Umgeht, wenn ftlr diese die Foi*m massgebend ist, welche sie bei Theokrit
hat. Besonders scheint die Blendung des Hirten bei Stesichoros voi*gekommen
zu sein , uod im Allgemeinen wird die Gestalt der Daphnissage , wie ich sie
oben nach Diodor entworfen habe, mit der Auffassung des sicilischen Dichters
übereinstimmen.
Ein Gedicht des Stesichoros bezog sich auf zeitgenössische Yeiiiältnisse,
wenn wir anders Recht haben, von den hierher gehörigen Notizen der Phalari-
deisdien Briefe anzunehmen, dass sie ausnahmsweise etwas Wahres mittheilen.
Es ist ein Trauergedicht auf den Tod der Syrakusanerin Kleariste , Tochter des
Echekratidas, Nichte und Gattin des Nikokles, mit dem sie 4 6 Jahre verbunden
gelebt hatte. Es ist nicht unmöglich , dass , während alles Andere . was von
Slesichoros in jenen Briefen vorkommt — sein freundschaftliches Yerhäitniss
zum Tyrannen , seine Töchter und deren Beziehungen zu Phalaris nach dem
Tode des Dichters -*- höchst wahrscheinlich erfunden ist, die Beziehung auf ein
Gedicht des StesidioiX)S der Wahrheit entspricht, da ja, wenn in einem Punkte,
der sich noch durch einen Blick in die Werke des Dichters als richtig oder un-
ncfatig nachweisen liess, die Briefe sich wahrheitsgemäss zeigten, dies der
kräftigste Antrieb sein musste , ihnen auch im Uebrigen zu glauben und sie
überhaupt für Ucht zu halten. Doch kann diesem Grunde eine unbedingte Be-
weiskraft nicht zugestanden werden , zumal da es im Alterthum noch schwerer
war als heutzutage, den wirklichen Bestand der Werke eines bertthmten Schrift-
stellers festzustellen.
Endlich wird ein Päan des Stesichoros erwähnt, ein Lobgesang, nach
Tische zu singen, der noch zu den Zeiten des Tyrannen Dionys beliebt war.
Wenn ausser der Fabel vom Hirsch und Pferd, die Stesichoros den Hi-
meräem vorgetragen haben soll , nocb eine andere von ihm erzählte erwähnt
wird, so ist daraus nicht auf besondere Gedichte zu schliessen, die dieser Gat-
tung angehört hätten; die Fabel kann in einem anderen seiner Werke vor-
gekommen sein, ihr Inhalt ist folgender. Ein Arbeiter, von Landleuten, die
bei der Ernte beschäftigt sind, zum Wasserholen ausgeschickt, findet bei der
Quelle einen Adler mit einer Schlange im Kampfe und im Begriff zu unterliegen.
Er iödtet die Schlange uAd befreit so ihren Gegner. Nun schöpft er den Trunk
und bringt ihn den Landleüten. Als diese getrunken haben, setzt er ebenfalls
das Gefass an den Mund, um seinen Durst zu löschen; da kommt der Adler
herfoeogeflogen und schlägt es ihm aus der Hand, so dass der Inhalt verschüttet
wird. Dem Thiere zürnend, geht er fort; aber kaum ist er einige Schritte weit
gegangen, als er, sich umwendend, die Andern im Todeskampfe daliegen sieht.
Die Schlange hatte das Wasser der Quelle vergiftet , und der Adler , der das
wusste. ihm zum Danke für seine eigene Erhaltung das Leben gerettet. Man wird
nicht mit Weicker behauplen dürfen , dass diese Fabel zu gekünstelt sei , um
des Steächoros würdig zu sein. Sie ist' ein Gegenstück zu der undankbaren
Schlange und dem Bauer.
166 Zweites Buch. IV. Literatur und Kunst derselben Zeit.
Für die Kenntniss des Charakters der Gedichte des Stesichoros sind wir
mehr auf die beurtheilenden Nachrichten der Alten , als auf das direkte Zeug-
niss der wenigen Ueberreste des Dichters angewiesen. Die Alten schätzten ihn
ausserordentlich hoch. Sie stellten ihn dem Homer nahe, dem er auch nach-
geeifert haben sollte. Nach Quintilian erfüllt er als Lyriker die Pflichten eines
epischen Dichters , und der römische Kritiker würde ihn als dem Homer zu-
nSichststehend betrachten, wenn er verstanden hätte, Mass zu halten, und nicht
eine zu grosse Wortfülle entfaltet hätte. Besonders rühmt er die angemessene
Würde, welche die Figuren des Dichters in Handlungen wie in Reden offenbaren.
Anderen erschien er gerade dadurch lieblich, dass er viele Beiwörter gebrauchte.
Die Verbindung von Kraft und Lieblichkeit bei ihm bewirkt, dass Dionys ihm
wie dem Homer selbst den von ihm besonders hochgeschätzten mittleren Cha-
rakter beilegt.
Es ist höchst wahrscheinlich, dass Stesichoros der erste Dichter war, der
zu den bis dahin bestehenden zwei Gliedern der Ode , der Strophe und der
Antistrophe, das dritte, die Epodos, hinzufügte und so den kunstmässtgen Bau
der chorischen Ode vollendete , wie er seitdem in Geltung blieb. Denn wenn
dies auch nicht ausdrücklich von den Alten überliefert wird , so knüpft sich
doch an seinen Namen das Sprichwort : die Drei des Stesichoros , welches auf
seine Gestaltung des Chores gedeutet wird, und warum sollte man, wenn schon
ein Anderer vor ihm die Dreitheilung der Ode erfunden hätte, gerade mit seinem
Namen diese Zahl verbunden haben? Dagegen ist nicht anzunehmen, dass er
auch der Erste war, welcher der Lyrik einen epischen Charakter gab, während
es allerdings sicher ist, dass dies keinem Andern so gut gelang wie ihm. Schon
der Lyriker Xanthos, der älter war als er, und den er nachgeahmt haben soll,
hat Gedichte verfasst, welche ähnliche epische Titel führen, wie die des
Stesichoros.
Man rühmte an unserem Dichter, dass er eine grosse Fertigkeit in der Dar-
stellung der Liebe besessen habe. Daraus folgt nicht, dass er eigene Liebes-
lieder gedichtet hat — wenn man die Kalyke und Radine nicht etwa als solche
bezeichnen will — . ebenso wenig, wie daraus, dass Verse des Stesichoros als
Skolien bei Tisch gesungen wurden, folgt, dass er eigene Skolien verfasste«
Bekanntlich wurden auch die Homerischen und andere Gedichte — so [die Ge-
setze des Charondas — bei Tische in der Weise gesungen y dass die Ueber-
reichung eines Zweiges als Aufforderung galt, fortzufahren, und [ausser dem
öffentlichen Vortrag, z. B. in Theatern, ist gerade dieses Singen bei -Tische ein
Hauptmittel gewes^i , die Werke unseres Dichters im Gedächtnisse des Volkes
zu erhalten.
Ursprünglich dagegen sind sie von ganzen Chören bei Festen gesungen
worden. Diese Feste waren die der Götter und Heroen der sicilischen und ita-
lischen Griechen , weshalb die Sagen , welche in Unteritalien und Sicilien sich
an die ächthellenischen Helden knüpften , dem Dichter den Stoff ^zu den Chor—
gesängen geben mussten.
In diesem Zusammenhange wird auch die berühmte Geschichte von der
Palinodie oder dem Widerrufe des Stesichoros, die wir vorhin nur oberfläehlidi
berührt haben, verständlicher. Er wurde blind, weil er die Helena verleumdete,
Stefticboros. Palinodie. 167
uml wieder sehend, als er die Verleumdung zurttcknahm und sang, Helena sei
gar nicht nach Troja gekommen. Aber wie erfuhr er, weshalb er das Augenlicht
verlpren hatte? Piaton sagt, Stesichoros habe als Vertrauter der Musen die Ursache
seiner Blindheit erkannt; nach Suidas wurde sie ihm im Traume eröffnet, ein
Anderer nennt das Orakel des Apollon. Ganz ausführlich und eigenthümlich ist
aber die Erzählung des Pausanias, der in einigen Stücken von Hermeias, einen)
Erklärer Platon's, ergänzt und berichtigt wird. Als dieKrotoniaten mit|den Lokrern
und Rheginem Krieg führten, wurde die Sdilacht am Flusse Sagra geliefert, in
welcher die an 2<ahl schwächeren Lokrer dennoch mit göttlichem {Beistande
siegten. In dieser Schlacht wurde der Krotoniat Leonymos oder Autoleon von
unsichtbarer Hand an der Brust verwundet, als er an einer Stelle der^Schlacht-
reibe eindringen wollte,, welche die Lokrer unbewacht gelassen hatten, da hier
nach ihrem Glauben die sie schützenden Heroen standen. Er wandte sich, als
er sonst keine Heilung zu finden vermochte, an die Pythia, und diese gebot ihm,
nach der Insel Leuke im Pontes Euxeinos zu fahren, wo der, welcher ihn ver-
wundet, ihn auch heilen werde. Hier erschienen ihm die Heroen im'Schlaf und
eröffneten ihm , dass ihm Genesung beschieden sei. Auf dieser Insel wohnten
aber AchHleus und die beiden Aias nebst Helena , der Gemahlin des Achilleus,
welche den Leonymos aufforderte , sich nach Himera zum Stesichoros zu be-
geben und diesem mitzutheilen, sie sei es, welche ihn seines Augenlichts beraubt
habe, aus Zorn darüber, dass er sie geschmäht. Homer^s Blindheit habe densel-
ben Grund gehabt, und er möge nun in einem andern Gedichte sane Verleum-
dungen widerrufen. So erzählten übereinstimmend die Krotoniaten'und die
Himeräer. Und der Umstand, dass dieser eigenthümliche Bericht von*denXands-
leuten des Dichters herrührt, giebt ihm eine gewisse Autorität. Wenn^wir ihn
nun genauer betrachten, so f^llt uns die Erwähnung von Lokri^auf, mit dem
ja des Stesichoros Familie zusammenhing, und sodann die gewisser Heroen.
Wer sind sie? Offirabar die Dioskuren, deren Hülfe es nach anderen Berichten
-war , welche die Lokrer in der Schlacht am Sagra rettete. Die Dioskuren aber
sind die Brüder der Helena. Sie wurden in Lokri hoch geehrt, und es ist natür-
lich , dass auch ihre Schwester an dieser Verehrang Theil hatte. Wenn dies
aber der Fall war, so liegt auf der Hand, wie die Palinodie entstehen musste.
Stesichoros erhielt von den Lokrern den Auftrag, in ihrem Namen die Dioskuren
und ihre Schwester in einem öffentlich vorzutragenden Gedichte zu feiern. Wie
sollte er sich in Bezug auf Helena verhalten , die ja durch die epische Poesie
nicht eben in den besten Ruf gekommen war, und die er selbst früher, der
gewöhnlichen Sage folgend, in einer Weise geschildert hatte, die sie für öffent-
liche Verehrung nicht besonders geeignet machte? Er musste sie preisen ; war
er nicht genöthigt, eine Palinodie zu schreiben? Wir nehmen also nicht die
Blindheit des Dichters , sondern seine Abfassung einer Palinodie als die sichere
Thatsache, und wir glauben vollständig dazu berechtigt zu sein. Denn die
sichersten Spuren, welche die alten Dichter hinterlassen haben, sind ihre
Werke; ihre sonstigen Lebensumstände dagegen sind, wenn sie sie nicht selbst
in ihren Gedichten mitgetheilt haben, stets sehr unsicher. Wenn nun die* Ent-
stehung der Palinodie des Stesichoros sich so auf eine natürliche und unge-
zvmngene Weise erklären lässt, so ist es nicht mehr nothwendig, sie von einer
16g Zweites Buch. IT. Literatur und Kunst derselben Zeit
angeblichen Blindheit des Dichters abhangig zu machen. Und ttberdies sind <Üe
Nachrichten von dieser so schwankend, dass z. B. Isokrates gemeint zu haben
scheint, Stesichoros sei, als er die Helena in einem Gedichte geschmäht, äugen—
blicklidi blind geworden und wieder sehend , als er dasselbe Gedicht in einem
andern Sinne fortführte. Es kann nun sein , dass Stesichoros wirklich erblin-
dete , und dass -er dies seiner Schmähung der Helena zuschrieb ; es ist aber
auch möglich , dass man ganz irrthtlmlicher Weise die Blindheit des mit Homer
vei*glichenen Dichters aus von ihm gebrauchten Ausdrücken geschlossen hat,
die etwas^ ganz Anderes bedeuten sollten.
Wie dem auch sein mag, nur die Palinodie ist als eine Thatsache zu be-
trachten. Wie stand es nun aber mit dem Inhalte dieses Gedichtes? Wenn
Helena nicht die leichtsinnige Frau sein sollte , fttr die sje gewöhnlich gehalten
wurde , so blieb kaum ein anderer Ausweg übrig , als der , dass die äusseren
Lebensumstände , die von ihr erzHhIt wurden , falsch waren ; sie durfte ins-
besondere nie dem Paris gefolgt und nach Troja gekommen sein.' Dann musste
aber Stesichoros erklären , welchen Ursprung die gewöhnliche Ansicht habe,
wie es komme^ dass man Helena nach Troja entführt geglaubt, endlidi wo sie
in Wirklichkeit während des trojanischen Krieges gewesen sei, der ^uf diese
Weise ein Krieg um Nichts wurde. Hier ist nun Eins klar.. Er musste das
Hülfsmittel anwenden, das schon Homer beiip Aeneas gebraucht; ein Schatten-
bild der Helemä ging mit Paris nach Troja , die wirkliche Helena blieb zurück.
Möglich ist nun überdies noch, dass Stesichoros nicht einmal nöthig hatte, dies
Auskunftsmittel selbst zu ersinnen^ das ihm ja eine irgendwo bestehende locale
Sage an die Hand geben konnte , in welcher nach Analogie der Sage von der
Iphigenia, die nach Tauris entführt wird, auch Helena irgend wohin in Sicher-
heit gebracht wurde, während ihr Schattenbild den Paris begleitete. Die spä-
tere Ueberlieferung , wie sie besonders von Euripides dargestellt ist, lässt
Aegypten dies Land sein, und Herodot erzählt aus dem Munde der ägyptischen
Priester eine ähnliche Geschichte, nur mit dem für Stesichoros nicht passenden
Unterschiede , dass Helena dem Paris bis Aegypten folgt und erst hier von ihm
getrennt und zurückgehalten wird. Es kann übrigens audi die Mi*giichkeit
nicht ausgesdhlossen werden , dass Slesichoros die vrirkliche Helena irgendwo
in der Nähe ihrer Heimat weilen liess.
Endlich muss in Bezug auf den Vortrag der Stesichoreischen Gedichte noch
erwähnt werden, dass nach Aristoxenos die Frauen der alten Zeit die Ode Ka-
lyke sangen. Wir haben uns also dies Gedidbt und ebenso die Badine als von
Frauenchören öffentlich vorgetragen zu denken , während die heroischen Ge-
dichte des Stesichoros von Männerchören gesungen wurden.
Die Versmasse des Stesichoros sind ziemlich einfach; er hat besonders Tiei
daktylische Verse, in denen er, was ihre Länge betrifft, nicht selten über den
Hexameter hinausgegangen ist. Seine Sprache ist nicht der reine dorische
Dialekt; sowohl seine Heimat Himera, in welcher dorische und ionische StacEH-
meseigenthümlichkeit sich mischten, als auch seine Annäherung an die epische
Poesie bewirkten , dass er sich einer aus dorischen und ionischen Elementen
zusammengesetzten Sprache bediente.
Stesichoros trügt in manchen Beziehungen einen acht sioiiischen Charakter.
Stesichoros« Ibykos. I59
Wir l^ben schon gesehen^ dass er gern soldie Sagen erzählt^ die sich nnf seine
heimatliche Insel beziehen , und dass die Wanderungen des Herakles und des
Aeneas nach dem Westen zuerst von ihm ausführlicher in griechischen Versen
vorgetragen zu sein scheinen, so dass man von ihm sagen könnte, er habe
sein Vaterland in die griechisdie Poesie eingeführt. Einen siciiischen Charakter-
zug finden wir femer in aeiner Vorliebe für prächtige Worte, die sich noch bei
anderen Schriftstellern unserer Insel «eigen wird. Dürfen wir endlich noch
hinzufügen, dass , w^enn in der lyrischen Heldenpoesie Stesichoros bei der Be-
schreibung von Leckerbissen verweilt, die bei einem Feste ausgetheilt werden,
dies den siciiischen Hellenen sehr behagen musste , bei denen die Vorliebe für
gute Rost ein hervorstechender Charakterzug war?
Seinem Andenken ist denn auch noch das neuere Sicilien treu geblieben.
Wie das alte Rata»a ein Stesidioreisches Thor hatte, so hat des jetzige einen
Stesidioreischen natz und eine Stesichoreische Strasse. Ihren Hintergrund
bildet der gewaltige Aetna , den der Dichter in seinen Weriien nicht vergessen
haben wird.
An Stesichoros schliesst sich in manchen Beziehungen Ibykos aus Rhe-
gion. Er war der Sohn des Phytios , nach Andern des Polyzelos , eines Mes-
seniers, was vielleicht so zu vereinigen ist, dass Polyzelos der Grossvater dea
Ibykos war und zu den Rheginem gehörte, die aus Messenien stammten.
Ibykos lebte um die 60. Olympiade. Er hielt sich am Hofe des Tyrannen
Polykrafes von Samos auf, doch hat er auch in Italien und Sicilien gelebt. Auf
einer Reise von Ratana nach Himera soll er vom Wagen gestürzt sein und sich
die Hand verletzt haben , worauf er Apoll als seinem Erretter aus grösserer
Gefahr seine Leier weihte. Bekannt ist sein Tod durch Rauber, welche durch
den Ruf: »Sieh da die Rraniche des Ibykos<( sieh selbst verrathen, so dass die
Worte sprichwörtlich wurden. Eine alte Naöhricht verlegt die Scene der Be-
gebenheit nach Rorinth ; da wir sonst nicht wissen, dass der Dichter, der übri- .
gens das Greisenalter erreichte, sich in Hellas aufhielt, so könnte sein Tod auch
in seinem Vatedande, in Italieh, Statt gefunden haben, zumal da wir von sei-
nem Grskbtnal in Rhegipn hören. Ibykos war vorzüglich als erotischer Dichter
geschätzt, da er aber vielfach mit Stesichoros verbunden erscheint, und z. B. bei
manchen Gedichten alte Schriftsteller unentschieden waren , ob sie sie Stesi-
choros oder Ibykos zuschreiben sollten, so ist anzunehmen, dass er ausser
erotisdien Gedichten auch solche geschrieben hat, die den heroischen Charakter
der Stesichoreisohen Poesie trugen. In diesem Zusammenhang verdient auch
seine Besiehung zu Himera und Ratana Beachtung.
Die Gedichte des Ibykos wurden in 7 Bücher getheflt. Untei* den wenigen
aus. ihnen erhaltenen Fragmenten gestatten einige die Vermuthung , dass der
Dichter in Stesichoreischer Weise den troischen Sagenkreis > die Sage von den
Argonauten , die von Herakles , endlich Aetolische Geschichten behandelt hat.
Ein anderes Gedicht scheint zur Verherriichung der ortygischen Artemis ge^»
schrieben zu sein. Eine sonderbare Fabel hatte Ibykos, wie andere Dichter,
erzählt. Zeus gab denen, welche entdeckt hattefi, dass Prometheus das Feuer
gestohlen ^ ein Zaubermittel gegen das Altwerden/ Das luden sie einem Esel
auf, der an eine Quelle wollte, um zu trinken. Aber eine Schlange, welche die
170 Zweite) Bucb. IV. Uteralnr ODd Knnst derselben Zeil.
Quelle bewachte, liess ihn nur unter der Bedingung lu, dass er ihr das Zauber-
mitlel abtrat. So wurde sie wieder jung, ertiielt aber den Durst des Esels mit
in den Kauf.
her Dialekt des Ibykos war der Rfaeginische, der viel D<»i5ches enihielt.
Zu einer andern Dichtungsart, der dramatischen, die zu Anfang des
5. Jahrb. vor Chr. ihre erste Blute erreichen sollte, wurde schon früh der Grund
gelegt durch die iambischeo Spottgedichte des Aristoxenos aus Selinus, von
denen nichts Näheres bekannt ist.
Um aber die Stufe der geistigen Entwickelung , auf welcher Sicilien sich
in dieser Zeit befand, besser würdigen tu können, müssen wir ausser den
Dichtem , welche aus Sicilien selbst hervorgingen oder doch durch Geburt und
Bildung der Insel ganz nahe standen , noch diejenigen nennen , von denen es
bekannt ist, dass sie auf der Insel verweilten und dort mit Heifall gehtirt wur-
den. Hierher gehört A r i o n , der sich, wie wir aus Herodot wissen, auf Sicilien
eines grossen Erfolges erfreute ; seine Dithyramben konnten in der That den
Sikeliolen als eine Ausbildung ihrer eigenen munteren lün^lichen Festgesan^
erscheinen. Auch Sappho war in Sicilien, vie die Pansche Chronik sagt, aus
Lesbos vertrieben. In einem erhaltenen Fragmente erwähnt sie Panorntos als
Sitz der Aprodile; es ist aber keineswe-gs sicher, dass dies Panormos das sici-
liscfae ist. Endlich dürfen wir nicht Ubet^ehen. dass zwei Hen'Schenaller nach
Sappho der Hegarer Tbeognis, der Dichter der aristokratischen Elegie, »cfa
im sicilischen Megara aufhielt, wo er auch das BUi^erredit erwarb. Er hat ein
Ge4icht auf die bei einer Belagerung geretteten Syrakusaner geschrieben. Ob
di^ sich auf den Kampf des Hippokrates von Gela mit Syrakus und die Nieder-
lage der Syrakusaner am Heloros bezieht, wovon bald die Rede sein wird, ist
unsicher. Wir werden später noch das Gnomische in der Poesie in Sidlioi
beliebt ßnden, der Charakter des Thec^nis entsprach also vollkommen den
Neigungen seiner sicilischen Zuhörer.
Aus dieser Zeit sind auch die ältesten Ueberresle griechischer Kunst, die
Sicilien aufzuweisen hat, und die den Beweis liefern, dass unsere Insel auch ia
dieser Hinsicht dem Hulterlsnde ebenbürtig war. Sie finden sich in Selinus,
dessen gewaltige Trümmerhaufen seit Jahrhunderten schon das Erstaunen und
die Bewunderung der Heisenden erregt haben. Wir wissen, dass die Ruinen von
Selinus in zwei Gruppen zerfallen, von denen die eine östlich von dem Hafen
der Stadt, auf einer nicht sehr hoch gelegenen Ebene, die andere westlidi
von demselben auf einem kleinen Hügel liegt. Auf diesem , dem sogenannten
BurghUgel, hat man aus der Hasse der Trümmer die Ueberreste von vier Tem-
peln ausgesondert , deren Grundrisse, mit Ausnahme des kleinsten von ihnen,
sich noch deutlich erkennen lassen. Die Tempel lagen hier, wie auf dem Ost-
lidien Plateau, in geringer Entfernung nebeneinander auf^iner von Norden
nach Süden sich erstreckenden Linie, und zwar natürlich so, dass ihre schmalen
Seiten nach Westen und Osten gerichtet waren. Von diesen Tempeln ist der
drille von Süden gerechnet, vielleicht dem Herakles gewidmet, jetzt gewöhnlich
C bezeichnet, da man für keinen der selinuntischen Tempel einen traditionellea
Namen hat , der älteste , und der, mit dem wir uns jetzt genauer zu beschäf-
tigen habeo.
Tempel. Seiinas. 17 t
Er ist im dorischen Style erbaut , wie die meisten erhaltenen Denkmäler
Siciliens, zeigt aber, \vie auch andere derselben , manche Abweichungen von
dem klassischen Dorismus der attischen Bauwerke.
Es ist ein Peripteros, d. h. er hat einen vollständigen Säulenumgang. Die
Zahl der Säulen beträgt an jeder der schmalen Seiten sechs , an den beiden
Lahgseiten je siebenzehn, die Ecksäulen jedesmal mitgerechnet. Dies Verhältr-
niss der Säulenzahl ist ein ungewöhnliches. Bei den attischen Monumenten dos
dorischen Styls pflegt die Anzahl der Säulen jeder Langseite die der beiden
schmalen Seiten zusammengenommen nur um eine zu Übertreflen. Der älteste
selinuntische Tempel ist also im Yerhältniss zu seiner Breite ungewöhnlich lang,
und würde es noch mehr sein, wenn nicht die Zwischenräume der Säulen an
der Vorder- und Bückseite grösser wären als an den Langseiten, die Säulen in
den letzteren also gedrängter ständen. Hn der Ostseite, der Vorderseite dieses
wie der meisten hellenischen Tempel , entsteht durch eine Wiederholung der
vorderen Säulenreihe eine doppelte Vorhalle, die aus zwei gleich tiefen Räumen
besteht ; man könnte fast vermuthen, dass di^ Verdoppelung der Vorhalle nicht
im urspillnglichen Plane gelegen hätte, um dann auf diese Weise die unver-
hältnissmässige Länge des Tempels zu erklären. Der eigentliche Tempelraum,
dessen Seitenmauem ziemlich weit von den Säulenreihen abstehen, zerfällt in
drei Theile. Von dem ersten derselben, dem sogenannten Pronaos, der vorne
nicht, wie sonst gewöhnlich ist, Säulen zwischen Seitenpfeilem (Anten) hat,
sondern bei dem die einander nahe tretenden Mauern den Eingang bilden,
führten in die eigentliche Gella Stufen, von denen eine sich innerhalb der
Thüröffnung selbst befand. Der Stylobat, d. h. der Unterbau, auf welchem der
Tempel ruht , hat an den Langseiten und im Westen drei grosse Stufen ; an
der Ostseite dagegen , wo man den Tempel betrat, neun niedrigere, die das
Hinaufsteigen erleichterten. An der Vorder- und Rückseite ist das Verhällniss
der Höhe der Säulen zu ihrem untern Durchmesser nicht ganz wie 5:1, und
die Verjüngung derselben beträgt fast Y4 des untern Durchmessers , während
sie bei den attischen Monumenten wenig mehr als Ve ^^' ^^ ^^^ Langseiten
sind die Verhältnisse ein wenig anders und die Säulen unten etwas weniger
dick, so dass auch hierdurch wieder einigermassen eine Ausgleichung der Un-
regelmässigkeit angebahnt ist , welche durch die \ 7 Säulen der Langseiten im
Yerhältniss zu den sechs der schmalen Seiten entsteht. Der Echinus ladet sehr
stark aus. Die Säulen waren theilweise monolith ; der Rest hatte bis zu 6 Trom-
meln. Eine der monolithen an der Südseite misst 25 engl. Fuss. Das Gebälk
ist ziemlich schwer, da es fast die Hälfte der Säulenhöhe misst. Es besteht aus
sehr grossen Blöcken ; einer von der nordöstlidien Ecke ist 4 5' 8" X 5' 1 0"
X 3' i" gemessen worden. Die Dielenköpfe haben die Eigenthümlichkeit, dass
sie schlag hervortreten und über den Metopen nur halb so breit sind, wie über
den Triglyphen ; auch haben jene schmäleren nur 3 Tropfen , während diese
6 zählen. Die Triglyphen sind abweichend von dem späteren Gebrauche nur
um Weniges schmäler als die Metopen , was auch bei den übrigen selinunti-
schen Tempeln, mit Ausnahme; der beiden jüngsten (E und G}, der Fall ist, so
wie auch eben dieselben das starke Ausladen des Echinus mit unserem Tempel
gemein haben. Die kürzlich gefundene nördliche Ecktriglyphe der Ostfronte,
Zweites Buch. IV. Literatur und Kunst derselben Zeil.
Is die (ibrigen , zeigt in den Vertiefungen zwei sich in gebrochenem
isam mensch Hessen de Leisten.
kl man sich nun diesen Tempel mit den aogegebenen Eigenthtünlich-
is den Trümmern, in denen er liegt, wieder erhoben, so macht er ent-
den Eindruck eines voriLlassiscben Bauwerkes. Seine ungewöhnliche
1 Yerhültniss zu seiner Breite, der ungleiche Durchmesser der Saalen
stari:e Verjüngung , die grosse Weile des Umgangs , die Schwere des
1, die ungleiche Breite der DielenkCpfe — dies Alles Issst auf die Ent-
;speriode des dorischen Styls, auf ein htiberes Älter des Gebäudes
a. Diese Vermuthung wird aber noch besonders durch die im Jahre
n den «ngliscfaen Architekten Harris und Angell entdeckten Metopen
jmpels bestätigt.
le Bildwerke sind aus dem compacten Tuff der Umgegend von Selinus
i) gearbeitet und gehören der Vorderseite des Gebäudes an. Auch die
te trug, wie aufgefundene Bruchstücke beweisen, mit Sculpturen be-
etopenptatten, wogegen die Metopen der Langseiten, von dräen eben-
h Fragmente gefunden sind, glatt waren. Die Platze, welche die von
en Engländern entdeckten, i' 9'/i" hohen und 3' e'/^" breiten Bildtafeln
in, haben genau bestimmt werden kennen ; es waren, von der Becfalen
hauers gezüblt, die dritte, vierte und fünfte Hetope. Die erste der-
at von den Entdeckern aus 48, die zweite aus 32, die dritte aus
stucken zusammengesetzt werden müssen. Die beiden ersten sind in
iehung wichtiger als die dritte, an welcher die Haupuheile der Figuren
erste Platte zeigt einen M^nn von äusserst kräftigen Formen mit regel-
eordnetem, kurzem Haar, einem kurzen Schwerte und einem von
irtel um den Leib zusammengehaltenen kurzen Gewände. Er schreilet
i nadi rechts , indem er dabei sein Gesicht dem Zuschauer voll tw-
and b^gt an einer Über den Nacken gelegten Stange zwei Männer,
terschenkel auf derselben befestigt sind , und welche mit unter der
sammengcbun denen Armen von ihr herabhängen. Ihre Haare sind
sig geordnet und Über der Stirn kurz; doch fallen die unter den
festigten Flechten in symmetrischen Bogen über dieselben faemntcr.
, Annen und Beinen sind die Biemen sichtbar, mit denen sie gebunden
e beiden MHnner hangen ganz symmetrisch zu beiden Seiten des Tre-
erab, die FUsse auf der Sl«nge dem Kopfe desselben zugewandt, die
genden Kopfe dagegen von Vbme sichtbar*. Es ist die Darstellung eines
^rs des Herakles mit den Kerkopcn, koboidartigen , bssslichen Wes^i,
ene<±l und ihm Keule und Bogen oder Kleider gestohlen hatten. Zar
nd er zwei von ihnen , welche er gefangen hatte, — sie hiessen Pas—
1 Akmon, Hammer und Ambos — mit den Füssen an eine Stange tmd
ort ; doch kamen sie durch einen Scherz über die schwarze Hialer-
s Stegers, den sie dadurch lachen machten, frei,
nächste Hetope stellt einen ebenfalls von links nach rechts schreitenden
, angethan mit kurzen Stiefeln, die an ihrem oberen Ende durch eine
1 hinausgehende Volute geziert sind , mit einem kurzen , durch einen
Mekopeo. )73
•
GUrlel zusammengehaltenen Gewände und einem runden Hute, unter dem sich
kurze Haare zeigen. Er fnsst mit der Linken ein rechts neben ibm mit einem
Knie auf die Erde hingesunkenes Wesen bei der Kopfbedeckung und schneidet
mit der Rechten demselben den Kopf ab. Dies Wesen hat einen grossen Kopf
mit regelmässigen , runden Löckchen über der Stirn und über die Schultern
herabfallenden Locken oder Bändern ; es fletscht die Zähne , un^er denen zwei
besonders weit hervorragen, und streckt die Zung^ aus; mit der Rechten
drückt es ein kleines springendes Pferd fest an seine Seite. Auf der anderen
Seite des Mannes steht gerade ausblickend , wie die beiden soeben beschriebe-
nen Figuren eine weibliche Gestalt , in ein in regelmässigen Fallen herunter-
hängendes Gewand gekleidet. Das Haai* ist über der Stirn in kurzen Well^
geordnet und fällt hinten weit über den Nacken herab. Hier ist Perseus dar-
gestellt, wie er mit dem Beistande der Athene der Medusa den Kopf abschneidet.
Hedusa's Kind ist Pegasos, das Flügelpferd, welches, als Perseus sie tödtet^ aus
ihrem Blute hervorspringt. Hier ist die Sage etwas anders gewandt; denn
noch lebend hält sie den Pegasos im Arme , wenn dies nicht etwa nur eine
symbolische Darstellung der gewöhnliche Sage ist.
Die dritte Metope, bei der der grössere Yorsprung der Platte , auf weldier
die Figuren stehen , — 4 4 Zoll gegen 6 Zoll bei den beiden ersten — auffällt,
zeigt ein gerade nach vorn gerichtetes Viergespann, dessen zwei äussere Pferde
die Köpfe nach aussen biegen, während die mittleren, welche etwas niedrigere'
Köpfe haben, gerade ausblicken. Zwischen den mittleren zeigen sich Brust,
Kopf und Arme eines Mannes (nach Göttiing ein^ Frau) . Hinter dem rechts
vom Zuschauer befindlichen Seitenpferde ist die fast ganz erhaltene Gestalt
einer Frau mit langem Gewände sichtbar , aus dem nur ein wenig die Füsse
hervorschauen. Ihr rechter Arm ist erhoben, lieber dem Pferde links sind von
der Frau, die hier dargestellt war, ausser dem Gewände nur die erhobene linke
Faust und eine Locke sichtbar. Was dargestellt ist , vtrürde selbst dann viel-
leicht nicht klar sein, wenn die Figuren ganz erhalten wären; es ist die Abfahrt
eines Gespannes, aber welches Helden? Man hat an die verschiedensten Mythen
gedacht, an Phaethon, an Erichthonios, endlich an den Streit zvrischen Pelops
und Oinomaos. Nun fand sich in der Sammlung der Jesuitai zu Palermo — ob
jetzt noch, kann ich nicht sagen — eine alterthümliche , übrigens nachlässig
gearbeitete Terracotta , welche ebenfalls die Abfahrt eines Viergespannes dar-
stellte, wo jedoch neben den beiden äusseren Pferden zwei Jünglingsfiguren in
Häntdn stehen , welche mit der einen Hand das neben ihnen befindliche Pferd
am Kopfe fassen, mit der andern den Zügel halten. Wenn nun auch der Cha-
rakter der Köpfe der beiden Seitenfiguren, welche sich im Profil zeigen, ein
ganz anderer ist, als der der Metope, und vielmehr mit dem der Köpfe in dem
bekannten Relief von Samothrake Aehnlichkeit hat, so ist doch sonst so manche
Uebereinstimmung mit unserem Relief vorhanden , dass die von Serra di Falco
niitgetheilte Vermuthung einige Wahrscheinlichkeit hat, es habe unter den Me-
tern des Tempels zwei einander entsprechende gegeben , von denen die eine
die AMahrt des Pelops, begleitet von zwei Dienern, vorstellte ^ hiervon hätten
wir eine Nachbildung in der Terracotta — , die andere die des Oinomaos, neben
welchem Frau und Tochter ständen , und die» wäre das theil weise erbalteae
174 Zweites Buch. IV. Literatur und Kunst derselben Zeit.
Relief. Natttrlieh könnte die allzu breite Terracotta nur eine unvoUkominene
Nachbildung der Metope sein.
Im Jahre 1865 ist von Cavallari noch ein Viertel der letzten Metope der
Nordost«cke entdeckt worden, den Kampf des Herakles mit der Amazonen-
königin darstellend.
Endlich sind vier einzelne Köpfe erhalten, alle wie die der drei erst-
genannten Metopen in der Vorderansicht.
Der Styl dieser im Museum zu Palermo aufgestellten Bildwerke ist der
einer noch mit dem Stoffe ringenden und nicht zur Klarheit über ihren Zweck,
wie über ihre Mittel durchgedrungenen Kunst. Es vereinigt sich Streben nach
Naturwahrheit mit entschiedener Unnatur. Jenes zeigt sich in der Darstellung
mancher Einzelheiten. Der Künstler bemühte sich z. B. die Knie und die Fuss-
gelenke möglichst treu darzustellen und in der Muskulatur ein Abbild der
Wirklichkeit zu geben. Die Unnatur giebt sich in den falschen Verhältnissen
der einzelnen Körpertheile zu einander und in der gezwungenen Haltung der
Figuren kund. Wahrend die Gesichter alle von vorn erscheinen, sind die Füsse
sHmmtlich seitwärts gerichtet und ruhen platt auf dem Boden. Mit einer ge-
wissen Geschicklichkeit bildet die Haltung der Beine eine Art von Vermittlung
zwischen den beiden Gegensätzen, und so ist das durchaus Unnatürliche eigent-
lich nur die Haltung des rechten Fusses, der bei den stets mit dem linken Fusse
voran nach recht« schreitenden Figuren nach aussen gewandt sein müsste. Die
Kerkopen freilich sind, ganz ohne Rücksicht auf die Natur, der Symmetrie
wegen so dargestellt, dass der Oberleib ganz von vorn, die Beine völlig von der
Seite erscheinen. Es zeigt sich somit bei diesen Reliefs eine Abweichung von
dem sonst den älteren Reliefs und Malereien eigenen Gebrauche, Kopf und
Füsse im Profil und nur die Brust von vom zu zeigen. Der Medusa Beine sind
so gebildet, dass das knieende bedeutend länger ist als das andere; selbst die
einzelnen Zehen desselben sind unnatürlich verlängert. Es ist Nichts — denn
ein kürzlich in Lakonien gefundenes Kunstwerk scheint doch kaum den Ver-
gleich mit den selinuntischen Metopen aushalten zu können ^- aus dem Bereiche
der griechischen Skulptur erhalten , was an Alter zugleich und an Bedeutung
mit den geschilderten Bildwerken verglichen werden könnte. Sie sind weit
unvollkommener als die Aegineten, und wir werden nicht umhin können, sie
eben deswegen für weit ält«r zu halten. Man könnte zwar an die Möglichkeit
denken, dass die hinter der übrigen griechischen Kunst zurückgebliebene seli-
nuntische Schule unsere Metopen zu einer Zeit hervorgebracht hätte , wo man
im eigentlichen Hellas schon weit Vollkommeneres schuf; aber es spricht doch
Nichts dafür, dass man im westlichen Sicilien nicht gleichen Schritt in der Kunst
mit den übrigen Hellenen gehalten hätte. Die/ioch in den Anfängen begriffene
Kunst zeigt sich auch in dem Schwanken der Proportionen der Figuren, indem
Herakles 5 Kopflängen, Pallas 4^4, Perseus aber nur 4V4 hodi ist, sowie darin,
dass die Figuren auf ihren Vorderseiten flächenartig gehalten und gegen den Grund
zu nicht abgerundet sind, wie das die spätere Reliefskulptur thut. In der Bildung
der Beine und besonders der kräftigen Darstellung der Knie ist eine Aehnlich-
keit unserer Reliefs mit den assyrischen Bildwerken unverkennbar. Merkwürdig
ist endlich noch, dass in diesen Metopen je drei menschliche Figuren erscheinen,
Tempefin Selinus und auf Ortygia. 175
während man in späterer Zeit , wie schon die übrigen selinuntischen Metopen
beweisen , in richtigerer Einsicht in die Bedingungen der Kunst nur zwei Ge-
stalten in jede Metope aufnahm. Wir dürfen schliesslich wohl in unseren Bild-
werken Denkmäler einer acht dorischen Kunst erkennen.
Jetzt ist noch von den Farbenspuren zu sprechen^ die sich an diesem älte-
sten Tempel von Selinus erhalten haben , und die sich , mit Ausnahme einer
schwarz und rolhen architektonischen Verzierung', auf die Bemalung der Meto-
pen beschränke^, weshalb wir auch die Frage von der Polychromie der Archi-
tektur überhaupt auf einen späteren Abschnitt versparen. Der oberste Theil
jeder Metope war von einem rothen Mäander eingenommen , von dem jedoch
bei der zweiten nur noch wenig, bei der dritten Nichts mehr erhalten ist ; roth
war femer der Hintergrund gemalt und endlich einzelne Details der Figuren :
auf der ersten Metope Schwert und Güiiel des Herakles , sowie das Riemen-
werk, das die Kerkopen umschnürt; auf der zweiten die Augen der Medusa,
der Hut des Perseus und Verzierungen am Gewände der Athene, deren Augen
und Augbrauen schwarz bemalt sind, auf der dritten endlich ist das Roth noch
an den Riemen der Pferde und der Deichsel des Wagens zu sehen. Auch diese
Art der Bemalung scheint einen tieferen Stand der Kunst zu verrathen. Später
wurde es , wie wir. an anderen selinunlischen Tempeln sehen , gebräuchlich,
den Grund der Metopen blau zu bemalen , wobei erst die rothen Verzierungen
der Figuren zur Geltung kommen, die bei dem rothen Grunde unserer Metopen
ihren ganzer Eindruck verfehlen mussten.
Wir werden fast in dieselbe Zeit mit dem soeben geschilderten Tempel den
von ihm etwa 400 Palmen weiter nach Norden gelegenen, mit D bezeichneten,
setzen müssen , einen Tempel , der in manchen Beziehungen mit dem vorher-
gehenden die grösste Aehnlichkeit hat. Es ist ein Peripteros mit 6 Säulen in der
Front , aber nur 4 3 an den Langseiten. Auch der Pronaos zeigt sich von dem
des ältesten Tempels dadurch verschieden , dass er auf die gewöhnliche Weise
in der Mitte der Vorderseite von Säulen gestützt ist ; doch hat er an den Ecken
nicht die gebräuchlichen Anten, sondern wiederum Säulen. Die Säulengänge
sind dagegen, wie beim vorigen Tempel, sehr breit und die Cella unverhältniss-
mässig schmal; ihr Hinterraum zeigt die Eigen thümlichkeit, dass sich an drei
Seiten eine niedrige Bank um denselben herumzieht , die offenbar zur Aufstel-
lung von geweihten Gegenständen bestimmt war. Die Säulen sind von gerin-
gerem Durchmesser als die des vorigen Tempels, und es f^llt auf, dass die
Intercolumnien beinahe anderthalb untere Säulendurchmesser betragen. In
der starken Verjüngung der Säulen, der Schwere des Gebälks und der eigen-
thUnilichen Gestaltung der Dielenköpfe stimmt dieser Tempel mit dem vorigen
durchaus überein, und das ist es eben , was uns bewegt , ihn für fast ebenso
alt zu halten.
EbenfaHs in das 6. Jahrhundert vor Chr. scheint endlich noch der soge-
nannte Artemistempel auf Ortygia zu gehören. Jahrhunderte hindurch waren
seine Ueberreste , die in der Erde und in Privathäusem steckten , nur wenig
sichtbar, bis sie im Jahre 4864, wenngleich unvollkommen und hauptsächlich
nur im östlichen Theile , aufgedeckt wurden. Der Tempel erwies sich als ein
dorischer Peripteros von 6 Säulen Front und 48 oder 49 Säulen an den Lang-
l«s Bucb. V. Religion. Pliilonphts. PyLbagoras.
d noch einer Säulenreihe vor denselben. Er zeigte mehrere
htlmlichkeiten. Der Arcbitrav ist von bedeutender Höhe —
ulendurcbmesser um i/g — , und die monolithen Säulen,
;nig verjüngen (nur um Y« des unteren Durchmessers),
i ihre Inlercolumnien (p. 6, 4), die mittlere der Ostfront
ler sind als ihr Durchmesser (p. 7]. Hieraus ist, nie es
-theilung der Triglypfaen der Scbluss zu sieben-, dass sidi
e eine derselben befand, und w«in dem so war, muss
sehr alten , sonst in keinem erhaltenen Honunienle ver-
doi-iscben Architektur angohüren. Mau hat an den oberen
Ten links von der Aufgangstreppe eine leider nur unvoll-
chrift gefunden, aus der hervorgehl, dasseinHann, dessen
Igt, die 3 Sttulen dieses Theils der Ostfronte dem Apollon
)niit als die Gottheit des Heiligtbums herausstellt. Der Cha-
9n zeigt, dass die Inschrift alter als diejenige des spater zu
nischen Helms in Olympia war; es hindert also Nichts,
t vor den Beginn des a. Jahrhunderts vor Chr. zu setzen.
liier hat Sicilien in dieser Zeit keine hervorgebracht; nir
len, dass der Bheginer Klearchos, der um die 60. Olympiade
ien gearbeitet hat. £s wird auch berichtet, dass Polysiralos
lU sich die KUnsller Dipoinos und Skyllis eine Zeit lang von
«n) eine Bildsaule des Phalaris macht«,
■sprechen in ihrem Kunstfharakter der tlbrigen Eungl der
laben die Köpfe einen durchaus altertbUmlichen Typus, der
1, dass die Augen trotz der Profilsl«ilung des Gesichtes von
einen. Dass nun die hellenisohe Bildung Siciliens, deren
rvorbringungen wir zu schildern versucht haben, schon
eben Einfluss auf die nichtgriechischen Völkerschaften der
nzweifelhaft. Aber noch entzieht sich dieser EinQuss den
unkel der fernen Vei^angenheit umsonst zu durchdringen
e spatere Epoche entbtllU uns die elymiscbe Sudt Segesl^
lellenischea Monumente.
Fünftes Kapitel,
leliglon. Philosophie. Pythagoras.
jetzt die politischen Verhnltnisse und die geistige Produc-
Siciliens in den ersten beiden Jahrhunderten der Eusleni
lonien auf unserer Insel betrachtet. Das Gemälde des Zu-
i'ürde aber unvoUsiandig sein , wenn wir das GeWel der
tphie ganz unberücksichtigt liessen. Es kann nun unsere
jetzt ausführlich über die Beligion der sicilischen Griechen
Sudie zu sprechen; eine Zusammenstellung. des hierüber
Gottheilc?n. 177
Bekannten wird besser bei einer späteren Gelegenheit gemacht werden ; wir
müssen uns hier auf einige kurze Andeutungen über diesen Gegenstand , auf
die Hervorhebung des Charakteristischen mit besonderer Rücksicht auf die
älteste Zeit beschränken. Und hier macht sich vor Allem eine Eigenthümlich-
keit geltend. Es ist die Vorliebe, mit der die sicilischen Griechen die Gottheiten
der Flüsse und Quellen verehrten, die ihren Wohnsitzen nahe waren, eine
Eigenthümlichkeit, die uns besonders in den Münzen vor Augen Irilt. So ver-
ehren Naxos den Assinos, Katana den Amenanos, Kamarina den Uipparis, Himera,
Gela und Akragas die gleichnamigen Flüsse, Selinus den Hypsas und den Seli-
nus , bald unter der Gestalt eines mit kleinen Hörnern versehenen Jünglings,
bald unter der eines Stieres, der dann häufig ein Menschenanllitz trägt. Ka-
marina verehrte ausserdem noch die Nymphe des gleichnamigen Sees , die ein
Schwan symbolisirt, und den Syrakusanern war der Anapos und die Kyane,
vor allen aber die Arethusa heilig. Was war aber auch natürlicher, als dass
die in ein fremdes Land gewanderten Griechen die Gottheiten besonders ver-
ehrten, die ihnen das nothwendigste Lebenselement, das süsse Wasser, spen-
deten, und deren Verehrung, wie die des Porpax und Telmissos in Segesta,
des Ghrysas in Assoros und der auf den Münzen dargestellten Flüsse von Alon-
tion , Agyrion (vielleiciu Palankaios) und Entella zeigt, auch unter den nicht
hellenischen Stämmen der Insel. heimisch war. Zu diesen an Ort und Stelle ge-
fundenen göttlichen Wesen kommen nun die aus der Heimat mitgebrachten.
Wir sahen allerdings, dass höchst wahrscheinlich manche hellenische Gottheiten
schon durch zerstreute Griechenschaaren , die sich unter den Sikelem nieder-
liessen , verbreitet worden sind ; dieselben sind aber auch von den Hellenen,
welche Naxos, Syrakus und die anderen Pflanzstädte gründeten , mitgebracht
worden , und so wurde erst jetzt der Kult derselben allgemein auf der Insel.
Hierher gehört vor Allen Apollon, dessen Verehrung, von mehreren Punkten
ausgehend, bei den sicilischen Griechen eine höchst verbreitete war. Zuerst
war er der Archegetes , der von Delphi mitgebrachte Führer der ersten An-
siedler, dessen Dienst sich von Naxos besonders über die Pflanzstädte des-
selben, Katana und Leontini, ausdehnt. Einen anderen Apollon haben wir uns
in Megara Hyblaia und Selinus zu denken, weil, wie die Münzen ausweisen, im
2S is^lischen Megara Apollon sich als Mauergründer einer ganz besonderen Vereh-
rung erfreute. Ein dritter Apollon ist der Karneios , der sich bei allen Doriern
fand, und den insbesondere die Thebanischen Aegiden ehrten, zu welchen auch
die Enämeniden, die Familie Theron's, zählten. So war er nach Thera gekommen,
so nach Akragas. In Gela und Akragas ist endlich noch der Kult des triopischen
Apollon eingeführt worden, der mit chthonischem Götterdienst verschmolzen war.
Welchen Ursprung der syrakusanisehe Kult des temetiitischen Apollon hatte,
ist nicht sicher zu bestimmen , wahrscheinlich stammte derselbe aus Korinth
selbst. In diese neu hinzugekommenen ApoUokulte fügte sich denn auch der
schon längere Zeit in Hybia bestandene mit Leichtigkeit ein. Mit Apollon konnte
an Allgemeinheit der Verehrung in Sicilien Zeus wetteifern. Es versteht sich
von selbst, dass in allen hellenischen Städten der oberste Gott verehrt w urde ;
insbesondere wissen wir es von Syrakus, wo wir einen Olympios, einen Urios,
Spender günstigen Windes, bald auch einen Eleutberios, endlich einen Hellanios
Holm, Gesch. Sieiliens. I. 42
178 Zweites Bach. V. Religioo. Philosophie. Pythagoras.
finden; von Selinus, wo er einen Altar auf dem Markte hatte; von den rhodi-
sehen Kolonien, wo der Zeus, welchen die Rhodier auf der Burg von Lindioi
verehrten, eine hervorragende Stätte finden musste. So tritt er denn als Burg-
schirmer in Gela , Akragas und Kamarina (seit dies geloische Kolonie war) auf,
und in Akragas kam zu dem Zeus Polieus oder Atabyrios, der aus Rhodos stam-
mend , den Akragantinern vielleicht noch nicht ganz als der 9cht hellenische
Gott erscheinen mochte, noch der Olympios, sowie denn überhaupt diese Stadt
den Zeus, wie ihre Münzen zeigen, besonders verehrte. Ausserdem beherrschte
er den mächtigen Berg Aetna. Als dritte Hauptgottheit Siciliens dürfte A thene
zu betrachten sein. In Himera war sie seit uralter Zeit heimisch, also wohl
schon vor der Gründung der griechischen Niederlassung , wenn nicht etwa die
warmen Quellen erst später auf sie zurückgeführt wurden ; in Syrakus kommt
sie vor (vielleicht als Tritogeneia), ohne Zweifel aus Korinth mitgebracht, wo
ja besonders die Münzen eine weite Verbreitung ihres Kultus zeigen. In den
rhodischen Pflanzstädten ist Athene vereint mit Zeus die Beherrscherin der
Burg, so besonders in Akragas und im späteren Kamarina. Oder sollen wir
annehmen, dass schon in älterer Zeit, wie gewiss später, der Kult der Athene
in Sicilien an Bedeutung von dem der Demeter und Persephone über-
troffen wurde, der in Hellas von den Sicilien kolonisirenden Städten hauptsäch-
lich nur in Megara blühte, und der durch den Anschluss an den althergebrach-
ten Gottesdienst der Sikeler und durch die Fruchtbarkeit des Landes von
besonderer Wichtigkeit wurde? Wir finden ihn vor Allem in Syrakus, wo
Münzen den Namen Köre tragen und Manche auch den von uns als Arethusa
gedeuteten Kopf der ältesten Münzen mit dem Namen Köre belegen ; in Kaiana,
in Akrai, in Leontini, wo in älterer Zeit das Gerstenkorn, später ein Demeter-
kopf auf Münzen erscheint; in Akragas, das Zeus der Köre als Morgengabe
schenkt. Allmählich galt ganz Sicilien als dieser Gottheit heilig, und ihre Ver-
ehrung, die in der Römerzeit besonders in Henna gipfelte, dem Nabel Siciliens,
der Stadt, die jedenfalls schon alten Demeterkult gehabt hat, zeigt sich auch
darin, dass nicht selten gei'ade in diesem Lande Demeterbilder, besonders aus
Terracotta gearbeitet , gefunden werden. Die chlhonischen Gottheiten , deren
Kult in Gela im Geschlechte des Telines , zu dem die Deinomeniden gehörten,
blühte, sind offenbar ebenfalls vorzugsweise Demeter und Persephone gewesen •
auch sie scheinen, wie ApoUon, vom triopischen, Vorgebirge zu stammen. Von
der Verehrung der Artemis, die eine der ersten nach Sicilien gekommenen
hellenischen Gottheiten ist, haben wir alte Spuren schon in der Geschichte des
Orest gefunden ; die Insel Ortygia , »Dolos* Schwestern, war ihr heilig , spSiter
erscheint sie als Soteira auf syrakusaoischen Münzen; in Selinus tritt sie, wie
Münzen zeigen, in Verbindung mit ihrem Bruder Apollon auf; in Akrai endlich
wird inschriftlich ein Artemision erwähnt. Dionysos ward in Naxos verehrt,
sodann in den Kolonien von Naxos, Katana und Leontini, in Lipara und v^ahr-
scheinlich in Himera ; in Syrakus, wo vereinzelt auch eine Traube auf Münzen
erscheint und bei Cicero ein Tempel des Liber vorkommt, in welchem eine
Bildsäule des Aristai OS stand, wird ein besonderer Dionysos mit dem Bei-
namen Morychos erwähnt. Hermes, den Pindar als Helfer Hieron 's beim Siege
im Wettkampf nennt, zeigen Münzen von Himera, dessen Bürger Stesichoros ja
Kulte der Hellenen. 179
zuerst von dem Ho rmessohne Daphnis gesungen hatte, und in Akrai sind mehr-
fach Hermesbronzen gefunden worden. Der Kultus des Poseidon wird in
Messana aus den Münzen und aus den Sagen von der Peloris, in Akragas und
Lipara aus den Münzen geschlossen. Syrakus verehrte ihn, wie dais beständige
Vorkommen der Delphine auf den Münzen beweist und die Herkunft der Grün-
der aus Korintb an sich wahrscheinlich macht. Die Fürsten, welche Rosse zum
Wettrennen zogen, wie Theron und Hieron, müssen ebenfalls dem Poseidon
besondere Verehrung gezollt haben. Wenig erfahren wir aus älterer Zeit von
Here , doch ward sie sicher in Syrakus und in Selinus, wo der eine der Tempel
des östlichen Stadttheils ihr, wie es scheint, gewidmet war, verehrt. Ares,
dessen Heiligthum nach Pindar Syrakus ist, erscheint übrigens fast nur auf
dem Aetna unter der Gestalt des Hadranos imd später wie dieser in Messana.
Aphroditekultus wird uns aus Syrakus, das als korinthische Kolonie ihn
nicht wohl entbehren konnte, und aus Selinus, aus dem akragantinischen Ge-
biete (tü:>er dem Grabe des Minos) und aus der Stadt Akrai (nach Ausweis der
Inschriften) bezeugt. Ein allerdings erst spät erwähnter Aphroditetempel bei
Naxos mag uralt sein. Der Kult des A s k 1 e p i o s war sehr verbreitet in Sicilien.
Wir finden ihn in Syrakus , wo in seinem Tempel eine Statue des Paian stand ;
in Akragas (hier vielleicht aus Rhodos stammend) und Himera, wo der Hahn
auf Münzen ihn bezeichnet, in Selinus, in Messana, hier zusammen mit der
Hygieia genannt. Hephaistos betete man auf dem Aetna und auf der Insel
Lipara an. Hestia , deren heiliges Feuer im Prytaneion jeder Stadt brannte,
wird wenigstens in Syrakus erwähnt. Pan's Verehrung zeigt eine Münze von
Messana. Von den Heroen erfreute sich besonders Herakles einer ganz all-
gemeinen Verehrung , so dass man ihn fast den Nationalheros Siciliens nennen
könnte. Wir finden seinen Kult in Syrakus und Akragas , in Selinus und Hi-
mera, den beiden Städten, in deren Gebiet die berühmtesten warmen Quellen
der Insel lagen ; es wird überhaupt wenig Städte der Insel geben, deren Mün-
zen nicht auch das Rild oder Symbole dieses Heros nachwiesen. Die Dios-
kuren, die nach Euripides auf dem sikelischen Meere die Schiffe beschützend
walten, werden besonders in Akragas erwähnt, doch zeigen sie auch syraku-
sanische und katanäische Münzen, und in späterer Zeit gewinnt ihr Kult in der
Stadt Tyndaris besonderen Aufschwung. Zwei einbeimische Heroen, Pherai-
mon und Leukaspis, waren von den Bewohnern von Messana und Syrakus
in den Kreis ihrer Kultusgottheiten aufgenommen worden. Nach einem alten
Heiligthum der Tyche ward ein Stadttheil von Syrakus benannt, und die Ode
Pindar*s auf Ergoteles von Himera ruft für diese Stadt dieselbe Gottheit an. Er
nennt sie Soteira. Sollte nicht die Sosipolis auf geloischen Münzen auch eine
Tyche sein? Zu oft kommt die Nike auf den Münzen sicilischer Städte vor, als
dass wir nicht annehmen sollten, sie habe in ihnen Opferstätten gehabt. Ein
Heiligthum der Musen wird wenigstens aus Syrakus erwähnt. Endlich finden
wir in Leontini einen Altar der zwölf Götter bereits zur Zeit der Gründung
der hellenischen Niederlassung daselbst. Der Bedeutung der Gottheiten entr-
sprechend gestalteten sich denn auch die Feste , von denen uns leider verhält-
nissmässig wenig überliefert ist. Die Menge der Demeterfeste erklärt sich durch
die soeben ftlr die Verehrung dieser Göttin angeführten Gründe. Besonders
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180
Zweites Buch. V. Religion. Philosophie. Pylhagoras.
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viele derselben kuUpften sich an die Sage vom Raube der Köre durch den Galt
der Unterwelt, die ja Sicilien zum Schauplatz haben sollte. So erinnerten die
Anlhosphorien, ein Frühlingsfest, an die heiteren Spiele der Blumen lesenden
Jungfrau, die Theogamien und die Anakai ypterien an die Hochzeit der Köre
und des Hades ; auch Koreia, die also der Köre insbesondere gewidmet waren,
werden erwähnt. Besonders wichtig waren aber die Thesmophorien, in denen
Demeter als Geberin der Satzungen und Ordnungen des bürgerlichen Lebens
gefeiert w urde ; sie kommen in Syrakus sowohl wie in Akragas vor. Feste des
ApoUon , der Artemis und des Dionysos lehren uns die in Sicilien gebräuch-
lichen Monatsnamen kennen. So erinnert der Karneios an das Fest des Apollon
dieses Namens; der Artamitios und der Eukleios weisen auf Feste der Arteuvis
hin, deren lange dauernde Hauptfeier in der Geschichte der Belagerung von
Syrakus durch Marcellus vorkommt; der Dionysios hat ein Fest des Bakchos
enthalten. Wir wissen ausserdem von Festen der Artemis, die mit ihrem Jubel
XU der Gestaltung der Komödie in Sicilien beigetragen haben, und dürfen das-
selbe von den Dionysosfesten vermulhen, die ohne Zweifel in grosser Zahl und
mit enthusiastischer Begeisterung des Volkes begangen wurden. Vom Kult der
Aphrodite legt wenigstens der Name des Festes Kotyttia Zeugniss ab. Die Theo-
xenia, in welchen die übrigen Götter bei einem einzelnen als Gäste erscheinen,
wurden in Akragas als Dioskurenfest begangen. Die genannten Festcyklen, in
denen Unterwelt und Fruchterde , die Sonne und ihr Einiluss , die Gaben des
Weinberges und der quellendurchrieselten Fluren und Haine gefeiert wurden,
umfassten schon die Hauptrichtungen des der Natur zugewandten und von ihr
abhängigen Menschenlebens. Den Heroen waren Frühlingsfesle gewidmet. In den
Häusern pflegte man heitere Nachtfeste zu Ehren der Nymphen zu begehen.
Aller genannten, sowie der übrigen Gx)ttheiten fromme Verehrung ward
den grösslen Theil der bisher behandelten Periode hindurch auch bei den höher
Gebildeten durch keine philosophischen Betrachtungen gestört. Aber gegen das
Ende derselben trat doch auch hier der Moment ein , wo den Denkenden die
Aufschlüsse nicht mehr genügten, welche die Religion und ihre Diener über
die wichtigsten Fragen, die Natur der Dinge, das Wesen und die Pflichten der
Menschen geben konnten j wo man die eigene Geisteskraft benutzt« , um sich
Aufklärung über diese Gegenstände zu verschaffen. Das schlummernde philo-
sophische Bedürfniss erwachte. Aber es waren nicht einheimische Denker,
welche zuerst es zu befriedigen suchten. Die westlichen Kolonien hal)en ebenso
w^enig wie das eigentliche Hellas die Philosophie in selbständiger Weise bei sich
entstehen sehen ; sie ging vielmehr von den Griechen Kleinasiens aus, welche,
in Berührung mit den älteren Kulturen des grossen Festlandes, an dessen
äusserstem Saume sie wohnten , als Vermittler auch der philosophischen For-
schung den übrigen Griechen zu dienen berufen waren. In gewissem Sinne
freilich haben wir schon einen Philosophen in Sicilien gefunden, denn Charon-
das war ebenso sehr Weiser, wie Staatsmann ; aber er war einW'eiser, welcher
die Menschen zwang, seine Weisheit anzunehmen. Die eigentliche Philosophie
wird in Sicilien erst gegen das Ende des 6. Jahrh. vor Chr. durch zwei Männer
eingeführt, die beide aus dem asiatischen Griechenland stammten, und von
denen der eine nach ausdrücklichen Berichten in Sicilien verweilt hat, der
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I
Xenophanes. lg|
andere bei seiner eminenten Wirksamkeit in Grossgriechenland auch auf
unsere Insel den grössten Einfluss ausgeübt haben muss : durch Xenophanes
und Pythagoras.
Xenophanes war in Kolophon um das Jahr 570 geboren. Als Uarpagos,
dftr Feldherr des Ryros, die ionischen Städte unterjochte, da verliess mit vielen
Anoeren auch er, 25 Jahre alt, seine Ueimat. Er hat seitdem kaum eine blei-
benae Stätte irgendwo gefunden und sein langes Leben in verhältnissmässiger
Armuth auf der Wanderung hinbringen, müssen. Wir finden ihn unter andern
in Athen, besonders aber bei den Hellenen des Westens, wo Zankle und Katana
ausdiücklich als seine Wohnsitze genannt werden, während er überdies zu der
Phokäischen Kolonie Elea in mehrfachen Beziehungen stand. Xenophanes war
ohne Vermögen ; er erwartete, für seine Wirksamkeit Lebensunterhalt und Lohn
zu finden, und wir vernehmen ausdrücklich, dass er als Rhapsode meiner eigenen
Gedichte auftrat. Denn in poetischer Form, in einem Lehrgedicht nach damaliger
Sitte, die auch nach ihm noch galt, hat Xenophanes seine Ansichten über die
Natur ausgesprochen.
In seiner Philosophie , die uns durch Fragmente seines Werkes und durch
Nachrichten der Allen über ihn nur höchst unvollständig überliefert ist, nimmt
der negative Theil eine wichtige Stellung ein. Seine Negation ist aber gegen
nicfais Geringeres als den Volksglauben selbst gerichtet. Die Menschen , sagt
Xenophanes, bilden sich Gölter, die ihnen selbst ähnlich sind, und die v.er~
schiedenen Nationen folgen darin ihren eigen thümlichen Begriffen vom Schönen.
Wenn dieXhiere malen könnten wie die Menschen, so würden wir Götter sehen,
die Thiergestalt hätten. Ob Xenophanes damit auf die ägyptische Religion an-
spielt? Direkt greift er aber, wie später so manche Philosophen, Homer und
Hesiod an, die Alles den Göttern beigelegt haben, was nur immer für Menschen
schimpflich ist :
Stehlen und Ehebrechen und Sich Einander Betrügen.
Seine Ansichten über die Volksreligion verhehlte er auch im praktischen Leben
nicht. Als ihn einst die Eleaten fragten , ob sie der Leukothea göttliche Ehren
erweisen und ihren Tod mit einem Trauerdienste feiern sollten, antwortete er,
wenn sie sie für ein göttliches Wesen hielten , so sollten sie ihren Tod nicht
feiern, wenn aber für ein menschliches, sie nicht als Gottheit verehren. Trotz-
dem werden in seinem Werke die Götter erwähnt, als seien sie wirklich vor-
handen. In der eigenen Lehre des Xenophanes ging der Hauptsatz dahin, dass
die Gottheit nur Eine sei. Aber diese Eine Gottheit war ihm zugleich das All.
Auf den ganzen Himmel blickend, sagt Aristoteles von ihm, behauptete er, das
Eine sei Gott. Dennoch legt er dieser im All vertheilten Gottheit Geist bei :
Ganz ist er sehend, ganz kommt ihm Gehör, ganz kommt ihm Verstand zu,
und:
Sonder Bemühn mit des Sinnes Verstand regieret er Alles.
Von Weissagungen wollte er Nichts wissen.
Mit seiner Lehre von der Einheit alles Seienden ist Xenophanes durch sei-
nen Sditiler Parmenides der Gründer der Eleatischen Schule geworden.
Xenophanes hat über der Theologie keineswegs die Naturlehre vernach-
lässigt, in welcher von den ionischen Philosophen einarefiflicher Anfang gemacht
1S2 .Zweites Buch. V. Religion. Philosophie. Pythagores.
worden war. Er stimmte mit ihnen darin überein , dass er Erde und Wasser
als Urbestandtheiie der Welt betrachtete.
Denn insgesammt sind wir aus Erde und Wasser entstanden,
sang er. Die Erde war einst in Wasser aufgelöst und bildete einen Brei oder
Schlamm. Dass dem so gewesen sei, bewies jer durch die Muscheln, die, wie
er sagt, inmitten der Erde in den Gebirgen gefunden würden, wobei er ins-
besondere anführte , dass Abdrücke von Fischen und anderen Seethieren zu
Syrakus in den Steinbrüchen sich zeigten, andere zu Faros, noch andere end-
lich in Melite. Luft und Feuer seien es dann gewesen, welche die Verdichtung
des Schlammes bewirkten. Diese beiden Elemente scheint er besonders in der
Thätigkeit der Vulkane studirt zu haben, wenigstens sind wir Xenophanes schon
als Beobachter des Vulkans von Lipara begegnet. Man sieht bei ihm nicht zu
verachtende AnCinge einer wissenschaftlichen Erdkunde , und es ist für uns
Interessant, dass gerade Siciiien mit seinen Nachbarinseln ihm Stoff für seine
Forschungen dargeboten hat. Mit geringerem Geschick und Glück als die Erde
erforschte Xenophanes den Himmel. Die Himmelskörper, welcher Art sie auch
sein mögen, sind ihm nur Verdichtungen feuriger Wolken. Ihre Bewegung
dachte er sich als eine In's Unendliche fortstrebende, sie selbst als abwechselnd
sich entzündend und wieder verlöschend , was uns als Auf- und Untergang
derselben erscheine. So verlischt z. B. die Sonne alle Tage und entzündet sich
von Neuem. Xenophanes hatte offenbar von der mathematischen Grundlage der
Astronomie keinen Begriff, und seine sonstige GenialiUlt konnte diese Lüd^en
seines Wissens nicht ausfüllen. Um so mehr passte denn auch auf ihn selbst,
was er über die Unsicherheit aller menschlichen Erkenntniss sagte :
Völlig Sicheres weiss kein Mensch, und wird es auch Keiner
Wissen, sowohl von den Göltern, als was Ich sage vom Weltall,
WO er in bemerkenswerther W^eise seine eigenen wissenschaftlichen Lehren mit
den populären Ansichten über die Götter auf eine Linie stellt. Doch machte
ihn seine Ueberzeugung , dass die Wahrheit nicht gefunden werden könnte,
keineswegs gleichgültig gegen dieselbe; er glaubte vielmehr, die Menschen
fanden »durch Suchen im Laufe der Zeiten das Bessrea.
Wir werden Xenophanes in seinen letzten Lebensjahren noch am Hofe
Hiei^^n's von Syrakus wiederfinden , dürfen aber deswegen nicht etwa anneh—
men, dass seine Wirksamkeit in Siciiien erst in diese späte Zeit falle. Seine
Studien der Vulkane und der Sleinarten Siciliens hat er weit früher gemacht.
Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, dieser umherwandernde Pantheist, der
die Volksreligion bekämpft und dabei zugiebt, dass auch seine eigenen Lehren
nicht absolut sicher seien. Aber eben weil er in dieser Weise auftrat, konnte
seine Thätigkeit keine tief eingreifende, epochemachende sein; er erlangte
keinen grossen Einfluss auf die Masse seiner Zeit- und Volksgenossen und
würde nicht einmal Haupt einer philosophischen Schule geworden sein , wenn
er nicht in Parmenides einen Schüler gefunden hätte , der seinen Bhapsodien
ein wissenschaftlicheres Kleid umzulegen wusste. Pythagoras der Systematiker
ist in dieser Beziehung wie in manchen andern das Gegenstück zu dem Kritiker
Xenophanes. Uebrigens scheint sein Angriff auf Homer diesem Vater der hel-
lenischen Dichtkunst einenVertheidiger in dem Bheginer Theagenes erweckt su
"'■m?^^"'
huhea , der durch die Annahme eines allegorischen Sinnes der Bo
Poesie ihr AnsUissiges zu beseitigen suc)ite.
Wir wenden uns jetzt lu Py lhagoras. Weniger Hanner Leb
der Sage mit wunderbarerem Detail ausgeschmückt worden als das st
war der Sohn des Mnesarchos, eines Kaufmannes auf Samos, aus der
der tjrrhenischen Pelasger. In seiner Jugend erhielt er den Untei
gelehrten Pherekydes von Syros, der in seinen Schriften tiefsinnii
suchungen vorgetragen und bereits die Lehre von der Seelen wandet
gestellt hatte. SpHier genoss er den Umgang der ausgezeichn eisten
Philosophen, des Thaies und Anaxiniandros, die ihn in die Naturp
einführten, und machte endlich, um seinen Wissensdurst an den^C
befriedigen, grosse Beisen, auf denen er nnch A^ypt«n kam, wo er
Weisheit der Priester des Landes eindrang. Dass er auch nach Babyloi
und dort von den Kenntnissen 3er Cbaldüet* und Magier Nutzen zog
Vielen bezweifelt worden , doch leidet die Reise dahin , welche durch
fangennahme des Philosophen durch die Ae^ypten erobernden Perse
wird, an keiner inneren llnwahrscheinlichkeit, und seine Entdeckung
Malfaematik machen sie sogar höchst wahrscheinlich. Nach seiner
von diesen Reisen entschloss er sich, vielleicht durch die traurigen Ve
loniens, das unter persischen EinQuss gekommen war, bewogen, seil
von Neuem zu verlassen und nach Westen zu wandern, wo schoi
kleioasiatische Griechen, von den Persern bedrängt, Zuflucht gefundf
Ihn zogen die blühenden Studie Grossgrieche nlands an.
Der fruchtbare Boden und das milde Klima der südlichen Kits
Italiens am Tyrrhenischen wie am Ionischen Meere hatten den dortige
lassongen der Hellenen ein schnelles Gedeihen geschaffen. Unter d
griechischen Stildten stand in der engsten Verbindung mit Sicilien da
gel^ene Rhegion, von dessen Lage und Grtlndungszeit wir bereits gi
haben, eine chalkidische Stadt mit angesehenen messeniscltcn Familtt
nicht unbedeutendes Gebiet. von dem ihrer feindlichen Nachbarin Lo
den üalesQuss geschieden war. Die älteste vorhandene Rfaeginisc
zeigt den Stier mit HeDschenautiitz, die Person ilication eines von den 1
verehrten Flussgottes; bald erscheint auch der Apollokopf, auf die (
der Stadt durdi den delphischen Gott hindeutend ; von den in den Hl
Anaxilas ausgedrUcklen Beziehungen Rhegion's wird spater die Bede :
Lokroi, dessen geringfu^ge Ueberresle ä Hillien von Gerace bei
Geraceam dstlicben Abhänge des Aspromonle sichtbar sind, wurde
ä Sklaven der ozolischeo Lokrer in '
Jungfrauen des Volkes verbunden b
ungen waren, die ersten Gründer
früher gesehen, wie sie auf hinleriisl
ehir^e von den Sikelem gewannen
1 verlegten, angeblich mit Hülfe dei
len religiösen Gebräuchen der Sikele
l jedoch , dass ein bei jenen von vi
Ig4 Zweites Buch. V. Religion. Philosophie. Pythagoras.
Jünglingen bekleidetes Amt von ihnen einer Jungfrau aus einem der hundert
edlen Hiiuser überlrcigen wurde.
In einem eigenthümlichen, doch nicht unerklärlichen Gegensatz zu dieser
Bevorzugung des weiblichen Geschlechtes steht es , wenn in Lokri in alter Zeit
die Keuschheit der Jungfrauen der Aphrodite zum Opfer gebracht wurde, was
Zustände voraussetzt, welche die Einführung einer strengeren Sitte sehr wün-
schenswerth machten. Diese wurde durch die Gesetzgebung des Zaleukos her-
beigeführt. Zaleukos erhielt, wie man behauptete, seine Weisheit durch die
unmittelbare Eingebung der Göttin Athene, und dem entsprechend war strenge
Auf rech Ihaltung eines sittlichen Lebens das Hauptziel seiner Gesetzgebung. Zu
diesem Zwecke wurden selbst Handel und Verkehr wesentlich beschränkt, und
die GeseJ^ze sollten, wie dies auch die verwandte Gesetzgebung des Charondas
bezweckte, stets möglichst unverändert bleiben. Die Münzen zeigen erst später
den Athenekopf, anfangs nur den Zeuskopf und auf dem Revers den Adler;
doeb sind auch diese Münzen nicht sehr alt. Freundliche Beziehungen zu Rhe-
gion verräth nur die oben erwähnte Schlacht am Sagra ; die damals von den
Dioskuren gewährte Hülfe ward noch spät von beiden Städten durch Abbüdung
der Köpfe der rettenden Gottheiten auf ihren Münzen dankbar anerkannt.
In Bezug auf ihren Ursprung war eine grosse Aehnlichkeit zwischen Lokri
und der östlichsten der grossgriechischen Städte, Taras oder Taren tum, vor-
handen, das unter der Anführung des Phalanthos von den sogenannten Par-
theniai, den Kindern von Spartanerinnen und nicht ebenbürtigen Männern,
welche während des ersten messenischen Krieges zu Hause geblieben waren, im
innersten Winkel der Meeresbucht, die die beiden südlichen Ausläufer Italiens
trennt , gegründet wurde. Tarent , nach einem Poseidonsohne Taras, der auf
den Münzen auf einem Delphin reitend dargestellt ist, benannt, lag auf einer
Landzunge , die sich von Osten nach Westen erstreckte und das Meer von dem
weiten Hafen trennte, der 1 2 Millien im Umfang halte, dem jetzigen Mare pic-
colo. In Tarent wurde, wie in Lokri, der Adel von den Frauen hergeleitet.
Beide Städte, besonders aber Lokri, dessen ältere Geschichte unvei^leichlich
interessanter ist, als die spätere, zeigen uns somit das weibliche Geschlecht in
der ältesten Zeit in einer eigenthümlichen Stellung , die , von der rechten Mitte
nach beiden Seiten gleich weit entfernt, demselben äusseriich mehr Ehre bietet,
als nöthig ist, und dabei es in sittlicher Beziehung schädigt. Wenn wir nun
noch hinzunehmen , dass sich in Unteritalien neben dieser Heri*8chaft des He-
tärismus auch Spuren des Amazonenthums ßnden — eine Amazone Kleite soll
nach dem Tode der Penthesilea nach Italien gegangen sein und dort eine Stadt
gegründet haben, welche erst von den Krotoniaten erobert wurde, und ein
altes Weihgeschenk aus Zankle stellt Herakles, eine Amazone besiegend, dar — ,
so haben wir für dieses Land die verschiedenen Formen der Gynaikokratie be-
zeugt, einer Gynaikokratie, die durch das gewichtige Auftreten der Athene
verschwindet.
Sind so durch ihre Urgeschichte Rhegion, Lokri und Tarent, das auch
später noch eine Periode ungemeinen Glanzes aufzuweisen hatte, merkwürdig,
so sind es durch ihre zwar frühe, aber in eine durchaus historische Zeit fallende
Entwicklung Sybaris undKroton, beides achäische Kolonien. Die Stadt Sy-
Grossgrieohenland. ]g5
baris, zwischen zwei Flüssen, deniSybaris und dem Rrathis, den die Münzen
der Stadt unter der Gestalt eines Stieres zeigen, den jetzigen Coscile und Crati,
an einer Stelle gelegen , wo keine Spur mehr die alte Stadt verräth , erreichte
eine gewaltige Höhe des Wohlstandes, wozu die ausserordentliche Fruchtbarkeit
des Landes an Wein , Korn und Oel das Meiste beigetragen haben muss. Aus
dem Wohlstande entwickelte sich aber ein Luxus, welcher Alles, was sonst
aus dem Alterthum gemeldet wird, weit tibertraf. Die Ueppigkeit der Sybariten
ward sprichwörtlich. Dabei waren sie übrigens keineswegs ohne Geist; es
werden eine Menge Witzwort« von ihnen angeführt, und die Stadt gab einer
besondem Galtung der Fabel den Namen. Kroton, das wegen der Einwir-
kung Apollon's auf seine Gründung zum Haupttypus seiner Münzen den Drei-
fuss hat, stand an der Stelle des heutigen Gotrone, sechs Millien vom lakinischen
Vorgebirge, auf dem noch eine einsame Säule die Stätte bezeichnet, wo der in
ganz Grossgnechenland hochgeehrte Tempel der Lakinischen Hera sich erhob.
Es muss um dieselbe Zeit wie Syrakus oder ein wenig später gegründet sein,
wenngleich die Sage die Stadt schon mit Herakles in Verbindung brachte. Wie
Sybaris durch seinen Reichthum und seine Weichlichkeit, so ward Kroton
durch die Kraft seiner Bürger in allen hellenischen Landen berühmt.
Zu diesen Städten, den bedeutendsten Grossgriechenlands, kamen nun
noch mehrere weniger wichtige hinzu. Zwischen Lokri und dem lakinischen
Vorgebirge lagen die achäischen Kolonien Kaulonia, nach gewöhnlicher An-
nahme eine Gründung von Kroton , wahrscheinlich am Sagra , dem heutigen
AlarO; unfern von Castelvetere gelegen, dessen Münzen den Hirsch der Artemis
und eine Lustration durch Apollon darstellen, und Skylletion, das der
Athener Menestheus gegründet haben soll, das jetzige SquiUace. Nördlich vom
lakinischen Vorgebirge aber finden wir Pete lia und Makalla, die aufPhi-
loktet ihren Ursprung zurückführten, jenes vielleicht das heutige Strongoli,
dieses, das \ 20 Stadien von Kroton entfernt genannt wird, etwas weiter nörd-
lich, etwa am Flusse Lipuda. Im Norden grenzte an das Gebiet von Sybaris
dasjenige von Siris, dessen Ursprung einerseits auf die Morgeten zurückge-
führt wurde (des Moi^eS Tochter soll Siris gewesen sein) , andererseits jedoch
den Trojanern zugeschrieben wird wegen der in Siris verehrten Athene Ilia.
Man sucht seine Stätte am linken Ufer des Sinno, des alten Sirisflusses. Es
stand in enger Beziehung zu dem am jenseitigen Meerbusen gelegenen Pyxus
(Policastro) , mit dem zusammen es vielleicht die Landenge eine Zeit lang be-
herrschte. Die dies beweisenden Münzen enthalten das Bild eines Stieres^
welches, wie bei der ältesten rheginischen Münze, auf der einen Seite erhaben,
auf der andern vertieft ist. In seiner Nähe wurde später, nachdem es von
Metapont, Sybaris und Kroton zerstört war, von den Tarentinem und Thuriern
zusammen Uerakleia gegründet, das wahrscheinlich 3 Millien nördlich vom
Sinno an der Stelle des heutigen Policoro lag, und dessen Münzen hauptsächlich
Herakles und dessen Helferin Athene aufweisen. Zwischen Herakleia und Tarent
lag femer Metapontion, dessen Lage noch die Ueberreste eines griechischen
Tempels nahe dem rechten Ufer des heutigen Bradano kenntlich machen, —
angeblich schon aus den Zeiten des trojanischen Krieges herstammend , später
aber von den Samnitem zerstört und von Adiäem auf Einladung der Bewohner
]gg Zweites Buch. V. Religion. Philosopbie. Pylbtgorai.
von Sybaris'^als Schutzmauer gegen das dorische Tarent neu angelegt. Die
Kornähre auf seinen Münzen deutet auf die ungemeine Fruchtbarkeit des Bodens
hin. Ich übergehe die Östlich von Tarent geleg^ien Städte lapygiens, über deren
allere Geschichte wenig l>ekanat ist.
Diese am Ionischen Meere gelegenen Kolonien waren die wichtigsten unter
den grossgriechischen. Sie sind es auch gewesen, welche selbst wieder Pflanz-
Städte ausgesaDdl haben, die des Tyrrbeoischen Meeres Küsten besetzten, süd-
lich von der Gegend, die schon in alterer Zeit die Chalkidier kolonisirt hatten.
Die Hauptlhatigkeit entwickelten in dieser Beziehung Sybaris, KrotoD und
Lokri, deren Bewohner quer über das schmale Festland vordrangen und sich
da niederi Jessen, wo sie das jenseitige Meer erreichten. Der Theil des Tyrrbeni-
sehen Heeres, welcher hier in Betracht kommt, zeigt vier grossere Busen zwi-
schen vorspringenden Caps; von Norden beginnend, die Golfe von Salemo,
Policastro, S. Eufemia und Gioja, von denen die beiden ersten Sybaris, der
dritte grüsstenlheils Kroton , der vierte Lokri zufielen ; in der Geschidite der
Stadt Siris li^t der Beweis, dass dies nicht ohne Beeinträchtigung anderer
Hellenensttidle geschah. Sybaris, das in seiner Blutezeit 99 SUidte beherrscht
haben soll , gründete am snlernitanischen Heerbusen das durch seine Rosen
berühmte Poseidonia oder Paestum, dessen Münzen Poseidon, sowie den in
Gestalt eines Stieres dargestellten Flussgott Silaros enthalten, und das mit
seinen gewalligen Tempelruinen noch jetzt den Reisenden in Erstaunen setzt,
und südlicher um Golfe von Policastro Skidros, wohl das heutige Sapri, so-
wie Laos, das an dem gleichnamigen Flusse, der auf den HUnzen als Stier
mit Mensch enantlitz abgebildet ist, und der noch heute Lao heisst, gelegen bat.
Kroton l^le an der nördlichen Seile des Golfes von S. Eufemia Terina, dessen
gleichnamige Quellnymphe auf den Mttnzen erscheint, und wahrscheinlich
weiter südlich Lametinoi an. Lxikri endlich wurde die Hutterstadt von
Hipponion, jetzt S. Pielro di Vibona bei Honteleone am Golfe von 5. Eu-
femia, von Medma, das wohl am heutigen MesimaQusse, der sich in den Golf
von Gioja ergiesst, zu suchen ist, und von Matauros, welches vielleicht dem
heutigen Gioja entspricht und schon als Heimatsort der Familie des Slesidioros
genannt worden ist. Weiter im Norden leilelen sich von Kyme herDikai-
archia, das spätere Puteoli (Pozzuoli), und Neapolis — eigentlich eine
doppelte Anlage, da man zur Bümerzeit Palaiopolis und Neapolis unterschied —
dessen anderer Name Parthenope an die Sirene Parthenope erinnert , die asch
Lykophron in der Burg des Phaieros — des sicilischen Tyrannen , wie ein
Scholion sagt — , d. h. eben in Neapel, eine Zuflucht fand, weshalb auch ibr
Kopf auf HUnzen der Stadt erscheint. H ye 1 e oder Elea wurde dagegen erst im
6. Jahrhundert von PhokSem auf einem am Alento gelegenen einsamen HUgel,
dem jetzigen Castellamare della Bnica , in dem Yorlande zwischen den Golfen
von Salemo und Policastro gegründet. Der Pallaskopf auf ihren Mtlnien zeigt,
dass die in Pbokaia besonders verehrte Gottheit auch in der Kolonie ibreD Rang
behauptete.
Dies sind die hellenischen Städte Grossgriechenlands, dessen BlUle im
6. Jahrhundert vor Chr. ihren Höhepunkt erreicht hatte. Damals waren noch
die Hellenen entschieden die Herren in dem von den genannten Städten, be-
Grossgriechenland. Pylhagoras. 187
sonders den südlicheren, eingefassten Gebiele, uod die italischen Völker droh-
ten erst von Norden her, ohne schon eine wirkliche Uebermscht fühlen zu
lassen. Freilich rUltelten bereits um das Jahr 5ii die Etrusker an der Macht
der ältesten und nördlichsten Griechenstadt , Kynie's , aber in die sUdl
Theile der Halbinsel , in das eigentliche Ilalieo , drang der Strom der b
sehen Einwanderung erst spater. Unter den grossgriechischea Städten !
aber zu jener Zeit Kroton und Sybaris obenan. Wenn damals die Sybai
stolz auf ihi-en Reicbtfaum waren , dass sie den verwegenen Gedanken I
durch die Uühe der auszusetzenden Preise die Hellenen zu bewegen, ihr
fest statt an den Ufern des Alpheios an denen des Krathis zu feiern , so
die Kroloniaten den edleren. Rubtn, verhaltnissmassig unter allen Griecl
meisten olympischen Sieger zu zühlen, so dass sieb unter ihnen da:
Sprichwort verbreitete : Der letzte der Krotoniaten ist der erste der H(
In diese durch Keichlhum und Kraft ausgezeichnete Welt kam ein
lender geistiger GährsloCT durch die Uebersiedelung und Niederlassn
Pythagoras.
Er begab sich, wie es scheint — denn für die Details der nim fol
Geschichte, die im Grossen und Ganzen offenbar ein richtiges Bild der Zi
gewahrt, kann nicht eingestanden werden — , zuerst nach Sybaris, veri
aber bald diesen Aufenthalt mit dem in Rroton, das ihm einen bessere
für die auszustreuende Saat darbot. Kaum war er hier angekommen,
schon durch seine Reden und seine ganze Persönlichkeit das grOsste Ai
errate. Der Ralb der Stadt beauftragte ihn, aus dem Schatze seiner \
dem Volke zu spenden und besonders die Jünglinge und die Frauen zu b«
Pythagoras erfüllte dies Verlangen , indem er dagegen den Wunsch aus
dnss den Musen ein Tempel errichtet und der Eintracht geopfert würde,
öffentlichen Beden, die er nun für die verschiedenen Alter und^Gescl
hielt, wies er Alle darauf hin , wie der Einklang, der in der Natur h(
auch im menschlichen Leben herrschen müsse , verlangte von den Juii
Ehrbarkeit, Ehrfurcht vor dem Alter und edle Wissbegierde, von den'
Frömmigkeit und eheliche Treue, von den Bürgern endlich Liebe zur Oi
Heilighaliung des Eides und treue Verwaltung des Staates. Seine Ermah
trugen schnell Frucht. Die Ringscbulen, welche seit einiger Zeit ang
hatten minder besucht zu werden, füllten sich wieder, und die Frauen
ten ihre Schmucksachen der Lakinischen Hera zum Opfer. Die durch 1
wirkte Hebung des silllichen Zustandes der Stadt Kroton machte ihn ad
ganz Grossgriechenland berühmt, und aus allen Städten strömte man
um voD ihm zu lernen. Er begann einen Bund zu errichten , in welct
diejenigen aufgenommen vrurden, die sich besonders empfänglich ftt
Lehren zeigten und geeignet erschienen, das von ihm voi^;e8cbriebeQe L<
fuhren.
Zunächst wurde mit denen, welche in diesen Bund einzutreten wUc
eine besondere Prüfung vorgenommen, welche sich nicht blos auf ihre ge
sondern auch auf ihre körperlichen Eigenschaften bezog, und wo besoni
Fähigkeit , lange Zeit zu schweigen , verlangt wurde. Das Leben der E
glieder selbst war ein genteinscbaflliobes. Einsame Spaaiei^nge zur Sat
iles üuch. V. Religion. Philosophie. Pylhagoras.
allungenzu gegenseitiger Belehrung, endlich Leibesübungen
;ung der bllrgcrlichen Angelegenheiten bei den erwachsenen
ides nicht aus. Es gab eine besondere Tiscbordnung, in der
iswahl der Speisen, als auch Über die Zahl der Zusammen-
iften enthalten waren. 300 Bundesglieder, unter denen
lerrschte, sollen in einem grossen Hause gewohnt haben,
heim gehaltene Lehren und gewisse, ihm eigenihtHnliche
mit Recht in dör Lehre des Pythagoras ausser dem Einflüsse
rneuerung alter Mysterien gefunden werden, die in ihren
den Demelcrmyslerien Übereinstimmen. Wie die Hervor—
:heii Geschlechtes ein wesentlicher Punkt in der Demetri-
so war sie auch in der Lehre des Pythagoras eine Hauptr
sagte, dass das weibliche Geschlecht vorzugsweise zur
Ten sei. Als Vertreterin der Frauenwelt erscheint unter den
llcn Theano , die Gattin des Meisters , die mit dem Ehren-
der Pythagoreischen Weisheit« belegt wurde und selbst als
■at. Den Pythagoreischen Frauen wird auch die Aufbewah-
Lcliren des Bundes vorzugsweise zugeschrieben. Der Meister
er Dnmo übergeben haben, die sie wiederum ihrer Tochter
Ueberhaupt war die Anzahl der ausgezeichneten Pytha-
ftliche Bedeutung des Pythagoras ist nicht gering gewesen,
lathematiker: einer der Hauplsiitze der elementaren Geo-
Nanien. Aber sein ganzes Wissenschaft liebes System ist von
icipien durchdiungen. Er belrachlete die Zahlen und ihre
ander als das eigentliche Wesen der Dinge; er legte ein
die Harmonie sowohl im musikalischen Sinne, wie im bild-
eordnete Verhitltniss der Dinge zu einander bezeichnet, und
dr hoch schützte, so fand er auch in dem Zusammenwirken
alls eine Harmonie der Sphären wieder. So war ihm das
Ganzes, ein Kosmos, in welchem die Erde nicht etwa stille
, ebenso wie die Sonne, um ein Central fcuer dreht. Die
nsterblich, aber er dachte sie sich stets auf der Wanderung
luem Menschen in einen andern , ja sogar in Tbiere tlber-
luid ihrer Zusammensetzung scheint Pythagoras, im Gegen-
s, weniger Aufmerksamkeit zugewandt zu haben,
war sein Ansehen in beslündigem Steigen begrilTen. Seine
)ton fiel zusammen mit einem gewaltigen politischen Auf-
dt, welche gerade damals die alte, stammverwandte Neben-
siegte und vernichlete. Diese Katastrophe wurde auf fol-
?efuhrl.
I es zu heftigen ParleikUmpfen. Die Demokratie, oder viel-
ward Herrin tlber die Aristokratie, und oOO angesehene
nach Kroton. Die Krotoniatcn schickten e:ne aus iO Man-
Pythagorss. 189
nem bcslebcnde Gcsandtstlinft nach Sybaris, um zu Gunsten dor Vertriebenen
lu nirken : niil unerhörter IleriilsverleUung wurden diese Gesandt"" '" ck^-:«
^eliidkel und ihre Leichen Über die Stadimauer, denThiercn zum Fr
Ten. Der Tymnn von Sybaris, Telys, schickte über auch selbst e
sclia[t narh Krolon , unter der sich Miinoer befanden , weiche bei
metzelung der Krol^nialen belheiligl gewesen waren. Sie wurd
ruhig angehört, aber als sie, stall Genugthuung für den Frevel zu
UhcrmOthige Reden führten und sogar den allvcrchrten Pythagoi
UlHThüuflen , da beschlossen die Krotonialen Krieg gegen die T
Beide Suidtc rilcklen mit gewalligen Heermassen in's Feld. Die Syh
der Zahl nach überlegen; sie konnten 1)00,000, Krolon nur 100
stellen. Dean<K-h trugen in der Entscheidungsschlacht am Fluss
welcher Telys die Sybi>riten, dor berühmte Ringer Hilon die Krator
diese den Sieg davon , wie es heissl , durch eine List Milon's , dei
seines Heeres die Weisen spielen liess, nach denen die Sybarilei
lanzen gelehrt halten. So hatte recht eigentlich das Cebermas
den Untergang von Sybaris herbeigeführt. Die Stadt wurde zers
Landgebiet unter die Bürger von Kroton und die sybariliscben
welche gegen ihre Vaterstadt mttgekampfl hatten , vertheilt ; docl
io der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts Spuren einer selbst
stenz von Sybaris.
Bei der nun ausserordentlich gestiegenen Macht Kroton's s(
Einfluss und die Bedeutung des Pythagoras und seines Bundes n
lang. Dieser Bund war aber nur zu leicht Uissdeulungen ausgesetzt
sittlichen Zwecken geschlossen , schien er bald vorzugsweise p
dienen und auf die Gründung und Aufrechlhaltung einer hOcbi
Aristokratie abzuzielen. Die Mitglieder des Bundes schlössen s
gt^en die übrigen BUi^er ab, und bei Hanchen mochte wohl ei
t'eberbebung dadurch erweckt werden ; jedenfalls entstand bei vi
den Bund Aufgenommenen Neid tlber den Vorzug, den Andere
schienen. Hierdurch wurde der Sturz des Bundes herbeigeführt
das Volk gegen ihn auf, und als er gerade das Fest seines zwanzig
Stehens feierte , wurde das Haus angegriffen, in welchem die Pyt
versammelten. Sie flohen. Hit ihrer Flucht fiel auch das aristokr
ment der Stadt, das in ihnen seine Hauptstütze gefunden halte ; di
setzte freilich den Kampf noch eine Zeit lang fort, wurde aber i
und eine neue Vertheilung der Ländereien nölhigle alle Gegner dei
sich in die übrigen unleritaliechen Stftdte lu begeben. Pythsgoraj
' ' ■ Uren mit ihrer Gesetzgebung ;
-, ging nach Tarenl, und nacl
i es heisst , 96 Jahre all , na
wnl so gut wie in Kroton selbs
r pythagoreischen Schule und c
nd mehr in jener Zeit das Uebi
ich in Metapont zu einem hefli|
ngshaus <icr Pytbagoreer Uber£
190 Zweites Buch. V. Religion. PbilO!
alle.geUfdtet wurden. Pythagoras selbst sdi
Seinen einem gewaltsamen Tode entgangen lu
Kummer über das Scboiiern seines Lebenswei
Pyihagoras war eine jener PersOnlichkei
gläubigen Menge als Führer und Lehrer vorac
den Stempel ihres Geistes aufzuprügen. Im 0
aster oder Buddha ein ßeligionsslifl«r geworden ; unter Griechen lebend, mussle
er in der Rolle eines rein menschlichen Siltenlehrers auftreten; dort wäre er
vielleicht gcwalisam umgekommen , aber seine Anhanger hatten sicherlich elae
mtlchtige Sekte gebildet ; unter den Griechen verschwanden bald seine wenn-
gleich bedeutttnden Leistungen in der Menge der grossen Geister, die mit udiI
nach ihm auftraten. Aber wenn ein Mann, wie er war, als Grieche unter
Griechen lebend es auch nicht eu einer Stellung von so weltgeschichtlicher
Bedeutung bringen konnte, wie er sie im Orient erreicht haben würde, so war
sein Einfluss dennoch gross. Noch ein Jahrhundert nach seinem Tode nahm
ein Pythagnreer in Tarent eine Stellung ein, deren Bedeutung sich selbst in
Sicilien fühlbar machte.
Wie weit unsere Insel von der ThütJgkeit des -Pythagoras unmittelbar he-
rtlhrt worden ist. muss dahingestellt bleiben. Den späteren Berichten, dass auf
die Kunde von seiner Lehre das Volk von Himera, Akragas, Tauromenioa seine
Tyrannen stürzte, ist schwerlich zu trauen, und wenn wir weiter hUren , dass
auf dieselbe Veranlassung hin Simichos, der Tyrann von Kenloripa, seine
Guter zwischen dem Volke der Stadt und seiner Schwester getbeilt habe, so
mOgen wir immerhin annehmen, dass es einen Tyrannen dieses Namens in Ken-
loripa gegeben hat, dass es aber pythagoreischer Einfluss war, der ihn lur
Niederlegung seiner Macht bewog, ist um so weniger wahrscheinlich, da man
im Altertbum gern die Wirksamkeit ordnender Staai^mäDner mit Pythagoras in
Verbindung brachte und z. B. Zaieukos und Charondas für seine Schüler er-
klärte. Nach einer ganz un beglaubigten Nachricht endlich wäre Pyihagoras so-
gar in Sicilien umgekommen, auf Seiten der Akragantiner kämpfend, in einem
Kriege zwischen Akragas und Syrakus.
Wenn aber auch Nichts von all diesem wahr sein sollte, und es dllrflf
insbesondere als Thatsache zu nehmen sein, dass der pylhag(H-eis(^e Bund sul
Sicilien keine poUtische Bedeutung hatte, — was zugleich ein charakteris lisch er
Beleg dafür wäre, dass Sicilien und Grossgriechen land doch nicht so ganz
dieselben EigenlhUmlichkeiten hatten — so wird man doch einen mehr oder
weniger grossen Einfluss der pythagoreischen Lehre auch auf unsere Insel nicbi
läugnen können, und es ist nur ein Beweis von der Dürfligkeil unserer Quellen
über die ältere Geschichte Siciliens , dass uns davon nur wenig Überliefert isi.
Wir bOren von einem Pylhagoreer Ekphantos aus Syrakus, der einen leeren
Baum und körperliche Monaden annahm , und der Syrakusaner Empedoli-
mos, der über Physik geschrieben hatte und die Gabe der Weissagung wie
Pythagoras, Epimenides, Empedokles und Andere besass, konnte auch mit
Pythagoras in Verbindung gestanden haben. Patron von flimera, der Itt3
Wellen aanabro, im Dreieck geordnet, scheint derselben Zeit anzugebtä^n;
Pflhagoras.
wenigstens hat ihn schon Hijipys von Rhegion, der zur Zeit
schrieb, erwähnt. Wir werden hald' eine indirekte Einwlrkun)
auf Sicilien durch MHnner, die mit grosserem Rechte als Zaieuli
das unter seine St^Uier zählen, kennen lernen, und können so
heit behaupten, dass, wenn er aurb in politischer Beziehung a
keinen direkten Einfluss ausgeübt haben mag — mittelbar Wi
kratischen und anlityrannischen Tendenzen seines Systems
diese sowohl damals wie später nicht ohne Bedeutung — jedenl
des Philosophen und Gelehrten auf unsere Insel ein bedeutend«
Drittes Buch.
Erstes EapiteL
Erleg mit den Karthagern. Gelon.
h mehr als zwei Jahrhunderte hindurch die griechische Kultur
Tcbönste eDlwickelt, und sie schieo bestimmt zu sein, bald die
ren Bereich zu ziehen, als eine gewaltige Krisis eintrat, durch
neothum dei'selben mit dem Untergange bedroht wurde. Wir
im Anfange des 5. Jahrhunderts vor Chr. aufSiciiien vorgefal-
Ereignisse verstehen zu kennen, einen Augenblick in eine
Ickliehrcn.
!r waren, wie wir wissen, anfangs vor den Griechen auf der
chen, und wührend" diese den Osten Sicüiens beseliten, liatt^n
T Westspitze derselben concentrirt. Wir haben die allniühlicbe
Griechen nach dem Westen hin verfolgt ; wir haben gesehen,
i vor Clir. von den Rhodiern Gela noch unweit des Vorgebirges ,
det wurde ; wie 64U die Zankleer sich schon bis zur Mtlnduni:
imeraflusses wagten, und 6ä8 Mcgarer sich noch weiter west-
Uste niederliessen und die Stadt Selinus gründeten. Dies war
le westliche Punkt, den die Griechen erreichten, und das nach
^te Akragas lag ßslüch von Jener Sladt. Die Hellenen waren in
nus den pbünicischen Städten Soloeis, Panormos und Motye
imcn und diese, durch die Concentration der PhCnicier daselbst
Jchtig geworden, halten ausserdem in einer nord afrikanischen,
in Sladt eine starke und mächtige Schutzherrin gefunden.
Karthago. Sie bat eine so ausserordentliche Bedeutung für
dass es nothwendig erscheint, von ihren inneren und Susseren
lige Worte zu sagen.
t wahrscheinlich, dass schon in der ältesten Periode der phttni-
te, als Tyros noch nicht bestand und Sidon es war, das Ko-
, in der Zeit kurz vor dem trojanischen Kriege — um eine her—
ologische Bezeichnung anzuwenden — da, wo spiller Karthago
aiciscbe Niederlassung gegründet worden isL Die sidoniscbe
Karthago. 193
Asiarte, nicht der lyrische Melkart, war die Hauplgotlheit von Karthago, das
also schon bestanden haben niuss , bevor sich Tyrier dort niederliessen , und
wahrscheinlich die Stelle einnahm, auf der sich spjiter die Burg Karthago's, die
sogenannte Byrsa, erhob. Anfangs war die Stadt, vielleicht durch einheimische
Fürsten in Abhängigkeit gehalten, wenig mächtig; erst als gegen Ende des
9. Jahrhunderts vor Chr. (8< 4 oder 81 3) Kolonisten aus Tyros zu den frtiher
aus Sidon herbeigekommenen sich gesellten , gewann sie grössere Bedeutung.
Sie hiess nun Karthada , d. h. die Neustadt. Der schnellere Aufschwung des
lyrischen Karthago erklärt sich aus den eigenlhümlichen politischen Verhält-
nissen der Mutterstadt zur Zeit der Gründung dieser Kolonie. Es war in Tyros
ein Kampf zwischen der Aristokratie und dem Volke ausgebrochen , und das
letzlere erlangte das Uebergewichl. Deshalb verliess ein grosser Theil der Vor-
nehmen die Heimat und siedelte nach Karthago über, das auf diese Weise
als neuer Wohnsitz der lyrischen edlen Geschlechter wenigstens für die West-
gegenden an die Stelle und in den Rang von Tyros selbst treten mussle. Jetzt,
da die gehörige Zahl angesehener und reicher Familien Karthago bewohnte,
konnte denn auch die ausgezeichnet günstige Lage der Stadt ihre volle Wirkung
ausüben. An der engsten Stelle des Mitlelmeeres , zur Seite eines trefflichen
Hafens, der guten Ankergrund und vorzügliches Quellwasser darbietet , mitten
in einer der fruchtbarsten Gegenden Nordafrika^s gelegen , war sie für Acker-
bau und Handel gleich geeignet, und diese Lage hat sich als eine so günstige
erwiesen , dass sie nach dem phönicischen Karthago noch die römische gleich-
namige Stadt und jetzt das muhamedanische Tunis zu den grössten Städten
des nordafrikanischen Küstengebietes gemacht hat. Es finden sich Andeutungen,
dass einige Zeit nach der Gründung des lyrischen Karthago aus den umliegen-
den Gegenden viel Volk in die neue Stadt zusammengeströmt ist, so dass hier
etwas Aehnliches geschehen wäre , wie in dem phönicischen Theile Siciliens,
WTC, freilich aus einem anderen Grunde, die Bevölkerung sich concentrirte
Längere Zeit hindurch \Michs die Macht Karthagers auf dem Meere und an den
von Phöniciem bewohnten Küsten, ohne sich über das Gebiet, in welchem die
Stadt selbst lag, zu erstrecken, und die mächtigen Kaufleute, welche überall
im westlichen Becken des Mittelmeeres gefür^chlet waren , zahlten für den Bo-
den, auf welchem ihre Stadt sich erhob, einem einheimischen Volke, den Ma-
ziken, eine Steuer, von der sie sich erst 200 Jahre nach der Gründung Kar-
thago's durch die Vertreibung dieses Volkes befreit haben. So zeigt sich bereits
im Anfange der karthagischen Geschichte bei den Bürgern dieser Stadt eine
eigenthümliche Mischung von politischer Grösse und kaufmännischer Klugheit,
der an dem Schein der Ehre wenig liegt, wenn nur die Wirklichkeit der Macht
und des .Beichthums gesichert ist, und es erklärt sich auf dieselbe Weise, dass
die Karthager später den Beherrscher ihres Mutlerlandes, den persischen König,
^veDigstens dem Namen nach als ihren Herrn anerkannten.
Die Verfassung der Stadt, eine wesentlich oligarchische, eignete sich vor-
trefflich dazu, die Ausbreitung ihrer Macht zu befördern. Die oberste Behörde
war der Balh der Alten, welcher, wie in Sparta, aus 30 Mitgliedern bestand,
von denen zwei die Könige waren ; er hatte die laufenden Staatsgeschäfte zu
erledigen und die Volksversammlungen zu leiten. Die beiden Könige, die
Holm, Gesell. Siciliens. I. 43'
Drilles Buch. I. Krieg mit den Karlhagern. Gelon.
ie die übrigen Mitglieder des Hathes der Allen auf ein Jahr erwühll
hatten geringen Einfluss: ihr Name, Schofeten, deutet auf oberrichter-
clionen hin. Neben dem Rathe der Alten gab es noch einen grosseren
r vielleicht aus 300 Mitgliedern bestand. Die Oi^anisation der beiden
Igt aber mit der Einthcilung der bevorrechtigten Aristokratie der alten
Her zusammen, die zunächst in 3 Slitmme, sodann in 30 Geschlechter
lossenschaften und endlich wahrscheinlich anfangs in 300 Familien
Die karthagische Bürgerschaft war in ihren Versammlungen, zu denen
rirbeiter wohl nur in beschranktem Masse Zutritt hatten, von geringem
auf die Staatsgeschäfte; allmählich kam es auf, dass einllussreirhe
durch Bestechung alle wichtigeren Angelegenheiten, besonders die
n den Rath oder zu Feldherren durchsetzten. Diese letzteren waren
er Machtvollkommenheit bekleidet, aber, nach Hause zuröckgekehrl,
et, Rechenschaft abzulegen, auch wurden ihnen stets einige Mitglieder
PS der Alten als Aufseher zugesellt, aus denen die Unterbefehlshaber
n zu werden pflegten.
e Stadt war kaum ein Jahrhundert nach ihrer Gründung durch die
hon so machtig, dass, wenn damals die Phönicier sich auf dem West-
Sicilien vereinigton, sie hierzu nicht zum geringsten Theile durch den
1 bewogen wurden, dass sie so Karthago möglichst nahe wären. Kar-
inte Überdies seine Macht in der Mitte des 7. Jahrhunderts vor Chr.
0 Eroberung der ßalearen und spater durch die von Sardinien aus,
a man bedenkt, dass zu gleicher Zeit die kleinen Inseln um Sicilien,
en , Melite , Gaulos , Kossura im Besitz der Phönicier blieben , so wiixl
lieh, dass die Semilen Siciliens gegen den Anfang des 6. Jahrhunderts
den weiteren RUekzug vor den Grieehen aufgaben und ihre gegen-
Stcllungen zu halten beschlossen, wobei sie auf die Hülfe der halb-
en Elymer oder Egestäer, die ebenfalls die Griechen als ihre Feinde
tcn, rechnen konnten.
Kraft zu erpioben, bot sich ihnen um die 50. Olympiade, 580 v, Chr.
Gelegenheit dar. Es kamen damals, wie bereits früher kurz mitgetheilt
U , Kiiidier und Bhodicr unter der Anftlbrung des Knidiers Pentalbtos
lien. Hier waren gerade die Selinuntier mit den EgosUlei-n im Kriege
Sie schlössen sich den ersteren an und versuchten selbst am Vor—
ilybaion eine Niederlassung zu gründen. Eine griechische Kolonie an
unkte wai-e eine gef.lhrliche Nebenbuhlerin des nahen Motye gewesen
Erfolg der Griechen bei diesem Unlemehmen der Reginn des gänzlichen
;es der phönicischen Macht auf der Insel. Die Phönicier wandten ihre
ift an, um das Verderben abzuwenden, und mit Hülfe der Elymer und
Interslützung herbeigerufenen Karlhager gelang es ihnen, die Knidier
iier zu besiegen , welche dann, sei es unter Pentalhlos .selbst, oder,
ser bereits gefallen war, unter dessen Begleitern Gorgos, Thestor und
Jcs, sich auf den Liparischen Inseln niederliessen. So war zum ui-sten
Griechen der Versuch einer Ansiedlung auf Sicilien misslungen, und
ager, durch den von ihnen und ihren Verbündeten erreichten Erfolg
lacht, behielten nicht nur die phönicischen Siedle Siciliens unter ihrem
Mnlchus. Doriens. 195
Schulze, sondern machten sich auch daran, ihcerseiU Eroberungen auf der
Insel zu versuchen.
L'm das Jahr 550 führte der karthagische Feldherr Malchus, dei* spiiler in
Sardinien im Kampfe unterhig, in Siciüen Krieg. Leider ist über seine FeldzUgc
auf dieser Insel nichts Näheres bekannt, und wir kOnnen nur die Verinulhung
aussprecben, dass das Auftreten dieses Feldherm es war, das die Versuche des
Phalaris, eine Vereinigung der Griechen und Sikaner mit List und Gewall zu
Slande lu bringen, veranlasste, — falls der Ge^er, den Pbalaris fürchtete,
nicht etwa schon ein Vorgänger des Malchus gewesen ist. Wenn es nun auch
wahrscheinlich ist , dass durch diese Feldzüge die Stellung der Karthager auf
Siciüen nicht wesentlich geändert wurde, so ist es doch klar, dass es seit dem
Jahre 550 vor Chr. , wenn nicht schon etwas frUher, eine karthagische Provinz
nuf unserer Insel gab, £u welcher die phdnicischen Stildte Panormos, Soloeis und
Moiye gehörten, deren Ostgrenze wir jedoch nicht genau anzugeben vermögen.
])k Karlhager behandelten ihre sicilischen Untorlhanen nicht mit der Härte,
welche sie gegen die in Afrikn wohnüoden in Anwendung brachten. Dass die
erslercD eine grössere Freiheit genossen , zeigen schon die Bedingungen des
mischen Karthago und Born im Jahre 500 abgeschlossenen Handelsvertrages,
durch welchen den ROmcin uuter den karthagischen Besitzungen nur Siciüen
zum Behufe des Handelsverkehres geöffnet wurde. Nicht ganz so sicher ist das
den sicilischen Stadten~Karihago's zugeschriebenePrivilegiuni des Gebrauches des
Melallgeldes, da es nicht unbedingt fcsistehl, dass derselbe in Afrika untersagt
war. Uebrigens hatten die Karlhager Veranlassung genug, den Bewohnern von
Panormos, Motye und Soloeis etwas mehr Selbsliindigkeit als ihren übrigen
l'nterlbanen zu lassen. Denn die Behauptung der Weslspilze Siciliens war für
die Beherrscbting des Mitlelmeeres von so grosser Bedeutung, dass, wenn Kar-
thago die iphOnicischen Einwohner jener Stildle durch die Gewahrung einer
lievorzugtcn Stellung fest an seine Interessen kettete, es damit nur einen Act
tluger Politik ausübte.
Gegen das Ende des 6. Jabrhunderls vor Chr. gab den Karthagern das
eljenfalls schon kurz erwähnte Unternehmen des Spartaners Dorieus eine neue
l!elei;enheil , sich in diesen Gegenden als die Mächtigsten zu zeigen. Seine
Auswanderung hatte folgende Veranlassung. Der spartanische KOnig Ana\an-
dridas, der mit seiner rechtmässigen Gemahlin keine Söhne hatte , wurde von
den Ephoren genölhigt, noch eine zweite Gattin zu nehmen. Diese gebar ihm
einen Sohn , den Kleomenes ; bald darauf wurde aber auch die erste Gemahlin
Mutter eines Sohnes , des Dorieus , und sie gebar nachher noch zwei andere,
Lfonidas und Kleombrotos. Als nun nach dem Tode des Anaxandridas Kleo-
menes als der älteste Sohn in der Regierung folgte , konnte Dorieus , der an
Tüchtigkeit den neuen König weit übertraf, die Zurücksetzung nicht ertragen,
und er^beschtoss auszuwandern. Er bat die Spartaner, ihm Gefährten zu geben,
ihai .ihcrAwip Hcrodni hprvni-hebt , sonst nicht, was gebräuchlich war, und
Delphische Orakel um Rath, wohin er gehen
rika, wohin ihn Leute von der Insel Thera Uber-
ing der Lage des Punktes , den er zu besetzen
;lbe, wahrscheinlich von den kundigen Theräern,
196 Drittes Buch. I. Krieg mit den Karthagern. Gelon.
trefflich gewählt war , und dass die Wahl selbst dem Delphischen Orakel keine
Schande gemacht haben würde. Das mittlere Becken des Mittelmeeres wird be-
kanntlich durch Giiechenland, Unteritalien, Sicilien, die nordafrikanische Küste
und Kreta begrenzt. Diese Küsten befanden sich damals mit Ausnahme der
nordafrikanischen im Besitze der Hellenen, und auch auf dieser hatten die
Griechen seit dem Ende des 7. Jahrh. vor Chr. schon einen wichtigen Punkt in
ihren Händen, das vorspringende Land von Kyrene. Um ganz Herren des
mittleren Beckens zu werden , blieb den Griechen noch der übrige Theil der
nordafrikanischen Küste zu besetzen. Es war aber nicht nothwendig, sogleich
die beiden tiefen Buchten der Syrten zu kolonisiren , es genügte für's erste,
sich des sie trennenden Vorsprungs, der jetzt die Stadt Tripolis trägt, zu be-
mächtigen. Von hier aus beherrschte man mit Leichtigkeit die Syrten und
befand sich bereits im Meridian von Sicilien. Es war dann nur noch die Küste
südlich vom Cap Bon zu erobern , und wenn auch dies gelang , so waren die
Griechen Herren des ganzen Beckens. Diesen wichtigen Schritt zur Ausbreitung
der hellenischen Macht versuchte Dorieus, indem er sich am Flusse Kinyps nie-
derliess , der östlich vom jetzigen Tripolis eine sehr fruchtbare Gegend durch-
strömte. Aber der Versuch misslang. Die Karthager, denen die Bedeutung des
bedrohten Punktes nicht entgehen konnte , zogen die Bewohner des Landes am
Kinyps, die Maker, in ihr Interesse und besiegten mit ihrer Hülfe die Spartaner.
Dorieus musste nach zweijährigem Aufenthalte in Afrika weichen und kehrte
nach demPeloponnes zurück. Hier machte ihn Anticheres aus Eleon in Böotien auf
alte Orakel des Laios aufmerksam, nach denen er Herakleia in Sicilien besetzea
könne, da es zu den Ländern des Eryx gehöre und diese alle Herakles erworben
habe, so dass sie jetzt der Herakliden rechtmässiges Eigen thum seien. Nun
begab sich Dorieus nach Delphi und fragte das Orakel , ob er das Land erobern
würde, nach dem er jetzt auszuziehen im Begriflf wäre. Die Pythia bejahte die
Frage. So fuhr er denn mit neuen Hoflfhungen ab , begleitet vou angesehenen
Spartanern , unter denen Thessalos , Paraibates , Kelees und Euryleon waren.
Aber ehe die Auswanderer nach Sicilien kamen , landeten sie in Unteritalien
und halfen nach der Behauptung der Sybariten , der freilich die Krotoniaten
widersprachen , diesen letzteren bei ihrem Kampfe gegen Sybaris , was dann
als Grund angegeben wurde, weshalb der günstige Orakelspruch nicht mehr in
Sicilien in Erfüllung ging : er war ja schon in Italien erfüllt worden. JedenfaUs
hatte Dorieus in Sicilien ebenso wenig Glück wie in Afrika. Er fand dort die
Karthager ebenso wachsam , wie er sie in Libyen gefunden hatte. Das alte
Bündniss der Phönicier und Egestäer stellte sich ihm gegenüber. Mae er nun,
wie Diodor sagt, Herakleia besetzt haben und dann erst besiegt worden sein,
oder mag er, nach Herodot^s wahrscheinlicherem Berichte, gleich im Kampfe
seinen Untergang gefunden haben, worauf dann Euryleon die selinuntiscbe
Kolonie Herakleia besetzte, — sicher ist, dass wiederum ein Versuch der Grie-
chen, den Phöniciem in Sicilien ein Stück ihres Gebietes abzuringen, misslang.
Uebrigens ist die Nachricht des Herodot um deswillen wahrscheinlicher, als die
Diodor's , weil sie die Voraussetzung gestattet , dass Dorieus anfangs eine Nie-
derlassung in wirklich phönicischem Gebiete westlich von Selinus, vielleicht am
Fusse des Eryx, versuchte, während bei der Annahme, dass er sogleicb Hera—
Dorieus. Sicilien um 500 vor Chr. ] 97
Ueia besetzt habe , das dann von den Karthagern zerstört worden sei , schwer
zu erklären ist, wie die östlich von Selinus gelegene Stadt diesen so furchtbar
erscheinen und von ihnen so leicht zerstört werden konnte. Wir müssen noch
hinzufügen, was Herodot der Mühe werth gehalten hat zu berichten, [dass Do-
rieus in seinem Unternehmen auf Sicilien von einem angesehenen , aus seiner
Vaterstadt geflohenen Krotoniaten , Namens Philippos , unterstützt wurde , der
ihn mit einer eigenen Triere begleitete. Er war ein Olympionike und galt als
der schönste der Hellenen. Als er im Kriege gefallen war, erwiesen ihm die
Egestäer wegen seiner Schönheit die Ehre, dass sie über seinem Grabe ein
Heroon errichteten und ihm dort Opfer darbrachten. Herodot berichtet noch
von den weiteren Schicksalen des Euryleon, dass er den Selinuntiem half, sich
von ihrem Tyrannen Peithagoras zu befreien , dann aber selbst sich zum Ty-
rannen von Selinus machte und nach kurzer Herrschaft von dem empörten
Volke am Altar des Zeus Agoraios, wohin er sich geflüchtet hatte, getödtet
wurde.
Der gegen Dorieus errungene Erfolg machte in den Karthagern wiederum
die Hoffnung rege, durch eigene Angriffe die Griechen allmählich aus ihren
Stellungen auf Sicilien zu verdrängen. Nun war aber am Anfang des 5. Jahr-
hunderts vor Chr. die Gelegenheit zur Ausführung solcher Pläne sehr günstig.
Es war die Zeit, wo die Perser ihre ungeheuren Züge gegen die Griechen des
Mutterlandes unternahmen ; wenn nun die Hellenen von zwei Seiten zu gleicher'
Zeit angegriffen wurden, war es da nicht unmöglich, dass sie d^m Verderben
entgingen ? Es wird berichtet, dass Xerxes die Karthager, die Kolonisten seiner
phönicischen Unterthanen, durch persische und phönicische Gesandte habe auf--
fordern lassen, seinen Kampf gegen Hellas durch einen gleichzeitigen Ueberfail
Siciliens zu unterstützen. Eine solche Aufforderung von Seiten des persischen
Königs ist eine so natürliche Thatsache, dass sie gegen die Zweifel, welche da-
gegen erhoben sind, nicht erst vertheidigt zu werden braucht, und ebenso
natürlich ist es , dass die Karthager auf ein Unternehmen eingingen , das ihnen
so grossen Vortheil versprach. Wenn sie eines besonderen Verwände s bedurf-
ten, um die Griechen Siciliens angreifen zu können, so wurde er ihnen von den
Hellenen selbst gegeben.
Um das Jahr 500 vor Chr. waren , mit Ausnahme von Syrakus , die be-
deutenderen Igriechischen Städte der Insel unter die Herrschaft von Tyrannen
gekommen. Wir sahen oben, dass inGela seit 505 (Ol. 68, 4} Kleandros regierte;
er schützte sich durch Soldtruppen, die zum Theil aus Sikelem bestanden, und
als er nach siebenjähriger Herrschaft durch das Schwert desSabyllos, eines Ge-
loers, fiel, wurde die Stadt dennoch nicht frei. Hippokrates folgte in der Allein-
herrschaft seinem Bruder Kleandros 498 (Ol. 70, 3) v.Chr. Der neue Herrscher
verfolgte mit vielem Glück das Bestreben, die Griechen und Barbaren der Insel
sich mittelbar oder unmittelbar unterthänig zu machen , und er wurde darin
durch zwei Männer von vornehmer Herkunft, die ihm dienten, unterstützt, den
Ainesidemos, den Sohn des Pataikos, und besonders durch Gelon, den Sohn des
Deinomenes, einen Nachkommen des früher in der Geschichte von Gela erwähn-
ten Telines, einen Mann, der sich bald zum Anführer der Reiterei des Hippokrates
aufschwang. So gelang es dem Tyrannen von Gela, Kallipolis, Naxos, Leontini
Drilles Buch. I. Krieg mit den Kertbagern. Gelon.
1 unlerwerfon. Es scheint, dass er diese Städte grössteotheils
[ebene Männer, welche sich auch T\Tannen oder Könige nennen
Tn Hess. Wenigstens w ird Ainesidenios als Herrscher von Leontini
i Skylhes , der um dieselbe Zeil als Tyrann von Zankle auftritt,
eni Uippokrales gegenüber eine untergeordnete Stellung ein.
Lythes, ein, wie es scheint, ziemlich rechtschaffener Haon , liess
eitaussebendes Unternehmen ein, von dem er sich viele Vortheile
s ihm aber schliesslich nur Verderben brachte, da ein Schlauerer,
ili in die Sache mischte. Er erliess nach der Zerstttrung von Hilet
ser im Jahre 494 vor Chr. eine Aufforderung an die lonier, die
ischen Joche nicht beugen wollten, nach Sicilien zu kommen, wo
leile der NordkUsle , welcher die schOne Ktlste , Kaie akte, ge-
, mit Leichtigkeit unter seiner Beihulfe eine Niederlassung grUn-
Wenn die schöne KUsle, welche Skylhes im Auge hatte, dieselbe
1 halbes Jahrhundert späler von den Sikelem durch die Gründung
ikle kolonisirt wurde, so ist es die reizende Gegend, die sich
heultgen Sladl Caronia am Meere hinzieht. Es darf aber nicht
len , dass ein sicilischer Fürst 'sich mit einem solchen Vorschlage
:che lonier wenden konnte; bereits seil geraumer Zeil bestanden
Igen zwischen den Städten Kleinasiens und den westlichen KU-
fS Milteltneeres. Nach Herodot waren asiatische Phokaer die ersten
esen, die weile Seefahrten unternommen und das Adriatische
tnien, Iberien und Tartessus ihren Landsleuten kund gemacht
In der Thal zeigen sich die Bürger von Phokaia als ein redites
das von seiner felsigen Heimat unbefriedigt und die nKheren Kü-
indend, in die Feme strebt und sich dort in mühevollen und
ahnen bereichert. In Sicilien findet sich eine eigenthUmltche Spur
n'esenheil von Pbokäem in dem Namen Phokaiai, welchen ein
It Leontini führte. Phokäer waren es, welche um das Jahr 600
Massalia gründeten , Phokser , die um das Jahr &6S Älalia auf
!a) anlegten, wohin 94S, als die Perser ihre Sladl erobert hatleu,
T sich begaben , welche aber 5 Jahre spater in Folge einer uu-
Seeschlacbt g^en die Karthager und Tyrrhener diesen Ort ver-
eils nach Massalia , theils nach nhe^on und von hier zur Grün-
n oben erwähnten Stadt Hyele oder Elea zogen. Endlich httren
einem phokaischen SchifTsfUhrer , Namens Dionysios, der sich
nüht halle, dem durch die Schlacht bei Lade so unglücklich be-
;e der lonier gegen die Perser eine andere Wendung zu gebeo,
Ules verloren war, mit drei eroberten feindlichen SchiSen zuerst
1 und von da nach Sicilien fuhr, von wo er gegen Karthager und
ckliche Raubzuge uolernahm. Wir können sogar vermuthen, dass
1 Zankle gekommen ist, und dass durch ihn Skylhes auf den Ge-
hl wurde, lonier, die sich den Persern nicht unterwerfen wollten,
!U ziehen,
i war es natürlich, dass kleinasiatische Griechen dem Bofe des
:amen. Es waren Samier und einige Milesier, welche der Auf—
AnaiilBE. Snmler in Zanklr'. . 199
fordenjng Folge leisteten. Als sie alwr auf ihrer Fabrt nach Sicilien im epi-
zephyrischen Lokri angekommen waren und hier eine Zeit lang verweilten -^
wie es scheint, wegen der Abwesenheit des Skythes von Zankle — , da trat mit
ihnen ein Mann in Unterhandlung, der mit seiner Schlauheit dem ganEc
nehmen eine andere Richtung zu geben wussle. Es war Anaxilaa, Ty
Bhegion, eine der merkwürdigsten Persönlichkeiten seiner Zeit.
Anaxilas, Sohn des Kretines, aus vornehmer messenischer Faniil
die in Rhegion bestehende Oligarchie i9i v. Chr. gestürzt und regierte
ganz kurze Zeit, als die Ankunft der Samier seinem Talent für politisc
guen freien Spielraum gewahrte. Er machte die Fremdlinge darauf aufn
dass eine lange schon bestehende , schöne Stadt besetzen besser sei ,
neue mllhsam gründen, und dass sie die beste Gelegenheit hätten, das !
und Angenehmere statt des Schwereren zu ihun. Skylhes beftinde siel
Uehrzahl der wafTen&higen Einwohner von Zankle ausserhalb der St
der Belagerung eines sikelischen Ortes beschüftigl ; es würde ihnen a
schwer werden , wenn sie sich erst die Thore von Zankle hatten öffne
was man ihnen, den aue der Feme Herbeigerufenen, nicht verweigeri
sich der Stadt zu bemächtigen. Die lonier gingen auf den Vorschlag (
der.Streich gelang : sie wurden die Herren von Zankle Ol. 71 , i — 49:
Als Skythes sah, dass er auf gtltlichem Wege seine SHidl nicht wiedei
wurde, nahm er die Hülfe des Hippokrates in Anspruch; dieser aber,
beschwerlich dünkte, die Samier zu vertreiben, und der glauben mocl
«r, abgesehen ^on dem augenblicklichen Gewinn, den ein Vertrag mit
dringlingen bringen musste, später vielleicht ebenso viel Autorität
neue Bevölkerung von Zankle sich erringen kOnne, wie er Über die all
hatte , Hess Skythes im Stiche und ging auf die Seite seiner Ge^er tll
frtthere HeiTscher von Zankle und dessen Bruder Pytht^enes, die nid
ahnten, wurden ergriffen und als Gefangene nach Inykon geschickt;
kleer, welche mit Skythes ausgezogen waren, wurden ebenfalls ge(a
Domuien und von Hippokrates zu Sklaven gemacht; 300 der anges
unter ihnen, welche er aus dem Wege zu rtlumen wUnschte, gab er, d
schitmte, sie selbst hinrichten zu lassen, den Samiern, damit sie sie uml
Als vertragsmässigen Lohn fUr seine Verrittherei erhielt er die Hölfle al
ven und aller beweglichen Habe , die die alten Zankleer innerhalb d<
mauem , und Alles , was sie ausserhalb derselben gehabt hatten. 1
war das Schicksal der Opfer des Verrathes nicht ganz so schlimm, wi
krates gewollt hatte ; die Samier schenkten den Dreihundert das Leb
Skylhes eptkam aus Inykon. Er entfloh nach Himera und schiffte sict
nach Persien ein , wo er vom Könige Dareios mit grosser Auszeichni
genommen wurde. Dareios erklärte ihn, wie Herodol sagt, fUr den rei
fensten aller Hellenen, die zu ihm geflohen waren — und es gab dei
wenige — , besonders weil er von einer Reise nach Sicilien, die er mil
niss des Rttnigs unternahm , wirklich wieder nach Persien zurltckkel
er hochbejahrt im grOssten Wohlstande starb.
Hit den Samiem kam Kadmos aus Kos, der Sohn des Skythes —
«ines andern ah des eb«i genannten — nach Sicilien. Kadmos war Tj
illesBuch. 1. Krieg mit den Karthagern, Gclon.
^ aber, ein seltnes Beispiel vod Müssigung , zumal in jener
nenschlicben Zeit, die Uerrscbaft über seine Insel freiwillig
lachte er id Zankle zu leben. Aber der bald hier eintretende
erhältnisse gestattete ihm keinen langen Aufentball; denn
irze Zeit im Besitze der Samier. Anasilas hatte natUrlicb,
ith gab, Zankle für sich zu nehmen, nicht etwa blos die
se Stadt dem Skytbes zu entreissen, er hatte in ihnen Werk-
enen ehrgeizigen Plüne gesehen. Und er hatte sich nicht
jFzer Zeit war Zankle in Seinen Uänden. Es ist uns nicht
eten , welche Mittel er anwandte , um zu seinem Ziele zu
W^, den er einschlug, ist nicht schwer lu errathen. Der
liäter der Snmier konnte Icidit Bewaffnete, die ihm dienten,
1, und das Uebrige war nur eine Frage der Zeit. Es kann
Tst nach dem Tode des Hippokiates , der ja den Beschützer
hotte, in die Hände des Anaxiias fiel, dann wäre das Er—
^getreten. Anaxiias führte, sobald er Zankle's Gebieter war,
prschiedenen Ursprunges in die Stadt und nannte sie dann,
viele Bheginer, messenischer Herkunft war, Messana. Dies
richte des Tbukydides, der Ursprung des Namens, den die
m getragen hat. Nach anderen Nachrichten wSre schon bei
irch die Samier, denen sich si^leich Hessenier, offenbar aus
issen hallen , die Stadt Zankle Messana genannt worden.
'Sten HUnzen, auf denen sich der neue Stadtname findet,
vie samische MUntea, ein LUwenbaupl auf der einen, ein
anderen Seile, so dass es unverkennbar ist, dass der Bin-
der Stadt überwog, als sie diese Münzen prägte. Wenn nun
samischen Typen der Name Messene auftritt , so ist weoig-
abrscheinlichkeit vorhanden, dass wirklich schon bei der
tylbes die Stadt ihren neuen Namen empfing. Dass aber die
ISS dieser Name Hessene war, bat nichts Auffallendes, wenn
Ichen Antheil Anasilas an ihrem plötzlichen Glücke hatte.
mag , Anaxilas gewann die Hen-schaft Über Messene , wo
le Element einen immer grosseren Aufschwung nahm, wie
en zeigen , auf denen anfangs , noch lur Zeit des Anaxilas,
senioi, daim bald Messanioi genannt werden. Die noch vor-
von Messana und Rhegion lehren noch eine andere merk—
; Anaxilas führte einige Zeit, nachdem er in Besitz der sici-
)gt war, hier wie in Rhegion an Stelle des jiginäischen
is dabin in diesen SlUdten herrschend gewesen war, den
cilischen Städten, wie insbesondere in Syrakus gebrSuf^i—
. Die hierdurch herbeigeführte Veränderung war eine dop-
die attische Drachme leichter als die äginäische. In dieser
die Einfuhrung des neuen Hünzfusses den Charakter einer
zielten Massregel; es ist eine jener Münzreductionen , die
n sind, und weldie den Vonbeil bringen , dass sie die Ab-
len erleichtern. Sodann aber brachte der neue HUnifuss es
AnaxUas. Hippokrates von Gela. 201
mit sichy dass nun statt der Drachme die Tetradrachme das gewöhnliche Geld-
stück wurde. Dies musste von günstigem Einfluss auf die Hebung des Verkehrs
mit den Nachbarstädten und anderen Handelsplätzen sein, wenn es nicht schon
als Zeichen eines gehobenen Verkehrs betrachtet werden darf, den der Fürst
nur noch durch die Aufhebung der Schranke begünstigen woUte , welche in
einer unbequemen Münze lag. Jedenfalls haben hier, wie an so manchen Orten,
die materiellen Interessen durch den Sturz der Aristokratie , welchen Anaxilas
in Messene wie in Rhegion vollendet hat , einen wesentlichen Aufschwung ge-
nommen. Während nun die ersten Münzen , welche der Fürst in den von ihm
und seinem Sohne Kleophron beherrschten Städten schlagen Hess, noch die
samischen Typen zeigen, welche auch Rhegion führte, tritt nach kurzer Zeit ein
anderes Gepräge auf: ein Hase auf der einen, ein Gespann auf der anderen
Seite. Die Erklärung hierüber ist uns durch PoUux überliefert. Anaxilas hatte
in Olympia mit einem Maulthiergespann gesiegt , und er war es gewesen , der
die Hasen auf Siciliehi einheimisch gemacht hatte. Dieselbe Umwandlung des
äginäischen Münzfusses in den attischen haben sodann auch die übrigen chal-
kidischen Städte der Insel vollzogen , so dass der attische nachsolonische Fuss
seitdem auf ganz Sicilien herrschend war.
Während nun so Anaxilas sich zum Herrscher der die Meerenge ein-
schliessenden Städte machte und durch die Anlage eines Kriegsbafens bei
Skyllaion die Fahrt durch dieselbe den Tyrrhenischen Seeräubern versperrte
— eine Tbat von nicht geringer Bedeutung für die Entwickelung des sicilischen
Handels — , wandte sich Hippokrates von Gela , der von Messana wenigstens
reiche Beute davongetragen hatte , zu einer noch wichtigeren Unternehmung :
er versuchte, Syrakus zu unterwerfen. Diese Stadt besass seit mehr als einem
halben Jahrhundert ein gerade nach Südwesten hin sehr ausgedehntes Gebiet.
Es war nämlich in der 57. Olympiade (552 v. Chr.) ein Krieg zwischen ihr und
Kamarina ausgebrochen, weil — wir wissen nicht, bei welcher (relegenheit —
diese Stadt sich von ihrer Metropole losgesagt hatte. Auf syrakusanischer Seite
standen die Megarer und Hennäer, auf der der Kamarinäer ausser andern uns
nicht genannten Bundesgenossen die Sikeler, während die Geloer sich weigeiten,
gegen Syrakus zu kämpfen. Es kam zur Schlacht, als die Kamarinäer den Fluss
Hyrminos, der die Ostgrenze ihres Gebietes ausgemacht zu haben scheint, über-
schritten. Sie wurden besiegt, ihre Stadt erobert und sie selbst vertrieben.
Die Syrakusaner nahmen das kamarinäische Land für sich in Besitz. So waren
sie die unmittelbaren Nachbarn des Herrschers von Gela , der mit ihnen Krieg
begann. Die Syrakusaner verloren eine Schlacht am Flusse Heloros — in Hip-
pokrates' Heer zeichnete sich Ghromios aus — und die Geloer trieben die Be-
siegten in ihre Stadt zurück. Hippokrates schlug in ihrer unmittelbai*en Nähe
beim Tempel des Olympischen Zeus sein Lager auf und fand, als er den Tempel
betrat, den Priester nebst einigen Syrakusanem dabei beschäftigt, die goldenen
Weihgeschenke, welche den Tempel zierten, und den sehr werthvoUen goldenen
Mantel des Zeus zu entfernen. Er fuhr sie als Tempelräuber hart an , Hess ^ie
aber frei in die Stadt zurückkehren. Er selbst berührte die Schätze des Heilig-
thums nicht, indem er darauf rechnete, dass eine solche Enthaltsamkeit ihn bei
dem Volke von Syrakus in ein günstiges Lidit stellen würde, den eigenen
202 Drilles Bucli. t. Krieg mit den Kartliagern. Gulon.
BeaiDlen gegenübei*, die den Tempel halten plündern wollen. Man sieht, dasi^
Hippokrates sich der syr<ikus.-ini sehen Ärislokratie als Freund des Volkes g^en-
Uberst«llte. Er wHrde wohl seinen Zweck erreicht huhco, denn der Schlag war
schwer, den Syrakus am Heloros erliLlen hatte, wenn niclit Korinth und Ker-
kyra sich in's Mittel gele^it hüllen. So mussle Hippokrales sich mit der Ab-
tretung von Kamanna als Enlschüdigung für die Auslieferung der \'on ihn]
)iefangen genotninenen Syrakusaner begnügen. Kr führte nach Kamarina nieder
Einwohner. Dann wandle dei- unermüdliche Krieger sich gegen die Sikeler,
Die Stadt Ergelion eroberte er durch eine List. Er lockte durch Bevorzu^ng
der Ergetinischen Söldner in seinem Heere die meisten ihrer Mitbürger in seinen
Dienst und berauble so die Stadt ihrer Ve rt heidi ger ; während eines Marsches
durch die Laistrygonisclien Gefilde übertielen dann seine Reiter dieselbe. Kun
M-urde zum Hohn den Ei^tinem Krieg angekündigt und sie von den Geloem
und KamarinSem niedergemacht. Dann grilTer Hybla an und fand hier seinen
Tod, nachdem er 7 Jahre regiert halte.
Bippokrales hinterliess zwei Söhne, Eukleides und Rleandros. Aber diese
waren noch zu jung, um seihst zu regieren, und Verwandle, welche die vor-
mundschaFtiiche Regierung hätten führen können, scheinen nicht dagewesen zu
sein. Unter diesen Umstanden musst« es natürlich ei-scheinen, dass Gelon, der
treüeste Diener des Verstorbenen und jetzt der erste Mann des Staates , einsl-
weilen an die Spitze desselben trat. Er gab vor, für die Söhne des Hippokrates
die Herrschaft führen zu wollen; als er aber einen Aufstand derGeloer, welche
die Gelegenheil zur Wiedererringung der Freiheit gekommen wühnten, unter-
drückt halle , waif er die Maske ab und machte sich selbst zum Tyrannen von
GelaOl. 72, 2; 491 v. Chr.
Wie Hippokrales, so fühlte auch Gelon das Bedürfniss, in einem grösseren
Wirkungskreise, als Gela hiet«n konnte, seine Kräfte geltend zu machen. Er
erkannte mit richtigem Blicke, dass nur an der OslkUste Siciliens eine wahrhaft
bedeutende Macht gegründet werden könnte, und dass die einzige Stadt, weiche
sich zum Sitze derselben eignete, Syrakus würe, dessen Irefiliche Lage unver-
gleichliche HUlfsmiltel darbot. Es handeile sich also darum, Syrakus zu ge-
winnen, auszufllhren, was Hippokrales misslungen war. Offenbar war g^en
das mächtige Gemeinwesen mit blosser Gewall Nichts auszurichten; es galt.
List anzuwenden und vor allen Dingen günstige Umstünde abzuwarten. Diese
traten bald ein. Die inneren Verhaltnisse von Syrakus erleichterten Gelon's
Bestrebungen. Es war endlich der schon lange gührende Hass des niederen
Volkes gegen die Gamoren zum Ausbruch gekommen. Das Stadtvolk hatte sich
mit den leibeigenen Killikyriern gegen die Aristokraten verbunden, und der Er-
folg des Aufstandes war die Vertreibung der Adligen gewesen, Sie waren nach
Kasmenai gezogen und forderten nun Gelon auf, ihnen Hülfe zu leisten. Gelon
nahm sich der Vertriebenen an , aber in einer Weise , die durchblicken liess.
dass er gegen das Volk von Syrakus darum nichts Böses beabsichtige ; wenig-
stens müssen uir dies vermuLhen , um das nun Folgende zu erklaren. Denn
das syrakufianische Volk, das sich Überdies vielleicht nach der in einem ahn-
licben Falle erdachten Fabel wie die Glieder ohne den Magen vorkommen mocfale.
Gelon in Syrakus. 203
nahm die Gamoren ohne Widerstand auf und Gelon dazu. Dies geschah in)
Jahre 485 vor Chr. (Ol. 73, 4).
So halte denn auch die letzte wichtige Stadt Siciliens, welche bis dahin
noch frei von der Tyrannis geblieben war, sich unter ihr Joch gebeugt. Seitdem
ist die Geschichte von Svrakus mehr eine Geschichte der Tvrannen als der
freien Bürger desselben ; abei- es ist nicht ohne Bedeutung , dass die Verfas-
sungsform , welche die Stadt die längste Zeit ihrer Selbständigkeit hindurch
beibehalten sollte, ihr zu Anfang nicht aufgezwungen, sondern von den Bürgern
freiwiUig gewühlt worden ist. Natürlich ist der Adel, als er mit Gelon zurück-
kehrte , nicht in seine früheren Rechte wieder eingesetzt worden , und Gelon
war es , der dem Volke dafür bürgte , dass dies auch spater nicht geschehen
würde. Gelon ist trotzdem, dass durch ihn die Gamoren nach Syrakus zurück-
geführt sind, auch in dieser Beziehung als Fortsetzer der Politik des volks-
freundlichen Hippokrates zu betrachten.
Als der Fürst seinen nächsten Zweck, den Besitz der besten Stadt der Insel,
erreicht sah, schritt er dazu, ihr die Stellung unter den Städten Siciliens, welche
sie einnehmen konnte, aber noch nicht einnahm, zu verleihen. Um die gün-
stige Lage von Syrakus vollständig auszunutzen, war es noth wendig, dass die
Stadt noch volkreicher wurde , als bisher ; erst dann war es möglich , eine so
imposante Land- und Seemacht, wie Gelon sie wllnschte, auf die Dauer in ihr
zusammenzuhalten und stets neu zu rekrutiren. Der neue Herrscher arbeitete
deshalb vor allen Dingen auf dieses Ziel hin , und um es zu eiTeichen , waren
ihm alle Mittel recht. Das einfachste war die Verpflanzung der Bewohner an-
derer Städte nach Syrakus. Das Mittel selbst war nicht neu in Sicilien , denn
schon die Phönicier hatten sich seiner bedient, als sie sich vor den Griechen
nach Panormos, Motye und Soloeis zurückzogen, aber die Anwendung des-
selben war es. Denn die Phönicier mussten vor einem mächtigen Feinde zu-
rückweichen, und in der Concentrirung lag ihre einzige Rettung; hier drängte
kein Feind dazu. Wenn also Gelon dies Mittel anwendete, welches ein Gegen-
bild zur kolonisirenden Thätigkeit darstellte , die in Syrakus so lange geblüht
hatte, so müssen wir einerseits seiner Klugheit unsere Anerkennung zollen, und
andererseits verdient die Energie hervorgehoben zu werden , welche bei dem
natürlichen Widerstände der Betrofifenen dazu gehörte, das Unternehmen durch-
zuführen. Uebrigens ist die Strafe für das Unnatürliche, welches die Massregel
in ihrem weiteren Verlaufe hatte, nicht ausgeblieben. Zunächst ward der Glanz
und die Macht Gela^s dem Gedeihen von Syrakus aufgeopfert. Gelon nahm seiner
Heimat die Hälfte ihrer Bürger, aber er liess ihr dafür als besonderen Herrscher
seinen Bruder Hieron, gleich als sollte die Stadt, die seine Grösse begründet
hatte, nicht ohne Weiteres zu einer Provinzialstadt herabsinken. Weniger
Rücksicht nahm er auf Kamarina , das Hippokrates erst vor kurzer Zeit den
Syrakusanem zum Trotz mit Geloem bevölkert hatte. Es wurde, nachdem es
eine Zeit lang unter der Herrschaft eines berühmten Faustkfimpfers, des Glau-
kos von Karystos , den Gelon eingesetzt hatte , gestanden , von Gelon wieder
zerstört und die Einwohner nach Syrakus verpflanzt; — sie mögen bei dem
Tausch eher gewonnen als verloren haben. In ganz anderer Weise verfuhr er
mil der Bürgerschaft der Städte Megara und Euboia. Er hatte von ihnen Unter-
es Buch, I. Krieg mit den Karthageni. Geion.
er sie batten Widerstand geleistet uud es auf eine Belage-
n, und es waren die vornehmen Geschlechter dieser Städte
rstaudes gewesen. Offenbar stand Gelon in dem durch sein
nicht erschütterten Rufe, dass er ein Feind der Aristokratie
adle sich batlen ergeben müssen, liess er die Vornehmen,
ieten, nach Syrakus ziehen , wo sie sich ansiedeln muss-
L aber , das sich keiner feindlichen Gesinnung gegen ihn
halb nichts Bdses erwartete , brachte er zwar auch . nach
>er nur, um die Menschen dort als Sklaven an Solche |zu
! Sicilien fortzunehmen versprachen. Er handelte so, sagt
Qte , dass das niedere Volk ein unbequemer Mitbewohner
; er wollle es also nicht in Syrakus aufnehmen , um die
e Hasse Aermerer nicht zu vergrössern, und er fürchtet«,
sie in ihrer Heimat Hesse, doch spüter seine Feinde wer—
en in den eroberten Suidten nur leibeigene Bauern, deren
I sehr zu furchten war, und der Verkauf der Menschen
beträchtliche Geldsummen ein. Das Kriegsrecbt des Aller—
he Grausamkeiten. So wurde denn Syrakus auf Kosten
oss und volkreich , und es ist anzunehmen, dass damals
vergrössert worden ist. Es ist jedoch nicht ausdrücklich
rheil hinzukam. Wir sahen , dass ein Stuck wenigstens
früher bewohnt sein musste ; durch Gelon ist dann dieser
mit Wohnhäusern bedeckt worden, und er ist es vielleicht
Westen mit der früher erwähnten Hauer umfasste. So-
r seiner Regierung ein dritter Stadttheil hinzu , das nach
Glücksgöttin benannte Tyche , das sich an Achradina im
, die Nordhalfte des Plateau's nahe dem Trc^Ioshafen ein-
ch hat auch dieser Theil schon eine Hauer gehabt. End-
lich von Tyche , aber von demselben durch einen freien
en Tempel des Apollon eine Vorstadt, die spSlereNeapolis.
irbreitete sich der Ruhm des klugen und mSchtigen Hao-
dabin freie Stadt Syrakus zum Herrscher gegeben hatte,
ad, mit dem Sicilien in bestandiger Verbindung war, und
', wie Gelon sie sich als Rewohner seiner Hauptstadt
ich dort niederzulassen. Zu diesen gehörte Pbormis aus
, ein tüchtiger Kriegsmann , den man , in Erinnerung an
seiner Stammgenossen, nicht übel mit einem millelalter-
'glicheii bat, und in seinen Musseslunden ein Dichter, von
in wird. Er verherrlichte seine neue Heimat durch Weih-
Olympia stiftete , eine Art , seine Freigebigkeit zu betha-
Ruhm bei allen Hellenen begierigen Gelon besonders an-
Dieser, der sich zu der von Hippokrales überkommenen
rrscher von Syrakus auch eine Flotte gescliaßen hatte,
len, dass er als der erste unter den Tyrannen der Inselgalt,
en war der beste und geachtetste T h e r o n von Akragas.
iligen Geschlecht« der Emmenlden an , das sich der Ab-
Tberon. Krieg mit Karlbsgo. 205
Stammung von Kadmos, dem Sohne Agenor's, rUbmte, und das auf zwei ver-
schiedenen Wegen von diesem GrUnder Tbeben's hei^eleilel wurde. Denn Einige
Hessen die Emmeniden von Uaimon, dem Sohne des Kadmiden Polydoros, ab-
stammen, Andere, wie Pindar, von Theraander, dem Sobne des Polyneikes,
der sieb mit der Tochter des Adraslos vermählte , weshalb Pindar den Tberon
einen Adrastiden nennt, und dessen Nachkommen nach der Insel Thera, später
nach Sicilien wanderten. Emmenides, nach welchem das Geschlecht den Namen
führte, soll der Sohn des Telemachos gewesen sein, der zuerst sich in Akragas
niederliess , desselben Telemachos , welcher den Tyrannen Phalaris stürzte,
Tberon's Vater hiessAinesidemos; es ist indess nicht wahrscheinlich, dassesder
oben erwähnte Feldherr des Hippokrates war, der Sohn des Pataikos. Theron,
der sich ähnlich wie Phalaris die Herrschaft durch die ihm von seinen Mitbür-
gern übertragene Aufsicht über den Bau des Athenelempels verscbafne , aber
sieb dadurch von jenem sehr verschieden zeigte, dass er milde und gerecht in
Akragas regierte , war mit Gelon befreundet , dem er seine Tochter Damarete
zur Gattin gab, während er selbst die Tochter des Polyzelos, eines Bruders des
Gelon, hciralbete. Unter Theron's Herrschaft war das Gebiet von Akr.igas immer
noch sehr ausgedehnt. Wir erfahren, dass nach der Schlacht bei Himera viele
karthagische Soldaten in das akragantinische Gebiet flohen und dort ei^riffen
wurden ; die Stadt Akragas beherrschte also offenbar nach Norden zu das ganze
Innere der Insel bis in die Ndhe von Himera und dem Tyrrhenischen Heere.
So war es natürlich, dass sich ein feindliches Verhältniss zwischen Tberon und
dem Beherrscher von Himera bildete. Diesei' war Terillos , der Sohn des Kri-
nippos, und durch seine Tochter Kydippe Schwiegervater des Ansxilas von
Rhegion. Theron, wahrscheinlich von einer Partei in Himera zu HUlfe gerufen, '
vertrieb den Terillos, und dieser wandte sich, da er seinen Schwiegersohn zu
schwach wusste , uro allein dem mit Gelon verbundenen Tberon die Spitze zu
bieten , mit der Bitte um Bulfe an die Karlhager. Anaxilas selbst scbloss sich
dem Terillos an und gab als Unterpfand seiner Treue seine beiden Söhne den
Karthagern als Geiseln.
Dies war die Gelegenheit, welche die Griechen Siciliens seilet den Kar-
thagern boten, sie anzugreifen. Es war eineSpaltung der wichtigsten Griechen-
slädte der Insel in zwei Parteien, in zwei Lager ; auf der einen Seile die mäch-
tigeren Herrscher des Südens , Gelon und Theron , auf der andern die zwei
Tyrannen des Nordens, Terillos und Anaxilas; hier wie dort Schwiegervater
und Schwiegersohn, diese die VcrrUlher, jene die Vertheidiger der hellenischen
Sache, die Vertheidiger Siciliens und der Civilisalion.
Den Karthagern war diese Gelegenheit, mit den Hellenen Siciliens Krieg
zu beginnen, h&cbst willkommen. Die Wucht der schon seit längerer Zeit be-
gonnenen Ziuttstungen erregle in ihnen die Hoffnung , die Gegner mit einem
Schlage zu vernichten. Nach dreijährigen Vorbereitungen standen ein grosses
Heer und eine grosse Flotte fertig da. Es waren 300,000 Mann Landtruppen,
eine bunt zusammengesetzte Masse , wie die Karthager sie zu ihren Kriegen zu
gebrauchen pflegten, in welcher ausser karthagischen Bürgern und Bewohnern
der andern libyschen Städte Söldner aus Italien, Ligurien, Gallien, Iberien, aus
Sardinien und Corsica, endlich aus Afrika sich befanden. Herodot erwähnt
Drittes Buch. I. Krieg mit den Kartbagern. Gelon.
(lers Elisyker, einen liguriscfaen Stamm, den Einige mit den kelti-
le an der BhonemUndung fUr identisch halten. Die Flotte bestand
Is 200 Kriegsschiffen und über 3000 Lastschiffen. Zum Oberfetdherm
arthago den einen seiner Könige , Uamilkap, Hanno's Sohn, einen
sen Familie Jahrhunderte hindurch die erste und angesehenste io
'ar, dessen Hutler aber aus Syrakus stammte. Die U eberfahrt der
Flotte war nicht glücklich. Ein Sturm vernichtete die Schiffe, weiche
und die Streitwagen trugen. Als die übrigen aber im Hafen von
ingelangt waren, glaubten sidi die Karthager ihrer Sache volikommen
meinten, dass nun Nichts mehr die Griechen Siciliens vor dem Un-
nvahren könne. In drei Tagen hatte Hamilkar die durch den Sturm
iffen verursachten Schäden ausgebessert und rückte nun mit seinem
die Stadt Himera , das erste Ziel der Angriffe Karthago's , wahrend
lie Küste entlang den Zug der Landtruppen begleitete. Vor Himera
wei Lager auf, das eine für die Flotte, das andere fUr das Landheer,
riegsschiffe wurden an's Ufer gezogen und mit einem liefen Graben
'alissadenreihe geschützt; dies Lager befand sich nördlich unterhalb
links von der Mündung des gleichnamigen Flusses. Das Lager des
i schloss sich südwestlich an das der Schiffe an und erstreckte sich
;anzen Westseite der Stadt über die hier den llfersaum überragend*^
Fortsetzung derjenigen, auf welcher Himera selbst sich erhebt. Alle
lie auf den Lastschiffen waren, wurden an's Land gebracht und diese
h Libyen und Sardinien geschickt, um neuen Proviant zu holen. In
and sich Theron , aber der Herrscher Agrigent's war als Soldat und
m Karthagern nicht gewachsen. Hamilkar rückte mit seinen besten
;gen die Stadt, schlug die Ausfölie der Belagerten zurück und machte
scheu, dass sie sogar die nach Westen führenden Tliore vermauerten
n seinen Verwandten und Bundesgenossen Gelon um schleunigste
:;bte. Dieser, der schon Alles vorbereitet halte, kam schnell mit
nn Fusslruppen und 5000 Reitern und schlug neben der Stadt,
liich östlich von derselben in der Ebene des Himera , ein Lager auf,
ifalls mit Palissaden und einem Graben befestigte. Mit seiner Ankunft
ie Dinge ein ganz anderes Aussehen. Zunächst liess er seine Beiterei
in die Umgegend machen , auf denen die schon ganz sicher gewor-
hager überfallen wurden. GlUckliclier Erfolg befestigte die Zuver-
oldaten , die anfangs vor dem fremdartigen Aussehen mancher Afri—
itzt haben mochten, und als nach kurzer Zeit bereits mehr als 1 0,000
in Himera eingebracht waren , da änderte sich auch die Stimmung
ler, und nun wurden nicht blos die vermauerten Thore wieder ge-
iem sogar neue gemacht. Die bisherigen Erfolge hatte Gelon beson-
ch erreichen können , dass die Feinde keine Beiterei besassen ; das
I ündem, und Gelon sann deshalb darauf, den Karthagern bald einen
len Schlag beizubringen. Der Zufall kam ihm zu Hülfe, und der
n er unternahm, ftUirte die Entscheidung des ganzen Krieges herbei.
•hiea dem Gelon einen Mann, den sie gefangen genommen hatten, als
thagischen Lager wollte. Es war ein Bote der Selinuntler , die sich
Schlacht bei Himera. 207
an die Karthager — wir wissen nicht, ob freiwillig — angeschlossen hatten, und
seine Briefe enthielten die Zusage , dass aus Selinus an einem näher bezeich-
neten Tage, demselben, den Hamilkar angegeben hatte, die von ihm verlangten
selinuntisehen Reiter im karthagischen Lager eintreffen wtlrden. Es war der
Tag, an dem, wie Gelon erfuhr, Hamilkar im Schiffslager dem Poseidon ein
grosses Opfer bringen wollte. Schnell war der Plan Gelon's fertig. Ah dem
bestimmten Tage erschien eine Abtheilung seiner eigenen Reiterei, sich für die
ei'warteten Selinuntier ausgebend, vor den Thoren des Schiffslagers. Man Hess
sie ein, und alsbald begannen sie, die Schiffe anzuzünden. Aufgestellte Posten
signalisirten dem Gelon den Augenblick, in welchem die Reiterei in das Schiffs-
lager einzog ; sogleich griff er — es war eben die Sonne aufgegangen — mit
seinem bereit gehaltenen Heere das andere Lager der Feinde an. Die Karthager
kamen hervor und kämpften längere Zeit tapfer gegen die Griechen , da sehen
sie von dem Schiffslager her die Flammen aufschlagen, und nun sinkt ihr Muth.
Sie unterliegen. Ueber Hamilkar's Ende stimmen die Berichte nicht überein.
Nach dem einen tödteten ihn sogleich auf Gelon's Befehl die in's Schiffslager
gedrungenen Reiter ; nach einem andern blieb er den ganzen Tag hindurch,
während sein Heer kämpfte, bei dem Opfer, das er brachte, stets hoffend,
endlieh doch noch die Gölter besänftigen zu können , und als er Alles verloren
sah, stürzte er sich selbst, als letztes und grösstes Opfer^ in die Flammen; noch
Andere wollten endlich, er sei spurlos verschwunden, und umsonst habe Gelon
seine Leiche gesucht. Gelon hatte verboten, in der, Schlacht Gefangene zu
machen; so wurden denn 150,000 Karthager getödtet. Die Uebrigen zogen
sich kämpfend auf eine feste Höhe (wahrscheinlich den Monte S. Calogero
I deutsche Meile westlich von Himera) zurück , wo sie sich eine Zeit lang ver-
theidigten, bald aber durch Wassermangel genöthigt wurden, sich zu ergeben.
20 Kriegsschiffe waren von Hamilkar nicht an's Land gezogen worden; in diese
stürzte sich eine grosse Masse von Flüchtlingen und fuhr mit ihnen ab ; aber
die schwer beladenen Schiffe sanken im ersten Sturme , und von der ganzen
grossen Armada kam nur ein kleines Boot nach Karthago zurück , das melden
konnte, was in Sicilien geschehen w^ar. Die Karthager waren in Verzweiflung
über die schreckliche Niederlage und fürchteten im ersten Augenblick, Gelon
möchte mit dem siegreichen Hellenenheere nach Afrika übersetzen und ihre
Stadt angreifen, ehrten aber nichts destoweniger ihren unglücklichen Feldherrn
durch Monumente, die sie ihm in Karthago und den übrigen Städten errichteten,
und durch eine Todtenfeier, die alljährlich wiederholt wurde.
. Gelon hielt es für angemessen, seinen gewaltigen Sieg massig zu benutzen.
Er wusste sehr wohl, dass durch die Niederlage bei Himera die karthagische
Macht keinesw egs erschöpft war , und als nun Gesandte des Feindes bei ihm
ankamen, die dringend um milde Bedingungen baten, zeigte er sich um so
mehr dazu bereit, da in Griechenland die Entscheidung im Perserkriege noch
nicht gefallen war, und er die Hoffnung hegen konnte, wenn er schnell mit den
Karthagern Frieden schloss, dort noch eine grosse Rolle zu spielen. Er bean-
spruchte nicht, was den Frieden wahrscheinlich vereitelt haben würde, die
Aufgabe ihrer sicilischen Besitzungen ; er legte ihnen, abgesehen von der nicht
sicheren Bedingung , dass sie sich in Zukunft bei ihrem Gottesdienst der Men-
Drilles Bach. 1. Krieg mit den KaKhagera. GeloD.
halleo solllen, nur die Zahlung voa SOOO Talenlen als Ersali fUr
ufgewandten Kriegskosten und den Bau zweier Tempel auf, in
densurkunden niedei^elegt werden sollten , von denen also der
;o. der andere auf Kosten der Karthager in Syrakus errichtet sein
rthager, erfreut Über so billige Bedingungen, nahmen sie schnell
len noch überdies der Gallin Gelon's, der Damarete, die auf ihre
len besonders befürwortet hall«, einen schweren goldenen Kranz
I 4 00 Talenten ; für dieses Gold kaufte sie oder Gelon Silber lur
MUnze, welche i 0 attische Drachmen, ein sicilisches Penlekonta-
tren — galt und den Namen Damaroteion führte. Es ist kaum zu
}ss diese Münze , die übrigens nach einem andern Berichte ihren
[lalte , dass Damarete beim Ausbruch des Krieges ihren Schmuck
HUnzen prijgen zu lassen, noch in manchen Exemplaren auf uns
Es sind die ältesten syrakusanischcn Dekadrachmen , die nir
le auf der einen Seite ein lorbeerbekrünztes weibliches Haupt mil
nd Halskette in einer Art von Iting , umgeben von 4 DelphioeD
hrifl Syrakosion , auf der andern ein langsam schreitendes Drei-
v'agenlenker und über den Pferden schwebender geflügelter Sie-
«n aber einen laufenden Löwen zeigen. Wer die Gottheit der
, ob Köre, ob Arethusa, ist nicht klar. Diese Münzen veiralhea
'ch den Styl des weiblichen Kopfes ein höheres Aller, als die
ijsanischen Dekadrachmen, auf denen Überdies der Lorbeerkranz
ide Lfiwe nicht wieder vorkommen. Man bat nicht mit Unrecht
ISS der Löwe, der ein Symbol Afrika's sein kann, darauf hin-
iber \telches Volk der dui-ch den Lorbeerkranz im Allgemeinen
leg erfochten wurde.
cht bei üimera brachte natürlich den Verbündeten unermessliche
theille sie so ein, dass er Einiges den Tempeln in Ilimera weihte,
:n Bundesgenossen überliess, das Meiste endlich mit sich nach
I , um es fUr die Verschfinerung der Stadt zu verwenden. Auch
a diese Gelegenheit, um wiederum Bürger anderer Städte nach
ansiedeln und so seine Stadt von Neuem zu vergrösscm. Von den
imen sehr viele in den Besitz der Aki'agantiner, sowohl weil viele
n Akragas am Kampfe Theil genommen halten, als auch weil äne
karthagischer Soldaten nach dem nahen akragantinischen Gebiete
dort ergriffen worden war. Es gab akragantinische Bürger, die
efangenen zu Sklaven hatten. Auch die StJldle selbst erhielten
nschaftlichen Beute ihren Antbeil an den Gefangenen , welche sie
tten gefesselt, zu ößenllicben Arbeiten verwandten. Die Stadt
durdi die ihr zugefallenen einige der grossen Tempel bauen, von
d sprechen werden ; sie liess sie femer unterirdiscbe Abtu^-
s überflüssige Wasser aushöhlen, welche nach dem Namen des
i dieser Arbeiten Phdaken genannt wurden ; sie liess endlich , da
rossartigen Werke noch nicht hinreichten, um alle Gefangenen zu
dicht neben der Stadt einen grossen Teich von 7 Stadien Umtan;
Tiefe graben , der durch seinen Fischreichthum und die auf ihm
GeloD und die hellenischen Gesandten. 209
schwimmenden Schwäne den Bürgern Nutzen und Vergnügen bereitete, später
aber , wie Diodor mittheilt , vei*nachlässigt wurde und austrocknete ; sie liess
endlich die Umgegend, welche guten Boden hatte, mit Weinstöcken und Frucht-
bäumen bepflanzen, die bald reichen Ertrag lieferten.
Die Schlacht bei Himera soll nach einer Behauptung an demselben Tage
mit der bei Salamis , nach einer andern an dem der Schlacht bei Thermopylae
geliefert worden sein ; es ist indess nicht zu bezweifeln, dass hier die Sage zwei
an entfernten Orten vorgefallene , aber in ihrer Bedeutung wesentlich gleiche
Begebenheiten, die ungefähr zu derselben Zeit Statt gefunden halten, in poeti-
scher Uebertreibung ganz gleichzeitig gemacht hat. Es lässt sich mit ziemlicher
Sicherheit behaupten, dass die Entscheidung in Siciiien etwas früher jBel als in
Griechenland , und den Beweis hierfür finden wir in der von Herodot aufbe-
wahrten Erzählung von der Gesandtschaft der Griechen an Gelon. So wie die
Perser und Phönicier die Karthager, so ersuchten die Hellenen des Mutterlandes
die sicüisehen Griechen um ihre Hülfe. Als nun die Gesandten , unter denen
besonders die spartanischen und athenischen hervorragten, dem Gelon ihre
Bitte vortrugen und darauf aufmerksam machten, dass, wenn erst Griechenland
den Persern unterlegen v^äre, diese auch Siciiien leicht unterjochen wüi*den,
da antwortete Gelon: »Jetzt wollt ihr von mir Hülfe haben, als ich aber, im
Kriege mit den Karthagern begriffen , euch um Hülfe gebeten und an den noch
ungerechten Tod des Dorieus erinnert habe, da seid ihr taub gegen meine Bitten
gewesen, und an euch hat es nicht gelegen , dass, nicht ganz Siciiien jetzt kar-
thagisch ist. Doch will ich mit 200 Trieren, 20,000 Hopliten, 2000 Mann
schwerer und 2000 leichter Reiterei , 2000 Bogenschützen und 2000 Schleu-
deren! euch zu Hülfe kommen , wenn mir der Oberbefehl gegen Xerxes über-
tragen wird.a Hierauf antwortete der lakedämonische Gesandte Syagros, Sparta
könne dies nicht zugeben ; wenn er sich nicht fremdem Oberbefehl unterwerfen
wolle , so möge er überhaupt nicht kommen. Nun stellte Gelon eine geringere
Forderung : er wolle mit dem Oberbefehl über einen Theil der Streitmacht zu-
frieden sein; wenn die Lakedämonier zu Lande zu befehlen wünschten, so
"svolle er den Oberbefehl zur See, oder umgekehrt; sonst müssten sie seine
Hülfe entbehren. Jetzt aber nahm der Athener das Wort : ((Nicht Befehlshaber,
sondern Heere zu suchen sind wir* gekommen ; wollen die Lakedämonier die
Flotte befehligen, so wird Athen dem nicht entgegen sein; einem anderen
Staate als Sparta aber werden die Athener nicht weichen, sie, das älteste Volk
Griechenlands, das allein niemals seine Wohnsitze gewechselt hat.« Da entliess
sie Gelon mit den Worten : »Feldherren scheint ihr zu haben, Krieger aber nicht.
So gehet denn und saget den Hellenen, dass ihrem Jahre der Frühling fehlt.« In
dieser dramatisch lebendigen Erzählung ist die zu Grunde liegende Voraus-
setzung bemerkenswerth, dass der Kampf bei Himera schon Statt gefunden hat,
— denn einerseits ist für einen andern früheren Krieg gegen die Karthager in
Gelon^s Gesdiichte kein Platz, und sodann konnte nur jener ihn berechtigen, so
den Griechen gegenüber aufzutreten, wie er es that — und wir hätten hiernach
diese far Siciiien wie für alle Hellenen so wichtige Schlacht etwa schon in das
Jahr 481 Tor Chr. zu setzen. Wenn nun Andere, Sicilier, behaupteten , Gelon
habe , ohne weiter den Oberbefehl zu beanspruchen , endlich doch schon die
fiolm, Oe«ch. Siciliens. I. 44
ich. I. Krieg mit den Kartbagern. Gelon.
len oacb GriecheDlajid vorgehabt, als er dm'cb den
an verhiDderl wurde, so kann dies um so weniger-
der bei einzelnen Griechen , wie i, B, Themisloklefi,
die Deinomeniden als VerrSther Griecheolands gar
aneben schien übrigens wenig glaublich , dass Gelon
tsicht gehabt haben solle, den Hellenen beizustehen,
en vertrauten Mann, den oben erwähnten Koer Kad-
Q auf drei fünfzigmd erigen Schiffen nach Delphi ge-
, wenn Xerxes siegreich aus dem Kriege hervorgebe,
ticb die Unterwerfung von Syrakus anzubieten , und
m Siege der Griechen mit seinen Schätzen wieder zu
B es aber auch mit der Bereitwilligkeil des Gelon, den
, gestanden haben mag — und wir glauben, dassersie,
iz, halte — , gewiss isl, dass er sich nicht ohne Erfolg
eges bei Himer» über die Karthager auch in Griechen-
lerkennung zu eilangen. Er sandte aadi Delphi eiue
:inen goldenen Dreifuss , auf welchen der Dichter Si—
hrieb, in dem Gelon und seine Brüder zusammen mit
und Plataeae als die Befreier Griechenlands von den
len. Das Epigramm giebt den Werth des Dreifusses
lente, Diodor auf 16 Talente an. In Olympia aber
der Karthager, in dem Pausanias eine grosse Statue
Hämische sah.
ion's Stellung in Syrakus und in ganz Sicilien eine
. konnte er sich daran erinnern, dass er in manchen
das Volk seiner Hauptstadt verjähren war, und dess
massenhafte Einführung neuer BUi^er — über 1 0,000
m-ecbt — den allen manche Aussicht auf Ehrenämter
' beschloss , durch eine geschickte Anerkennung der
eine eigene zu befestigen. Er berief eine Volksver—
yrakusaner auffordern , sich bewaffnet in ihr einzu-
n ohne Waffen , ja sogar ohne Hanlei , und legte in
ifl über Alles, was er fUr Syrakus gethan, ab. Es
' einiges Hulhes bedurft, um ihn zu tödlen ; aber die
jftrat, imponirte ihnen; das Vertrauen , das er dem
dsamkeil und die Ehrfurcht, die man aligemein vor
1 empfand, bewirkten einen Ausbruch der BegeisUv-
1 als Wohlthüter , Retter und König ausrief, und so
seinen Zweck vollkommen erreicht. Zum Andenken
de im Tempel der Hera eine Bildsäule des unbe^v'aff-
eiche später die Syrakusaner, als sie ia einer Zeit der
luflen, allein verschonten. Aebniich wie in Syrakus
in ganz Sicilien. Die Stüdte und Tyrannen, die ihm
waren, und das waien besonders Selinus und Anaxilas
■esandtc an ihn und erboten sich , ihm zu gehorchen,
wohl als Beherrscher von Sicilien beli'achten , da ja
Gelon'sTod. 211
auch Tberon von Akragas, wenngleich unabhängig und eng mit ihm befreundet,
sich seinem Einflüsse beugen musste. Wir haben sogar Spuren , dass Gelon
ausser dem grOssten Theile Sicih'ens auch einen Theii von Italien beherrschte.
£s wird erzählt , dass er bei Hipponion einen Park besass und in demselben
einen Lustort anlegte, den er das Hom der Amaltheia nannte.
Gelon's Charakter war brav und tüchtig ; er sorgte dafür, dass die Bürger
von Syrakus auf den Ackeii>au , die Grundlage des Wohlstandes und der Kraft
der Staaten , die nöthige Sorgfalt verwandten ; aber die feine Bildung , welche
die Zeit mit sich brachte , blieb ihm fremd. Als einmal bei einem Gastmahl
die Anwesenden in Leierspiel und Gesang wetteiferten , liess er sich sein Pferd
bringen und zeigte den Gästen , wie ein tüchtiger Beitersmann mit demselben
umgehen müsse. Dass er ganz im Gegensatz gegen spätere Tyrannen von Sy-
rakus mehr nach gutem Ruf als nach Reichthum strebte, beweist die Erzählung,
wie er vor dem Kriege mit den Karthagern viel Geld von den Bürgern forderte,
und als diese zu murren begannen , versprach , dass sie es nach dem Kriege
wieder erhalten sollten, und nach geschlossenem Frieden sein Wort wirklich hielt.
Dionys hätte die Anleihe nicht zurückgezahlt. Gelon lebte jedoch nicht lange
mehr im Genüsse seiner Macht und seines Ansehens. Er hatte zu Syrakus aus
der karthagischen Beute dem Olympischen Zeus einen goldenen Mantel geschenkt
— sollte er den vorhandenen zum Kriege verwandt haben? — er hatte der De-
meter und der Köre, deren Dienst ja in seiner Familie erblich war, prächtigeTem-
pel in Syrakus errichtet, und er war damit beschäftigt, der Demeter ein anderes
Heiligthum auf dem Aetna zu erbauen, da raffte ihn der Tod hinweg. Er starb,
nachdem er 7 Jahre über Syrakus geherrscht hatte, 478 v. Chr. (Ol. 75, 3) an der
Wassersucht. Seine Bestattung. gab noch einmal dem Volke Gelegenheit, seine
Anhänglichkeit an den berühmten Herrscher zu beweisen. Er hatte sich, gemäss
dem syrakusanischen Gesetze, jedes prachtvolle Leichenbegängnis» verbeten
und den Wunsch ausgesprochen , auf dem Landgute seiner Frau begraben zu
werden. Seme Anordnungen wurden befolgt, aber das Volk von Syrakus ver-
lieh dem Leichenzuge einen Glanz , den das Gesetz weder verbieten noch ge-
währen konnte ; es gab der Leiche das Geleit bis nach dem , wie es scheint,
4 2 Stadien von Syrakus nach Süden hin entfernten Orte des Begräbnisses, der
nach dem Willen des Volkes durch ein prächtiges Denkmal geziert wurde und
überdies noch durch neun grosse Thürme von massiver Bauart ausgezeichnet
war, nach welchen man ihn auch zu benennen pflegte. Das Denkmal zerstörten
später die Karthager auf einem ihrer Züge gegen Syrakus, und die neun Thürme
liess Agathokles aus Neid gegen Gelon's Ruhm niederreissen, aber das Andenken
an den tapferen und freundlichen Herrscher blieb lange im syrakusanischen
Volke lebendig, welches ihn wie emen Heros, wie den zweiten Gründer der
Stadt verehrte. So ist es denn auch natürlich , dass man später wunderbare
Geschichten von ihm erzählte, wie z. B. dass, als er als Knabe in der Schule
gesessen, ein plötzlich hereinspringender Wolf ihm seine Schreibtafel entrissen
habe; er sei ihm nachgelaufen und habe kaum die Schule verlassen, da sei
das Gebäude zusammengestürzt und habe den Lehrer und über hundert Kinder
erschlagen. Der Wolf ist aber das heilige Thier Apollon's , der so seinen , des
triopischen Gottes Priester, und den künftigen Befreier Siciliens rettet. Auch zu
Dritles Buch. II. Hieron.
le er in BeziehuDg gesetzt. Bei einer Hungra^noth im Jahre
aus Rom P. Valerius und L. Geganius nach s!™'!"" =»i<:nn„
lufen, soll er den Rdmern 25,000 Scheffel
ere 25,000 zum Gescbeske gemacht und
iterjochte, eine grosse Wobltbat erwiesen h.
der erste gewaltige Zusamensloss Ewischei
isten der ersteren ausgefallen. Der Angriff
r die Macht derselben, die Nichts von ihret
ermindert, und wenn sie auch über sieb*
lor sie einen zweiten Sturm auf die siciiiscl
waren doch erst wenige Jahre verflossen ,
en Ode sang :
UOg« der Poeolscbeo Speere granser Stnmi,
Der ergrimmt auf Leben und Tod sieb beranwälzt
Weit sich hinaus in die Ferne zieben !
Zweites Kapitel.
Hieron.
den Kartbageni befreit, durch Beute bereu
iml geworden und von einsichtsvollen Mannt
Ikes auf glänzende Weise zu verwenden
ihlacht bei Himera aus der Periode der i
: der vollendeten Entwickelung hintlber. j
ollte die Insel sich des GlUckes erfreuen, vi
igelegenheiten selbst ordnen zu können. £
'it ungestArlen Friedens ; tlber die Verfassui
zu einander, .itber ihr Verbflltniss zu den 1
'treiligkeiten und Kriegen, aber diese Kri^
irk der siciliscben Gemeinwesen an, sie not
npfen um ihre Existenz und Hessen den
I so viel Müsse , dass sie sich in Kunst unc
ten Gattungen der Literatur hervorlhun konn
hes Leben so angenehm und glänzend gesti
^Ziehung so erfinderischen Gnechenvolke
Anfang macht hierin die sonst nicht tlbera
ers Gelon's, des KSnigs Hieron von Syral
wie man glauben mochte, mit seinem Brud
ela's gelassen hatte, nicht immer im best«
tte gewünscht , dass der noch unerwachsi
lie Herrschaft über Syrakus tlberuehme, un
T Hieron und den jüngeren Bruder Polyzi
HieroD. Polyzelos. 213
diesem der Oberbefehl über die Truppen und die Aufsicht über die Erziehung
des jungen Fürsten, dessen Vormünder, wenn Polyzelos stürbe, Gelon's Schwä-
ger Chromios und Aristonoos werden soUten , jenem dagegen die Leitung der
Staatsangelegenheiten zufiel. Polyzelos sollte überdies seine Wiltwe Damarete
heirathen. Diese Anordnungen erinnern an die letztwilligen Verfügungen Lud-
wig^ XIV., der dem nächstberechtigten Prinzen, dem üerzc^ von Orleans, zwar
den Vorsitz in dem Regentschaftsrath , seinem Lieblinge, dem Herzoge von
Maine , dagegen die Leitung der Erziehung des* Dauphin's und das Commando
der Garde übertrug ; und in beiden Fällen hat sich gezeigt, dass die Macht der
unumschränkten Herrscher nicht immer über ihre Lebenszeit hinausreicht.
Wede^ Ludwig XIV., noch Gelon haben hindern können, dass die Personen,
welche sie beschränken wollten, die Schranken gewaltsam hinwegräumten.
Kurze Zeit hindurch wurden Gelon's Anordnungen befolgt; bald aber ward
Polyzelos dem Hieron lästig, der zunächst, der steigenden Volksbeliebtheit des
jüngeren Bruders gegenüber, in fremden Söldnerschaaren seine Stütze suchte
und dann auf Mittel sann , den unbequemen Theilhaber der Gewalt ganz aus
dem Wege zu räumen. Die Berichte , w eiche wir bei den Alten über die zu
diesem Zwecke angewandten Mittel finden, und die im Einzelnen auseinander-
gehen, stimmen doch darin überein, dass er den Polyzelos zu gefährlichen
kriegerischen Unternehmungen aussandte , ohne ihm die zu ihrer glücklichen
Durchführung nöthige Truppenzahl mitzugeben, in der Erwartung , dass Poly-
zelos nicht wieder heimkehren würde. Nach Einigen wäre das Unternehmen
eine Unterstützung der Sybariten , deren Stadt die Krotoniaten belagert hätten,
nach Anderen ein Krieg gegen sikelische Ortschaften gewesen. Und ebenso
wenig ist Uebereinstimmung in Betreff der Art und Weise vorhanden , wie der
Bedrohte sich aus der Sache zog. Bald heisst es, dass er das ihm aufgetragene
Unternehmen glücklich durchführte und dadurch den Hass Hieron's noch mehr
reizte, nach Anderen dagegen hätte er es gar nicht einmal versucht. Es muss
also dahingestellt bleiben, was von Polyzelos verlangt wurde, und was er Ihat;
gewiss ist aber, dass er, um den Nachstellungen seines Bruders zu entgehen,
sich endlich genöthigt sah, Syrakus zu meiden. Er floh nach Akragas zu seinem
Schwiegervater Theron , *der ihn aufnahm und sich hierdurch mit Hieron auf
das Entschiedenste verfeindete. Die beiden mächtigsten Herrscher Siciliens
rüsteten sich, ihren Streit mit den Waffen in der Hand auszufechten. Während
aber Theron dem Polyzelos helfen wollte, sah er sich selbst von verschiedenen
Seiten bedroht. Zunächst regte es sich in der wichtigsten Stadt, die ihm ausser
Akragas gehorchte«. Er hatte seinem Sohn Tfarasydaios die Regierung von Hi-
mera übertragen , und der Jüngling bedrückte die Bürger aufs äussersle. Da
sie es für nutzlos hielten, sich bei Theron zu beschweren, so wandten sie sich,
die Spannung zwischen Akragas und Syrakus benutzend , heimlich an Hieron
und boten ihm, wenn er sie von ihrem Tyrannen befreien wollte, als Preis ihre
Stadt und ihre Hülfe gegen Theron an , der überdies auch in seiner eigenen
Familie Feinde fand, da seine Vettern Hippokrates undKapys, Söhne des Xeno-
dikos, sich gegen ihn empörten. So hätte es Hieron , wenn er den Conflikt mit
dem Herrscher von Akragas auf die Spitze treiben wollte , nicht an Bundesge-
nossen gefehlt; es scheint aber, dass er die von Gelon mühsam erworbene Macht
^14 Drittes Buch. II. Hieron.
nicht als Preis eines einzigen Kampfes aufs Spiel setzen wollte, sowie anderer-
seits Theron es doch bedenklich gefunden haben mag, für die dem Polyzelos
nach dem Testamente Gelenks zukommenden Rechte das Aeusserste zu wagen.
Genug, als die Heere von Akragas und Syrakus sich schon am Gelaflusse gegen-
überstanden , nahmen, die Fürsten die Vermittlung des beiden befreundeten
Dichters Simonides an , und es ward ein Friede geschlossen , durch weldien
Polyzelos einfach die Erlaubniss erhielt, nach Syrakus zurückzukehren, sicher
mit allen äusseren Ehren, wahrscheinlich aber unter Verzicht auf einen grosse-
ren politischen Einfluss. Das Opfer der Versöhnung der Fürsten wurden zu-
meist die Unschuldigsten, die Himeräer, welche Hieron dem Zorne des Gebieters
von Akragas Preis gab. In Himera wurden Alle, die an der Verschwörung Theil
genommen hatten, getödtet, und da die Bevölkerung der Stadt auf diese Weise
bedeutend zusammenschmolz, so nahm Theron viele Fremde, nichtblos dori-
scher Herkunft, in Himera als Bürger auf. Natürlich wurden nun auch Hippo-
krates und Rapys genötbigt, sich Theron zu unterwerfen, obwohl uns mit Be-
stimmtheit nur überliefert ist , dass sie, am Himera geschlagen, nach Ramikos
flüchteten.
Wenn so durch den Fiieden Theron seine bedrohte Stellung neu befestigt
sah , konnte Hieron , der in demselben , ohne dazu gezwungen zu sein , mehr
gab als empfing , in ihm die Anerkennung des Prinzipats über Sicilien finden,
das er beanspruchte. Dem glanzliebenden Fürsten genügten jetzt die gewöhn-
lichen, seinem Range zukommenden Ehrenbezeugungen nicht mehr, und ihn
fing an, nach dem Titel zu gelüsten, den sich Gelon bei den Syrakusanem er-
rungen hatte, dem eines Heros und Stödtegründers. Er erwarb sich ihn durch ein
nicht zu billigendes Fortschreiten auf einer schon von seinem Vorgänger be-
tretenen, bedenklichen Bahn. Nachdem er die Bewohner vonNaxos und Katana
aus ihren Wohnungen vertrieben und nach Leontini verpflanzt hatte, das seine
früheren Einwohner behielt und so bedeutend volkreicher wurde als zuvor, be-
setzte er Katana, dessen Lage und fruchtbare Umgegend ihm besonders gefielen,
mit mehr als 10,000 neuen Büi^em, die er theiis aus Syrakus dahin überzu-
siedeln nöthigte, theiis aus dem Peloponnes herbeizog (Ol. 76, 4 ; 476 v. Chr.).
Katana vertauschte nun seinen Namen mit Aetna. Den Bürgern von Aetna ward
aber nicht blos das bis dahin den Katanäem gehörige Landgebiet zugetheilt, sie
erhielten noch vieles von dem umliegenden Lande, worunter manches, das
sikelisches Eigenthum war. Feierlich ward verkündet , dass die Aetnäer nach
dorischen Satzungen leben sollten; Deinomenes, Hieron's Sohn, erhielt von
seinem Vater, zusammen mit Chromios, die Verwaltung der Stadt, und Hieron
selbst sowie Chromios nannten sich fortan gern Aetnäer. Wir werden bald
hören, wie Pindar den Gründer Aetna's feiert, und wie Aischylos Hieron's Unter-
nehmen verherrlicht hat. Aber aller Preis aus Dichtermunde kann die Geschichte
nicht verhindern zu urtheilen , dass Hieron , der allerdings durch die Einwan-
' derer aus dem Peloponnes das dorische Element Siciliens kräftigte, im Ganzen
^urch seine willkürlichen Verpflanzungen der Bürger so vieler Sädte nutzlose
Verwirrung über die Insel gebracht hat. Sein Werk hat keinen Bestand gehabt.
'- Uieron's Einfluss machte sich auch über die Grenzen Siciliens hinaus
** ^''bar. Anaxilas von Rhegion griff seineNachbam, die epizephyrischen Lokrer,
. HieroD Lokri reitend. Steg über die Etrusker bei Eyme. 215
V
an and schien nahe daran, sie zu überwältigen. Als al>er die Bedrängten sich
an Hieron wandten und der Beherrscher von Svrakus Chroniios als Gesandten
zu Anaxilas Schickte mit der Drohung , er werde selbst den Lokrem zu Hülfe
eilen, wenii Anaxilas nicht vom Kriege abstände, da gab der Tyrann^von Bbe-
gion sein Unternehmen auf (Ol. 75, 4 — 477 v. Chr.) Deshalb mochten wohl,
wie Pindar in der zweiten Pythischen Ode rühmt, den Schnödes Deinomenes
SiDgen, in Chöre geschaart,
Vor dem Hause die Lokrischen Jungfraa*n, die von des Kriegs schwerer Noth darch sein
Mächtiges Wort erlöst, amherschauen frei.
Bald darauf starb Anaxilas (Ol. 76, < — 476 vor Chr.) nach achtzehnjähriger
Regierung. Er hinterliess unmündige Söhne — Kleophron, der früher mit dem
Vater die Herrschaft theilte, muss vor ihm geslorben sein — , für welche ein
Vertrauter des Tyrannen ,. der Freigelassene Mikythos , des Choiros Sohn , die
Regierung rechtschaffen und milde fühlte.
Aber noch weiter nördlich reichte Hieron's Macht. Die Tyrrhener, die alten
Feinde der Griechen, die, wenn auch durch Anaxilas von der Fahrt durch den
Sund von Messana ausgeschlossen , doch noch immer das nach ihnen benannte
Meer beherrschten , bedrängten mehr upd mehr die Hellenenstadt K^yme. Die
Kymaer, welche um 524 vor Chr. einen grossen Angriff der Barbaren, wenn-
gleich mit Mühe, zurückgeschlagen hatten, empfanden jetzt das Bedürfniss
fremder Hülfe und wandten sich an Hieron , den mächtigsten unter den west-
lichen Griechen. Er sandte ihnen eine Anzahl Trieren, die, mit den Kymöischen
vereint, die Flotte der Tyrrhener schlugen und Kyme von der Furcht, über-
wältigt zu werden, befreiten (Ol. 76, 3 — 474 vor Chr.). Pindar singt in der
ersten Pythischen Ode :
Wie vor Kyme
Durch Syrakusens Beherrscher ihre Macht in Trümmer sank,
Ais er die tapfere Jugend aus den schnellen Schiffen hinab in das Meer
Stürzte» Hellas aus der Knechtschaft Joch erlösend.
Es scheint, dass dieser Sieg der Griechen eine Schwächung der Etruski-
schen Macht im Aligemeinen zur Folge hatte. Bald darauf haben die Vejenter
einen Waffenstillstand auf 40 Jahre unter ungünstigen Bedingungen mit den
Römern geschlossen, und es ist nicht mit Unrecht vermuthet worden, dass das
Sinken von Tarquinii und das Aufblühen des benachbarten , in neuerer Zeit
durch seine an Vasen reichen Grabmäler so berühmt gewordenen Vulci mit der
Schlacht bei Kyme zusammenhängt. Zum Dank für seinen Sieg schickte Hieron
Weihgeschenke aus der tyrrhenischen Beute nach Olympia , und man hat im
Sande des Alpheios einen jetzt im Britischen Museum befindlichen ehernen
Helm gefunden, welcher die Inschrift trägt : Hieron , der Sohn des Deinomenes
und die Öyrakusaner dem Zeus, Tyrrhenische Beute von Kyme.
Hieron dachte daran , sich den bei den Etruskern und den chalkidischen
Griechen Italiens durch die Schlacht bei Kyme erlangten Einfluss auf die Dauer
zu sichern , und schickte zu diesem Zwecke Kolonisten nach derselben Insel,
auf der anfangs die Stadt Kyme gelegen hatte, nach Pithekusai oder Ischia. Sie
bauten dort ein Kastell, verliessen alJer später die Insel wieder, erschreckt durch
die häufigen Erdbeben und die vulkanischen Eruptionen, welche sie verwüsteten.
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216 Drittes Buch. H. Hieron.
So sehen wir Hieron aurdie inannichfaltigsle Weise bemüht, die hohe Stel-
lung, welche er als Nachfolger Gelon's einnahm, mehr und mehr zu befestigen.
Danehen hatte er aber noch andere Bestrebungen , denen Gelon stets fremd
geblieben war. Dieser, ein tapferer Krieger und thatiger Staatsmann, hatte nie
etwas Anderes sein wollen, als eben das; wenn er seine Heere zum Siege
führte , seine Städte gut regierte und seinen Bürgern überdies Lehren in der
zweckmässigen Bebauung ihrer Grundstücke geben konnte, wenn die Syraku-
saner ihn dafür achteten und liebten, so war sein Ehrgeiz vollkommen befriedigt.
Anders Hieron, der eine schon gegründete Herrschaft übernahm. Er war nicht
so sehr wie sein Bruder auf unablässige Arbeit in Krieg und Frieden hingewie-
sen, und so kam er von selbst dazu, dem Beispiele berühmter Herrscher, wie
des Polykrates und der Pisistratiden zu folgen und neben dem Nützlichen auch
das Angenehme und Schöne zu schätzen. Es gereicht ihm zur Ehre, dass es
das Schöne mehr als das bloss Angenehme war, das ihn anzog. Während Gelon
sich nie mit Literatur und Kunst beschäftigt hatte, sah Hieron die Genüsse und
Vortheile, welche der Verkehr mit.Dichtern und Weisen einem Herrscher bringen
kann, wohl ein, und er wandte sich unter der Anleitung hei'vorragender Frem-
der der Poesie und den Wissenschaften zu. Er schuf sich einen Hof aus Män-
nern , welche durch ihre Bildung geeignet waren , sein Leben anmuthig zu
gestalten und seinen Namen in ehrenvoller Weise auf die Nachwelt zu bringen.
So ist denn Hieron durch den Kreis von Dichtem, der sich um ihn schloss, be-
rühmt geworden ; er hat aber gerade hierdurch das Loos gehabt , dass neben
seinen Vorzügen auch seine Fehler bekannter geworden sind , als sonst viel-
leicht der Fall gewesen wäre.
Diese Fehler waren die nur zu vieler Gewaltherrscher, namentlich solcher^
die nicht, wie Gelon, durch imponirende Bettungsthaten sich einer unbedingten
Hingebung des Volkes erfreuen und sich deshalb durch ein künstliches System
von Sicherheitsmassrcgeln gegen offene oder versteckte Angriffe schützen zu
müssen glauben. Die Besorgniss vor Nachstellungen verliess ihn nie. Deshalb
begünstigte er die heimliche Angeberei und hatte eine Bande von Spionen,
Männern und Frauen , die sogenannten Otakusten und Potagogides in seinem
Solde. Wer aber bei ihm in Verdacht gerieth , dessen Leben war in Gefahr.
Hierbei muss übrigens berücksichtigt werden, dass ihn ein unheilbares Leiden,
der Stein, quälte, wodurch er nicht selten reizbarer und ungerechter werden
mochte, als er ursprünglich war. Zu einem Manne, bei dem das Gute nicht das
Böse weit überwog, hätten die edelsten Dichter Griechenlands nicht in so
freundschaftlichen Beziehungen gestanden, wie wir sie zu Hieron finden.
Hieron war vielleicht noch ebenso viel besser , als der feine und rücksichtslose
Politiker, welcher der erste Kaiser der Bömer wurde, wie die Männer, die sich
an seinem Hofe aufhielten , die Dichter der Augusteischen Zeit an Bedeutung
Übertrafen.
Denn es waren die grössten Dichter, welche die Hellenen damals besassen,
die dem reichen , glücklichen Heerde Hieron's nahten und sich mit ihm scher-
zend beim traulichen Mahle ergingen, — die grössten der damaligen Zeit, und
gross für alle Zeiten. Keiner von ihnen wat in SiciUen geboren, aber allen war
die Insel durch einen längeren Aufenthalt werth . und einem vnirde sie eine
Simonides. 217
zweite Heimat; zwei andere haben ihre letzten Lebenstage auf ihr zugebracht.
So beschränkte sich denn auch der Aufenthalt dieser Meisler keineswegs auf
Syrakus und den üof Hieron 's ; Theron und Akr.igas waren mehreren unter
ihnen nicht weniger theuer, und auch andere Städte der Insel haben Theil ge-
nommen an dem Glänze, welchen sie über ganz Sicilien verbreiieten.
Der Dichterkreis umfasste Vertreter der beiden Hauptgattungen der Poesie,
welche damals gepflegt wurden , der lyrischen und der dramatischen. Unter
den Lyrikern der Zeit stand keiner in höherem Ansehen bei allen Griechen, als
Simonides ausKeos, geboren Ol. 55, 3 — üäSv. Chr., gestorben, fast 00 Jahre
alt, Ol. 78, l — 468 vor Chr. Noch jung , irnt er *n den Kreis der Dichter,
welche Uipparchos in Athen versammelte, und ward niil den vornehmen thes-
saliscben Familien der Skopaden und Alcuaden bekannt, denen er Gedichte
widmete. Den glönzendsten Aufschwung aber nahm seine Muse durch die
Perserkriege, dei-en Heldenthaleu der in höherem Alter siehende Mann auf eine
alle Griechen befriedigende Weise verherrlichte. Er hielt sich eine Zeit lang in
Athen auf, das durch seine tapfere Bekämpfung der fremden Eroberer in neuem
Ruhm glänzte, und errang hier, 80 Jahre alt, als Führer des kyklischen Chores
einen Sieg über seine Mitbewerber. Dann ging er nach Sicilien, das seinen
Himerüiscben Sieg den Tagen von Salamis und Plataeae an die Seite stellen
durfte. Dass er hier Theron's Gunst nicht weniger als die Hieron's erlangte,
zeigt der Antheil, den er bald nach seiner Ankunft an der Beilegung der zwi-
schen ihnen ausgebrochenen Streiti^eiten (Ol, 76, I — 476 vor Chr.) nahm.
Doch scheint sein Aufenthaltsort vorzugsweise Syrakus gewesen zu sein, zumal
seit Theron geslorben war. Es war natürlich, dass Hieron einen Mann schätzte,'
der, wie Simonides , mit der unbedingten Herrschaft über die schwierigsten
Gattungen der lyrischen Poesie die feineu Hanteren des Weltmannes verband.
SiiDonides hatte seine Fehler ; der grösste war , dass er den Werth des Reich-
ihums KU gut kannte und diese Kenntniss nicht verbarg. Man warf ihm, ohne
darum seine Rechtschaßenheit in Zweifel ziehen zu wollen, vor, dass durch
ihn zuerst die Muse der Dichtkunst käuflich geworden sei, das heisst, dass er
der erste war, der den Lohn für ein bestelltes Gedicht nicht dem Ermessen des
Bestellers Uberliess, sondern einen bestimmten Preis für solche Arbeiten for-
derte. Wenn man der Ueberlieferung glauben darf, war sein Witz nicht in
Verlegenheil, den Grossen, die Gedichte wünschten^ den neuen Standpunkt,
welchen er in dieser Beziehung einnahm , deutlich zu machen. Als Anaxilas
von ßhegion mit Haultbieren in Olympia gesiegt hatte, begehrte er von Simoni-
des ein Epinikion. Da dem Dichter nun der in Aussicht gestellte Lohn zu ge-
ring schien, eröffnete er dem Herrscher, er finde es unter seiner Würde, Haul-
(hiere zu besingen. Anaxilas verstand den Grund der Weigerung und erhöhte
den gebotenen Preis, neugierig, als Simonides nunmehr den Auftrag annahm,
wie er es anfangen würde, gegen den von ihm aufgestellten Grundsatz nicht zu
Verstössen. Der kluge Dichter hatte sein Lied auf d^e Haulthiere so begonnen :
Seid mir gegrüsst, windschneller Roxse Tächter!
Simonides wussle seine Liebe zum Golde geistreich zu entschuldigen. So
sagte er, der Lohn, den er für seine Gedichte empfange, fulie zwei Kisten, die
eine mit Dank , die andere mit Geld. Wenn er aber in Nolh sei und aus den
ry»-5ri-.' «^.
218 Drittes Bach. II. Hieron.
Kisten schöpfen wolle , so sei die erste stets leer und nur die zweite nütze ibm
wirklich. Als Hieron^s Gattin ihn einmal fragte , ob es besser sei , sich Reich-
thum zu erwerben oder Weisheit , da antwortete Simonides : »Es wird wohl
besser sein, reich zu werden, als weise, denn ich sehe alle Tage Weise an die
Thtlren der Reichen kommen. cc Man fühlt die Ironie, welche in dieser Antwort
liegt. Es scheint sicher, dass Xenophanes ihn einen Filz und Knauser nannte.
Sollen wir aber glauben, dass er, wie erzählt wird, einen Theil von dem, was
Hieron ihm täglich zu seinem Unterhalt schickte, verkaufte und zur Erklärung
dieses Benehmens sagte, er thue es, um des Kdnigs Grossmuth und seine eigene
Massigkeit zu zeigen? äs wird ihm gegangen sein, wie allen bedeutenden
Männern, deren Fehler die Klatschsucht übertreibt. In einem besseren Lichte
zeigt uns Simonides eine andere Erzählung. Einst fragte ihn Hieron nach dem
Wesen Gottes. Simonides bat sich zur Beantwortung einer so schwierigen Frag6
einen Tag Bedenkzeit aus. Am nächsten Tage, als der Fürst seine Frage wie-
derholte, bat er um zwei Tage Aufschub, und als diese verflossen waren, um
eine neue Frist von vier Tagen. Endlich wünschte Hieron den Grund dieser
fortwährenden Verzögerung zu wissen, und Simonides erwiederfe : »Je mehr ich
über die Natur Gottes nachdenke, desto unbegreiflicher wird sie mir.a Simoni—
des verstand mit den Grossen umzugehen und sie durch seine Unterhaltung
zu gleicher Zeit zu ergötzen und zu beiehren. Man erzählte im Aiterthum man-
cherlei von den Gesprächen, die er mit Hieron geführt, und es war daher nicht
unpassend, dass Xenophon einen Dialog, in welchem es sich um die Licht- und
Schattenseiten der Tyrannis handelt , dem Hieron und dem Simonides in den
Mund legte. Wenn hier der Dichter den Fürsten, welchem die Tyrannis schon
eine Last werden will , belehrt, auf welche Weise er sie zu seinem und seiner
Unterthanen Wohl gebrauchen könne, so mag das wohl aus dem Sinne des
Simonides gesprochen sein, der, weit entfernt von einer unpraktischen Vorliebe
für republikanische Formen gegen die guten Seiten einer Tyrannenherrschaft
keineswegs unempfindlich war.
Seine Werke waren von mannichfaltigem Charakter. Er hat Hymnen, Di-
thyramben , Klagelieder verfasst , welche letztere ihm besonders g;ut gelangen,
so dass Horaz die Keische Nänie preist, ferner Epinikien, wie wir sie bei Pindar
noch besonders kennen lernen werden, endlich Epigramme, in denen er durch
Kürze des Ausdrucks und wahren Tiefsinn das Trefflichste geleistet und ins-
besondere die nationalen Grossthaten der Hellenen aufs würdigste verewigt
hat. Leider ist von seinen Gedichten fast Nichts erhalten. Von dem Vielen, das
sich darin auf Sicilien bezog, haben wir fast nur das oben erwähnte Epigramm
auf dem von den Deinomeniden dem delphischen Gotte gewidmeten goldenen
Dreifuss , denn seine witzige Benutzung eines Homerischen Verses an Hieron's
Tafel kann doch hier kaum mitgezählt werden.
Simonides konnte sich noch im hohen Greisenalter einer Gedächtnisskraft
rühmen, wie Wenige sie besassen, und die er so systematisch geübt hatte, dass
er als Erfinder der Mnemonik galt. Er verlebte seine letzten Tage in Sicilien,
und als er ein Jahr vor Hieron starb, ward ihm ein prächtiges Grabmal errichtet.
Es heisst , dass dies später zerstört und ein Thurm daraus gebaut worden ist,
Bakcbylides. Pindaros. 219
dessen Einnahme durch Feinde dann , als Strafe der Götter fttr die Schändung
des Grabes, den Fall der Stadt nach sich gezogen haben soll.
Mit Simonides hielt sich sein Neffe Bakchylides aus Keos an Hieron^s
Hofe auf. In seinen Dichtungen ahmte er seinem bertlhmten Oheim nach, des-
sen Weltklugheit er sich auch in der Gestaltung seines Lebens zum Muster
genommen zu haben scheint. Wenn wir den Auslegungen, die das Alterthum
einigen Steilen noch erhaltener Pindarischer Oden gab, Glouben schenken dür-
fen, trat Bakchylides aus Neid über Pindar's grösseren Ruhm diesem bei Hieron
feindlich gegenüber, in dessen Gunst er selbst durch übertriebene Schmeichelei
zu gelangen suchte. Hieron soll wirklich seine Poesie der Pindarischen vorge^
zogen haben. Von den Sicilien betreffenden Gedichten des Bakchylides ist nur
eine Zeile aus seinem Epinikion auf denselben Sieg des syrakusanischen Herr-
schers erhalten, den auch Pindar's erste Olympische Ode preist. Auch er nennt
hier den Namen des siegreichen Bosses Pherenikos.
Wir kommen nun zu dem zweiten grossen Lyriker, der Hieron's Hof durch
seine Anwesenheit verherrlicht hat, zu Pindaros, dessen noch erhaltene Ge-
didite manchen Aufschluss über den König und sein Haus , über Syrakus und
die Insel Sicilien Überhaupt geben. Pindaros, ein Sprössling des adeligen the-
banischen Geschlechtes der Aegiden, Ol. 64, 3 — 5S1 vor Chr. geboren, trat
frühzeitig als Dichter auf und kam bald in Verbindung mit vornehmen und
herrschenden Familien. Sein erstes Lied verfasste er auf den Wunsch der thes-
salischen Aleuaden, als er 30 Jahre alt war, sein zweites zeigt ihn schon in
Sidlien bekannt und mit der Herrscherfamilie von Akragas befreundet. Es ist
die sechste Pythische Ode, die der 28jahrige Dichter Ol. 71, 3 — 494 vor Chr.
— für Theron^s Bruder Xenokrates verfasste. Allmählich verschaffte er sich
eine reiche Kenntniss alier politischen und religiösen Verhaltnisse Griechen-
lands und seiner Kolonien und wurde so in hohem Grade befähigt, zu Festen
jeglicher Art Ghorlieder zu schreiben, die durch eine eigenthttmliche Erhaben-
heit und den sittlichen und religiösen Sinn , welcher sie durchdrang , die Be-
wunderung seiner Zeitgenossen so sehr erregten, dass z. B. die Bhodier die
siebente Olympische Ode , die den berühmten Faustkämpfer Diagoras und bei
dieser Gelegenheit die mythische Geschichte der Insel Rhodos verherrlichte, mit
goldenen Buchstaben in eine Tafel graben und diese im Heiligthum der Athene
zu Lindos aufstellen Hessen. Sein Charakter war unabhängig, und wenn er
auch Geld für seine Gedichte nahm, so wurde er doch nie zum Schmeichler der
Grossen. Ueberail wünschte man von ihm Lieder zur Verherrlichung religiöser
Feste, und obwohl dorische Freistaaten, wie Rhodos und besonders Aegina,
seine Muse viel in Anspruch nahmen, war er doch so weit entfernt von einsei-
tiger Vorliebe für stammverwandte Völkerschaften, dass er sogar wegen seiner
Anerkennung der Verdienste Athens um Hellas von seinen Landsleuten , den
Thebanem, gestraft wurde. Pindar war gleich angesehen in Freistaaten , wie
an den Höfen von Fürsten und Tyrannen. Alexander von Macedonien, Arke-
siiaos von Kyrene und in Sicilien Hieron und Theron schätzten ihn hoch , und
Hieron wünschte schon früh, dass er nacj;i Sicilien kommen möchte. Er zögerte,
diesem Verlangen zu entsprechen. Man fragte ihn einmal, warum er nicht, wie
Simonides, sich nach Sicilien zu den Tyrannen begebe, und er antwortete:
220 Dritles'Bncb. U, Hieron.
»Weil ich mir leben will, nicht Ander*m.« Erst Ol. 76, 3 — 471- vor Chr. — lei-
stete er den wiederholten Einlitdungen Hieron's Folge, und es scheint, dass sein
Aufenthalt In Syrakus nur kurze Zeit dauerte. Vielleicht wurde er ihm durch
die Umtriebe der Schmeichler Hieron's und die Feindschaft des Bakchyüdes
verleidet. Pindar starb im 80. Lebensjahre , Ol. 8i, 3 — i*8 vor Chr. — in
Argos.
Von seinen Gedichten , welche die verschiedensten Gattungen der Lyrik
amfassten, sind nur die Epinikien , aber diese auch fast vollständig, erhalten,
ein glücklicher Umstand gerade für die Kenntniss der sicilischen Zustände , da
von den 4 i Liedern nicht weniger als 15 an Sikelioten gerichtet sind. Diese
Lieder, gedichtet bei Gelegenheit von Siegen, welche in den grossen Wettspielen
von Hellas, den olympischen , pylhischen, nemeischen und isthmiscbea, er-
rungen wurden , enthüllen eine der eigenthtlai liebsten Seiten des griechischen
Wesens. Der Sieg in diesen Spielen ei-schien den Hellenen als ein besonderes
Zeichen der gottlichen Huld und eiregte daher bei allen dem Sieger Verbun-
denen die grösste Freude. Der Ruhm fiel nicht demjenigen allein zu, der seine
Nebenbuhler Ubem'unden hatte; seine ganze Stadt, deren Name ja zusammen
mit dem seinigen ausgerufen wurde, halte Theil daran. So konnten entfernte
Städte auf die ebrenvollste Weise in alier Hellenen Mund kommen, und es war
naturlich, dass der durch einen ihm angehdrigen Sief^er geehrte Ort seinem Hit-
bUi^er zu danken suchte und ihn auf die maunichfaltigste Weise wieder ehrte.
Von den Wettktimpfen mussten ein^e persönlich bestanden werden , Während
andere, wie das Pferde- und Wagenrennen, von den Bewerbern um den Kranz
nur die Ab.sendung der Wagen und Rosse beanspruchten. Die Ehre war in
beiden Fallen für den Sieger dieselbe, und es verband sich mit dem Si^e im
Weltfahren vierspänniger Wagen um so mehr ein glänzender Ruhm , da «ur
Ausbildung geeigneter Rosse grosse Mittel erforderlich waren und diesen Sie^
also nur Männer gewinnen konnten, die schon ohnedies in ihrer Stadt eine her-
vorragende Stellung einnahmen. Wie viel Gewicht man gerade in Sicilien auf
Siege dieser Art legte, zeigt das Vorkommen von Gespannen, Bigen, Trigen und
Quadrigen, [sowie von einzelnen Beitcm auf den MUnzen von Messana, Kaiana,
Leontini, Syrakus, Akragas — dem rossen ühren den — Kamarina, Gela, Selinus,
Himera, ja sogar auf MUnzen mit punischen Inschriften und solchen von Panor—
mos. Häufig schwebt eine Nike über dem Gespann , noch deutlicher den Sieg
im Wettkampfe anzeigend, der nicht nothwendig in einem der grossen helleni-
schen Spiele gewonnen sein musste. Wir haben uns ähnliche in Sicilien selbst zu
denken, und es ist möglich, dass die {irtJssteu jenerMunzen, auf denen nicht selten
die Inschrift athia (Kampfpreise), sowie die Darstellung von WaffenstUcken sich
befindet, ebenso wie solche WaffcnstUcke den Siegern in derartigen Wellspielen
als Preise gegeben wurden. Wie aberder Ruhm derFeste vonOlympia, Delphi,
vom Islbmos und von Nemea alte anderen überstrahlte , so ist es begreiflid>,
dass den sicilischen Fürsten viel daran lag, mit ihren Gespannen in diesen
Festversammlungen , zumal in Olympia , zu siegen ; ihr Name wurde dadurch
überall, wo Hellenen wohnten, genannt, und sie hatten Gelegenheit, zur Feier
ihrer Siege ihren Freunden und Untcrtfaanen neue glUnzendeFeste vorzufllhren.
Und zur Verherrlichung dieser letzteren , mochte nun ein Aufzug oder ein Ge-
Pindaros. Zweite Pythiscbe Ode. 22t
läge ihren Haupttbeil bilden, nabmen sie, dem Herkommeii gemäss, die Dienste
der Dichlor und Hasiker in Anspruch. Bei solchen Festen sind auch Pindar's
Epinikien von Chören zum Klange der Eithara gesungen worden.
Es sind nicht alle Siege Uieron 's durch Pindariscbe Lieder gefeiert, nicht '
der Hauptsieg des FUrslen in Olympia, Ol. 78, mit dem Viergespann, nicht ein
viel früherer , Ol. 73, mit dem Rennpferde. Von den vier Oden Pin.dar's , die
sich auf Hieron beziehen, scheint die zweite Pytbische der Zeil nach die
erste zu sein. Es wird darin die Rettung der Lokrer aus Anaxilas' Hunden, die
Ol. 75, 4 — 477 V. Chr. — geschehen sein muss, als eine ganz frische Begeben-
heit erwähnt. Das Gedicht feiert einen Sieg, den Hieron mit einem Viei^espann
von Füllen, wahrscheinlich in Theben, errungen hat. Es ist eines der schwie-
rigsten Pindar's, da es Mythen und besonders Sentenzen enthält, von denken
nicht mit, Sicherheit zu entscheiden ist, welche Beziehung sie auf-Hieron's Ver-
hältnisse haben, und insbesondere ob sie, wie es den Anschein hat, als War-
nungen für den Herrscher von Syrakus dienen sollen. Pindar beginnt :
O Syrstusae, grosso Stadt, des Ares Heiligthum,
Der im Gewüble der Schlecht wellt, erzliebender Mün Der und Rosse gdilllche POegerin,
und nennt dann Ortygia
den Siti.
Wo der Leto Tochter am Strom weill,
die mit Hermes und Poseidon als Helferin Ilieron's beim Siege im Wettspiel ge-
nannt wird. Dann vei^leicht er Hieron mit dem kyprischen Könige Kinyras,
den sein Volk pries, wie die lokriscfaen Jungfrauen Hieron fUr die Erretlung
ihrer Sladt preisen, geht aber bald auf IjlIou's, des UobermUthigen, Geschichte
llber, der für seine mannichfachen Frevel ein schi'ccklichGs Schicksal erlitt, er,
der zuerst »das Blut des eignen Stammes vergossu. Musste nicht Hieron, der
um diese Zeit seinen Bruder Potyzelos verfolgte , dies als eine ernstgemeinte
Anspielung auf ihn selbst verstehen ? Man hat in dieser Erklärung eine dem
Dichter zi^emuihete Plumpheit gefunden, aber dabei ganz übersehen, dass
nicht die Absicht des Dichters bei einer Anspielung, sondern die Art, wie er
sie ausdrückt, über ihre Plumpheil oder Feinheit entscheidet, und dass somit
die Anspielung, die in der Erwühnung Ixion's liegt, wenn auch der Dichter
damit auf andere Personen zielte , doch in dem Falle , dass Hieron sie auf sich
selber beliehen konnte , ebenso plump , ja noch plumper ist , als wenn Pindar
sie wirklich als Mahnung an den Herrscher von Syrakus gemeint hat. Wir
stellen den Dichter hüher, wenn wir ihn ernstlich dem mächtigen Hieron den
grossen Frevler Ixion als Warnung vorhalten lassen, als wenn wir annehmen,
dass Ixion's Tbaten ein Gegenbild der Handlungsweise des Anaxilas oder ein
von Pindar sich .selber vorgehaltener Spiegel sein sollen. Es gezieme ihm selbst,
fügt Pindar hinzu,
zu Oieh'n der Übeln Rede grimmeo Riss,
das lehre das Schicksal des Archilocbos, der arm war, weil er lästerte. Reich
und weise sein, ist der Lose schönstes, sagt der Dichter, sieb wieder an Hieron
wendend ;
Dir wurde das, du zeigst es frei mit kfiniglicbem Sinn,
Da, der gewaltige Herrscher des Volkes und Ihnrmuinkranzter StHdte. So Jemand sagt.
Drittes Buch. II. Hieron.
den Frübergebornen ein Andrer im Volke
Ibren sich mehr und SchHIcea gewonneD, aU du gewenott,
iJem Sino Vergeblichem nach.
I und anderem Lobe rHlh er ihm noch :
aend, ringe dem Schttnen nach I
Lied mit dem Tadel der Hinlerlist und des Neides, die er als
itur widerstrebend bezeichnet, und mit dem Wunsche :
llend ironier Im Kreise der Edlen weilen.
ihende Meinung des Alterthums, dsss unter den Verleumdem,
er Ode brandmarkt, ganz besonders Bakchylides gemeint sei.
der auf Hieron bezüglichen Gedicht« Pindar's ist die dritte
, ein Trosigedicht fur den an schwerer Krankheit leidenden
mert überdies an iwei Trühere Siege des Bosses Hierenikos in
pielen, Ol. 73, 3 und 7i, 3. Nach Ol. 76, < — *76 v. Chr. —
^rtassl, weil Hieron schon Aetna gegründet hat, aber vor Ol.
br. — , weil Hieron in diesem Jahre, in den 39. Pythien, einen
Iphi errang, von dem hier noch nicht die Bede ist. Einen
Ode nimmt die einleitende Schilderung der Herkunft und des
pios in Anspruch, der bei dem Kentauren Cheiron die Heil-
enn Cheiron noch lebte, fährt Kndar fort, so wtlrde ich ihn
dasser einen Arzt
m auch jetzt für beisse Qualen sendete
Schiffe die Ionische See dnrcbschnetdeod, eilt' ich
Lfelhusa, zu dem Gasirreund, Aelna's Hort,
lerrscht in der Stadt Syrakus,
lie neidisch den Edlen, dem Fremdling wunderbar voll Valersino.
sich I^ndar damit begnügen, die Gßltermuller und Pan für
1, der sich daran erinnern mag, dass nach dem allen Glauben
lute, das sie den Menschen verleihen, zwei Uebc) beizugeselten
t Hieron glücklich als Herrscher; Ij^nn er mehr erwarten'?
i Kadmos , bei deren Hochzeiten doch die Götter Gaben dar-
viel Leid durch das Schicksal ihrer Kinder. Hieron mttge be-
m auch noch das seltene GlUck widerfährt, im Liede gefeiert,
zu kommen.
7ti, 3 Hieron einen Wagensieg in den Pythischen Spielen er-
lin Pindar mit dem Gedichte, das voran unter seinen Pythischeu
ron halte sich , um seine neugegrUndcte Stadt Aetna «u ehren,
ifen lassen , deshalb hat das Gedicht besondere Beziehung auf
herrscht von dem Gegensatze zwischen dem Rohen, Ungeord-
ichttnen, Harmonischen, einem Gegensätze , der in dem Be-
;hen und glU<^lichen Stadigemeinde am Fusse des Unheil
HS einen klaren Ausdruck, zumal für die Bewohner von Aetna
^sicht des rauchenden Kegels das heilere Fest des Wagensieges
'S feierten. Das Gedicht beginnt mit einer prächtigen SchHde-
er Musik, die »auch des Blitzstrahls Pfeil, den ewig flammeQ-
lie die Götter, selbst Ares, bezwingt und erfreut. Anders die
Erste Pythische Ode. 223
Wesen, »die Zeus nicht liebia ; sie entsetzen sich vor dem Laut der Musen ; so
Typhoeus, der hundertkOpfige , den einst die kilikische Felskluft umschloss,
nun aber .
Driickt die meerumfriedete Veste von Kyme,
Drückt Sikelia des Unthiers zottige Brust, auch 4iaU die SUale, tragend den Himmel,
ihn fest,
Aetna, der auf schneeigem Haupt
Scharfen Frost im ganzen Jahr hegt ;
Aus den Schlünden speit er Bäche lauteren Feuers empor.
Das unnahbar Alles verschlingt; Tagsergiesst sein gl übender Strom des gerötheten Rauchs
Wogen, und in dunkeln Nächten wälzt
Wildprasselnd die purpurne Glut Felssleine weit auf der See tiefgründigen Spiegel hinaus.
Den Typhoeus hält des Aetna »schwarzbelaubter Gipfela in Banden. Ihm gegen^
über wendet sich der Dichter an Zeus,
Der dieses Gebirge beherrscht, fruchtreicber Au'n schöne Stirn, nach dem die benach-
barte Stadt
Ward genannt vom Gründer, der ihr Ruhm verlieh.
Denn in den Bahnen zu Python erscholl ihr Name aus Heroldes Mund, als Hieron herr-
lichen Siegs Lohn im schnellen
Wagen errang.
Dieser erste schöne Erfolg der Stadt giebt dem Dichter Hofihung, dass sie auch
in Zukunft prangen werde mit Rossen und Kränzen, und er spricht den Wunsch
aus, dass die kommei^de Zeit dem Herrscher Glfick und Schätze verleihen
mOge, »und des Leids hold Vergessen«, Erinnerung aber daran,
wie er In Schlachten des Kriegs,
Festen Maths ausharrend, gesiegt I
Jetzt aber ist Hieron dem Philoktet ähnlich , der von den stolzen Griechen zu
Hlllfe gerufen werden musste; so rief ihn, den Kranken, gegen die Tyrrhener
zu Hülfe die Stadt Kyme. Dann erinnert sich Pindar an Deinomenes, des Hieron
Sohn, welcher der Sl^dt Aetna vorsteht, und
Dem mit gottgescha0*ner Freiheit Hieron nach dem Gesetz,
Nach des Hyllos strengem Gebot diese Stadt gegründet.
Hinblickend auf die Blüte des dorischen Stammes in Lakonien , spricht er den
Wunsch aus :
Lass, o Zeus, Vollender, solches Glück an des Amenas Flut
Bürgern stets und Königen blühn, das in Wahrheit rühmend erhebe der Menschen
Gerücht I
Mit dir möge denn des Landes Fürst,
Berathend und lehrend den Sohn, das Volk zur Ruh und zur Eintracht lenken und krö-
nen mit Ruhm !
Gieb, ich flehe, Sohn des Kronos, dass daheim
Friedlich verweile derPöner, daheim tyrrhenisches Schlachtengeschrei, anblickend den
Jammer, die Schmach, wie vor Kyme
Ihre Macht in Trümmer sank.
Aber noch herrlicher als der Sieg bei Kyme über die Tyrrhener ist der unter
Gelon's Führung über die Karthager erfochtene. Pindar vergleicht ihn zweien
der grössten Schlachten der Hellenen :
Salamis,
Ich hole von dir der Athener Preis zum Lohn,
Singe dann in Sparta die Schlacht an Kithaeron's hohem Fels,
224 Drittes Buch. II. Hieron.
Wo die Meder sanken, die bogenbe^ebrten ;
Doch am quellenreichen Ufer Himera's erschalle noch Deioomenes' Söhnen ein Lied,
Das verdient ihr tapferer Muth, dem das Heer erlag der Feinde.
Das Gedicht schliesst mit Raihschlügen an Hieron ^ der gewarnt wird vor
Dgleissenden Listen«. Nur die Nachwelt urtheilt richtig. Das zeigen zwei grosse
Beispiele. Nie
Stirbt des Krösos Üerzerfreuende Huld,
Doch auf ihm, der wilden Sinnes Menschen briet im ehrnen Stier,
Auf Phalaris lastet des Absehens ewiger Fluch!
Ihn begrüsst kein Lautengesang im Gemache, ruft ihn nicht
Zum Verein beim lieblichen Spiele der Knaben.
So ist hier zum Schluss der das Gedicht durchziehende Gegensatz zwischen
dem Milden und dem Rohen , mit dem die Musen Nichts zu schaffen haben,
wiederum ausgeführt.
Bald nach diesem Gedichte, OL 77, 4 — 472 v. Chr. — hat Pindar die
te Olympische Ode an Hieron gerichtet wegen des ersten Sieges, den
der Fürst als Heri*scher von Syrakus in den grössten Spielen von Hellas er-
rungen hatte. Es war kein Sieg der glänzendsten Art, tiicht mit dem Vier-
gespann erfochten, nur mit dem Rennpferd Pherenikos, das schon in den
Pythischen Spielen seinem Besitzer Kränze gewonnen hatte. Üeshalb macht
der Dichter die Bedeutung der Olympischen Spiele und ihren Vorrang vor den
übrigen zum Ausgangspunkt seiner Ode , die sich voKzugsweise mit der Ge-
schichte des Pelops, durch den jene Spiele gegründet wurden, beschäftigt. Wie
das Wasser unter den Elementen, das Gold unter den Schätzen, so sind unter
den Wettkämpfen, sagt Pindar, die herrlichsten die Olympia^s,
Woher von sinnenden Weisen rings mit hellem Schall
Die Festhymne tönt, wenn sie nah'n
Dem Herd Hieron's, dem reichen, glücklichen.
Des Kronos Sohn feiernd im Gesang.
Herrschend über Sikelia's lämmerreiche Gefilde,
Führt er des Rechtes Stab, pflückt er von jeglicher Tugend die Krone.
Leuchtend thront er auch im Kranz
Duftiger Blumen des Liedes,
Wenn wir Männer scherzend oft
Uns am traulichen Mahl ergehen. Doch wohlan, vom Pflocke herab nimm die dorische
Harfe, wenn der Ruhm von Pisa, wenn dir Pherenikos' Ruhm
Den Geist in wonniges, süsses Sinnen eingewiegt,
Als er am Alpheios stolzen Flugs
Dabinbrausend flog, vom Sporne nicht berührt.
Und seinen Herrn rasch zum Siege trug,
Syrakusae's rosseliebenden Gebieter.
Nun schildert Pindar das Mahl , mit dem Tantalos die Götter bewirthete , den
Raub des Pelops durch Zeus, den Uebermuth und die Strafe des Tantalos, die
Rückkehr des Pelops zur Erde, sein Flehen zum Poseidon, er möge ihm Sieg in
der Wettfahrt mit Oinomaos und den Besitz der Hippodameia verleihen, seinen
Erfolg , endlich sein Grab am Alpheios , wo jetzt um den Preis gekämpft wird,
und »Mtthsalen trotzt die stolze Kraft«. »Aber der Siegera, fährt Pindar mit
deutlicher Beziehung auf Hieron fort,
wallt sein Leben lang
Im süssen, heitern Sonnenglanz des Glücks.
Oden aur Chromios. Nein. I. 225
An die vier Oden auf HieroD scbliessen sich zwei andere Pindar's auf Hieron's
Schwager Chromios, dessen Namen wir schon mehrfach genannt haben. Chro-
mios war angesehen unter drei Fürsten nach einander, unter Hippokrates , für
den er tapfer am Hetoros kämpfte, unter Geion, der ihn für den Fall des Todes
von Polyzelos zum Vormund seines Sohnes bestimmte, unter Hieron endlich, der
ihm neben oder nach seinem eigenen Sohne Deinomenes die Verwaltmig der Stadt
Aetna anverlraule und ihn zu Änaxilas mit jener drohenden Botschaft schickte,
welche den Lokrern Rettung brachte. Die Zeitbestimmung der beiden Oden
auf Chromios , der ersten und neunten unter den Ncmeischen , ist nicht ganz
klar, auch das nicht, welche unter ihnen die früher gedichtete ist. Doch mtlssen
sie nach Ol. 76, 1 verfasst sein, nach der Gründung Aetna 's, das in der neunten
(v. ?) ausdrucklich als neugegründet bezeichnet wii-d, und auf das die Erwäh-
nung des Aetnäischen Zeus in der ersten unzweifelhaft hindeutet.
Die erste Nemeische Ode, gedichtet auf einen Sieg, den Chromios mit
dem Wagen in den Nemeischen Spielen errang, und bei welchem er sich als
einen BUi^er von Aetna soll haben ausrufen lassen, beginnt dennoch mit dem
Preis von Ortygia, wo Chromios noch in seinem alten Hause das Siegesfest feierte :
AIpbeios' heilige Rulicstalt,
OrtygJB, stolzer Zweig syrakusisoher Pracht,
Wiege der Arlemis eiosl,
Aus dir, o Delos Schwester, erhebt sich dos Lieds
Süsser Laut, mit bobeiti Preis
Rosse, vom Sturme beschwingt, lu verherrlich en, Zeus, dem Aetoagotl, Kam Dankl
Denn es ruft uns Chromios' Wagen, esruftNemea, dem siegbekräDZIen Werke Fest-
gesang zu weih'n.
Durph Gtttler ward der Grund zugleich
Mit jenes Mannes göttlicher Tugend gelegt.
Al>er im Kranze des Siegs
Ruht alles Ruhioes Gipfel, und gerne vei'kifirt
Rohen Kampf der Muse Lied.
Lass denn in wonnigem Glänze das Eiland leuchten, das Persephonen
Zeus, Olympos' König, verlieh, und , des Uauples Locken ihr zuneigend , schwur . die
fette Flur Sikelia's
Werde mit reicher Städte Häuptern prangen, das tierrliche, fruchtschwere Land ;
Und der Kronide gewahrt ihr ein Volk, das stets des erzumklirrten Kriegs
Eingedenk, hoch streitet zu Hoss, von olympischen Oelzweigs goldnea Blattern oft
umkrfinzt.
Nach diesem prachtigen Lobe der Insel wendet er sich zum Chromios selbst.
Ich trat, sagt er, vor das Thor
Des holdgesinnten Wirtbes mit schönem Gesang,
Wo mir ein glänzendes Mabl
Bereitet Ist.
Dies passt im eigentlichen Sinne auf das Festmahl , das den Nemeischen Sieg
feiert; es ist aber auch das Mahl gemeint, das dem Geiste des Dichters durch
den glanzenden Stoff bereitet ist, den er besingen soll. Er verkimdet den Ruhm
des Chromios , der stark in Thaten , wie im Ralhe klug ist. Und nun füllt er
über die Hälfte des Gedichtes bis zum Schlüsse mit dem Preise des Herakles,
dessen erste That, die Erwüf^ung der von Hera gesandten Schlangen, ausgemalt
wird, und der zuletzt nach allen seinen Grosslhaten Ruhe hinnahm als erles'nen
Eolm, ae»li. BicilUn«. 1. 1B
Drittes Buch. 11. Hieron.
kbende Hebe zur Gattin erhielt und sein Hochzeitsmahl bei
1 Hörer wird ttberlasseo , die leichte Anwendung hiervon auf
en , der nach den Htlhen der Jugend und des Mannesalters
le erfreut und als Gatte der Schwester des Ftlrsten boch-
iif Chromios bezügliche Gedicht Pindar's gehört nicht eigent-
leiscben Oden, unter denen es die neunte Stelle einnimmt,
ngerer Zeit in den Pythien zu Sikyon errungenen Wagensieg
tieging, nachdem die Siadt Aetna gegründet war, seinen Sieg
il , an welches ein Fcslzug sich anschloss , und bei welchem
orgetragen werden sollte. Pindar will mit Gesang von Sikyon
m Sitze sieben,
wo die gastlichen Pforleo Keinem sich versclili essen, zu
eben Spiele sind von Adrastos gestiftet worden , als er aus
jr ; dies führt Pindar auf den Krieg der Sieben gegen Theben,
Los an der Spitze stand , und seinen unglücklichen Ausgang.
1, und um, im Gegensatze zum grausigen Kriege, auf den
IS hinzuweisen , schliesst der Dichter den bereits früher be—
:h, dass der Poenerheere Sturm fem bleiben möge, mit dem
gieb aur lange Zeil
05 des Aetnavolifcs Kindern,
gewahr' ihm, und Kampfe nach Weise der Ueimal I
entstehen, dann ist wiederum Chromios am Platze, der zu
in Seh ifTsgef echten sich ausgezeichnet bat.
Wolil, sagt man, erblühte dem Hektor an des Skeroandros Ge-
wässern ein solcher Kranz des Ruhmes einst,
IS jüngst am steilen Felageslade,
! des Are» fürt die Sterblichen nennen,
lOs' Sohn schon in beginnender Jugend dieser Stern.
i geleistet im Krieg , will der Dichter später künden. Aus
nun heit're Tage erblüht, und es wird das Fest gefeiert, an
les Dichters Lied erklingt.
' wie Chromios stand dem Hieron ein anderer Syrakusaner,
te Olympische Ode gerichtet ist: Agesias, des Sostratos
eschlecbt der lamiden , das in Olympia am Altar des Zeus
n aber ein Nebenzweig seit der Gründung von Syrakus dieser
Agesias war überdies Bürger von St; mphalos in Arkadien, .
as Fest begangen , das den von ihm mit einem MaulLhier—
18, wahrscheinlich Ol. 78, I, errungenen Sieg feiern sollte.
scheint in dem syrakusanischen Hause des Agesias beab—
Üer Dichter preist gleich im Anfang der Ode seinen Heide»,
i Herkunft des Geschlechts, dem Agesias angehört, und zu—
umhin , auch hier wieder Syrakusens und Hieron's zu ge—
von seinen Triumphgesängen sngt :
An Xenokrates. Pyth, Tl. An Theron. Ol. II.
Sie sollen Syrakusa's und Ortygia'8 denken, woselbst
Bieron beirscht mit gerechtem Stabe, der Fürst
Sinnigen Ralhs, und der purpurfÜBs'gon Deo
Und der Tocliter Feste schmückt, der Cbtiin mit weissem Gespanne;
lind Zeus vom Aetna feiert. Das festliche Lied
Gnd meiner Lyra süsser Klang kennl ihn. Die Zeit, die schleich
Glück nicht!
Aber Agesias' Zng emptang' er froh mit holden Sinns liebreicher We
In ebenso rreundiichen , vielleicht noch freuQcUicheren Be
lindar zur Familie des Herrschers von Akragas. Au( Tfaeron's
krales, verfassle er bereits Ol. 71, 3 eine Ode, als er %S
18 Jahre bevor er das erste Gedicht für Hieron schrieb. Die Oc
Pythische, bezieht sich auf einen in Delphi errungenen
scheint, dass es eigentlich Thrasybulos, des Xenokrates Sohn
Sieg davontrug, und dass der Jüngling aus kindlicher Liebe
Vaters die Ehre liess, durch den Herold dem Volke verkündigt
aus sechs gleichmässigen Strophen ohne Epoden bestehende
sich zuerst nach Delphi, wo den reichen Emmeniden
Und der nmOuteten Akragas und dem Xenokrates auch
ein stolzes Schatzbaus von Hymnen pythischer Siege erbaut is
den Triumph verkllodet, der für den Vater Thrasybulos', wel
und das ganze Geschlecht in Krisa's Thal errungen wurde. Nui
an die von Cheiron dem Peliden gegebene Lehre, vor Allen die
er erzählt die That des Antilochos, der für seinen Vater sein Le
rühmt, dass Thrasybulos dem Vorbild des Vaters und des Ohe
An Theron selbst, der Ol. 76 einen Wagensieg errang, fiel
Preise desselben zwei Lieder, die zweite und die dritte
Ode, Über deren Verhaltniss zu einander verschiedene Meini
worden sind. Man hat bald die zweite, bald die dritte Ode fü
Siegeslied erklärt; die zweite ist nach Hinigen im Hause ge
nach Anderen Öffentlich , nie die dritte gewiss , die ftlr den
Theosenien , dem Feste der Dioskuren , bestimmt war. In jei
Frage an die Hymnen beginnt, welchen Gott, Heros und Sterbh
solle, preist er Theron,
des Gaetrechls Hort, ihn, Akragas' St
Aus hochgefeieHem Geschlecht die Blume, hebend die Stadt,
Das, duldead vielfaches Unheil,
Sich am Strome hier die heil'ge Wohnung gründete und das Auge v
Sikelie's.
Gieb , ruft er Zeus an , das heimische Geßld huldreich dem Sl
Zeit. Geschehenes freilieb, fährt er fort, vermag selbst die Ze
den, doch bringt ein günstiges Geschick gltlckliches Vergessen
Hindeutung sein auf die vor Kurzem beendigten Streitigkeiten
und Hieron, welche in das GlUck der Emmeniden Bitterkeit t
ilie des Kadmos abwechselnd
ichter von Semele, von Ino, \
hersandros Theron seinen Uri
Drittes Buch. II, Hi«roD.
gleich erhabnen Bruder gab hohes Glück, Beiden hold,
10 die Siegesblume des Gespanns, das zwölf Mal die Bahn
Lim und Tugend verbuodcQ ; er weiss, dass Strafe in der
ein seliges Leben aber die Guten erwartet. Und nun
iten dreimal
der Erde, sich das Herz rein von Frevel hielt,
d des Zeus zu Kronos' huher Veste, wo lindathmeDd rings
>en, wo Huflig Goldblumen hier
in denHah'n glänzender Bäume, dorldesQuells Flut entspriessen,
ide sie sich Arm umOechten und Haupt,
an der Seelenwanderung, die hier dem Theron, offenbar
orgetragen wird. Dies gewührt uns einen willkommenen
Qsen und sittlichen Zustand Siciliens in jener Zeit; es
hagoras verbreiteten Gedanken auch hier auf fruchtbaren
wenn nuch die Form, in welche Pindar sie kleidet, und
ein der Seligen, auf denen Kadmos, PoieuB und Achilleus
terische ist und den Liedern Orphischer Sanger entlehnt
verktlndet er noch einmal ein glänzendes Lob Theron's :
tscbwörend aus, spreche trugfreien Sinn's,
idurch keine der ätädte je gezeugt solchen Küinn, so
Freunden, so freigebig spendender Hand
npische Ode war nach den allen Erklärern fur das
das von den Dioskuren gestiftet worden war, bestimmt,
iiit der Feier dieses F^tes beschäftigt, die Nachricht von
>ia erhalten hatte. FUr die Festfeier, bei welcher TheriHi
rdllig empfing, konnte die Ode Pindar's unmöglich im
und wir nilrdcn also annehruen müssen, dass sie, als
ten Jahre ^\iederkehrte , vorgetragen worden sei. Es ist
ie Nachricht, Theron habe die BoUcbafl gerade an diesem
linem Irrthum bemht. Dadurch wird übrigens der Vor—
i am Theoxenienfeste nicht unwahrscheinlich gemacht.
1er Ode weisen deutlich auf die Dioskuren hin. Pin—
Ihne, seid mir hold, und lockige Helena, du,
ich verkünde, wenn ich jetzt
iasiegerSj Theron, scballend erlicbe die Hymne, den Schmuck
Sohn verherrlichen, welchem
hen Stammes, im Kampf von Hellas Richter, hoch herab
e Locken den bläulichen Schmuck der Olive wand.
ivie Herakles einst aus Istrien den Oelbaum geholt und
fer des Aipheios angepflanzt, und wie er, in den Himmel
- die Olympischen Spiele den Dioskuren übertragen hat,
Auf Midas. Pjth. XII. 229
welche TheroQ besonders ehrt. Mit dem Lob des Herrschers von Akragas, der
die Säulen des Herakles durch die seinem Geschlecht« eigenen Tugenden be-
rührt, schliesst das Gedicht.
Da wir ein zweites, an Thrasybulos, den Sohn des Xenokrates, gesandtes
Gedicht I^ndar's erst spater erwähnen werden, weil es in die Zeil nach Theron's
Tode fällt, und ebenso drei andere, nach Uimera und Kamarina gesandte, so
ist hier nur noch eine an einen Äkragantiner gerichtete Ode zu besprechen. Es
ist die zwölfte Pythische, aufHidas, der in der vierundzwanzigsten und
ftlnfund zwanzigsten Pylhias, Ol. 7t, 3 und 72, 3 im Fltitenspicl gesiegt hat. Sie
wird aus dem frtlheren der beiden Jahre herstammen, da nii^ends in dem Ge-
dichte eine Andeutung vorkommt, dass Midas nicht zum ersten Haie siegt. Das
Gedicht l>eginnt mit einer Anrufung von Akragas :
Ich Helle dir, Freundin der Pracht, du schttostc der irdischen Städte,
Sil! der Persepbone, dir, am heerdenge segneten Strand
DesAliragas stattiich umbaute Höb'D bewohnend, Königin,
Nimm, von den Sterblichen und von ewigen Güllem geehrt,
Kaidreich von den HHnden des Midas diesen Kranz aus Pylho bin.
Dann erzählt er die Erfindung der Weise , mit welcher Midas siegte , durch
Athene und schliesst mit kurzen Betrachtungen über die Unmöglichkeit, die
Zukunft vorauszusehen , die man als Anspielung auf folgende , dem Hidas zu-
gestosseue Begebenheit nimmt. Bei einem Weltspiele zersprang ihm, wahrend
er blies , das Mundstück der Flöte. Dennoch fuhr er so gewandt nur auf dem
Bohre blasend fort, dass die Hßrer erstaunten und ihm der Sieg zugesprochen
wurde.
Von Pindar's flbrigen Gedichten sind nur Fragmente erhalten , von denen
sich einige auf Sicilien beziehen. So ist unter den Hyporchemcn , Gedichten,
die zu Ehren ApoUon's mit Tänzen um den Altar und Gestio ulationen gesungen
wurden, ein Fragment, in welchem Hieron als Gründer Aelna's angeredet und
sein Name in scherzhafter Weise mit dem Worte hieros, heilig, in Verbindung
gebracht wird, und ein anderes, in welchem unter den Dingen, die in einzelnen
Ländern am vorzü^ichsten sind , auch das sicilische Maultbiei^espann seinen
Platz 6ndet. Unter den Enkomien, bei Trinkgelagen gesungenen Lobgedichten
finden sich Verse an Theron, und unter den Skolien an Thrasybulos, den Sohn
des Xenokrates, und an Hieron gerichtete Fragmente , auch Bruchstücke einer
Schilderung des unter dem Aetna liegenden Typhoeus.
Neben die Lyrik, welche in Hieron 's Zeit bereits eine lange Entwicklimg
hinter sich hatte und auf der Höbe ihrer Ausbildung stand , trat damals in Si-
cilien eine andere neu entstandene oder vielmehr in der Entstehung begriffene
Dichtungsart, die dramatische, in ihren beiden Zweien, der Tragtidie und der
Komödie, von denen jene von einem atiischen Meistei' der Kunst den sicilischen
Griechen voi^efUhrt, diese dagegen von einem Hanne, der fast selbst ein Sicilier
genannt werden kann , in echl sicilischer Weise geschaffen wurde. Der tra-
gische Diditer war Aiscby los, der seine Kunsl durch den sittlichen Gehalt
der von ihm geschilderten grossen Charaktere, durch die imposante Verbindung
von je drei oft zu einander in einer innerlichen Beziehung stehenden Tragtklien,
endlich durch die Ausbildung der sceniscben Mittet und die Anwendimg von
230 Drittes Buch. II. Hieron.
Eindruck machenden BUbnenapparaten aus den Vorstufen der Kindheit auf die
Höhe der vollständigen Entwickelung geführt halte. Durch ihn war die tra-
gische Bühne Athens eine der schausten Zierden dieser Stadt geworden , und
Aischylos, der gegen die Perser tapfer milgefochlen hatte (er war 525 geboren,
und auf den Namen eines Marathonkanipfei's stolz war , verstand es auch , die
Freiheitskriege der Griechen in einfachen und erhabenen Schilderungen auf die
Buhne zu bringen. Alles dies empfahl ihn dem Herrscher von Syrakus, der auch
in seiner Stadl die gllinzende Aufführung bedeutender Tragödien vom Volke be-
^^'undem lassen wollte. Die Annahme liegt nahe , dass Hieron den Aischylos
aufforderte, zu ihm nach Sicilien zu kommen; sicher ist, dass der grosse tra-
gische Dichter sich längere Zeit auf dieser Insel aufhielt. Man hat im Aller-
thum, nicht zufrieden mit der bei einem Dichter keineswegs auffallenden Thal-
sache, dass er eine Zeitlang im Auslande bei machtigen Freunden seiner Kunst
verweilte, Unzufriedenheit des Aischylos mit Athen als Grund seiner Abreise
betrachtet, und da man doch UIkt diese Unzufriedenheil nicht genau unter-
richtet war, durch die verschiedenartigsten Vorralle dieselbe zu erklären ver-
sucht. Bald soll er sich aus Athen enlfemt haben , weil bei der Auffuhmiig
eines von ihm verfassten Stuckes die hölzernen Gei-Uste, welche die Zuschauer
trugen, einstürzten; bald, weil er in dem Weltstreite um den für das best*
Gedicht auf die bei Marathon Gefallenen ausgesetzten Preis von Simonides be-
siegt wurde ; nach Andern hat ihn der Zorn darüber, dass der junge Sophokles
ihn im tragischen Wettkampfe über\\'unden, aus Athen getrieben, während eine
vierte, ganz abweichende Nachricht behauptet, die Büi-ger seien unwillig tlber
ihn geworden , weil er durch den fürchterlichen Chor seiner Euraeniden die
zuschauenden Frauen in einen gar grossen Schrecken versetzt habe, und die-
sem Unwillen habe der Dichter weichen müssen. W'enn jede dieser Angaben
richtig wöre, so hätte sich Aischylos in vier ganz verschiedenen Jahren mit
ähnlichen Gefühlen des Grolles gegen seine Vaterstadt aus ihr entfernt: 500,
488, 469 und 459 vor Chr. , und wir hätten vier Reisen des Dichters nach
Sicilien. Es isl aber klar , dass jene Versuche , für die vorausgesetzte Unzu-
friedenheit des Aischylos Moti\'e aufzufinden , nichl zu Zeitbestimmungen ge-
braucht werden dürfen , und dass , falls er wirklich aus Missmuth Athen ver-
lassen hat, wir luerst aus anderen Quellen wissen müssten, wann er in Sicilien
war , um dann einer so bereits sicheren Abreise einen Grund zu geben. Nun
können wir mit Bestimmtheit nur einen zweimaligen Aufenthalt des Dich-
ters auf unserer Jnse! nachweisen, das erste Mal, als Hicron so eben Aetna ge-
gründet hatte, das zweite Mal lange nach Hieron's Tode, ein Aufenthalt, der
drei Jahi'e dauerte und nur mit dem Tode des Dichters scbloss. Da nun seine
erste Anwesenheit in Sicilien sich hinlänglich durch eine Einladung Hieron's
erklären würde , ohne dass , um ihr zu entsprechen , Aischylos nöthig gehabt
hatte, seiner Vaterstadt zu zürnen, so wäre, wenn eine solche Unzufriedenheit
angenommen werden soll — und die im Einzelnen abweichende UeberlieferuDg
scheint hierüber wenigstens ein ziemlich kräftiges Zeugniss abzulegen — die-
selbe eher als Grund seiner zweiten und letzten Reise wahrscheinLch ; doch
ist es möglich, dass andere Veranlassungen vorgelegen haben , als die von den
Allen augeführten : vielleicht der allmähliche Uebergang zur reinen Demokratie,
Aischylos. 231
der sich damalä in Athen vollzog. Wie dem auch sein mag, Aischylos war unter
Hieron's Regierung längere Zeit in Syrakus. Er erfreute den König , indem er
die Gründung Aetna's^ auf die derselbe so stolz war, durch das Drama : die
Aetnäerinnen verherrlichte. Wir wissen von seinem Inhalte leider Nichts , als
dass von den Pauken darin die Rede war. Ausserdem ist noch überliefert, dass
die Perser des Aischylos auf die Veranstaltung Hieron's in Syrakus aufgeführt
worden sind , und es fragt sich nur , ob dies eine erste Aufführung oder eine
Wiederholung war, eine Frage, die für die Chronologie der Reisen des Aischylos
nach Sicilien von Bedeutung ist. Die erst« Aufführung des Stückes fand näm-
lich sicher Ol. 76, 4 — 473 vor Chr. — Statt, und da Aetna 76, 1 — 476 vor
Chr. gegründet wurde, so hätten wir, wenn Aischylos die Perser zuerst in Sy-
rakus aufführte, einen zusammenhängenden Aufenthalt des Dichters in Sicilien
von 476 — 473 oder 472, während, wenn die Perser zufitrst in Athen über die
Bühne gingen, wir zur Wiederaufführung derselben in Syrakus eine neue Reise
des Dichters, etwa Ol. 77, 1 annehmen müssen. Es ist nun keineswegs un-
möglich , dass das Drama zum ersten Male in Syrakus aufgeführt worden ist.
Die Trilogie bestand aus den Stücken Phineus , die Perser, Glaukos, und es ist
die Vermuthung geäussert worden, dass, wie das zweite Stück die Schlacht bei
Salamis feierte, so in dem dritten neben der Schlacht bei Plataeae der glänzende
Sieg der sicilischen Griechen bei Himera verherrlicht wurde. Wie lebhaft den
Dichter Sicilien interessirte, zeigtauch sein Prometheus , der die Weissagung
eines Ausbruches des Aetna enthält, und wir dürfen annehmen, dass diese
Stelle, die auf ein athenisches Publikum weniger Eindruck machen musste, als
auf ein sicilisches, mit besonderer Rücksicht auf die Darstellung des Stückes in
Syrakus geschrieben war. Das Alterthum hat bemerkt , dass Aischylos sich
mancher Ausdrücke bediente, die Sicilien eigenthümlich seien; die Nach Wei-
sung derselben ist gegenwärtig schwerlich noch möglich. Macrobius nennt ihn
einen rechten Sicilier. Auch Pythagoreische Lehren soll sich Aischylos an-
geeignet haben. Im Jahre 459 vor Chr. ist er nach Sicilien zurückgekehrt, um
es nicht wieder zu verlassen. Er wählte diesmal Gela zu seinem Wohnsitz und
soll in der Nähe dieser Stadt im Jahre 4 56 dadurch umgekommen sein , dass,
als er sich einmal im Freien aufhielt, ein Adler eine geraubte Schildkröte auf
seinen kahlen Scheitel, den er für einen Felsen halten mochte, fallen Hess. Es
ist bekannt genug , dass die Griechen es liebten, ihren grossen Männern wun-
derbare Todesarten anzudichten ; zu dieser Sage kann eine bildliche Darstel-
lung Veranlassung gegeben haben , in der ein Adler eine Schildkröte — aus
deren Schalen Leiern gemacht wurden — als Sinnbild der Apotheose des unten
sitzenden Dichters gen Himmel trug. Die Geloer errichteten dem grossen Manne
ein Grabmal, auf das sie die von Aischylos selbst zu diesem Zwecke gedichteten
Verse schrieben :
Aischylos birgt dies Grab, Euphorion's Sohn, den Athener,
Gela's Weizengefiid hüllt den Entschlummerten ein.
Sein Kampfrouth ist bezeugt durch Marathon's heilige Feldflur,
Gleich wie der Meder ihn kennt, prangend im üppigen Haar.
Aber in noch viel höherem Grade als Aischylos gehörte Sicilien E pich ar-
mes an, der Begründer der Komödie, der fast sein ganzes Leben auf dieser
232 " Drittes Buch. 11. HIeron.
Insel zugebracht und für die Griechen derselben seine Lustspiele gedichtet hat.
Yon seinen Schicksalen ist wenig bekannt. Zunächst ist, obwohl er vielfach von
Spateren als Sikeler bezeichnet wird, sicher, dass er in Kos geboren war, und
die Angaben, dass er aus Samos, Megara in Sicilien, Syrakus , endlich aus der
sikanischen Stadt Krastos stamme, beruhen auf Missverständnissen. Der Name
seines Vaters war Elothales ; andere Namen , die seinen Eltern beigelegt wer-
den , sind ungeschichtlich. Epicharmos selbst soll bereits im Alter von drei
Monaten mit seinem Vater nach Sicilien , und zwar nach Megara , gekommen
sein, nach Anderen wäre er mit dem Koer Kadmos, der sich den Zankle occu-
pirenden Samiem anschloss, nach unserer Insel gelangt, also im Jahre 493
vor Chr. , eine Nachricht, mit der die Angabe, dass er ein Samier war, zu-
sammenhängt, die jedoch selbst wenig glaublich ist, da sie einen zu grossen
Theil seines Lebens ausserhalb Siciliens setzt. Denn Epicharmos kommt nach
Hieron nicht mehr vor und soll doch in hohejn Alter gestorben sein, so dass
man mit Recht sein Leben ungefähr von 550 — 460 vor Chr. gesetzt hat. Dann
passt es aber nicht, dass er, der so durch und durch Sikelier war, erst 493
nach Sicilien gekommen sein sollte. Von Megara siedelte er nach Syrakus über,
vielleicht 483 , als Gelon Megara zerstörte , vielleicht auch schon früher frei-
willig, wenn die Nachricht begründet ist, dass er bereits sechs Jahre vor den
Perserkriegen Lustspiele in Syrakus aufführen Hess. Epicharmos stand zu Hieron
fn freundschaftlichen Beziehungen, wenn auch die über ihren Umgang auf uns
gekommenen Erzählungen beweisen, dass er die Vorrechte eines Lustspieldich-
ters und Philosophen wohl auszunutzen wiisste. So soll einmal Hieron es für
nothwendig gehalten haben , den Dichter , der in Gegenwart seiner Gemahlin
etwas Unziemliches sagte, in Strafe zu nehmen , und ein anderes Mal , als ihn
der König zu sich einlud, nachdem er gerade einige von seinen Vertrauten, die
ihm verdächtig geworden waren , hatte aus dem Wege räumen lassan , erwie-
derte er : »Neulich hast du mich doch zum Opfer der Freunde nicht eingeladen.«
Epicharmos verlor , obwohl er , wie es heisst , das hohe Alter von 90 Jahren
und darüber erreichte, auch in den letzten Lebensjahren nicht seinen hei-
tern Sinn. Er war mit mehreren anderen Alten zusammen, und als diese
einstimmig den Wunsch aussprachen, dass ihnen noch länger zu leben vergönnt
sein möchte , und sie nur über die Frist uneins waren , indem der eine ftlnf,
der andere drei, der dritte noch vier Jahre begehrte, sagte Epicharmos : »Warum
streitet ihr um ein paar Tage ? Wir sind Alle am Abend unseres Lebens an-
gekommen , und es ist Zeit für uns , uns so bald als möglich auf die Reise zu
begeben, ehe man an unserem Verstände schlimme Erfahrungen macht und uns
als schwachköpfige Greise behandelt.« Die Syrakusaner haben ihm nach seinem
Tode ein ehernes Standbild gesetzt, das folgende Inschrift trug :
Wie die erhabene Sonne den Glanz der Gestirne verdunkelt,
Und ^ie die Fülle des Meers breiter als Ströme verrauscht.
Also an Weisheit strahlt, dem ich Zeugniss künd', Epicharmos,
Bürger der Stadt Syrakus, welche den Kranz ihm verlieh.
Epicharmos ist der älteste Lustspieldichter der Griechen, aber er steht fast allein
da als Vertreter eines besonderen Zweiges der hellenischen Komödie , da die
später so bedeutend gewordene attische , wenn sie gleich einen dorischen Ur-
sprung nicht verläugnen kann, doch nicht von ihm abstammt.
Epicharmos. 233
Denn das gesammte griechische Lustspiel ist dorischer Herkunft. Es ist
aus den religiösen Volksfesten hervorgegangen, die gerade bei den dorischen
Stammen vielfach mit Tünzen und mimischen Darstellungen verbunden waren.
Wenn wir von denjenigen Aufführungen, die mehr den Charakter blosser Tänze
haben, absehen, so linden sich im Millolpunkte dorischen Wesens, in Sparta,
die Darstellungen dei' Deikelisten, «eiche die scherzhafte Nachahmung gewöhn-
licher Vorkommnisse des tjtglichen Lebens enüiielten, z. B. ertapple Obstdiebe,
einen auslandischen, prahlensch auftretenden Arzt und dei^eichen mehr. In
Sikyon machten bei einer Bakchosfeier die den Festzug Bildeuden Jeden , der
ihnen gerade vorkam, zum Gegenstande des Spottes. Einen wirklich scenischen
Charakter nahmen aber diese Darstellungen ganz besonders im nisüjschen Me-
gara an. Es war der Megarer Susarion, der zuerst das Lustspiel, freilich in sehr
roher Form, nach Attika verpflanzte [um Ol. 50 — 580 v. Chr.) , und sein
Landsmann Haison , dessen Zeit und Persönlichkeit freilich sehr unsicher sind,
wird als komischer Schauspieler und Erfinder mehrerer Charakterrollen, des
Sklaven, des Koches, des Matrosen, genannt. Haison soll nach Anderen aus
dem sicilischen Megara gewesen sein. So finden wir bei den Doriern des Mut-
lerlandes die Anfange der Charakterkomodie. Aehnliches kann aber bei den
Doriern Grossgriechenlands und Siciliens nicht gefehlt haben. Die Sikelioten
wai'en in mehreren Beziehungen besonders geeignet, das Lustspiel bei sich
auszubilden. Zunächst durch ihren Charakter. Sie standen allgemein im Rufe,
scharfsinnig und scherzliebend zu sein , Und lebhafte Redseligkeit war ihnen,
wie noch jetzt ihren Nachkommen, eigen. Sie waren durch ihren Witz, der sie
auch in Übeln Lagen nicht im Stiche Hess , berühmt. Es sind eben Hellenen
gewesen, die, in ein Land verpflanzt, das an Reichthum ihr Mutterland weit
übertraf, ihre glücklichen Naturanlagen in aller Bequemlichkeit hatten entr-
wickeln können. Dazu kam, dass die Religion die schon ohnedies auf mimische
Darstellungen gerichteten Neigungen der Sikelioten begünstigte. Landliche
Feste des Bakchos , der Demeter, der Artemis beförderten durch die bei ihnen
vorkommenden Aufzüge und Chorliedei* und den fröhlichen Charakter, der
ihnen im Allgemeinen eigen war, die Ausbildung des Lustspiels, und gerade
an solchen Festen hatte die Insel Siciüen einen grossen Reichthum. In Syrakus
werden lambistenchöre erwähnt, die mit derartigen Festen zusammengehangen
haben müssen. Daneben findet sich bei den Sikelioten eine grosse Neigung zu
J&niea aller Art, und es wurde behauptet, dass Ändron aus Katana der erste
gewesen sei , der sich selbst auf der Flöte im Tanze begleitet habe. Sicilische
Mimen reisten zu Sokrates' Zeit nach Art unserer wandeiiiden Künstlertruppen
umher, und Xenophon hat am Schlüsse seines Gastmahles die Schilderung
einer von solchen Leuten bei Flfllenbegieilung aufgeführten Zusammenkunft des
Dionysos und der Ariadne gerieben. Der zum Spott hinneigende Charakter des
sicilischen Volkes fand eine Vertretung in der Literatur bereits durch den oben
erwähnten selinuntischen lambendichter Aristoxenos, der erste wirkliche Lust-
spieldichter war aber Epichnrmos, zugleich der grösstc von allen, die das Land
hervoi^ebracht hat.
Epicharmos unterscheidet sich noch dadurch von den übrigen komischen
Dichtem, dass er zugleich als Philosoph in grossem Rufe stand. Er soll ZubOrer
234 Drittes Buch. II. Hicron.
des Pythagoras gewesen sein , wie schon sein Valer Elothales , und Laerlius
Diogenes hat seine Biographie unler die der Philosophen aufgenommen. Sein
Ansehen war so gross, dass er dem Plalon als Haupt der KomOdie galt, wie
Homer als Vater der Tragödie. Leider sind von seinen Lustspielen nur so ge-
ringfügige Fragmente erhalten , dass es unmöglich ist , sich eine klare Vorstel-
lung von ihnen zu machen. Es sind uns ^6 Titel derselben Überliefert, und
von anderer Seite wissen wir , dass gerade so viele Stücke ftlr epicharmisch
gehalten wurden. Etwas mehr als die Hülfte — 19 — sind mythologischen
Charakters. Die wenigen von ihnen noch übrigen Bruchstücke zeigen, dass sie
mit Schilderungen des gewöhnlichen Lebens des siciiischen Volkes angefüllt
waren, und so dürfen wir annehmen, dass der Hauptzweck, den Epicharmos
verfolgte , indem er diese mythologischen Figuren auf die BUhne brachte , der
war, unter ihrer Maske die Fehler und Lächerlichkeiten seiner Landsleute und
Zeitgenossen zu verspotten. Diese mythologischen Komödien waren also Tra-
vestien, wie sie in späterer Zeit besonders in Unteritalien behebt waren ; es
wäre möglich, dass sie hier auch schon vor Epicharmos gebräuchlich gewesen,
und dass der siciUsche Dichter bei dieser Gattung von Stücken nicht als Schö-
pfer , sondern nur als Nachahmer zu betrachten wäre. Bei einigen lasst sich
der Inhalt wenigstens zum Theil errathen. So war im Busiris dargestellt, nie
Herakles , nachdem er den König von Äegypten , der die Fremden zu opfern
pflegte und auch ihn lödten lassen wollte, selbst getödtet, sich für die ge-
habte Mühe durch ein reiches Mahl entschädigte , wo also der Held nach der
auch in den Satyrspielen beliebten Weise als ein gewalliger Fresser geschil-
dert wurde. Ein paar erhaltene Verse berichten , wie bei ihm , wenn er issl,
das ganze Gesicht mitarbeitet, selbst Nase und Ohren. In der Hochzeit der
Hebe war die Hauptsache die Schilderung des glänzenden Mahles, durch
welche dieses Fest im Olymp gefeiert wurde. Epicharmos brachte, wie die
erhaltenen Fragmente beweisen, eine sehr grosse Masse von Fischnamen an,
wobei man daran denken muss, dass den Sikeliern, die einen guten Tisch
liebten ( besonders der syrakusanische war berühmt) , die Meerfrüchte eine
ebenso beliebte wie reichlich vorhandene Nahrung waren. Natürlich zeichnete
sich wiederum vor Allen der Bräutigam Herakles durch seine Gefrässigkeit aus,
aber auch die übrigen himmtischen GHste wurden vom Dichter nicht verschont,
denn Zeus nimmt einen der kostbarsten Fische fttr sich und seine Frau beson-
ders in Anspruch ; Poseidon muss Massen von Fischen in phönicischen Schiffen
herbeischaffen , und Athene lässt sich herab , zum Waßentanze der Dioskuren
die Flöte zu blasen, die sie bekanntlich zu einer anderen Zeit w^geworfen
hatte, da sie ihr Gesicht entslellte. Dies Stück erfuhr eine Umarbeitung, in der
es den Titel die Musen erhielt. Die Göttinnen der Künste und Wissenschaften
versahen hier das Amt von Fischweibem , welche mit geläufiger Zunge ihre
Waaren anpriesen. Ein anderes Stück hiess Herakles beim Pholos und be-
handelte das Abenteuer des Helden, der, vom Kentauren Pholos aufgenom-
men , durch das Trinken aus dem allen Kentauren gemeinschaftlichen Wein-
schlauche die wilden Gesellen erzürnt , auf ähnliche Weise wie der Busiris.
Aus dem Troischen Sagenkreise war ausser einem Stücke unbekannten In-
halts , das die Trojaner betitelt war, Odysseus als UeberlSufer, wo dai^estellt
Epicbannoa. 235
war , wie der listige KOnig von Ithaka in unscheinbarer .Verkleidung sich
nach Troja zuoi AuskundscbafteD bineinschlich und vielleicht mit Helena sich
verabredete, femer der Kyklop, denn es ist wahrscheinlicher, dasa dies
Stack die Blendung des Polyphem durch Odysseus, als seine Liebe zur Gala-
teia schilderte; die Sirenen, in denen die Beschreibui^ des Wohllebens
auf der Sireneninsel eine grosse Bolle gespielt zu haben scheint; endlich der
schiRbrllchige Odysseus , von dessen Inhalt wir nichts Genaueres wissen. Aus
anderen heroischen Mythenkreisen haben wir den Amykos, wo die Ueber-
windung und Fesselung des Bebrykerkönigs durch Polydeukes dargestellt
wurde, sowie Pyrrba und Prometheus, dessen Inhalt sich nur vermuthen
lässt. Der Gattersäge endlich gehurt das Stück: die Komasten oder He-
phaistos an. Hier schilderte Epicharm, wie Uephaistos seine Mutter Hera
durch zauberische Schmiedekunst an seinen Sitz fesselt und sie erst auf vieles
Bitten wieder befreit, wie ferner Hepbaistos, von seinen Eltern übel behandelt,
den Olymp verlässt und ihn, da er anders nicht zurückzuholen ist, Dionysos
auf ;schlaue Weise trunken macht, auf einen Esel setzt und so in lustigem
Zuge in den Olymp zurückfuhrt. Wegen dieses Zuges hatte dieses Stück den
Titel : die Komasten. Diese Scenen ßnden sich mehrfach auf Vasenbildern dar-
gestellt; ob mit specielter Rücksicht auf das Epicfaannische Sttlck, vermögen
nir nicht zu sagen. Unter den übrigen Stücken , die ihrem Titel nach aus
dem täglichen Leben entlehnt sein durften, haben wir einen Laudmann, femer
die Räubereien , wo, wie schon in den Gedichten des Selinuntiers Aristoxenos,
betrügerische Wahi^ager verspottet wurden, und von Leiden, die Siciüen
zu erdulden hatte , die Rede war; Land und Meer, ein Stück, aus dem wie-
der manche Namen von Speisen angeführt werden, so dass man vermuthet
hat, es möchte einen Wettstreit des Landes und des Heeres über die Vor-
trefllichkeit ihrer Produkte enthalten haben; die Hoffnung oder der Reich-
thum , worin zum ersten Male die in der griechischen Literatur später so viel
benutzte Figur des Parasiten vorkam; femer das Fest und die Inseln, das
eine Anspielung auf den Schutz enlhielt, welchen Hieron den Lokrem gegen
Anaxilas von Rhegion gewührt hatte; endlich die Festgesandten, die die Weih-
geschenke in Delphi musterten. Der Inhalt der übrigen Stücke, deren Titel
erballen ist, kann kaum noch erralhen werden. In allen Werken des Epichar-
mos muss, wahrend die Tagespolitik ausgeschlossen war, dem Possenhaften ein
grosser Raum gelassen sein; sie enthielten Scherze, Wortspiele; es fehlt sogar
nicht an Spuren von Obscünitaten ; daneben fand sich aber in ihnen eine solche
Menge von treffend ausgedrückten Regeln der Lebensklugheit, dass jambiichos
sagen konnte : »Wer Über Verhältnisse des praktischen Lebens sich in einer
Secttenz Süssem will, benutzt hierfür die Aussprüche des Epicharmos, welche
alle Philosophen im Hunde führen.« Der gnomische Charakter herrschte in un-
serem Dichter vor. Vielleicht übte auf diese Richtung seiner Poesie der Umstand
einigen Einfluss aus, dass Theognis eine Zeit lang im sicilischen Hegara lebte.
Einer der berUhmlesen Spruche Epicharm 's war folgender .-
Nüchtern sein, nicht Jedes glauben, das ist aller Weisheit Graod.
Epicharmos erhob sich aber in seinen SprUchen noch Über diesen Stand-
punkt der praktischen Lebensweisheit ; er stellte Lösungen der tiefsten philo-
Drittes Bach. II. HieroD.
en Probleme dem Volke in kurzen Sätzen dar. Da indess die Sprüche
lers , von denen ich hier rede , nicht von Allen als aus seinen Lusl-
otlehnt betrachtet werden, da vielmehr Manche ihm auch philosophische
ichte zuschrcibeD, so wird es zweckmässig sein, zuerst einige Worle von
;emeinen Charaktei' seiner Komtklie zu sagen. Sie hatte offenbar wenig
imSssiger Intrigue, die ja auch in dem attischen Lustspiel anfangs nicht
vortritt. Kpicharm gab sicilische Charakter- und Sitten gemälde, dwen
Scenen vorzugsweise durch die komisclieu Schiiderungen, die sie dar-
iteressirten. EineEigenthümlichkeit seiner Stücke, welche die Frogmeole
1 lassen, bestand in der häutigen Anbringung von Beschreibungen lur
mg der Sonderbarkeiten, über welche gelacht werden sollte. Stau den
. auf der Buhne gierig die Speisen hinunterschlingen zu lassen, erzählt
der ihn hat essen sehen , wie er es macht, und wie komisch er sein
dabei verzerrt; Zeus erscheint nicht selbst und befiehlt, ibm einen
Fisch zurückzulegen, es wird nur berichtet, dass er es gethan hat.
rwalten der Erzählung Über die Handlung zeigt ebenfalls, wie weit
n's Stucke von dem modernen Charakter des Lustspiels entfernt waren.
IUI so in den Ep icharm Ischen Komödien der Schwerpunkt nicht sowohl
tudlung als in die Reden fiel, so kann es bei gehöriger BerUdisichiigung
'akters des Dichters , der sich mit den schwierigsten Fragen der Philo-
«schäftigt hatte, nicht auffallen, wenn er auch seine Weisheit dem
seinen Komödien mitzutheilen suchte , und wir haben nicht uölbig,
men, was kein aller Schriftsteller in unzweideutiger Weise überliefert,
tin philosophisches Lehrgedicht geschrieben habe. Epichannos galt den
; Pythagoreer. Wenn nun femer Sokrates , Piaton und Aristoteles ihn
itzten und citirten, so folgt daraus allerdings noch nicht, dass viel
tniliches in seinen philosophischen Ansichten war, da seine Aussprüche
■er glucklichen Form als der Neuheit des Inhalts die Ehre, citirt zu wer-
dauken konnten. Da aber ein gewisser Alkimos nachzuweisen suchte,
on manche seiner Lehrsätze dem Epicharmos entlehnt habe, so werden
•un wir auch diese schlechtbegründete Meinung zurückweisen, uns
der Ansicht entschliessen mtissen , dass die philosophischen Anschau-
^ sicilischen Dichters manches Originelle enthielten. Dafür legt auch
leugnissab, der ein Lehrgedicht über Naturphilosophie , das er Epi-
betileltej, aus Sätzen des syrakusanischen Lustspieldichters zusam-
I«.
I muss jedoch , wenn man aus den vorhandenen Fragmenten die philo-
en Lehren des Epicharmos zu entnehmen %'ersucht, sich wohl hüten,
a nicht den Lustspieldichler Über dem Philosophen vei^ssl. Man ist
es Mal sicher, dass die ausgesprochenen Ansichten ernsthaft gemeint
'iililich scheint man in einem Falle wenigstens den Sehens ftlr Emsi
m zu haben. In einem der durch Alkimos erhaltenen Fragmente Epi-
wird nach Bemerkungen über das ewige Sich^eichbleiben der Götter
Veränderlichkeit der Natur des Menschen gesprochen. Wie Zahl und
hl mehr dieselben sind, wenn Etwas zugesetzt oder abgraommen wird,
ich der Mensch, der stets sich Verändernde, heute nicht mehr der,
EpicharmoB. 237
welcher er gest«m war. Es kSiinte scbeioen , als ob Epicharmos ernstlich die
Heraklitische Lehre vom Flusse der Dinge vortrüge ; es ist aber höchst wahr-
scheinlich Nichts weiter als eine scherzhafte ADwendung einer Schlussform, die
später auch von den Sophisten gebraucht, aber auf Epichann als auf ihren
ersten Urheber zurückgeführt vturde, und welche den Namen logos ausano-
menos, die Schlussfolgerung aus der steten Zunahme, führte. Diese Schluss-
folgeruRg wird von Plutarch durch folgendes Beispiel erklart. Wer Geld geliehen
hat, ist Nichts mehr schuld^, da er ein Anderer geworden ist; wer gestern
zur Mahlzeit geladen ist, kommt heute une inge laden . denn er ist nicht mehr
derselbe, der er gestern war. Dies sieht aus, wie aus einer Komödie genom-
meQ, und Nichts liegt näher, als anzunehmen, dass bei Epicbannos dergleichen
vorkam, so dass jene Betrachlungen tiber die veränderliche Natur des Menschen
nur die Einleitung ^fllr einen bösen Schuldner sein würden , seinem Gläubiger
die Zahlung zu verweigern. Wir dürfen nicht versäumen zu bemerken , dass
Epicharmos sich in der Erfmdung des It^os auxanomenos als einen echten
Sicilier voll Witz und Scharfsinn gezeigt bat. Es kommen auch andere rheto-
rische Figuren in seinen Fragmenten vor, und man sieht, dass Alles für das
Insleben treten der Bedekunst in Sicilien vorbereitet war. Von den philosophi-
schen Lehren des Epicharmos sind folgende die Hauptsätze. Die Gotter sind
Person ificationen der Naturkrafle. Verschieden davon ist die Gottheit, der Nichts
entgeht, die Alles vermag. Die Menschen nennt Epicharmos aufgeblasene
Schlauche. Bei ihrem Tode kehrt der Leib zur Erde zurtlck. Staub zum Staidse ;
die Seele entschwebt nach oben, in den Aether, aus dem sie genommen ist.
Und von dem Geiste sagt dann Epicharmos das berühmte Wort :
Gelsl isl s«hend, Geiat ist hjtrend, alles Andre tsub und blind.
Deshalb ist vor Allem die Beinheit der Seele zu bewahren. Wie stimmt nun
eine so erhabene Tendenz des Lustspieldichters zu Travestien , in denen Zeus
Einkäufe macht und die Musen Fischw.eiber werden ? Sollte der Philosoph nicht
die Absicht gehabt haben, durch den Mund des Komikers das Volk zum Be-
wusstsein der Lächerlichkeit des gewöhnlichen Polytheismus zu bringen und so
das früher von Xenophanes begonnene Werk fortzusetzen ?
Es sind dem Epicharmos von späteren Schriftstellern des Alterthums noch
andere Werke zugeschrieben, deren Authenlie jedoch sehr zweifelhaft ist. Ins-
besondere werden ihm medicinische Schriften beigelegt. Man hat hiermit die
Thatsache combinirl, dass er aus Kos stammte, wo bekanntlich eine bertlhmle
ärztliche Schule war, und eine durchaus unverständliche Stelle des lamblichos,
in der man die Erwähnung eines Bruders des Epicharmos , eines Arztes , Na-
mens Metrodoros, finden wollte, damit in Verbindung gebracht, um schliesslich
zu dem Besultate zu gelangen, dass der Dichter, aus einer ärztlichen Familie
stammend, selbst in der Medicin bewandert gewesen und auch hierin durch
das Studium der Lehre des Pythagoras gefördert worden sei. Leider ist das
Alles recht unsicher. Uebrigens citirt Plinius den Epicharmos in Betreff der
Arzaeimittellehre ; nach Columella hätte er tlber Thierheilkuudc geschrieben;
auch in Bezug auf Landbau, Physiologe des menschlichen Körpers, Traumdeu-
tung wird der syrakusanische Lustspieldichter citirt. Man kann annehmen,
dass lange nach dem Tode des Epicharmos von diesen Gegenständen handelnde
238 Drittes Bach. II. Hieron.
Schriften ihm zugeschrieben wurden, und es ist höchst wahrscheinlich, dass
dies mit Unrecht geschah. Man wird in seinen Komödien viele Sprüche gefun-
den haben , die sich auf die genannten Wissenschaften bezogen ; man madite
vielleicht eine Zusammenstellung des Verwandten , und so entstanden Bücher,
die zuletzt dem Epicharm selbst beigelegt wurden. Mit den ärztlichen Auf-
zeichnungen des Epicharmos stehen bei Diogenes gnomische und physische zu-
sammen, die natürlich ebenfalls nur aus seinen Komödien genommen sind.
Noch in anderer Weise ist der Name Epicharm's berühmt geworden. Er
theilt mit Simonides den Ruhm, mehrere Buchstaben zuerst dem Alphabet ein-
gefügt zu haben. Es handelt sich um die Einführung der langen Yocale H und
Q, sowie der Gonsonanten Z , 6, E, X, W, die bald dem einen, bald dem an-
deren zugeschrieben wird. Es scheint, dass die Attiker in den Werken dieser
beiden Dichter einige der genannten Zeichen zuerst fanden, während dieselben
bei den loniem und Doriem schon im. Gebrauche und also nicht etwa von jenen
Männern erfunden waren.
Epicharmos war nicht der einzige, der damals in Sicilien Lustspiele dich-
tete. Mehrfach wird von den Alten mit ihm zusammen genannt Phormis oder
Phormos. Er war Freund des Gelon und Erzieher seiner Kinder, und es ist
ziemlich wahrscheinlich, dass es derselbe Phormis war, den wir als Feldherm
der Deinomeniden kennen gelernt haben , und der Gaben nach Olympia und
Delphi schickte ; dann wäre also auch dieser Lustpieldichter ein Fremder von
Gebmt gewesen. Als Titel seiner Stücke werden angeführt : Admetos, Alkinoos,
Halkyones (?), Ilion's Zerstörung, das Boss (natürlich das trojanische), Kepheus,
Kephalaia (?], Perseus. Sie scheinen sämmtlich mythologische Travestien ge-
wesen zu sein. Es werden dem Phormis Neuerungen in der scenischen Aus-
stattung der Stücke beigelegt. Ausserdem wird Deinolochos angeführt, der
bald Sohn , bald Schüler , bald Nebenbuhler des Epicharmos heisst. Ais Titel
seiner Stücke finden wir genannt : Telephos. die Amazonen, Medea, Aithaia,
endlich den eigenthümlichen Titel Komodotragodia.
Die äusseren Bühnenverhältnisse in Syrakus zu Hieron's Zeit haben wir
uns nach athenischem Muster geregelt zu denken. Denn während in Syra-
kus die Bühne erst gegründet wurde , war in Athen bereits eine bedeutende
Höhe erreicht, und Aischylos, der nach Syrakus kam, musste Alles, was man
in seiner Heimat in scenischer Beziehung besass, auch in Sicilien heimisch
machen. Ob es zu Hieron's Zeit in Syrakus bereits ein festes Theater gab, oder
ob die Komödien und Tragödien auf provisorischen hölzernen Gerüsten auf-
geführt wurden , lässt sich nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Sophron , der
30 — 40 Jahre später lebte, ervv'ähnte den Baumeister des syrakusanischen
Theaters, einen gei^issen Demokopos, der, weil er später mit Salben han-
delte (?), den Beinamen Myrilla erhielt. Es ist nun sehr wohl möglich, erstens,
dass das doch wohl steinerne Gebäude, das Demokopos errichtet hatte, schon
zu Hieron's Zeit in Gebrauch war, und zweitens, dass es eben das Theater ist,
dessen Ueberreste noch jetzt in Syrakus sich finden. Freilich wäre im letzteren
Falle eine spätere Ei^iveiterung und Verschönerung des Bauwerkes anzunehmen,
dessen Inschriften vielmehr auf die Zeit des zweiten Hieron und das dritte
Jahrhundert vor^Chr. hinweisen. Ich werde deshalb auch erst später von dem
Sicilische Bühne. Xenophanes. 239
syrakusanischen Theater sprechen und bemerke hier nur, dass es immer nur
eins gegeben zu haben scheint. Während nun die äusseren Verhältnisse der
Tragödie, die Aufführung, die Bühne und ihre Ausschmückung u. s. w. im
Wesentlichen in Syrakus dieselben gewesen sein müssen wie in Athen , sind
für die Komödie , die ja von der attischen in manchen Beziehungen abwich,
mancherlei verschiedene Einrichtungen denkbar. Leider ist darüber nur wenig
bekannt. Es gab fünf Richter , welche die Lustspiele beurtheilten , also einen
dramatischen Wettkampf wie in Athen, und von Phormis wird berichtet, dass
er den Schauspielern lange, bis auf die Füsse reichende Gewänder gab und die
Scene mit purpurroth gefärbten Fellen ausschmücken Hess. Aber wir wissen
nicht, bei welchen Festen die theatralischen Aufführungen Statt fanden , und
wie viele Schauspieler in den Stücken des Epicharmos und der anderen Ko-
miker auftraten. Dass ein Chor auf der Bühne erschien , ist deshalb wahr-
scheinUch , da Gesang , Tanz und lärmende Aufzüge in vielen Lustspielen des
Epicharmos vorkommen mussten. Nur mag er mehr als in der attischen Ko-
mödie der Fall war, in die Handlung eingegriffen haben. In der Sphinx des
Epicharmos. fordert Jemand, dass das Lied der Artemis Ghitonea gespielt werde,
deren Fest mit besondem Tänzen gefeiert wurde; in einem andern Stücke,
dass man Hirtenlieder auf der Flöte blasen solle ; von dem Waffentanz, zu dem
Athene die Flöte spielte, und von dem bakchischen Aufzuge in den Komasten
ist schon die Rede gewesen. Während sonst trochäische und iambische Vers-
masse bei Epicharm vorherrschten, waren einige Stücke, wie z. B. die Gho-
reuontes, durchweg in Anapästen geschrieben, was ebenfalls vermuthen lässt,
dass viel Tanzbewegung in ihnen vorkam.
Die sicilische Komödie hat nach Hieron keine besonders inhaltreiche Ge-
schichte mehr ; wir werden nur noch von Sophron zu sprechen haben.
Zu den bisher genannten Dichtem uöd Weisen , die Hieron's Hof verherr-
lichten , kommt endlich noch ein Mann , von dem schon früher die Rede war :
der Philosoph Xenophanes. Wir wissen, dass er ein Gegner der Volksreligion
und ihrer Bibel , des Homer , war. Er zog sich dadurch von Hieron eine zu-
rechtweisende Antwort zu, welche zeigt, dass es dem Tyrannen nicht an Witz
fehlte. Als Xenophanes sich bei ihm beklagte, dass er zu arm sei, um auch
nur zwei Diener halten können, antwortete ihm Hieron: »Und Homer, den du
fortwährend schmähst, hat, obwohl er schon lange todt ist, noch immer deren
unzählige U womit er auf die vielen Rhapsoden anspielte, die sich vom Vortrage
der Homerischen Gedichte nährten. Aus dieser letzten Zeit des langen Lebens
des Xenophanes stammen seine Gedichte in elegischem Versmass, von denen
einige Bruchstücke erhalten sind. Eins zeigt uns den Dichter im Alter von
9S Jahren, ein anderes spricht eine Gesinnung aus, welche, edel wie sie ist,
doch zu der an Hieron*s Hofe und überhaupt unter den Griechen herrschenden
Richtung in schroffem Gegensatze steht. Xenophanes sagt:
Denn wenn im Wettlauf sich den Kampfpreis Einer erränge,
Oder im Fünfkampf auch, dort in dem Haine des Zeus,
Nahe beim Pisastrom in Olympia, oder als Ringer,
Oder als Held in des schmerzbringenden Faustkampfs Kunst,
Ja, im Pankration selbst, in dem Grau'n einflössenden Kampfe,
Und von den Bürgern der Stadt ehrend nun würde bestaunt,
Drittes Buch. 11. Hieran.
'ind vor Aller Augen den Vorsitz erhielte beim Wellspiel,
Und auf Kosten der Stadl würde genährt and gespeist,
ind ein Ehrengeschenk empGngc zu küstlichem Kleinod,
Wenn or mit Rossen sogar alle die Ehron gewann', —
Well niclit war' er so wüixlig wie ich. Dean mehr als die SlSrke
Mannes wie Rosseg, ist doch unsere Weisheit von Werlb;
Ind ganz nichtig und leer ist der Wahn, der höchlich mit Unrecht
Ziehet die leibliche Kraft trefflicher Weisheit vor.
als ob der arme Philosoph dem reichen Olympiasieger, dem Herr-
idt zeigen wollt« , wie nichtig alle die Dinge sind , wegen deren
lakchylides ihn mit hohen Worten zu preisen pflegten ? Man kann
irst«]len, dass Xenophanes nicht in grosser Gunst bei Ilieron stand,
sei- seine sonstige Freigebigkeit gegen ihn nicht sonderlich bewies,
denn , dass er zuletzt , nachdem er zwei seiner Söhne begraben,
ie Hildthatigkeil iweier Pjthagoreer sein Loben gefiistet habe.
II er noch das Aufkommen des Empedokles erlebt haben , und es
, als einst der junge Äkragantiner die Bemerkung machte : »Ein
hwer zu finden,« er treffend genug darduf erwiderte : »Sehr wahr,
Lcn Weisen erkennen will, der niuss selbst ein Weiser sein.«
Inner, Simonides, Bakchylides, Pindar, Aischylos, Epicharmos und
zu denen vielleicht noch der bald zu erwähnende Kontx zu rech-
ii\e , haben über den Hof Uieron's einen grossen Glanz verbreitet,
e Künstler sich an demselben aufgehalten hätten , ist nicht Uber-
0 aber die Vermuthung nicht gestattet seia, dass der BhegiDer
Ir Hieron gearbeitet hat? Dieser Bildner wirkte um Ol. 73 — 80 ;
Esonders in der Darstellung von Athleten liguren ausgezeicboet. So
stylos gebildet, von dem alsbald die Bede sein wird ; den Eulhy-
L Lande der Epizeph yrischen Lokrer, der Ol. 7i, 76, 77 im Fausl-
.ympia siegle; den Leontiskos aus Messana und Andere. Auch
i schuf er ; voriugsweise berühmt war aber sein in Syrakus be-
ikender, wie ihn Plinius nennt (oßenbar ist Philoktet gemeint) , der
largeslellt war, dass die Beschuuer den Schmerz-mit zu empfinden
s wäre nicht unmöglich , dass diese Statue sich seit aller Zeil in
inden hätle und auf Veranlassung Hieron's gearbeitet wäre. Ob
idere ausgezeichnete Griechen auf kurze Zeit nach Syrakus kamen,
hl überliefert ; denn es ist nicht wahrscheinlich , was Einige im
baupleten, ohne freilich rechten Glauben dafür zu finden, dass
, als er aus Athen flüchten musste, zu Hieron gegangen s^. Er
es , den Herrscher von Syrakus um die Hand seiner Tochter —
jt Nichts bekannt ist — gebeten und ihm als Gegendienst \er-
n die Griechen zu unterwerfen, und erst als Hieron sich geweigert,
des Themistokles zu erfüllen, sei der Verbannte nach Persien ge—
) Erzählung scheint nur zti dem Zwecke erfunden zu sein, um die
des berühmten Atheners recht lebhaft vor Augen zu fühi-en. Es
dahin gekommen, dass er bei seinen Feinden Hülfe und Beistand
«. Deshalb musste er, bevor er zu seinem Hauptfeind, dem per—
;, ging, es bei einem anderen, weniger machtigen Feinde ver—
Hieron und die Hellenen. 241
suchen. Es war nämlich Themistokles selbst gewesen, der sich in einer Hieroo
besonders empfindlich treffenden Weise als Gegner des syraknsanischen Ftii^ten
hingestellt hatte. Wir wissen , wie viel Gewicht Hieron auf Siege in den grie-
chischen Spielen, zumal in den olympischen, legte. Als er nim, wahrscheinlich
Ol. 77, seine Rosse nach Olympia geschickt , trat Themistokles , der sich dort
eingefunden hatte, um sich von den versammelten Griechen als Sieger von
Salamis bestaunen zu lassen, auf das heftigste gegen ihn auf; er verlangte,
das6 sein Zelt niedergerissen, seine Rennpferde vom Wettkampf ausgeschlossen
werden sollten ; Hieron sei nicht wUrdig, unter den Hellenen der Ehre sich zu
erfreuen, da sein Geschlecht ihnen seinen mächtigen Beistand gegen die Perser
versagt habe. Des Themistokles Heftigkeit war freilich erfolglos; man Hess
Hieron's Rosse beim W^ettkampfe zu, und der Fürst siegte, wie wir wissen, mit
dem Rennpferde. Wie hatte man auch einen der Sieger von Himera aus der
Festversammlung von Olympia fortweisen dürfen ? üeberdies musste das deut-
liche Bestreben Hieron's, unter den Griechen des Mutterlandes Glanz zu entfalten
und Ehren zu gewinnen, ihrem Stolze schmeicheln. Hieron hatte schon Ol. 73
einen Sieg mit dem Rennpferde in Olympia gewonnen; Ol. 78 hat er endlich
daselbst den langersehnten grössten Sieg errungen, den mit dem Viergespann.
Seine übrigen Siege, von denen man weiss, waren : in Delphi Py Ih. 26 und 27 mit
dem Rennpferd, Pyth. 29 (Ol. 76, 3) mit dem Viergespann und noch einmal in
unbestimmter Zeit mit Mauleseln ; endlich nach wahrscheinlicher Vermuthung
in Theben mit einem Viergespann junger Pferde. Bei seinen drei olympischen
Siegen hat er drei verschiedene Städte als seine Heimat angegeben : das erste
Mal Gela, das zweite Mal Syrakus, das dritte Mal Aetna. Hieron suchte das
Andenken seiner Siege dadurch zu verewigen , dass er s^in Viergespann und
seine Rennpferde in Erzgruppen von den berühmten Künstlern Kaiamis und
Onatas in Olympia aufstellen liess. Ueberhaupt legten die sicilischen Fürsten
und Städte grossen Werth darauf, in Griechenland durch glänzende Geschenke
an die Heiligthümer sich bekannt und beliebt zu machen. Schon Gelon , der
Ol. 73 mit dem Viergespann in Olympia gesiegt hatte, hatte dafür einen Wagen
und eine Statue, Werke desGlaukias, geweiht. Dass Phormis Tempelgaben
nach Hellas schickte, haben wir schon oben erwähnt; ähnlich machte es der
Syrakusaner Lykortas, der eine ihn selbst im Kampfe mit mehreren Feinden
darstellende Gruppe nach Olympia stiftete. Die Stadt Gela hatte an den Ufern
des Alpheios ihr eigenes Schatzhaus, in welchem auch die Weihgeschenke der
Familie Gelon's aufbewahrt wurden, und als der. Sieg bei Himera gewonnen
war, da ward in Olympia ein besonderes Schatzhaus errichtet für die aus dieser
Veranlassung dahin gesandten Weihgeschenke und Beutestücke , welches den
Namen des Schatzhauses der Karthager erhielt. Wie Gelon dem delphischen
Gotle seine Verehrung bezeugte, haben wir schon gesehen; dieselben Ge-
schenke eines goldenen Dreifusses und einer Siegesgöttin wurden auch von
Hieron nach Delphi geschickt. Hier trug die Mühe, welche sich der Fürst geben
musste, die nöthige Masse Goldes, das selten war, herbeizuschaffen, dazu bei,
den Werth des Geschenkes zu erhöhen. Das kostbare Metall wurde endlich in
Korinth, dem Mittelpunkte des Grosshandels, von den Bevollmächtigten Hieron^s
flolm, GMch. BieUiens. I. 4 8
242 Drittes Buch. 11. Hieron.
bei Ai-chiteles gekauft. Der Kaufmann gab noch eine Hand vollGoldes-xu, wo-
für ihm Uieron ein SclutT niil Getreide und andere Geschenke übersandte.
Von demselben Wunsche , Sicilien zu verherrlichen, geleilel, halt« einst
HieroQ den Kroloniaten Astylos, der Ol. 73 im Lauf zu Olympia gesiegt hatte,
bewogen, sich, als er zum zweiten und dritten Male Ol. 7i und 7ä siegle, einen
Syrakusaner zu nennen , wofllr die Krotoniaten ihn dadurch straften , dass sie
sein Haus zum öffentlichen Gelängnisse machten und seine im Tempel der laki-
nischcn Hera stehende Bildsüule fortnahmen. Eine andere ihn darstellende
Statue, von der Hand des Pythagoras verfertigt, stand in Olympia.
Wir kehren jetzt zu den letzten Begentenbandluogen des Tyrannen zurück.
Ihm war noch ein grosser Triumph in seiner kurzen, aber an Erfrig reichen
Horrscherlaufbohn beschieden. Nach sechszehnjahriger Regierung starb Ol. 77, )
oder richtiger wohl 76, 4 (473 vor Chr.) Theron von Akragas , wegen seines
IrefHichen Charakters und seiner milden Gesinnung nach seinem Tode von den
Bewohnern der SUidt als Heros verehrt. Ihm folgt« sein ihm unähnlicher Sohn
Thrasydaios , dessen Grausamkeit schon früher einmal cUe Himeräer zur Ver^
zweiflung getrieben hatte. Dieser Mann, von den Akragantinem und den Hime-
rtiem, die er beherrschte, gebasst, aber im Besitz einer grossen Söldnerschaar,
glaubte seine unsichere Herrschaft durch auswärtige Kriege befestigen zu mtls-
s.in und sammelte mehr als S0,000 Mann, um gegen Spakus zu ziehen.
Ilieron kam ihm jedoch mit seinem Angriff zuvor. In der Schlacht, die am
Flusse Akragas geliefert zu sein scheint, und in der auf syrakusantscber Seite
gegen SOOÖ, auf akragantinischer mehr als iOOO Mann fielen — meistens Hel-
lenen, wie Diodor bemerkt — siegte Hieron. Diese Niederlage ihres Tyrannen
halte einen erfolgreichen Aufstand der Akragantiner und Himeräer lur Folge.
Thrasydaios floh nach dem nisUischen M^ara , wo er jedoch , slatl freundliche
Aufnahme zu finden, zum Tode verurtheill und hingerichtet wurde. Die Akra-
gantiner ordneten ihre Verfassung — es wurde eine unvollkommene Demo-
kratie — und vortrugen sich mit Hieron , der keine direkte Herrschaft über sie
beanspruchte. Auch die Himeräer scheinen ziemlich selbständig geworden
zu sein.
Auf die Zustande in diesen beiden Städten nach ihrer Befreiung vom Joche
■ des Thrasydaios beziehen sich zwei Oden Pindar's, die zwölfte Olympische und
die zweite Isthmische. Jene feiert den Sieg, welchen iu der 77. Olympiade Er-
{^fttcles von Himera im Laufe errungen halt«, der, aus Knossos in Kreta gebürtig,
bereits vor einiger Zeit nach Sicilien tlbei^esiedelt war, Sie beginnt mit einem
Gebet an die Tyche, welche der Dichter das Kind dos Zeus Eleutherios nennt
— damit auf die Befreiung der Stadt von der Tyrannei anspielend — , die die
Schiffe auf der See steuert, den Krieg und die Versammlungen lenkt, dass sie
das mUcbtige Himera umschweben mOge. Dann spricht Pindar von der Unmt^-
lichkeit, die Zukunft zu ermessen , und den unerwarteten Wechself^illen , die
liüufig im Menschenleben eintreten, und macht zuletzt die Anwendung davon
auf Ergoteles :
Wahrlich, o Sohn des Phiionor, wie dem Halme,
Welcher im Hofe daheim kümpfl, wäre dir der Küsse Ruhm
Uogekrtjnt om heimischen Heerd in die LUrie verwebt.
Pindar's zweite Islhm. Ode. Mikythna. 243
Wenn müDnerempörender Streit dir Dicht die Heimat Knossoa raubte.
Aber nun, bekrSnzt In Olympia, zu
Pytho uweimal, und am Isthmos, preisest du wohl
Deiner Nymphe warmen Born, Ergoteles, wandcNid aot den eig'nen Floren.
Die Bewohner von Himora, des »warmen Borns der Njmphena, musst«n auch
das als eine besondere Anspielung des Dichters nehmen, dass er ihren Mitbürger
mit dem Hnhn verglich, der das auf den Mllnzen dai^esteüle Abiieicheu der
Stadt bildete, die in demselben Jahrhunderte noch einen ihrer Bürger, Krison,
dreimal als Sieger im Lauf zu Olympia gekrönt sah [Ol. 83—85) und bereits
Ol, 6fi dem Himeräer Ischyros dieselbe Ehre hatte zu Theil werden sehen.
Wührend in dieser Ode l^ndar durch die Erwähnung des Zeus Eieutherios
sich entschieden auf die Seit« der Gegner des Emmenidcnhauses in Himera
stellt, vermeidet er eine jede Parteinahme in der zweiten Isthmischen Ode,
welche, wie schon die sechste Pjlhische, theron's Bruder Xenokrates feiert,
abei' zu einer Zeit, als er schon todt war, und wie diese an den Sohn des Xeno-
krates, Thrasjbulos , gerichtet ist. Es ist ein webmUthiger Rückblick auf die
Thütigkeit und die Verdienste des Xenokrates bei Gelegenheit der wiederkeh-
renden Feier eines von ihm, der auch Oi. 71 , 3 einen Pythischen und ausserdem
einen Panathenai sehen Sieg errungen hatte, bereits vor Ol. 76 gewonnenen
Islhmischen Sieges:
Im Verketir der Bürger war er grossgeacbtet,
Und nach dem Gebrauch der Helleneo vielgewandt in Rossezucht;
Alle GOttermahle pflegt' er mit Andacht, und an dem gastlichen Tisch
Liess der Wind ihn nie mit Stunneshauche daii Segel lurückzieh'n. —
Darum fordert der Dichter den Thrasybulos auf, dass er nimmer von der Tu-
gend seines Vaters schweigen solle, noch von diesem Lied; nich habe es,« sagt
er, »nicht verfasst, auf dass es slumm hier ruhe bei mir.u Wenn Pindar, wie
man annimmt, diese beiden Oden unter dem Einflnss Hieron's dichtete, so
würde dessen Einwirkung auf Akragas und Himera sich im Allgemeinen als
eine milde ei'weisen.
Doch mussten einige Akragantiner und Himerüer in die Verbannimg gehen,
wob) nicht blos solche, die einer republikanischen Verfassung dieser Städte
widerstrebten , sondeni vor allen Dingen die , welche Hieron als seine Feinde
betrachtete. Denn in Wirklichkeil war der Tyranö von Syrakus der Gebieter
von ganz Sicilien. Er genoss seine Macht noch einige Jahre. Die letzte poli-
tische Thütigkeit, die uns von ihm berichtet wird, bezog sich auf fihegion.
Diese Stadt hatte vor kurzer Zeit — um *73 — ein grosses Unglück betroffen,
Sie halte den Tarentinem gegen die lapygier beigestanden, welche, ungeföhr
30, OüO Mann stark , sie bedrohten ; aber die lapygier hatten sie besiegt, und
von den Bheginem waren etwa 3000 gefallen. Die lapygier sollen sogar bei
der Verfolgung der Hüchligen Bhegincr mit diesen zugleich in Bhegion ein-
gedrungen sein. Dennoch finden wir hier nach der Niederlage der lapygiei' wie
vor derselben die Herrschaft in den Hunden des Mikythos, des Vormundes der
Söhne des Anaxüas. Dieser mochte nun wohl dem Hieron , der natUr|^b auch
in Hessana und Bhegion den Herrn spielen wollte, sich nicht gefügig genug
erweisen; wie dem auch sein mag, Hieron, der eine Tochter des AnaKÜas zur
Frau gehabt hatte, Hess seine Schwäger nach Syrakus kommen und trieb sie
244 Drittes Buch. II. Hieron.
an , von ihrem Vormunde Rechenschafi zu verlangen und selbst die Herrschaft
über Rhegion und Messana zu übernehmen. Mikythos versammelte die Freunde
der Herrscherfamilie und legte vor ihnent Rechenschaft über seiAe Verwaltung
ab. In allen Stücken wies die Prüfung seine Ehrlichkeit und Tüchtigkeit nach,
so dass die Söhne des Anaxilas, t^ereuend, dem ihnen eingeflössten Vei*dachte
Worte geliehen zu haben, ihn ersuchten, die Regentschaft noch länger zu führen.
Er aber weigerte sich dessen, übergab das ihm Anvertraute den Prinzen,
brachte seine eigene Habe zu Schiff und verliess, von den Segenswünschen des
Volkes begleitet, die von ihm treu verwaltete Stadt, deren Macht er noch durch
die Gründung einer Kolonie in der Stadt P^'xus ausgebreitet hatte. Er ging
nach Tegea in Arkadien, wo er seine letzten Jahre verlebte. Dies geschah
Ol. 78, 2 — 467 vor Chr. — Noch in demselben Jahre starb Hieron in seiner
Stadt Aetnä nach einer Regierung von nur i i Jahren , und es wurden ihm die
Ehren eines Heros, nach denen er getrachtet hatte, zu Theil.
Von Hieron's Privatleben ist ausser dem , was schon durch die Dichter zu
unserer Kenntniss gekommen ist. Nichts überliefert. Er hat drei Gemahlinnen
gehabt. Die erste war die Tochter des Syrakusaners Nikokles, die Mutter des
Deinomenes, die zweite die Tochter des Anaxilas von Rhegion, die dritte end-
lich eine Brudertochter Theron's.
Wir haben in der Schilderung der culturhistorischen Seite der Hieroniscben
Zeit nur der Literatur gedacht, die in der engsten Beziehung zum Leben der
Fürsten wie des Volkes stand , und müssen nun noch von der bildenden Kunst
reden , in der der Einfluss eines Einzelnen nicht so deutlich hervortritt und
Syrakus , das in der Literatur die andern sicilischen Städte fast ganz in den
Schatten drängte, für uns wenigstens nicht einmal mehr den ersten Rang ein-
nimmt. Es war der glückliche Ausgang des Krieges mit den Karthagern, wel-
cher der bildenden Kunst in Sicilien einen mächtigen Anstoss zu herrlichen
Schöpfungen gab. In jenen Zeiten hatten alle Kunstwerke eine mehr oder we-
niger enge Beziehimg zur Religion. Nun hatte man einerseits alle Ursache, den
Göttern für die Rettung aus grosser Gefahr zu danken; und andererseits lieferten
das Beutegeld und die Kriegsgefangenen die Mittel , die von den Künstlern in
patriotischer Begeisterung entworfenen Werke wtlrdig auszuführen. So kam es,
dass damals in den hellenischen Städten der Insel eine Menge neuer Tempel
erstanden, von denen einige erst später ausgebaut und vollendet sein mögen.
Wir haben schon der Gründung mehrerer Heiligthümer, besonders in Sy-
rakus, gedacht, von denen jedoch keine Ueberreste vorhanden sind. Dagegen
giebt es in und bei dieser Stadt die Reste von zwei Tempeln, deren Anlage der
gegenwärtigen Zeit angehören wird. Es ist zunächst derjenige, aus welchem
das christliche Syrakus seine Kathedrale gemacht, und den es der S. Maria deile
colonne gewidmet hat, wegen der antiken Säulen, die in die modernen Mauern
aufgenommen sind. Der Tempel war ein Peripteros mit 6 Säulen in der Front
und 14 an den Langseiten, im Ganzen also mit 36. Er erhebt sich auf drei
Stufen ,#von denen die unterste in der Erde begraben und die oberste so zuge-
schnitten ist, dass viereckige Basen unter den dorischen Säulen entstehen. Er ist
aus Kalkstein erbaut, einem festeren, als der zu den akragantinischen Tempeln
verwandte. Der Durchmesser der Säulen ist unten p. 7, 9 oben p. 5, 9, 6, so
Tempel von Syrekus. 245
dass die Verjüngung etwa Y4 beiragt. Sie haben 20 Kanäle und eine Höhe von
p. 33, 3 d. h. von kaum 4 Y4 Durchmessern. Die Intercolumnien sind durch-
schnittlich p. 5, 8, 3 breit, die den Ecken zunächst befindlichen, wie gewöhn-
lich, etwas schmäler, um die Triglyphen an die Ecken bringen zu können. Das
eigentliche Tempelgebäude hatte vom und hinten Anten mit je zwei Säulen
dazwischen, von etwas geringerem Durchmesser (p. 6, 9). Die Form der Kapi-
tale gleicht derjenigen der Tempel A und G der Akropolis von Selinus , sowie
der Tempel der Hera und des Kastor und Pollux zu Akragas. An der Nordseite
tragen die Säulen noch den alten Architrav und Fries mit seinen Triglyphen,
das antike Gesims aber ist durch mittelalterliche Zinnen ersetzt. Als man den
Tempel in eine christliche Kirche verwandelte , machte man die Peristyle zu
Seitenschiffen , die man durch in die Cellamauem gebrochene Oeffhungen mit
dem Mittelschiffe verband. Von den Säulen des Umgangs stehen noch 22, von
denen 9 der Südseite angehören. Welcher Gottheit war nun dieser Tempel ge-
weiht? Die syrakusanische Ueberlleferung sagt: der Athene, deren Tempel,
nebst dem der Artemis in Ortygia vorzüglich berühmt war. Aber die Lage auf
dem höchsten Punkte der Insel und in grösserer Nähe der Arethusa , als das
der Artemis gewöhnlich zugeschriebene Heiligthum, hat die Yermuthung er-
weckt, dass er dieser Göttin, der Hauptgottheit der Insel, der eigentlichen Gott-
heit der heiligen Quelle, gewidmet war, und wir würden ihr unbedingt zu-
stimmen, wenn nicht Eines dagegen zu sprechen schiene. Es war der Gebrauch
in Sjrakus , dass abfahrende Schiffer von dem Altar der Hera einen thönemen
Becher mitnahmen, gefüllt mit Blumen und Weihrauch, und ihn in's Meer
warfen, sobald der auf dem Tempel der Athene angebrachte weithin leuchtende
Schild ihren Blicken entschwunden war. Hiemach hätte man anzunehmen,
dass dieser das Letzte war, was man von Syrakus sah, dass er also auf dem
höchsten Gebäude der Insel prangte ; und wenn, was doch wahrscheinlich ist,
herrschende Lage und Höhe des Baues zusammentrafen, so war die jetzige
Kathedrale der Tempel der Athene, dessen Pracht Cicero rühmt.
Der zweite Tempel von Syrakus, der in diese Zeit zu gehören scheint, ist
der vor der Stadt, südlich vom Anapos, auf einer kleinen, den Hafen beherr-
schenden Anhöhe gelegene Tempel des Olympischen Zeus , des Zeus Urios —
der günstigen Wind spendet — , vne der Gott auch genannt wurde. Dass an
diesem Orte, dessen Lage wir bereits finher geschildert haben , schon in seiir
alter Zeit Zeus verehrt wurde, wissen wir; nichtsdestoweniger ist nach den
Ueberresten, die dort sichtbar sind, anzunehmen, dass der Tempel in der ersten
Hälfte des 5. Jahrhunderts vor Chr. erneuert worden ist. Im Anfange des
17. Jahrhunderts n. Chr. standen noch sieben Säulen; jetzt sind nur noch zwei
Obrig, von denen die eine der Vordereeite , die andere der Südseite angehört.
Es sind Monolithen, die eine Höhe von p. 24, 9 haben. Sie haben 46 Kanäle und
einen Durchmesser von p. 6, 40, also mit den Kapitalen eine Höhe von etwa
*V2 Durchmessern. Man hat deshalb nicht nöthig, anzunehmen, dass die Säu^
ienschäfte nicht in ihrer ganzen Höhe erhalten seien, zumal da schon Mirabella
dieselbe auf p. 55 angiebt. Die Intercolumnien betragen p. 8, 2. Der Tempel
war ein Peripteros mit 6 Säulen Front ; die Zahl der Säulen an den Langseiten
ist nicht mehr zu bestimmen.
; Di'itt«s Buch. II. Hieron.
Aus dieser Zeit slamml in Syrakus endlich nocli ein ^osser Theil der
-'—"--'-gen Kanäle, welche die Stadt mit Trinkwasser versoi%l«n, und deren
t vor Kurzem durch Schubring genauer bekannt geworden ist. Es
i grosse, voneinander unabhängige Strömungen. Die eine, not^h
Indig erhalten und benutzt , nimmt Wasser aus dem Anapos in der
lortino und führt es, Iheilweise unterirdist^h , theilweise in einem
n , mit Steinplatten bedeckten Kanäle am Anapos entlang nach Bcl-
cstlich vom alten Syrakus , und dann auf den sttdiichen Theil der
sehen Epipolae und weiter nach dem Theater der grossen Stadt. Die
imt vom Crimilibei^e, dem alten Thymbris, wo die eigentliche Quelle
Ldeckt ist. Diese Leitung ist durchweg unteiirdiscb ; als Zeichen
viereckigen, lief in den Fels gehauenen Luftlöcher, die 20, 30, ja
nter die Erde führen, wo der Kanal Mannshöhe hat. Sie fuhrt, sich
in der anderen ballend, ebenfalls nach Belvedere und von da weiter
lolac nach Tyche, wo sie in der Bucht von Bonagia ihr Ende findet,
ie fünf Zweige nach Süden geschickt hat, den von Tremiglia , den
haeum, den bei den Hsusem Stampatore und Pizzula vorbeiftlhren-
ich bald mit dem vorigen vereinigt, den der Lalomie des Paradieses,
1 der Latotnie Novanlieri. Von diesen Zweigen werden besonders die
itcß dadurch als ziemlich alt erkannt, dass sie, als man vielleicht im
derl vor Chr. die Latomien Casale und del Paradiso anlegte, zerstfirt
andere Kanüle ersetzt werden mussten. Da nun während des
Q Krieges bereits grosse Wasserleitungen cxistirlen , so ist es noth-
izunehmen, dass wenigstens zur Zeit Gelon's und Hieron's die widi-
selben ausgeführt wurden. Wir dürfen hier daran erinnern , dass
, dessen Tyrann Polykralcs in manchen Beziehungen, wie z. B. auch
B Liebe zur Literatur, Hieron ahnlich ist, eine grosse und berühmte
ung bestand , mit der der siciliscbe Tyrann vielleicht um so eher
wollte, da vor Kunem Samier nach SiciUen gekommen waren, die
ehlet haben mochten. Die Samische Wasserleitung war von einem
isgefUhrt worden. Vielleicht waren auch unter den slcilischen Mega-
^asserbaues kundige Leute. Der Zusammenhang der syrakusanischen
iingen mit der Arcthusa ist noch nicht klar nachgewiesen,
■e Ucberresle aus dieser Zeit finden sich in Selinus. Wenn wir die
r beiden Tempelgruppen dieser Stadt betrachten, diejenige, deren
Trümmer von den Bewohnern der Gegend t pilieri dei Giganti ge-
den , so sehen wir in der Mitte die geringfügigen Ruinen eines Tem-
'on dem eine Anzahl Saulenslumpfe sich 10—12 Fuss hoch erhebt.
:l war , wie die Uhrigen sei in uniischen und die meisten sicllisc^en,
^ros, mit 6 Sauion in der Fronf und 1 4 an den Langseiten. Wie bei
en Tempel derselben Stadt ist die Vorhalle doppelt, indem eine zweitr
Säulen hinter der ersten parallel mit derselben eingefügt ist. Gleich
ser zweiten Säulenreihe beginnen Stufen, welche in den Pronaos
r, wie beim ältesten Tempel, nicht von Säulen vorne eingeschlossen
rn nur eine ThUrOffnung in der Hauer hat. Ualbkrcisförmigc Spuren
>erfläche der Schwelle zeigen, dass eine Bronzcthür sich hier befand.
Tempel F in Sellnos. Seine Melopen. 247
die sich nach aussen öffnete. Auch bei diesem Tempel ist, wie bei den älteren
der Stadt, der Abstand des Sdulenumganges von den Cellamauern ziemlich
beträchtlich. Die Säulen, deren Durchmesser p. 7, 4 beträgt, haben eine Höhe
von 35, 9, also iy^ Durchmesser. Das Gebälk ist ziemlich schwer; seine Höhe
beträgt mehr als die Hälfte derjenigen der Säulen. Das Gesims war mit Mäan-
dern und darüber mit Blättern geschmückt, die sich in nur sehr geringem Relief
erheben , so dass sie der Hand des Malers bedurften , um von unten deutlich
gesehen zu werden. Wirklich zeigen Spuren von Roth, Gelb und Grün, die
man hier gefunden hat, dass das Gesims mit diesen Farben bemalt war.
Wir würden nach dem soeben Bemerkten diesen Tempel für ebenso alt zu
halten haben, wie die beiden früher besprochenen selinuutischen Heiligthümer,
wenn nicht die von Harris und Angell 1823 gefundenen, diesem Tempel an-
gehörigen zwei halben Metopen in dem Charakter ihrer Sculpturen einen be-
deutenden Fortschritt gegen die des ältesten Tempels der Burg kund thäten.
Die Metopenpldtten, deren untere, einst durch metallene Klammem an die
oberen befestigten Hälften allein noch erhalten sind , gehörten der östlichen,
also der Vorderseite des Tempels an und füllen die zweite und dritte Metopc,
von links nach rechts vom Beschauer gerechnet. Der Tempel hat in seinem
Sturze eine solche Regelmässigkeit der Lage seiner Tbeile bewahrt , dass man
den ursprünglichen- Ort der Platten mit Leichtigkeit hat erkennen können. Beicio
Fragmente^ stellen den Kampf einer männlichen und einer weiblichen Figur dar.
Auf der ersten ist diese bekleidet mit einem langen und weiten Chiton , über
dem ein zweites Gewand liegt, das bis zu den Knien herabgeht, aber über den
Htiften aufgeschürzt scheint , und ausserdem noch mit einem Mantel , der in
regelmässig angeordneten Zipfeln über die beiden Schultern nach vorn hin-
uDterfällf und nach hinten ausgebauscht ist. Sie ist im Yorschreiten gegen ihren
Feind begriffen, der schon umgesunken ist, und dessen rechtes Knie den Boden
berührt ; während er seine linke Hand auf die Erde stützt , sucht er mit der
rechten sich gegen die Kriegerin zu vertheidigen. Er trägt ein kurzes Gewand,
ddtuber einen Panzer ; eine Schwertscheide hängt ihm an einem Riemen unter
deni linken Arm ; die linke Seite der Brust bedeckt Etwas , das einem Thier-
felle ähnlich sieht; hinter ihm ist sein Schild. Die zweite Metope stellt einen
ganz ähnlichen Kampf dar. Auch hier sieht man links eine weibliche Gestall,
ähnlich wie die vorhin geschilderte, bekleidet — nur« geht das Obergewand
niohi bis zu den Knien — , welche triumphirend den linken Fuss auf den
Schenkel des vor ihr niedergesunkenen Kriegers setzt, der, mit Panzer und
kurzem Gewand bekleidet, sich mit dem linken Ellenbogen auf den am Boden
liegenden Schild stützt und den rechten Arm abwehrend in die Höhe streckt.
Doch ist -er schon tödtlich getroffen. Sein mit einem grossen Helm bedecktes
Haupt sinkt zurück; die nur noch wenig geöffneten Augen, der mühsam
athmeiide Mund, in dem man die Zähne und die Zungenspitze erblickt, zeigen,
dass der Tod nahe ist.
In diesen Reliefs ist fast die Kunststufe erreicht, auf der die beitihmlen
aeginetischen Bildwerke stehen. Wenn sie in der Darstellung der Körper noch
hinter diesen zurückbleiben , so übertreffen sie sie dagegen durch die Auffas-
sung des Kopfes des sterbenden Kriegers, in dem der Uebcrgang vom Leben
DritteB Buch. II. Hie:
eschicke angedeutel ie
tubuDg vorgeschritten«
^as den Inhalt der D;
il Giganten unverkennbar ;■ in aer ersien wini wanr-
r Athene mit Pallas , in der zweiten vielleicht der der
•geführt, wenn nicht auch hier wieder die Siegerin
!r Besiegte diesmal Enkelados, der denn Überwunden
kannte das Heiligthum für einen Athenetempel halten,
^eifeln , dass auch von den Ueberresten der akragan-
ches noch' in unsere Epoche gebtlrt , da gerade die
vielen ihnen lugefallenen Kriegsgefangenen nach der
iser anderen Arbeiten auch Tempelbauten ausfuhren
Wahrscheinlichkeit I<ls6t sich ausser dem Tempel des
;nes dieser Zeit zuweisen; der architektonische Cha-
sichlbaren Reste deutet eher auf eine spatere Zeit hin.
it Begonnene erst in der nächsten Periode seine Voll-
Wir werden deshalb die Tempel von Akragas erst
lenhang besprechen und mllssen uns hier darauf be-
1 erwähnen , das allerdings nicht im hervorragenden
unst zugerechnet werden kann : die unterirdischen
trst neuerdings durch Schubring entdeckt worden ist,
' ihre Mündungen bekannt waren, in einer Schlucht,
nd an ihren rCthlichen Felswänden mit Bäumen und
ich zwischen den Ruinen der Tempel des Kastor und
nzieht und wohl mK Recht als die Stülto des berühmten
tiner gilt, der offenbar der Stadt nicht nur znr Zierde,
n gereichen sollte, und dessen eigentlicher Zweck wohl
er Stadt zu sammeln , ehe es in den Hypsas abfloss,
nde in Folge der oben erwähnten Bodeagestahung der
vo als an ihrer südwestlichen Ecke befinde konnte,
ziehende Leitungen frischen Wassers , die sich, Iheiis
efe unter dem Felsplateau von Akragas erstrecken, hie
n verseben, von denen einer, die Fonlana Bonamoi^
?wohnem von Girgenti als einzige Trinkwasserquellr
i'asser aufgefangen wurde, ist noch nicht nachgewiesen.
s jetzt bekannt war, mit den oben genannten PhSaken
nun die hierüber von Diodor gegebene ErklSroog ün
wären die PhSaken Ahzugskanäle, und als soldie haben
entdeckten Leitungen nicht gezeigt ; aber Diodor spridit
1 von Leitungen frischen Fluss- und Quellwasscrs in
diese sind es dann eben, welche die neueste Forschung;
Tbrasybnios. 249
Drittes Kapitel.
Stnrz der Tyrannen.
Nach Hieron's Tode wäre es wohl Zeit gewesen , dass der Sohn Gelon's,
für den ja eigentlich Hieron selbst nur als Stellvertreter regiert hatte , persön-
lich die Herrschaft anträte. Es scheint wirklich , dass er dem Namen nach als
Haupt der Familie betrachtet zu werden anfing,, doch war er jedenfalls seiner
Jugend wegen immer noch nicht recht geeignet, die Functionen des Herrschers
auszuüben. Unter diesen Umständen kam es dem ältesten Mitgliede des Hauses
— und dies war nach dem , wie wir annehmen müssen , bereits eingetretenen
Tode desPolyzelos der jüngste der Söhne des Deinomenes, Thrasybulos — zu,
die von Hieron bis dahin eingenommene Stellung wenigstens insofern zu über-
nehmen, dass er seinem jungen Neffen als erster Bathgeber an die Seite trat.
Der ehrgeizige Mann war jedoch hiermit nicht zufrieden. Er wollte nicht —
worauf er sich doch gefasst mächen musste — dem Jüngling später die Herr-
schaft übergeben ; er wünschte sie seihst zu behalten, und das Mittel, welches
er dazu anwandte, bestand darin, dass er den jungen Prinzen zu Ausschwei-
fungen verleitete, die ihn zur Regierung unfähig machen und einem frühen Tode
entgegenführen sollten. Unter den Anhängern der Familie gab es aber Manche,
denen die Rechte des Sohnes Gelon's am Herzen lagen, und die deshalb Thra-
sybulos entgegenarbeiteten. Diese Zwietracht im Schoosse des Herrscherhauses
erschtUterte die Stellung Thrasybul's. Dazu kam noch, dass er keineswegs die
geeignete Persönlichkeit war, eine Tyrannis unter schwierigen Umständen auf-
recht zu halten. Er stand hinter seinen Brüdern an geistiger Begabung weit
zurück. Gelon hatte sich durch seinen glänzenden Sieg über den Nationalfeind
einen grossen Namen gemacht und durch Milde und ernste Sorge für das Wohl
des Volkes seine Beliebtheit erhalten. Hieron gab man zwar Habsucht und
Grausamkeit Schuld, aber er war von entschiedenem, kräftigem Charakter, und
wenn er nicht geliebt war, wie sein Bruder, so wurde er wenigstens gefürchtet.
Nun kam aber ein Mann zur Herrschaft, der, wie es in Tyrannenfamilien mit
dem jüngeren , schon in Weichlichkeit aufgewachsenen Geschlechte zu gehen
pflegt, weder die Tugenden noch die Kraft seiner Vorgänger be^ass und nur
ihre Fehler nachzuahmen verstand. Der Druck, den er ausübte, war noch
stärker als der, welchen man unter Hieron erlitten hatte, und er wurde durch
keinen Glanz auswärtiger Unternehmungen, durch keine blendende Hofhaltung
vergessen gemacht.^ Gegen einen solchen Fürsten, dem nicht einmal die Freunde
der Familie treu]anhingen, fand auch das Volk von Syrakus Kraft. Es organisirte
sidi und trat gegen den Tyrannen in Waffen. Die Empörung war zu stark, um
mit den gewöhnlichen Polizeimitteln unterdrückt werden zu können. So ver-
suchte denn Thrasybul zuerst, die Aufgestandenen durch gute Worte zum Ge-
horsam zurückzubringen, und erst als er sah, dass er hiermit Nichts ausrichtete,
nahm er den Kampf an. Seine Stellung war insoweit gut, als die zwei Haupt-
theile von Syrakus, Ortygia und Achradina , die durch feste Mauern geschützt
250 Drittes Buch. 111. Sturz der Tyrannen.
waren , sich vollständig in seiner Hand befanden. Hier sammelte er alle seine
Söldner und die Freunde und Diener seiner Familie, zu denen vor Allen
die von Hieron in Katana angesiedelten Fremden gehörten, und brachte auf
diese Weise ein Heer von ungefähr 15,000 Mann zusammen. Seine Gegner, aus
*der eigentlichen ummauerten Stadt Syrakus ausgeschlossen, waren auf die Be-
setzung Tyche's und der Vorstadt Neapolis angewiesen. Sie sahen bald ein,
dass sie ohne Hülfe von aussen gegen die kriegsgettbten , hinter festen Mauern
sicher aufgestellten Schaaren des Thrasybulos Nicht-s ausrichten würden , und
entschlossen sich deshalb dazu , sich diese Hülfe selbst um den Preis der von *
• den Tyrannen fest begründeten Hegemonie der Stadt Syrakus über die helleni-
schen und barbarischen Gemeinwesen der Insel zu verschaffen. Es war ein
Glück für die Syrakusaner , dass die Tyrannis in Akragas bereits im Kampfe
iiiit den Deinomeniden zu Grunde gegangen war, sonst würde wohl Thrasy-
bulos jetzt nicht ohne kräftigen Beistand geblieben sein. So aber hatten die
Bemühungen des Tyrannen, sich Bundesgenossen zu erwerben, keinen Erfolg,
wahrend den Syrakusanem , sobald sie einmal durch die Bitte um Hülfe zu
erkennen gegeben hatten, dass sie aufhörten, die Suprematie in Sicilien zu
beanspruchen , alle bedeutenderen Städte der Insel zufielen. Gela , Akragas,
Selinus, Himera erklärten sich für sie, und die Tyrannen von Messana und
Rbegion blieben aus Furcht vor dem gährenden Volksgeiste wenigstens neutral.
Und nicht blos Griechen traten auf ihre Seite ; auch die Sikeler , welche ein-
sahen , dass ein demokratisches Syrakus ihnen weniger gefährlich sein würde,
als ein von einem Einzelnen regiertes, schickten Mannschaft, um gegen Thra-
sybulos mitzukämpfen. Von besonderem Werthe waren aber die ihnen zu Hülfe
gesandten Kriegsschiffe, da bei der Unmöglichkeit, die, festen Mauern von Sy-
rakus zu erstürmen , der Tyrann nur dadurch zu besiegen war, dass man ihai
den Verkehr mit der See abschnitt. Thrasybulos griff in richtiger Würdigung
der Gefahr zuerst die feindliche Flotte an, unterlag aber und verlor einen Theil
seiner Schiffe. Dann unternahm er mit den Landtruppen Ausfälle aus Achra—
dina; aber auch diese wurden zurückgeschlagen, und, nunmehr von allen
Seiten hoffnungslos eingeschlossen , gab er seine Sache verloren und bat seine
Gegner um freien Abzug. Er erhielt ihn und ging nach Lokri , wo er seine
übrige Zeit als Privatmann zubrachte. So gewannen die Syrakusaner die Frei-
heit wieder, die sie 60 Jahre, bis zum Auftreten des altern Dionys, behaupteten.
Was für Syrakus geschehen war, das geschah jetzt auch unter Mitwirkung
der Syrakusaner in den übrigen Städten der Insel , die sich in ähnlicher Lage
befanden. Wo noch Tyrannen oder von ihnen eingesetzte Statthalter die Stadt
drückten, da wurden sie vertrieben, und dieses Schicksal traf insbesondere
auch die Söhne des Anaxiias in Rhegion und Messana. Die neuen Verfassungen
trugen überall einen mehr oder weniger demokratischen Charakter.
Anfangs machte sich in allen befreiten Städten nur ein Gefühl geltend :
das der Freude über den Sieg und der Dankbarkeit gegen die Götter. Beson-
ders in Syrakus äusserte sich dies in grossartiger Weise. Man errichtete Zeus,
dem Befreier, eine kolossale Bildsäule, und man beschloss, dass alljährlich an
dem Tage, an welchem der Tyrann vertrieben worden war, ein Befreiungsfest.
Eieutheria, verbunden mit öffentlichen Spielen gefeiert werden sollte; dabei
A.
Besiegung der Söldner. 251
sollte jedes Mal eine gewaltige Hekatombe von 4ö0 Ochsen* fallen » niit deren
Fleische man sodann dem gesammten Volke einen öffentlichen Schmaus berei-
tete. Für diese Hekatombe wird der gewaltige, im Jahre 1839 wieder entdeckte
Altar neben dem Theater zuerst angelegt worden sein, dessen Bau Diodor
allerdin^ erst Hieron II. zuschreibt. Aber die Freude hörte zugleich mit der
Einigkeit bald auf. Man musste daran denken, die Verhältnisse neu zu ordnen,
und da bei diesem Werke der Hass gegen Alles , was mit dem verjagten Ty-
rannen zusammenhing , das treibende Element bildete , so wurden in die neue
Verfassung Bestimmungen aufgenommen, welche einen Theil der Bewohner von
Syrakus auf das schwerste verletzten. Das eigentliche und volle Bürgerrecht,
welches insbesondere den Zutritt zu den Ehrenstellen umfasste, wurde den
alten syrakusanischen Bürgern vorbehalten und alle Fremden, welche unter
Gelon's Regierung Büi^er geworden waren, von diesem Vorzuge ausgeschlossen.
Nun hatte aber Gelon über 10,000 Söldner zu syrakusanischen Bürgem ge-
macht , und von diesen waren nach der Vertreibung des Thrasybulos immer
noch mehr als 7000 übrig. Diese , unwillig über die ihnen widerfahrene Zu-
rücksetzung, empörten sich und bemächtigten sich derselben beiden Stadttheile,
in denen sich Thrasybulos eine Zeit lang gehalten hatte , Ortygia's und Achra-
dina^s. Die übrigen Theile der Stadt blieben auch dies Mal in den Hunden der
Altbürger, welche, da Achradina und Ortygia sehr fest waren, ihrerseits übei-
den weiter westlich gelegenen Theil des Plateau's Befestigungswerke zogen, um
so die Söldner von der Verbindung mit dem Innern der Insel auszuschliessen.
Hierbei wird zuerst von Diodor der Name des Stadttheiles Epipolai erwähnt. In
den nun folgenden Kämpfen hatten die in der Kriegführung geübteren Fremden
längere Zeit hindurch das Uebergewicht, doch waren sie nicht stark genug, die
Einschliessung zu durchbrechen. Allmählich aber gewöhnten sich auch die Sy-
rakusaner, die übei*dies wohl wiederum Zuzug aus anderen Städten erhielten,
an den Krieg und brachten ihren Gegnern zu Wasser und zu Lande Niederlagen
bei, in Folge deren sie den Besitz ihrer Stadt wiedererlangten. Ein auserlesener
Heerhaufen von 600 — wir werden dieser Zahl bei ähnlicher Geles^enheit in
Syrakus wieder begegnen — hatte sich bei der letzten entscheidenden Land-
schlacht besonders ausgezeichnet , und diese wurden nach dem Siege von der
Bürgerschaft durch eine jedem einzelnen gegebene Belohnung von einer Mine
Silbers (25 Thaler, aber natürlich von grösserem relativen Werthe) geehrt. So
endigte ein Kampf j den man als den zweiten Akt des grossen Drama's der Be-
freiung Siciliens von der Tyrannenherrschaft bezeichnen kann.
Das Werk war noch nicht vollendet, und sein vollständiger Abschluss hätte
vielleicht noch etwas auf sich warten lassen, wenn nicht die sikelischen Stämme
den Anstoss zu weiteren Veränderungen gegeben hätten. Die Sikeler hatten bei
der Befreiung von Syrakus mitgewirkt; der Erfolg dieser Unternehmung machte
ihnen Muth , für ein ihnen erst kürzlich angethanes Unrecht Rache zu nehmen
und so ihrerseits selbständig in die Geschicke der Insel einzugreifen. AlsHieroii
in Katana, seinem Aetna , neue Bürger nach Vertreibung der alten angesiedelt
hatt€ , da waren denselben auch Ländereien gegeben worden , welche sikeli-
schen Städten gehörten. Nun war jetzt Führer der Sikeler der König Duketios,
ein Mann von grossem Untomohmungsgeist, der mit richtigem Blicke einsah.
Drittes Bncb. 111. Sturz der Tyrannen
der befreiten Büi^er gegen die ihnen aufgedrungenen Fremden
it g^en die Schöpfung Uieron's , Aetna , und ihre Iheilweise aus
SS herübei^ekommenen Einwohner lenken hesse, und dass die
lit Bewilligung des syrakusanischen Volkes die ihnen entrissenen
ieder erhalten könnten. Er fing deshalb gegen Aetna einen Krieg
m die Syrakusaner Theil nahmen , und der, da die Äeloyer sich
lalb ihrer Hauern hielten , gleichdamil begann , dass das Land-
theilt wurde und die Slkeler das ihrige wiedererhielten. Endlich
I Hiemnischen Kolonisten ernstlichen Widerstand; aber sie wur-
id mussten-sich entschliessen , Kaiana zu i^umen. Es wurde
l, sich in der Stadt Inessa niederzulassen, welche die Sikeler
d die nun den Namen Aetna erhielt. So konnten denn jettl die
] Bewohner von Katana, welche Hieron nach Leontini verpflanzt
in ihre Vaterstadt zurückkehren.
so der Ansloss gegeben war, wurde die Vertreibung der Frem-
Izte Akt des Drama's — auch in den übrigen Städten der Insel
:lzt. Zuerst kamen die Vertriebenen, besonders Geloer, Akragan-
BTäer, in ihre heimatlichen Slädle zurück, um den an ihre Stelle
■ Eigenthum zu entreissen. Die Folge der sich vielfach kreuzen-
j, des Hin- und Herwandems von Büi^em verschiedener Städte,
se Ver^virrung der Verhallnisse in den meisten derselben , die,
einsah, nur auf dem Wege der Verständigung zwischen sämmt-
len Republiken gehoben werden konnte. Es trat deshalb ein
abgeordneten derselben zusammen, auf welchem als allgemeiner
liimdsatz hingestellt wurde, dass überall die bürgerlichen Hechle
heimischen kommen, alle Fremden dagegen, mochten sie nun
lischen Städten der Insel angehört haben oder sonst hellenischen
hen Stammes sein, die mit oder gegen ihren Willen usurpinen
n sollten. Indem man so für diejenigen Sorge trug, welche durch
'alzende Politik der Deinomeniden geschikligt waren , vernach-
och auch die Intoiessen derer nicht ganz , die sich eine Zeit lang
mnen in glänzenden Verhältnissen befunden hatten und nun den
igten weichen mussten. Denjenigen unter ihnen, die auf Sicilien
! wart'u und doch daselbst zu bleiben wUnschlen, wurden Wohn—
le von Messana angewiesen ; es gab aber auch manche Sikelioten,
ischer Herkunft, welchen die Einsetzung in die früheren, viel-
en glänzenden Verhältnisse , aus denen, der Wille der Tyrannen
litte, nicht zusagte, und diesen schufen die Geloer eine neue
teilten eine dorische Stadt wieder her, die schon die wechsel-
Lsale durchgemacht halte : Kamarina, das von den Syrakusanem
wieder zerstört, dann durch Uippokrales wiederhergestellt und
rmals seiner Einwohner beraubt worden war. Diese Stadt wurde
6< vor Chr. — als Kolonie der Geloer neu angelegt und schon
in ganz Griechenland berühmt, dass ihr Bürger Psaumis Ol, 82
. dem Maulthtergespann in Olympia errang. Pindar hat ihn in
herrlicht, der vierten und fünften Olympischen — wenn nan-
Pindar'8 IV. und V. Ol. Ode. Münzen. 253
lieh auch die fünfte Ode, was von Manchen bezweifelt wird, von ihm her-
rührt.
Jene ist nach der gewöhnlichen Annahme für den Vortrag in Olympia be-
stimmt gewesen. Der Dichter ruft Zeus an,
der hoch herrscht auf Berg Aetna's Haupt,
Typhon*s stürmender Bürde, des gewaltigen Hunderthaupts,
dass er den Festzug des olympischen Siegei-s gnädig annehmen möge, der
Mit pisattschem Oelzweige bekränzt, eilet, Ruhm zu gewinnen seiner
Heimat Kamarina.
Der Dichter preist ihn,
welcher bewährt
Die Zucht der Rosse hütet,
Der Gastlichkeit, Allen hold, freudig übt,
Und zur Ruhe sich wendete, die friedliche Städte schirmt, mit lauterem Sinn.
Zuletzt vei^leicht er ihn anmuthig mit dem Argonauten Erginos, der wider Er-
warten in Lemnos im Laufe siegte und die Königin Hippolyte daran erinnerte,
dass nicht immer dem Schein zu trauen ist und bis^weilen auch junge Männer
graues Haar haben. Man hatte also nicht erwartet, dass Psaumis siegen würde.
Die fünfte Ode war sicher für den Vortrag in Kamarina selbst bestimmt,
und zwar vor drei Altaren nach einander, indem die erste Strophe an die
Nymphe Kamarina, die zweite an Pallas, die auf kamarinäischen Münzen dieser
Zeit erscheint, die dritte endlich an Zeus gerichtet ist. Psaumis feiert als Sieger
den Strom des Oanis, preist hoch den See
Seines Heimatlandes,
Preist des heiligen Stromes Arme, womit das Volk Hipparis
Tränkt, und fügt sofort eilig der festen Paläst' hohen Wald zusammen,
Von Unthätigkeit auf zum Licht schwingend dies rege Volk der Städter.
Zeus soll die Stadt mit des Mannerruhmes Herrlichkeit schmücken und dem
Psaumis, dessen Beichthum gepriesen wird, ein behagliches Alter bereiten.
Von seinem Reichthum hatte Psaumis allerdings , wenn die Anspielungen der
fünften Ode richtig gedeutet werden, einen hohen Begriff gegeben, indem er
in Olympia auf drei Weisen zugleich um den Kranz gerungen hatte : mit dem
Viergespann, mit dem Rennpferde und mit den Maulthieren, die ihn zum Sieger
machten.
Wir dürfen als eine Folge der engeren Verbindung Kamarina's mit Gela
den Umstand betrachten, dass eine Beihe von Münzen dieser Städte, die bereits
der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts angehören können, eine grosse
Aehnlichkeit, ja einen gewissen Parallelismus zeigt. Es giebt zunächst Münzen
von beiden Städten, die auf der einen Seite den Kopf eines Flussgottes — Gelas
und Hipparis — auf der anderen eine Riga oder Quadriga tragen ; eine andere
Serie hat auf der einen Seite entweder den Kopf eines Flussgottes oder einen
weiblichen Kopf und auf dem Bevers : für Gela das Vordertheil eines Stieres
mit menschlichem Gesicht — den geloischen Typus — , für Kamarina : die auf
einem Schwan sitzende Frau — das charakteristische Zeichen Kamarina's — ;
noch andere endlich haben den Herakleskopf, während der Bevers für die bei-
den Städte verschieden ist.
Buch. IV. BUi^erliche Verhaltnisse bis zum Kriege mit Athen.
? ZpH mag ein iibnlicher Pamllelismus , der jedoch nicht so weit
il , zwiscbcD den Münzen der stammverwandten Stüdte Katana
;ehtsren. Er zeigjt sich bauplsUchlich in der Anwendung des
>eiden Orten bodivcrehrlen Äpollon auf der einen Seite, wührend
iveder ein Gespann oder die cbarakteristischen Typen der beiden
itana den Stier mit Uenschenbaupt, für Lcontioi den LOwen-
denn so viel als möglich die Spuren der Tyrannenherrschaft in
:ht. Ganz jedoch halle dies nicht geschehen Vonnen , dazu war
; der Tyrannen eine zu müchlige gewesen. Es zeigt sich s(^r,
resullat derselben durch den Sturz der Deinomeniden nur wenig
rde: das Uebergewicht, welches dem dorischen Elemente über
1 Theil geworden war. In der Tyrannenzeit war Uimera , die
adt, unter die Herrschaft von Akragas gekommen, Zankle hallo
Einwohnern den dorischen Namen Hessaaa erbalten, Euboia war
LOS von Hieron vernichtet ; Kalana's Einwohner hatten die Vat«r-
mUssen ; es- waren von den chalkidiscben Stadien nur LeonUni
mutende Kallipolis übrig geblieben. Dagegen hatte sich die Macht
esonders aber die von Syrakus, bedeutend gehoben, und es war
ttna eine neue dorische, mit peloponaesischer Hülfe gebildete
cilien erwachsen. Nun waren allerdings in der dem Sturze der
öden Reaction Naxos und Katana wiederhergestellt und Himera
vorden, dafür aber in Inessa ein neues dorisches Aetna gegrtln-
Qwobner den Hero^nkult llieron's bei sich fortsetzten, nachdem
-len Eatantter das Grabmal des verhassten Tyrannen zerstört
Hessana behauplele das dorische Element entschieden die Ober—
il.so durch die Einfuhrung der Demokratie das von den Tyrannen
ci^ewicht des dorischen Stammes über den ionischen keineswegs
es standen immer noch Syrakus, Akragas, Gela , Selinus , Ka—
gegen Kalana , Leonlini und Naxos — es war nur das Üeber-
mSchligen Studie, besonders aber das von Syrakus, gebrochen.
■Viertes Kapitel.
;erliche YerhältDiNse bis zum Kriege mit Atheo. '
^schichte Siciliens in der nun folgenden Epoche bis zum Beginne
. Athen ist iiusserst wenig bekannt. Es war im Ganzen genoni—
ruhigen Gedeihens und friedlicher Entwicklung , wenig durch
lege unterbrochen. Die einzelnen Suidle kümmerten sich um
igelegenheilen mehr, al.s um die ihrer Nachbarn ; der Land bau
;n bei der ungemeinen Fruchtbarkeit des Bodens einen grossen
landel und Gewerbe blühten , und Kunsle und Wissmscbsften
Syrakus. Korax. Tyndarion, Petaliamos, 255
erfreuten und belehrlen die Boiler, unter denen Keiner sich erhob, der Tdhig
gewesen wKre, als ein glücklicher Zerstörer der Freifaeil seiner Volksgenossen
die Aogen von ganz Griechenland auf sich zu ziehen. Was in Hessana und
Hiinera , in Katana und Leontini , was in manchen andern Stadien der Insel in
dieser Zeil vorfiel , ist uns durchaus unbekannt; wir wissen nur wenig von
dem, was in Syrakus und Akragas geschah.
In Syrakus erhielt in der ersten Zeil nach der Gründung der Demokratie
ein Mann bedeutenden Eiofluss , welcher schon bei Hieron, und schwerlich als
Freund der Freiheit, in Ansehen gestanden hatte: Korax, der durch seine Be-
redsamkeit sich beim Volke so beliebt machte , dass er eine Zeil lang einer der
■nichtigsten Htinner der Stadt war. Wir werden ihn als einen der Begründer
der Sophistik und Rhetorik wiederfinden. Da die Gewaltsamkeit der letzten
Staatsveründening , in welcher SjTakus um viele Btlrgcr armer geworden war
und alle Besitzveriillltnisse eine vollständige Ilmw.llzung erfahren hatten , gar
Manchem Anlass zur Unzufriedenheit bot, so fehlte es nicht an Streitigkeiten
privater und öffentlicher Natur, zu deren Entscheidung oder Schlichtung eine
beredte Stimme wie die des Korax viel beitraget» mussle. Die bei Manchen,
deren Ansprüche nicht befriedigt wurden, sich geltend machende Unzufrieden-
iieit mit dem Bestehenden liess sogar einem untei-nehmenden Manne es mOglich
erscheinen, die kaum abgeschaffte Tyrannis wieder einzuführen. Ein gewisser
Tyndarion machte sich*durch seine Beden und auch wohl durch seine Wohl-
thaten bei den Urmeren Syrakusanern beliebt und brachte es bald dahin , dass
ihn eine Anzahl ders^rben wie die Leibwache einen Tyrannen überall hin be-
gleitete. Man klagte ihn an, dass er nach der Alleinherrschaft strebe , und das
Volksgerichl, vor das er gestellt wurde, verurtheille ihn zum Tode. Als er in's
Geföngniss geführt werden sollte, versuchten seine Anhänger, ihn zu befreien,
und es bedurfte des Daiwischenlretens der angeseheneren Bürger, um die Be-
wegung zu unterdrflcken. Der empörte Haufe wurde gebändigt und mit den
meisten derer, die ihn hatten befreien wollen, Tyndarion selbst gettkJtet. Aber
der Versuch eine Tyrannis zu gründen, wiederholte sich noch mehrfach, und
so kam das syrakusanische Volk auf den Gedanken, die Athener nachzuahmen,
welche in ihrem Oslracismus ein lungere Zeit hindurch angewandtes Mittel
hesassen, solche Versuche zu vereiteln. Es wurde beschlossen (Ol. 81, 3 —
45i vor Chr.], dass von Zeit zu Zeit darüber abgestimmt werden sollte, ob ein
ßUi^er wegen seiner allzu gross und allzu furchtbar gewordenen Macht die
Stadt zu meiden habe ; auf wen die meisten Stimmen fielen, der musste sich
auf fllnf Jahre entfernen. Dies Verfahren hicss Petalismos , weil man statt der
in Athen gebräuchlichen Scherben Oelbldtter — petala — anwandle, um die
Namen darauf einzuritzen. Aber dieses Volksgerichl, das in Athen zur Zeil der
ungebundensten Demokratie als seinem Zwecke nicht mehr entsprechend ab-
geschafft werden musste, bestand in Syrakus überhaupt nicht lange. Es wurde
;^teich zuerst missbraucht, und bald waren die mächtigsten und angesehensten
Bürger als Opfer des Petalismos in die Verbannung getrieben. Die nothwendige
Folge davon war, dass die ausgezeichnetsten unter den übrigen aus Furcht vor
einem ilhnlichen Schicksal sich aller Betheiligung an den Staatsgeschüften ent^
hielten , und diese geriethen dadurch in die KSnde schlechter und verwegener
Drittes Buch. IV. Bürgerliche Verhältnisse bis zum Kriege tnit Athen.
1, welche wenig oder Nichts zu verlierea halten. Wahrend so die
leo AngelegeDheilen schlecht geleitet wurdeo, nahm überdies ein ver-
ir Luxus llberhaDd, eine natürliche Folge der UmhäLigkeit, zu welcher
wohlhabenderen Bürger verdatnoilen. Allmählich ward der Zustand
Uch, und man entschloss sich endlich dazu, den Pelalismos, der nur
gebracht hatte, wieder abzuschaOeu.
h aussen stand Syrakus immer noch krüflig and angesehen da. Es war
ner noch die erste und mächtigste Stadt der Insel und äusserte seine
einer für ganz Sicilien wohllhätigeu Weise. Die Euiisker hatten sich
:b von der durch Hieron erhaltenen Niederlage erholt und nahmen ihr
irduberhandwerlc wieder auf. Da rüsteten die Syrakusaner eine Flotte
schickten sie unter der Anführung des Phayllos nach Elrurien. Phayllos
ite zwar die Insel Aethalia — Elba — , that aber sonst Nichts, und als
Syrakus zurückgekehrt war, musste er von dem unwilligen Volke die
l^ung httren, dass er sich von den Feinden habe bestechen lassen, und
le in die Verbannung geschickt. An seiner Statt ging Apelles mit 60
niffen in See. Dieser verheerte zuerst die Küsten Etruriens, dann Kor-
is eine Besitzung der Etrusker war, uud kehrte endlich, nachdem er
ihalia unterworfen hatte, mit einer Menge von Gefangenen und man-
nderer Beute nach Hause zurück (01.81,4 — 453 vorChr.) Vielleicht
igar eine Niederlassung auf Korsika gegründet, wenigstens findet sich
ul dieser Insel ein syrakusanischer Hafen angegeben, und es ist nicht
, dass zu einer anderen Zeit Syrakus dort Krieg ^fUhrt tuilte.
^.kragas war nach dem Sturze dos Tbrasydaios eine unvollkommene
ilie emgerichtet worden, deren Leiter nicht mit allzu grosser Härte
ie Familie und das Andenken ihres früheren Tyrannen Theron ver~
denn abgesehen davon , dass sie sein prachtvolles Grabmal nicht ver-
liessen sie, wie wir wissen , Tbrasybulos, den NeCTen Theron's und
s Xenokrates, unangefochten in ihrer Mitte leben. Unvollkommen war
; Demokratie, da ein Collegium von 1000 Hünnern die Regierung der
Hüoden hatte. Die Tausend — eine Anzahl , die auch in anderen
,. B. in Bhegion, sich als die Zahl der Regierenden vorfindet — , wur-
den Wohlhabendsten gewühlt, und zwar immer auf drei Jahre. Es ist
, dass in Akragas die Reichsten damals noch die Grundbesitzer, also
iieder alter und angesehener Familien waren. Einen grossen Einßuss
inen Mitbürgern erwarb sich Empedokles, den wir bald als Philosophtm
lernen werden. Er war der Sohn des Itielon, eines angesehenen Akra—
s, welcher ein eifriger Gegner der Tyrannis gewesen war. Als nach
ie desselben die ersten Versuche gemacht wurden, eine neue Tyraunis
reiten, war es Empedokles, der sie an's Licht zog und vereitelte und
sem seiner Vaterstadt geleisteten Dienst« eine lauge und ehrenvolle
n begann. Er glaubte bei einem, von einem vornehmen Bürger ge-
Gastmahle zu l>eiiicrken, dass eine Verschwörung zum Umsturz der
mg bestjiode; die beiden Männer, welche er als verdächtig bezeichnete,
wirkhch UberfUlirt und hingerichtet. Nun bewog er seine Mitbürger,
assung, weiche nicht genug Garantien der Sicherheit darbot, abzu-
Akragas. Sikeler. 257
ändern. Der Rath der Tausend wurde abgeschafft, und Alle ohne Unterschied
des Vermögens konnten hinfort an der Regierung Theil nehmen. Empedokles
ward wegen seiner eifrigen Sorge für das Wohl des Volkes in Akragas so be-
liebt , dass man ihm sogar die Königswürde antrug. Er schlug sie aus. Wir
dürfen annehmen, dass die durch ihn gegründete, nun wirklich demokratische
Verfassung lange Zeit in Akragas bestand.
Sonst ist aus dieser Zeit nur die Nachricht von einem Ol. 84,3 — 454
vor Chr. — ' geführten Kriege angeblich zwischen den Egestäem und Lilybäem
erhalten. Diodor sagt, dass er über das Land am Flusse Mazaras geführt wurde,
und dass selbst nach einer grossen Schlacht , in der auf beiden Seiten Viele
umkamen, die Feindschaft zwischen den beiden Städten nicht aufhörte. Mit
Lilybaion ist o£fenbar Motye gemeint, statt Segesta^s aber, das den Phöniciem
befreundet war, ^kann als Gegnerin von Motye schon des streitigen Landes
wegen nur Selinus betrachtet werden. Auf einen ähnlichen Krieg zwischen
Hellenen und Barbaren in denselben Gegenden lässt die Nachricht des Pau-
sanias schliessen , dass die Akragantiner in Folge eines Sieges über Motye von
Kaiamis gearbeitete betende Knaben aus Erz in Olympia aufgestellt hätten. Es
ist freilich nicht überliefert, wann dieser Krieg Statt fand, aber da die Blütezeit
des Künstlers in die 80. Olympiade fällt, so dürfen wir ihn in diese Zeit setzen.
Im Anschluss hieran ist es sodann nicht unwahrscheinlich, dass noch vorhan-
dene Münzen akragantinischen Gepräges , aber mit der Inschrift Motye in phö-
nicischen Buchstaben , Zeugniss von dem Uebergewicht , das durch diesen Sieg
Akragas "über die phönicische Inselstadt gewann, ablegen.
W^oin so nicht gar lange Zeit nach der Niederlage der Karthager durch
Geion das semitische Element auf Sicilien sich wieder zu rühren begann , so
geschah dasselbe in noch viel höherem Grade von der Urbevölkerung. Die
Sikeler, welche vor den Griechen aus den Küstengegenden gewichen waren,
hatten sich in den nicht leicht anzugreifenden Bergvesten im Innern in einer
gewissen Unabhängigkeit zu halten gewusst. Sie hatten die Fremden , die sie
als gewandter, thätiger, gebildeter anerkennen mussten , in ihren Unterneh-
mungen gewähren lassen ; sie hatten den Einfluss derselben an sich erfahren
und Manches von ihnen gelernt ; ihr schon so lange friedfertiger Sinn war so-
gar in der Tyrannenzeit , wo die mächtigen Herrscher der Hellenen Söldner [in
Menge brauchten, auf das Kriegshandwerk wiederum hingewiesen worden, und
es gab viele unter ihnen, die in der Führung der Waffen und vielleicht sogar in
der Leitung von Truppen mit manchen Hellenen wetteifern konnten. Sie hatten
sich die Gewaltthätigkeiten Hieron's ruhig gefallen lassen müssen, aber ihr
Freiheitsgefühl war nicht gebrochen, und wenn nur der rechte Führer auftrat,
waren sie fähig , es mit den Griechen aufzunehmen, die ja nicht mehr die im-
posante Machtstellung einnahmen, wie unter der Herrschaft der Deinomeniden.
Wir haben gesehen, wie sie schon beim Sturze der Tyrannen eine thätige Rolle
spielten: anfangs erbetene Bundesgenossen im Kriege gegen Thrasybulos,
hatten sie bald darauf den Anstoss zur Wiederherstellung Katana's zu geben
gewagt, und das Unternehmen war glücklich abgelaufen. Dies war das Ver-
dienst des Duketios gewesen , des einzigen unter den Sikelem , der sich den
Hellenen furchtbar gemacht hat.
Holm, OmcIi. SicilMAi. I. 47
Buch. IV. BQrgertiche VerhallDisse bis zum Kriege mit Alben.
rar voD vornehmer Herkunft. Leider sind wir Über den Beginn
n nicht unierrichtet; sein Angriff auf das Hieronische Katan*
1 vor Chr. — ist seine erste geschichtliche Tbat. Er kam airf
die günstigen Zeilumsttinde dahin aussubeuten, dass dem sike—
irame auf seiner heimatlichen Insel des Uebergewicht über die
I Griechen wieder zu Theil wUrde. Sein Zweck war eine Er—
beimischen Elements , wie sie in Italien selbst ein Vierteljahr—
durch die allerdings ungleich kraftigeren Samniten den helleni-
gegenUber gelang. Es werden schwerlich direkte Beziehungen
tewohnem des bergigen Samnium und den slammverwandlen
den haben : es sind die ähnlichen Verhaltnisse gewesen, welche
erzeugten. We Schwierigkeiten waren aber für ihre Durchfüh-
nicht gering. Zunächst war es unumgänglich uothweQdtg, dass
fesigescblossenrs Ganzes , gewissermnssen einen einzigen Slaat
theils durch die feindselige Einwirkung der Griecbeu, Iheils
1 Einigkeit unter den Stkelem verhindert werden konnte. Das
i war damals nach dem Sturze der Tyrannen nicht vorbanden ;
ite nur durch das Auftreten eines bedeutenden Hannes gehoben
tios zeigte sich der Aufgabe , die er sich selbst gestellt hatte,
irch die Gründung der Stadt Uenai und durdi die Eroberung
— Ol. 80, 2 (tS9 vor Chr.) — gab er den Sikelern einen Beweis
als Staatsmann und Feldherr zu leisten vermocht«, und einige
Ol. 81, 4 (453 vor Chr.) — vereinigte er wirklich sSmmtlicbe
3 mit einziger Ausnahme von Hybia — wohl dem ainSischen —
m Bunde, dessen Leiter im Krieg tmd Frieden er wojrde, und
Stadt in Palike hatte , das er in demselben Jahre am Palikense«
is scheint, mit den Einwohnern seiner Vaterstadt Neai. Es ist
dfeln, dass die unmittelbare Nachbarschaft des Nstiona I heilig—
de sowie seiner Autorität eine fatihere Weibe gebe« sollte,
r so die ihm nothig scheinenden Vorbereitungen beendigt hatte,
2, 1 — 458 vor Chr. — den Angriff auf die Griechen mit einem
adt Aetna , <ye erst vor Eureem von den durch Dukelios selbst
riebenen Hieronischen Kolonisten an der Stelle der Sikelerstadt
t war. Duketios fühlte sich also jetzt stark genug, um das, was
n als Bundesgenosse der Syrakusaner hatte zugeben nllsseB,
gig zu machen, und die damals seinem Volke entrissene, durch
I Kolonisten offenbar aus einem unbedeutenden Orte mächtig
t wieder in die Gewalt der Sikeler zu bringen. D»s Untemeh-
i(^dem der Anführer der Aetnäer aus dem Wege gerüumt war,
\. genommen. Dies war, wenn auch die Aetniier keine Freunde
icfaen Syrakusaner gewe^n waren, dennoch eine DemtUltigung
s dw ersten Hellenensifldt im Östlichen Sioilien. Jetzt wandte
chnell nach Westen , uro hin* durch einen recht unerwarteten
griechischen Plarlzes desto sicbeier zu siegen. ^Er warf sich aof
iche Kastell Hotyon , eineo Ort von unbekannter Lage. Iscwi-
ter die Syrakusaner sich rasch zur fiekämpfiang des pkttztidi
Daketios. 259
aui^gelaucbten NationalfeiBdes entscUossea und bereits ein Heer unter Bolkon
gegen ihn ausgesandt, welches sich nunmehr mit den Akragantinem vereinigte.
Aber Akragantiner und Syrakusaner wurden vom Könige der Sikeler geschlagen,
und den Fall von Molyon verhinderte nur das Eintreten des winterlichen Regen-
wetters. Die Syrakusaner waren so erbittert über ihre Niederlage, dass sie Bolkon
als Verräther hinrichten Hessen. Im nächsten Frühjahr — 454 v. Chr. — nahm
Duketios Motyon. Aber nun schickten die Syrakusaner einen neuen Feldherm
mit zahhreichen Truppen gegen ihn aus. Die Beere stiessen bei Nomai auf ein-
ander, dessen Lage unbekannt ist. Nach heissem Kampfe siegten die Griechen.
Von den Säelem fiel eine grosse Zahl , und die Ueberlebenden blieben nicht
alle ihrem Führer treu; viele zogen sidi, am Erfolge des Unternehmens ver-
zweifelnd, in ihre festen Städte zurück. Die auf diese Weise bedenklich gewor-
dene Steliong des Duketios ward noch unsicherer, als nun auch die Akragan-
tiser, durch das Beispiel von Syrakus ermuthigt, ausrückten, Motyon wieder
einnahmen und jetzt zum zweiten Mal ihr Heer mit dem syrakuaanischen ver-
einigten. Die Lage des Duketios ward bald eine ganz verzweifelte. Nur wenige
Bewaffnete, auf deren Treue er nicht mit völliger Sicherheit i*echnen konnte,
faielteo noch bei ihm aus. Sollte er sich in eine feste Stadt werfen? Vielleicht
nahm man ihn nicht einmal auf; sicherlich unterlag er dort früher oder später,
wens es den Syrakusanem Ernst war, ihn zu bezwingen. Er beschloss, einen
letzten kühnen Versuch zu machen, um womöglich sein Leben zu retten, sonst
aber einen schnellen Tod zu finden. Er war nicht weit von Syrakus entfernt.
In der Dunkelheit des Abends warf er sich auf ein Pferd und ritt schnell nach
d^ feindliehen Stadt. Als die Bürger am Morgen auf dem Markte erschienen,
da sass Duketios als Schutzflehender auf dem Altar und rief, dass er sich und
sein Land den Syrakusanem überliefere. Es entstand ein gewaltiger Zusam-
menlauf, und das schnell zur Versammlung von den Behörden berufene Volk
verhandelte mit Eifer über die schwierige Frage, was mit dem besiegten Gegner
zu machen sei. Einige der gewöhnlichen sonst einflussreichen Volksredner
riethen, ihn als Feind zu behandeln ; angesehene und ältere Männer empfahlen,
sein Leben zu schon^oi. Nicht darnach müsse man fragen , was er verdient
habe, sondern was sich für Syrakus zu thun gezieme, und da gebiete die
Pflicht, die Götter, denen er sich anvertraut, zu ehren und den Schutzflehenden
nicht zu verderben. Dieser Aufruf an die Frömmigkeit und das Ehrgefühl des
Volkes von Syrakus war von Erfolg begleitet. Alle riefen einstimmig, der
Schutzflehende solle am Leben bleiben, und so war Duketios gerettet. Die
Syrakusaner , welche den Feind verschonen und doch nicht in Sicilien lassen
wollten, schickten ihn nach Korinth. Natürlich versprach Duketios, der sich ja
auf Gnade und Ungnade ergeben hatte , sich nicht ohne Erlaubniss der Syra-
kusaner aus jener Stadt zu entfernen, wogegen diese es übernahmen, reichlich
für seinen Unterhalt zu sorgen. Aber nach kurzer Zeit war der Sikeler schon
wieder in seiner Heimat. Hat er sein Wort gebrochen und den Syrakusanem
ihre Güte mit Undank gelohnt? Die näheren Umstände seiner Rückkehr sind
so eigenüiümlichep Art , dass man auf den Gedanken kommen muss , sie habe
nicht ganz gegen den V^iüen des Volkes von Syrakus stattgefunden. Er gab
vor, einen Orakelspruch empfangen zu haben, welcher ihm gebiete, in Sicilien
260 Drilles Buch. IV. Büi^erliche Verhältnisse bis mm Kriege mit Atlien.
auf der sogenannten schönen KUsle eine Kolonie aniulegen, in jener Gegend,
in der sich einst die Samier und Milesier hatten ansiedeln wollen. Auf Grund
dieses Orakels sammelte er viele Kolonisten luid fuhr mit ihnen nach Sicilien.
Wir dürfen als sicher annehmen, dass er wirklich einen Orakelspruch erhalten
orinlher, in deren Gewalt er sich befand, als Freunde der Syra-
erlich einen Betrug in dieser Sache geduldet haben würden. An-
■ingl es aber in die Augen, dass er, der Fremde und Gefangene,
;pruch in Griechenland nicht anders als auf Betrieb von einfluss-
nen erhalten konnte, die gewiss Nichts für einen Barbaren gethan
n , wenn es nicht zugleich einem griechischen Interesse gegolten
lommt noch, dass Duketios nicht mit Bewaffneten ans Korinth ab-
i, wie er doch offenbar that, wenn die Korintfaer es nicht billigten,
also möglich gewesen ist, nicht nur das Orakel, sondern auch die
ir Ausfuhrung desselben von den Hellenen zu erlangen, so müssen
;hlie$sen, dass die Syrakusaner, in deren Interesse er in Korinth
"Oten wurde, sein Unternehmen unter der Hand begünstigten, und
ftlr lässt sich unschwer nachweisen. Sie konnten den gedemüthig-
ih immer kräftigen und die ünthätigkeit sicheflich nur mit ausser-
^reben ertragenden Mann gebrauchen wollen, um sich in ihm und
;igem Bundesgenossen gegen die aufstrebenden Akragantiner m
che über das GlUck der Syrakusaner neidisch waren und die ein-
ihrle Begnadigung eines gemeinschaftlichen Feindes als eine ihnen
lane Beleidigung betiachtelen. Es ist auch nicht zu tiberseben,
i aus Griechenland Theilnehmer für seine neu zu gründende Stadt
lat. Dies konnten nur Griechen sein ; so erhalten wir denn das
le, wohl einzig dastehende Schauspiel eines Barbaren, der an der
riechen Hellas verlasst, um eine Kolonie zu gründen. Als er auf
tlichen Insel angekommen war , fand er auch bei seinen Lands-
UnterstUtzung , und besonders gewährte ihm Arcfaonides , der
n Herbita, einer mächtigen und volkreichen Stadt, Hülfe. Duketios
neue Stadt Kaieakte, kürzer Kalakle, die schüne Ktlsto. Gering-
Ueberresle , besonders Thonscherben , welche sich unterhalb des
irfes Caronia finden, das dem grossen Walde von Caronia den
«n hat, zeigen , dass hier eine alte Stadt lag, und die Angaben
3 von Kaiakte, die man aus dem späteren Allertbum besitzt, lassen
SS diese Stadt Kaiakte war. Der Ort hielt sich, durdi den Reich-
jend begünstigt, bis in die späteren Zeiten des Alterlhums. Leider
i über seine inneren Verhaltnisse überliefert , welche doch bei der
' Einwohnerschaft aus Griechen und Sikelem eigenthUmlich genug
müssen, — wenn wir nicht hierin schon einen Beleg von der als-
iderem Wege nachzuweisenden Grflcisirung der Sikeler sehen
I Syrakusaner erwartet hatten, trat ein. Die Akragantiner, schon
ir die Begnadigung des Duketios , wurden über seine Rückkehr,
neu hinterlistigen Streich der Syrakusaner betrachteten, vollends
fingen Kri^ mit ihnen an. Die Spaltung verbreitete sich über die
Ende des Dukettos. Hellenisirung der Insel. 261
anderen griechischen Städte der Insel. Von beiden Seiten wurden grosse Streit-
kräfte gesammelt, und es kam zu einer Schiacht am Himeraflusse — wahr-
scheinlich dem südlichen — , in welcher die Akragantiner den Kürzeren zogen
und mehr als Tausend der Ihrigen verloren. Jetzt wünschten sie wieder Frie-
den, der denn auch schnell abgeschlossen wurde, Ol. 83, 3 — 446 vor Chr.
Duketios, von dessen Betheiligung bei diesem Kriege wir Nichts hören, herrschte
noch mehrere Jahre in Kaiakte. Er versuchte noch einmal , einen sikelischen
Bund unter seiner Leitung zu Stande zu bringen , aber eine Krankheit raffte
ihn hinweg, bevor seine Pläne zur Reife gediehen waren. Er starb Ol. 85, 2 —
439 vor Chr. — nach einer politischen Laufbahn von 23 Jahren. Als dauernde
Erinnerung an seine Wirksamkeit blieben die drei von ihm gegründeten Städte
zurück : Menai, Palike und Kaiakte, von denen die erste als Mineo noch besteht,
die letzte wenigstens das ganze Alterthum hindurch bestanden hat , Palike da-
gegen zu Diodor^s Zeit bereits zerstört war, ohne dass wir sagen können, wann
und von wem. Die Einwirkung des Duketios auf sein Land ist eine nachhal-
tigere gewesen, als die des mächtigen Hieron, dessen Schöpfungen seinen Tod
kaum überdauerten.
Nach dem Ende des Duketios geschah das , worauf die Syrakusaner viel-
leicht gerechnet hatten , als sie ihm wieder nach Sicilien zurückzukehren er-
laubten : sie bemächtigten sich mit Leichtigkeit der Herrschaft in allen sikeli-
schen Städten — wie Diodor vielleicht mit einiger Uebertreibung sagt — mit
einziger Ausnahme der Stadt Trinakia, die einen ausserordentlich tapferen
Widerstand leistete. Als die kampffähigen Männer gefallen waren, tödteten sich
die meisten der älteren, um nicht in die Hände der Feinde zu fallen. So wur-
den endlich die Syrakusaner, welche mit Aufgebot ihrer ganzen Bundesgenos-
senschaft Trinakia bekämpft hatten, Herren der Stadt. Sie zerstörten sie,
verkauften die noch übrigen Einwohner als Sklaven und sandten die besten
Beutestücke nach Delphi als Geschenke an den Gott.
Diesen Ausgang hatte das Unternehmen der Sikeler , die Uebermacht der
Hellenen abzuschüttein. Es verschaffte den Syrakusanem die Gelegenheit, die
Stellung, welche sie unter den Tyrannen auf der Insel eingenommen hatten, als
freie Bürger wieder zu erringen. Nachdem sie kurze Zeit nach dem Sturze der
Tyrannen den Akragantinem und sogar den Sikelern für die ihnen geleistete
Hülfe hatten danken müssen, waren sie in einem Vierteljahrhundert wieder da-
hin gelangt, dass sie die Sikeler beherrschten imd die Akragantiner ihren Vor-
rang anerkannten.
Sie verstärkten nach ihren letzten Erfolgen ihre Streitkräfte. Es wurden
1 00 Trieren gezimmert, die Zahl der Reiter verdoppelt, das Fussvolk vermehrt
und den unterworfenen sikelischen Städten höhere Tribute auferlegt als zuvor.
Wir werden bald sehen , wohin sie zuerst ihre Hände ausstreckten ; aber die
Unternehmung , von der ich sprechen will , und die die grössten Folgen nach
sich zog, fand erst einige Jahre später Statt; zunächst herrschte noch eine
kurze Zeit Friede auf der Insel, über die sich der Einfluss des Hellenenthums
Doehr und mehr verbreitete. Das beweisen ausser dem Umstand, dass der
Sophist Hippias in der sikanischen Stadt Inykon viel Geld durch seinen Unter-
richt verdiente, besonders die Münzen. Unter den sikelischen Städten scheinen
^62 Drittes Buch. V. Literatur und geistiges Leben derselben Zeit.
nur Henna, Abakainon, Horgantion und Galaria, vielleicht auch Aetna und Ser-
gention bereits im 5. Jahf h. Vor Chr. eigei^ Mtmten geprägt zu haben , und
diese Monzen haben griechische Inschriften und griechischen Charakter. Henna
führt eine fackeltragende opfernde Frau, im Revers eine Frau in einem Wagen :
Hindeutung auf den Kult der Demeter ; Abakainon einen* bartigen , lorbeer-^
bekränzten Kopf Und im Revers eine Sau , ein Symbol ebenfalls der Demeter
(ähnlich auf Münzen von Eleusis) ; Morgantion einen bärtigen Kopf mit Binde,
im Revers eine Aehre ; Galaria einen sitzenden Zeus, im Revers einen stehen--
den Bakchos (Galaria war von Morges gegründet, und die Morgantinische Traube
war berühmt} ; Aetna einen Silenkopf (man denkt an den Weinbau des Ber-
ges] ; Sergention endlich, wenn anders die Inschrift richtig gedeutet wird, den
bärtigen Bakchoskopf, im Revers eine Traube. Man sieht die grosse Verbreitung
des Bakchoskultus über das Innere der Insel. Von den Elymerstädten hat Se—
gesta eine bedeutende Münzgeschichte ; man erkennt in der Inschrift Segesta—
zibemi eine in griechischen Buchstaben wiedergegebene , offenbar fremdartige
Sprache. Die Typen : der Frauenkopf (Aphrodite oder Segesta) und der Hund,
das Symbol des Flussgottes Krimisos, haben griechischen Charakter, wobei'in
jenem ein eigenthümliches Festhalten am alterthümlichen Gepräge bemerkbar
wird. Auch von Entella und Eryx gehören Münzen mit griechischer Inschrift
offenbar in unsere Zeit. Entella zeigt auf der einen Seite einen Stier mit Men—
schenantlitz, auf der andern eine opfernde Frau ; Eryx die sitzende Aphrodite,
eine Taube auf der Hand, auf dem Revers einen Hund. Von den phönicischen
Städten hat Motye am meisten den Einfluss der Griechen erfahren. Es giebt
Mtmzen dieser Stadt, die mit dem weiblichen Kopf und dem Hund Aehnlichkeii
mit den segestanischen haben. Dass andere auf herrschenden Einfluss von
Akragas hinweisen, sahen wir schon. Akragas hat aber auch über Eryx. seine
gewaltige Hand ausgestreckt; das zeigen alte Münzen von Eryx, auf denen die
Typen akragantinisch sind, und nur die Umschrift lehrt, dass sie für Eryx be-
stimmt waren. Am schwächsten war der Einfluss der Griechen vielleicht auf
der Nordküste. Doch giebt es auch von Panormos Münzen, die den hellenisdien
Einfluss des fünften Jahrhunderts vor Chr. zu verrathen scheinen.
Fünftes Kapitel.
Literatur und geistiges leben derselben Zelt.
In der von dem Sturze der Tyrannen bis zur grossen Athenischen Expe-
dition verfliessenden Zeit schritt die Rildung auf der Insel bedeutend vorwärts,
und Sicilien hatte auch jetzt wieder, wie schon früher, den Ruhm, der geistigen
Thätigkeit der Griechen einige neue Bahnen erofihet zu haben. Die Epoche der
Tyrannen war besonders der Poesie günstig gewesen, die der Freiheit war es
vorzugsweise den Wissenschaften und der Ausbildung der Prosa; zugiddi
EmpedoUes. 263
Hiacbte aber auoh die bildeode Kunsl , für welche allen Hellenen eine ausser^
ordentliche Begabung eigen war, die entsobiedensten Fortschritte in Sicilien.
Zunächst war'es von grosser Bedeutung, dass die bereits in Kleinasien und
in Unteritalien heimisch gewordene Philosophie jetzt auch auf unserer Insel
Wurzel schlug. Der Anstoss hierzu, der natürlich vor Alleoi von Italien aus^
gmg, war nach dem Charakter der beiden dort blühenden Philosopheoschulen
ein dof^lter. Vor allen Dingen konnte die pythagoreische Lehre nicht ver-
fehlen , auch in Sicilien Anhänger zu enTS'erben. Der grossartige Inhalt dieses
Systems, das Gewicht, welches Pythagoras auf die Harmonie im Kosmos legte,
die Lehre vom himmlischen Ursprünge und der Wanderung der Seelen, endlich
der strenge Lebenswandel der Pythagoreer, dies Alles musste auch auf die
Sikelioten grossen Eindruck machen, und wir haben bereits gesehen, dass
Epicbarmos nicht ohne einige Kenntniss dieser Philosophie war. Andererseits
konnte es der Eieatischen Sdiule nicht schwer werden , in Sicilien Freunde siu
gewinnen, um so mehr, da Xenophanes, ihr Gründer, sich hier an verschie-"
denen Orten und zuletzt auch am Hofe Hieron^s aufgehalten hatte. Der a]3
speculativer Philosoph seinen Meister noch UbertrelSende Schüler des Xeno-
phanes , Parmenides , ist wohl , wie er nach Athen reiste , so auch in den be-
rühmten und reichen Städten Siciliens, die seiner Vaterstadt Eiea so nahe lagen,
gewesen, obwohl allerdings keine ausdillcklichen Nachrichten hierüber vor-
liegen. Seine Lehre von dem einzigen und ungetheilten Sein, das die Wahrheit
ist, während die Vielheit und Veränderlichkeit des Seienden nur auf sinnlicher,
das heisst irrthümlicher Wahrnehmung beruht, konnte den Sikelioten, die schon
in den Lustspielen des Epicharmos auf den Unterschied des sinnlichen und
geistigen Gebietes aufmerksam gemacht waren, nicht fremd vorkommen. Ausser
diesen Lehren italischen Ursprungs musste aber auch die Philosophie der asia-
tischen lonier, die nach dem UrstofFe forschten, als eine äusserst beachtens-^
werthe Art der philosophischen Untersuchung erseheinen, und endlich der
Versuch des Anaxagoras, der zuerst mit Entschiedenheit das ideale Princip des
Geistes an die Spitze stellte, zum Nachdenken auffordern.
Alle diese Einflüsse, und vorzugsweise die erstgenannten, vereinigten sich,
um eine Philosophie von grossartigem Charakter und einen Philosophen , der
eine der merkwürdigsten Erscheinungen des Alterthums ist, hervorzubringen,
Empedokies, Heton's Sohn, der um OL 72-— 74 aa 499-— 84 vor Chr. ge-<-
boren wurde. Sein gleichnamiger Grossvater hatte mit Rennpferden in Olympia
gesiegt und als strenger Pythagoreer, der sich der Fleischspeisen enthalten
musste , auch die Festgesandtschaften statt mit einem Ochsen mit einem aus
Mehl und Honig gebackenen Kuchen , der die Gestalt eines Ochsen hatte , be-
vrirthet. Fast alle Häupter der oben genannten philosophischen Schulen werden
als Lehrer des Empedokies genannt, so Xenophanes und Parmenides, Anaxa-^
goras und besonders Pythagoras , mit dessen Sohn Telauges er befreundet ge-
wesen sein soll. Empedokies galt selbst als Pythagoreer , und es wurde die
Behauptung aufgestellt, dass er wegen unerlaubter VerölBEentlichung der Ge-
heimlehren des Meisters aus dem Bunde der Freunde ausgestossen worden sei.
Ob er wirklich einen von jenen Männern gehlkt hat , vermiigen wir nicht zu
entßcheidHi ; sicher ist nur, dass ihre Lehren einen mächtigen Einfluss auf ihn
^.. 11^^
264 Drittes Buch. V. Literatur und geistiges Leben derselben Zeit.
ausübten. Es ist nicht einmal bekannt , wo er seine Bildung empfing , wahr-
scheinlich aber geschah es nicht blos in Sicilien. Ihm wurden im Alterthum
ebenso wie Pythagoras, Piaton und anderen berühmten Philosophen grosse
Reisen zugeschrieben , die er über's Meer gemacht habe , um die Weisheit des
Orients kennen zu lernen. Nun ist es allerdings wahr, dass er, um die specu-
lativen Hauptsätze seiner Philosophie zu finden , nicht nOthig hatte, den Orient
zu besuchen ; das Studium der Natur und der grossen hellenischen Philosophen
vor ihm reichte dazu vollkommen aus. Ein Anderes ist es aber mit der Stel-
lung, welche Empedokies überhaupt im Leben einnahm. Es muss zweifelhaft
erscheinen , ob ein Mann , wie begabt er auch sein mochte , der sein Vaterland
nie verlassen hatte, sie erreichen konnte. Ich meine natürlich nicht vorzugs-
weise seine oben besprochene politische Thätigkeit; Empedokies war nicht blos
Philosoph und Staatsmann. Er wollte seinen Landsleuten in allen Stücken
nützen. Das am wenigsten Auffallende und Ausserordentliche in seiner Wirk-
samkeit war noch der Gebrauch, den er von seinem grossen Vermögen machte,
das er zur Unterstützung der Aermeren — insbesondere wird die Ausstattung
unbemittelter Bürgerstöchter erwähnt — verwandte. Sodann war er Arzt, aber
nicht oder wenigstens nicht blos im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Er wollte
als Wundertbäter angesehen werden. Er hat selbst von sich gesagt :
euch waodl' ich, ein seliger Gott, auf der Erde,
Nicht mehr sterblich, von Allen geehrt, denn also geziemt sich's ;
Rings mit heiligen Binden umlcrftnzt, und grünenden Zweigen.
Zieh ich nun also einher durch die Schaai* reichblühender Städte,
Werd' ich von Männern verehrt und von Weibern. Tausende strömen
Hinter mir her, zu erfragen die Wege des Heils und der Rettung,
Einige wollen Orakel von mir, die Andern begehren
Wirksam heilende Mittel zu hören für allerlei Krankheit.
Sein Anzug war, wie er selbst andeutet, seiner Rolle entsprechend. Mit einem
Purpurgewande bekleidet, das lang herabwallende Haar mit Binden geschmückt,
in der Hand die Ej^nze des delphischen Gottes, mit ehernen, klingenden Sohlen
unter den Füssen , so zog er durch die Städte der Insel. Dass er Beifall fand
und Erfolg hatte , wissen wir nicht blos aus seinen eigenen Worten. Es war
eine berühmte That von ihm , dass er eine von allen anderen Aerzten auf-
gegebene Akragantinerin Pantheia , die , wie es hiess , längere Zeit leblos da-
gelegen hatte, wieder in's Bewusstsein zurückrief. Heraklides Pontikos hatte
ein besonderes Buch über diese Geschichte geschrieben. Er benutzte die Musik
als Heilmittel bei Affectionen des Gemüthes. Durch sie soll er in allerdings
schwer begreiflicher Weise einen Jüngling, der schon das Schwert gezückt
hatte, seinen Gastfreund zu ermorden, von der Ausführung der That abgehalten
haben. Einen grossen Namen machte er sich femer als BeheiTscher der Ele-
mente und als WindbeschwOrer. Timaios erzählte, dass er, als einmal die heftig
wehenden Etesien die Feldfrüchte beschädigten, Schläuche von Eselshäutea
auf den Bergen aufstellen Hess, welche den Wind unschädlich maditen, und
Plutarch meint, dass er mit diesen Eselshäuten Bergspalten, welche den schäd-
lichen Südwind zuliessen , verstopft und so seinen Zweck erreicht habe , eine
Darstellungsweise, welche offenbar bestimmt ist, das Wunder auf natürlichem
Wege zu erklären , freilich mit wenig Glück. Was er zur Verbesserung des
Empedokles. 265
r
Gesundheitszustandes von Selinus that, trägt weniger den Charakter des Ueber-
natttrlichen. Die Ausdünstungen eines Gewässers, das Laertios Diogenes einen
Fluss nennt , riefen eine so schlimme Seuche in der Stadt hervor , dass Viele
starben und die Weiber nicht gebären konnten. Da Hess Empedokles auf seine
Kosten das Wasser zweier benachbarten Flüsse in den Sumpf leiten und machte
so den Ausdünstungen und damit der Epidemie ein Ende. Als nun später die
Selinuntier am Flusse ein Gelage hielten, da erschien Empedokles unter ihnen,
und Alle warfen sich vor ihm nieder und beteten ihn an wie einen Gott. Es
scheint sogar, dass das Volk der Stadt das Andenken an diese Begebenheit durch
Münzen verewigte, auf deren einer Seite der Flussgott Sellnu» oder Uypsas auf
einem Altare eine Spende darbringt, während die andere Apoll und Diana auf
einer Biga, jenen einen Pfeil abschiessend, diese die Zügel haltend, zeigt. Kön-
nen wir nun annehmen, dass Empedokles die Stellung eines Wunderthäters,
die wir ihn unter allgemeinem Beifall einnehmen sehen , so glänzend auszu-
füllen vermochte , wenn er nur in Sicilien unter den Augen seiner Landsleute
seine Bildung empfangen hatte '? Die ungewöhnliche Roll6 , welche er spielte,
wird gewiss erklärlicher, wenn wir voraussetzen, dass er eine Zeit lang im
Oriente, vielleicht in Aegypten, verweilte. Nach uralter Erfahrung gilt der
Prophet Nichts in seinem Vaterlande. Empedokles macht eine Ausnahme davon.
Aber wir dürfen, was wir zur Erklärung der seltenen Thatsache herbeizuziehen
vermögen, nicht verschmähen.
Ziemlich sicher ist, dass er die Stadt Thurii bald nach ihrer Gründung
(443 v. Chr.) besuchte, und dass er im höheren Alter eine Reise nach dem
Peloponnes machte , wo er bei den olympischen Spielen die allgemeine Auf-
merksamkeit erregte. Nach einer vereinzelten Nachricht hätte er an dem Kriege
der Syrakusaner gegen die Athener Theil genommen , und man hat die Ver-
muthung aufgestellt, es möchte dies der erste Krieg 427 vor Chr. gewesen sein,
und die Akragantiner, denen Syrakus stets im Lichte einer lästigen Neben-
buhlerin erschien , deswegen den Entschluss gefasst haben , ihm die Rückkehr
in seine Vaterstadt zu versagen. Nun wird uns zwar nicht ausdrücklich über-
liefert, dass Akragas sich beim ersten Kriege der Athener in Sicilien so miss-
gttnstig gegen Syrakus zeigte, wie beim zweiten, aber unwahrscheinlich ist es
nicht, und das wurde allerdings im Alterthum behauptet, dass die Nachkom-
men der Feinde des Empedokles seine Rückkehr nach Akragas zu verhindern
gewusst hätten, so dass er in der Fremde sein Leben beschlossen habe, und
zwar im Peloponnes. Nach der wahrscheinlichsten Angabe, der des Aristoteles,
brachte er es nur auf 60 Jahre, so dass er um Ol. 89 — 424 vor Chr. ge-
storben wäre. An seinen Tod heften sich die manuichfaltigsten Sagen, die das
Mass des sonst bei berühmten griechischen Schriftstellern gebräuchlichen
Wunderbaren ebenso weit überschreiten, wie sein Leben an Wundem reicher
war , als das der andern. Einige knüpften sein Ende an eine seiner ausser-
ordentlichen Thaten. Er veranstaltete nach der Wiederbelebung der Pantheia
ein grosses Opferfest auf dem Landgute des Peisianax. Nach der Mahlzeit, als die
Dunkelheit anbrach, entfernten sich Alle, um zu ruhen; nur Empedokles blieb
zurück. Am andern Morgen aber, da man ihn suchte , war er verschwunden.
Man fragte die Sklaven ; sie wussten von Nichts. Nur Einer sagte, er habe in
Drittes Bach. V. Literatur und geistiges Leben derselben Zeit.
Naoien Empedokles iiifen hören, da s«i er autgestanden und habe
limmel gesehen uod FackeUcfaein. Sein Freund Pauaaoias lies»
iim (örschen, bald aber hörte er damit auf und sagte, Empedokles
Eworden, und opferte ihm wie einem GoU«. Das war der Bericht
e ; seine Feinde und Neider verbreiteten dagegen , er habe eich
^estUrzt, damit jede Spur von ihm verschwände nnd man ihn
er verseilt glaube; aber, setzten sie boshaft hinzu, seine Absicht
cht worden , denn der Vulkan habe eine seiner ehernen Sandalen
vorfen und so den Betrug offenbart. Die zum Spott erfundene
t bald als historische Thatsacbe, selbst für Anhänger des Empe-
liese, die den verehrten Mann von dem Vorwurfe des Betrugs
sn, behaupteten nun, er sei allerdings im Aetna umgekommen,
eines Ungltlcksfalles , der ihn beim Beobachten der Phänomene
nden Berges betroffen habe. So ist es denn gekommen, dass man
hat, den Aetna mit dem Namen des Empedokles in Verbindung
ind dass die antiken Ueberreste, die sich, wie wir wissen, in
a mehr als 9000 Fuss auf ihm erhallen haben , vom Vtrike der
lilosophen genannt werden. Uebrigens war man nicht damit xu—
'od des Empedokles dem Feuer ziuuschreiben, man brachte auch
iemente, die dem Philoso^dien ihren Buhra verdankten, damit in
Einige lassen ihn durch Erhangen — also in der Luft — -, Andere
lurz auf dem Lande , noch Andere endlich durch Ertrinken um-
> vereinzelte Nachridit , in H^^ra werde sein Grab gexeigt, fand
rthum keinen rechten Glauben. Die Akragantiner errichteten ihm
'ode eine Bildsäule, die ihn mit verhülltem Antlitz , wahrschein—
r verborgenen Tiefe seiner Weisheit , darstellte , imd die später
(1, wo sie vor der Curie aufgestellt wurde.
iften des Empedokles , von denen wir nur Bruchstücke haben,
en abgefssst. Es ist didaktische Poesie , wie sie seit Besiod bei
gebrauchlich war. Sein Hauptwei^ wird unter dem Titel >Voa
igefubrt; es enthielt 2000 Verse. Von den drei Theiien, aus
md , scheint der erste nach einem allegorisirenden Eingange die
esetze des Seins und die Lehre vom All , der zweite das Werden
Wesen, der dritte endlich die Bildung des Henschen und die
Seele dargestellt lu haben. Das zweite bedeutende Gedidtt des
iess die SUhnungen. Es war asketisch-ethischen Charakters nnd
Verse. Bisweilen wurde es mit dem Vorhergehenden zu einem
inel. Sodann gab es noch von ihm ein ärztliches Lehi^edicht von
Ausserdem hat Empedokles politische Gedichte verfasst , ferner
auf Apollon und ein unvollendet gebliebenes Gedicht auf den
rkrieg , welche aber beide von seiner Schwester oder von seiner
unnt wurden. Endlich haben wir noch zwei Epigramme von ihm
a ihm befreundeten Aerzte Akron imd Pausaoias. Wenn ihm
^esdirieben werden, so wird dies auf einer Verwechselung mit
lamigen Enkel beruhen , der ein fruchtbarer Trauerspieldkhter
i Suidas i8 Tragödien beilegt. Die Allen bewunderten am Empe-
Empedokles. 267
dokles den gewaltigen, an Metaphern reichen Ausdruck, der sich, in den ktthn-
sten, jedoch immer die Sache treffenden Wortbildungen ergeht, und fanden in
dieser Beziehung etwas Homerisches in ihm , während andererseits Aristoteles
tnit Hecht bemerkte , dass Empedokles mehr Physiolog als Dichter sei. Wegen
der Härte des Ausdrucks stellt ihn Dionys von Halikamass dem Aischylos und
Pindar zur Seite. Sein ionischer Dialekt ist nidit durchweg rein. Er fand schon
früh Erklärer , wie denn der Eleat Zenon eine Auslegung des Empedokles ge-
schrieben haben soll. Ein Vorbild wurde er dem römischen Dichter Lucretius,
der ihm im ersten Buche seines Werkes über die Natur der Dinge ein glänzen-
des Denkmal gesetzt hat, indem er von Sidlien sagt, dass es, aus vielen Grün-
den bewundemswerth , doch nichts Herrlicheres , Heiligeres , Wunderbareres
und Theureres jemals besessen habe, als Empedokles, der kaum von Menschen
abzustammen scheine. Von den Schriften des Empedokles sind uns etwa 400
Yerse erhalten, aus denen wir mit Benutzung des sonst von den Alten über ihn
Berichteten uns ein freilich bisweilen etwas imklares Bild seiner Lehre machen
können. Jedoch ist nicht zu vergessen , dass eine in epischen Versen und Ho-
merischer Sprache abgefasste Darstellung philosophischer Lehren, die man als
eine letzte Hesiodeische Theogonie bezeichnet hat, überhaupt nicht die Klarheit
besitzen kann, die wir von einer Philosophie verlangen , und etwas Aehnliches
scheint schon Aristoteles gefühlt zu haben , der einmal Empedokles mit einem
Stammelnden vergleicht.
Von dem Grundsatze ausgehend, dass Nichts aus dem Nichts hervorgehen
und darin zurücktreten könne, schloss sich Empedokles an die Lehre des Ana-
ximandros an, dass Alles auf der W^elt durch Mischung entstehe und durch
Aufhebung der Mischung wieder verschwinde. Es giebt im eigentlichen Sinne
weder Werden nodbi Vergehen, weder Geburt noch Tod, sondern nur Mischung
des Getrennten und Sonderung des (jemischten. So erschien es ihm denn auch
unpassend, mit den ionischen Philosophen einen einzigen Grundstoff anzuneh«-
men, aus welchem die mannichfaltige Welt geworden wäre. Das kam ihm, wie
sch<m Parmenides, auch nur wie ein Werden aus Nichts vor, und er hielt eine
ursprüngliche Mehrheit von Grundstoffen für noth wendig, damit eine Mischung
überhaupt mißlich seL Während vor ihm schon Wasser, Luft, Feuer einzeln
für Elemente erklärt worden waren, nahm er, zu jenen die Erde hinzufügend,
alle vier zusammen als Elemente an und stellte so einen Satz auf, der die
Naturwissenschaft über 2000 Jahre beherrscht hat. In seiner dichterischen
Sprache nannte er die vier Elemente die Wurzeln des Alls und bezeichnete mit
mythischen, theilweise eigenthümlich gewählten Namen das Feuer als Zeus,
die Erde als Aidoneus, die Luft als Here, das Wasser als Nestis. Diese Ele-
mente sind ihm ungeworden und unvergänglich, gleich an Würde und Ge-
schlecht, aber völlig verschieden ihrem Wesen nach. Aus der Verbindung und
Scheidung derselben entsteht Alles. Als Ergänzung hiervon ist die ihm von
spateren Schriftstellern beigelegte Lehre anzusehen, dass die vier Elemente jedes
in kleine Theilchen , gewissermassen Atome zerfallen , die sich mit einander
veri^inden und von einander trennen. Es ist auch nicht abzusehen, vsde Empe-
d<^es sich einer solchen Voraussetzung hätte entziehen k<tonen ; d^in wenn
aus vier Elementen die Mannichfaltigk^t der bestehend^! Schöpfung, die Masse
268 Drittes Buch. V. Literatur und geistiges Leben derselben Zeit.
der verschiedenen Einzelwesen werden soll , so muss jedes Element aus einer
Anzahl kleiner Theile bestehen, die mit Theilen der anderen Elemente Verbin-
dungen eingehen. Wie entsteht nun aber die fortwährende Mischung der Ele-
mente? In ihrer Natur an sich kann der Grund dazu nicht liegen. Empedokles
fand ihn in zwei Kräften, die abwechselnd auf die Grundstoffe wirken, und die er
mit poetischen Namen als Freundschaft und Hass, mit mythischen als Aphrodite
und Ares bezeichnete. Sie heissen in rein wissenschaftliche Sprache übertragen
Anziehung und Abstossung. Wir finden somit bei dem alten akragantinischen ^
Philosophen zum ersten Male die Grundlagen der Naturanschauung, welche seit-
dem im Wesentlichen herrschend geblieben ist: einerseits die Materie, zerfal-
lend in vier Elemente , andererseits die Bewegung, welche in doppelter Weise,
als Anziehung und Abstossung sich äussert , also den Gegensatz von Kraft und
Stoff, deutlich genug ausgeprägt. Er ging aber noch einen Schritt weiter. Er sah
ein, dass man nach den Gesetzen forschen könne, welche die Thätigkeit der
Freundschaft und des Hasses regierten , und er verwies hierfür auf den Begriff
der Nothwendigkeit, des Schicksals. Wenn er nun an anderen Stellen dem Zufall
die Bolle des ordnenden Geistes der Welt anzuweisen scheint, so kann man sich
kaum der Annahme entziehen, dass er zwischen den scheinbar sich wider-
sprechenden Begriffen der Nothwendigkeit und des Zufalls keinen Unterschied
gesehen hat, eine Auffassung, die, wenn einmal der Gedanke eines personlichen
Gottes bei Seite gelassen wird, auch nichts Befremdendes haben kann. Wenn
wir endlich fragen, wie bei den Einzelwesen die fortwährende Mischung mit ein-
ander, die ihr Leben wie ihren Tod ausmacht. Statt findet, so antwortet Em-
pedokles darauf durch die Annahme von beständigen Ausflüssen, die von dem
einen Wesen sich in entsprechende Oeffnungen, Poren, des anderen ei^iessen.
Alles aber dachte er sich von Anfang an vereinigt in einem grossen Ganzen,
das er Sphairos, die Kugel, nannte, wie schon Parmenides in demselben Sinne
Sphaira gesagt hatte. Diese Weltkugel bezeichnete er auch als Gott und die Ele-
mente als seine Glieder. In dem Sphairos herrscht anfangs Harmonie, d. h. die
Liebe oder Freundschaft und in Folge davon vollständige Buhe. Dann begann
allmählich das entgegengesetzte Prinzip des Hasses sich zu regen, und die
Folge davon war eine gewaltige Erschütterung des Ganzen. Es bildete sich ein
Wirbel , in welchem die Elemente sich mischten und so die einzelnen Natur—
Wesen hervorbrachten. Die Bestimmung der Liebe war, den Mittelpunkt dieses
Wirbels einzunehmen ; von dem Hasse wird nicht so klar gesprochen , er be-
findet sich bald, an seinem Ziele angekommen, am äussersten Bande der Kugel,
bald in der untersten Tiefe , über deren nothwendigen Gegensatz , die Höhe,
jedoch Nichts bekannt ist. So vereinigt der Sphairos alle Gegensätze in sidi.
Es wird fortwährend Eins aus Vielem und «Vieles aus Einem , und insofern
herrscht die Vergänglicheit; insofern aber dieser fortwährende Uebergang nie-
mals aufhört , ist es doch wieder die Ruhe und Beständigkeit , die das Scepter
führt. Das Prinzip des Hasses nahm allmählich an Kraft ab und liess der
Freundschaft mehr und mehr das Uebergewicht. Die Bildung der einzelnen
Naturwesen ging vorzugsweise durch die Liebe vor sich ; in der ersten Zeit
ihrer Herrschaft blieb deshalb auch noch Manches von den Elementen unge-
mischt, so viel die Zwietracht, welche noch nicht an die äussersten Grenzen des
Lehren des Empedokies. 269
Kreises gewichen war, von der Verbindung zurückhielt. Eine andere Wirkung
des anfänglichen Uebergewichts des Hasses bestand darin , dass die sich bil-
denden Einzelwesen zuerst hiSsslich und ungesialt waren. Bei der Bildung der
gegenwärtig vorhandenen Welt ordneten sich anfangs die Elemente so, dass
die Erde den untersten Raum einnahm , worauf nach oben hin Wasser , Luft
und Feuer folgten. Die wirbelnde Drehung des Ganzen mischte sie aber der-
gestalt durch einander, dass, wie sich an den wannen Quellen zeigte, das Feuer
auch unterhalb der Erde sich fand , und nun neue Wesen entstehen konnten,
deren Bildung Empedokies mit dem Verfahren des Malers verglich, der die
Farben durch einander mischt. Der Himmel ist ihm eine feste, eisähnliche Masse,
aus Luft bestehend, welche durch Feuer verdichtet worden ist. Er unterschied
zwei Hemisphären, in deren einer das feurige, der andern das luftige Element
vorherrschte. Die Sonne ist eine grosse Anhäufung von Feuer, aber nicht aus
dem reinen Element gebildet ; sie wird deshalb auch als ein Abglanz desselben
bezeichnet. Anfangs hatte sie sich langsamer bewegt als jetzt, so dass ein Tag
gleich zehn, sodann gleich sieben der jetzigen Monate gewesen war. Sie ist etwa
so gross wie die Erde selbst und dreimal so weit von ihr entfernt als der Mond.
Dieser ist ihm eine hagelartige Verdichtung der Luft, sein Licht eine Abspiege-
lung des Sonnenlichtes. Er schreibt ihm ein funkelndes Auge zu, mit demselben
Worte, das Homer von der Athene gebraucht. Der Mond verursacht die Sonnen-
finsternisse, wenn er auf seiner Bahn um die Erde zwischen sie und die Sonne
tritt. Die Sterne sind feurige Massen, welche die Luft aus sich herausgestossen
hat , und zwar sind die Fixsterne am Himmelsgewölbe befestigt , während die
Planeten sich bewegen. Den Blitz hielt Empedokies für einen Sonnenstrahl, der
sich durch eine Wolke Bahn machen muss , wobei das Erlöschen des Feuers
das Geräusch des Donners hervorbringt. Regen entsteht durch das Heraus-
pressen des Wassers aus der Luft ,' Hagel ist eine Verdichtung der kalten Luft
durch das Feuer. Die Winde werden durch die Einwirkung der zwei Himmels-
hemisphären hervorgebracht; den kalten Nordwind erzeugt die Lufthemisphäre,
den warmen Südwind die feurige Halbkugel, und auf diese beiden Winde müssen
die übrigen zurückgeführt werden. Die Kraft der Sonne bewirkte , dass die
Luft ihr wich und in Folge davon der Norden der Erde sich hob und der Süden
sich senkte. Jener galt ihm als die rechte , dieser als die linke Seite der Welt.
Auf der Erde, die er sich im Mittelpunkte befindlich und durch die Gewalt der
um sie kreisenden Körper in Ruhe gehalten dachte, bildete sich das Meer als
eine Ausschwitzung durch die Kraft des Feuers. Das Feurige fand er auch in
den Metallspiegeln , aus denen es ausströmend in der davor befindlichen Luft
Bilder der Gegenstände hervorbringt. In der Anziehungskraft des Magneten sah
Empedokies eine besondere Bestätigung seiner oben erwähnten Theorie von
den Aus- und Einströmungen der Körper.
Die Pflanzen entstanden aus der Erde, ehe ihre Bildung noch vollendet,
ehe Tag und Nacht geschieden waren. Sie galten ihm als lebende Wesen so gut
wie die Thiere, nur dass sie an der Erde hafteten wie die Embryonen am Mut-
terieibe. Er verglich das Laub der Pflanzen mit den Haaren, Federn und
Schuppen der Thiere und nahm bei ihnen wie bei den Thieren eine Hervor-
bringung durch Zeugung an, nur mit dem Unterschiede, dass bei den Pflanzen
270 Drittes Bacb. V. Literatur und geistiges Leben derselben Zeit.
die Geschlechter in demselben Individuum vereinigt sind. Mit den Wurseln
gebi^ren die Pflanzen der Erde an und ziehen aus ihr ihre Nahrung, mit ietk
Zweigen^der Luft, die sie von oben ernährt. Da in den Einzelwesen die Eie^
mente gemischt sind und Gleichartiges immer durch Gleichartiges genährt wird,
Erde durch Erde, Luft durch Luft und Wasser durch Wasser, so nähren sieh
auch die Pflanzen auf diese Weise, durch Einströmen des gleichartigen Grund-
stoffes in die Poren derselben , welche je nach den Elementen verschieden ge«
staltet sind. In der Beschaffenheit der Poren fand Empedokles auch einen der
Gründe,gweshalb einige Bäume ihr Laub im Winter behalten, während anden»
es abwerfen. Bei diesen letzteren sind die Poren der unteren Theile enger, der
oberen weiter, daher die Ausströmungen grösser als die fortwährend wieder
aufgenommene Nahrung. Ein anderer Grund des Nichtabfallans der Blätter der
Palme , des Lorbeers , des Oelbanms und anderer Bäume liegt in der grösseren
Gleichmässigkeit der Mischung der Säfte, welche diese Pflanzen vor den übrigen
auszeichnet. Diese Bäume, den Oelbaum und vor allen den Lorbeer hielt
Empedokles besonders werth. Nach der Theorie der Aufnahme des Gleich-
artigen in die Pflanzen erklärt er den Wein für das im Holz der Bebe gegohrene
Wasser. Die Frucht bezeichnet er als das Ueberfliessen des in der Pflanze be-
findlichen Wässrigen und Feurigen. Das späte Reifen des Granatapfels komme,
meint er, von seinem Ueberflusse an Säften her.
Bei den Thieren war Empedokles der Ansicht , dass im Laufe der Zeit ein
allmähliches Aufsteigen von unvollkommeneren zu vollkommeneren Bildungen
Statt gefunden habe. Anfangs hatte der Hass noch das Uebei^ewicbt , und so
kam es, dass zuerst, als Glieder entstanden, diese sich noch nicht zu ganv^i
Körpern zusammenfanden. Er denkt sich höchst seltsam :
Zahlreich sprossten die Köpfe empor, des Nackens entbehrend,
Aroae auch schweiften umher, von den trägenden Schultern verlassen,
Einsam irrten die Augen, noch nicht io der Stirne befestigt.
Dann kamen die Glieder zusammen, aber zu monströsen Gestalten :
Leiber von Stieren mit menschlichem Haupt, stierhäuptige Menschen,
Gingen dann wieder hervor, auch Mischungen doppelten Wesens,
Männlich zugleich und weiblich, die riesigen Schreckengestalten.
Endlich fanden sich durch die Kraft der Freundschaft die Glieder zu harmoni-*
sehen Bildungen zusammen, und die Ungeheuer und Missgeburten verschv^an—
den. Die letzte Stufe der Entwicklung bestand endlich darin , dass diese Ein-
zelwesen nicht mehr aus den Elementen zusammengesetzt wurden, sondern
sich selber fortpflanzten. Empedokles hat offenbar die monströsen Gestalten
der Sage wissenschaftlich rechtfertigen wollen. Bei den ausgebildeten Thieren
ist die Verschiedenheit der Mischung die Ursache der Mannichfaltigkeit der Gat-
tungen. Dasjenige Element, welches in einem Thiere vorherrscht, dient dem-
selben auch als Wohnsitz, wobei Empedokles, da im Feuer keine Thiere leben,
auf den sonderbaren Gedanken kam, die feurige Natur den Fischen zuzuweisen,
welche im Wasser leben mttssten , damit so das ihnen eigene Uebermass der
Warme gemildert würde. In den einzelnen Thieren ist die Mischung der Ele-
mente wieder in der Weise vortianden , dass z. B. die Füsse der Erde , die
Atbmungsorgane der Luft angehören. Ausserdem sind aber noch die einzelnen
Lehren des Empedokles. 271
Kdrperbestandtheile aus den filemenien zusammengesetzt. So die Knochen aus
vier Theilen Feuer, zwei Theilen Erde und je einem Tfaeile Luft und, Wasser;
die Sehnen aus je einem Theil Feuer und Erde und doppelt so viel Wasser.
Am gleichmässigslen ist die Mischung der Elemente im Fleische und im Blute.
Empedokles beschäftigte sich sehr eingehend mit der Zeugung und Entstehung
der Thiere und Menschen. Der Unterschied der Geschlechter schien ihm in der
verschiedenen Wärme begründet, deren grösseres Maass er dem Manne zu«
schrieb. So glaubte er denn auch, dass die ersten MHnner im heissen Süden,
die ersten Frauen im kalten Norden entstanden seien. Die Wttrme und Kälte
spielt auch in dem Leben jedes einzelnen Wesens eine grosse Rolle. Der Schlaf
ist ein augenblickliches, der Tod ein dauerndes ZurOckti^ten der Wttrme. Wenn
dias Wesen d^ Jugend in das Ueberwiegen der Freundsdiaft gesetzt v^ird , so
scheint sich , da unzweifelhaft auch hier ein Vorherrschen der Wärme ange-
nommen werden musste, eine engere Beziehung zwischen Freundschaft und
Wärme lu ergeben. Aus den Sehnen werden , wenn sie mit der Luft in Be-
rtduHing kommen, die Nägel. Thränen und Schweiss presst das Blut bei ge-
steigerter Bewegung hervor ; Empedokles vergleicht diese Aussonderungen mit
der der Molken aus der Milch. Von der gi^ssten Wichtigkeit für den KOrper
sind auch hier wieder die Poren, durch welche besonders die Aufeahme der
Luft Statt findet , so dass eigentlich der ganze Körper athmet , nicht blos die
Longen. Wenn nämlich das Blut aus den feinen Rohren , welche in die Poren
münden , in das Innere des K(^rpers zurücktritt , so dringt die Luft nach und
erfüllt einen Theil des Kl^rpers. Alsbald aber strömt das Blut wieder nach der
Oberfläche zurück und treibt die Luft hinaus. Empedokles vergleicht in sehr
ausführlicher Schilderung diesen Vorgang mit dem Spiel , das ein Mädchen mit
der Klepsydra treibt, einem ehernen Gefösse mit langem Halse und vielfach
durchbohrtem Boden, durch welchen nur, wenn die Halsöfihung unverschlossen
ist, Wasser aus- und eindringti
Viel hat Empedokles sich mit den Sinnesthätigkeiten beschäftigt, welche
ebenfalls auf dem allgemeinen Grundsatze seiner Philosophie beruhen. Die
Elemente in uns erkennen die entsprechenden Elemente der Aussenwelt.
Er sagt :
Erde ja schauen mit Erde wir an, mit Wasser das Wasser,
Göttlichen Aether mit Aether, mit Feuer das fressende Feuer,
Liebe mit Liebe alleio, und den Hass mit grimmigem Hasse.
•
in den einzelnen Sinnen herrschen besondet^e Elemente vor. Das Auge ist vor-
zugsweise feuriger Natur. Es gleicht einer Laterne ; wie bei dieser schützen
die äusseren Häute das innere Feuer, und zwar gegen das Wasser, das eben-
falls zum Wesen des Auges gehört. Die verschiedene Farbe der Augen rührt
davon her, ob das feurige oder das wässerige Element überwiegt; die dunkeln
Augen enthalten mehr Feuchtigkeit , die hellen mehr Feuer, daher sehen diese
bei Nacht besser als jene, denn das grössere innere Feuer ist im Stande, einen
Mangel an äusserer Beleuchtung zu ersetzen. Die Möglichkeit des Sehens be-
ruht auf dem Zusammenkommen der Ausströmungen der Objecto und der-
jenigen des Auges ; dieses hat besondere Poren für die wasserigen, andere für
(be feurigen Theilchen , von denen jene die dunkeln , diese die hellen Körper
272 Drilles Buch. V. Literatur nod geUiiges Leben derselben Zeit.
IreSen und wahrnehmen. Das Bild liegt a)so ausserhalb des Änges, bei dessen
Bildung Enipedolües der Freundschaft eine besondere Thytigkeit zuschrieb.
Das Gehör entspricht dem Elemente der Luft. Dos Ohr nennt er dichterisch
einen Spross von Fleisch ; in demselben sei ein schneclLenfOrmigerKöi-per, an
den die bewegte Luft wie an eine Glocke schlage. Der Geschmack ist haupt-
sächlich im Wasser begründet. Ob er den Geruch mit der Erde in Verbindung
gebracht hat, ist nicht so deutlich zu erkennen ; zunächst steht er ihm mit dem
AthmungsproEess , also wieder mit der Luft, in Verbindung. Die Farben ent-
stehen naturlich aus der Mischung der Elemente, doch ist emem jeden eine be-
sondere Farbe eigen, dem Feuer weiss, dem Wasser schwarz, der Luft rath, der
Erde endlich gelblich. Die Begierden sind ihm das Verlangen nach dem Gleich-
artigen, dessen Aufnahme im EOrper, stets das Geftlbl des Wohlb^agens erregt.
Selbst das Denken knüpft Empedokles an einen bestimmten Stoff, wenn er sagt,
dass das um das Ben strömende Blut bei den Menschen der Gedanke sei. In
dem Blute fand er nSmbch die vollkommenste und bannonischsle Mischung der
Elemente. Von der Art und Weise der Mischung hängt auch die geistige Be-
gabung und das Temperament des Menseben ab : spärliche Elemententheile er-
zeugen iryige Menschen ; je dichter jene sind, desto lebhafter und rascher ist der
Geist. Wo eine richtige und harmonische Mischung einem besonderen Körper-
theile vorzugsweise zu Theil geworden ist, da eignet sich der Mensch vorzüglich
fUr die Th<!tigkeiten, welche sich dieses Theiles bedienen. Durch solche Mischui^
zeichnet sich z. B. die Hand des bildenden Künstlers und die Zunge des Redners
aus. Da so der Geist dem Empedokles nichts Anderes war, als die zusammen-
gefasste Thatigkeit des Körpers, so konnte er von der Einsicht, die den Hen-
< sehen erreichbar ist, keinen hohen Begriff haben. Er sagt von ihnen :
Freudlos dilrrtigeD Lebens ein winziges Tbeil nur'geDJesseDd,
Rafll sie ein frühes Geschick, gleich wirt>elndem Raucb sie zerstreuend.
Das nur glaubt ein Jeder, was ibm auf dem Wege sieb aufdrang.
HierhiH und dorthin getrieben, begehrt er, ein Ganzes zu finden;
Eillcr Wahn ! Nicht siebt er, nicht hört er ein solches im Leben,
Nicht euch im Geiste tiegreifl er's.
Empedokles forderte , dass man in dem Vertrauen auf die Richtigkeit des von
den Sinnen Geoffenbarlen nicht zu weit gehen solle.
Hemme den Glauben der Sinne, und denke das Klare der Dinge I
ruft er aus. Leider ist uns aus seiner Denklehre , wenn er eine solche über-
haupt aufgestellt hat, NicJits erhalten. Von seinen eigenen Lehren sagt er, dass
er gewiss wisse , sie seien wahr ; aber er klagt zugleich , dass der Glaube nur
schwer beim Menschen Eingang finde.
Den Menschen sind Dämonen beigeordnet, die in ihrem Wesen abstrakten
Begriffen entsprechen : Streit und Eintracht , Schönheit und Hasslichkeit,
Schnelligkeit und Langsamkeit, Entstehen und Untergang, Schlaf und Wachen,
Bew^ung und Buhe und andere, paarweise in Gegensätzen zusammengestellt.
Ausserdem nimmt Empedokles noch Götter an , die ebenso wie die Menschen
Produkte der Elementenmischung sind. Sie sind vergänglich wie diese , und
Menschen können zu Göttern, Götter zu Menschen werden. Das geschieht durch
die Seelenwanderung, welche dem Empedokles eine Folge von Vergehen ist,
Lehren des Empedokles. 273
die die Seelen sich haben zu Schulden kommen lassen. Sein Werk begann mit
dieser Lehre :
Ewig waltet ein Göttergesetz mit heiliger Ordnung ;
Wenn durch fravelnde That und Gewalt ein seliger Geist sich
Selber befleckt (denn lang ist allen Geistern das Leben),
Drei Myriaden von Zeiten dann lebt er in ferner Verbannung.
Und er fflgt hinzu :
So bin auch ich ein Verbannter auf Erden, ein irrender Flüchtling.
Die Seelen können die verschiedensten Leiber anziehen : er selber behauptet,
schon Vogel , Strauch, Fisch, Knabe und Mädchen gewesen zu sein. Gewisse
böse Geister werden ruhelos durch alle Elemente getrieben:
Erst in das Meer treibt jene der ^om des wehenden Aethers,
Wieder an's Land dann speit sie das Meer; zu den Flammen der Sonne
Stösst sie die Erde hinauf, und diese zum wirbelnden Aether ;
So fängt Einer vom Andern sie auf, doch hasst sie ein Jeder.
Die Guten dagegen werden endlich
zu Propheten, zu heiligen Sängern,
Auch zu Aerzten, zu Führern des Volks bei den sterblichen Menschen ;
Künftig entstehen sie wieder als angebetete Götter,
Sitzend am Tisch mit den andern Unsterblichen, selig geniessend
Göttlicher Freuden, befreit von der Sterblichen Noth und Bedrftngniss.
Ueber den menschenähnlidien Göttern aber stehen noch andere. Zunächst die
Elemente, welche ja Göttemamen tragen, dann das All selber, der grosse
Sphairos. Von diesem muss Empedokles sprechen, wenn er das Wesen Gottes
im Gegensatz zu den Vorstellungen des Volkes so schildert :
Nicht ragt Jenem ein menschliches Haupt stolz über die Glieder,
Nicht läuft Doppelgezweig ihm hinab vom menschlichen Rumpfe,
Nein, ganz ist er ein Geist, ein reiner und heiliger Wille,
Rasch durchwaltend die Welt, im raschen Flug des Gedankens.
Wir finden hier Empedokles in derselben Richtung thätig, die wir bereits Xeno-
phanes verfolgen sahen. Wie dieser, sucht er dem in den herkömmlichen An-
schauungen der Mythologie befangenen Volke den grossen Gedanken, dass Gott
ein Geist ist, in die Seele zu pflanzen ; wie dieser, giebt er dabei die Existenz
der Götter des hellenischen Olymps zu , indem er sie entweder als vollkom-
menere Menschen betrachtet oder ihnen auch einen allegorischen Sinn beilegt.
In wiefern freilich der l^öchste Gott des Empedokles in das System passt, in
welchem nur die Elemente und ihre Verbindungen Leben und Geist zu haben
scheinen, ist eine schwer zu entscheidende Frage. Das Empedokleische System
ist ein pantheistisches, und der Gott, den er in den angeführten Stellen schildert,
gleicht dem Gott des Monotheismus.
Die Anwendung der metaphysischen und physikalischen Lehren des Em-
pedokles auf die Gestaltung des Lebens der Menschen scheint vorzugsweise in
dem Gedichte von den SUhnungen enthalten gewesen zu sein. Die Ethik trat
im Gewände der Asketik auf, und Empedokles mag, wenn er auch nicht, wie
Pytbagoras, zu einem Kreise von Auserwählten sprach, dennoch in pythago-
reischer Weise manche dusserliche Handlungen als fUr das Heil des Menschen
nothwendig empfohlen haben. Seine Physik gab ihm ohne Schwierigkeit ein
Holm, OeBeh. Siciliens. L 48
274 Drittes Buch. V. Literatur und geistiges Leben derselben Zeit.
ethisches Princip. Er brauchte nur die Feindschaft als das Böse , die Freund-
schaft als das Gute zu betrachten , eine Deutung , die schon Aristoteles dem
£mpedokleiscben System entsprechend findet. Dann ergab sich das Weitere
von selbst. Es ist die Aufgabe des Menschen, das Reich des Ares zu beschrän-
ken, das der Kypris auszubreiten. Empedokles hielt es für zweckmassig, den
Menschen hierbei das Ideal eines früher vorhandenen seligen Zustandes vorzu—
malen, womit er sich mehr an die populären Vorstellungen vom goldenen Zeit-
alter als an seine eigene Philosophie anschloss. Er schildert die Menschen dieser
Zeit voll Begeisterung :
Jene verehrten den Ares noch nicht, den grimmigen Kriegsgott,
Nicht auch den herrschenden Zeus, noch Kronos oder Poseidon,
Sondern die Königin Kypris allein.
Dieser huldigten Alle mit frommen und kindlichen Gaben,
Farbige Bilder ihr bringend und köstlich duftende Salben,
Lautere Myrrhen zugleich und die liebliche Wolke des Weihrauchs,
Häufig zur Erde auch spendend die Werke der gelblichen Bienen.
Stierblut netzte noch nicht, unheiliges, ihre Altäre,
Sondern verflucht war dieses bei allen Geschlechtern der Menschen,
Opfernd ein lebendes Wesen, vom eigenen Fleische zu essen.
Alle Thiere waren damals freundlich gegen die Menschen , alle Bäume hatten
das ganze Jahr hindurch Blätter und trugen stets Früchte. Wie die Schlechtig-
keit in die Welt gekommen ist, die diesen seligen Zustand aufhob, erfahren wir
nicht, und gering ist die Zahl der Gebbte und Vorschriften, die, auf die Besserung
der Menschen abzielend , noch von Empedokles erhalten sind. Er prägt ein,
dass es ein allgemeines und ewiges, durch Himmel und Erde verbreitetes
Sittengesetz giebt, dem Alle unterworfen sind. . Er warnt vor dem Verbrechen
des Mordes. Aber Mord ist nicht blos die Tödtung von Menschen , auch der
Thiere Leben muss uns heilig sein. Denn in Folge der Seelenwanderung gehen
die menschlichen Seelen auch in Thiere über, und der Mensch könnte auf diese
Weise dazu kommen , seine eigenen nächsten Verwandten zu verzehren. Die
naheliegende Gonsequenz, aus demselben Grunde auch der vegetabilischen Nah-
rung — denn auch zu Pflanzen werden die Menschen — sich zu enthalten, hat
Empedokles natürlich nicht gezogen. Es müssen also, wenn er seinen Anhän-
gern den Genuss einzelner Pflanzen verwehrte, ihm dabei andere Gründe vor-
geschwebt haben. Er verbot, sich der Lorbeerblätter zu bedienen und Bohnen
zu gemessen; jenes offenbar, weil ihm der Lorbeerbaum der heiligste schien,
dieses entweder im Anschluss an Pythagoras oder direkt an die Aegypter , und
im letzten Grunde, weil die Bohne eine der Unterwelt und den Todten geweihte
Pflanze war. Das Leben auf der Erde ist dem Empedokles ein Leben in der
Verbannung, wie ein oben angeführter Vers zeigt. Er sagt von sich selbst :
0, aus was für Ehr' und aus was für Höhe des Glückes
Sank ich herab und verkehre nun hier mit den sterblichen Wesen.
Er vergleicht die Erde mit einer dunkeln Grotte und nennt sie einen unheim-
lichen Wohnsitz. Den Bösen verkündigt er, dass sie niemals von Kümmernissen
frei sein werden.
In der engsten Beziehung zu seiner physischen und ethischen Lehre steht
seine eigene Thütigkeit als Arzt und Zauberer. Welche Kräfte er sich selbst
zuschrieb, sehen wir aus folgenden Versen :
if
Empedokles als Arzt und Zauberer. 275
Welcherlei Mittel geworden ein Schirm vor Cebeln und Aller,
Wirst du erfahren, dieweil ich nur dir dies Alles verkünde.
Hemmen auch wirst du der Winde Gewalt, die mit giftigem Anhauch
Weit und breit die Gefilde, die blühenden, sengend verwüsten ;
Wieder zurück nach Belieben dann führst du die wehenden Winde ;
Auch aus schaurigem Regenerguss willkommene Trockniss
Bringst du den Menschen ; verschmachtet sodann in Dürre das Erdreich,
Güsse dann zauberst du wieder herbei des befruchtenden Regens ;
Ja, auch dem Hades entführst du die Kraft des gestorbenen Mannes.
Die Arzneiwissenschaft nahm gerade damals einen grossen Aufschwung ;
Hippokrates ist ein jüngerer Zeitgenosse des Empedokles. Aber neben der Ost-
lichen Schule, welcher dieser berühmteste der Aerzte des Alterthums angehörte,
gab es auch eine westliche , in Italien und Sicilien heimische. Gegen das Jahr
500 waren besonders die krotoniatischen Aerzte berühmt, vor Allen Demo-
kedes, der Freund des Pythagoras. Die enge Verbindung zwischen Medicin und
Philosophie zeigte sich sodann in den etwas dunkelen Beziehungen des Epi-
charmos zur Heilkunde. In Empedokles haben wir endlich einen Philosophen,
der selber ein grosser Arzt ist. Aber auch seine nächsten Freunde waren Aerzte :
Akren, Sohn des Xenon, und Pausanias. Als der erstere vom Bathe von Akra-
gas einen Platz erbat, um sich dort ein Familiengrab errichten zu lassen,
widersetzte sich Empedokles der Gewährung des Wunsches als der bürger-
lichen Gleichheit widersprechend und fragte , wie denn die Aufschiift lauten
sollte, etwa so — und nun trug er ein Distichon vor, in welchem er mit den
Namen Akren , Akragas und dem Worte akros , das sowohl hoch gelegen (von
der Stadt}, wie geschickt (vom Arzte), bedeutet, spielt. Wenn er da von
dem steilen Rande von Akragas spricht , der den Körper Akren ^s berge , so ist
der südliche , mit Tempeln gezierte Saum der Stadt nicht zu verkennen , und
wir werden bald sehen, dass dort wirklich Griiber gefunden worden sind. Der
zweite, Pausanias, war des Anchitos Sohn aus Gela. Beide galten mit Empe-
dokles noch den Späteren als trefifliche Aerzte , und Plinius bezeichnet sie als
Begründer einer neuen medicinischen Schule, der empirischen. Endlich haben
wir Empedokles noch als Zauberer zu betrachten. Dass nicht blos Spätere ihn
dafür hielten , dass er selbst als solcher gelten wollte , beweist die Nachricht
des Gorgias , dass er einer Zauberei des Empedokles beigewohnt habe , und
natürlich ist die Hemmung der Winde nebst den sonstigen Einwirkungen auf
die atmosphärischen Erscheinungen , die Empedokles zugeschrieben wurden,
unter keinem anderen Gesichtspunkte als dem der Zauberei zu betrachten. In
der That blieb für die spätere Zeit der akragantinische Philosoph eine der
HaupLautoritäten in dieser Beziehung ; es wurde sogar auf ihn der Unterschied
zurückgeführt , auf welchen die Zauberei sich hauptsächlich stützte , der zwi-
schen guten und bösen Dämonen , welche letztere vor ihm Niemand mit Ent-
schiedenheit anzunehmen gewagt hatte. Die Grundlage aber, auf welcher sich
dem Empedokles die Möglichkeit der Zauberei aufbaute, war keine andere als
seine Lehre von dem Hass und der Liebe, die Alles durchziehen, von der Ver-
wandtschaft und der Verschiedenheit, welche unter den irdischen Dingen durch
die sie bildenden Elemente obwalten. Wenn ihn seine Wissenschaft gelehrt
hatte, welche Steine und Kräuter mit diesem oder jenem Dämon, sei es ein
276 Drittes Buch. V. Literatur und geistiges Leben derselben Zeit.
guter oder böser , verwandt sind , so war es ihm auch möglich , durch diese
Dinge eine Herrschaft über die Dämonen auszuüben. Und so konnten denn
spätere Philosophen den Satz aufstellen , die wahre Zauberei , welche in der
Welt obwalte, sei der Hass und die Liebe und die Anwendung dieser Kräfte im
menschlichen Leben.
So haben wir die Züge gesammelt , welche das Alterthum in seinen ab-
gerissenen Berichten zu dem Bilde dieses merkwürdigen Mannes liefert. £m-
pedokles wollte, das ist klar, mehr sein als blosser Gelehrter, Arzt, Staatsmann
und Philosoph. Er wollte Alles umfassen ; er wollte wie ein Gottesbote den
Menschen in allen Stücken eine bessere Einsicht mittheilen ; er wollte Leben,
Wissenschaft, Religion umgestalten. Und hierbei ist zweierlei merkwürdig.
Einmal, dass er nicht, wie Pythagoras, eine geschlossene Schule oder Sekte zu
gründen versuchte, und zweitens , dass er keine heftigeren Verfolgungen aus-
zustehen hatte als gewöhnliche Staatsmänner. Jenes pflegt das Verfahren,
dieses das Loos der Neuerer zu sein. Aber vielleicht hat seine Wirksamkeit
durch uns unbekannte Ursachen ein plötzliches und frühzeitiges Ende gefun-
den; wir glauben wenigstens in seiner Laufbahn etwas Unfertiges , in seiner
Thätigkeit grossartige Anläufe ohne entsprechende Resultate zu erblicken. Oder
sollen wir annehmen, dass dem sicilischen Volksgeist, dem Empedokles offen—
bar entsprach, in seiner mehr praktischen Richtung der Sinn für religiöses
Sektenwesen schon damals zu sehr mangelte , als dass Empedokles ihn hätte
wachrufen können — auch Pythagoras scheint ja auf Sicilien wenig Theilnehmer
für seinen Geheimbund gefunden zu haben — , während andererseits die sici-
lischen Gemeinden vielleicht von jeher bei aller in den Parteikämpfen sich
zeigenden Leidenschaftlichkeit des Charakters von dem Fehler der Verfolgungs-
sucht ausgezeichneter Mitbürger verhältnissmässig frei gewesen sind. Genug,
wenn auch von seiner Lehre Manches , wie die vier Elemente , langen Bestand
gehabt hat, das Ganze derselben ist von keiner Philosophenschule aufgenommen
und fortgepflanzt worden, und Empedokles hat ausser Pausanias, der die Rolle
eines treuen Jüngers spielt, keinen Schüler gehabt, von dem wir wüssten.
Aber wenn sich Niemand zu seiner Erbschaft bekannt hat, so ist noch gar
nicht so sicher , ob nicht Empedokles selbst in viel höherem Grade , als man
gewöhnlich annimmt, blos der Erbe Anderer gewesen ist. Er konnte allerdings,
wie wir sahen, die Grundlagen seiner philosophischen Lehre aus dem Studium
der Natur und seiner hellenischen Vorgänger gewinnen ; wie aber , wenn er
Vieles fertig aus einem Lande entnahm , das des Merkwürdigen geni^ bot, aus
Acgypten? In der That ist eine grosse Uebereinstimmung zwischen Empedokles
und den Aegyptem nachgewiesen worden. Den Aegyptem ist das Urwesen imd
die höchste Gottheit eins mit dem All , und wenn in diesem Punkte die Ueber-
einstimmung noch ebenso sehr mit den Eleaten wie mit Empedokles Statt fin-
det , so kommen sie dagegen nur mit dem letzteren in der wichtigen Lehre von
den vier Elementen überein , und es ist nicht nachweisbar, dass sie dieselben
erst in späterer Zeit und etwa vom Empedokles angenommen hätten. Wie
dieser lehrten auch sie, dass aus der verschiedenartigen Mischung der Elemente
die Einzelwesen entstanden, und es sind trotz der Geringfügigkeit der über die
Details der Schöpfung nach Empedokleischer Ansicht vorhandenen Nachrichten
Empedokles und AegypteQ. Rhetorik. Korax. Tisias. 277
sogar hierbei einige Uebereinstimmungen mit der Lehre der Aegypter nach-
weisbar. So wissen wir^ dass diese wie Empedokles im Auge das Sonnenlicht
eingeschlossen glaubten, und dass ihnen wie dem akragantinischen Philosophen
das Herzblut der Sitz der Seele war. Ganz besonders tritt aber die Ueberein-
stimmung zwischen Beiden in dem ethischen Theile der Philosophie und in
dem, was wir bei Empedokles als Nebenwerk, wenngleich charakteristisches,
kennen gelernt haben , hervor. Die Seelenwanderung , wie die Aegypler sie
lehrten, ist ganz die Empedokleische ; auch ihnen ist die Erde ein finsterer Ort,
den die Seele mit Weinen und Jammern betritt; auch ihnen wie dem Empe-
dokles gilt der LOwe als eine besonders günstige Verkörperung ; auch ihnen
werden die guten Seelen Seher und Aerzte und F(li*sten und endlich den Göt-
tern gleich. Daran schliesst sich dann weiter, dass Aegypten das eigentliche
Heimatland der Zauberei war. Aegyptische Zauberer waren die berühmtesten
im Aherthum, und sie haben dieselben Wunderthaten verrichtet, die wir von
Empedokles hören; sie haben Wetter gemacht und Todte belebt. Endlich ist
auch die Heilkunde besonders in Aegypten geübt worden.
Es ist nun nicht leicht zu entscheiden , wie viel Empedokles wirklich den
aegyptischen Weisen entlehnt hat, und was er eigenen Studien oder hellenischen
Vorgängern verdankt. Doch scheint es, dass, wenn er in allen Dingen, die mit
dem praktischen Leben zusammenhangen, den Aegyptem viel verdankte, er
doch in der theoretischen Philosophie, in der Physik und Metaphysik noch mehr
Eigenes hatte. Für einen blossen Uebersetzer fremder Weisheit steht er zu
gewallig da.
Und überdies giebt es noch einen Punkt, in welchem dem Empedokles von
den Alten Ruhm gespendet wird, und wo er sicherlich als echter Sicilier, nicht
als Verbreiter fremder Künste gewirkt hat. Er galt als gross in einer damals
aufkeimenden Kunst, deren Erfindung ihm sogar von Aristoteles zugeschrieben
wurde : in der Rhetorik. Wenn diese nun auch nach der gewöhnlichen An-
nahme nicht von ihm erfunden ward, sondern schon etwas älteren Ursprungs
war, so herrscht doch darüber kein Zweifel bei den Alten, dass sie auf der
Insel Sicilien entstapden ist. Denn als Erfinder der Redekimst pflegt angeschen
zu werden der Syrakusaner Korax, von dessen Einfluss auf die öffentlichen
Angelegenheiten seiner Stadt besonders nach der Vertreibung der Tyrannen
bereits die Rede gewesen ist. Er scheint sowohl die politische Beredsamkeit
wie auch die gerichtliche , welche beide durch die wiederhergestellte Freiheit
begünstigt werden mussten, geübt zu haben, und entschloss sich dazu — was
neu und wichtig war — , die von ihm systematisch ausgearbeitete Kunstlehre
Anderen mitzutheilen, und zwar gegen angemessene Entschädigung. Sein vor-
züglichster Schüler war Tisias, der nach dem Schlüsse des Unterrichts nach
einer im Alterthum verbreiteten, natürlich wenig sicheren Erzählung die neu-
gelernte Kunst gegen den Meister wandte. Er hatte sich verpflichtet, nach ge-
wonnenem ersten Processe das bedungene Honorar zu zahlen, und als er
zögerte, einen Process anzunehmen, verklagte ihn sein behrer, indem er sagte,
er müsse jedenfalls zahlen ; wenn er verliere, nach dem Spruche des Gerichtes,
wenn er aber gewinne , nadi dem Gontracte.' Tisias wandte mit Leichtigkeit
das Dilemma gegen Korax, und die Richter des Streites begnügten sich, ein
278 Drittes Buch. V. Literatur und geistiges Leben derselben Zeit.
altes Sprichwort, das von schlechten Eiern eines schlechten Raben (korax)
redet, auf die Beiden anzuwenden. Tisias beschäftigte sich in Syrakus beson—
ders damit, gerichtliche Reden für Ändere zu schreiben, machte aber auch
Reisen in^s Ausland , wo er ebenfalls Gelegenheit fand , seine Kunst zu Üben.
Er war in Thurii und unterrichtete dort den Athener Lysias; er war aber auch
in Athen, und hier hatte Isokrates Gelegenheit, ihn zu hOren. Während so
durch Korax und Tisias Syrakus den Ruhm beansprucht, die Rhetorik hervor-
gebracht zu haben, kann Akragas dieselbe Ehre wegen des Empedokles sich
aneignen, der allgemein im Alterlhum als sehr erfahren in der Redekunst galt,
und den man doch niemals als einen Schüler des Korax oder Tisias bezeichnet
hat. Es hat bei Empedokles der grossere Ruhm des Philosophen und Wunder-
thäters den geringeren des Rhetors in Schatten gestellt.
Die beiden im Anfang getrennten Quellen der sicilischen Rhetorik, die
syrakusanische und die akragantinische, vereinigen sich indessen bald, um den
grössten und berühmtesten Rhetor Siciliens und vielleicht des gesammten Grie-
chenlands hervorzubringen: Gorgias aus Leontini, der zu gleicher Zeit als
Rhetor und als Sophist unter seinen Zeitgenossen das gewaltigste Aufsehen machte.
Wir müssen, um seine Stellung zu begreifen, einen Blick auf die Wii*ksamkeit
werfen , welche die Sophisten und Rhetoren überhaupt damals in Hellas aus-
übten , und uns die Ursachen vergegenwärtigen , die eine solche Wirksamkeit
ermöglichten. '
Das griechische Volk hatte bereits die glänzendsten Kriegsthaten vollführt;
es hatte in der epischen und lyrischen Dichtung das Höchste geleistet und im
Drama den Anfang einer grossen und schonen Laufbahn gemacht, als es in
Bezug auf Sitten und Gebräuche , in Bezug auf allgemeine Bildung, vor Allem
aber in Bezug auf den religiösen Glauben in seiner grossen Masse immer noch
das alte einfache Volk war , dem das Herkömmliche und Gewohnte den Cha-
rakter des Heiligen und Unantastbaren ti*ug. Anregungen, wie die durch Pytha-
goras gegebene , waren einerseits kaum in alle griechischen Gaue gedrungen
und hatten andererseits, den traditioneilen Religionsformen sich anbequemend,
sich zugleich mehr an eine geistige Elite des Volkes als an das ganze Volk ge-
wandt. Nun liegt aber im menschlichen Geiste ein nie ganz zu unterdrückender
Trieb nach dem Neuen, es liegt im menschlichen Herzen die unvertilgbare Nei-
gung, sich allen Schranken zum Trotz durch die Verfolgung dessen, was seine
Liebe zu gewinnen weiss , Befriedigung zu verschaffen , und je länger dieser
Trieb zurückgedrängt wird , um so ungestümer macht er sich Bahn , sobald er
einmal erregt worden ist. Die erste Erweckung desselben gelingt freilich nicht
immer. Die Geister eines Volkes müssen schon in einer gewissen Bewegung
sein , wenn die Keime neuer Ideen , die unter sie gestreut werden , nicht auf
einen unfruchtbaren Boden fallen sollen. Eine solche Bewegung wird aber
durch jede kräftige geistige Thätigkeit hervorgerufen , an welcher das ganze
Volk Antheil nimmt, mag dieselbe politische oder literarische oder sonst welche
Zwecke verfolgen. Sind einmal die Geister erregt, so ist ihnen jeder neue Sporn
zur Thätigkeit willkommen. Dies war gerade die Lage , in welcher sich die
Griechen seit dem zweiten Viertel des 5. Jahrh. vor Chr. befanden. Die Perser-
kriege sowohl wie der gleichzeitige Aufschwung der Literatur hatten den Geist
Rhetorik and SophisUk. 279
des Volkes in eine gewaltige Gahrung versetzt; er war fähig, Neues aufzu-
nehmen und begierig darnach, es sich anzueignen, sobald er es einmal gekostet
hatte. Nun ist Nichts verführerischer für einen begabten und strebsamen, aber
noch wenig ausgebildeten Geist, als die Ankündigung, dass ihm Fähigkeiten,
die er als das Resultat einer durch Uebung gesteigerten Naturgabe zu betrachten
gewohnt war, durch ein besonderes Studium zu Theil werden können. Diese
Ankündigung aber war es gerade, welche in einer geistig lebhaft angeregten
Zeit die Rhetoren und Sophisten dem griechischen Volke machten. War es zu
verwundem, dass es mit dem grössten Eifer darauf einging?
Die beiden Künste, um die es sich hier handelt, die Rhetoiik und die Sophi-
stik, stehen in der engsten Beziehung zu einander, wie denn auch die meisten
Männer, welche eine derselben übten, zugleich auch die andere betrieben. Ge-
meinschaftlich war beiden das Princip, dass lehrbar sei, was man bis dahin nicht
für lehrbar gehallen hatte , verschieden der Gegenstand : bei der Rhetorik die
Worte, bei der Sophistik die Thaten. Jene lehrte, zweckmässig zu reden, diese,
zweckmässig zu handeln, und der Zweck war in beiden Fällen nur der Erfolg, das
Gelingen der Pläne. Also wie Reden und Handluiigen der Menschen, so hängen
auch Rhetorik und Sophistik zusammen, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass
der einen mehr Wahrheit und Berechtigung innewohnt als der andern. Die Ver-
heissungen der Rhetorik sind einfach und verständlich. Es hat auch vor der Er-
findung derselben nicht an ausgezeichneten Rednern gefehlt , aber die Natur
und eigene Ueberlegung hatten sie dazu gemacht; jetzt kann Jeder lernen, wie
er sprechen muss, um zu überzeugen oder wenigstens zu überreden. Das nicht
so einfache Ziel der Sophistik lernen wir am deutlichsten kennen , wenn wir
hören, was Xenophon von dem Feldherrn Proxenos erzählt: »Proxenos der
Böoter wünschte schon als Knabe ein Mann zu werden , der im Stande wäre,
grosse Dinge auszuführen , und deswegen gab .er Gorgias dem Leontiner Geld.
Als er den Umgang desselben genossen hatte, hielt er sich für fähig, zu ge-
bieten.a Der Sophist verheisst also, durch seinen Unterricht dem Jünglinge
dieselbe Befähigung für jegliche Lebensstellung zu verschaffen , die bis dahin
nur das praktische Leben selbst geben zu können schien. Nachdem lange Zeit
hindurch bei den Griechen Dichter und Philosophen Schätze der Weisheit an's
Licht gefördert hatten, aber nur im Dienste der grossen Mächte des Lebens, der
Religion, Kunst und Wissenschaft, machten die Rhetoren und Sophisten es sich
zum Berufe, aus jenen Schätzen kleine Münzen zu prägen. Ist es zu ver wun-
dem, wenn nicht alle diese Münzen vollwichtig waren ? Ist es nicht sehr natür-
lich, dass es unter diesen Männern manche gab, die den selbstgewählten Beruf
nur als ein Gewerbe betrachteten, das möglichst viel Geld einbringen muss?
Dennoch würde man in einen grossen Irrthum verfallen, wenn man den
Rhetoren und Sophisten , durch deren Bekämpfung die Sokratische Schule sich
so grossen Ruhm erworben hat , einen durchweg schädlichen Einfluss auf das
hellenische Volk zuschreiben wollte. Allerdings war, was sie , und besonders
die Sophisten, zu lehren versprachen, nicht in dem Sinne lehrbar, wie sie es
vorgaben, aber daraus folgt weder, dass sie selbst Betrüger waren, noch auch,
dass ihre Lehren Nichts nützen konnten. Ein Beispiel eines durchaus ehren-
werthen und fruchtbaren Strebens giebt unter diesen Männern vor Allen Pro-
2gO Drittes Bach. Y. Literatur und geistiges Leben derselben Zeit.
dikos von Keos , dessen schone Dichtung vom Herakles , der am Scheidewege
der Tugend und dem Lasier begegnet, auf jugendliche Gemttther nur die heil-
samste Wirkung ausüben konnte. Im Wesentlichen war der Beruf der Rhetoren
und Sophisten ein durchaus praktischer , wie das besonders deutlidi das Auf-
treten eines ihrer Häupter, des Hippias aus Elis, zeigt. Dieser Mann behauptete
im Stande zu sein, in allen Zweigen menschlicher Thätigkeit Unterricht zu er-
theilen, und hatte, um seine Meisterschaft in allen auch dem blödesten Auge
darzuthun, sich zu einem wirklichen Universalgenie ausgebildet. Er war nicht
nur Redner, Dichter, Maler, er konnte sich auch rühmen , Nichts an seineoi
Körper zu tragen, das er nicht selbst verfertigt hätte, Ringe, Kleider^ Schuhe.
Es zeigt sich aber die Rücksicht auf das praktische Leben noch dadurch als das
bei den Sophisten überwiegende Interesse , dass sie für ihre Belehrung Geld
nahmen , das ihnen nicht etwa für die Mittheilung rein theoretischer Weisheit,
sondern gerade dafür gezahlt wurde, dass sie die Sdiüler tüchtig machten, ini
praktischen Leben Ehre und Geld zu erwerben. Ihnen einen Vorwurf daraus
zu machen , dass sie sich ihren Unterricht bezahlen liessen , würde selbst vom
antiken Standpunkt aus , den wir uns auch nicht allzu ideal denken dürfen,
eine Ungerechtigkeit sein ; wenn die Rhapsoden und Dichter von ihrer Kunsi
lebten, warum sollten die Sophisten es nicht von ihrer Weisheit?
Nach dem bisher Bemerkten gehören Rhetoren und Sophisten mehr in die
politische und Kulturgesdiichte des griechischen Volkes , als in die Geschichte
der griechischen Philosophie. Die Sophistik ist kein philosophisches Prinzip,
höchstens ein philosophischer Irrthum. Das hindert jedoch nicht, dass nicht
einzelne unter den Sophisten auch als Philosophen von Bedeutung waren. In
der That musste ein Mann, der die Griechen zu belehren dachte, sich in irgend
einer Weise als einen hervorragenden Geist zeigen , und so kam es, dass ein-
zelne und gerade die grOssten unter den Rhetoren und Sophisten auch philo-
sophische Sätze aufgestellt haben, die dem von ihnen gefühlten Bedürfniss, für
ihre Wirksamkeit eine tiefere Grundlage zu suchen, entsprangen. Es ist aber
auch leicht begreiflich, dass die Philosophie der Sophisten eine fast ausschliess—
lieh kritische war. Männer von einer so umfassenden praktischen Wirksamkeit,
wie sie, hatten nicht Müsse genug, um in ruhiger Sammlung des Geistes über
die Gestaltung eines grossartigen Systemes, das nur das Resultat eines ganzen,
einzig hierauf verwandten Lebens sein kann, nachzudenken; ihre Zeit erlaubte
ihnen nur , sich über einzelne Hauptfragen Klarheit zu verschaffen und durch
einige glänzende Argumentationen , bei denen gegen die Verneinung die Be-
jahung vollkommen zurücktritt, sich und Anderen eine gewisse Befriedigung
zu gewähren.
Das Ueberwiegen der praktischen Gesichtspunkte bei den Sophisten hatte
aber noch eine andere bedenklichere Folge. Der Erfolg im praktischen Leben,
der Gegenstand des Unterrichts der Sophisten , kann nicht immer auf geradem
und rechtlichem Wege erreicht werden. Der Mensch, welcher darnach trachtet,
muss häufig, wenn auch nicht selbst schlecht sein, so doch sich der Schlechtig-
keit Anderer anbequemen und sie zu billigen scheinen. Dem entsprechend
mussten die Sophisten nothwendig in ihrem Unterrichte, einen ebenso grossen,
ja grosseren Werth auf den Schein als auf das Wesen legen. Wollte ein Sophist
Rhetorik und Sophistik. Gorgias. 281
einen Jüngling zum Staatsmann ausbilden , so konnte er ihm nicht verhehlen,
dass im politischen Leben Fälle denkbar sind , wo das offene Aussprechen der
Wahrheit die Plane scheitern macht und kein anderer Weg als der der Verstel-
lung und Täuschung zum gewünschten Ziele führt. Wollte er Jemand zu einem
tüchtigen Advokaten machen , so musste er ihm anempfehlen , vor Allem die
guten Seiten seiner dienten hervorzuheben , und wenn keine vorhanden sein
soUten y sie zum Behufe seiner Sache zu erfinden. Auf diesQ Weise konnte es
nicht fehlen, dass Rhetoren und Sophisten bald als Lehrer des Scheins dastan-
den, und noch dazu des Scheines fUr Geld. So geneth denn auch bald, beson-
ders durch die Bestrebungen der Sokratischen Schule, die Thätigkeit der Sophi-
sten in Verruf, und die anfänglich ihnen so günstige Volksstimmung schlug in
ihr Gegentheil um. Man begann einzusehen , was man im ersten Rausche der
Begeisterung über den Glanz der neuen Lehre ganz verkannt hatte , dass der
praktische Staatsmann nicht durch den Unterricht einzelner, wenn auch noch
so weiser Menschen , sondern nur durch die eigene , allerdings viel schwerer
zu erlangende Erfahrung gebildet werden kann, und dass der Beruf eines
Lehrers für Alles, wie ihn die Sophisten als ihr Ideal aufstellten, ein widersin-
niger und unmöglicher sei. Nun trennte man die anfangs eng verbundenen und
stets in denselben Persönlichkeiten vereinigten Künste der Rhetorik und Sophi-
stik, warf die letztere als nichtig bei Seite und bildete die Rhetorik, die eine
Zukunft hatte, weiter aus.
Es scheint fast, als ob der Mann, zu dem wir uns nach diesen allgemeinen
Bemerkungen über die Natur der Rhetorik und Sophistik zurückwenden, bereits
eine Ahnung von dem wahren Werthe der beiden Künste hatte, denn er wollte
nie anders als Rhetor genannt sein. Gorgias, der Sohn des Karmantidas oder
Charmantidas, war in Leontini um die 73. Olympiade (488 vor Chr.) geboren.
Von seiner Familie ist Nichts weiter bekannt, als dass er einen Bruder Namens
Herodikos hatte, welcher Arzt war, und eine Schwester, die mit einem
gewissen Deikrates verheirathet war. Zu Lehrern hatte er einerseits , wie es
heisst, Tisias, andererseits Empedokles, von dem er nicht blos in der Rhetorik,
sondern auch in der Philosophie Unterricht empfangen zu haben scheint. Uebri-
gens schloss er sich, was den speculativen Theil derselben betrifft, in den
Hauptsachen an die Eleaten an, mit denen ja auch Empedokles im engsten Zu-
sammenhang steht. Alle diese Lehren vervyerthete er aber in selbständiger
Weise für eine Wirksamkeit, welche weder derjenigen des Empedokles, noch
auch , wenn er gleich dem Namen nach sich ihnen gleichstellte, derjenigen des
Korax. und Tisias entsprach. Denn diese hatten sich nur mit der Rhetorik im
engeren Sinne des Wortes, der eigentlichen Redekunst, beschäftigt; fürGoi^gias
war diese Wissenschaft die umfassende , die wir oben zu schildern versucht
haben , und er war sowohl Sophist wie Rhetor. Es ist nicht unwahrscheinlich,
dass er beim Einschlagen dieser Richtung durch den Einfluss eines andern be-
rühmten Sophisten mitbestimmt wurde, des Protagoras, der sich in Sicilien
aufgehalten hat, offenbar um die Redekunst zu lernen, und von dem man an-
nehmen kann, dass er mit Gorgias zusammentraf. Der grössere Theil des Lebens
des berühmten Leontiners verfloss in der heimatlidien Insel ohne besondere,
der Nachwelt aufbewahrte Begebenheiten. Gorgias beschäftigte sich hauptsäch-
Drittes Buch. V. Literatur und geistiges Leb^n derselben Zeit.
Qlerricht in dem , was er Redekunst niinnte , zu enheilen : viel—
r seiner Vat^sUidt auch schon in oiazelnen Fitllen als Gesandter.
Vahrscheiolichkeit nach über 60 Jahre alt, als eine Sendung, die
uen seiner Mitbürger verdankte, ;Seinen Buhm auf einem grOsse-
te verbreitete. Die Leonliner schickten ihn im Jahre 427 nach
Ife gegen Syrakus lu erbitten. Von den Fitlchten dieser Gesandt-
en und Siciiien kann hier nicht die Rede sein : fUr Gorgias selbst
die Folge, dass er, der bisher nur in seiaeni Vaterlande berttbmt
jetzt durch das Aufsehen , das er in dem gcisligen Mittelpunkte
machte, überall, wo Hellenen wohnten, als ein berühmter Mann
1 war das Interesse, das er in Athen durch die neue Art seiner
sein reiches und stets bereites Wissen und durch das Imponirende
nung erregte, ein gewaltiges. Gorgias scheint, nachdem er seine
It hatte, zunächst wiederum nach Leontini zurückgekehrt zu sein,
nicht lange in seiner Vaterstadt ; Hellas üble eine unwidersleh-
igskraCt auf ihn aus, und er brachte den Rest seines Lebens dort
nit Ausnahme einer abermaligen Reise nach Siciiien, auf welcher
5em des Pythagoras Nachrichten von dem aus Tarent gefluchteten
, den er in Theben gctroßen hatte. Er hielt sich gern in Athen
niger aber machte ihm wie allen Sophisten das Umherziehen von
L Freude, das ihm die beste Gelegenheit darbot, stets Anderen
unst EU imponiren. Sein öffentliches Auftreten war dem Ge-
ophislen entsprechend ein glänzendes und erinuerte an das seines
idokles. Er war mit einem Purpui^ewande bekleidet und von
lernbegieriger Schüler umgeben. Lungere Zeit verweilte er im
Larissa, wo ihn die angesehensten Männer aufsuchten und seinen
lossen ; unter seinen Schülern wird Arislippos aus der vomehmen
leuaden genannt. Er erwarb sich einen grossen Einfluss auf ganz
tessen Bewohner seit seiner Anwesenheit Geistesbildung hoher
vordem, und wo das Wort goi'giazein, das eigentlich bedeutete
rgias«, für schttn reden überhaupt gebraucht wurde. Gothas galt
war es auch wohl ; man behauptete, dass er von jedem seiner
nenLohn (£000 Thaler) für den Unterricht genommen habe. Wie er
faUnger halte, so fehlte es ihm naturlich auch nicht an Gegnern und
vobi die Angriffe ira Ganzen genommen müssig genug gewesen zu
Er hatte wie die übrigen Sophisten die Gewohnheil, zu erklüren,
sei, öffentlich jede ihm gestellte Frage zu beantworten. Als ihm
ler Chaerephon die höhnische Frage vorlegte, wober es komme,
len Bauch aufblähten , das Feuer aber nicht, erwiederle er, für
wüchsen Euthen im Walde. Aristopfaancs hat mehrfach auf ihn
id den Platonischen Dialog Gorgias nahm er selbst als eine Spött-
le von seinen wirklichen Lehren keinen Begriff gebe. Er nannte
leuen Archilochos. Gorgias erreichte ein sehr hohes All^r, lOö —
re, was er selbst seiner Massigkeit zuschrieb. Er habe nie Etwas
ai^Ugens wegen gethan, sagte er. 107 Jahre all, äusserte er, er
irund , mit seinem Greisenaller unzufrieden zu sein. In seiner
Gorgias. 283
letzten Lebenszeit schlief er viel und antwortete, als ihn ein Freund fragte, wie
er sich befinde : )>Schon beginnt der Schlaf, mieh seinem Bruder zu Ubergebeh.«
So war sein Geist bis zu Ende thätig und seines grossen Ruhmes würdig. Wo
Gorgias gestorben ist, wissen wir nicht. Sein Andenken bewahrten zwei Bild-
säulen, eine vergoldete in Delphi, die er selbst dorthin gestiftet hatte, und eine
andere in Olympia , gewidmet von £umolpos , dem Urenkel des Deikrates, des
Schwagers des Gorgias. Olympia war Zeuge eines der glänzendsten Triumphe
gewesen, die Gorgias durch seine Redekunst gefeiert hatte.
Gorgias wollte, wie wir horten, nicht Sophist, sondern nur Rhetor sein.
Er spottete über Protagoras, der die Menschen besser zu machen verhiess, und
fiber Prodikos, der zu demselben Zwecke seine Geschichte vom Herakles am
Scheidewege aller Orten vortrug. Dass er dennoch kein blosser Rhetor war,
zeigt am besten das oben vom Böoter Proxenos Erzählte. Sein höchstes Ziel
war, Staatsmänner heranzubilden , und eines der vorzüglichsten Mittel zu die-
sem Zwecke , die Unterweisung seiner Schüler in der Beredsamkeit. Um die
Ausbildung dieser Kunst hat sich Gorgias grosse Verdienste erworben. Die
ältere und insbesondere die ältere attische Beredsamkeit zeichnete sich mehr
durch Reichthum an Gedanken als durch Wortfüile aus. Es w*ar die Beredsam-
keit von Männern, die von ihrem Gegenstande erfüllt sind, und denen eine
gründliche Kenntniss der Sache die zweckmässigen Ausdrücke eingiebt. So
haben wir uns z. B. die Beredsamkeit des Perikies zu denken. Seit dem Auf-
treten des Gorgias in Griechenland ward die Rhetorik als eine besondere Kunst
studirt. Hierbei legte nun Gorgias selbst einen ganz besondem Nachdruck auf
die Form, und wir dürfen behaupten, dass gerade hierin eins seiner Haupt-
verdienste besteht, wenn auch seine Lehre im Einzelnen vielfach einseitig war.
Es war damals die Prosa bei den Griechen überhaupt erst in der Ausbildung
begriffen und das Ohr des Volkes noch an den regelmässigen Klang der Verse
gewöhnt, deren verschiedene Arten man bei allen öffentlichen Feierlichkeiten
und grösseren Versammlungen zu hören pflegte. So entsprach Gorgias gewisser-
massen einem vom Volke empfundenen Bedürfhisse , wenn er den Reden eine
Form gab , die , ohne metrisch zu sein , im Uebrigen an die Poesie erinnerte.
Seine Reden waren rtiythmische Kunstwerke ; die Perioden waren genau ab-
gemessen, und ihre Theiie entsprachen sich gegenseitig. Der einzelnen hier in
Betracht kommenden Kunstformen gab es viele.. Bald waren die Sätze von
gleicher Länge, bald waren sie auf dieselbe Weise gebaut, bald endlich liefen
sie in gleicher Weise aus. Auf die Gegensätze verwandte er eine besondere
Sorgfalt. Nicht nur die Gedanken im Allgemeinen mussten sich gegenüber-
stehen, es musste auch ein Gegensatz zwischen allen einzelnen Punkten^
welche hervorgehoben waren , Statt finden. Auch durch die einzelnen Wörter
wurden ähnliche Wirkungen erzielt. Aehnlich klingende und nur wenig von
einander verschiedene wurden an hervorragenden Stellen der Perioden ange-
bracht und durch gleichmässig endigende Wörter die Aufmerksamkeit rege
erhalten. Ausser dem rhythmischen Bau der Rede war es das Auffallende,
Spielende und Witzige im Ausdruck , das Gorgias liebte , und endlich wandte
er gern poetische Wörter an , namentlich solche , die sich durch seltene oder
neue Zusammensetzungen auszeichneten. In dieser Beziehung scheint er seinem
284 Drittes Buch. V. LHeratar und geistiges Leben derselben Zeit.
Lehrer Empedokles nachgeeifert zu haben, der mit grosser Kühnheit und Sicher-
heit poetische Zusammensetzungen bildete. Von verkehrter Vorliebe für blossen
Wortschwall war Gorgias übrigens so weit entfernt, dass er einen besonderen
Ruhm darin setzte , in Genauigkeit und Kürze des Ausdrucks von Niemandem
übertroffen zu werden. Neben der Rücksicht auf die Form scheint die auf den
Inhalt bei ihm nicht zurückgetreten zu sein. Nun läuft bei einer Rede Alles auf
ein doppeltes Verfahren hinaus, auf Angriff und Vertheidigung. Das Wesen jenes
besteht im Tadel, das Wesen dieser im Lobe. Dies fasste Gorgias lebhaft auf und
sah eine Hauptaufgabe der Redekunst darin, die erforderliche Gewandtheit in der
Anwendung von Lob und Tadel bei den Lernenden hervorzubringen. Zu diesem
Zwecke wurden die Schüler in der Behandlung allgemeiner Themata , die Lob
oder Tadel enthielten , geübt ; es wurden Lob- und Tadelreden auf Tugenden
und Laster, Vertheidigungsreden für Tugendhafte und Angriffsreden auf Laster-
hafte geschrieben und vorgetragen ; man nannte dies die Behandlung von Ge-
meinplätzen — loci communes — , ein Ausdruck , der seitdem die Bedeutung
von abgedroschenen Dingen erhalten hat. Den Werth , welchen Gorgias auf
diese Uebungen, auf die geschickte Anwendung von Lob und Tadel legte, be-
wies er dadurch, dass er selbst Abhandlungen, welche Lob oder Tadel bestimmter
Gegenstände oder historischer Persönlichkeiten enthielten , verfasste. Endlich
scheint er es auch nicht versäumt zu haben , die Gedankenschärfe bei seinen
Schülern auszubilden. Er hatte in dieser Beziehung selbst von den Eleaten
gelernt, und seine eigene Gewandtheit zeigt sich in seiner Abhandlung über das
Sein und das Erkennen. Sein Unterricht mag überdies an manchen einzelnen
guten Winken reich gewesen sein, von denen leider nur einer erhalten ist. Er
rieth nämlich, den Scherz des Gegners durch Ernst zu bekämpfen, den Ernst
aber durch Scherz, ein Rath, der uns Gorgias als feinen Beobachter der mensch-
lichen Natur zeigt.
Die Redekunst musste nach der Behauptung der Sophisten und Rhetoren
im Stande sein, die schwächere Sache zur stärkeren zu machen, das heisst das
Gute als schlecht, das Schlechte als gut darzustellen , ein Grundsatz , der we-
sentlich dazu beitrug, Rhetorik und Sophistik in Verruf zu bringen. Gorgias
selbst war indessen, wenn er auch die grösste Redegewandtheit bei seinen
Schülern erstrebte, weit davon entfernt, die Anwendung der von ihm gelehrten
Kunst zu unsittlichen Zwecken zu billigen. Welchen Werth ein solcher Protest
gegen die natürliche Gonsequenz des Systemes hatte, ist eine andere Frage.
Sein Unterricht zielte offenbar vor allen Dingen dahin ab, seinen Schülern
den Gebrauch schöner und effectvoller Rede beizubringen; er hat, wie es
scheint , jedes Eingehen auf den speciellen Inhalt im praktischen Leben vor-
kommender Reden, wie das gerade das Verfahren des Tisias war, durchaus
vermieden.
Seine schriftstellerische Thätigkeit stand , wie nicht anders zu erwarten
ist, in engster Beziehung zu seiner Wirksamkeit als Lehrer der Redekunst. Er
unterschied sich zunächst dadurch von Tisias, dass er weder Reden für solche,
die in Streitsachen verwickelt waren, schrieb, noch auch Muster für solche
Reden aufstellte. Er hat auch nicht etwa ein vollständiges Lehrbuch der Rhe-
torik geschrieben , wie später Aristoteles und seitdem Viele ; es mochte ihm
Gorgias. J85
schwerlich passend dünken, an die Stelle des gewinnbringenden Unterridits der
Einzelnen eine Unterweisung des gesammten Publikums durch ein leicht zu ver-
vielfältigendes Werk zu setzen. Das schliesst nicht theoretische Schriften über
einzelne Zweige der Redekunst aus, zu denen eine Abhandlung über »die rechte
Zeit« gehört haben mag. Die grosse Mehrzahl der Schriften des Gorgias war da-
gegen in der Absicht verfasst worden, an bestimmten Beispielen zu zeigen , wie
der vollkommene Meister der Rede denken und sprechen müsse, also Muster
scharfsinnigen Denkens und schönen Stils überhaupt zu geben. Zu ersterem
Zwecke diente seine soeben erwähnte Abhandlimg »über das Nichtseiende oder
die Natura, deren Inhalt vollkommen bekannt ist, eine der besten Proben scharf-
sinniger Skepsis, die wir aus dem Alterthum besitzen. Gorgias versucht in
Anlehnung an die Eleatische Philosophie dreierlei zu beweisen ; erstens : dass
Nichts ist; zweitens : dass, wenn Etwas wäre, es doch nicht erkannt werden
könnte; drittens: dass, wenn Etwas wäre und erkannt werden könnte, es
doch unmöglich wäre , es mitzutheilen. Wenn Gorgias mit dieser Schrift , auf
deren specielien Inhalt hier nicht weiter eingegangen werden kann , aus der
wir aber hervorheben dürfen, dass auch das Ai^ment darin vorkam, dass der
Mensch heute nicht mehr derselbe ist wie gestern, ein Argument, das den Sici-
liem aus der Epicharmischen Komödie bekannt war , — wenn Gorgias hiemit
zeigen wollte, mit welchem Scharfsinn der wahre Rhetor denken muss, so hatte
er natürlich auch den weitern Zweck, zu beweisen, dass, da kein menschlicher
Gedanke die Wahrheit treffen kann, die Rhetorik nicht so sehr Unrecht begeht,
wenn sie vor Allem dem Scheine folgt.
Um zu zeigen, wie der vollkommene Rhetor sprechen müsse, verfasste er
eine Anzahl von Musterreden, von denen er einige auch öffentlich vorgetragen
hat. Zwei derselben hiessen Olympiakos und Pythikos, weil sie in den Fest-
versammlungen zu Olympia und Delphi gehalten waren. Der in der letzteren
behandelte Gegenstand ist unbekannt; in der olympischen Rede ermahnt er
während des peloponnesischen Krieges die Hellenen zur Eintracht den Persem
gegenüber. Man hätte fragen können , warum er dann selbst bewirkt habe,
dass die Athener in Sicilien Krieg führten; ein Lustspieldichter, Melanthios,
hielt es für zweckmässiger, die Frage aufiEUwerfen, warum Gorgias nicht lieber
zuerst in seinem eigenen Hause Frieden stifte, zwischen ihm selbst, seiner
Frau und seiner Sklavin , die dpch nur drei Personen wären. Eine dritte Rede
des Gorgias war eine Lobrede auf die Eleer, von der wir den Inhalt nicht ken-
nen. Die vierte endlich ftihrte den Namen Epitaphios , die Leichenrede ; sie
verherrlichte die Athener, welche in den Kämpfen gegen die Perser gefallen
und auf öffentliche Kosten begraben waren. Der Geist, welcher sie durchdrang,
war derselbe, von dem auch die olympische Rede beseelt war; er hob die
Herrlichkeit der Siege über die Barbaren , den Jammer der über HeUenen er-
fochtenen hervor. Von dieser Rede ist etwa eine Seite erhalten. Ausserdem
scheint er noch eine Lobrede des Achilleus und eine Rede über die Tapferkeit
geschrieben zu haben. Wenn nun sonst noch von seinen Ansichten über das
Wesen der Tugenden und der Freundschaft die Rede ist, so darf man ver-
niuthen , dass diese verschiedenen ethischen Themata in besonderen Reden als
Probestücke seiner Kunst behandelt waren. Von einem allgemeinen Begriff
286 Drittes Buch. V. Literatur und geistiges Leben derselben Zeit.
der Ti^end überhaupt wollte Gorgias Nichts wissen; er iiess nur Tugendeo
oder vielmehr Tüchtigkeiten der verschiedenen Berufe, der einzehien Alter und
Geschlechter gelten. Auoh mit Naturwissenschaft beschäftigte er sich, wobei
er vielleicht im Ganzen dem £mpedokJes folgte, wen^^tens hat er dessen Far-
benlehre vorgetragen. Die zwei Beden, welche noch unter dem Namen des
Gorgias erhalten sind, die Apologie des Palaoiedes und die Lobrede der Helena,
sind wahrscheinlich von späteren Hhetoren untergeschoben.
Von grosser Bedeutung ist noch, dass Gorgias im attischen Dialekte schrieb.
Er brachte damit der universalen Bildung Athens eine gerecht« Huldigung dar;
er hat aber auch viel dazu beigetragen, dass die athenische Hundart die Sprache
des gebildeten Hellas wurde.
Gorgias, der, wie sich aus dem Vorbeigehenden ergiebl, im Vergleich mit
Tisias mehr Theoretiker ist, hat durch die von ihm begründete und auf seinem
Vorbilde fussende Gattung der epideiktischeu oder Pi-unkreden einen bedeu-
tenden Einfluss auf die Entwickelung der attischen Beredsamkeit ausgeübt, die
datm allerdings durch die Rhetorik des Tisias und die nüchternere Redewelse
des Antiphon AnstOsse anderer Art erhielt, welche sie vor Einseitigkeit be-
wahrten. Nicht Alles freilich , was man im Alterthum über Gorgias' Einfluss
zu wissen behauptete, kann wahr sein, denn Perikles wenigstens, den man filr
seinen Schiller au^b, kann von ihm nicht gelernt haben, wenn er nicht, wo-
ftlr jedoch Nichts spricht , schon vor seiner bertlbmten Gesandtschaftsreise in
Athen gewesen ist. Eher wSre es möglich, dass er auf den Historiker Thuky-
dldes einigen Einfluss ausgeübt hatte, dessen Stil eine gewisse Vorliebe für
Parallelismus verraih, wie sie Gorgias eigen war. Sicher dagegen ist, dass Iso-
krates ihn horte und sich nach ihm bildete ; sein Panegyrlkos und seine Lob-
rede der Helena sind im Geiste des Gorgias geschrieben. Unter den Ubr^en
Schülern des Gorgias werden genannt : der grosse Uippokrates, den vielleicht
auch die naturwissenschaftlichen Kenntnisse des berühmten Leontiners an-
zogen, IMtias, der Tragiker Agathon , der Rhetor Alkidamas , der In kühnen
Zusammensetzungen seinen Lehrer noch Übertraf, endlich der Akragantiner
Polos, dem wir als einem Sikelioten einige Worte mehr als den übrigen wid-
men mtlssen. Er war Rhetor und Sophist und ahmte seinem Heister besonders
in der Sorgfalt, die er auf den Schmuck der Rede verwandte , und die er bis
zum Aeussersten trieb, nach. Er schrieb ein rhetorisches Lehrbuch ; eine von
ihm angeführte Schrift über den Ausdruck wird für dasselbe Werk gehalten.
Ein paar Werke, die sich auf die Erklärung Homer's bezc^en, gehören ihm
vielleicht nicht an. Er deklamirle wie sein Heister zu Olympia vor der Fest-
veraammlung.
Wenn, was nicht zu bezweifeln ist, Gothas und seine Schule von grossem
Einflüsse auf die Bildung Sicitiens gewesen sind, so hat dieselbe durch sie eine
wesentlich rationalistische Richtung angenommen. Der Glaube an das Ueber-
lieferte in der Religion musste erschüttert, das Festhalten am Alten in der Sitte
erschwert werden. Indirekt wurde so — denn direkte Entscheidung für eine
oder die andere Verlassungsform blieb natürlich den ßhetoren und Sophisten
als solchen fem — der Geist der Gleichheit und die Demokratie gefördert. In
eigenthUmlichem Gegensatze dazu steht der Zulauf, den Empedokles als Wun-
'4/1
Sophron. Mimos. 287
derthäter fand. Aber es kommt nicht selten vor, dass in Perioden der Geschichte,
wo der alte Glaube aufgehört hat, die Geister zu beherrschen , Wunderthater
und Rationalisten sich in den Beifall des Publikums theilen. Das achtzehnte
Jahrhundert hat, zumal in Frankreich, ähnliche Erscheinungen hervorgebracht.
Ein Zeitgenosse des Gorgias war der Mann, auf den ich schon oben als auf
den einzigen Erben des Epicharmos hingewiesen habe, der Syrakusaner So-
phron, der Sohn des Agathokles und der Damnasyllis. Aber Sophron heisst
nicht Lustspieldichter, sondern Mimendichter, er hat also nicht die ganze Erb-
schaft des Koers angetreten. Die Mimen sind, was ihr Name sagt, Nachahmungen
des wirklichen Lebens, Darstellungen scherzhafter Scenen, nicht immer in den
Grenzen der Sittlichkeit gehalten. Mimen als Darsteller solcher Scenen pflegten
mit Possenreissem und Zauberktlnstlem zusammengestellt zu werden. Das
leichte Blut der Sikelioten machte sie dieser Art der Unterhaltung sehr geneigt.
Es war so gewohnlich in Sicilien, dass Possenreisser lächerliche Persönlichkeiten
öffentlich nachahmten, dass selbst Agathokles, der bei aller seiner Grausamkeit
sich gern mit dem niedrigen Volke zu schaffen machte und auf seine Launen
einging, ganze Volksversammlungen zum lauten Gelächter brachte , indem er
bekannte Leute aufs täuschendste nachahmte. Solche Darstellungen kamen
besonders bei ländlichen Festen vor. Diese landestlblichen Spässe waren es,
welche Sophron in eine Kunstgattung verwandelte , die somit ein schwächerer
Nebenast der eigentlichen Komödie war. Wie kam es aber, dass nicht vielmehr
die Epicharmische Komödie selbst Bearbeiter fand? Der Grund des Abbrechens
der Entwickelung einer mit so vielem Glanz begonnenen Kunstgattung kann in
Folgendem gesucht werden. Zu den Eigenthümlichkeiten der Epicharmischen
Komödie gehörte Üas Fembleiben von der Politik und die Durchdringung mit
philosophischen Ideen. Für das Letztere fand sich nicht leicht wieder ein ebenso
geeigneter Kopf, und das Erstere wurde unnöthig, seit Syrakus seine Freiheit
wieder erlangt hatte. Femer kam bald die attische Komödie auf, die sich so
glänzend entwickelte, dass sich neben ihr unmöglich eine andere entfalten
konnte. Das Zusammentreffen dieser Umstände vemichiete das Epicharmische
Lustspiel bald nach seinem Entstehen , aber es machte sich eine Lücke in den
Unlerhaltungsmitteln des Publikums bemerklich, und diese war es, welche
Sophron ausfüllte. Seine Mimen wurden in männliche und weibliche eingetheilt;
offenbar spielten in jenen Männer, in diesen Frauen die Hauptrollen. Zu jenen
gehörten : Der Thunfischer , der Landmann , zu diesen : die Schwiegermutter,
die Brautjungfer, die Schneiderinnen, die Frauen, welche die Isthmischen Spiele
sehen. Ausserdem wird ein mythologischer Titel erwähnt: Prometheus. Sophron
zeichnete sich einerseits durch treue Darstellung des Lebens aus , indem er die
Denk- und Redeweise der niederen Slände auf das natürlichste wiedergab und
eine Menge von Volksspässen anbrachte, andererseits aber auch durch die feine
Durchführung der Charaktere und die Lebhaftigkeit der Gonversation, sowie durch
die Masse von Sprichwörtern, die er einzuflechten wusste. Er schrieb im dori-
schen Dialekt, so wie man ihn in Syrakus sprach. Sehr merkwürdig ist, dass
die Sophrcmischen Mimen in Prosa abgefasst waren, wenngleich in einer Prosa,
die durch die Regelmässigkeit und das Rhythmische der Satzglieder an Poesie
erinnerte. Man hat daraus geschlossen , dass sie nicht zur eigentlichen sceni-
■j_
288 Drittes Buch. VI. Bildende Kunst. .
sehen Aufführung bestimmt gewesen sein könnten , da ein Btthnenstttck nicht
anders als in poetischer Form bei den Alten zu denken sei ; dann hätte ein
einzelner Possenreisser sie mit geschickt abwechselnder Deklamation dem Volke
vorgefahrt. Jedenfalls erkennen wir in der Thatsache selbst den Einfluss der
in erster Blüte stehenden sicilischen Rhetorenschule und vor Allen des Gorgias,
der in ähnlicher Weise eine rhythmische Prosa ausbildete. Die Sophronischen
Mimen fanden viel Beifall im Alterthum. Piaton, der ja auch auf Epicharmos
grosse Stücke gegeben haben soll, las sie häufig, und man behauptete, dass er
für die lebhafte Gestaltung seiner Dialoge viel von ihnen gelernt habe. Unmit-
telbarer schloss sich an Sophron sein berühmter Landsmann Theokrit in meh-
reren seiner Idyllen , besonders in der zweiten und der fünfzehnten , an , der
Thestylis und den Adoniazusen. Dieses Idyll, das Syrakusanerinnen darstellt,
welche in Alexandria das Adonisfest zu sehen ausgehen , wird ausdrücklich als
eine Nachahmung des Sophronischen Mimos : die Weiber, welche die Isthmien
schauen, bezeichnet. Endlich soll Persius für seine Satiren den Sophron
eifrig studirt haben. Der Mann kann nicht unbedeutend gewesen sein , den
drei Meister versdiiedener Gattungen , des philosophischen Dialogs, des Idylls
und der Satire, als Muster benutzten. Als Nachfolger Sophron^s hat später, zur
Zeit des ältei-en Dionys, sein Sohn Xenarchos gewirk)..
In dieselbe Zeit f^llt endlich noch der erste Geschichtschreiber, den Sicilien
hervorgebracht hat, der Syrakusaner Antiochos, des Xenophanes Sohn. Seine
Geschichte Italiens — d. h. des jetzigen Calabriens — und Siciliens , die von
den ältesten Zeiten bis zur 89. Olympiade ging, war im ionischen Dialekte, der
Sprache der Logographen und des Herodot, abgefasst.
Sechstes Kapitel.
Bildende Kunst.
Sicilien vergass über Philosophie und Rhetorik die bildenden Künste nicht.
Es pflegte in der Zeit, die vom Sturze der Tyrannen bis zum zweiten Einbrüche
der Karthager verging — denn in der Kunst wie in der Literatur müssen wir
diese Zeit zusammenfassen — , vor Allem die Architektur. Man fuhr in den
Tempelbauten fort, die unter den Tyrannen mit grossem Eifer begonnen waren,
und leistete, der vorgeschritteneren Kunstbildung entsprechend, noch Gross-
artigeres und Schöneres.
Wir sprechen zuerst von Seli n u s , von dessen sechs Haupttempeln die drei
noch nicht besdiriebenen aus dieser Zeit stammen müssen. Es ist zunächst der
südliche Tempel der Burg (A), welcher hierher gehört. Er ist, wie die meisten,
ein Peripteros von 6 Säulen in der Front und 4 4 an den Langseiten, im Ganzen
von 36 Säulen. Es ist das kleinste der selinuntischen Heiligthtlmer, wenn man
von dem Tempelchen absieht, das sich nördlich von ihm erhebt. Das eigent-
liche Tempelhaus zerfällt auffallenderweise in vier Theile, indem vom und
Teropel A und E in Selinus. 289
hinten sich kleine Hallen mit Säulen zwischen Anten beßnden und ausserdem
noch zwei Bäume, ein grosserer und hinter ihm ein kleinerer, vorhanden sind.
E^enlhUmlich ist auch , dass die beiden Sttulen des Pronaos durch äne Mauer
von 4 Palmen Hohe verbunden waren, welche zu einem uns unbekannten
Zwecke beim Gottesdienste benutzt werden mochte. Der Tempel erhob sich
auf vier Stufen, von denen die letzte höher war als die übrigen. Die Verhalt-
nisse des Baues sind im Allgemeinen den attischen ähnlich. Zu bemerken ist
noch, dass sich Vechls vom Eingange in die Cella eine Wendeltreppe befand.
Dieser Tempel ist schon sehr unkenntlich geworden, da man von ihm, der dem
Meere am nächsten ist, am meisten Steine weggenommen hat. Nicht ein ein-
ziger Sciulenschaft hat sich voMsUindig erhalten.
Auch der südliche Tempel des Ostlichen Stadttheiles [E) ist ein Uexaslylos
peripteros. Doch hat er je 15 Säulen an den Langseiten. Seine Ueberreste bil-
den die schönste Gruppe unter den sei i nun tischen Trümmerhaufen. An der
südostlichen Ecke stehen noch drei Säulen theilrfeise aufrecht; alle Übrigen
sind gilnzlich umgesttlrzt. Die Vorder- und Rückseite sind nach aussen gefallen,
die der Nordseite ebenfalls, und ihre Blocke liegen so regelmässig neben ein-
ander, als waren sie erst h erbeige schaffl zum Bau des Tempels. Dagegen sind
die der Südseite nach innen Ulicr die Tempelmauer gestürzt, mit deren Ueber-
reslen sie in dem malerischsten Durcheinander liegen. Es zcrfitllt sein Tempel-
haus ganz 50 wie das so eben besprochene Heiligthum in vier Al)theilungen,
von denen die beiden äusseren Säulen zwischen Anten haben. Zur Seile des
Eingangs der Cella befanden sich zwei Treppen. Hieraus zu schliessen, dass
der Tempel eine innere Säulensteltung hatte und ein sogenannter Hypäthral-
lempel war , würde ungerechtfertigt sein. Der Stylobat besteht aus 4 Stufen,
die rings um das Gebilude laufen; nur an der Vorderseile von der Mitte der
zweiten bis zur Mitte der fünften Säule ist eine bequeme Treppe von 1 1 Stufen
angebracht. Die Säulen sind wenig mehr als 4',;j Durchmesser hoch, ilire Ver-
jüngung beträgt '/j des unteren Durchmessers. Die Kapitale ragen weniger
über als bei den alteren Tempeln , und das Profil des Echinus gleicht schon
mehr dem Huster des Parthenon. Das Gebalk hat eine Hohe von nicht ganz
2 Durchmessern ; es ist also viel leichler als das der attei-en Tempel. Auf dem
obei^ten Gesims sind in sehr schwachem Relief ein Mäander und darum Blatter
ausgemeisselt ; es sind noch Ueberrestederauf den StuckUberzug aufgetragenen
Bemalung vorhanden, welche auch notbwendig war, um dii'sen Schmuck dem
Auge der Untensieh landen bemerkbar zu machen.
Sehr merkwürdig sind die sonstigen Spuren von Beinalung, die sich an
den Trümmern dieses Tempels gefunden haben. Es sind viele Säulentrommeln
desselben mit feinem weissem Stuck überzogen ; eine derselben aber ist in
drei horizontale Streifen getheilt, welche roth, weiss und blau bemalt sind.
Man hat diese aus einer ausdrücklichen Angabe Serra di Falco's hervorgehende
Thatsache bisher nicht genug beachtet. Wir haben hier einen Tempel, welcher,
wie seine Metopen b-weisen, nicht etwa der ältesten rohen Zeit angehört, einen
Tempel , der aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts vor Chr. herstammt,
aus der Zeit des Perikles und des Phidias. Und an diesem Tempel waren nicht
nur einzelne Veraieningen der Gesimse bunt bemall, in einer Weise, die auch
Holm, OeKh. BicUlBu, I. 19
Drilles Buch. \1. Bildende Knnsl.
ingt als ein angenehmer Schmuck erscheinen niusste; es waren die
Uberzogeoen Silulen mit horiionlalen Streifen von rolher , weisser
r Farbe bedeckt. Bevor Serra di Faleo's Werk erschien , war diese
schon durcU einige von Hitlorff mitgelheilte Worte Dufourny's be-
denen hervorging, doss in Selinus sich grau, roth und blau bemalte
unden hatten. Da aber diese Bemerkung nur eine gelegentliche war,
BS den Runsthislorikern freistehen , die Thatsache als eine unei-w ie-
eite zu schieben , und dies ist denn auch meistens geschehen. Nach
mthchung von Serra di Faleo's W>rk hatte dagegen die merkwUi-dige
von denjenigen wenigstens, denen dieses Werk bekannt wurde, nicht
demselben Stillschweigen übergangen werden dürfen. Dennoch hal>en
einer durchgangigen Bemiilung der hellenischen Tempel es theilwcise
1, ein Factum nicht zu erwllhncn, das ihren Ansichten einen schweren
3tHe, und von dem nur zweifelhaft ist, ob es vereinzelt dasteht oder
Analogien hatte. Wir haben in dieser Beziehung keine anderen Knch-
lIs eine Versicheruns desselben Dufoumy, ihm sei von Dodwell er-
Jen, dass sich in Griechenland Aehnliches finde. Wo, ist unbe-
e Vertheidiger einer nur miissigen Bemalung laugnen die Richtigkeit
;abe und meinen, Dufourny möge seinen Gewährsmann wohl falsch
1 haben. Wir mtfchlen dem gegenüber die sehr besonnene Bemerkung
•e de Quincy's wiederholen , dass Spuren der Bemalung griechischer
)ch viel häufiger gefunden sein würden , wenn nicht das lange Zeit
le Vorurtheil dagegen die Aufmerksamkeit der Forscher davon ab-
ilt«. Bei dem Mangel an ausdrücklichen Nachrichten, dass es anderswo
wesen sei, wird es Jedem freistehen, eine solche Bemalung der Silulen
■Itcn vorkommend zu denken; so viel ist jedoch klar, dass viel mehr
iechischcn Tempeln bemalt war, als man lange Zeit hindurch mit den
der hellenischen Kunst vertraglich glaubte.
i auch sonst sind zahlreiche Farbenspuren an unserem Tempel er-
toth ist der Astragal der Kapitale, rolh das Band des Architravs, die
n sind blau mit schwarzen Schlitzen und blau der Grund der Meto-
'on, wenn diese Angabe nicht auf einem Irrthum beruht, eine reihe
ml dem Arme einer weiblichen Figur — An«mis — abstach, nofjegen
brucbslUck vom Posticum desselben Tempels deullich die blaue Farbe
ni war femer das Bierachen über den Tropfen. Das Kapital einer der
n zeigt die Sonderbarkeit, dass der Stein anfangs roth bemalt, dann
getragen und dieser wiederum roth gefdrbt war. Sodann sind von
n Teni[>el schwarze und rolhe Hüander auf gelbem Grunde und andere
und gelbe Verzierungen aus Terracotta erhalten , welche dem Posli—
hörten. Wenn wir nun noch hinzunehmen, dass nach neueren For—
bei den dorischen Tempeln der Echinus des Kapitjils mit einem Uber-
Blätterkranze, der Abacus mit einem Mtiander bemalt war, so erscheint
;h, da auch die Gesimse farbig waren, fast der ganze Tempel bemaii.
diesem Tempel haben sich meikwürdige Skulplurüberresle erhalten.
Unf Metopen, welche von Serra di Faico in Verbindung mit Ca\'allari,
hauer Villareale und dem Fürsten Trabia im Jahre 183) ans Licht ge-
Metopen des Tempels E in Selinas. 291
zogen sind. Die ersten Angaben über ihr Vorhandensein verdankte man den-
selben englischen Architekten Harris und Angell , welche die älteren Metopen
von Selinus entdeckt hatten. Sie sahen zwei der Metopen unseres Tempels,
diejenigen , welche dem Posticum angehörten , konnten sie aber nicht mehr aus
den gewaltigen Trümmerhaufen hervorziehen und mussten sich damit be-
gnügen , die sicilianischen Forscher auf sie aufmerksam zu machen. Als man
sie aufgefunden und ausgegraben hatte, dehnte man seine Nachforschungen
auch auf die Gegend des Pronaos aus, da man überzeugt war, dass, wenn die
Rückseite des Tempels Skulpturen enthielt, sie der Vorderseite noch weniger
gefehlt haben konnten, und diese Vermuthung wurde durch die Aufßndung
drei anderer, noch besser erhaltener Metopen bestätigt.
Von den beiden erstgenannten ist die eine ausserordentlich beschädigt.
Sie stellt die Verfolgung einer Frau durch einen Mann dar, nach Serra di Falco*
Apoll und Daphne. Auf der anderen sieht man einen Kampf zwischen einem
Mann und einer Frau , welche sich durch die Aegis als Athene kundgiebt. Sie
ist unter derselben mit einem Chiton und einem faltigen Gewände bekleidet.
Der Mann hat nur Helm und Beinschienen. Obgleich er seinen Fuss auf den
der Göttin gesetzt hat , ist er dennoch besiegt und im Umsinken begriffen ; sie
fasst ihn mit der Linken an seinem Helm, den sie ihm abzureissen scheint. Es
ist, nach dem langen Bart und den ziemlich groben Zügen zu urtheilen, einer
der von Athene besiegten Giganten.
Viel besser sind die drei letzten Mel^pen erhallen , die zu den merkwür-
digsten unter den älteren griechischen Skulpturen gehören. Auf der ersten er-
blicken wir einen Jüngling , nur mit Sandalen und einem Hirschfell bekleidet,
dessen mit dem Geweih versehener Kopf über seine Schuller hervorragt, und
welcher mit gehobenem Schwert sich gegen drei ihn von vorn und von hinten
angreifende Hunde vertheidigl. Eine Frau steht links ihm gegenüber, in einen
langen, von einem Peplon bedeckten Aermelchilon gekleidet; die Aermel haben
wellenförmige Falten, wie solche häufig auf älteren griechischen Bildwerken
vorkommen. Hinter ihrem Rücken ist ein Köcher sichtbar; auf dem Kopfe trägt
sie eine runde Mütze mit nach Art eines Diadems aufgebogenen Rändeiii. Sie
blickt auf die Hunde und hält beide Hände vorgestreckt, als hielte sie mit ihnen
die Stricke , an denen diese befestigt sind. Offenbar ist hier das Schicksal des
Aktaeon dargestellt, den auf Befehl des Artemis die Hunde zerreissen. Serra di
Falco hat bemerkt, dass der Bildhauer nicht der gewöhnlichen Tradition, wonach
er in einen Hirsch verwandelt wurde , sondern der Auffassung des Stesichoros
gefolgt sei , wonach er , mit einem Hirschfelle bedeckt , zerrissen wurde. An
dieser Metope ist fast Alles vortrefflich; nur der rechte Fuss der Göttin hat noch
die früher bemerkte steife Stellung.
Die zweite Metope zeigt rechts einen sitzenden bärtigen Mann mit einer
Binde in dem Haar; der Oberleib ist unbekleidet; um den unteren Theil des
Körpers ist ein Gewand geschlungen ; unter den Füssen hat er Sandalen. Er
stutzt die linke Hand auf den Sitz und fasst mit der rechten den emporgehobe-
nen Arm einer vor ihm stehenden weiblichen Gestalt, die er anblickt, und
weiche sich so eben entschleiert hat. Sie trägt einen langen Aermelchilon, der
auf der Brust und den Armen die kleinen oben erwähnten Falten zeigt, und
49*
Drittes Buch. V[. Bildende Kunst.
len sehr langen Hantel, der an beiden Seilen regelmässig herunter—
h den Kopf bedeckt und mit der linken, von dem MnBne erfassen
vom Gesichte entfernt wurde. Es ist Zeus dargestellt , der Here
Auch hier ist Alles einfach und schCn.
ilte Hetope stellt Herakles dar, nackt, nur mit der über der Brust
;eknoteten Löwenhaut bekleide! , die hinter ihm flattert, und deren
I um den linken Arm geschlungen ist, so dass er ihn wie ein Schild
lit der linken Hand fassl er eine Kriegerin am Helme und holt mit
Q zu einem Streiche gegen sie aus. Seinen linken Fuss hat er auf
Gegnerin gesetzt. Sie ist bekleidet mit einem kurzen , doppelt auf—
1 Gewände und einem Panier, der an den Seiten geschntlrt ist [oder
er von kleinen Platten mit einer grossen Brustplatte darüber) sowie
nden Bei.kleidem ; ein Schwert hüngt an ihrer Seite; der linke Arm
angen Schild; der rechte schwingt ein Beil. Es ist eine Amazone,
rakles Überwunden wird. Auch hier sind alle Details schOn, der
ler Gesichter einfach, aber kraftig.
liese fUnfMetopen haben die Eigenthumlichkeit , dass die nackten
weiblichen Figuren , KOpfe , Arme , Hände und FUsse , aus weissem
d, wahrend alles L'ebrigc aus dem weissUcben Kalkstein von Hemfiici
!t. Diese Art der Skulptur erinnert einerseits an die Bildwerke aus
Ifenbcin undandieAkrolithen, andererseits aber an die ältere Vascn-
elche die nackten Thcile von Frauengestalten weiss färbt. Wenn wir
denken, dass auch an den Figuren dieser Metopen sich Farbenspuren
ben, so werden wir zu dem Schlüsse geführt, dass der Bildhauer
eise eine malerische Wirkung erzielen wollte.
mdere Eigenthtlmlichkeilen dieser ftlnf Skulptui'en betreffen die Art
der Darstellung der Kümpfe. Zweimal kommt es vor, dass der sieg-
pfer seinen Gegner am Helme fasst ; so er^eift Herakles die Ama-
Ühene den Giganten ; in einer der ältesten Metopen ei^riff Perseus
ebenfalls am Haupte. Zweimal ßndet sich endlich , dass der eine
iden seinen Fuss auf den seines Gegners setzt. Herakles tritt mit
.en Fuss auf den rechten der Amazone, und der besiegle Gigant tritt
SS der Athene. Letzteres Beispiel zeigt, dass diese Bewegung nicht
m des Sieges , sondern ein Kunstgriff des Kampfes ist. Wenn da-
veibliche Gestalt in der einen nur halb ei'haltenen Hetope dem ster-
ijner auf den Schenkel tritt , so können wir dies als ein Zeichen des
ansehen. Nach einer im Jahre 4 865 von Cavallari im Innern des
fundenen Inschrift kann man annehmen , dass er der Hera gewid-
ommen nun zu dem grOssten der sciinuntischen Tempel, demjenigen,
ssale, wild durch einander geworfene Trümmer sich am weitesten
:n im tistlichen Theile der Stadt erheben. Dieser Tempel (G) stand
e von dem früher besprochenen Tempel F entfernt. Er war einer
n des Alterthums. Seine Lange war betrachtlicher als die des ge-
tuslempcls von Akragas , und es scheint , als ob sie nur hinter der
Is der Ephcsischen Artemis zurückstand. Er halte S Säulen in der
Tompcl des Zeus Olympios (Gj in Seiinas.
Pronl und je 17 an den LangseiteD, im Ganzen also 46. In gleicher '
der dntten Säule der Langseilen erhoben sich hinter den vier mitu
Vorderseil« i andere Silulen und hinter den 8 EcksüuieD dieser i v/u
eine Säule, hinter denen sich endlich die Anten des Pronaos befani
Hinlerraum des Tempels hatte nur Süulen zwischen Anten. Von diesi
und den Tempclwänden ist die äussere Säulenreihe überall um zvt
coluoinien enlfemt , weshalb der Tempel die Bezeichnung Pseudodif
hillt. Die Siiulen des Umganges, von denen eine noch aufrecht an dei
sieht, sind von ausserordentlicher Milchligkeit — 12,10 palin. — ;
betrug 5^7 Durchmesser, ihre Verjüngung mehr als ein Viertel ; doch
Schwellung bemerkbar. Sie sind aus sehr grossen Blöcken zusamrai
wodurch dieser Tempel sich vor dem Jupilertempel in Akragas aui
dessen allerdings noch dickere Säulen aus kleineren Stücken bestehen
nera des Gebäudes haben sich Ueberresle von Spulen viel geringere
messei-s gefunden, sowie KapiUÜo, die weder zu den äusseren S.H
zu den so eben erwähnten inneren passtcn. Für diese waren sie
für Jene dagegen zu klein, weniger durch den Abacus, der sehr be
ist, als durch den nur schmalen Saulenhais. Wir werden hierdurch i
wendigkeit auf die Annahme geführt, diiss der Tempel einer derjen:
die von den Alten selbst als Hypilthraltempel bezeichnet wurden , u
charakl^ris tische EigenthUmlichkeit darin bestand, dass sie im Innern
in einiger Entfernung von den Seitenwünden eine Säulenreihe hatten
einen oberen, ebenfalls von Säulen eingeCasslen Gang stützte; dei
Raum war unbedeckt, daher der Name Hypathrallempel. Es gehörtei
epiVähnten Kapitale der unteren Säulenreihe, die ebendaselbst ge
Säulen der oberen an, Dass das Götterbild nicht unter freiem Himmel,
gunst der Witterung ausgesetzt stand, istnattlriich. Da wir in unserei
im Hintergrunde der Cella Spuren einer kleinen Ummauerung finden,
wir vermuthen, dass dies ein kleines Tempetchen war, welches das (
schützte. Es ist wahrscheinlich, dass die Gallerten von beiden Seilen
Tempelchen stiesscn. Bei der idealen Beconstruklion unseres Tempel
Beispiel des HypSthraltempels zu Pilstum vorzüglich massgebend
dessen Dimensionen jedoch um ein Bedeutendes hinter denen des uns
rUckstehen.
Der Tempel ist nien^als vollendet worden. Von den Säulen sind
vollstündig canelirt; bei einigen anderen ist die Canelirung dadurc
leitet, dass der cylindrische Schaft in ein Polygon von 90 Facetten vt
ist ; die übrigen sind noch ganz glatt. Die Architekten pflegten die Si
nach dem Aufbau der Trommeln zu caneliren, damit nicht beim I
dersetzen der Blöcke die feine Arbeit der Canelirung Beschädigur
Aber die Säulen des grossen sei inun tischen Tempels waren nicht cii
vollständig aufgebaut. 6 Millien westlich von Selinus sind die Sleinbi
Campobello, aus denen die Selinuntier das Material zum Bau ihrei
nahmen. Hier sind die Arbeiten vor fast 2300 Jahren abgebrochen uni
nicht wieder aufgenommen worden. Der Anblick ist höchst merkwUr
siebt die verschiedenen Stadien der Arbeit. Hier ist nur erst ein krei
Drittes Bucli. \7. Bildende Kunst.
»cht, dort ist er zu einem eine Elle breiten Kanäle geworden,
lit dem Fels zusammenhangende Saulentrommel umschliesst;
das Werk vollendet und der Platz der Süulentrommel leer. Eine
leren liegen zum Transporte fertig in der Tiefe der Schlucht,
abrUcbe enlbult ; einige sind schon eine Strecke weiter auf der
ob Selinus führenden Strasse geschafft, die noch hie und da die
n schweren Fuhrwerken der Alten berrUhrenden Einschnitte
Q Sil ulen trommeln, deren Länge 8 — tO, und deren Durchmesser
s betrügt , sind einzelne , die voUkoiamen zu den Massen des
tischen Tempels passen , so dass kein Zweifel obwalten kann,
iselben bestimmt waren. Es war die Eroberung der Stadt Se-
Kartbager, welche dem schon weit vorgeschrittenen Bau des
s plötzlich ein Ende machte; wenn auch die Stadt später wie-
.nirde, niemals war zur Forlführung des riesenhaften Werkes der
I. Und allerdings war schon das ein gewalliges Unternehmen,
'eisstücke von Campobello nach der Stadt zu schaffen, Ober einen
Boden und durch den Fluss Selinus. Es ist vermuihet worden,
ssle der selinuntischen Tempel dem olympischen Zeus gewid-
. UD3 aus Selinus noch das kleine Tempelchen (Bj zu erwähnen,
it der Akropolis SO Palmen nCrdlich von dem dem Heere zu-
n Tempel (A) erhob. Es haben sich von ihm noch die Funda-
eren Theile der westlichen Rllckmauer und nicht unbedeutende
Seitenmauem erhalten ; nur von der Vorderseite ist Nichts mehr
kel der Gella hatten Pilaster, von denen im Nordwesten nur der
illich ist, wahrend im Südwesten ein Theil der Pfeiler selbst,
i Gebillk und der Anfang des Giebels erhalten sind; ferner sind
lUberresle und dorische Kapitalstücke vorhanden. Darnach hat
as Tempelchen fUr ein dorisches Gebäude in Anlis erklärt. Eine
ide fieslanration gab vor ihm Hittorff. Er fand bei diesem Tempel
eines ionischen Kapitells und stellte nun die kühne Behauptung
Heiligthum als Prostylos vor der Cella 4 ionische Säulen und
les Gebälk gehabt habe, eine Behauptung, bei der er auch ver-
an eine solche Hischimg der Stilgattungen wirklich bei diesem
den war, so stammte er sicherlich aus einer späteren Zeit als
welcher wir jetzt stehen, was freilich HitlorfT nicht zugicbl, der
[tige Gründe einen dem Empedokles als Heros geweihten Tem-
, sind noch die Farbenspuren dieses Tempels. Damach waren
Jas Gebalk mit blassgelb bemaltem Stuck bedeckt; roth bemalt
les Kranzgesimses, der Dielenkhpfe und des Architravs, blau die
e Triglyphen und das Band der Tropfen, schwarz die Kanäle
und weiss die Tropfen. Es ist noch einer der LowenkSpfe des
sowie das mit einem Loche versehene Gesimsstuck erhaltou,
wenkopf aufnahm,
tn uns nun zu Akragas, dessen bedeutendste Tempelrumen
Sogen. Tempel der Juno in Akragas. 295
dem fünften Jahrhundert v. Chr. angehöiTn. Was davon schon gleich nach, der
Schlacht bei Himera unter Theron, was erst zur Zeit der Freiheit der Stadt er-
baut wurde, vermögen wir nicht mehr zu unterscheiden. Es liegen diese Tem-
pel grösstentheils nahe dem südlichen Abhänge des Hügels, unter welchem die
beiden Flüsse von Akragas sich vereinigen, in einer Reihe von Osten nach
Westen. Der steile Felsrand, an welchem sie stehen, ist hie und da eingestürzt
und hat die Stadtmauer, die er trug, mit in die Tiefe gerissen. In dieser Stadt-
mauer finden sich noch viele GraböfFnungen , und es ist eigenthümlich genug,
dass man durch solche Nischen die Festigkeit der Mauer schwächte.
Der östlichste, am höchsten gelegene unter diesen Tempeln ist derjenige,
den Fazell wegen des volksthtimlichen Namens Torre delle pulselle für einen
Tempel der Pudicitia hielt. Spätere für einen Tempel der Juno Lacinia erklar-
ten. Diese Benennung beruht auf folgender von Phnius mitgetheilten Geschichte.
Zeuxis sollte den Akragantinern ein Gemälde verfertigen, welches sie im Tempel
der Juno Lacinia aufstellen wollten. Er wählte unter den Jungfrauen der Stadt
die fünf schönsten und bildete aus dem , was an jeder von ihnen am vollkom-
mensten war, die Gestalt, welche er darzustellen hatte. Man hat nun geglaubt,
der Tempel, für den die Akragantiner das Bild bestimmt hatten, müsse in
Akragas gewesen sein, wo es dann, da Torre delle pulselle Thurm der Mädchen
bedeutet , leicht dieser Tempel sein konnte. Die Voraussetzung ist aber mehr
als unsicher ; Juno Lacinia hiess zunächst nur die am lacinischen Vorgebirge in
einem berühmten Tempel verehrte Göttin. Warum sollte nicht hierher die Stadt
Akragas ein Bild des Zeuxis gestiftet haben? Es scheint jedoch die ganze Ge-
schichte vielmehr auf die Krotoniatcn bezogen werden zu müssen, von denen
Cicero sie erzählt , und in deren unmittelbarer Nähe der Tempel der Juno La-
cinia lag. Die Verwechslung mit Akragas würde sich dann dadurch erklären,
dass Zeuxis ein anderes Gemälde, von dem unten die Rode sein wird, für diese
Stadt angefertigt hat.
Der Tempel ist an der südöstlichen Ecke der Stadt auf einem unebenen
Boden errichtet, den ein Unterbau von ungleicher Höhe — im Norden und
Westen am bedeutendsten {\ 0 Palmen) — ausgeglichen hat. lieber diesem
Unterbau erheben sich vier Stufen , welche in der östlichen , der Vorderseite,
durch eine förmliche Treppe noch bequemer zu ersteigen gemacht sind. Auf
der obersten Stufe ruhen die Säulen des Peristyls. Der Tempel ist ein Peri-
pteros Hexastylos mit je 6 und je 13 Säulen, im Ganzen also mit 34. Die Gella
zerfällt in drei Theile, von denen Pronaos und Posticum je zwei Säulen zwi-
schen Anten haben. Sie ist um zwei Stufen über das Peristyl erhöht. Zu bei-
den Seiten des Eingangs des Pronaos in die eigentliche Cella sind in viereckigen
Gebäuden Treppen angebracht. Im Hintergrunde dieses mittleren Raumes ist
ein besonders abgegrenzter, um vier Stufen erhöhter Platz sichtbar, offenbar
der Ort, wo die Bildsäule der Gottheit stand. Die Cellamauem tragen noch
Spuren des Feuers, das den Tempel einst zerstörte. Im Peristyl ist der antike
Fussboden, aus grossen viereckigen Platten zusammengesetzt , erhalten ; unter
ihm beßndet sich ein Abzugscanal. Die Säulen des Peristyls haben eine Höhe
von 24, 10, 6 Palmen, d. h. von nicht ganz 5 Durchmessern; sie bestehen aus
4 Stücken und verjüngen sich um ^9 Durchmesser. Zwei Einschnitte am oberen
296 Drittes Buch. VI. Bildende Kunst.
Ende der Säulen unter dem Wulst machen einen dem Auge wohlgefälligen
Schmuck aus. Der Archilrav ist um ein Fünftel höher als der Fries.
Von diesem nicht grossen, aber schönen Tempel ist noch viel erhalten.
Von den Säulen des Peristyls fehlen nur vier, eine an der Vorderseite, die drei
anderen an der südlichen Langseite. 4 6 derselben haben noch ihre Kapitale,
nämlich alle der nördlichen , zwei der Vorder- und zwei der Hinterseite. Die
Nordseile hat auch noch den ganzen Architrav nebst drei Blöcken des Frieses ;
im Ucbrigen ist vom Gebälke nur ein einziger Architravblock von der südöst-
lichen Ecke des Tempels vorhanden. Dass die Südseite am meisten gelitten
hat, erklärt sich durch die Einwirkung der Seeluft auf den gelblichen Baustein,
der weniger compact ist als derjenige, den die Selinuntier zu ihrer Verfügung
hatten. Zu FazelFs Zeit stand der Tempel noch vollständig; doch klagt er, dass
einige gespaltene Säulen dem Ganzen Gefahr di*ohten. Nach ihm ging der Ver-
fall weiter ; den gegenwärtigen Zustand verdankt man hauptsächlich der Sorge
. Torremuzza's im Jahre \ 787.
Vor der Front dieses Tempels sind Ueberreste von Mauerwerk, die einer
mit Sitzen versehenen, vielleicht offenen Halle angehört zu haben scheinen.
Wohl musste es schön sein , sich von hier aus des Anblickes des Meeres , der
Tempel , der Festzüge der Akragantiner zu erireuen. Dürfen wir nun nicht
vermuthen, dass dieser Tempel dem Dienst des Poseidon gewidmet w^ar, dessen
Kultus den Akragantinem , wie die Münzen mit ihren zahlreichen Symbolen
(Krebs, Delphin, Polyp, Skylla) zeigen, so sehr am Herzen lag? Ein schönerer
Platz für einen Poseidontempel hätte in Akragas schwerlich gefunden werden
können.
Ebenfalls in der Nähe dieses Tempels ist ein antiker Behälter zur Auf-
bewahrung des Getreides. Tief in die Erde gehauen , spitzt er sich nach oben
pyramidalisch zu ; auf der Oberfläche läuft ein Einschnitt ringsherum, in wel-
chem wohl ein Deckel befestigt wurde.
Weiter nach Westen hin beginnen die im Zustande des malerischsten Ver-
falls befindlichen Stadtmauern den Blick auf sich zu ziehen , mit ihren eigen-
thümlichen Gräbemischen, von denen oben die Rede war, und bei denen man
an die Geschichte von Akren und Empedokles erinnert wird.
Dann folgt in einsamer Majestät auf einer kleinen Anhöhe der sogenannte
Tempel der Goncordia, der besterhaitene griechisch-dorische Tempel nach dem
des Theseus in Athen. Seinen Namen hat er von Fazell wegen einer in der
Nähe gefundenen römischen Inschrift empfangen, in welcher irgend ein Heilig-
thum der^Eintracht zwischen den Agrigentinern und den Lilybaetanem geweiht
wird. Natürlich kann diese Inschrift Nichts mit einem Tempel zu schaffen
haben, der aus der besten griechischen Zeit stammt, und überdies kommen bei
den Griechen wohl Altäre der Eintracht, aber keine Tempel derselben wie bei
den Römern vor. Seine Erhaltung verdankt er theilweise dem Umstände, dass
er im ^ 5. Jahrhundert zu einer Kirche des heil. Gregorius von den Rüben (delle
rape) eingerichtet worden ist. Doch entstellte man bei dieser Gelegenheit auch
das Gebäude , indem man die Scheidewand zwischen Gella und Posticum ent-
fernte und in die Seitenmauem der Cella zwölf rundbogige Oeffnungen brach.
Tempel des Herakles in Akragas. 297
um dem Innern mehr Lieht zu verschaffen. Der Tempel , dessen Verh^lltnisse
im Wesentlichen denen des Junotempels entsprechen, erhebt sich auf einer
UnterInge von 4 Stufen. Die Süulen haben wie die jenes Tempels eine Höbe von
fast 5 Durchmessern und verjüngen sich um etwas mehr als ^j-^ ; sie bestehen
aus 5 Stücken. Dagegen ist das Gehalk viel schwerer als bei dem vorigen
Tempel ; es erreicht fast die Hälfte der SiSulenhdhe. Die Cella liegt ein wenig
höher als das Peristyl. Ihre Mauern sind aus so trefflich an einander passenden
Werkstücken zusammengefügt, dass man glauben möchte, der Bau sei so eben
erst vollendet worden. Zu beiden Seiten des Eingangs der Cella führen Treppen
auf den Dachboden , der durch zwei rundbogige , aus alter Zeit herstammende
Oeffniingen Licht erhält. Auch dieser Tempel ist, wie eine jetzt entfernte In-
schrift besagte, im Jahre 1 788 restaurirt worden.
Falls der gegenwärtig nach Ceres und Proserpina benannte akragantinische
Tempel diesen Namen aufgeben müsste, würde ich vorschlagen, dem Concor-
diatempel den Namen jener beiden in Akragas so hoch verehrten Gottheiten
zuzuschreiben.
Wenn wir von hier am Felsrande weiter nach Westen gehen , so kommen
wir, an manchen Gräbern in der Stadtmauer vorbei, zu einem gewaltigen Ruinen-
häufen , aus dem sich eine einsame verstümmelte Säule erhebt. Es sind die
Ueberreste des sogenannten Heraklestempels, die erst vor wenigen Jahrzehnten
auf Veranstaltung der sicilischen AUerthumscommission durch Villareaie und
die Brüder Cavallari genauer untersucht worden sind, wobei einige sehr inter-
essante Resultate sich ergeben haben. Y^er Tempel war bedeutend grösser als
die beiden vorigen. Er war wie sie ein Hexastylos Peripteros, aber mit 1 5 Säu-
len an den langen Seiten, also im Ganzen mit 88. Er ruhte auf 4 Stufen, dioch
war der Zugang von Osten durch eine bequeme Treppe von 8 Stufen erleichtert.
Im Peristyl ist das antike , aus grossen viereckigen Stücken zusammengesetzte
Pflaster noch theilweisd sichtbar. Die Säulen haben eine Höhe von etwas mehr
als 4Y2 Durchmessern; ihre Verjüngung beträgt etwas mehr als Y4. Die Ka-
pitale sind denen des Tempels F in Selinus ähnlich und laden weit aus. Bei-
des, sowie die grosse Länge des Tempels im Verhältniss zu seiner Breite, giebt
ihm einen ziemlich alterthümlichen Charakter. Am merkwürdigsten sind aber
die Ueberreste des Gebälkes wegen der an demselben gefundenen farbigen Be-
malung. Der Fries ist unten von einem rothen Bande eingefasst , unter dem
sich, jeder Triglyphe entsprechend , noch ein blaues Plättchen befindet. Das
ganze Kranzgesimse ist aufs schönste mit Blätterwellen an den gebogenen, mit
Mäandern an den schmalen, flachen Gliedern und mit Palmettenreihen zwischen
den Löwenköpfen, welche das Wasser ausspeien, geschmückt. Alle diese Ver-
zierungen sind in leichtem Relief angedeutet und treten durch die rothe und
blaue Färbung lebhaft hervor. Der Rinnleisten ist hoch , aber schön gebildet.
Man hat auch einige Firstziegel des Daches gefunden. Im Innern des Tempels
sind Gesimsstücke entdeckt worden, deren kleinere Verhältnisse deutlich zeigen,
dass sie nicht dem äusseren Gesimse angehörten, und da sich ausser Triglyphen
auch Dieienköpfe hier gefunden haben . so kann dies Gebälk nur ein ganz im
Innern der Cella befindliches gewesen sein, woraus sich ergiebt, dass der
Tempel ein Hypäthros war. Von den Säulen des hypäthralen Raumes hat sich
298 Drittes Buch. VI. Bildende Kunst.
jedoch keine Spur erhalten. Es ist auffallend, dass der hintere Theil der eigent—
liehen Cella in drei neben einander befindliche Räume zerfällt. £ine solche
Einrichtung ist vielmehr römisch als giiechisch ; da nun tlberdies die Mauern
dieses Theils in anderer Weise und aus anderen Steinen als die übrigen Tem-
peimauern gebaut sind, so wird es wahrscheinlich, dass man in römischer Zeit
eine Yerilnderung mit dem griechischen Tempel vornahm. In der linken dieser
Seitencellen fand sich die leider kopflose Statue eines in einen Mantel gehüllten
Mannes, der sich auf einen Stab stützt. Wenn hierin, wie man vermuthet hat,
ein Asklepios zu sehen ist , so würde dies der von Fazell aufgestellten und von
d^Orville gebilligten Annahme nicht widersprechen, dass dieser Tempel der des
Herakles gewesen sei, den Yerres plündern wollte, und wo sich wahrscheinlich
das berühmte Bild der Alkmene von Zeuxis befand , das der Künstler als un-
bezahlbar den Akragantinem zum Geschenk gemacht hatte. Denn so gut wie
anderswo, z. B. in Messene, die Bildsäule des Herakles in einem Asklepios-
tempel stand, so gut konnte auch das Umgekehrte Statt finden. Ueberdies sagt
Cicero, dass der Heraklestempel dem Forum nahe gewesen sei, und der Markt,
den man in Seestädten dem Meere möglichst nahe anzulegen pflegte, kann um
so mehr in der Nähe dieses Tempels gesucht werden , da unmittelbar westlich
von seinen Ruinen in einer Vertiefung des Bodens das Thor war, durch welches
der Weg zum Meere ftlhrte.
Jenseits dieser Strasse lag unfern des Heraklestempels der berühmte Tempel
des Olympischen Zeus, der riesigste, jedenfalls massenhafteste Siciliens, und
einer der gewaltigsten , die überhaupt errichtet worden sind. Er wurde nie
vollendet. Die Zerstörung der Stadt durch die Karthager im 3. Jahre der
93. Olympiade veiiiinderte seinen Ausbau , und als später die Stadt Akragas
wieder aufblühte, war sie doch nie. so reich, dass sie den gewaltigen Bau hätte
zu Ende bringen können. Diodor hat eine ausführliche Beschreibung des Ge-
bäudes gegeben. Es hat nach ihm eine Länge von 340, eine Breite von 60 (soll
heissen 160) Fuss; die Höhe beträgt ISO Fuss, ungerechnet den Unterbau.
Während, sagt Diodor weiter, die Tempel sonst entweder von Mauern oder von
einer Säulenreihe umschlossen sind, findet bei diesem Tempel eine Verbindung
beider Systeme Statt ; denn die Mauern sind mit den Säulen zusammengebaut,
welche letztere nur nach aussen rund , im Innern aber viereckig erscheinen.
Sie haben aussen einen Umfang von 20 Fuss, und die Kanäle sind so gross,
dass ein Mann sich darin verbergen kann; im Innern beträgt ihr Umfang
1 i Fuss. Von den Hallen, die von ungewöhnlicher Grösse und Höhe sind^ trägt
die östliche eine ausgezeichnete plastische Darstellung der Gigantomachie, die
westliche die der Einnahme von Troja. — Allmählich verfiel der unvollendete
Tempel. Der weiche, leicht verwitternde Stein, aus dem das Gebäude errichtet
war, und der die Vet*anlassung gegeben hatte, die riesigen Säulen durch Mauern
zu verbinden, beschleunigte seinen Untergang. Am 9. December des Jahres
4 404 stürzte das letzte noch aufrecht stehende Stück desselben, das sich, wie
Fazell nach alten etwas unklaren Berichten erzählt , auf 3 Gigantenfiguren und
(mehrere?) Säulen stützte, zusammen. Seitdem ist der gewaltige Trümmer-
haufen, der Palast der Riesen, wie das Volk ihn nannte, lange Zeit hindurch
eine Fundgrube für Bausteine gewesen, und noch in der Mitte des vorigen Jahr-
t
Tempel des Zeus Olympios io Akragas. 299
hunderte ward der Molo von Girgenti aus den Blöcken dieses Tempels erbaut.
Dann kam die Zeit, wo das Interesse auch für die ardiitektonischen Ue))er-
bleibsel des Alterthums rege wurde, und man begann, dieses grossartige Werk
"wenigstens im Geiste wieder aufzubauen. Bei den Versuchen, seinen Plan
herzusteüen , konnte man anfangs mannichfachen IrrthUmem nicht [entgehen,
da die ungeheure Trttmmermasse , welche die Stätte des Tempels bedeckte,
eine genaue Erforschung fast unmöglich machte. Richtigere Ansichten über
seine Gestalt brachen sich Bahn , seit im Jahre i 802 auf die Veranstaltung des
M archese Haus eine Aufräumung der Ruinen Statt gefunden hatte , welche zur
Feststellung des Grundplans führte. Seitdem haben Forscher, die der Stadt
Girgenti selbst angehörten, die Alterthumscommission der Insel, endlich fremde
Besucher Siciliens um die Wette unsere Kenntniss des gewaltigen Bauwerks
gefördert.
Vom Centrum der Ecksäule aus gerechnet, beträgt die Länge des Tempels
403,3 Palmen, die Breite 189,9. Der Boden, auf dem er stand, war ungleich;
im Westen, wo er bedeutend niedriger war, sind grosse Substructionen nöthig
gewesen, von denen jetzt aber nur wenig mehr vorhanden ist. Auf den Fun-
damenten ruhten 5 Stufen , von denen die fünfte vollständig von einer in zwei
Streifen getheilten Plinthe bedeckt ist. Hierüber befindet sich noch eine in ver-
schiedene Glieder zerfallende, mit den Säulen hervortretende, mit den Wand-
stücken zurückweichende Basis ; es ist so viel Ungewöhnliches an diesem Tem-
pel , dass eine Basis bei dorischer Säulenordnung nicht weiter auffallen kann.
Der sich über diesen Unterlagen erhebende Tempelbau ist aus kleineren Werk-
stücken so zusammengesetzt , dass die Säulen mit den Mauern durch Stücke,
M^elche beiden zugleich angehören, in engster Verbindung stehen. Auf den
langen Seiten ragten je 14 Säulen über die Hälfte aus dem Mauerverbande her-
vor, an der Ostseite 7. Von der Westseite sind nur Spuren der nach Norden
zu stehenden Ecksäule vorhanden. Wie war nun diese Seite , die unzweifel-
haft, abweichend von dem sonstigen Gebrauche der Griechen, die Vorderseite
des Gebäudes war, angeordnet? Wo war insbesondere der Eingang? Wäre
diese Seite ganz der Ostseite ähnlich gewesen, so würden wir, da das Gentrum
von einer Säule eingenommen wird, zwei Eingangsthüren statt einer, etwa in
den beiden äussersten Intercolumnien annehmen müssen. Aber die Annahme
eines grossen hellenischen Tempels, der auf allen Seiten von Mauern ein-
geschlossen ist und nicht einmal eine imposante Hauptthür besitzt, hat doch zu
viel Ungefälliges, ja Abstossendes , als dass wir uns dabei beruhigen dürften.
Wir werden also zur Annahme geführt, dass die Westseite statt 7 nur 6 Säulen
hatte und sich an der Stelle der Mittelsäule der Haupteingang befand. Es ent-
steht durch die Weglassung der Mittelsäule und der an beiden Seiten an sie
stossenden Wände ein freier Raum von über 49 Palmen Breite. Da derselbe
unmöglich durch einen einzigen Architravbalken bedeckt gedacht werden kann,
so darf auch keine Thüröflnung von dieser Breite angenommen werden ; wir
haben sie uns vielmehr durch seitliche Einfassungen auf ein geringeres , indess
immer noch der Würde des Gebäudes entsprechendes Mass beschi^nkt zu
denken. Der Durchmesser der äusseren Säulen, deren 14 Kanäle vollkommen
der Diodorischen Schilderung entsprechen, beträgt unten 4 3,6, oben 1 1 , 4,6 Pal-
.. j
Drilles Buch. VI. Bildende Kunst.
; im iDnem den Süulen entsprecheDdec Pfeiler, welche nur an den
ilen, haben einen Durchmesser von 1 3,3 Palmen. Es isl merkwürdig,
letzteren , welche mit deu Säulen gerade so durch gemeinschaftliche
;ke zusammenhüngen , wie diese mit den Mauern, dieselben um 7,0, i
n Hohe überlreiren. Natürlich hatten die Pilaster des Mittelschiffs die
seitlichen Pfeiler. Es ist das Bestreben des Baumeisters unverkenn—
1 Innern des gewalLi}{en Tempels die grOsstmögliche Ifdhe zu geben,
ieses durch zwei Heihen von Pfeilern , welche durch Mauern mit ein—
'bunden waren , der Lunge nach in drei Schiffe gelheill , die , da die
ben sich hinler der dritten und vierten Säule der Westseite (vorau»-
dass diese nur sechs besass) hinzogen , fast dieselbe Breite besassen;
ischiffe, je 43,8,6 Palmen, das Mittelschiff 49,9 zwischen den Pfeilern,
ing der einzelnen Pfeiler entsprach im Allgemeinen derjenigen der die
and tragenden; nur waren die Zwischenräume schmäler und die
Ibsl breiter (die äusserslen 18,^0 Palmen, die übrigen lli,ä;. An dem
»feiler von Westen ging eine Mauer quer hindurch, welche die gegen-
tnden PfeUer verband und, mit einer Thtlr versehen, den Abschluss
los nach der Cella zu bildete. Vielleicht war eben so im Osten eine
la gebildet, von deren Hauer jedoch keine Spur mehr esisiirt. Da die
pel umsch liessenden Wände zwischen den Säulen schwerlich Fenster
1 , was gegen den griechischen Gebrauch gewesen witre , so kann das
ssselben nur von oben sein Licht empfangen haben , und or niuss ein
s gewesen sein. Natürlich war die Dacfaoffnung nur über dem Mittel—
jamit die Seilenschiffe ebenfalls Licht erhielten , durften die blinde,
ie inneren Pfeiler verbanden, nicht sehr hoch sein.
: den von Diodor erwähnten bildlichen Schmuck des Gebäudes betrifft,
unmöglich , den Gigantenkampf und die Einnahme von Troja , welche
er östlichen und westlichen Halle befinden sollten, anderswo als an
en Giebelfeldern angebi-acht zu denken , denn in den inneren Hallen
ibar für solche Werke kein zweckmassig beleuchteter Raum , und
onnten sie nur die Giebel zieren. Von diesen Skulpturen sind noch
ige Ueberreste erhalten.
egen bestand, was Diodor zu erwähnen unterlassen hat, die L'eber—
en aus dem Hittelalter jedoch undderAnblickderBuinen selbst zeigen,
tschmuck des Innern in einer Anzahl von Gigantenßguren, welche mit
fe und den neben dem Kopfe zuillckgebeugten Armen gewaltige Lasten
largestellt waren. Aber wo erhoben sich diese mächtigen Träger, die
ch die Bändigung der rohen Nalurki^fle durch Zeus darstellten i Pazelt
nur von drei Giganten, weshalb Politi anfangs den später von ihm
eder aufgegebenen Gedanken aussprach, es möchten diese drei, zu
ippe vereinigt, den Architrav der Thür gestutzt haben; seitdem sind
e Ueberreste von 1 1 Giganten entdeckt worden, und so muss man sie
iderer Weise vertheilt denken. Den meisten Beifall hat in neuerer Zeit
Inung Cookereirs und Klenze's gefunden, welche die Giganten als die
■eter der zweiten, obem Süulenreihe des Innern, die bei einem Hyi^-
anzunehmen ist, betrachteten. Diese an sich gefällige Anordnung
Tem|>e1 des Zeus Olympios in AkmgHS.
wurde noch durch zwei Beispiele aus Saloniehi und Bordeaux belegl. ]
erheben sich bei unserem Tempel ernstliche Bedenken dagegen. Die (
haben eine Höhe von 20,9 Palmen. Vm nun so hohe Gestallen über d
lern des HittelschiCTs anbringen zu können , nahm Cockerell an , d»ss (3
tO Palmen niedriger waren als die Sltulen. Wir sahen aber, dass ioJVi
keit die üusseren Pfeiler der Seilenschific um T Palmen höher waren ,
Säulen, und es ist klur, dass die inneren Pfeilerreihen nicht niedrii
konnten als die ilusseren. Wenn dem so war, mussten tlber ihnen angi
Gigantenßguren \ 7 Palmen höher reichen als Cockerell annahm, d. h. si
ragten das Dach I Polili hat zwar in einer der Tafeln seines Viaggiatorc
genli dieser Schwierigkeit dadurch zu begegnen gesucht , dass er das
über den Pfeilern kleiner macht, und das über den Giganten fast versehe
klein; aber wer möchte Giganten von 35 Fuss Höhe angewendet denk
ein Gebtflk von 3 Fuss Höhe zu tragen ? Und wer wird ferner glauben ,
so gewaltiger Höhe frei aufgestellte Figuren sich so lange halten konul
sie nach Fazell's Bericht sich gehalten hüben? Das Gebilude war unvc
als die Karthager die Suidt eroberten , und es ist nie vollendet wordei
den Hittelpfeilem angebrachte Giganten Italien also, durch kein Dach im
gestutzt, vollkommen frei oder doch nur an einfache selbst nicht g
Pfeiler gelehnt da gestanden ; ist es denkbar, dass drei von ihnen in ein
von elwa 100 Fuss Über dem Boden achtzehn Jahrhunderle Uberdauer
sollten? Wenn man die mittelalterliche Angabe, dass im Jahre 1 101 m
GiganteD standen , nicht verwerfen will , so darf man diese Figuren s
tiefer unten stehend denken , und dann bleibt kaum etwas Anderes üb
vorauszusetzen, dass sie sich an die grossen Pfeiler des Mittelschiffes I
Man findet die Skizze einer auf diesen Gedanken gegrUndclen Beslaural
Innern des Tempels auf Tafel 27 Nr. '.i des drillen Bandes des Serra di
sehen Werkes nach den Angilben Haggiorc's ausgeführt. Hier ist es '
eine schwere Last , die getragen werden soll , und der Baumeister du
ganten dazu wählen. Es muss noch erwähnt werden , dass wahrsc
Diännliche und weibliche Figuren abwechselnd an den Pfeilern slandei
nigslens hat sich auch ein weiblicher Gigantenkopf gefunden, und das ^
von Girgenti — di^i Giganten, drei Thürme tragend — zeigt bei Serra i
wo es als Vignette, nach einem bei dei' Villa Panitteri (Kapelle des I%ala
fundenen Relief, steht, eine Frau zwischen zwei Uannera. Die mulhm
Höhe des Tempels lasst sich folgendermassen festslellen. Der gesammle
bau bis zum Beginn der Kanüle an den Säulen hat nachweislich eine H
p. 13,7; femer sind bekannt die Höhe des Frieses, 1S,ü,6 und die des
gesimses 5,H,b. Rechnen wir nun die verlorene Itinnleisle zu 8,4, die
nach einer angenommenen Höhe von 4*8 Durchmesser zu 65,3, den A
(um '/b niedriger als den Fries angenommen] zu 10,4,7, endlich dei
nach Analogie anderer Tempel zu ?6,t<, so erhallen wir als Totalhöhe p.
— ohne die Grundlage — der von Diodor angegebenen Höhe von 1 S
ziemlich gut entsprechend.
In geringer Entfernung vom Tempel des Olympischen Zeus nach
sind die durch die sicilische Alterthumscommission gründlich durchft
302 Drittes Bach. VI. BiMeade Kanst.
und erst seitdem genauer bekannten Ueberreste des gewöhnlich den Dioskureo
Kastor und Pollux zugeschriebenen Tempels. Dieses Heiligthum, von dem die
a Theile si(;h in einzelnen Stücken si> gut erhallen haben , dass es
on int^licb gewesen ist, aus antikem Material die drei Säulen der
a Ecke mit dem dazu gehörigen GebUlk und dem enlsprecheoden
wieder aufzurichlea , ist ein Hexastylos Peripteros mit 1 3 Säulen
1 Seilen , welcher sich auf drei Stufen erhob. Seine Verhaltnisse
kleiner als die des Junotempels. Die Säulen haben eine Höhe von
nessem. Es sind Ueberreste eines doppelten Gesimses gefunden,
mit Löwenköpfen versehen, das eine überdies mit rothen und
lern und Palmetten bemalt. Man kann deswegen den Tempel für
iros halten, dessen innerer Säulenstellung die bemalten Stücke
Es ist merkwürdig, dass der obere Tbeil des Hauptgebalkes vod
■ horizontal durchschnittenen Metopen und Triglyphen an, von
inbar römischer Arbeit ist. Der Tempel muss theilweise verfallen
erzeil in dem damaligen Geschmacke wiederhergestellt sein. Es
tn ihm noch Firslziegelpalmelten aus gebrannter Erde und einige
nente erhalten.
von ihm befand sich, wie die Ausgrabungen der Alterlbumscom-
gt haben, ein Gebäude von (54 p. Länge und 105 p. Breite, das
sahl von Säulenreihen bestand. Ihre Ueberreste zeigen dorisdie
len griechischen Charakters. Es kann nur eine Sloa, eine Halle,
wir uns nun nach Nordosten zur Anhöhe nördlich vom st^enaon-
el, so fuhrt uns eine antike Strasse zu der in eine Kirche des
ins (S. Biagio) verbauten Rume des sogenannten Ceres- und
npels], der sich am Bande des Abhanges über dem Thale des
s erhob. Er stand auf einer eigens für ihn abgeglätteten Fläche:
1 Anten, eine emfache Cella mit einer Vorhalle, in der zwischen
vei Säulen standen. Die Substructionen sind fast vollständig er-
lellamauer, die auf drei Stufen ruht , ist bis zur Höhe von etwa
itik. Vom Gesims und den Säulen existirt Nichts mehr. Die Osl-
t zui' Apsis der Kirche geworden, die Westseile zum Eingang.
in diesem, wahrscheinlich noch dem fünften Jahrhundert vor Chr,
Tempel, der für einen Ceres- o<ier Proserpin atempel zu klein er-
Heiligthum des Flussgottes Akragas, auf dessen Gewässer er her-
;rmutben?
Jichem Charakter, nur noch kleiner, war der wohl mit Becht dem
geschriebene Tempel, der über eine halbe Millie sUdlich von der
Ebene über einem Stylobat von vier Stufen sich erhebt. Er war
ilen, denn auch das Posticum endigte in dieser Weise. Hienon
j zwei Syulen, mit dem Pilaster der Nordecke durch Mauern ver-
tu einer Höhe von 1 6 Fuss erhalten. Von den beiden Cellnmauern
18 Meiste, von der Fa^ade die südliche Ante. Zu beiden Seilen des
ad Spuren von Treppen. Von den Kapitalen und dem Gesims ist
Tempel in Girgenti und in Segesta. 303
In dem heutigen Girgenti ist die Kirche S. Maria de^ Greci unfern der
Kathedrale auf den Trümmern eines alten griechischen Tempels erbaut. Man
sieht darin den Tempel des Zeus Polieus, den die Geschichte des Phaiaris be-
rühmt gemacht hat. Die Ueberreste bestehen aus Stufen an der Nordseite, auf
denen sich die Hälften von acht dorischen Säulen erheben, deren Durchmesser
4,10,6 Palmen, deren Intercolumnien 6,0,4 p. betragen, aus einem Theil des
südlichen Unterbaues und wenigen Bruchstücken vom Gebälk. Es ist wenig-
stens so viel ersichtlich, dass der Tempel ein Hexastylos Peripteros war, und
dass er aus ziemlich alter Zeit herstammt. Ausserdem steht aber auch fest,
dass die Kathedrale selbst sich an der Stätte eines antiken Tempels erhebt.
Wir sind daher geneigt, diesen der Hauptgottheit, dem Zeus Polieus, zuzuweisen;
dann wäre S. Maria de^ Greci der Athenetempel der Burg.
Endlich wird noch der berühmte Tempel , der die Reisenden nach der
Stätte des alten Segesta hinzieht, herkömmlich in die Periode gesetzt, mit
der wir uns jetzt beschäftigen. Er erhebt sich auf einem circa 358 Gannen
westlich von der eigentlichen Stadt gelegenen Hügel , am Rande einer tiefen
Schlucht, die von dem Bache Pispisa durchströmt wird. Da der Tempel nach
dem griechischen Gebrauche von Osten nach Westen gerichtet ist, so lag sein
Eingang der Stadt gegenüber. Auf vier hohen Stufen ruht der Peristyl von
36 dorischen Säulen , von denen die schmalen Seiten je 6 , die Langseiten je
1 i haben. Länge und Breite dieses Tempels übertreffen die des Junotempels
von Akragas um die Hälfte. Die Säulen haben eine Höhe von fast 5 Durch-
messern , das Gebälk ist leicht ; es hat etwa ^5 der Säulenhöhe. Während
die Säulen aus ungewöhnlich vielen (10 — 13] Trommeln bestehen (z. B.
im Vergleich mit den selinyntischen Tempeln) , sind dagegen die Architrav-
stücke von gewaltiger Länge, denn sie überspannen jedesmal zwei Inter-
columnien. Der Stein, aus welchem der Tempel gebaut ist, der Kalkstein der
Gegend, hat im Laufe der Zeit eine prächtige braune Färbung angenommen, im
Uebrigen aber dem Einflüsse der Witterung kräftigen Widerstand entgegen-
gesetzt, und so kommt es, dass, was von ihm überhaupt vollendet wurde,
Peristyl mit Gebälk und Giebelfeldern, auch jetzt noch ziemlich w^ohl erhalten
dasteht.
Denn es ist eine allerdings erst gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts
erkannte Thatsache, dass der Tempel von Segesta niemals fertig wurde. Dies
geht hervor zunächst aus den zapfenartigen Erhöhungen von rauher Oberfläche,
welche die Steine des Grund baues der Tempelstufen zeigen. Diese Zapfen
konnten ihrer rohen Form wegen nicht als Zierrath dienen sollen ; der Stein-
hauer hatte sie zum Behufe der Erleichterung des Transportes der Blöcke aus-
gespart, und sie sollten nach der Zusammenfügung derselben entfernt werden,
wie dies an der untersten Stufe auch bereits geschehen ist. Es ist zweitens die
oberste Stufe, auf der sich die Säulen erheben, noch nicht überall vollendet;
nur an der Nordseite ist sie fertig; an den übrigen fehlt sie grösstentheils in
den Zwischenräumen der Säulen. So kommt es , dass diese Basen zu haben
scheinen, was bekanntlich dem dorischen Stile nicht eigen ist, und was über-
dies durch den Zustand der Nordseite als nicht beabsichtigt nachgewiesen
wird. Sodann sind die Säulen glatt , uncanelirt ; es sind nur die beiden Ein-
304 Drittes Buch. VI. Bildende Kunst.
kehlungen, ausgearbeitet, aber weder die Canelirung oben und uDteu be-
gonnen, noch auch, wie wir dies in Selinos fanden, die runde Oberflache
■r,, Hai^iian umgewandelt. Femer fehlen in dem Gebalk alle Löcher, welche
fs Daches hatten aufnehmen sollen. Endlich ist das Innere ein
eerer Bnum. Keine Spur einer Cella ist zu entdecken, kein
ler POasterung des Bodens ; denn einige Steine , die man dort
, scheinen weder zu dem einen, noch zu dem andern dieser
Qt haben zu können.
angenommen, dass es entweder der von den Segeslanem veran—
athenische Krieg oder der Einbruch der Karthager im Jahre 409
, welcher mit dem Wohlstande der Segestaner auch ihrer Bau—
Ende machte. Ein viel wichtigerer Abschnitt in der Geschichte
i jene Begebenheiten ist jedoch die Zerstörung von Segesta durch
Jahre 307 v, Chr. Nun finde ich nicht, dass der Tempel sitdiere
Entstehens im fllnften Jahrhundert an sich trägt, und ich glaube
> man ihn mii demselben Rechte in das Jahrhundert versetzen
;ner Katastrophe voraufging.
Gottheit er geweiht war, isl nicht mehr zu entscheiden. Man hat
:h an alle in der Geschichte von Segesta vorkommenden Kulte
i für einen derselben beslitnnUe Anknüpfungspunkte ßnden zu
verlieh wird auch ein unvollendeter Tempel in der Geschichte der
leulung sein. Er beweist, dass die Segestaner, als sie ihn bauten,
tnische Bildung angenonmien halten.
; ausser dem Tempel von Gela, von des,sen allein noch übriger
lie Bede gewesen ist, noch des Tempels Erwühnung geschehen,
ene westlich vom Himeraflusse im Norden der Stadt Himera nahe
noch wenig aufgedeckten Ueberrosten vorhanden ist. Es ist ein
werk, dessen Säulen etwa die Masse derjenigen des Juno- und
npels in Akragas hoben, und wovon prächtige Bruchstücke, z. B.
köpfe, gegenwilrtig im Museum zu Palermo sind.
Zeil dtirfen wir auch die zwei merkwürdigen Marmorsarkophage
UÖ und i 7SS in Cannita bei Palermo gefunden sind und sich jetzt
luseum zu Palenno befinden. Ihre Umrisse entsprechen der Ge-
schlichen Körpers mit fest angelegten Armen und geschlossenen
eckel sind zu weiblichen Gestalten ausgearbeitet. Auf dem zuerst
nd nur der Kopf mit den welligen, über die Brust herunterfallen-
die fast ganz enibidssten, gerade herunterhängenden Arme und
ibar; das üebrige bedeckt das nicht mehr deutlich hervortretende
r zweite zeigt eine mit lang herabhängendem Gewände and dar-
m kurzen Mantel bekleidete Figur, deren rechter Arm gestreckt
der etwas gebogene linke ein kleines Flöschchen halt; den Kopf
n Tuch ein, unter welchem welliges Haar Über die Brust fällt,
über der Stirn und neben den Schlafen befindliche stark hervor-
e dieser Figur sind roher als die der ersten ; die Gestalt hat etwa
n, während bei jener das VerhaUniss S'/i beträgt. Die Form der
innert an die ägyptischen Humieokasten, doch sind ganz ahnliche
Künstler, Thonarbeifen. 305
Hannorsarkophage mit Figurendeckeln in Phönicien gefunden worden. Die in
Cnnnita entdeckten verrathcn jedoch durch den Chnrakter der Skulpturen den
Einfluss der hellenischen Kunst und kQnnen deshalb kelnenfalls vor die Epoche
der karthagischen Herrschaft in Sicilien gesetzt werden.
Von sicilischen Künstlern wird in dieser Zeit nur einer genannt , der von
Piinius erwähnte HimerSer Demophilus, Lehrer des Zeuxts. Nun erzählt Plinius
weiterhin, dass Damophilus und Gor^asus, Bildner und Maler, den Tempel der
Ceres am Circus Maximus in Honi mit Werken scfamtlckten , welche beiden ge-
nannten Rtlnsten angehörten. Der Tempel wurde 493 vor Chr. eingeweiht,
nachdem er drei Jahre vorher vom Dictalor A. Posthumius gelobt worden war.
Wenn nun die Werke des Damophilus und des Goi^asus im Jahre 493 bereits
fertig waren, so konnte das sonst Wahrscheinliche nicht angenommen werden,
dass nämlich dieser Damophilus mit dem Lehrer des Zeuxis eine und dieselbe
Person war. Vielleicht wurde aber der Schmuck erst spüter dem Tempel hin-
zugeftlgt. War Übrigens der Genosse des Gor^sus von dem Lehrer des Zeuxis
verschieden , so ist es dennoch nicht unwahrscheinlich , dass er aus Sicilien
stammle, das, wie wir sahen, zur Zeit der DeincHneniden bereit« in Verlnndung
mit Rom stand.
Hier wäre noch von den dem fünften Jahrhundert angehCrigen sicilischen
Münzen zu sprechen, von denen manche, wie wir sahen, mil ziemlicher Sicher-
heit dieser Zeit zugeschrieben werden können. Aber das hiesse mitten in eine
Zeit der Entwicklung, des Uebergangs hineingreifen und unm(%liche Grenzlinien
ziehen wollen. Wir werden im vierten Jahrhundert die Kunst in der Verferti-
gung der MUnzslempel ihre schönsten Triumphe feiern sehen ; die Betrachtung
der nächsten Vorstufen, welche zu dieser Höhe führten, wird am besten eben-
falls dann Stau finden.
Ebenso wenig kann ich hier eingehend von den bemalten Vasen reden, in
denen die Kunst um das Jahr iSO schon den Gipfel erreicht hatte. Es ist nicht
nachweisbar, dass, wie viele auch in Sicilien gefunden sein mi^en, sie auf
dieser Insel selbst verfertigt zu werden pflegten. Sie haben ofienbar einen sehr
beliebten Handelsartikel ausgemacht. Wenn nun angenommen wird, dass die
ältesten Vasen — schwUrzliche Figuren auf blassgelbem Grunde, häufig Thier-
gestalleu darstellend, — einer KunstUbung angehören, welche einen durch die
Phfinicier vermittelten asiatischen Einfluss verrath, und dass die Inseln Kypros
und Thera Stationen dieser Vermittlung waren, so tä\ll bei den vielfachen Be-
ziehungen zwischen Thera und Sicilien — man denke nur an die Emmeniden —
die Erklärung ihres Vorkommens gerade auf unserer Insel nicht schwer. Später
scheinen die bemalten Gef^sse hauptsächlich an zwei Orten, anfangs in Korinth
und sodann in Athen, fabricirt worden zu sein, und mit diesen beiden Städten
standen die sicilischen Kolonien in lebhaftestem Verkehr. Vasen der nächsten
Klasse — schwarze Figuren auf rothem Grunde — schliessen sich mit der bei
ihnen beobachteten Eigen thUml ich kelt , Details mit dunklerem Roth oder Weiss
— dies besondei-s ftlr die nackten Theile der Frauen — auszuzeichnen , der
gleichzeitigen polychromen Skulptur an; ein vollkommenes SeitenstUck bilden
die sei in un tischen Metopen des Tempels E mit ihrer Anwendung des Marmors.
Die dritte Klasse — rothe Figuren auf glänzend schwarzem Grunde — kommt
306 Drittes Buch. VI. Bildende Kunst.
ebenfalls schon um den Anfang des fünften Jahrhunderts — Ol. 74 — vor.
Vielleicht gdiört deren zweite Unterabtheilung , die Vasen schönen Stils um-
fassend, v/o auf zierlichen Gef^ssen weniger als früher bekleidete Figuren mit
naturgemäss angeordnetem Haar dargestellt werden , ebenfalls schon unserer
Zeit an.
Dagegen hat SicUien , wie untrügliche Spuren beweisen , die auf seinem
Boden gefundenen Thonarbeiten anderer Art, Ziegel , Lampen, architektonische
Verzierungen, Reliefs, Figuren, durch eigene Künstler und Handwerker in
eigenen Fabriken hervorgebracht.
Wir sind jetzt am Ende eines Abschnittes reicher, friedlicher Entwicklung
angekommen : nun brechen furchtbare Kriege über die Insel herein , die von
fremden Feinden und einheimischen Tyrannen gleich sehr geschadigt und ge-
quält wird. Sind doch von den so eben geschilderten Tempeln gerade die
grössten niemals vollendet worden I Von jetzt an bekommt die Geschichte Sici-
liens, das mehr und mehr der Schauplatz welthistorischer Begebenheiten wird,
selbst den Charakter der Weltgeschichte, in der Krieg und Schlachten nur ku
viel Raum in Anspruch nehmen.
Anhang.
I.
Uebersicht der uitiken nnd modernen Bearbeitungen der
Geschichte des alten Siciliens oder einzelner TheUe derselben in
historischer Folge.
1.
Alterthnm (Quellen).
Vergl. im Allgem. Brunst de Presle, Eecherches sur les Etablissements des Grecs en
Sicile. Par. 1845. 8. p. 1—58 (cit. Br. de Fr.) und J. F. Böttcher, Praefationes lib. de
rebus Syracns. apud Livium et Plutarchum. Dresd. 1838. 8. •— Wichtige Sammlungen:
Fragmenta Historicorum Graecorum. coli. C. Müller. IVyoU. gr. 8. Par. Didot 1841—
51 (ich cit. M) und Geographi Graeci minores, rec. C. Müller, bis jetzt II voll, mit Atlas.
Par. Did. 1855. 61 (cit. M G).
Die Sammlung und Bearbeitung des urkundlichen Geschichtsmaterials durch die Ge-
Bchichtschreiber begann ftir Sicilien wie fUr Griechenland überhaupt erst mehr als zwei
Jahrhunderte nach der Gründung der griechischen Kolonien auf der Insel. Von den
Logographen hat bereits einer der ältesten sich speciell mit Sicilieu beschäftigt .- Hippys
aus Rhegion, der zur Zeit der Perserkriege lebte, nach Suidas nQ&jog fy^aipe tag ^ixelt-
xäg TTQaids, und YOQ dem ^ixfXixtav ßtßlla i erwähnt werden, woraus Myes einen Auszug
machte. Vgl. M ü, 13 - 15.
Hekataios nnd Hellanikos, über welche M I, IX-XVI und 1—31, sowie XXIII
— XXXm und 45—69, bieten nur geringe Ausbeute ; von grosserer Wichtigkeit ist He-
rodotos, der vielleicht Sicilien selbst besuchte (er sagt VII, 165: Uy^xai d\ xai rade
iVto Ti»y h ^ixeUfj olxmAivfov) und in lebendiger Weise einzelne Theile der Sicilischen
Geschichte behandelt hat. Die Hauptstellen sind: V, 43-47; VI, 17. 22—25; Vn, 153
—170.
Herodot's Zeitgenosse Antiochos von Syrakus ist unter den Einheimischen der
erste Schriftsteller, der die 2f jr«Acft»T«(Ta avyyQKipr^v (Paus. X, 11« 2) zum Gegenstande
eines besonderen Werkes gemacht hat, das von Späteren viel benutzt ist. £s ging in
9 Büchern von der Zeit des Kokalos bis zur 89. Ol. Vgl. M I, XLV und 181—84. In fr. 1
(D. Hai. I, 22) würde ich für arQaxtiv vorschlagen 2i.xtl6v, Vgl. unten Pausanias.
Die nächste und eine der werthvollsten Quellen für die Sicilische Geschichte bildet
Thttkydides. Seine Klarheiti Lebendigkeit, Unparteilichkeit geben, wie dem ganzen
Werke, so dem vielleicht glänzendsten Theile desselben, dem 6. und 7. Buche, welche
den grossen Feldzug der Athener nach Syrakus schildern, einen unschätzbaren Werth.
«0*
308 Anhang. I. 1 . Antike Bearbeitungen der Geschichte Slciliens.
Ob er selbst in Sicilien war, ist nicht zu entscheiden. Sehr wichtig sind seine Nachrich-
ten über die Kolonisation Siciliens, die K. W. Krüger in seinen Analekten, Berl. s. a.
S. 48 als auf persönlicher Erkundigung an Ort und Stelle beruhend ansieht. Seine Be-
merkungen über die Liparischen Inseln (m, 88) stimmen genau mit den von Päusanias
(X, 11, 4), wahrscheinlich Antiochos entnommenen überein ; seine Erwähnung von Pho-
kiem in Sicilien (VI, 2) lässt sich mit Paus. V, 25, 6 vergleichen, wo auch vielleicht An-
tiochos benutzt ist, so dass man seinen Bericht über die Kolonisation Siciliens mit Nie-
buhr als aus Antiochos entlehnt ansehen könnte ; vgl. dagegen unten über die Gründung
von Zankle und die Nachricht über die Herkunft der Sikaner bei Thuk. VI, 2 mit Paus.
V, 25, 6.
In den Hellenicis des Xenophon wird bei mehreren (jelegenheiten des Antheiles
der sicilischen Griechen an den Vorfallen des letzten Theiles des Peloponnesischen Krie-
ges und an den späteren Ereignissen gedacht. Aber die betreffenden Stellen sind theils
späterer Zusatz, theils entstellt ; sie beweisen nicht für die Zeitbestimmung, in der sie
von Diodor abweichen. Vgl. E. Völkerling de rebus Siculis ab Athen, exped. usque ad
prior, belli Punici finem gestis. Berol. 1868. 8. p. 10—15, wo die einschlägigen For-
schungen zusammengefasst sind.
Sehr wenig wissen wir von Hermeias ans Methymna, deBaen XixeXueiav avvra^ig
(Diod. XV, 37) 10, nach anderer Eintheilung 12 Bücher enthielt, und bis Ol. 101 (376
V. Chr.) ging. Ueber ihn M II, 80. 81. Die Meinung Br. de Pr. S. 13, der von Diodor
nicht erwähnte Anfang der Geschichte des H. möchte in eine Zeit fallen, aus der die Dar-
stellung Diodor's verloren ist, lässt sich nur dann mit der Thatsache vereinigen, dass
(nach fr. 1) eine Begebenheit des J. 404 im dritten Buche stand, wenn wir annehmen,
dass die ersten zwei Bücher ganz kurz die ältere Zeit, die übrigen ausführlich die Ge-
schichte des älteren Dionys behandelten, die H. freilich nicht bis zum Tode des Tyrannen
verfolgte.
Dies blieb dem Phi listos vorbehalten, der als naher Verwandter des Dionys Gele-
genheit hatte, Materialien für eine Geschichte Siciliens zu sammeln. Seine JSixdixa um-
fassten in tl Büchern einen Zeitraum von mehr als 8 Jahrhunderten, von der Zeit vor
dem Trojanischen Kriege bis zum Tode des älteren Dionys. In 2 weiteren Büchern hatte
Ph. noch die 5 ersten Jahre der Regierung des jüngeren Dionys behandelt. Das Werk
blieb unvollendet. Die sämmtlichen 13 Bücher werden bei den Alten mit fortlaufenden
Zahlen angeführt, und Suidas legt ihm ireQl .iiowaiov rov rvoavrov ßißUa g bei, d. h. die
4 letzten des Hauptwerkes nebst den 2 über den jüngeren Dionys. Nach Massgabe der
Fragmente handelte Ph. im ersten Buche von den Ureinwohnern der Insel; im 2. von
der Urgeschichte der griechischen Kolonien daselbst; im 3. erzählte er die Geschichte
Grelon's (die nach Schubring, Umwander. des Megar. Meerbusens in Ztschr. f. allg. Erd-
kunde. N. F. XVII, S. 455 auch noch in das 4. Buch Übergriff, wegen der Erwähnung
von Megara in fr. 22) ; im 4. die des Hieron und Thrasybulos; das 5. umfasste die Schick-
sale Siciliens bis zum Kriege mit Athen; das 6. diesen Krieg selbst, und das 7. die nun
folgenden Begebenheiten bis zum Untergange von Akragas durch die Karthager. Ich
bemerke noch, dass in fr. 28 bei M (der I, XLV— XLIX und 185— -192 von Phil, handelt)
das Wort 7iBQiaTQ(ofi€na als ein selteneres ans dem 6. Buche des Phil, von Poll. X, 42
citirt wird. Da es nun bei Diod. XIII, 84 in der Schilderung des Luxus der Akragan-
tiner vorkommt, so könnte man diese als aus Phil, entlehnt betrachten ; doch wäre ^vhvl
allerdings bei Pollux iß^o/uri statt ^xrj zu lesen.— Ueber den Werth des Philist. Werkes
als Geschichtsquelle ist nur das allgemeine Urtheil möglich, dass, wenn Ph. immerhin
für die älteren Zeiten rechtschaffen geforscht haben mag, er doch für die Geschichte sei-
nes Verwandten nur ein einseitiger Zeuge war. Nach Paus. I, 13, 9 hat er rt3v ^Itow^
aCov rä avoönurara verschwiegen. Auf die Gestaltung der Geschichte des Dionys kann
dies jedoch gegenwärtig keinen Einfloss mehr haben, da die Tradition Über den Tyrannen
Thukydides — Athanas. 309
durch spätere Schriftsteller, besonders durch Timaios, in eine ganz verschiedene Bahn
geleitet worden ist. Dagegen ist er wahrscheinlich für die Kriegsthaten des Dionys ein
guter, v(m Späteren, wie von Timaios und vielleicht von Diodor, benutzter Gewährs-
mann.
Des Philistos Fortsetzer war der Syrakusaner Athanas , der in 13 Büchern 2<x€Zi-
xtüv hauptsächlich die Thaten Dion's erzählte. Das erste Buch umfasste als Einleitung
die Zeit, welche von dem Schlüsse des Philist. Werkes (362) bis zur bewaffneten Rück-
kehr des verbannten Dion nach Sicilien (357) verflossen war. Dies ergiebt sich aus Diod.
XV, 94: tiov <f^ avyyQtKf^tov *uid^avas 6 ^vQaxovaiog TfSv neQl ^liovn 7r(>d^«ov ivxkv&tv
(Ol. 104, 3 = 362 v.Chr.) n^lof^ivo;, fyQail/e fikv ßißXlovg jQt^gxnCdtxa, TtQogav^laße «f^ xol
Tov ttyfHtfpor ;|f^o3/oy irdiv (nra an6 rrjg 4>iUatov awra^ftos iy fni^ ßlßlip xal ^ifX&atv rag
7i^u^€ts iv xiif€daiots ovi'exff rrjv loroQCav ino^riaer. Hier ^atte Heyne de fontt. Diod.
p. LXXXVIed. Bip. gememt, der Haupttheil der Geschichte des Ath., der von Dion
handelnde, habe mit dem J. 362 begonnen, die 7 in der Einleitung geschilderten Jahre
müssten früher fallen und wären die vom Tode des älteren Dionys 368—362. Hiergegen
erheben sich jedoch zwei Bedenken. Erstens fällt der Tod des älteren Dionys wahr-
scheinlich in die erste Hälfte des J. 367, sodass von da bis 362 keine 7 Jahre mehr übrig
bleiben; und zweitens war diese Zeit nach Diodor's eigenem Zeugniss (XV, 89] nicht
(tyQMfost da Philistos die 5 ersten Jahre der Regierung des jüngeren Dionys in 2 Bü-
chern behandelt hatte. Deswegen hat Böttcher de reb. Syrac. Dresd. 1838. 8. p. 14. 15
die Meinung aufgestellt, es möchte das Hauptwerk des Philistos unvollendet geblieben
sein, sodass eine Lücke von 7 Jahren zwischen dem Ausgange dieses Werkes und dem
Anfange desjenigen über den jüngeren Dionys entstanden wäre ; diese Lücke habe dann
Athanas durch sein erstes Buch ausgefüllt. Hiergegen hat dann J. F. J. Arnoldt de
Athana rerum Sicuhirum scriptore. Gumb. 1846. 4. geltend gemacht (p. 11), dass sich
keine Spur einer solchen Unvollständigkeit dos Philist. Hauptwerkes nachweisen lasse ;
im Gegentheil aus dem Umstände, dass nach Theon Progymn. 2, 11 (fr. 42 M.) Phil, das
Leichenbegängniss des älteren Dionys beschrieben hat, zu schliessen sei, dass sein Haupt-
werk den Tod des Tyrannen behandelte, mithin nicht unvollendet blieb. So kommt denn
Am. zu dem berechtigten Schlüsse, dass Ath. auch in seiner Einleitung nicht hinter das
J. 362 zurückgegangen ist, sondern bei diesem begonnen und im 1 . Buche mehrere Jahre
zusammengefasst , vom 2. an die Begebenheiten ausführlicher dargestellt hat, was da-
durch noch wahrscheinlicher wird, dass eben mit dem J. 362 das Werk des Philistos auf-
hörte. Wenn nun Amoldt, dem citirten Diodorischen Texte entsprechend, weiter an-
nimmt, dass das erste einleitende Buch des Athanas, 7 Jahre umfassend, sich bis zum
J. 355 erstreckt habe, so wird das aus folgendem Grunde nicht möglich sein. Das Wei'k
des Ath. behandelte die Geschichte Dion's; wie kann da die ausführliche Erzählung erst
355 beginnen, da doch schon 357 Dion als Sieger in Syrakus einzieht? Amoldt hat das
Gewicht dieses Einwurfes selbst erkannt, aber ihm durch die Bemerkung begegnen zu
können geglaubt, dass ja Diodor selbst (XV, 73) die Herrschaft des jüngeren Dionys bis
zu seiner Vertreibung im J. 355 rechne, also auch wohl Athanas Dion's ausführliche Ge-
schichte erst 355 habe beginnen können. Es kommt jedoch hier nicht darauf an, wie
weit man die Regierangszeit des Dionys rechnen dürfe. Wenn Jemand sich vornahm,
die Thaten Dion's ausführlich zu schildem, so konnte er nicht das, was Dion vor dem
Abzüge des Dionys that, und was viel wichtiger war als das, was er nach demselben
ausführte, in die Einleitung verweisen, um dann im Hauptwerke Nichts weiter als den
kläglichen Ausgang des Helden zu erzählen. Wir werden somit offenbar, unter Bei-
behaltung der von Arnoldt vertheidigten Erklärung der Stelle Diodor's XV. 94, daselbst
für inra l{ oder n^vn lesen müssen. Dann geht das einleitende Buch des Athanas, wie
oben angegeben, von 362—57 ; es erstreckt sich nur über die Vorbereitungen zum Auf-
treten Dion's in Sicifien ; und mit diesem selbst beginnt der eigentliche Haupttheil des
310 Anhang. I. 1 . Antike Bearbeitungen der Geschichte Siciliens.
Werkes. — Vgl. M ü, 81—83 nnd IV, 625, hier nach der angeführten Schrift von
Amoldt.
Jetzt beginnt die Zahl der Historiker, die Aber Siciiien geschrieben haben, sich zu
häufen. Wenn nun alle Geschichtswerke entweder solche Begebenheiten erzählen, von
denen ihre VerfHsser aus eigener Wahrnehmung Kenntniss gewonnen haben, oder Bear-
beitungen bereits vorhandener Quellen werke sind, so dürfen wir bei unserer Uebersieht
der sicilischen Geschichtsqnellen hier wenigstens diesen Unterschied zu Grunde legen, und
zuerst kurz diejenigen historischen Quellen des vierten und dritten Jahriiunderts v. Chr.
erwähnen, die mit Wahrscheinlichkeit zur ersten der genannten Glassen zu rechnen sind.
Zwei Schriften erläuterten die Geschichte Dion's ; das an Speusippos, den Schüler
Platon's gerichtete Werk eines Begleiters des Dion, des Timonides ans Leukas, und
die noch vorhandenen, mit Vorsicht zu benutzenden Platonischen Briefe, welche
bekanntlich , obschon sie von Plutarch und Anderen für Seht gehalten worden sind,
schwerlich von Piaton selbst, sondern eher von einem der Verhältnisse kundigen Schüler
desselben herrühren. — üeber Timonides Bf II, 83. 84 ; ttber PI. Briefe Salomon de Pia-
tonis quae vulgo feruntur epistolis. Berl. 1835. 4.
Die Geschichte des Agathokles fand einen Bearbeiter an dem eigenen Bruder des
Tyrannen Autandros, sowie an dem S3rrakusaner K a 1 1 1 a s , der in demselben Geiste
seine 22 Bücher nsQl ^Aya&oxUtt schrieb, lieber Kaliias und Antandros M II,' 382. 83 ;
bes. Diod. XXI. 15. 17.
Die Geschichte des Pyrrhos behandelte in seinem Werke über die Diadochen Hie-
r 0 n ym 0 s von Kardia, der Freund seines berühmten Landsmannes Eumenes, und ausser-
dem der auch für einen Zeitgenossen des Epirotischen Königs zu haltende Proxenos,
der tlberdies noch ein speciell Siciiien betreffendes Werk nt^l noQ9-/it$v (Hdschr. no^tor)
2:ixiXixiSv verfasste. Üeber Hier, von K. M 11, 450 — 61; tlber seine wahrscheinliche
Benutzung durch Diodor das. 460. üeber Proxenos Bf II, 461. 62.
Üeber den ersten Punischen Krieg schrieb vom Karthagischen Standpunkte aus der
Akragantiner P h i 1 i n o s (M III, 17—19); den zweiten behandelte S i 1 e n o s (auch Ttiltfvog,
2:tXav6s) aus Kallatia, oder richtiger vielleicht aus dem sicilischen Kaiakte (nach Emend.
bei Ath. XII, 542), der auch Sikelika verfasst hat. üeber ihn M HI, 100. 1. Ein an-
derer Darsteller der Thaten HannibaFs und der gleichzeitigen sicilischen Ereignisse war
der Neapolitaner Eumachos [M III, 1 02) .
Sehr unbestimmt in Bezug auf Zeit und Namen ist die Persönlichkeit des Po ly klei-
tos, den Diodor XHI, 83 als Zeugen für einen charakteristischen Zug aus der Cultör-
geschichte von Akragas anführt. Da sonst mehrfach ein Historiker Polykritos aua
Menda vorkommt, von dem eine Geschichte des Dionys (LDH, 63) und £»tfltxa iv
ensaiv citirt werden (Ar. Mir. 112), so hat man gemeint, dies möchte Jener Polykleitos
gewesen sein. Vgl. 0. Müller in den Didot'schen Scriptt. rer. AI. M. p. 129.
Die zweite Classe der Historiker, diejenigen, welche selbst aus anderweitigen Quellen
schöpfen, zerfällt in der Zeit, um welche es sich hier handelt, selbst wieder in zwei
Hauptabtheilungen von durchaus verschiedenem Ursprung. Ein Theil derselben ist ans
den Rhetorenschulen hervorg^gaagen und zeigt demgemSss überwiegend formelle Ten-
denzen, während andere als Schüler eined grossen Philosophen, der zugleich der grösste
Gelehrte des Alterthmns war, ein vorzugsweise sachliches Interesse verrathen. Jene
gehören mittelbar oder unmittelbar der Schule des Isokrates an. Die zwei bedeutendsten
Schüler dieses berühmten Redekünstlers, Ephoros und Theopompos, wandten sich der
Geschichtschreibung zu, und es ist natürlich, dass ihr ursprüngliches Studium von we-
sentlichem Einüuss auf den Charakter ihrer historischen Ari>eiten war.
Ephoros aus Kyme behandelte vorzugsweise die Klteren Zeiten. Sein Werk begann
mit der Rückkehr der fierakiiden und ging bis zur Einnahme des Delphischen Tempels
im heiligen Kriege, Ol. 105, 1. Es wurde von seinem Sohne Demophiios bis zur Ein-
Tiraonidei ~ Tim&ttM.
lubme von Perintb durch Philipp, Ol. I lO, 1, fortgasetit. Die eraMn Bücher hatten ci
vorwif^nd geognphisolieD Charakter; E. enShlte duiit tod den HerkwHrd
der eiaaelnen Lbider nnd berichtete die DrgeBchldite der in ihnen g^rrUndeteu
So bandelte er im 4. Buche von Sicilieo, wu Ps.-Skjmnos, sowie Strabon ben
beo. Natürlich kam auch in des spüteren Theileo des Werkes manche« WertfaTi
unare loael vor, wobei £. vielfach dem PhlEiHtos gefolgt sein mag (Völkerl. p. 6
Bhetarenachule verrieth bei B. aumer dem Stile auch der Charakter der Redet
den handetiideD Perawen in den Hund legte. Vgl. M I, LVIl - LXV und 234-
Theoponipoa au» Cfaioe besehritekte aeine Oeschiehtsentihinng auf die
Zeit. Er echrieb i Werke : die Hellenika, welche, ühulich dem gleichnamigei
Xeaophon'B, eich an ThukydidoB anechloHeD, aber nur bis inr Schlacht bei Ktrii
r. Chr. gingen, und das grOasere Werk , die Philippika , eine Gleechichte des
Philipp von Haoedoulen, in die jedoch in fakufigeti Episoden die Übrige Zeitge
eiagescboben war. So enthielten von den 6S Bilehem dieses Werkes 3 die s
Geschiclite, von der Tyrannia dea älteren Dionys bis lUf VeHreiMmg des jUnge
Zeitraum von 50 Jahren, wie Diod. XVI, 7 1 sagt. Vgl. Amoldt, Ttmoleon. Gut)
^. S. 5, der in der Zahl iO einen Fehler des Autors annimmt, w&breiid Br. de Pr
Aaiuig dieser 50 Jahre in das J. 394 aatit, wo ja die Hellenika aufhörten. Die
Behaiqttung Diodor'g I. 1., daaa die 3 Sicllien betreffei>dea BUcher, das 41. bis 4^
wideraprioht den Citate*. Vgl. über Th. H 1, LXV— LXXVII und 278—333.
Rbetoriaobeo Charakter trugen femer die Schriften fblgeDder Historiker, I
Manches aber Siel Heu vorkam: des Anaxlmenea von Lampeakoa, dea xag
Lehren Alexander'a dea Qt. in der Ehelorik iVgl. Panly B. E. 1 , 1 , 96« — i
Kalliathenea, des bekannten Begleiters des groesen En4)erera (nach Gie. d
57 hat er rfaetorico paene mcwe geachrieben] ; des Athenera Demoohares. Kc
Draioathenea (Cic. Brut. 2SS: oratorio genare; vgl. H II. 445—49); des Athen
ylloB und des Platttera Psaon, von denen jener die Begebenheiten in Griec
and Sicilien von 3^7—336 in 27 BUohem eraühlte (bis 357 hatten sich die Werke d(
ros und KaUisthenes eratreoktl, dieser In 30 Bttehem die Arbeit des Diyllos
Anfai^ dea 3. Jahrb. v. Chr. fortsetcte. ~ Vgl. Über Paaon Dioays. de Dinarel
den rfaetoriaohen Charakter dea DiyiloB fehlt es an einem Zeugidss. Beider Fn
H II, 360. 61, nndin, 198.
Jelst ist noch einer der bedeuteodatcn ana der Rhetorenachule hervorgeg
Historiker an erwühnen, ein Mann, der durch Herkunft, w^e duoh den Oegenstan
Werkea Sioilien angehOrt: Timaios aua Tauromenion, der seine Bildung dnrt
skoa, einem Schüler des leokrates, erhalten hat. Geboren um 356, verlebte er dii
50 Jahre aeinea Lebens, das er anf 96 Jahre gebracht haben soll. In Athen. Vgl.
gem. MI, XLIX—LVU und 193—233. AnadcrHUIler'aehenAbhamllunggfebtWes
in Panlf'a R. E. einen Anasng. — Tita, bdast bei Diod. XXI, 12 (Hoeach.) Zv^
Das groase Werk seiBea Lebens war eine Geschichte Sicilleaa, vob <ler ülteaten
zum Beginn dea eraten Puniachen Krieges. Buidaa sagt, das« T, Itiülka und Sil
S BUchero, und ansserdeui Hellenika und Sikeltka geschrieben habe. Beidei
offenbar Theile aeinea grossen Werkes , das Imner nur als •Geschichte' citirt wi
das zulelztgenannte sicher der Hanpttheil , ob aber der Titel Italika nnd Sikel
ersten oder den letaten Büchern ankam , läaat sich nicht bestimmen. Die Geachi'
Pyrrhoa bildete ein besonderes Gaues nach Cic. ad dlv. V, 12 und Dion. Hi
woiu das Citat Pol. Xu, 4 : tv roi( n«^! jov fli^^ov , (da sonst limQlai citirt
den pflegen) pasat. Ferner passt daau, dassDiod. XXI (virtt. et vitt.) sagt [ir.
TBS iaxüias T%! tSvvjäftiS ntvrt ßißhovf, xa»' a( nifinllimi iaSJlya9exli«vt7ie<i
also das Werk Über Fjrrhos nicht mitgesShIt ist. Wenn dagegen Pol. I, 6 das ?
Timaios bis enm J. 264 reichen lässt, so zählt er ea mit. — Was die Zahl der Btl
312 Anhang. I. 1 . Antike Bearbeitungen der Geschichte Siciliena.
trifft, so ist Müüer's Annahme von 68 yon Amoldt, de historiis Timaei opinionum ab edi-
tore Parisino conceptarüm refutatio. Gumb. 1S51. 4. mit gewichtigen Gründen bekämpft
worden. Die einigermassen räthselhaflbe Vertheilnng des Stoffes anlangend , so kommt
man in Versuchung , abweichend von den bisherigen Annahmen , für gewisse Theile des
Werkes ein geographisches Prinzip als zu Grunde liegend anzunehmen ; wo dann Buch
10—14 Gela , 15^18 Akragas zuzutheilen wären. — Ueber den Werth des T. als Histo-
rikers ist viel gestritten worden. Von den Alten hat ihn mit besonderer Heftigkeit Poly-
bios angegriffen, nicht ohne manche Nachfolger zu finden. Doch sind die gegen ihn aus-
gesprochenen Beschuldigungen theilweise stark übertrieben. Wenn er 50 Jahre in Athen
gelebt hat , ohne diese Stadt zu verlassen , so hat er doch bis zu seinem 40. Lebensjahre
viele der Gregenden , deren G^chichte er schreiben wollte , mit eigenen Augen gesehen.
Vgl. Pol. Xn, 9 (fr. 68 M) wo T. sich als imßalwv eis rovs »ara rifv 'EXUda Aoxgovg
bezeichnet nnd D. Hai. I, 67 (fr. 20 M) wo von den Penaten in Lavinium die Rede iat
und T. versichert, nvd-ia&ai avrog ravja nccQci imp InixtoQlmv, Einzelne angebliche Unrich-
tigkeiten des T. beruhen vielleicht nur auf Missverständniss des Polybios. Wenn ihm
dieser z. B. vorwirft (Xu, 3 ; fr. 24 M.) dass er, alten Irrthümem folgend, ganz Afrika
als unfruchtbar und sandig darstelle, so hat man sich nur daran zu erinnern, dass T. den
Zug des Agathokles dnrch die üppigen Fluren Nordafrika's (vgl. Diod. XX, S) geschil-
dert haben muss, um es geradezu unbegreiflich zu finden, dass derselbe Schriftsteller
anderswo die Existenz solcher Strecken in Afrika geläugnet haben sollte. Wenn T. aber
vielleicht sagte , dass Afrika im Allgemeinen durch Sandwüsten charakterisirt sei , wer
mochte das tadeln? — Man hat dem T. den Namen YQaoovkXixtQia beigel^ (Suid. s. y.
Tlfi.) weil er eine Menge albern scheinender Fabeln in sein Werk aufnahm; wir können
nur bedauern, dass wir diese Fabeln , die jedenfalls schätzbare Beitrilge zum Volksaber-
glauben enthalten würden, nicht mehr besitzen. — Er ist ^Emtifiaiog — der Tadler
Timaios — genannt worden von Ister, dem Schüler des Kallimachos, nach Ath. VI, 272.
Mag sein, dass er oft mit unbilliger Schärfe geurtheilt hat ; für uns hat das keine Bedeu-
tung mehr. In seiner Darstellungsweise verräth er freilich nur zu sehr den Rhetoren-
schüler , doch wird man seinem Eifer für Sammlung des Materials (vgl. Pol. XII, 28 ; fr.
55 M) und seinen Verdiensten um die geographische Seite der Geschichte (T. neben Lykos
als Quelle für die Kunde des Westens bei Agatharch. de mari rubre bei M G I, 156)
Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen. Seine Soigfalt in der Chronologie rühmt
Diod. V, 1 ; sogar Pol. XII, 11. Von Kritik hat er manche Proben gegeben (Zaleukos,
Phalaris); seine Zahlangaben sind bisweilen niedriger als die des Ephoros (Diod. XIII,
54. 60. 80. XIV, 54.) — Ch. A. Volquardsen, Untersuch, über die Quellen der Griech.
und Sicil. Geschichten bei Diodor. Buch XI— XVI. Kiel 1868. 8. hat T. als ausschliess-
liche Quelle Diodor's für die Sicilischen Angelegenheiten nachzuweisen gesucht, mit
Ansnahme von XII, 9-21 ; XE, 53. 54 ; XIH, 1—33 ; XV, 6. 7 ; XV, 13. 14 (theilweise);
XVI, 5. 6; XVI, 9—1 1 (wo er Ephoros als Quelle Diodor's annimmt) ; XVI, 65; ders. nimmt
S. 106. 7 an, dass die vielfach hervortretende Objectivität Diodor's auf die Benutzung des
Philistos durch Timaios hinweise. S. unten Diodor.
Während bei diesen aus der Rhetorenschule hervorgegangenen Schriftstellem ein
Hauptstreben dahin gerichtet ist , aus einem Geschichtswerk ein Kunstwerk in Gompo-
sition und Stil zu machen , wandte eine andere Glasse von Historikern ihr Augenmerk
durchaus auf den Inhalt. Der Begründer dieser Schule ist Aristoteles, dessen gewal-
tiger Geist das Gesammtgebiet des Wissens umfasste. Er hat auch der Geschichte seine
Kraft zugewandt, aber mehr als Sammler , denn als Erzähler , und in seinem Sinne haben
nach ihm Manche seiner Schüler gewirkt, denen in dieser Beziehung auch die Alexandri-
nischen Gelehrten beigezählt werden müssen. Das rein stoffliche Interesse dieser histo-
rischen Schule beweist schon ein flüchtiger Blick auf die Titel der aus ihr hervorgegange-
nen Werke.
Timaios — Nymphodoros. 313.
Aristoteles selbst gehört durch seine noliutai — Staatsverfassungen — hierher,
unter denen sich auch die der Sicilischen Städte befanden. Ihr Verlust — es sind nur
wenige Fragmente erhalten -~ wird durch das , was Ar. in seiner Politik über Sicilien
mittheilt, nicht ersetzt. Den rein wissenschaftlichen Standpunkt der nur dem Gregenstande
zugewandten Aristotelischen Forschung zeigt am besten der lebhafte Eifer,, mit dem er
das Verfahren der Tyrannen studirt. — Die Fragm. der Politien des Ar. sind zusam-
mengestellt von M II, 105—77 ; der Sicilischen insbesondere 169—73. Eine Vertheidi-
gung der Aristotelischen historischen Schule gegen neuere Angriffe findet man in F. D
Gerlach, Zaleukos. Oharondas. Fythagoras. Basel 1858. 8. S. 127 ff.
Von seinen Schülern hatHerakleidesPontikos, ausser einer Empedokles betref*
fenden Schrift, ebenfiüls Politien verfiisst. Aus ihnen ist ein sehr unvollkommener Aus-
zug erhalten, der von den Sicilischen Städten nur Akragas bertthrt. Vgl. H n, 197—224.
Peripatetiker waren femer : Phanias aus Eresos, der ein Werk ntQi jiSv kv 2Vx£-
A/^ rvQawmv schrieb (M II, 293—301) und Klearchos aus Soli, in dessen j8/bic (über
Lebensweisen) der Bewohner Siciliens ihres üppigen Lebenswandels wegen mehrfach
Erwähnung geschah. Vgl. M II, 302 — 27, sowie über Kl y tos von Milet, einen anderen
hierher gehörigen Peripatetiker M II, 333.
. Mittelbar wenigstens , durch seinen Lehrer Theophrastos, den Nachfolger des
Aristoteles, hängt mit diesem zusammen der fruchtbare Schriftsteller Dur is aus Samos,
der sich ein Nachkomme des Alkibiades zu sein rühmte, und der ausser mancherlei
Sammelwerken auch zusammenhängende geschichtliche Werke verfasste , unter denen
das ntQi *Jya&oxUa höchst wichtig fUr die Geschichte des Westens war. Er scheint sich
mit Vorliebe auf Geographisches eingekissen zu haben. Vgl. M II, 466—88. Besonders
fr. 46 ist viel citirt worden.
Ausdrücklich als Peripatetiker wird auch der später — vielleicht um 200 v. Chr. —
lebende Satyros bezeichnet, der unter anderen Lebensbeschreibungen von Staats-
männern und Gelehrten auch die des Empedokles und des jüngeren Dionys verfasste ;
aus seinen Werken machte ein Herakleides Auszüge. — Vgl. M III, 159—66.
InNeanthes aus Kyzikos, der wie Timaios ein Schüler des Rhetors Philiskos war,
sehen wir ein Beispiel der Macht, welche die durch Aristoteles gegründete Schule histo-
rischer Forschung auch über Solche ausübte , die selbst aus Rhetorenschulen hervorge-
gangen waren. Er verfasste ausser einem grösseren Geschichtswerke, Hellenika betitelt,
Sammelwerke negl Mo^tov av^QiSy und über Pythagoreer , wobei er Sicilien namentlich
in den Biographien des Epicharmos und des Empedokles berührte. Vgl. M III, 2 — 11.
Als Fortsetzerin der Aristotelischen Schule der Geschichtsforschung erscheint die
•
Alexandrinische. Während Athen , das dem Namen nach freie , der Hauptsitz der for-
mellen Bildung blieb, machten die durch die Sorgfalt derPtolemäer angehäuften Bücher-
schätze Alexandria zum Mittelpunkt der Grelehrsamkeit das dritte und zweite Jahrhun-
dert V. Chr. hindurch. Es ist in mancher Hinsicht bezeichnend für die Zeiten wie für die
Menschen, dass während der verbannte Timaios sein Leben in Athen beschloss, die sici-
lischen Alleinherrscher , besonders Agathokles und Hieron , in den freundschaftlichsten
Beziehungen zu Aegypten standen. So ist es denn auch nicht zu verwundem , dass die
Alexandrinische Gelehrsamkeit sich vielfach mit Sicilien beschäftigte.
Hierher dürfen wir zunächst Lykos aus Rhegion rechnen, den Vater des Tragikers
Lykophron, der selbst in seiner dunkeln Alexandra Sicilien berührt hat. Lykos scheint
um 290 v. Chr. in Alexandrien gelebt zu'h»ben. Er schrieb ZixfXtna, deren Fragmente
vorwiegend geograj^ischen Charakter haben. Vgl. über Lykos M II, 370—74 und über
Lykophron G. F. Grotefend zur Geogr. u. Gesch. von Alt-Italien Hann. 1840 ff. Heft II,
S. 28 — 38, welchem Hefte eine Karte von Italien nach Lyk. beigegeben ist. — Ebenso
deutlich trägt die Alexandrinische Bildung zur Schau der Syrakusaner Nymphodoros,
der wahrscheinlich ein jüngerer Zeitgenosse des Theokritos war, also um 260 v. Chr.
314 Anhang. I. 1. Antike Bearbeitungen der Geschichte Siciliens.
lebte. Er verfasste einen jifQtnXovs, wahrscheinlich des gesammten Mittehneeres, ausser-
dem aber noch, wenn das Werk nicht etwa einen Theil des vorigen ausmacht, ein Bach
nf^l T»v iv ZtuMq ^avfiaCofiivotv. Vgl. M II, 375—81 und J. F. Ebert, Dissertationea
Siculae, Königsb. 1865. 8. p. 154 — 222. -—Ein anderer Periplos ist noch erhalten , der
den Namen des Skylax Ton Karyanda trägt. Das Originalwerk scheint dem 4. Jahrh.
V. Ohr. anzugehören ; wir haben jedoch nur einen kümmerlichen Auszug. Vgl. MGI,
XXXin— LI. Oap. 13 enthält Sicilien. Eine Karte y<m Italien nach Sk. ist dem 1. Heft
der genannten Grotefend'schen Schrift angehängt, wo S. 47->49 von Skylax gehandelt
wird.
In den Werken zweier Schüler des Alexandrinischen Gelehrten und Dichters Kalli-
machoft, des Philostephanos und Herrn ipp ob kam Mancherlei über Sicilien vor.
Jener berührte es in seinem Buche mgl vijaw , dieser in den LebensbesohreibungeB des
Pythagoras und Empedokles. - lieber Philost. M III , 28 - 34 ; über Herrn. M III,
35—54.
Ohne Zweifel verdankte auch Siciliens Geographie manche Aufklärung dem berühm-
ten Geographen Eratosthenes, der seit etwa 236 y. Ohr. der Nachfolger des Kalli-
machos in der Verwaltung der Alexandrinischen .Bibliothek war. YgL über ihn Pauly
R. E. III, 724.
Die noch im Auszuge vorhandene Sammlnug sonderbarer Geschichten vcm Anti-
genes von Karystos, der gegen das Ende des 3. Jahrh. v. Chr. lebte, enthält Einigoa
über Sicilien ; ebenso die ähnliche Pseudoaristotelische. Ueber Ant. vgl. Pauly B. E. I,
t, 1116. 17. Er citirt oft Lykos. Vgl. Grotef. H, 45—47. Ueber die Pseudoarist. »av-
fAdaut ttxovafiara Pauly B. E. I, 2, 1^5, Grotef. II, 38—45 und H. Schrader in Jahn*»
Jahrb. 1868. Heft 4.
Etwas jünger als die genannten SchriftsteUer war der zur Zeit des Ptolemaios Epi-
phanes, um 200 v. Chr., lebende Polemon aus Ilion, genannt Periegetes, ein Uterarisefa
sehr thätiger Mann, der sich in mehreren Wwken mit Sicilien beschäftigte. Er schrieb
n€Ql rdSv kv SixtXlq nöta/nSv, xtians^IjaXwiSv xal StxfXixtSv noltwVf tüqI rot) Mo^vx^u
(ein Dionysos in Syrakus) und in seinem Buche ^i^l rc5v ir KaQx^^^'^ nink(ov^ sowie
in seiner Schrift ngog TCfiaicv kam Manches über Sicilien vor. Vgl. M III, 108 — 48.
Von dem um die Mitte des 2. Jahrh. t. Chr. lebenden Alexandrinischen Dichter Ni ~
k andres aus Kolophon wird auch ein Gedicht Sikelia angeführt; Schol. Kic. Ther. v.
382 u. Steph. Byz. s. v. ZayxXri,
Vielfach berührten Sicilien die Schriften des Alexandrinischen Grammatikers Apol-
lodoros aus Athen (um 140 v. Chr.), von denen leider nur die mythologische Bibliotiiek
erhalten ist. Es würden seine Chronik, seine Erdbeschreibung, sein Werk über die Gdt-
ter, endlich seine Commentare zu Sophron und Epicharmos, von denen allen wir nur ge-
ringfügige Fragmente haben, von unschätzbarem Werthe ftlr die Kenntniss des alten
SicHiens sein. Vgl. Pauly B. E. I, 2, 1300 C M I, XXXVIQ— XLV und S. 104-80 (die
Bibliothek), sowie 428—69 (die Fragmente).
Indem wir nun zum ersten Male eines römischen Schriftstellers als einer leider ver-
lorenen Quelle für die Kunde Siciliens zu gedenken haben , des griechisch sohreibenden
Q. Fabius Pictor, welcher in seinen Jahrbüchern Boms auch die Geschichte des
ersten Punischen Krieges vortrug (vgl. M III, 80—92) sind wir zugleich an einem Punkte
angekommen , wo Born , das die Welt zu erobern anfing , auch für die Kulturgeschichte
des Mittelmeers eine überwiegende Bedeutung gewinnt : eine Bedeutung eigenthümlidier
Art. Einst war Athen der Mittelpunkt der gebildeten Welt einfach dadurch gewesen,
dass es selbst die gebildetste Stadt war. Als dann Alexandrien in mancher Beziehung
Athens Stelle eingenommen hatte, war dies allerdings in Folge der Macht der Ptolemäer
geschehen; aber die Ptolemäer hatten doch ausdrücklich und in kräftigster Weise die Be-
förderung der Wissenschaften zu einer ihrer Aufgaben gemacht. Nicht so Born. B<Na
Skylax — Cornelius KepoB. 315
«
wurde das Centmm der gebildeten Welt nur , weil es sieh lum Oentmm der politischen
Welt SU machen wusste. Rom entschied schliesslich Alles , und deshalb blickte Alles
was auch auf listigem Gebiete von einiger Bedeutung war, suletEt doch immer nur auf
Rom.
Die Lehre Ton Rom als dem Mittelpunkte der Welt , wird gleich von dem ersten
Schriftsteller verktlndigt , den wir hier sn erwähnen haben , von Polybios aus Megalo-
poiis, der aus einem Gegner der ROmer ihr warmer AnhSnger wurde. Seine pragmatische
Geschichtsohreibung kann allerdings dadurch als ein besserer Ersatz der rhetorischen
Schule der Historik gelten, dass sie in der Entwickelung des politischen Gedankens einer
Epoche eine Art ron innerlicher Kunstform an die Stelle derblos äusserliohen, welche
jene Schule erstrebte, treten Hess. Dennoch ist die Unklarheit, in der sich Polybios ttber
die Forderungen befindet , die man von Seiten der Kunst an ein grosses C^eschichtswerk
machen darf, und die ihn dasu gebracht hat, hst ein ganses Buch mit einer breiten Pole-
mik gegen Timaios lu füllen , allau gross, als dass wir ihn zu den Historikern ersten
Ranges rechnen dürften. Dazu fehlt es ihm auch zu sehr an Sinn für Sehte menschliche
Grosse; das hat er durch sein Urtheil über Timoleon (XII, 23) gezeigt. Dagegen besitzt
er Tiele Eigenschaften einer guten Geschichtsquelle, sodass er ftbr die Geschichte des
enten Punischen Krieges unser Hauptgewährsmann ist und die Siollien betreffenden
Fragmente aus der Geschichte des zweiten hodist werthvoU sind. —Vgl. über Pol. Panly
R. £. y, 1808—30, wo die zahlreichen älteren Schriften benutzt sind.
Den Polybios setzte fort der um 100 t. Chr. lebende Stoiker Poseidonios aus
Apamea, in seinen 52 Büchern Geschichte fura iToXvfltw, in denen, wie es seheint, auch
viel Geographisches enthalten war. Doch kann, was sich z. B. bei Strabon in dieser Be-
ziehung aus Pos. findet, auch in seinem Werke ntgl tjxfuvov gestanden haben. Pos.
scheint auch nach Sicilien gekommen zu sein (M III, 246); die Rbodier schickten ihn im
J. 86 als Gesandten nach Rom. Vgl. M HI, 245 -96.
In derselben Eigenschaft kam nach Rom der zu derselben Zeit lebende Artemido-
rosaus Ephesos, aus dessen auch Sicilien umfassenden /cw^^acfou/u^va Einiges durch
Strabon erhalten ist.
In dieselbe Zeit, etwa 90 v. Chr. scheint auch das geographische Gedicht zu fallen,
das gewöhnlich mit Unrecht Skymnos von Chios beigelegt wird. Vgl. MGI, LXXIV
— LXXIX. Es wurde früher Marcian von Heraklea zugeschrieben. Siciliens griechische
Kolonien, in deren Chronologie es Ephoros folgt (vgl. die Priorität der Gründung von
Megara vor Syrakus mit Str. VI, 2, 2) sind v. 254—300 behandelt. Unter den Quellen
wird Y. 117 genannt: JfifinTQw^ KaXlaTi€cv6g , über den vgl. M IV, 380. 81 und v. 118
KUwv Zuuloe, über den M IV, 365. — Ueber den Pseudosk. spricht auch Grotef. I, 50 ff.
Jetzt werden auch lateinisch schreibende Riemer Quellen für unsere Kenntniss des
sieiliBchen Alterthums. Da in der römischen Provinz die allgemeinen Interessen vor den
localen, die öffentlichen vor den privaten zurücktreten mussten, so sind C i oe r o's Verrini-
sche Reden von unschätzbarem Werthe für uns. Man darf nicht vergessen , dass Cicero
als Advoeat, wenngleich einer gerechten Sache, spricht.
Der erste Versuch der Römer in ausländischer Geschichte war biographischer Natur ;
das Vorherrsehen der Persönlichkeit in den letzten Zeiten der Republik mochte die For-
scher auf diese Art der Darstellung hinweisen. CorneliusNepos liat nun allerdings
nicht die 20 Biographien geschrieben, die seinen Namen tragen, aber sie werden auf
seinen Arbeiten beruhen, wenn sie auch durch ihre Form einen späteren Epitomator ver-
rathen. Die Biognphien von Dion und Timoleon scheinen sich theilweise auf Timaios zu
stützen.
In der Zeit , wo das römische Reich dadurch , dass es sieh der Herrschaft eines Ein-
zigen unterwarf, an Gleichförmigkeit und Ordnung gewann, unternahm es ein sicilischer
316 Anhang. I. 1. Antike Bearbeitungen der Geschichte Siciliens.
Grieche , zum ersten Male die Geschichte der gesammten Welt in ihrem Uebergange zur
politischen Einheit in einem grossen Werke zusammenzufassen , das dadurch auch fUr
uns unschätzbar ist, dass es allein wichtige Stücke der sicilischen Geschichte tiberliefert
hat. Es ist Diodoros, genannt derSiculer, aus Agyrion gebürtig, der, ein Zeitgenosse
Caesar's , seine ßtßUod^^xti laroQixii in Rom selbst schrieb. Sicilien behandeln zunächst
das Ende des 4. und der Anfang des 5. Buches, wo werthvolle, theilweise euhemeristisch
gefärbte, vielleicht in dieser Beziehung auf Dionysios vonMitylene (M II, 5 ff.) beruhende
Nachrichten über die Insel gegeben werden. Da die 5 Bücher vom 6. bis zum 10. fehlen,
so ist uns weder die im 8. erzählte Gründung der hellenischen Kolonien auf Sicilien,
noch ihre älteste Geschichte bis zum Anfange des 5. Jahrh. v. Chr. aus Diodor's Feder
erhalten. Dagegen haben wir seine 2. Dekade, die Zeit von 480—302 v. Chr. umfiissend.
Hier ist die republikanische Zeit Siciliens verhältnissmässig kurz behandelt, ausführli-
cher die Zeit der Tyrannen, von der wir sonst keine detaillirte Ueberlieferung besitzen.
Die späteren Bücher sind nui' in fragmentarischen Auszügen erhalten , die viel Interes-
santes über Sicilien (l.Punisoher Krieg; Sklaven-Krieg) bieten. Was denWerthDiodor's
uls Geschichtsquelle betrifft, so hat er die selbstgestellte Aufgabe, Alles in einem Jahre
Vorgefallene nach einander zu berichten, nicht zu lösen verstanden. Der Zusammenhang
der Begebenheiten wäre durch ein strenges Anschliessen an die Wahrheit oft zu sehr
durchschnitten worden. Er half sich, indem er, wie Amoldt, Timoleon S. 27 ausfährt,
die einleitenden Begebenheiten einer Thatsache , auch wenn sie längere Zeit vorausge-
gangen sind , erst in dem Jahre bespricht , in welchem ein Abschnitt oder Wendepunkt
eintritt. Ferner begannt er jedes Jahr mit dem doppelten, nicht zusammenfallenden Datum
eines attischen Archen und der römischen Consuln , sodass die Archonten um ein
halbes Jahr zu früh kommen. Vgl. auch Koutorga, Recherches sur l'histoire de la Gröce
pendant la Periode des guerres mMiques. Par. 1861. 4. p. 8 u. 9. Plass, die Tyrannis
der Griechen. Brem. 1852. II, S 213 und 219 (Anm.) u. S. 347— 50, sowie E. Völkerling
De rebus Siculis etc. p. 9. 10. lieber die Quellen Diodor's im AUgem. Heyne de fontibus
et auctoribus bist. Diodori in der Ed. Bipont. sowie in den Dindorf sehen Ausgaben, und
vorzüglich die oben bei Timaios cit. werthvolle Schrift von Volquardsen. Es steht hier-
nach fest , dass Diodor , wie überhaupt die antiken Schriftsteller , welche umfassendere
Geschichtswerke schrieben , in den einzelnen Theilen derselben jedes Mal einen Queli-
schriftsteller zu Grunde legten und andere nur gelegentlich dabei benutzten. Dem Diodor
liegt nun für die allgemeine Oekonomie des Werkes sowie für die griechischen Angele-
genheiton Ephoros zu Grunde (vgl. Diod. V,,l); für die sicilischen Timaios (s. o. über
diesen) ; doch geht Volqu. wahrscheinlich in der Ausschliessung Anderer als Quellen für
die sicilischen Angelegenheiten der betreffenden Epochen zu weit ; er selbst nimmt S. 106
für Diod. XVI, 9 — 11 Ephoros als directe Quelle Diodor's an und kann sonach nicht wohl
widersprechen, wenn man dasselbe auch anderswo thut. Wenn Volqu. femer hervorhebt,
dass Diodor nicht gern alten speciellen Quellen , wie Herodot und Thukydides, fo^, so
ist die bei der Greschichte der Athenischen Expedition nach Sicilien ersichtliche Be-
nutzung des Letzteren (die freilich auch G. CoUmann, de Diod. Sic. fontt. Lips. 1869.
8. läugnet) doch nicht zu übersehen. Endlich zeigt die Polemik gegen Timaios XIII,
00, dass Diodor weit entfernt war, Tim. unbedingt zu folgen. Auch das von Volqu.
S. 77 ausgesprochene Lob der Diodorischen Genauigkeit der Zeiteintheilung in den sici-
lischen Geschichten ist zu unbedingt. Vgl. unten über die Zeit nach dem Sturze der
Deinomeniden. Endlich sind freilich die Erwähnungen von Historikern bei Diodor, in
Betreff des Anfangs oder Schlosses ihrer Werke nicht eigentlich Beweise , dass Diodor
diese Schriftsteller wirklich gelesen und benutzt hat ; wenn er aber z. B. XIII, 103 sogar
das Ende eines Theiles des Philistischen Werkes notirt, so will er sicher damit andeuten,
dass er diesem Schriftsteller eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat, und Diod.
Xin, 184 hat sich, wie wir sahen, eine Spur directer Benutzung des Philistos erhalten.
Diodoros — Livius. 317
Diodor, der nicht selten auch später guten Quellen gefolgt ist (Hieronymos von Kardia,
Polybios) hat doch bei seiner Arbeit den Vorwurf der Unwissenheit und Leichtfertigkeit
verdient. Vgl. Volqu. S. 1 .
In derselben Zeit, in welcher Diodor seine Universalgeschichte schrieb, machte auch
die Geographie wesentliche Fortschritte. Die Verhältnisse waren dieser Wissenschaft
besonders günstig. Die Zusammengehörigkeit aller Küstenländer des Mittelmeeres er-
leichterte das Studium ihrer Eigenthümlichkeiten und Überdies lag es im Interesse der
neuen Herrscher, eine genaue Kenntniss ihres grossen Reiches zu besitzen. So hatte denn
bereits Caesar eine Vermessung Italiens und der Provinzen angeordnet , aber das Werk
ward erst unter Augustus vollendet ; wie es scheint, unter der Leitung Agrippa's, der die
Resultate des Unternehmens nicht blos inCommentarien niederlegte, sondern sie auch zur
Entwerfung einer grossen Weltkarte benutzte , die das Publikum in seinem Porticus zu
Rom betrachten konnte. In einer so fllr das Studium der Greographie angeregten Zeit
schrieb Strabon aus Amasea sein grosses geographisches Werk, in dessen 6. Buche
auch Sicilien behandelt ist. Sein Augenmerk ist hier, wie überall, nur auf übersichtliche
Darstellung des Wichtigsten gerichtet , wobei Geschichte und Sage berücksichtigt wer-
den. Er citirt mehrfach seine Quellen, für das Historische Timaios, Ephoros (für die
Gründung der Kolonien) , Polybios ; fttr die Entfernungen Artemidoros, Poseidonios, und
einen ungenannten x^^Qoyeaffos , über den vgl. Ukert, Geogr. d. Gr. u. R. I, 1, S. 200.
Nach De la Porte du Theil halten ihn Manche für Agrippa, da seine Masse in Millien
ausgedrückt sind. Dieselben stimmen jedoch nicht mit den bei Plinius ausdrücklich
Agrippa zugeschriebenen Überein.
In dieser Zeit gab auch ein Römer in lateinischer Sprache eine Uebersicht des vor-
römischen Theiles der Weltgeschichte iTrogusPompejus, der unter Augustus lebte.
Den Kern seiner 44 Bücher Philippischer Greschichte bildeten die Macedonier und ihre
Reiche. Sicilien berührte er im 4. Buche (Athenische Expedition), und im 18.— 23., wo T.
bei Gelegenheit des Pyrrhos auf die Geschichte der Karthager kam, aus der er besonders
ihre auf Sicilien geführten Kriege hervorhob , worauf sodann die Geschichte der Sicili-
schen Tyrannen folgte. Obschon wir ans dem Werke des T. nur den dürftigen, von
Justinus gemachten Auszug besitzen, so ist doch ersichtlich, dass T. im Wesentlichen
denselben Quellen folgte, wie Diodor. Wie schlecht Justin seinen Auszug machte , zeigt
eine Vergleichung desselben mit den kurzen , vom Originalwerk des Trogus erhaltenen
Inhaltsangaben. Im 19. Buch verwechselt Justin einen Imilco vom Anfang des 4. Jahrh.
V. Chr. mit einem gleichnamigen Feldherm vom Anfang des vorigen (XLX, 2 sind wir bei
den Worten : interea Amilcar belle Siciliensi interficitur , reHctis tribus fiiiis Imilcone,
Annone , Gisgone, im J. 480 ; bei den Worten : in Sicilia in locum Amilcaris Imperator
Imilco succedit, plötzlich im J. 396); wodurch wir denn auch um den Anfang der Ge-
schichte des älteren Dionys •kommen; und im 21. Buche hält er es fttr überflüssig,
Dion's und Timoleon's Thaten zu erwähnen.
Indem wir beim Mangel an näheren Nachrichten darüber nur flüchtig erwähnen, dass
Augustus selbst ein Epos Sicilia schrieb (Suet. Aug. 85), und dass der unter ihm
lebende Rhetor Gaecilius aus Kaiakte die sicilischen Sclavenkriege behandelte (M HI,
330—33), haben wir das grosse Werk über Rdmische Geschichte zu nennen, das T. Li-
vius aus Patavium zum Verfasser hat. Natürlich hat er darin auch mehrere Perioden
der sicilischen Geschichte behandelt ; uns ist leider nur das den zweiten Punischen Krieg
betreffende Stück erhalten. Die Livianische Darstellung beruht hier im Wesentlichen auf
Polybios. Die Syrakus beriihrenden Stellen sind besonders herausgegeben in der Schrift :
T. Livii de rebus Syrac. emend. etc. J. F. Boettchero. Dresd. 1839. 8. — Auch er hat,
wie Diodor, Begebenheiten verschiedener Jahre in eines zusammengezogen; vgl. Weissenb.
zu Livius XXIV, 39 und XXV, 6.
Im Vergleiche mit der soeben berührten Periode bietet die nächste Epoche der rOmi-
318 Anhang. I. 1. Antike Bearbeitungen der Gesohichte Siciliena.
sehen Kaiseneeit weniger Anabeote. £a Bind zu nennan : Yalerins Maximua unter
Tiberiua; Pomponiua Mela unter ClaudiuB (hierher geh. II, 7, 14-~18); Luciliua»
Seneca*» Freund und Statthalter Siciliens, wenn dieser, wie man vermuthet , der Ver-
fasser des Lehrgedichtes Aetna ist; der Hltere Plinius, dessen alphabetische Aufzilh-
Inng der sicilischen Ortschaften im 3. Buche in ihrer Kürze fast nur zu Fragen, auf welche
die Antwort fehlt, Veranlassung giebt; Silius Italiens, zur Zeit der Flavier, der
durch sein Fpos über den 2. Punisohen Krieg fast eine Geschichtsquelle für diese Zeit
geworden ist (vgl. bes. XIV, 1—78 und 192—286; über die Herkunft der Sikaner und
Sikeler folgt er, XIV, 35 ff., dem Philistos); endlich der Perieget Dionysios, wenn
derselbe nicht , wie man gewöhnlich nach Bemhardy annimmt , dem 4. Jahrh. nach Chr.
angehört. Vgl. M G II, XV-XL und 104-76. Hierher v. 461—76.
Einen neuen Aufschwung nahmen die Studien gegen das Ende des ersten Jahrhun-
derts , als eine Reihe besserer Kaiser zu herrschen begann. Hier tritt uns zuerst der
philosophische Historiker Plutarchos von Chaeronea entgegen, der in seinen parallelen
Biographien die Schicksale auch einiger von den Männern geschildert hat , welche für
Sicilien von Bedeutung sind : Alkibiades, Nlkias, Dion, Timoleon (wo er vielfach Ti-
maiOB gefolgt ist) , Pyrrhos, Marcellus. Vgl. A. H. L. Heeren de fontt. et auctt. vitar. parall.
Gott. 1820, 8. Hang, die Quellen Plutarch's in den Lebensbeschr. der Griechen. Tüb.
1854. 8. und H. Peter, die Quellen Plutarch's in den Lebensbeschr. der Römer. Halle
1865. 8. — Manches enthalten auch Plutarch's moralische Schriften.
In derselben Zeit der Ruhe schrieb Appianos seine geographisch geordnete Ge-
schichte der Kriege, durch welche das römische Reich seine Grösse erlangte. Leider ist
von seinen Bikelika, d. h. von der Geschichte des ersten Punischen Krieges fast Nichts
übrig. Seine Geschichte der Bürgerkriege ist dagegen die Hauptquelle für den auf und
bei Sicilien geführten Krieg zwischen Augustus und S. Pompejus. — Vgl. J. A. WUnne
de fide et auctor. App. in beUis Romanor. civil, enarrandis. Gron 1855.
Von Arrianos aus Nikomedien, dem bekannten Historiker Alexanders des Gr., gab
es eine, gänzlich verlorne , Geschichte Dion's und Timoleon's. Vgl. M III, 586—601. —
Ph legen aus Tralles, ein Freigelassner Hadrian's, verfasste eine Ix^'^aai^ ZVx^il/af ;
über ihn M IH, 602.
Pausanias, der berühmte Perieget Griechenkinds, erwähnt gelegentlich auch sici-
Usche Dinge. Er citirt Antiochos X, 11, 3 ; Philistos , I, 13, 9 ; V, 23, 6. Schlecht un-
terrichtet zeigt er sich über Sicilien IV, 23, 6 (AnaxiUis), V, 25, 5 und X, 11, 3 (Ver-
wechslung von Lilybaion und Pachynos noch dazu unter Anführung des Antiochos);
VI, 9, 5 (doppelter Gelon}. Merkwürdig ist inunerhin die von ihm V, 25, 6 gegebene
Uebersicht der Kolonisation Siciliens. Sollte sie aus Antiochos entlehnt sein? Man musa
beachten, dass darin das seit Ol. 96 nicht mehr bestehende Motye als bestehend erwähnt
wird ; so bleibt kaum eine andere Quelle als der von Paus, anderswo citirte Antiochos.
In die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts werden wir versetzt mit dem Sophisten
Claudius Aelianus, dessen Thiergeschichte wie die Varia historia (cit. H A und
V H) Manches über Sicilien enthalten, letzteren theilweise aus Theopomp.
Unter den Antoninen ward auch die Erdbeschreibung des OlaudiusPtolemaeuB
verfasst, die die Lage der Orte nach Länge und Breite angiebt. Für Sicilien ist mit Ana-
nähme der Küsten wenig daraus zu lernen. Pt. musste vielfach irren ; ausserdem sind man-
che Fehler in den Text gekommen. Von letzteren lassen sich einige verbessern, aber es
bleibt noch viel Falsches zurück und eine Ptolemäische Angabe als Anhaltspunkt zur
Fixirung eines sonst wenig bekannten Ortes zu benutzen , ist unmöglich. Vgl. die Ausg.
von F. G. Wilberg (U. VI) Essen 1835—45. Das 3. Buch, zus. mit 0. H. F. Grashof
Essen 1842 herausgegeben, enthält in Cap. 4 Sicilien. Folgende Fehler hätten daseibat
schon nach Cluver verbessert werden können. dQinavov und ^Efiitoqiov ^^tyiaxavmr
müssen den Platz wechseln, sodass dies mit 370, jenes mit 360 15' bezeichnet wird (Ol.
Valeriiis Maximns — Stephanos von Byzanz. 319
323); die Mündung des Mazaraa und Selinus sind umzustellen (Cl. 283). Ich füge hinzu,
dass '^je^ix/avr. i/nno^iov und *lfA4Qn nor. ixßoXai nm 20' westlicher gesetzt werden
müssen , damit jenes unter Akragas , dies unter üithintia kommt. Das Prinzip , nach
weichem Pt. die Orte des Innern aufzählt, und das Ol. 403 und d'Orv. 161 verkannt
haben , ist folgendes. Pt. schreitet , im Norden anfangend , immer von W. nach 0. fort.
Die Ck>nfusion, die eine nach seinen Angaben entworfene Karte zeigt, ist entsetzlich ; sie
wird grOsstentheiis von Pt. selbst herrtthren. Doch kOnnen die Abschreiber die 8chuld
haben in Betreff Enna's. £s folgen nach einander : Assoros, Enna, Megara. Offenbar ist
£., dem die Breite 370 5' zugeschrieben wird , ebenso wie Ass. und M. mit 370 15' zu be-
zeichnen ; 00 kommt es seiner wirklichen Lage doch etwas nSher.
Um dieselbe Zeit schrieb Polyainos sein Buch über die Kriegslisten, das manches
Merkwürdige über Slcilien enth<, leider ohne Angabe der Quellen. Vgl. über s. Be-
deutung Niebuhr, Kl. Sehr. I, 454 ; über die Schwierigkeit seiner Benutzung Droysen,
Gesch. d. Hellenism. I, 685. — Nicht soviel Ausbeute giebt die denselben Gegenstand
behandelnde Schrift des unter Tnjan lebenden S. Julius Frontinus.
Von Laertios Diogenes (eit. L D) kommt besonders das 8. Buch in Betracht;
Athenaios (um 200 n. Chr.) ist eine wichtige Fundgrube auch fHr Sioilien.
Am Schlüsse dieser Periode mögen die Namen von Schriftstellern über Sicilien an-
geführt werden, deren Zeit unbekannt ist: Alki mos aus Sicilien, der Sikelika schrieb
(M IV, 296--e8); Andreas von Panormos, Sikelika (M IV, 302); der Milesier Arlstei-
des, Sikelika (M IV, 320—27); Artemon aus Pergamos, Oommentar über Pindar (M
IV, 340—42); Baten aus Sinope, nt^l r£v iv Sv^mtovaais rvQavvwv (M IV, 347—50);
Kriton ausPieria, über Syrakus (M IV, 373. 74); Hippostratbs, Y^vBaloytttiZixtXntui
(M IV, 432. 33); Theophilos, ntQ^^y^ms ZwXias (MIV, 515—17).
Von den späteren ScfariftsteUem nenne ich nur Einige besonders wichtige: Eusc
bios (ed. A. Schoene. Vol. II. Berol. 1866. 4.; besonders wichtig durch die von H. Pe^
termann besorgte lateinische Uebersetzung der Versio Armenia); Solinus (ed. Th.
Mommsen. Berol. 1864. 8.); Vibius Sequester (ed. J. J. Oberiin. Argent. 1778. 8.),
der Sicilien einigermassen bevorzugt; Stephanos von Byzanz (ed. A. Meineke. Berol.
1849. 8., dt. St B); die lünerare (ed. Parthey und Pinder. Berol. 1848. 8.j.
Gtar nicht kann ich hier von den anderen Quellen fKr die Kunde des alten Siciiiens
sprechen, den Inschriften, Münzen und sonstigen Ueberresten des Alterthums. Die Werke,
in denen sie gesammelt sind, werden im folgenden Abschnitte genannt werden.
2.
Neuzeit (Hülfsmittel) .
Die Beihe der Forscher über Sicilisches Aiterthum eröffiaet der Grieche Oonst.
Laskaris, der gegen das Ende des 15. Jahrh. in Messina starb. Seine kleinen Ab-
handlungen de Calabris et Sfeulis illustribus findet man in Mauroly^us Sic. Bist. I (Thes.
IV) . M. nennt ihn p. 22 Bembi et multorum Messanensium praeceptor.
Sobald sieh nun in SieiMen selbst die Kenntniss der alten Schriftsteller verbreitete»
musste bei den Gelehrten der Insel der Wunsch rege werden, die alte Geschichte des
Vaterlands aus der Verborgenheit zu ziehen. Den ersten, an die Oeffentlichkeit gelangten
Versuch in dieser Richtung machte der Syrakusaner Mario Arezzo, Historiograph
Karis V., in: Gl. Marii Aretii SidHae ch<»ographia accuratissima. Pan. 1527. 8. und
öfter, auch in Graev. Thes. I.
Unendlich viel mehr leistete Tomm. Fazello, ein Dominicaner , geb. zu Sciacca
1490, gestorben zu Palermo 1570. Von P. Jovlus veranhisst, arbeitete er in seinen
320 Anhang. I. 2. Moderne Bearbeitungen der Geschichte des alt«n Siciliens.
Mussestunden an der grossen Beschreibung nnd Geschichte Siciliens» die unter dem Titel
Thom. Fazelli de rebus Siculis decades duae. Pan. 1558. fol. herauskam. Das Werk
erschien italienisch Venez. 1574. 4.; ist lateinisch abgedruckt in Graev. Thes. lY (wonach
ich citire); neu herausgegeben und fortgesetzt inTh. F. de reb. Sic. dec.II crit. animadv.
atque auctt. ab V. M. Amico et Stateila iUustr. III voll. fol. Cat. 1749—53. Dieses italie-
nisch Pal. 1830—33. VII voll, in 8. Von den 2 Dekaden ist die erste geographisch , die
zweite historisch. Fazell's Leistungen sind in geographischer Beziehung vorzHglich ;
seine erste Dekade ist noch immer unentbehrlich. Vgl. Ad. Holm, Beitriige zur Bericht!-
tigung der Karte des alten Siciliens. Lttb. 1866. 4. — Die zweite Dekade ist antiquirt.
Keinen wesentlichen Fortschritt machte die Kenntniss des alten Siciliens durch die
Werke von Fr. Maurolico und Gius. Buonfiglio: Sicaniearum rerum eompendium
Maurolyco Abb. Sic. authore. Hess. 1562. 4.,. vollständiger in Graev. Thes. IV, und
Gius. Buonfiglio Gostanzo Parte Prima (e sec.) dell* historia Sic. Venez. 1604. 4. (Mess.
1613. 4.). Parte III. Mess. 1613. 4.
Nach Fazell war die Aufgabe der sioilischen Alterthnmsforschung zunächst eine
doppelte. Es galt einerseits in den einzelnen Städten der Insel durch Detailforschungen
das grosse geographische Gremälde zu ergänzen , eine Aufgabe , an deren Lösung sich
vorzugsweise die Sicilianer selbst betheiligen mussten ; andererseits einzelne Disciplinen
der Alterthumswissenschaft mit besonderer Rücksicht auf Sicilien auszubauen, was eben-
sowohl durch Fremde geschehen konnte. Ich spreche zunächst von den Arbeiten letzte-
rer Art.
Zur Numismatik des alten Siciliens ward der Grund gelegt in dem leider nicht immer
zuverlässigen Werke : Hub. Goltz, Sicilia et magna Graecia. Brug. 1576. fol. Wieder-
holt öfter , auch in s. Opp. T. IV. Derselben Aufgabe unterzog sich in umfassenderer
Weise Fil. Paruta in seiner Sicilia descritta con medaglie. Pal. 1612. fol. Dasselbe in
miglior ordine disp. da M. Maier. Lione 1697. fol. Zuletzt von S. Haverkamp in Gktiev.
Thes. VI— Vin.
Ein grosser Gewinn erwuchs der Wissenschaft dadurch, dass ein aus der holländischen
Schule der Philologie hervorgegangener Gelehrter seine gründliche Kenntniss der alten
Sprachen zu einer Sammlung und Erläuterung aller Stellen der Alten verwerthete, auf
denen die Geographie des alten Siciliens beruht. Phil. Cluver, der bedeutendste Geo-
graph seinerzeit, 1580 in Danzig geboren, 1623 in Leiden gestorben, gab seine Sicilia
antiqua 1619 in fol. in Leiden heraus. Ich citire (Gl.) nach der Ausgabe in Graev. Thes. I.
Ueber seine Arbeit an diesem Werke, das sich auf Topographie nicht einlässt, vgl. s.
beiden Vorreden; Über ihn überhaupt s. Leichenrede durch Dan. Heinsius in dessen
Orationes. Amst. 1657. S. 105—17; über seine Bedeutung für die sicilische Geographie
Ad. Holm, Beiträge u. s. w. S. 6.
Die sicilische Epigraphik begründete ein anderer Deutscher Georg Walther,
dessen gprosse Inschriftensammlung leider mit ihm selbst in den Fluten des Faro von
Messina zu Grunde ging. Doch hatte er' die sicilischen Inschriften bereits herausgegeben
in dem Werke : G. Gualtherus, Siciliae, objac. insularum et Bmtiorum antiquae tabulae.
Mess. 1625. 4., das auch eingefügt ist in den Haverkamp'schen Paruta, Thes. VI— VIII.
Nachrichten Über den wenig bekannten , jung verstorbenen Mann giebt Burmann's Praef .
zu T. VI des Thesaurus, sowie Oarrera Oatana III, 1. Seine Verdienste würdigt Th.
Mommsen im Bull. d. Inst 1846. S. 149.
Eine nützliche Zusammenstellung anderer Art unternahm Ottav. Gaetani, ein
Jesuit aus Syrakus (1566—1620), indem er eine Uebersicht der gottesdienstlichen Alter-
thttmer der Insel in einem Werke von grossem Stoffreichthnm gab , das jedodi erst unter
dem Titel Oct. Cajetani Isagoge ad historiam sacram Siculam. Pan. 1707. 4. erschien; es
steht auch in Graev. Thes. II.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. eröffnete ein genaueres Studium der semitischen
Haurolico — Ventfmiglta. 321
Sprachen einen Einblick in die Beziehung«! des alten Siciliena zum Oriente. Die In dieser
Riasiebt auf der Insel herrschenden Vorstellungen sind S. 9 1 mitgetbeitt. Da w
die von Sam. Boohart gegebene Anregung von hohem Werthe , der im üweitei
seiner 'grossen Qeographia sacra ^e Spuren der PhCnicier auch nach Siciliea vi
Sein Buch : Sam. Bocharti Greographia sacra. Cadomi 1646. fol. n. öfter , z. B. ]
1674. 4., ist ein werthvoller Vorläufer der im gegenwärtigen Jahrhundert mit 1
Kethode von Mosers wieder aufgenommenen Untersuchungen dieser Art. Pars p
lOianaan) entbült in Üb. 1 cap. 26—30 Sioitleu, Hidta, und die andermomlii
Iniwieohen wurden von geborenen Sicilianem localhistoriscbe und topogra
Arbeiten TerOffentlicht , von denen die bemerkenswerthesten bis zum Anfange
Jabrb. folgende sind.
Palermo. P, Banzani (lebte im ib. Jahrb.) opusc. de auctore, piimo
progreun urbis Panormi. Pan. 1737. 4. auch in der Raocolta di opusc. d. aut. t
sowiePal. 1864, herausg. von Di HafEO. — D. Mar. V sign arnera, Discorso dell'
ed antichiti di Pal. Pal. 1614. 4. Lat. in Graev. Thee. XIII. — Ag. Inveges, 1
«ntico. Pal, 164», Lat. in Graev. Thes. XIV,
SyrakuB. Vinc, Mirabella, Dichiarazione della pianta dell' antloa S
Nap. 1613. fol. Lat. in Graev. Tbes. Ueber Mir. vgl. Fr. di P. Avolio Hemori«
Cav, Hirabella. Pal. 1839. 8. ~ Seine IrrthUmer suchte zu berichtigen Gia
oanni eColonna duca di Hontalbano, La Siracusa illuetrata. Hess. 1624. 4.
sbgedmi^t im I.Bande Delle anticbeSiracuse. Pal. 1717. fbl. Lat. in Sraev. Tl
Catania. P. Carrera, Memorie storlche della citt4 di Catania. Cat. 1639
voll. fol. Lat, in Graev, Thes, X. Vgl. Über Carr, V, Natale. Discorso eugli si
P. Carrer». Nap. 1B3T.
Hessina. G, Buonflglio, Hessina. Ven. 1606. 4. Znsammen mit der si
echicbte desselben Verf. Hess, 1738. fol. Plac. Reyna, Notin. stör, della cittidil
T. I Hees, 165S. T. H 166S. 4, Lat. in Graev. Thee. IX. Plac. Caraffa, Della
Uessina. Ven. 1670.
EbeuBO giebt es von den minderwichtigen Städten LocalgeschichteD , meist n
LocalpatriotiBmuB als Kritik geschrieben, von denen man viele in Graev. Thes. la
Am Ende des IT, Jahrb. wurde ein wichtiger Fortschritt in der Kunde des alt
AI tertbums durch die Abhandlungen Rieb. Bentley'a Über die Briefe des l^ialt
beigeführt. So lange mau im attiscben Dialekt der späteren Zeit geschriebene,
sttischen Bildung beruhende Briefe flir das Werk eines Sicillers des 6. Jahrh. ^
halten konnte, hatte man von der älteren Geschichte Sicillens eine sehr wenig
Vorstellung. Indem aber Bentley in dieser Beziehung die herrschenden Ansebi
berichtigte , gab er ingleich In Ezcnrsen werthvolle Aufklärungen Ober Detaitfh
Die Titel der Schriften s. u, bei Pbalaris.
Einige Zeit darauf legte der Palermitaniscbe Canonicus Ant. Mongltore
1713] den Grund zur sicillschen Literaturgeschichte durch s. Bjbliotheca Sicu
scHptoribns Si'cnlis. Pan. ITOS— 14. II voll, fol. Dera, schrieb eine SIcilia rioerci
cose piü meraorabili Pal. 1742.43. II voll. 4. Giov. Ventimiglia, De" poeti ;
libro primo, Nap. 1663. 4. umfasst nur die poeti bncolici.
Da von dem, was bis zum Anfange des 18. Jahrb. über Siciüens Alterthti
schrieben war, Hftucbes keine hinreichende Verbreitung gefunden hatte, war es d
«erth, dass zu einer Zeit, wo die griechlscbeoi und römischen Antiquitäten in Tl
gesammelt worden, auch Sicilien dieselbe Sorg< gewidmet wunle. Als Fori
des Graevins' sehen Thesaums der Italischen AltertbUmer erschien : Thesaums j
tatum et HiBtoriamm Sicillae, Sardlniae et Corsieae, digeri coeptus cura ei
Halm, a«(Oh. SldUBU. I. 21
322 Anhang. I. 3. Moderne Bearbeitnngen der Geschichte des alten Siciliens.
J. Q. GiaflTÜ, com praefott. P. Barmsnni, L. B. 1713— 25. XV vc^. infol. Hu
findet darin Fftiell, Cluver, Paruta, die Locslschriften u. s. w. in lateinisdier Sprache.
Seit dem Ende dea IT. Jahrh. traWn zu dea streng wisaetiachAftlicheti Werken tlber
Jium Bücher einer neuen Gattung : BeiBebeacbreibnngen. Bedeutende Gelahrte
len Anfang mit grändlicheo Uitthellungeo dieser Art über Alterthümsr, Museen
itheken ; später folgten Weltmänner nach , welche dieaelben Gegesstände in
iteren Weiae behandelten. Die erste Sicilien betreffende Beisebeschreibung iat
lie gelehrteste von allen. Ihr Ver&sser war derProfeiiBor Jac. Phil. d'Or-
Amsterdam (1696—1751], der 1727 Sicilien besuchte. Sein Werk erschien erat
im Tode: J. Fb. d'Orville, Sicula, quibiis Sioiliae veteria indera, additis anti-
UtbuUs, illttstrantur, ed. et oomm. ad numism. Stculaetc. adjecit P. Burmanaas
Amst. 1764, II voll, fol. Von den 34 grossen Kupfern, die daa Werk (abge-
den Miinubbildungen] enthült, betreffen 30 die AlterÜiUmer Sicüiena ; sie sind
inalige Zeit vortrefflich.
etine sogleich die Übrigen wichtigeren Reieen dirch Sicilien bia znm Ende des
inderta. [v. Riedesel) Reise durch Sicilien und Grossgriechenland. Zur. 1771.
B. Laus. 1773 und Par. tS02. H. Der Verfasser, Fi^nnd Winckelmann'i, hat ein
B latwesse für Archäologie. H. Swinburne, Travel« in ttaa two Sieiliea.
3—85. nvoll. i. Deutsch von J. E. Forster. Hamb. 1T85. 2Bdja. B. Für die
ik war nach Ullnter, Vorr. 3. 12 Dutena Hitarbeiter Swinbume's. — [Jnbe-
; P. Brydone, A tonr through Sicily. Lond. 1771. Dtsch. Lpz. 1771; und
)oroh , LeUres aur la SIcile. Tur. 1783, DUch. Bern 1796. — Von grtJeeerem
ad zwei reich illnstriite französische Reiaewerke von bedentendem Umfang,
on, Voyago pittoresque de Naplea et deSicile. Par. 1781—80. Vvoll. in fol.
g. von J. P. Charrin. Par. ISIS ff. IV voll. 8 nnd Atlaa in fol. Deutsch (von
I] Ne^Kil und Sicilien, Gi>tha]789 ff. in 12Bden. 8., yon deneadie swei letzten
nschriften und Münzen nach Torremnzza in ungenUgender Weiae inaammon-
er Text iat ungleich, dae Werk verschiedener Hitarbeiter; ron beaonderem
e Beiträge Dolomiens' Über die vulkanischen Gegenden dee Val di Noto. Ein
itubeiter, der bekannte Denon, hat ein beeonderes Buch: Voyage en Sloile.
8. TerSffentltcbt. Die Kupfer dea Saiot-Nou'aahen Werkes nennt Bartels II
inig Creui. Von weit grosserem Werthe ist fUr die Eenntnias der AlterthilmM-
T. Houel, Voyage pittoresque des lies de Sicile , de Halte et de Lipari. Par.
IV voll, in fol. Deutsch von Keerl. Gotha 1787 ff. 6 Thle. in 8. Bartels U,
III und Grass I, 141 rühmen die Treue der 264 Kupfer, die Alles, was H. an
m des Alterthums von Bedeutung schien, darstellen.
I qäter als Houel'B Reise fallen die in folgend«! zwei brauchbaren Werken
loen: Fr. Hünter,Ef[erretningerom begge Sicilieme. KjOb. 1788.8. Deutsch
« von Neapel und Sicilien. Kopenh. 1790. 8. J. H. Bartels [starb 1850 »ia
sterinHambuvg), Briefe über Kalabrien nnd Sieilien. Otttt. 1787—92. 3 Bde. 8.
re Beisebesehroibungen sind : GOthes Sicilien in Bd. 28 s. Sämmtl. Werke ;
MBden; Tagebuch von H. Knight in GOthe's Haokert, Bd. 37 s. Werke
S.321 GOthe'a Urtbeil über die sioilischen Reisebeschreibungen des 18. Jahrh.);
Stollberg, Reise in Deutachland u. i. w. KUnigsb. 1704. 4 Bde. 8. J. G.
Spaziergang nach Syrak US. BraunBchw. t8U3. 8.
n systematischen Werken über Sicilien hat im 18. Jahrhundert das Ausland
geringen Bai trag geliefert: (J. Lävesque) deBurigny, Histoire gänärale
AlaHayel74G. II voll. 4., eine gefällige, nicht immer grüudlicheDaratellunfr-
mehr thaten die Italiener und speciell die Siollianer selbst. Zuerst mnss Jedoch
aennOnch aus Cortona genannt werden : Gins- Har. Pancrasi, dessen Anti-
ane spiegate. Nap. 1751. 52. Ilvoll.firi. ausführlich dieUeberiMte vonAkngaa
D-OrvUle — Logotet». $28
betutndehi. So wu denn eadtieh Buch dieser bisher von den LocalUstorikem Ternsoh-
läaHigten Stadt eine ■usfUlirliche Bearbeitung zu Theil geworden.
Weit BedeotendereB aber haben die Sicilianer «elbet geleittet. Die zweite Hälfte des
tS. Jahrh. war ftlr die lusel eine Periode frischen Lebeng, namentlich in wissp"'"*'*'^-
Hcher Beziehung. An der Spitze der Städte der Insel stand Catania, das sieh ät
erwarb, die gebildetate Stadt Sioiliens zu sein. Hier weckte zuerst V. H. Ami
— Ilfi2), Prior des Benediktinerklostera daselbet , Interesse ftlr Alterthamgwfse
Von ihm sind aneser der otien erwähnten Bearbeitung Fazell's : Catania illnatra
1740— 4e.IV voll. fol. L^icon topographicum Siculnm. Pau. etCat. 1757—59. 11
bearbeitet in Qioach. di Harao, Diiionario t(q)ogra6co della Sic. di V. Amico,
iat. ed. anaot. Pal. IBäS. U voll. 4. Durch Ami cos Lei icon ward gewissenoau
fiOatig das na voUatäudig g^li ebene Werk: (G. A. Hassa) La Sicilia in pro
Parte 1 e IL Pal. 1709. 4. Amieo hat das Huseum der Benediktiner in Catania
det. — Koch berühmter als er ist der FUrst vonfiisoari geworden (1719-
veranstaltete Ausgrabungen in Catania und sorgte fUr Erhaltung des Auogeg
er vereinigte seine Saaunlnugeu in eiaem noch vorhandenen H useain ; er rsrÄiaat
■elbat eine Ueberaicht der AlterthUmer Siciliens in Form einer Keise : Tg». Pai
Btello, Princ, di Bfscari, Viaggio per tutte le aoUcbit& di Sicilia. Nap. 1T81. 4.
Zu eiuem von ihm projeclirten Werke Über das alte Eatana sind ca. 50 Eupfer g
worden, die 1623 aoehTorhanden waren: Sctnäll, 17S.
Diesen MBuBrematellta sich, den Ruhm Palermo' s wahrend, an die Seite Gabi
Castelli, FUrst von Torremuizs (1-727—93), der ausser durch kleinere Sehr I
sUglich dnrcfa die Sammlung der Inschriften und UUnzen das alten Siciliens sich
gemaebt hat. Von ihm ist : Siciliae et objac. insularum veterum insoriptionnm t
lectio. Pau. 1769. fol. Dass. iterum cniB emendation. et auotariia ernigatum. P
fei. Desselben SlcU. p<^ulor. et urbium , rcgum quoque et tyranaornn vetwei
Pau. 1761. ioi. D»u aactarium I. Pau. 1789. fol., auet. 11. Pau. 1791. fei. Nac
Pfaino hätten sechs andere Werke die übrigen Atterthflmer der Insel nnfatse]
vf^. B. Idea d'uB tesoro che contenga nna generale raccolta di totlc le «utiohil
Ojxiec. diaut Sicil. VIII, ISl. Pal. 176^. — Neben Torienuiza kaDoen noch in
als Befitrderer der Alterthnrnsstudien genannt werden: Dom. Sehiavo (1719-
Salv. dlBlasi, der der HauptgrüBder des Uuseums des Elostera S. Hartino
reale geweseu ist ISeluä n, 136). 1T3« gründete Ign. Saluitro das nach Uum
Museum der Jesuiten in Palermo.
Der in Siellien herracbende Elier fflr die Altea^hmusknude bewog auch i\
ruDg (1779), sich thätig der Sache anzimehDien ; sie enuunte Biecari nnd Toit«
Conservatoren der Alterlhtimer der Insel und stellte Ihnen eine freilich Dicht be
Summe jShrlich eor Veriilgnug. So fcombe manche* Denkmai dem Untei^ange
werden. Vgl. Scina H, 179 und UUnter g. 383. B4.
In eine etwas spätere Zeit fallt die Thätigkeit eines Hannes, der fllr Synikn
lieber Weise wirkte, wie Biseui fUr Catania, des Bittars Saverio Laudolini
)RI3). Er veranstaltete Ausgrabnugeu, In denen manch werthvollee Stück gefi
(1803 der Aeskutap, 1B04 die Venus; Scin& II, 244) und schützte die antiken He
nach Kräften. Veröffentlicht hat er nur Unbedeutendes; dagegen stand er in 1
Briefwechsel mit auswärtigen Gelehrten {deewegen getadelt von Soiui II, 342).
ward seine Entdeckung des VerMtrens , Papier ans Fapyrns zu bereiten. Vgl.
Avolio, Lette«elüt. agli stndii delCav. Sav, Landolina. Sirac. 1S36. 8. — S
kennen fllrSyrakusder Graf Ces. Gaetanl (Abhandlungen in den von diBlaa
deten Sammelwerken: Opnsooli di autori Sidliani T. I— XX. Pal. 1758—78
Nnova Sacc<^ta di opusc. di aut. Sic. T. I— IX. Pal 17SS— 96. 4.] Qins. L<
(AUi. zum Theil ebendaselbat, ausserdem Gli antichi monumeoü di Siracusa :
21*
324 Anbaog I. 3. Moderne Bearbeitungen der (Üeschichte des alten Siclliens.
Kap. 1786. S. undCat. 17SS. 8.) nnd Giua. Mar. Capodieci (Antichi monnm. di Si-
raciua. Sir. 1816. U voll. 4., vgl. Eepbal. II, 10—12) genannt werden.
Die grossen Umwälzungen, welche du contineotale Europa in Folge der Bevolution
— i-of. t„fgn_ berührten bekanntlich Sicilien nicht. direkt , da es durch die Wachsam-
Inglllnder vor der framÜBischen Eroberung geschlitzt wurde. Bei der groasen
jenes Volkes fiir Alterthumsstudien wären nun Werke Über Siciliena Aiter-
) Früchte des langen Aufenthaltes der Engländer auf dieser Insel eu erwarten
doch erschienen solche nicht. Dagegen ist als eine Folge der englischen Ocon-
t Werk des Capit. W. H, Smy th (geb. nS8, starb als Adairal 1S6&1 : Sicily
ands. Lond. 1824. 4. mit Enpfem nnd einem hydrographischen Atlas von 32
gr. fol., eine genaue Schildemug, besonders derKUsten und Heere, zu betrach-
m.) . Auf seinen Arbeiten beruht (llr die EUsten auch die Carta generale della
icilia , comp, nell' officio topografico di Napoli , 1826 in 4 Blättern , die (Ur das
:bt genügt. Eine Wiederholung dieser Earte mit einigen Znsätzen ist die Cart*
lellaSiciliavonFr. Badalamenti. Pal. 1663.
igenwärtigen Jahrhundert wurde die Zahl der antiken Städte der Insel , welche
id genauerer Untersuchung waren , um eine vermehrt durch die Forschungen
ludica, der Nachgrabungen nach den Ueberresten der alten oberhalb Palazzolo'a
Stadt anstellte. Er legte die Ruinen mehrerer antiken Ciebäude frei, brachte
nlung von Alterthtlmern zusammen und stellte fest, dass die Stadt das alte
r. Seine Forschungen sind veröffentlicht in G. Jndica, Le antichitä di Acre.
9. fol.; doch hat er sie ancb noch nach dieser Zeit fortgesetzt,
camauch die Zelt heran, wo die so oft geschilderten nnd malerisch abgebildeten
onumente der Insel in genaueren Werken publicirt wurden. Zuerst sind hier
i: W. Wilkins, The Antiqnitiesof Magna Graecia. Cambr. I80T. fol. mit B&
aus anderen Werken entlehnten Eupfem , sowie F. Gärtner, Ansichten der
»1 erhaltenen griechischen Monumente Sioiliens. Hünchen 1819. fol. Von
wen ferner die Arbeiten fremder Architekten Über einzelne Monumente , von
onders zu nennen sind die bei Gelegenheit des Zeustempels von Akragas anzu-
Schriften vonCh. Bob. Cockerell (1TS&-1863; und Leo v. Elenze[17S4
nd die von der wichtigen, durch die Engländer Harris (starb als Opfer des kli-
Fiebers) und Angell im J. 1823 gemachten Entdeckung der selmnutiachen
liandelnde Schriftr Angell and Evans, Sculptnred Metopes discovered at
' W. Harris and S. Angell. Lond. IS26. fol.
umfassende und zugleich genaue Publikation der sicilianischen Monumente ver-
lann Jac. Ign. Hittorff (geb. in Edln 1793, gestorben als Architekt in Paris
. Hittorff et L. Zanth, Architecture antique de la Sicile. Paris 1826 ff. fol. Von
issenen 30 Lief. Planohes sind jedoch nur 8 erschienen. Vgl. die anerkennende
[es Werkes von GUthe (Werke Bd. 44. S. 173). Hittorff hat der Polyohromie in
in Architektur eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet und seine eine mtlg-
ständige Bemalung der Tempel vertretende Ansicht noch in folgenden Schriften
t: De 1' architecture polychrome chez les Qrecs, in den Ann. de l'Inst. 1830
und Restitution du temple d'Emp^docIe s Silinonte , on l'archit. polychrome
rrecs. Par. 1851. 4. mit Atlas in fol.
umfassender und deshalb noch wichtiger , als Hittorff'g Werk , ist Jedoch :
LoFasoDuca di Serra di Faico, Le antichiti di Sicilia esposte ed lllu-
J. 1832—42. Vvoll. in fol. mit 174 Tafeln. Der Verfasser (geb. ITSl, gest.
Mitglied der Alterthumscommission, die in den dreissiger Jahren manche Aus-
I, hauptsächlich durch den Architekten Saverio Cavallari veranstaltet hat.
n Gewinn flir die Wissenschaft, das« der Herzog dieBesultate dieser Forschnn-
em Piachtwerke publicirte, daa sich vielfach auf Hittorff stUtst, und bei dessen
1
Capodieci — von Hoyer.
AbfaMiuig ihm der Prof. Haggiore in Palermo an die Hand ging (AobImi
Bd. 1. enthSlt Segesta , Bd. 2. Selinus, Bd. 3. Akragas, Bd. 4. STraknii i
Bd. 5. Katana, Tauromenion, Tyndaria und SoluDt.
Wenn Werke, wie das von HiCtorff und Serra di Faico exiatiren, bleib
Beiaeudea — und das sind nothwendigerweise die meisten Ausländer — i
liclikeit, die WiBsenaohaft durch Mittbeilung tud Neuem zu bereicbern. So
oeneren Reisebesebrei bnugen täi Siciliens alte Geschichte von geringerem^
wo sie die Stätt«D der alten Kultur achildern, wo denn zu bedauern ist, da
sich snf dieselben wicbtigaten Punkte beschränken und den grOsateD Theil
beschrieben laaaen. FolgendeWerkemSgen die wicbtigaten sein: Deutsch
Sicilische Beise. Stuttg. u. Ttib. ISIS. 2 Bde. 8. mit Kupfern. K. W. E
Heise durch Italien u. SiciUen. 2 Bde. Lpz. 181B. S. J. Tommasini. B
lien. Berl. 1825. S. Der Verf. istH. Westpbai, der mit einem Werke
alte Geographie beachäftigt, den 21. Aug. 1831 zwiachen Cefalü und Termi
1B31,S. 176j. (G. Parthey) Wanderungen durchSicilien und die Levante. 1
Berlin 1834. 8. J. C. Fehr, die Insel Sicilien. St. Gallen 1835. 8. J. Bau
reise durch Italien q. SiciUen. Luz. 1S3». 2 Bde. 8. L. Goldhann, Aei
mngen in Sicilien. Lpz. 1S55. 8. A. G. Garns, Sicilien und Neapel. Wi
Sein Begleiter iat eine Zeit lang Cavallari. F. Oregoroviua, Siciliana.
0. Speyer, Bilder itaJ. Landes undLebens. Bd. n. Berlin IS59. 8. F.Li
undNeapeL Bd.L Heben 1364. 8. 0. Hartwig, Ana Sicilien. Casa.u.G
2Bde. 8. — FraDzdsla'ohe; A.deSayve, Voyage en Sieile. Par. 182!
oft Honel folgend, ohne ihn zu nennen, Comte d e F o rb i n, Souvenira deSi<
8. nebet dem Kupferwerke: Oaterwald, Voyage pittor. en Sieile. Par. 18
NerTo.UntourenSicile. Par. 1834.n voll. 8. Tb. Renouardde Busal
enSioile. Par.1837. 8. E.Ri^clua, La Sieile, inTonr duHonde 1S66. p.3E
Mache: C. Hoare, Clasaical tourtbrongh Italy and Siciiy. 1818. II roll, i
Picturee fromSicily.Lond. 1859. 8. mitAbbild. (Geo. Dennis)AHandfaoi
lers in Sicily. Lond. Muiray 1S64. 12. (Ich citire D.), wo die ganze Insel j
und mehr nützliche Notizen gegeben werden als in irgend einem anderen R
Die noch in erwähnenden atreng wlasenachaftlicben Werke Über dai
ordne ich ebenfalls nach der Nationalität der Foracber,
Ich beginne mit Deutachland, daa im 19, Jahrb. der Bauptaitz de
wiasenacbaften geworden ist. Waa hier für die politische ttnd Literatnrg
daa Studium der Kunat und Philosophie des Alterthuma geleistet worden
für Sicilien grosse Bedeutung. Ich nenne nur Boeckh iPindar, Corpua Insi
Sicilien betreffender Abschnitt von Franz bearbeitet ist ; die Herausgabe d<
Inacbriften der Insel wird vorbereitet); 0. HüUer (Dorier) ; Welcker
Uommsen (Gesch. dea rSm. MUnzweaens! ; endlich die Arbeiten von Moi
Phtfnioier, vor Allem Bd. 2, Abth. 2, wo unter den Kolonien auch Sicil
wird. Dagegen sind Specialgeschichte und Geographie der Inael weniger b
den. Hier Bind zn nennen : GßUer, de situ et origiue Syracusamm. Lipa.
Mannen, Geographievonltalia. 2. Abth. Lpz.1823, 8. G.Parthey.Sic
tab. emend. Berol. 1834. Schriften J. F. Efaert's inKUnigsberg : Diasertal
T. I. Regim. 1825. 8. und £tx$litiv a. commentar. de Sic. veteris geographi
Vol. 1. P. I. Regim. 1830. 8.; Schriften J.F.Büttcher's inDresden, Re
Siefert's, J. Arnoldt's, endlich J. Schnbring's, der besonders 186
lien bereiste (vgl. Honataber. der Berl. Akad. 1866 S. 754—57) und zahlrc
liehe Uonographien verfiffentlicht hat, die, wie die Schriften der andern gens
an ihren Orten citirt werden. — Unbrauchbar istJ.von Hoyer, Geschlc
Quedlinb. u. Leipz. 1838. 8.
326 Anhang. I. 2. Hodeme Bearbeltnngen~]der Oesehicbt« dea alten Siciliens.
AusFrkDkreich mna« anewr dem wicbtigen MUnz werke Hionnet'a: Deacription
de MMaiUea antiqoea, wo in T. 1. Par. 1806. 8, Sicllien enthalten ist (cit. Mi.) nud dem
SoppiSineDt dazu (ebenf. T. I. Fftris 1819. S. cit. Hi. S. ) genannt werden: A. Le-
tronne, Eaaai arlt. snr la topographie de Syracnse an commeDcem. du cinq. siöcie avant
liTB' Tolgalro. Par. 1813. S. ; sodann Manches TonRaoul-Roehette.sowoIilinaelner
aisttrire crit. de rdtaUi». de» colooie« grecqnes. Par.et Strasb. 1S1&. 4 Voll. S. als neh-
me Artikel in Jonmal dea Saranta 1829—17. Als die Akademie der Insohrißen für das
Jahr 18-12 eine amfasiende Arbeit ül>er die griechis^en Kolonien in Sicilien znm Oegen-
atand der Preisbewerbnng gemacht hatte, tmg Wlad. firunet de Preale denPreie
davon, dessen schätzbare Hecherebee aar les Stabil Meinen tB des Gfocb en Sicile. Par.
1846. S. ereoliieDen. Endlich sind des Hersogs deLnfDes Abhandltingea Über ridllsche
Namlsnatik in der Revue Numismatique von Bedeutung.
Aus England ist zu nennen das grosse und wichtige Werk: G. Grote, Hlstory of
Orcec«. Lond. 1851—56. 12 voll, in 8. Dentsoh in 6 Bünden (von mir citirt) ; daneben
■nmisHiatiBche und topographische Arbeiten von Leake: Numlsmata HeUenioa. Lond.
18S4. 4. nebst Supplem. Lond. 1859. 4., and über Syrakns Transaotions oftbe Royal Sog.
of Liter. III, 23S ff.
HollXndisehe Gelehrte haben einzelne Punkte des sIciUBcben Alterthums be~
handelt.
In Sioilien finden wir eine Menge von Porscfaeni mit dem Alterthum der Insel
besehäftigt. Allgemeineren Inhalts sind N. Falmeri, SommadellastoriaSiciliana. Pal.
1834— 40. Vvolt. 8.. auch 1850 Ivol. gr. 8. A.F.Ferrara, Storia geneialedella Siciiia.
IXtoH. Pal. 1830 — 38. 8. und das tüchtige Buch Vino. Natale. Sulla storia antica
della Sieilia discorsi. Yol. I. Nap. 1843. 8. Sodann hatte In einer jetzt schon hinter nne
liegenden Zelt Jede der grosseren Städte Stcilieos wenigstens einen Alterthumsforschei'
von Ruf. 6o wirkten In Palermo Dom. Scinä, dessen Prospetto della storia tett«r»ri«
dl Slcilla nel see. XVIII. Pal. t8!4~2T. Ill voll. 8. schon mehrfach citirt ist, und dr-
oben erahnte Haggiore; InSyraknsderPrleldent Avolio; in Catania der Canoni-
cuQius. Alessi, der eine Storia crit. di Sieilia dai tempi (avolosi insino alla cadute
dell' impero Romano. Vol. I. Cat. 1834. 4. (ich finde 4 Bände citirt) verfasst bat; in
Oirgenti endlich Raff Pollti, Verfasser Eshlreieher kleiner Schriften , besonders über
Vasen. Von jüngeren Forschem ist besonder« A. Sallnas durch mehrere Vorarbeiten
an einem von ihm beabsichtigten Werke über die antike Numismatik Siciliens bekannt
geworden.
Die neuesten politischen UmwSlzungen haben auch auf die Alterthumsstudlen In
Sicilien einen günstigen Einfluss ausgeübt. Die Regierung hat der sicilischen Alterthnins-
comraisiion namhafte Geldmittel zur Verfügung gestellt, und Sav. Cavallari ist mit
der Leitnng der Arbeiten — Ausgrabungen n. s. w, — beauftragt worden. Man hOrt von
erfreulichen Resultaten In Syrakus, Akragas, Sellnus nnd S<rfns, R^ultate, die hoffenlJich
bald noch ansfUfariicber pnblicirt werden, als bis jetzt dorch das nur begonnene Bollettiao
delltt commiss. di antichitA e belle arti in Sieilia. Pal. 1864. nebst der Relaztone von F.
di Giovanni, 1S6S, geschehen ist.
Ein höchst wichtiges Werk ist die viHlreffliche Karte Siciliens im Haeestabe von
1 :50,0l>D, 41 Blätter von 71 Cent. Breite und 51 C. HUhe. das Resultat der vom italieni-
sehen Generalstab unter Leitung des Obersten E. de'Vecchl in den Jahren 1B61 — 64
auBgef&hrten Vermessnng der Insel.
Anhang II. Bel^;« nnd ErianteruDsen hu Bucb I, Kap. I, Seite 1—3.
II.
Belege und Erlänternngen.
Erstes Bach.
Erstes Kapitel.
S. I. Theile des Uittelmeeres. Die EDtfernung von C. Bon in Afti
C. doir Armi sOdlich von Beggio in Calabrien beträgt etwa 54 geogr. Meilen ,
Bu el Hlllal In Barks nacb dem Pelopoone ei sehen C. Matapan etwa 52. Die grtia
dehnong Kretas beträgt etwa 35 Meilen, die SicUienB 38. So iat es also nur die i
dene Lage der beiden Inaein, welcbe den Unterectaied in Abschlüsse der beidei
des Hittelmeeres bervorbrlugt. Ursprtlngllch scheint die grosse OsthSlfte dei
meerea, die Jetzt in der kleinen Syrte ihr Westende findet, sich westlich aufgleicj
dnrdi einen Thell der Sahara fortgesetzt zu haben , so dass der Atlas mit sei
bSngen eine Insel bildete. Eine Spur davon finden wir In der Existenz des Mi
der nur durch eine schmale Landenge vom Golfe von Eabes , der kleinen S;
trennt ist.
S. I. Siciliens geringste Entfernung von Afrika giebt Humb. E
152 2u 12 geogr. Meilen an. Ich bin der neuesten Karte von Petennann gefolgt.
S. 2. Siciliens GrOsse ward frllber nach anbestimmten Schätzungen i
5E8 D Meilen angegeben, dann ist man auf 497 herabgestiegen; die 10556 sqns
bei D. VII machen ebenfalls 497 DMeilen. Neuerdings endlich (Gotb. Hofkat.
nach ital. Statist. Kachrichten) werden 29239 D Kilom, angegeben , d. h. 53
D Heilen.
S. 2. lieber die Geologie Siciliens, die besonders von C. Gemmellaro, f
les Lyell und Fr. Hoffinann bearbeitet ist, vgl. F. Ferrara, I campi flegrei delli
Mess. 1810. 4. ; C. Gemmellaro sopra la fislonomia delle montagne di Sicll. in
deU' Äcad. Gloeola von Catania V, 73-93 , Auaiand 1842. S. 1 121 . 22 und D. I
S. 2. Ueber den Charakter der slcillanlschen Landschaften des
Tgl.D. an verschiedenen Stelleu. 3. 147 wird die Auseicht von CalataGmi bezeii
of truly SIcilian aspect, bare, green and treeloss, a sucoession of low swells In th
dlstanoe, and ranges of wild mountains od the horizon. S, 225 wird ein Anssp
Marqu. of Ormondecltlrt: Tbere are many countries where the mountains are mnc
ihan those of Sicily, but tbere is not perhape any part of the globe of similar (
uniformly mi^d. Vgl. femer S. 241. 246. 290 u. Öfter.
S.S. Als Bädlichsteu Punkt Siciliens giebt Smyth Append. p. 38 an:
Island beiC. Passaro: 36« 3S' 10"; als nördlichsten: C. Rasaculmo : 36»
(p. 37).
S, 3. Eine Ueberei cht der Vertbeilung derFeldarbeiten inSicilien
einzelnen Monate giebt J. F. Neigebaur, Sicilien. Lpz. 1848. S- 55 — 58.
8. 3, Die Eistheilung des sicilischen Bodens nach den K«
D. XV. XVI.
S.3. Die Produkte der Insel: Smyth 1—25 und C. A. Jacob, Heuere Nao
Über Sioilien. Bann. 1823. 8. S. 30—49.
;g Anhang ü. Belege und Erlünternngen.
Zur Erläaterang spüter Torkommender Hasw bemerke ich , daas das frilher in Sici-
n imhriiacbliche ÜDgenmasa war ;
1 csana za S p&lmi, zu 12 once, zu 12 linee.
1 Heter = 3,87 p&lm.
I Yard - 3,54 .
1 Palm ist 0,8 Bheinl. Fnss oder 9,7 ZoU (Neigeb. 169 ff.).
Zweites Kapitel.
Trennung Slciliens von Italien Str. VI, 1,6. Diod. IV, 85 schreibt die
ennaJtaiol /lu^y^rf-ot Ea nndBagt,Heeiod habe aie nicht getheilt. Häufig beson-
len Späteren. luat. IV, 1 ; impetu Bnperi maria. Vergl. Aen. III, 414—19. Ov.
290—92 u. a. m. ; besonders aaBfUhrlich noch Engt, zu Dion. Per. 476. — An-
silt über den Kamen Ehegion nach ApoIIod. II, 5, 10 Grotefend, Zur Geogr. u.
on Alt-IMIien. Hann. 1S40. 4. I, 9 (ärTo^(%ruff> htilöi, d. h. der Stier des
. — Ueberdie Aneichteu der Alten in Betreff der Bildung der Insel vgl.
bes. 19) und VI, 1 , G , sowie Humb. KoBm. IV, 534 , der dem Geographen von
lierbei ivielen geologischen Scharfsinni zuschreibt. — Ueber die Qleichheit
teine an beiden Seiten der Heerenge vgl. Brocchi Osserraz. geolog. sui con-
teggio, e salla aponda opposta della Sic. Bibl. Ital. XIX p. 69 (cit. von Parthef
— D. 510 nennt den general aspect der beiden Küsten »ery different. — Ge-
iefe der Meerenge schon von Faz. bemerkt, der SO passns als Maximum
ivas natürlich nur von einzelnen Strecken gilt. — Str. I, 3. 10 spricht von einem
jrfen der Insel vnh laü AhvaCov nvi/ös.
Siciliens Meere. Namen: Tv^^qnxav, Aißvxöv, £txf3.ixir [AvaöyuH') Str.
20. St. B. B. V. Tfiynxgia bat aus Eallimachos T^iräugiof novrot, ebenso Ap.
191 und Luc. Aetn. 96 (T. gurgea). Sil. XIV, 234 nennt das Tyrrhen. Heer p.
Das eikel. Heer, welches Str. I, 3, 4 fllr sehr tief erklärt, nennt Mela II, 7, 14
q1. ; Ptol. ; Sol. S, 1 1 Adriaticnm ; so auch Paus. V, 25, 3 : toü 'jitglov.
Heerenge. Namen. Gewöhnlich no^S/jot Zaiüixit, so Str. II, 5, 19. Thuk.
gt des Zusammenhanges wegen nur nog&fiÖ!, anch XäffußJis. n, ^ixtUas Ar.
jT.2"x«ii(.rofÄth.VII,311. JT, ri/e<rijn*orLyc. Al.v.649.2"iwiöf ^'ofDion. Per.
>l ujV ÄüÜBv noptf^of Plat.ep. VII, 345. VinlCne ff. Ant. Hir. 138. Auch fföpoe.
tOmem gew. fretum Siculum. Siciliense Cic. ND 111,10. Scy llaeum Cic. p. Sext.
icnm OroB. I, 2. Rhegium Sali. sp. Is. Or. XIII, IS. Ap. Arg. IV, 919 nennt es
iiaälös. — Breite: 7 Stad. nach Str. II, 5, 19; nach dems. VI, 1, 5 wenig
6; auch Schol. Ap. Rh. IV, S25 hat 6 oder 7. T Stad. nach Eust. z. Dion. Per.
anch den engsten Theil des Hellesponts zu T Stad. angiebt. — 11 Stad. Timo-
«i Agathem. 20 , HG II , 4&2. — 12 Stad. nach Polyb. 1 , 42 ; Plin. HI , 73. 45.
, SSsagt. dass sie 15 m. p. lang und 1500 passus breit eei juxta columnam Rhe-
elche nach Str. VI, I. 5 der Peloris gegenüber, 6 Stad. vom Vorgeb. Kainya,
kyl. 13 giebt die Entfernung von 12 Stad. gar fUr die Distanz von Peloris nach
an, ganz irrtbtlmlich, wenn nicht etwa mit Qail und HUlIer änb 'Ptfylev zu tilgen
I Stad. nach Tim. bei Diod. IV, 22. — 20 Stad. endlich nach Thuk. VI, 1. —
nd blieb die Annahme von 12 Stad. — 1500 passus (scbmalste Stelle) ; so Faz.
iodoroB et Plinius scripserunt et nos metimur. Die Wahrheit liegt in der Mitte
dieser Annahme und der des Thukydides. — Nach Sil. XIV, 10 httrte man
hell und Hahnenschrei Über das Wasser; D. 509 versichert dasselbe. — Hauche
genommen, die Hoerenge sei früher viel enger gewesen als jeüt; Sm. S. 108
:e bei D. 510 sind der entgegengesetzten Ansicht.
Zu Buch I, Kap. 2, Seite 6—9. 329
S. 8. Strömung und Strudel der Heerenge. Im Allgemeinen vgl. Str. 1,3; 11
ausEratosthenes, dessen Ansicht nur, insofern er cße StrOmung mit einer Niveauver-
schiedenheit des Tyrrhenischen und Sicilischen Meeres zusammenhängen iässt, verworfen
wird. An den Mond erinnert auch Ar. Mir. 55; ausführlich ders. 130. Thuk.IV, 24 giebt
nur das Zusammenströmen der beiden Meere als Grund der Bewegung an ; eben so Paus. V ,
25, 3 ; Tzetz.Chil. XI, 361 spricht sogar von drei zusammenströmenden Meeren. Lycophr.743
und der K^XiS not.tjTiji bei Eust. zu Od. XII, 105 scheinen jedoch angenommen zu haben,
dass die Bewegung vulkanischen Ursprungs sei. Vgl. Cluv. I , cap. 5. — lieber den
Strudel bei Messana Str. VI, 2, 3: defxpvrai cf^ xai ^ XuQvßdtg fiutqov nQo xijg no^
X$mg iv Tip no^fp. — Die Geschichte von Pesce Cola bei Faz. 53. 54. — Ueber die
Natur der Strömungen der Meerenge Sm. 109. 110, dessen Nachrichten über die Namen
mit den von Erat, bei Str. gegebenen zu vergleichen sind. Nach diesem heisst die nach
Süden gehende xariniv (so auch, wie es scheint, D. Hai. I, 22), nach Sm. 110 descending;
jener nennt sie nlrijufÄVQ^f, dieser dagegen ebb. Der nach Norden gehende Strom heisst
bei Erat, i^nov, bei Sm. ascending; femer bei Er. afAnwTig, bei Sm. flood. — Den Stru-
del sub eztimo Pelori excursu erwähnt Ol. 82. — Eine Aufzählung der hauptsächlichsten
Strudel der Meerenge hei D. 510. 11. Ueber den bei Messina Sm. 123. Namen desselben
bei Bart. II, 66.
S. 9. Marobia Sm. 224. 25, der den Namen von mare ubbriaco, das trunkene Meer,
herleitet. Lykos (fr. 8 M II, 373) bei Ant. Mir. 148 sagt, dass der Kamikos d^ttlattrig
Ceovaris ^€i, was wohl heissen soll dia d-al. (.
S. 9. Namen der Insel. Diod. V, 2 sagt zusammenfassend: ^ yag yijaog rb na-^
Xatov äno fikv tov a^ri^nTog TqtvaxQCa xXrjd-€l(fa, anh 6k rtSv xatoixtjatcVKov avTrjv ^i'
Xttvmy 2ixavla ngoaayoQev^sTaa, TsXfvtaTov 6k ano rdSy Six^hvv wvofxaaxai 2ix^X(tt.
— Mit TgtvaxQia hielt man für gleichbedeutend das homerische Bqivttxtri (Od. XI,
106), und Str. VI, 2, 1 meint deshalb, die älteste Form sei TQtvaxQia gewesen und B^ira^
xlfi oder, wie einige Handschr. haben, BQivaxig, eine der bequemeren Aussprache wegen
gemachte Veränderung. Andere dagegen (St.B. s. v. TQivaxQta) leiten den Namen
Thrinakia daher: ort &QCvttxl ianv ofioCa, und man könnte , im Gegensatze zu Strabon,
mit grösserem Rechte annehmen, dass Bgivaxla der ursprüngliche Name war : Dreizack-
insel , d. h. Insel des Poseidon , woraus sich dann erst später mit einer Umdeutung auf
die drei Vorgebirge der Name TgivaxQia gebildet hätte , der eigentlich TgtaxgCn hätte
heissen müssen. Nach Skymn. 267. 68 wäre die Benennung Trinakria von den Iberern
ausgegangen, d. h. wohl von den Sikanem. Dion. Per. 467 hat die Form Tqivaxtri.
TgtvaxQig ßndet sich bei Philosteph., bei Tzetz. Chil. VII, 672 und lateiniscb Ov. Pont.
II, 10, 22. (Auch Rhodos hiess Trinacrie nach Piin. V, 132.) Natürlich wurde der Name
auch von einem Heros hergeleitet. St. B. s. v. TgivaxQüi und Eust. z. Dion. p. 467 sagen,
nach der Behauptung der Sibylle sei die Insel T. genannt 6ia ro TQivfcxQov fiovxoXov tbv
JIo4fetdt»rog 2ixiX(ag äg^tei (St.B.) oder ano TQivaxov (oder TgivaxoVj ßovxoXov (Eust.)
Vgl. Serv. z. Aen. I, 196: Philostephanos tt. t. rrjcKov sine r litera Trinaciam appellat,
ort Tgivttxog ngtiiog avrijg ißaaiXevaev (fr. 16 M III, 31); doch steht fr. 17 ebendas. Tgtva-
xgiJi, Offenbar spricht auch die Herleitung von einem Sohne des Poseidon fOr die Rich-
tigkeit der Vermuthung, dass BQwaxCri die ursprünglichere Form sei. — D'Orv. 163
möchte den Namen der Insel von dem der Stadt TqivaxCa herleiten (s. n.). — Nach St.B.
ist das Is^vixov TQivnxgitvg. — Der Name 2*1 x a y ^ a als der frühere bezeichnet von Hellan.
(fk-. 51 M I, 51) bei Const. Porph. Them. H, 10 p. 102; Herod. VII, 170; Thuk. VI, 2. -
Sehr ungenau sagt Plin. III, 86 : Sicania a Thucydide dicta. — Daher oft bei römischen
Dichtem, z. B. Verg. Aen. I, 557.
S. 9. Gestalt der Insel. Ov. Met. XIII, 724: tribus excurrit in aequora Unguis
(gut für die niedrigen Zungen gesagt). Nach Hyg^n. 276 ist Sicilien in triscelo posita.
Mela n, 7, 14 vergleicht es mit dem Delta; das ägyptische Delta mit Sicilien verglichen
330 Anhang 11. Belege und Erlttotenmgen.
von Diod. I, 34. Poetische , von der Gestalt der Insel hergenommene Beiwörter sind :
roi^tiQog, dreiköpfig, Lyk. 966; TQixaQrjvog Nonn. Dion. li, 624; t^ayXux*^* dreispttzig*.
Find, bei Eust. zn Dion. Per. 467 ; tQnotpog, dreihüglig (soll auf die Vorgebirge geben)
Nonn. VI, 124; trisulca Ciaud. B.Pr. I, 14S; endlich oft triqoetra z. B. Luer. I, 71S ;
Qoint. XVI, 30. — Die Figur der sogenannten Triqnetra, von der später noch die
Rede sein wird, findet sich auf sicilischen Münzen schwerlich vor dem 4. Jahrb. vor Chr.
Kein alter Schriftsteller bezeichnet sie als das Symbol Siciliens ; natürlich kann Sol. 5,2:
Sic. triquetra specie figoratur, nicht hierauf gedeutet werden, und ebenso wenig die obea
angef. Worte Hygin's, wie Ol. 57 meint. Ich habe bei Fazell noch keine Spur ihrer Deu-
tung gefunden, die erst von Mirabella herzurühren scheint (Erläut. zu Num. XYI; S. 164
derUebers. in Graev. Thes.). -^ lieber die Lage und Grösse Siciliens vgl. die
mehr oder weniger verfehlten Vorstellungen und Angaben bei Str. VI, 2, 1 ; Diod. V, 2 ;
PI. III, 86 ff. ; Ptol. Man scheint im Allgemeinen das Lilybaion für die Südspltse ge-
halten zu haben. — Als grösste Insel bezeichnet es Str. II, 5, 19. -> Zur Umschiffung
der Insel brauchte man nach Piut. de exil. 10 vier Tage, nach Str. VI, 2, 1 fünf Tage
und fUnf Nächte. MG I, 23 meint, es mOchte vielleicht statt 17 «' zu lesen sein ; unnöthig,
da die so eben angeführte Plntarchische Zahl noch geringer ist. Nach Thuk. VI, 1 mit
einem Lastschiffe {olxadi) acht Tage. Böttcher bemerkt, dass offenbar bei fortschreiten-
der Schiffahrtkunst eine geringere Zeit erforderlich wurde. Heutzutage dürfte ein Dampf-
schiff nicht weniger als 60 Stunden zu einer Fahrt um die Insel brauchen. Nach Posei-
donios war eine Fahrt von 4400 Stadien nöthig. Str. VI, 2, 1. -— Die detaillirten An-
gaben der Alten über den Umfang der Insel sind folgende. Poseidonlos. Seine Masse
finden sich unvollständig bei Str. VI, 2, 1. P. giebt die Seite von der Peloris bis Lily-
baion zu 1720 Stad. (215 mp.) an ; der von der Peloris nach der Pachynos schreibt Strabon
ebendas. circa 1130 Stad. 1411/4 mp. zu (Str. II, 4, 3: nXfiovg vxi^iovg), und man kann
annehmen, dass auch diese Zahl aus Pos. geschöpft ist. Bei der dritten Seite, von Lilyb.
nach Pachynos, fehlt die Zahl. Da nun bald darauf der mgCnlovi nach Pos. zu 4400 Stad.
angegeben wird, so hat man geglaubt , die dritte Seite im Sinne des Pos. mit 1550 Stad.
ergänzen zu dürfen (4400 Stad. «550 mp.). — Nach Diodor V, 2 sind es im Ganzen 4360
Stad. (545 mp.), die sich so vertheilem von Pel. nach LH. 1700 Stad. (212V2 mp.) ; von
Pel. nach. Pach. 1160 Stad. (145 mp.) ; von LU. nach Pach. 1500 Stad. (187Vs mp). Da
Str. VI, 2, 1 von Pos. in Betreff seiner Bestimmung der Entfernung von der Pel. nach
Lil. sich so ausdrückt: arndivp x^littw xal ^nraxooltov , toe JT^auä^vioc sZgrptf, n^öd-ilg
xal ttxcai, erkennt man die Diodorische Angabe von 1700 Stad. als die ältere, von Pos.
verbesserte. Sie stammte (s. u. Agathemeros) vonTimosthenes, der zur Zeit Ptolemaios' II.
lebte. Im Allgemeinen stimmen , wie man sieht, Pos. und Diodor Überein. — Bei Str.
VI, 2, 1 istabernoch eine detaiUirtere Berechnung , rjf x^^QoyQatplff entnommen, in
Millien ausgedrückt. Sie giebt, wie Str. selbst bemerkt, grössere Distanzen, als die an-
dere von ihm angeführte. Hiemach sind von der Pel. nach Mylai mp. 25 , weiter nach
Tyndaris 25, nach Agathymon 30, nach Alaisa 30, nach Kephaloidion 30, nach dem
Himeiafluss 18, nach Panormos 35, nach Aigesta 32, nach Lilybaion 38, zusammen 263 mp.
Hier ist zu beachten , dass die Distanzen der ersten Strecken unverhältnissmftssig Huf
Kosten der westlicheren ausgedehnt sind. Zur Rechtfertigung der Zahlen zwischen
Aiaisa und dem Himerafluss vgl. Holm, Beitr. S. 20. 21. Von Lil. nach Herakleia reehnet
toner die Chor. 75, weiter nach Akragas 20, nach Kamarina 20, nach Pachynos 50 mp. —
zusammen 165 mp. Hier will Kramer 20 mp. einfügen , damit nicht 20 , sondern 40 zwi-
schen Akragas und Kamarina seien. Müller (p. 977) nimmt 40 hinzu. Letztere Annahme
besitzt die grössere Wahrscheinlichkeit. Endlich iflir die dritte Seite : Pachynos bis Sy-
raktts 36 mp., weiter bis Katana 60, bis Tauromenion 33, bis Messana 30, zusammen 159
mp. Hier fügt Qroeskurd ergänzend hinzu : bis Peloris 9 mp. Summa der drei Seiten
587 mp. oder mit den erwähnten Zusätzen 636. Alle diese Distanzen sollen aber Voai
Za Buch I, Kap. 2, Seite 9. 331
Heerwege ^tten, denn Stnbon fügt hlnzn i ni(y it t» fiiv nitjcüroir tlg ntkatgt^f" l""-
tÖ* ii^iKivta oKiiä, tx 8t Miaa^t^t ils AiXüßaioii t^ Owl^eiif öiip [fluatäaia] i
ittrre. — Nich Agathemeros (HG II, 182. U) tob PelorU nach Pachyi
Sted. (170 ntp.), von Pelorig n&ch Lilybalon 1700 Sud. (212>/i npl. von ]
OMh LilybaioD 1600 Stad. (200 mp.| , zusaminen 4660 Stad. (582'/, mp-}. Die Ec
TOD der Pelorianacfa I.ilybftion JBt, wie Ag. sagt, nach TimoatheQeB(>.o. bei Pose
Bei PH niu 8 111. 36. 87 iat einaiseite angegeben , daas nach Agrippa die gai
einen Uni&ng von 61S mp. batte, andereraelta teireno Itinere die Länge der i
drei Selten mitgethellt ; Peloria nach Pachynos 1^6 mp., Pachynoa nach Li
Lilfb. nach Pelorii 170 mp. , loiammen &56 mp. Hier ist offenbar ganz verl
letste Zahl, denn die in Wirklichkeit längste Seite wird so znr kürzesten gemai
gegen die erste offenbar zu grow iat. Ausserdem kann man auf den Qedanken
ob nicbt vielleicht diese drei Zahlen die Summe 618 machen mtlssten. Indem H
dieser Vwaussetzung ausging, hat er (MG II, 483), gestutzt anf AgatbemeroE
folgendenn asten emendirt. Von Pach. nach Lilyb. bleibt 200, was Agath, ebe
von Pel. nach Pach. n'ird 170 mp. gesetzt, was Agath. hat nnd Flin. fälschlich <
Bten Seite beilegt; dann bleibt bei Plin. noch die Zahl ISS übrig, die in 246
wird ttnd anf die Seite von Lilyb. nach Pel. übertragen 'adeo at ex triam lata
merls flTO, 300, 246) coUigatnr summa 61S mp. quam clrcuitu insnlae tribait J
Nur scbade, dass trotz der Emendatioo nur 616 herauskommt ! Es ist Itberdles i
sosgemAcht, dass die tarreno itinere gemessenen Distannen die Summe 618 g«beii
die ja anf die Umschiffung gehen kannte. Man sieht wohl, dass bei Plin. Feh
aber nicht, wie zu emcndiren ist. — Aus den Itinerarien führe ich feigem
an. Das lt. Ant. hat von Liljb. nach Hess. 244 mp. , das lt. Harit. p. 23S Pi
Heisana nach Tauromenion 290 8tad., weiter nach Katana 300 Stad., von Kat.
rakns 900 (ganz bisch ! P. verbessert 300, eine von vielen Möglichkeiten), von i
Pachynos 400, znssmmen IT&O; nach P. 12&0Stad., letzeres = l56V2'mp. V
nach Agrlgent 400 Stad. Igana talsch I P. meint 1100), Agrig. nach Litybaion T
EQsammen 1150, nach P. 1860 Stad. ■> 231>/t mp. . was Jedoch zu viel ist. so
Emendstion P.'s aufgegeben werden muss. — Auf der Tab. Peut. fehlen bei <
Strecken die Zahlen. Im Allgomeiaen stimmt sie mit dem It. Ant. ttberein, nur
bei der Strecke von Peloris nach Kephaloidion die Entfernung noch geringer mi
das It., das schon gegen die Chorographie eine Ermässigung hatte. Diese hat
bis Kepb. 140 mp. , das It, Ant. 128 (wenn man von AJaisa bis Eepb. statt 28
die Tab. hat nur 107, allerdings etwas lu wenig. In runder Zahl pflegte man der
der Insel zu 4500 Stad., circa 112 geogr. Heilen, Im AUerthnm abzuschätzen,
Angabe bei Skyl. 13 (wo jedoch späterer Zusatz ist] zeigt, dass jede Seite 1!
l^änge habe. Sol. 5, 27 giebt nur 3000 Stad. an.
S. 9. Entfernung Siciliens von anderen LSndern. Ton Afrika 1<
Pol. I, 42 1 1500 Stad. Str. VI , 2 , 1 nnd Eoat. zd Dion. 473 ; 180 mp. Plin. U
Von Sardinien 190 mp. Plin. 111, 87. — Von Pachynos nach dem Peloponnes
Plin. in, 87 ; nach der Mündung des Alpheios 4000 Stad. Str. VI, 2, 1 ; n
Tanarischmi Vorgeblrge'4600 Slad. Artemidoros b. Str. VI, 2, 1. — Von Ki
SUd. Str. II, 4, 3. — Von der Meerenge nach den Sünlen des Herakles 12000 8
U, 4, 3. A Gaditano freto Siciliam xli: L mil. pass. PI. VI, 206. Vgl. anch 207
S. 9. Von der Hebung der Küsten Siciliens sagt E. R£clu8, Len»
Bev. d. d. M. 1 Jaill. 186a S. 119 : la seule ^iävation du aol qui sit kt& oonatata
sdetx», est le soolövement lent et gön^ral, anqael participent toutee lee cMes de
g. 0. Peloris. Xkmen: mk(afii. ijThuk. IV, 25 u. sonst; von L. Diu
theidigt N. Jafarb. 1860. 2, S. 125; nsitoQids, i Str. VI, 2, 1 n. aonit; 77^.1
Ptol. «ad Honn. Dion. XTII , 321 : irop iififviniTt mXii(f. — Bd den BOmei
Anhang 11. Belege und ErUtntenuigen.
c. Vert. V, 3) und PeloriaB (Ov. Fast. IV, 479) ancb Öfter Pelonis {Sil. XIV.
ilonim so. promont. Plin. III, ST. Bei Meta II, 7, 15 schwankt die Lesart zwi-
irias und Pelorna; doch steht 7, IS Acc. Felorida, — Ueber den Ursprung
IS Str. I, 1, 17 , wo der Vergleich mit dem Euiipns von Euboea gezogen wird,
ird der Name H&nnibsl's genannt, der nach Mela II, 7, 15 von Afrika nach
EhVal. Max, IX, 9, SnU.ap.Sarv. Aen.IU, 411 und Md. Or. XIV, 7 von ItaJien
A fuhr. Han braucht zui Widerlegung dieser Eereinxiehnng Hannibal'B nur anf
2S zu verweisen. Die Möglichkeit einer solchen Täuschung wird auch von
, 1 bemerkt. Dass Übrigens Hannibal auf keiner der genannten Fahrten die
SU pasalren hatte, Ist klar. Andere Herleitungen : ab angusta (fangnsta?) sede
en. m, 6S7 ; von der GrSsse Eust. z. Od. IX, 1S7. Sil. XIV, 78 : Celsos arenosa
ole PeloruB. — Uaber den Peloros in ThesBalien Ath. XIV, 639, wo au-
ich Peloro« nur den Durchbrach meldet, dann aber dem Zeus U^ges die
Bfeiert werden. — Aaf der Peloria ein Tempel des Poseidon, Dlod. IV, 85;
, der aivXls oder dem Tivfyier der Rheginer gdgenUber, Str. HI, b, 5; eine
lulatrix alto e tnmulo nach Val. Hax. IX, 9. — Nach It. Ant. lag dort ein Ort
— Die drei Seen der Peloris sind geschildert von Sol. V, 3. Einer ist piscinm
der zweite duplicem piscandi venaodique praebet volnptatem ; der dritte kann
jiner ara betreten werden ; wer weiter geht, quantam sui partem gntgiti inHma-
un perditnm it. Ders. schildert V, 2 die Feloriae als nnico soli temperamento,
e humido in lutum madefiat, neque fatiac&t in pulverem siccitate. — Michaelis,
1. Dresd. 185G. S. 14. 15 meint, die Beschreibung des wunderbaren Sees passe
uf den der Paliken. Faz. 45 nnd Cluv. 95 kennen noch drei Seen ; Smyth 106
i08. 9 setzt den dritten zwischen die beiden jetzt vorhandenen, von der irrigen
ausgehend . dasB die ara des Solin der T. des Poseidon gewesen sei , for , on
) canal , which unitea them , at about 1 00 yards from the long lake remains of
temple were brought to light, which may have been that of Neptune , and the
ich had been forgotten for ages, thoof^ the granite columns had been carried
for the conBtniction of the nave of the cathedial. — Dia Vergleichnng mit
von Hossina : C. Gemmellaro in den Atti dell' Acad. Gioeu. X, 277. Von den
lor Peloris s. u.
Drepanum Plin. 111, 88. — keytryor icxforFtol Gewöhnlich fUr C. S.
halten. Jtö-xwvof nur bei App. B, C. V, 110. Nach Ptol. ist jedoch das Ar-
;lbwegB zwischen Messana und Tauromenion; da nnn fflr den Kiiavro! das
lio als Tauromenion näher gelegen besser passen würde |vgl. Holm, Beitr. zur
tr Karte Sic. S. II und 35) , so kitnnte anch das C. GroBso das Argennon sein,
ann. 279.
OraPeloritano Sol. V, 5.
JConpia Str. VI,2, 3. Seneca ep. 79 (fragend); vgl. Cl. 114 und Sm. 112.
I Namens «echmutziges Uferi ist dagegen za bemerken, dsss nach Plin. n, 2211
knam et Hylas fimo similia exspuuntur in litos ; ebenso Sen. nat. qu. ni, 26 ;
bestätigt durch die Aussagen der Einwohner nach Clav. 379. Aehollches
>r vielfach am Meercsnfer vor , ja sogar in Quellen (Arethnsa). Wenn es nun
lenioD viel geschah, so konnte daher der Name Kow^ia kommen, während
t mirfoi nichts zn thuu haben.
FortuBUIixis. Plin. lU, 89. 0.449 nennt die Bucht von Lognina .a little
oked with lava rockan.
Xlphonia. ro Tflea'»¥*i>'/acö«p«rii?eiof8tr.VI, 2,2; lifiiiv S^<öviiosSky\.\^.
bring, Umwander. d. megar. Heerb. Ztaohr. f. allg. Erdk. N. F. XXVni S. 463
{leine Meerbusen zwischen Augusta und C. S. Croce noch jetzt bei den An-
- Diod. XIV, 58; m^X tov TbSqov xaiov/iirov. Die dort an-
Zu Buch I. Kap. 2, Seit« 10-13. 333
gegebene EntfeniuDg von IBOStad. von SynikuB pMStKuf C. S. Oroce. Ptol. vervechselt
den Tkoroe mit Thapsoa, veno er Dicht mit Scbvbring 1. I. 460 entsprechend zn emen-
diien ist. Pias«, die TymuniB d. GrieclKn n , 220 spricht ohne Grand von einem Flnsse
Tanioa.
8. 11. »BVoe, Ä.Tbuk. VI,97u. öfter. Verg.Aen.IU, 688. gt.B. Vgi.S
I. 1. 442. 43.
S. 11. Die Verglefcbung der Buchten von Hegs» und Syrakue an
beiSchubr. 437-39.
S. II. TfaiVtlocheiasterstensdiegaiueBncht zwiBcbenThapBOsnnd Ai
nach Sil. XIV, 269 : per6atiu]ne Trogilos Äustria, dann beBonderB die BUdItobe £
selben : Thuk. VI, 99 u. öfter. Bei Liv. XXV, 23 portBB Trogilorum. St. B. V]
bring 440. 41.
8. 11. nlitfifti'fnir Thuk. VII, 4 n. öfter. nX^/ifivfa beisBt die Flut,
Verg. Aen. ID, 693 bezeichnend sagt : P. nndoBQm.
S. 11. Xrpo<i't>i7<ro;PtoI. könnte vielleicht nach Cl. 165 und Scbnbr. 443
beMicbnen eollen.
S. 11. MaxQÖv äxgov Ptol.
S. 11. Portos Naastatbmufl Plfn. lU, 8S zwischen Syrakus und den
Elonun.
8.11. /Ta'jfirfoc (^ ^ », lat ^ ^ -], ^, Pachynus und -um, oft erwäbnt, Noi
Xni, 322: Sänido* vtinaXov ili^iioiioio Hazvrav. — Der Ort Pachino ist erst in
Jabrfanndert angelegt. D.3T1. — Die Lage des P. angegeben von Dion. Per. 4
'vyis, von Festna Avienns 636 : in matutinoB ortus, von Prise. 4S2 : suh ortum,
Het. xni, 725 : ad austros, von Oroa. 1, 2 ; ad Euronotnm, von Sol. V, 2 : in Pelop
et meridianam plagam. A^. -trvioc. ~wixis.
8. 12. '06vaiitta äxpa Ptol. Ljk. 1030: xov Ztavrpfiov naiSic öx^ie«
Nach Tzetz. das. früher KAx^«; femer Lyk. IISI ff. und Tz. das. über den Tei
das Kenotaph, wobei sich aua Lyk. 520 ergiebt, dass die •nnQ^iros ^oyjKnc ni
man früher annahm, Hekate, sondern Athene ist.
S. 12. PortuaPachyni und P. Odysseae Cic. Verr. V, 34. Sm. 181. 1
JJtS. 12. Nach Pol. I, 37 ist die SU dk äste n«ioyCo nnd ifi>{n(iofö(i/>i<riac.
8. J2. Kavxata lipijr Ptol. Prok. Rer Vand. I, 14, wonach er ungefähr t
von Syrakns entfernt würe ; es sind aber fast 400. Vgl. Sm. 193. 94.
S. 12. BoixQu [Spoüna Grasb.) Ptol. Wäre jene Form richtig, so wäre di«
KQo in Bukra und Eakra zu beachten, die wohl an Sx^a erinnern könnte.
8. 12. Ueber den Anblick des Gebirges von Caltabellotta Sm. 216.
^ 8. 12. ^tlvßaiav (govljhni. Form), -JJior, -^oy, ->,t; H^qu Ap.Rb. IV,919
Dion. Per. 469. 70, Lilybaeura gewöhnlich, vada Lilybeia Veng. Aen. III, 706. ■
^«.(Kf^enPol, 1,39. Vgl. St. B. Ueber den Hafen Sm, 233. ~ NacbAel.VI
Plin. VH, 85 u. A. gab es einen Mann, Namens Strabon (der Schielende) , der v
UUschen Voi^ebirge die aus dem karthagischen Hafen Isnfcnden Schiffe zählen
Nach Cluv. 290 erzählten die Bewohner der Gegend , dass von dem Berge Ci
heiterem Himmel das afrikanische Cap Bon gesehen werden könne. — Ueber den
in der Kirche 3. Giovanni Battista ausserhalb der Stadt D. ISO.
"' 8.13. ^.'/fffopooe ««e« Ptol. .^/yi'ffBÜof und ".^ikUoc Diod. 3
(Hoesch.l: TÖr MY(9aXioy Öntm rvy'^xtXii»' xalovai. Zon.VIII, 15. - afyl»al!i
die Meise. Nach Schubring, Motyo-Liiybaion(Philol. XXIV.l S. 49— 82) S. 69 Ai
AigitballoB oder Aigitharsos eigentlich das vom C. Teodoro weit herausragei
land gewesen, das später zu den Inseln Borrone und Longa wurde. Ich mnas bc
dasB die Karte des italienischen Generalstabes überhaupt nicht mehr zwei Inseli
L. kennt, sondern nur eine. —8.13. •i'aiäxQtor Ski/qv Ptol.
334 Anhttng- II. Belegs and ErlUuteningeii'
8. 13. Gebirge, rrf NißgäSri (NivaiöSr,) öpij. Str. Vi, 1, 9 sagt voB ibnen .
ärtatgtt tj jltir^ TniKn-orJp« (ih> itlatti Si aeki nafaV-ärroiTa. Sil. XIV, S3T ; He-
brodei g«m{iii nutrit dlvortU fontis (des Himers), Quo mone Slcftnia noa nrgk ditior
ambra. Sol. V, 1 1 : Nebroden dammae et hiaoulei gregatim pervagantar ; inde NebrodM.
Grat. Cyneg. 527 : fragosum Nebrodem. CWttliDg Ges. Abb. IT, 61 erklärt den Namen
mvfäitfj. den er für den richtigen hält , dadurch , daBs der Gebirgszug »votikommen der
Sebne eines Bogena eutspricht, den die Sfld- and OstktiMe Siciliens biidet*. Meine Ver-
mutbung s. u.
S. 13. Neptunins Mona Sol. V, II: e Neptunio specnla est in pelague Tascnm et
Adriaticum.
S. U. Xfilxtiiiof Pol. I, H; Diod. XXIU, I iHoesch.) ; al Eivtts Diod. 1. I.
Z'qriig ijetzt .£'i!i'((c gelesen) Pol. I, 11. Im Kriege zwischen den Eartbagern und dem
Kflnige Hieron waren die Truppen des letzteren auf dem Chalkidikos, ihre Oegaer in
Synes anfgeetellt. Da nun die Karthager HeHBane von Horden bot bekSmpften , so wird
Synee im KW., der Chalkidikos im 8W. von Meesana eb suchen sein.
S. 14. PSsee App. B. C. V, 116: txeoTii öi nal iiSv aitviiv hazfyuv ö
/fs/jnt/'Df. n/ifi if* 10 TavQofiiviov xai ji»pl MvXat räf nt^ioiavt räw eQmr äiii-tflxtCe.
Und nachber jä oTtiä iri^ Milnt. Der Zusammenhang würde allerding« vwlangen, dasa
der PasB von Hylai bei dieser Stadt wäre ; aber da ist keiner. — Schtiderung der Anaeicfat
von der PasshOhe bei Hessina D. 2SI. ~~- Zu erwUbneu sind noch der 0ii>p«£ Diod.
XXn, 13 (Hoesch.), worüber vgl. Holm, Beitr. 12 und der Tav^os Diod. XVI, 7,
anf dem Tanromenion lag. — rb MvKÖvior S^« App. B. C. V, 117 wird gewöhnlich
in die Nähe von Messana gesetst; es lagjedoeh nSher d«n Aeitna; vgl, Holm, Beitr.
I!. 11.1
S. 14. HaroneuB und Gemelli colles PI. III, SB. Sonst las man Maro. Haronene
entapricht noch besser als Haro dem heutigen Namen Hadonie. Ueber den Doppelt>erg
bej Oamnarata D. 247. Die Gem. c. setet v. Jan Im Index zu Plioias nach Italien.
S. 14. KQättts Ptol. Hierzu gebort das »(«cXiinpiat'av Diod. XXXVI, 4 (Phot.)
von Cluver 273 flir den Honte Rifesio SW. von PalazEo Adriano, von Anderen fUr den
H. Sara zwischen den Flüssen Hacasoli und Hatani gehfriten. — Ueber das in dieae
Gegend gesetzte O •■ p ö v i oy Sq<u Ar. Mir. 113, Mber ffüfar' gelesen ; vgl. Holm, Beitr.
13. — Obder oolliB Vulcanius, den Sol. 5, 23 beschreibt, wo, si sacmm probatnr,
sarmenta licet viridis sponte conoipiunt et nullo inflagrante halitu ab ipso nnmine fit
nccendiun, mitCl. 4&T in der Nähe vonBlvonaza suchen ist, mnss dahingestellt bleiben.
S. 15. KQoyiay Diod. XV, 16. Vgl. Diod. Ul, 61. Bei 0. Cajetaaus, leagoge p. 130
erschemt der S. Calogero als Cranias mona. Ebenda«, p. 163 ein episc. Croniensls.
8. 15. alZiXtvovvrlai Juox^'QeKt Diod. XXUI. 21 [Hoesch.). Vgl. Cl. 343,
S. ib.'Egvi, i von Pol. I, 55 geschildert; hau Gg erwähnt. Sol. 5, 9 sagt von Biei-
lien ; «alnet montibus Aetna et Erjce. Cie. Verr. II , 8 and 47 und Tac. Ann. IV. 43
nennen ihn Erycus. In Betreff seiner Hübe folgen manche Neuere, statt Smyth, dar schon
App. XLl 2IB4' gtebt, veralteten hOhwen Ab schätz nagen. Schon Pol. 1. 1. giebt iho (Ur
fiiji&u »apä itoiu JinyCpov tiöi' jraTß rqv ZiKiUar i(mv nXijf rijt AlTVijf ans. Seine
Isollrtfaeit hat ihn hUher erscheinen lassen, als er ist.
S. 15. ElgxTtj. Pol. I, 56 : thr ^nl r^f ElfixTtjt Uyo/ttrov rinm'. IHod. ZXIH, 10
iaX'EQxxi^. Es ist n nz weife Ib aft , daas die Heirkte der H. Pellegrino bei Palermo ist.
Mannert 388 meinte, es sei der Berg Baido am C. S. Vito gewesen. Da aber nach Pol.
I, 5S die BCfmer von ihrem, 5 Stadien {'/a deutsche Heilej von Panormos aufgescblageneD
Lager ans die Pnnier anf der Heirkte bekämpfen, so ist klar, dass H. im Irrthum war.
Kacfa Pol. war die ObwflUcbe tu^oioc xaX yimpyiiaijjof ; sie hatte fmariv, oq äfia fiiv
«K^iröJUaic, ifiK ii «neonat ittftßdffi täfir, und nootöSovt rgitjus JucifpiiCi ^v* ftiv <>aö
rqc zsif m, /tlttf f änö t^s SvXöuiit. Letzteren ISugnet Amico s. v. Ereta. — Kurs nnd
Zu Buch I, Kap. 2, Seite 13—16. 335
treffend ist der M. Pellegrino gesehildert von Aman St. d. Mus. 1, 318 ; vgl. auch ü, 443.
— Die locale Deutung des Wortes Et^ixT^ , Verschluss , ist noch nicht befriedigend ge-
liefert. Am kühnsten ist verfahren A. Judas, Sur div. M^d. d'argent, attrib. seit i Pa-
Borme ou anx arm^s Puniques en Sicile. Revue Numism. 1865 p. 377 ff., der p. 390 fnl
Tfjg JSl^Ttig durch Vermittlung von später unter Syrakus zu erwähnenden Münzen für
»über d^B Oreihus« erklären will.
S. 11». lieber die Conca d'oro Ath Xu; 542: ^ <f^ TTavogfjtTrtg rfn 2^ixfUf*g nttüK
*i\nog n^ogayQQfvtrai, <fi« ro naea ti^ai irXi^Qrjs SivdQtav rju^Q«j¥f und Sil. XIV, 261 — 63 :
fficunda Panormus , Seu silvis sectare feras , seu retibus aequor Verrere , seu coelo libeat
traxisse volucres. Also Jagd in allen drei Elementen. Jetzt ist von Wäldern in der Um-
gegend von Palermo keine Rede mehr.
8. 16, *JiQut€t opff. Diod. fV, 84 spricht von ihrem Reichtfaum an Fruchtbäumen;
Vibiui sagt vomChrysas, dass er ex monte Heraeo komme. So ist klar, dass die Berge um
Henna sa den Heraei montes gehüren. Cluv. 402 dehnt sie weiter südlich bis Piazza ans ;
Neuere (Manniert 240, Parthey und Kiepert, sowie Siefert Akrag. 6) erklären den ganzen
BergEUg von Gangi zum C. Passaro für die Heräischen Berge ; Stefert mit dem irrigen
Zusatz, derselbe heisse jetzt Monti Sori. G<)ttling Ges. Abh. II, 81 nimmt den F. Grande
(Himera) alt Seheidungslinie zwischen den östlichen Heraei montes und den westlichen
Nebrodes. Vgl. auch d'Orv. 30. 31.
S. 16. BvfjLßqig, Theokr. I, 117: j^fotrip Idf^/^eo«, nal notafieiy rol ;^f rrf xailoi/ xara
GtvpßQiöof v9af^. Im Alterthum war man uneinig , ob l'hymbrie einen Fluss oder das
Meer bezeichnen seile ; vgl. die Scholien au dieser Stelle und Serv. zu Aen. III, 500 und
Vin, 330, wo sogar der Tiberis nach dieser fossa bei Syrakus benannt sein soll. In
neueirer Zeit ist Th. für einen Berg erklärt worden, und Bonanni (S. 167 der Ausg. Pal.
1717) hat ihn mit dem Orimiti identifieirt, mit dem Beifügen, dase Orimiti »sia depravata
daXimbride«, was Sehubring, Die Bewäss. von Syrakns. Phil. XXII, Bd. 4 S. 615 ff.
ao^Ührlicher nachgewiesen hat. xtxrd S. steht wie II. IX, 15 : xar ttiyUtTTos nirgtig ^ro-
(fs^X^^^^^^Q- Schilderung des Orimiti : Sofaubr. Bewäss. S. 579.581. Fritzsche hat
die Coi\}eot«r xarä /Itt^idog in den Text aufgenommen.
S. 16. ColiesHyblae liart. XIII, 105. Vgl. Ferram, Memorie. Pal. 1805. 4.
S. 16. *AxpaXov linttq Thuk. VII, 78. Die nenerdinge von Leake aufgestellte
Ansicht, es sei der Pass von Floridia gewesen, stimmt nach Schubring nicht zu der Schil-
den»^ bei Thukydides.
S. 10. Gampi Geloi Verg. Aen. III, 701. D'Orv. 131 über ihre grosse Ausdeh-
nung. D. 373.
S. 16. "Exvofiog, o. Diod. XIX, 104. 108. Plut. Dion 26 (hier to^'Expouov) . Pol. I,
25. Vgl. D. 311. Nach Senme so genannt, weil der Berg isoHrt liegt.
S. 16. Togos, Pol. I, 19: Utfog xalovfitvog ToQog Vgl. Sief. Akr. ß. 3». 40.
S. 16. lieber die Maccaluba Sol. 5, 24: idem ager Agrigentinus eructat linosas
scaturigines, et ut venae fontium sufficiunt rivis subministrandis, ita in bac Siciliae parte
solo nomquam deficiente aetema rejectatione terram terra evomit. Vgl. Faz. 24. 156, der
Mayhanica sa^. Jenes wird aus dem Arabischen als »inversa« erklärt; dies würde
»fiasan bedeuten. St. Non IX, 49 ff., wo S. 55 die Hübe des Ausbruches von 1777 auf
24 Spannen angegeben wurd ; Bart. III, 482 hat 100 Fuss. Sm. 213. 14 ; Buss. 190 ; Humb.
RofliB. 1 , 448 ; D. 269. — Gl. 460 nach Fazell und Jacob , Nachr. über Sic. 8. 25 , be-
richten Aehnlichea von der Gamp. Bissano, Vs Stunde westlich von der Maooalnba ; letz-
terer citirt ferner die Salinelle bei Patem6 und die Acquarossa bei Belpasao. D. 299
erwähnt die ähnliche Terra pilata 4 M. Ostlich von Galtanisetta ; D. 455 Aehnliches am
F. freddo am Aetna; Ferrara, Gampi Flegrei p. 51 eine ähnliche d. 18. März 1790 vor-
gefallene Eruption bei Niacend. — Ar. Mir. 114 berichtet von einem Steine, der den
Sonmier Über Feuer, den Winter Waaaer auswirft.
Anhang II. Belege und Erläuterungen.
; Aetna, ^fri-^. lieber seine HUhe Humb. Koam. I, 41 Anm. 2. IV,29I.
t gegebene Zahl ist die des ital. Geoeralstabes ; vgl.E. de'Vecchi. Notisia au
Itttudini nella regione deil' Etua. Torino ISes. S. Die GesctaicliCe der
lie des Aetna (»handelt Aleaai. Storja critica delle eruzioni dell' Etna, in den
cad. Öioenia. Cat. T. ni— IX. 1629 ff. Die beiden ersten Discorsi inT. m
d IV (23— 76] betreffen dasAItertbum. — I. — Der ältaate Aosbrnch: Diod.
.11 i^r' hti nUia gedauert haben. Ueber den Strom von Hojo nach C. Scbisö
. — 2 — 4. — üeber die drei ersten AnsbrUcbe lur Griechenzeit ; Thnk. III,
425 y. Chr. : l^sri 31 nigi kÖtö tö tag tovio ö ^ü«£ toS nvfds (* i^r Atrrtis,
0 TiQÖjipoii, «ol yijv Tivi fif-ltugf jiäv Xajavaio»; ol feii rp Altvif ip Öqh ot-
ytjai 3t ntvmxoai^ txft ^iitjyat tovto ftiii ti nföripov ^tCfta, to 3i ^v/tJiar
r^oi TÖ (icü/iB äiff ov ZutfUa Ina 'EiUipiui' oltUiTai. Also wäre das n^ilQov
isen im J. 4T5. Daa Mann. Par. hat dagegen beim Jahre der Schlacht toq
9 : xdl TO vif Ippvi) Kläoy (v £ix]tll^i Tifffi i^ AiTr[ri]v. Dass in dieser Zmt,
n, ein Ausbrach des Aetna war , ergiebt sieb anch ans Find. Pfth. I, 3t ff.,
liebt sich anfeinen Ol. Tti, 3 — 474 vor Chr. errnngenen Sieg besieht, sowie
m. 367 {Iv&iv /x^ayijoorcal not» nota(ia) ntpöc iämovTK äy^lait yräSoir
■gnen ^ixtUai livgät yiaf] . Den Widersprach zwigcfaen dem H. P. und Tbu-
heben, sind drei Answege vorgeBchlsgen worden, zwei vonBoeckh, einer
Krüger. Jener Bchlligt vor (Expl. Find. Pyth. I. p. 224) , entweder die Zahl 50
ongeföhre zu nehmen oder ansuuehmen, dass der Ausbruch sich 4 Jahre lang
:, während Krttger (Krit. Analekten S. 62) bei Thuk. sUtt ■ ' ^i< lesen wiU
durch wir allerdings in das Jahr 479 versetzt werden , «in das Jahr des Kal-
Eanthippos*. Wenn diese Annahme richtig ist , so löst sie vielleicht, wie K.
Iiat, noch eine andere Schwierigkeit. In Stob. Senn. CXCVm (Qaisf. HI, 98}
nrpuiii xal öyicipioaTg 'Olvfiniäii ifitoX iqv Ativtiv ^u^vai, oii xal •PiXörofiot
■ el KitTttVBiot toiis iain£r narigas ägä/nvai diä fttaiff T^r ifloyhs txifuaiir,
erstens aufTallend, dass Thuk}^ides diesen angeblich 456 t. Chr. stattgefmi-
intch des Aetna nicht gekannt haben sollte; zweitens die ungewöhnlichen
Üi fratres. PhUonomos kann leicht aus Amphinomos durch ein Versehen
sein; aber woher stamnit der Name Ealliaa^ Wenn man bedenkt, dass der
ersten H&lfte des J. 479 Kalüades hiesa , so kann man glauben , dass dessen
itlich genannt war nnd man dann später denselben für den eines der Brlidn
lie Sache in eine falsche Olympiade verlegte. So wäre der von Stobaios be-
sbruch auch nur derselbe mit dem des H. P. und des Thnkydides (Krüger 1. 1.
nn war aber die dritte Eruption, von der Thuk. spricht, ohne ihre Zeit zu be-
)a nach Dickl. XIV, 59 und Oros. 11, 18 ein ÄUBbruch um Ol. 96, 1 — 396 vor
tt &nd , so hat Dodwell gemeint , Thnk. habe von diesem , den er wohl noch
eben wollen ; aber die Ausdrücke des Thuk. macben es wahrscheinlich , daes
ehr vor die, welche er rö jiQiTt^BV ^iv/ia nannte, setzte. — Wenn die drei
so fielen: 479,475,429, so wäre die Erklärung der Stobäisohen Stelle durch
Bt ohne Emendation des Thuk. annehmbar. — 5. — BeidemvonDiodorXIV,
1) gemeldeten Ausbruche konnte Dionys nicht mit dem Heere am Meeresnfer
len, tif9aQiiivBiv Tiüv nn^ia jt/v S-alaTTMi tönav iiTio tov xaioufi^v ävttxo;.
D, 414 sagt von dem südlich von Giarre bemerkbaren Lavastrom , er •oocu-
«e of 24 m. from the sommit to tbe sea , which it entere with a breadtb of
re than 2 m. The place is caiied Boeco d'Aci.t Bei Oros. n, IS wird ange-
zn derselben Zeit die Insel Atalanta von Lokri loBgerissen worden sei , was
Ib mit der Eniption von 479 (bei ihm 480] gleichzeitig betrachtet. Da Oros.
isbruch gleich nach der Schlacht bei Kunaza spricht und Diod, 1. 1. sagt , er
iiria;StattgeftmdeQ,Boistmtlglicb,daBserI]i01.95Torfiel. — 6. ~ Utv.Chr.
Zn Buch I, Kap, 2, 8. 17—19. 337
Jd). ObsequeDS Prod. Co. Caepione, C, Laelio Coas. Aetna ignibus abundavit. — T. — 135
r. Cbr. (Zeit des AaBbruches der Sklavenkricge auf Siciliea) J. Oba. Prod. und Oros. V, 6 :
Aetna vastoe ignoa enictavit »c fudit. — S. — 126 t. Chr. (zu derselben Zeit ein Aus-
bruch iwitchen den Liparischen Inseln) J. Obs. A. ignes snper verticem late difiHidit. Oros.
V, 10: A. exnndavit igneisglobis. - 9. — 122 v. Chr. Oros, V, 13. Vgl. Uberdiesen Ausbruch
die Abhandlung von F. Ferrara in den Atti dell' Acad. Gioen. X, 141— 58, wo die Lava
Ton Licatia für die von 122 v. Chr. erklärt wird. — 10. — 50 oder 49 v. Chr. vor dem
Kri^e zwischen Caesar und Pompejus, nach Petron. Bell, civ, 135 : jamque Aetna vora-
tnr Ignibus insolitis et iu aethera fulmina mittit. — 1 1 . — 44 v. Chr. Verg. (reo. I, 47 1 :
Quoties Cyclopnm efferrere in agros Vidimus nndantem ruptis foniacibns Aetnam , wozu
ServiuB aus Livins anfUbrt ; tanta Samma ante mortem Caesaris ex Aetna monte deflnxit,
ut noa tantom vicioae uibes , sed etiam Rhegium civitas afBaretur. — 12. — 37 oder 36
vor Chr. App. B. C. V, 1 14, wo ein Zug über jl/v SrvtSgov yi^- geschildert wird, i'V ^vaxa
Titipof Uyovot Tiort fttxe^ 9ai,äaiiiii ttntioraar fmiiXiaai ibI aßfaai ja Iv «ürj rnfiara,
und 117, wo erwühnt werden die ß^üfioi i^c Atti'yji xai fivx^/iaie /jaKpn xal afia nigi-
iBfiTiovra T^f ffrpoTioV u, s. w, — 13. — Nach Suet. Calig. 51 wurde Caligula auf einer
Reise in SicIUen Aetnaei verticis fumo et murmare erschreckt. — 14. — 251 d. Chr. nach
der Vita 8. Agathae ; tamqnam Snvius valde mngiens.
S. 19. Schilderung des Aetna. Str. VI, 2, S. Aetnäiscber RSse und Honig in
Tbessalleo verkauft: Apul. Het. I, 4 (wenn hier nicht ätnäisch flir sicillscb steht, wie
sonst wohl in Gedichten ; vgl. Ciuv. 135). — Den Schafen Blut abgelassen Str. VI, 2, 3 ;
ebendaa. dass die Asche den Boden fvä/tnilov und xei"^'"'Q'"'* macht. Nach Diod.
XIV, 42 wuchsen nolvTillii «h'tij und nii-xrj am Aetna ; Athen. V, 207 spricht über das
Frachtschiff Hieran' a. ~ lieber den jetzigen Zustand derW&lderam Aetna D. 412. Bekannt
iat aus den Beisebeschreibungen die geringe HChe der Bäume des SUdabhanga. — Die
Verbindung von Schnee und Glut bemerkt Solin. 5 , Ki. — Find. Pyth. I, 20 nennt den
Aetna näyfus jf/ovo; iSilat riffijvn. — Str. VI, 2, 8 schildert den Anblick des Kraters .
«tSloy öfinlor oaov itnoai ariiJiuiti rip' neptfiiT^ov, xlfiöufvov oifQvi iiifiitain ttij(''"> *ö
vtpos liovn — in der Mitte ein ßovröi und darüber viifos S^»ior — ; crater ejus patet am-
bitii stadia XX, Plin. III, 88. — Wegen der Veränderungen des Gipfels des Aetna vgl.
Ael. VH Vin , 11 und Sen. ep. 79. — Nach Long, de subl. 35 bringt der Aetna ä/Mi
her\-or ; das sind die kleinen Kegel (d'Orv. 227. 241). Die Zahl 80 umfasst die -of con-
siderable dimensions* Lyell bei D. 413. — Die aus Lucilius' Aetna citirten Verse 469.
4S3. 488. 89. 493—505 sind in der Uebersetzung meines verstorbenen Lehrers, des Dir.
F.Jacob, in seiner Auag. des Gedichts, Lpz. 1826, aufgenommen. V. 507: vii ouneoquis-
qoam fixo dtuoTerit. Ueber den Versuch , die Lava von 1669 abzuleiten: Sartorius von
Waltershausen, Ueber den Aetna und seine Ausbrüche. Lpz. 1857. 8. 17 ff. — Der Lava-
Strom : ö ^i'tif. Merkwürdig ist die Stelle Plat. Phaed. 111, wo er erwähnt Tiollovi (so.
iraia/xavrj irygov tiiiIov xal xa&aiio/r^Qov xal ßogßvQmStattQOv , aianip iv 2ixfXl(f ol n(io
rei: ^vaxoi ht/XoS ^^ortfc noTUfiol xal nüiöc ö [tiing, worlll>er Humb. Kosm. 1 , 451 be-
merkt: 'Beobachtungen am Aetna kOnnen dazu (dass Schiammans würfe in Sicilien den
LavaatrSmenvorhergehen) wohl keine Veranlassung gegeben haben, wenngleich Ra[ülli und
Asche, während des vulkanisch-elektrischen Gewitters am Eruptionskrater mit geschmol-
zenem Schnee und- Wasser breiartig gemischt, iUr ausgeworfenen Schlamm zu halten
wären. Wahrscheinlicher ist es wohl , dass bei Piaton die feuchten Schlamm strüme eine
dunkele Erinnerung der Salaen (Schlammvulkane) von Agrigent sind. Unter den vielen
verlorenen Schriften des Theophrast ist in dieser Beziehung der Verlust des Bnches w*(.l
^^ojicc loü tv ZixiXl,;, dessen L D V, 39 gedenkt , zn beklagen.« Thuk. III, 1 16 nennt
die Lava td ^«>ii. Find. Pyth. I, 21 : ttvi/os nayaC, und 25: 'Aqaiaioio xQowoe. Str.
VI, 2, 3 sagt ; o Si ^i!ai ei'f 7ifl{if ftiraßakleif änoUSoi r^i' Inufävtiur t^t yiit ff' Ixatw
ßäa^tt, msTt kare/^tat llvat XS*^' '"'* öiaxnlviffai ßovXoftivoit riiv tf ÜQX'll intlfävtmv. —
Httm, 0*h)i. BtcUltM. I. 3t
33g Anhang IT. Belege and ErMatoiingeii.
Ar. Mir. 3S u. 40. — die Asche beisst q aaoiöc, der Qnmlm ^ liyvvi. der AtuwnifdiBg«!
r 0 ßovrö; , die Wand dea Kraters q orp(>ef, die ausgeworfene gtiifaeade Masse
. — Bei Luc. Aetn. 531 findet sich das Wort plirica , ein sicilisohee, das eine
e Steinart dee Aetna bezeichnet. ~ lapig molaris für Lava : Luc. Aetn. 400.
2. Theorien der Alten tiber den VulkanismuB. PUt. Phaed. Iti ff. 113 sagt
'yliphlegethon ov «nl ot ^vaxt; änoonaff^nra civa(fiv<fäair, ontj är TÖxaai iqc y^(.
Losm. IV, 305 bemerkt hierzu : «DieBer Anadnick des HinansstosienB mit Hef-
leutet gewissenaaeaeü aaf die bewegende Eraft des vorher eingeschlosBenen,
tilioh durchbrechenden Windea, aufweiche spater der Stagirite in der Mcteoro-
le ganze Theorie der Vulcanicität gegründet hat.« — Arist. Meteor. 11, S. Theophr.
10. Vgl. Ov. Met. XV, 299 und Humb. Kosm. IV, 536. — Lncret. VI, 640—712.
, 1. Vgl. ferner Humb. K. I, 434. Strab. V, 4, ä : nt»mninQoy ü nMago^ rfpij-
ir i[,aivofifviav ö(iftri9e(!, oii nä; ö Jiipo; otiia; dm iqr Kv/iaiicg apfafifvot f^V
Uat diänapöi iaii xal xatä fla^ovc ^Fi xoiXia( Tivas tl( ih" UiminTOvaat iftöf Tt
tai npöc Ttpi ijiztiQoi'. Luc. Aetn. 565. 66 : Terra foramtnibuB vires tr&hit, urget
a, Spiritus inoendit, vivit per masima aaxa. Die Vergleichung mit dem Walde
Die stetige Natur der Lava v. 522 ff.
3. lieber das Heer als angeblichen Niihrer der Vulkane spricht Humb. Kosm.
V, 296 : »Die Th&tigkeit dea Stromboli iat wie die dea Aetna nach Bartorins von
lausen am grössten im November und in den Wintermonaten .«
3. Sagen. Vulcan Luc, Aetn. 30, wo&nchdie anderen Sagen sich finden. —
kipen im Aetna Blitze schmiedend Cic. Div, n, 19. — Enceladus Vei^. Aen.
— Typhon Piud, Pyth, 1, 16 : Tv<f.ät txaTOfiaxäQovot. Str. XIII, 4, 6. Aeach.
>1 ff. , wo ausserdem noch Hephaistos oben im Aetna iat. Ov. Met. V, 34S.
. 1, 6, 2. 3, wo SJcilien erst dem Enkelados, dann dem Typhon aufgeworfen wird.
Hygin. 153 retten sich Deukalion und Pyrrha bei der SUndflut auf den Aetna,
i^bem vergleicht den Aetna sinnreich £- ReclQS in Tour du Monde Xm, 386 :
;r Aetna irejette lea laves de aes flaues, i) engloutit les misseanx, comrae il le fit
I pcur Acis ; quaud il agite ss masse Enorme, il fait tomber du baut des falMses
I de roches qui deviennent des ilots comme les Faraglioni ; dans sea accös de
iinnae les hötes ätrangers qai sont venus lui demander t'hospitaliti et qni se
But de la chair de ses troupeauz. II est formidable k volr , et n^nmoius le sage
a le braver jueque dans son antre ; pendant le sommeil dn cyclope , le hSros,
rimpassible laboureor , ne craint pas de lui ravir ses richeBses , puis , quand le
s'^veille, la proie qu'il cherche sait ^bapper i sa fureur aveugle.-
4, ZiiifAlivatot Find. 01..IV,6. Nem. 1,6. Tempel des Hephaietos Ael.
3.
4. Die Orakel Paus. UI, 23, 9. _ Die UnzugSngltohkeit des Kraters Str. VI,
>enso sagt Claud. Rapt. Pros. 1, 1 5S : Aetnaeos apices solo cognoscere visu, Non
itare licet — Die Besteigung von der Stadt Aetna Str. VT, 2, 8. Sen. ep. 79
sIliuB außbrdem »nt in honorem meum Aetnam adscendaa.« Spart. Hadr. 13:
na in Siciliam navigavit, in qua Aetnam montem conscendlt, ut soUs ortom vi-
rcus apecie, ut dicititr, varinm,
:5. CeberdieTorredelfiloBofod'Orv. 233— 35, Fat. 66nndCluv. 134hielten
en T. des Hephaiatos ; Carrera, Cat. III, T ; Aetn. 9 fUr das Orabmai der Nymphe
Bart. II, 353 fUr eine von Oothen oder Normannen erbaute Warte ; Ferrara fUr
m Jupiter Aetnaeua geweihten Altar ; BiBoari ttlr ein antikes Grabmal ; Rezzonico
dass es eine Warte fUr den Kaiser Eadrian gewesen sei (Ersch u. Gmber's Gn-
34, S. S7, n. 84 in dem Stelnharfschen Artikel über Gmpedokles).
:5. Piud. Pyth. I. 19 nennt den Aetna xtav oioatCa, Seine Schilderung nach-
von Verg. Aen. m, 571 ff., den Qelllua N A XVn, 10 im Vei^ob mit Pindar
Zu Buch I, E^. 3, 8. 12-27. 33g
sehr herabsetzt , während OUdstone bei D. 446 sich sehr lobend über VergU's Oenafiig-
keit Sngsert. Er findet eine getreue , wenngleich etwas übertriebene Schilderung eines
Anabmches bei dem rUqiischen Dichter.
S. 25. Die Geschieht« von dentvotfitit — pii fratres: hye. in Leoc;-. 23; Ar.
de Mund. 6. Aj-. Mir. 154. Str. VI, 2, 3. Val. Hax. V, 4. Luc. Aetn. 602—44. |>8us. X,
2S, A. Sol. 5, 15: Si Catinenses audiamuB, Anapius fuit et Amphinomua ; ai, qaod ms-
lunt Syracosae, Emautiam putabimus et Critooem. Stob. Senn. ,1!iS: Philonomos und
Kalliu (s. o.) Claud. Idyll. T. Conon ap. Fbot. lil. — Von den Mmen d'Orv. 313 ff.
— Der Ort Pampiu : C, Gemmellaro lo den Atti dell' AcHd. Gioen. VI, 130 ff. Nach A.
Somma, Sul Inogo e tempo in cui avrenne l'enizione dell' Etna appeU. de' ^Tfitelli Pii.
Cat. 1864. 4. war es die Lava aus dem Krater Mompilieri und die Zeit die vor Ankunft
der Griechen ; er nimmt an , dass die Begebenheit sich in der Stadt KatftQ» zutrug , wo
doch die Ueberreate der griecfaisehen Gebäude keine Spur einer Zerstörung durch Lava
zeigen. Natürlich konnte die Geschichte auch auf dem Lande vorfaUeii oder die griechi-
schen Gebäude aus späterer Zeit sein.
S. 26. Ueber im Altetthom vermntbete Bezl^uogen des Aetna sn Lemnos vgl.
d'Orv. 245.
S. 36. Ueber den Namen jthyii spricht Humb. Eosm I, 449, — Wenn Opp. Kyn.
273 den A. iQixdgifvor oQOt nennt , so ist hier eine Verwechslnng mit dem dreispitiigen
Sicili«! anzui^ehmen.
8.26. ri^eovTl>'oynfieoy. Diod. IV. 24. V, 2. Pol, VII, ö. Cic. Verr. DI, 18.
Laeatrygonii campi twi PI. III, 89; Polyaen. V. 6. Sm. 156 schützt die Ausdehnung auf
30 zn 12 miles ab. — Ueber den bisherigeu Zustand D. 308. 383.
S. 26. DieFIHsBe. '0>oj«r>'Aor App. B C V, 109. Hnn hlLlt ihn gewöhnlich fUr
identisch mit dem Akesines , also für den Cantara, Indess zeigt der Zapammenhang der
Stelle, dass dies irrig ist. Augustus kommt, um Tauromenion zu nehmen, vom italischen
Vorgebirge Leukopetra her, nQostjiifiVji ftiy äs vnnin/ifvof nirö, ov iffnu^iiov Jt jtör
ifQovaiöy, TiaQfjtXli TOv n'ariijuäi' TÖv 'OroßAkav xttl TO Ufiöv rö 'A</eo^(aioV , Xai äpufaato
tt TÖy ^jiexiy^^i" • "f änonnpaativ joB Tai-Qofin'fov. Der Arohegetee mues zwischen
Tanromenion und C. Schisö (Nasps) gesetzt, werden. Da nun Angustus offenbar von Nor-
den kommt , so kann er nicht beim Cantara vorbeigefahren sein, um unterhalb Tauro-
menion's ein Lager aufzuschlagen. Der Onobala ist also eine Fiamara bei Tauromenion ;
an dem Ausdruck notafio; kann kein Anstoss genommen werden.
S. 26. Tanrominius Vib.
S.26. W«fDf^qe.Thuk, IV, 25. Asines PI. III, 88. Asinius Vib. Dass dieser Flosa
der Cantara und nicht, wie Cluver und Serra dl FhIco wollen, der F. freddo, südlich vom
Cantara ist, geht daraus hervor, daes Pliniue zwischen Tauromenion und dem Aetna nur
den Aaines nennt und der Cantara der einzige twdeutende Fluss dieser Gegend igt. Ueber
den Cantara Faz. 59, Sm. 130. D. 292. 295. 29G (Arcadian valleyj. Auf eijier Münze von
NaxoB bei de Luf nes : Assinos.
S. 26. '^xi( Tbeokr. I, 69: 'AxkJos ItQov viaig. D^s V>f^pov viaiQ bei Theolfr. XI,
47 ist der Akis, der wegen seiner Kälte sprichwörtlich war: Apoet. I, 96; vgl. III, 12.
Diog. II, 74. Arsen. II, 54. Ov. Fast, IV, 468 nennt ihn herbifer. Sol. 5, 17. Sil, XIV,
221 ff. ansfiihrlich mit Bezug auf die Galateiaeage. Claud. R. Pr. III, 332, Vib. .Serv. zu
Verg. Ecl. IX, 39 nennt ihn Äcinius. Schol. Theokr. I, 69 leitet den Namen von,n»iV,
Pfeil, her. H. Pirrus in Not. Eccl. Cat. p. 558 (Tbes. II.). — Vgl. D. 451 und' F..Ferrar8,
Campi Flegrei della Sicil. Hess. 1810. 4. p. 133 wegen der Mündung der AcqueGrandi.
S.27.'4f^/mtPijiä.FY^h.l.&T.'^fi/rayosStJ:.Yl,i.,n. Ov. Met. JtV, 27,9; Neo
non Sicaniae volvens Amenanus areoae, Nuncfluit, interdum euppressis fontibus aret.
St. B. s. v. Kaiätii- Afnyuvis heisst schwach , nicht )ileibend. D. 410: The Am. fiows
Änbang II. Belege und Erlünternngen.
from beneath the Seminario. Vgl. auch A. di Oiacomo in den Atti dell'
IX, 23 ff.
luesgebiet des Symaithoa. Faz. 75: Poit Catauam nrbeni p. m. S
lare se exonerat, Jarretta hodie appellatns ; und 76 : cum Teriani tr^eceris,
maethi fl. osttum occurrit — appellatur hodie ia fi. a S. Paulo. Die Vereini-
lalonga mit dem nördlichen SymaithoB lÜBst Amico (Uebera. von di Uarzo'
iga im J, 1621, s, v. Simeto 1522 eingetreten sein. — Zvfiat^es Thnk.
13 nennt ihn fälachlicb im Süden vom Terias. Str. VI, 2, 3, wo er im ka-
biete flieset, während Thnk. ihn im leontiniecben nennt. Symaethos oft bei
lichtem. Verg. Aen. IX, 584: Symaethia circum flumina, pinguis nbi et
Falioi. Diese Versetzung des Palikeneeee, der doch eUdlich im Gebiete des
,n den Symaithos wird von Cl. 429. 30 für eine Ungenauigkeit gehalten,
und SymaithoB im Alterthum nicht zueammenfloesen , so ist der grossere
reter dee gauien, wegen der NUhe von Er. und Sym. als eines betrachteten
I genommen. Femer Ov. Fast. IV, 472. Sil. XIV, 231 : rapidi vada flava
)l. — Kacb Ath. I, 2 gab es Hammerfische — xtaigil;, mugiles — ^>' ■£'i~
lieit mSD Iv ^xiäSv- Doch behauptet Cl. 149, dass sie wirklich im Giarretta
Jen, —'Aifüvioi St. B. 8. Y.'^Sgtivöi', wonach der Fluss auch ifKärv/to^
•aväy gewesen wäre. ^ Kiinfiöatigof Pol. I, 9. Die merkwürdigen Ein-
I Lava geschildert bei D. 232 nach Lyell. — Xpii« b( Diod. XIV, 95. Cic.
Sil. XIV, 229: vageChrysa, wo ans der Slteren Lesart Vagedrusa ein be-
s dieses Namens gemacht ist, der sich noch bis vor Kurzem auf den Karten
- Schilderung der Gegend des Dittaino D. 229. — 'Egvx^sBt B. s. v.
US Duiia. — Das Symaithosthal von Regalboto an als arboribus consiia
DI. 415 geschildert. Cams, Sic. und Neapel 309 : »Von nun an [S.Fil.d'Arg.
Gegend eine ganz andere; reich bepflanzte Bei^ und Felder, prächtige
isserordentlich schUnen Gebirgslinien erscheinen , in reizender Krümmung
Fluss Salso dabin« u. b. w.
igias Skyl. 13. Diod. XIV, 14. PI. 111,69. Hesych. Ttigfot bei Tbnk.
faaoc Pol. VII, 6. — Wo in dieser Gegend der Assia war, der bei
12 und 139 (ex vita S. Neophyti) erwShnt wird, weiss ich nicht.
Ki'iaxtJof. Thuk. VI, 4 [einige Hdscbr. -tor). Ptol. -int. Sonst nur bei
iriftsteilem, wo er oft vorkommt. Ov. Fast. IV. 471. Sil. XIV, 230: facUem
te pareo Pantagiam. Claud. E. Pr. 11, 57 : saxa rotantem. Verg. Aen. DI,
itervehor Ostia saxo Pantagiae, wozu Serv. hie flnvins implebat sonitu paene
1, tinde Pantagias dictus est, quasi nbiqne sonans (also narja — /ov
tfivgitti [andere Lesart Jiofivftat] Plut. Tim. 31. Ueber die Ufer des
abr. Umwand, des Hegar. Heerb. S. 462. i
Mas nur bei Liv. XXIV, 30 erwähnt. Schubr. Umwand. S. 457 erklärt ihn j
Uino, weil der Moliaello zu nahe bei Leontini fliesse. |
laßoir. Diod. IV, 7S. St. B. Hes. hat 'Alaßüs- Ptol. 'Aläßov (gen.). Sil. '
samque Alabimque sonoros. Plut. Tim. 34 wird von Cluv,, dem Scbobriti;;
beistimmt, iUXtiJiv'AßoXov, liiv 'Alaßov gAe&t^. Ueber den Alabon uuil
ist gewaltige Confusion bei Mann. 299 und 300. — Schubr. 444—40 über
a (wovon noch die Rede sein wird) und die Noth wendigkeit, den S. Gus-
Alabon zn halten.
anet kommt oft vor. Theokr. I, 63 ist von dem fifyai ^ios'Avirra die
1er Schol. bemerkt : ffpvr"' <»( Svto nöatai! mv, ««1 ßl^XQ^" ^X"" i'^'^Q • n
tvffl fili Jiäßaiot tlyai. Aber der Name stammt ans Akamanien , wo ein
f
Zu Buch I, Kap. 2, S. 27—31. 341
Nebenflu8s des Acheloos Anapos heisst (Thuk. II, 82). Ueber den wirren Unsinn bei
VibiuB kann man S. 60—65 der Oberlin'schen Ausgabe nachlesen. Ueber den A. (jetzt
Anapo mit dem Accent noch immer auf der ersten Silbe) vgl. Schubring, Bewässer. von
Syrakus. Philol. XXII, 4. 610. 612.
S. 29. KvavTi Diod. IV, 23 ; V, 4. Vgl. unten bei Syrakus. Greverus, Zur Würdigung
Theokrit's S. XVII hat an dem Wasser der E. eine besonders blaue Färbung bemerkt
(dem Namen entsprechend).
S. 29. üvQttxtu St. B. s. V. Zvgäxovaai, Vib. Tyraca.
8. 29. Avaifinna Thuk. VU, 53. Theokr. XVI, 84.
S. 29. Die Syrakusanischen Quellen aufgezählt von PI. m, 89: coIoniaSy-
racusae cum fönte Arethusa, quamquam et Temenitis et Archidemia et Magaea et Cyane
et Milichie fontes in Syracusano potantur agro. Nach CI. 218 wäre Archidemia die Quelle
Cefalino zwischen der Kyane und dem Anapos ; nach dems. 221 Magaea die Font, della
Maddalena unweit S. Maria Maddalena an der Bucht Daskon. Schubr. Bewäss. von Sy-
rakus 616 hält die Temenitis für den Tremiglia-Aquäduct , wovon unten die Rede sein
wird; »über die drei andern Conjecturen anzustellen ist unnütz.« Von einer andern syrak.
Quelle spricht Ar. Mir. 56.
S. 29. Kaxvna q i s Thuk. VII, 80 : ^n\ rtp notafiip j(ß KaxvTTaQSi. Der Name Cas-
sibili ist aus Kakyparis entstanden.
S. 29. *EQtvi6g ebendas. Das Wort bedeutet einen wilden Feigenbaum. Ptol. *Eq(vov
(Gen.). Ueber d. Cavallata D. 324.
S. 29. "jaaivuQog Thuk. VH, 84.
S. 29. "EXmQog, Pind. Nem. IX, 40 : ßa^vugii/AVoiai (T af^fp axratg'Elti^v. St. B.
(wo auch ''Eil.) citirt aus ApoUod. chron. I, er habe rtd^aaovs ^x^vg enthalten, ano xe^Qog
ia&iovrag. Verg. Aen. III, 698 : praepingue solum stagnantis Helori. Ov. Fast. IV, 477:
Heioria tempe. Sil. XIV, 269: clamosus Helorus. Lyc. AI. 1033. 1184. Die Notiz von den
zahmen Fischen auch bei Plin. XXXII, 16 und Nymphod. ap. Ath. vm, 333, der XaßQa-
xag und lyiiltig nennt. Ebert, Diss. Sic. p. 200 citirt dazu Poll. VI, 63 und Macr. U, 11,
wonach diese ^yx^ nltoxal, flutae hiessen. — Die Schönheit des Helorosthales gerühmt
von Sm. 178 ; Buss. 240. Die piscina, von der Plin. spricht, welche eigentlich der Fluss
selbst gebildet hat, sucht Faz. 123 neben demselben nachzuweisen. Vibius: Herbesos
qui et Endrius , oppido AUuria decurrit per fines Helori ist unverständlich ; in AUuria
steckt Eloria.
S. 30. MoTvxavovnoT. ixß. Ptol.
S. 30. 'YQfjiivog Phil. (fr. 8 M) bei D H ep. de hlst. 5. Hirminius PI. in, 89. Ob
der Hiranus oder Hiramis der Tab. Peut. derselbe sein soll? Hyrmine Stadt in Elis :
U. n, 616.
S. 30. *'il äy e ff Ol. Pind.V, IL^Innagig ebend. 1 2, dessen Oi^voi ox^roi erwähnt wer-
den, olotif aQÖH üTQaroVf xoXX^ rs aiadCtov &aXdf4wv taxifog vxpCyvtov aXaog, was Sowohl auf
Herbeischaffen von Holz auf dem Flusse, wie auf den Handel überhaupt gehen muss. Sil.
XIV, 229. 30 pauperis alvei Hipparin. Nonn. Dion. XTIT, 316. Ptol. hat denGen.'/nrW^ov.
S. 30. Kafidqiva St. B. S. V. noXig ZixiUag , xaX XCfivrit d(f Tig ^ nagotfila' Mfj
xCvhi Kafiägivav, ttxfvrjTog yccQ ufAiCvtov, Anth. Graec. IV, p. 115 nebst Schol. Suid. M. x,
K. Verg. Aen. III, 701 und Serv. dazu. Sil. XIV, 198 : et cui non licitum fatis Camarina
moveri. Claud. B. Pr. U, 59 : pigra vado Camarina palus. Vib. Vgl. Sm. 195 und D. 368,
der den See almost choked with rushes nennt. Bei Camarina erwähnt noch Sol. V, 16 die
Quelle oder den Fluss Dianas: Dianam qui ad Camarinam fluit, si habitus impudice
hauserit, non coibunt in corpus unum latex vineus et latez aquae; femer Prise. 489 — 91-
Vgl. Faz. 132 und Cluv. 234. Wie, wenn statt Dianam zu lesen wäre Oanim?
S. 31. nXag Thuk. VI, 4. Verg. Aen. III, 702 : immanisque Gela fluvii cognomine
dicta. Ov. Fast. IV> 470 : et te vorticibus non adeunde Gela. Sil. XIV, 213. Claud. B.
3*42 Anhang II. Belege und Erlftuternngen.
Pr. n, 58. Vib. Schol. Find. Ol. U, 16. St. B. s. v. '^xgttyavrec xmä ma. üeber die
Herlei tttüg des Namens Suid. tmd Et. M. s. v. rücc. U6ber die Sch(5nheit des Oelathales
bei Piazza D. 3041.
S. 31. ^IfÄ^Qag Diod. XIX, 109, wo er aXvxog, salzig, genannt wird. Polyb. VIT,
4. 5. Llv. XXIV, 6 : äimera amnis qiii ferme insulam dividit Ptol. Vgl. Faz. 136. Von
den Ifaraguni D. 221. Das Wort bedeirtet eigentlich den Vogel Tancfaer , dann die Ar-
beiter, die im Wasser Verlorenes fischen oder auf Flüssen Menschen und Waaren Über-
setzen.
S. 31. Ueber die Flüsse von Akragas ist die Hanptstelle Pol. IX, 27 : ^et yao
avtijg 7iäQ& fiiv tljv voitöv nXevQ&y h avvtavvfjihg t^ noXsi, naQa Sk riiv Inl Tctg Svafig «rcc
Tov Ußa TfrnafifA^vijy o TTQogttyoQfvSfKvöi "Yipa^, Die Mündang des Hypsas bei Ptol.
Manrolycus erkISrt im Ind. Alph. p. 13 nach M. Aretins und Fazell , gegen PolyVa Au-
torität den Drago für den Akragas (Namenähnlichkeit) , erwähnt seine Vereinigung mit
dem S. Biagio und nennt auch p. 17 der Geschichte den 12 Millien Ostlicher mündenden
Naro. So sind im 16. Jahrh. S. Biagio und Naro deutlich unterschieden. Dagegen identi-
ficirt Cl. 25() S. Öiagio und Naro. Noch mehr Verwirrung bringt d'Orv. p. 88 und HI.
Sief. Akr. 21. 22 hat, auf Cinver gestützt, vermuthet, der Naro habe erst nach Ghiver's
Zeit eine besondere Mündung erhalten. Was soeben aus Maurolycus angeführt wurde,
beweist jedoch, dass Cluver sich diesmal getäuscht^hat. Auch Serra dl Falco hat in die-
sem Punkte mehrfkch geirrt. Vergl. sein geogr. VerZ. zum 1. Bande, nebst III, 24 und 98
(Anm. 9) . Pancrazi I, 2, 2 sucht nachzuweisen , dass wegen des von den R5mem nach
Pol. 1, 18 südlich von der Stadt gezogenen Grabens der S. Biagio nicht damals habe dort
fliessen kOnnen , weil dann der Graben überflüssig gewesen wäre ; er habe damals nörd-
lich von der Stadt geflossen und sich dort mit dem Drago rereinigt ; aus jenem Graben habe
sich dann der jetzige Lauf des S. Biagio gebildet; ich finde den Beweis nicht zwingend ;
mit demselben Rechte konnte man schliessen, dass auch der Drago nicht südlich ron der
Stadt geflossen habe ; denn auch er fliesst in der Gegend , wo jener Graben sein inusstc ;
auch macht die Erhebung des Bodens nOrdlich von Girgenti jetzt wenigstens einen dor-
tigen Lauf des S. Biagio unm8glich. Plig. 42 sucht P. aus den Urkunden und dem Volks-
munde zu beweisen , dass der F. di Naro noch im Mittelälter Ipsa genannt sei. — Wenn
Einige östlich von Akragas einen Fluss Sikanos setzen, so beruht dies auf einer falschen
Auslegung der JiTotiz St. B. S. V. Zixavta, ^ 7tiQix(OQog*AxQttyaVTCvtav ^ xtti norafiog 2i-
xavog, mg (friatv linoXXo^oiQog. Das heisst nur, es gebe auch einen Fluss dieses}Namens,
den St. B. s. v. ^ijod aber nach Iberien setzt.
S. 31. *^Ayx()c. ylvxog. Jenes ausser bei St. B. nur: Diod. XV, 17 (Hdschr. Ir^AiJ-
xov oder 'AJiixov) Exe. Hoesch. XXIII, 9 und XXIV, 1. Dieses bei Diod. XVI, 82, sowie
Plut. Tim. 34, endlich Herakl. fragm. pol. Min. (M II, 221). Es ist nicht daran zu denken,
dass die verschiedenen Namen verschiedene Flüsse bezeichneten. Der Lykos des Her.
floss bei Herakleia Minoa ; es ist also derPlatani; der Halykos Diod. XV, 17 floss im
akragantinischen Gebiet, ist also wiederum der Platani. Für den Namen Halykos hat
man sich gewöhnlich entschieden ; Schneidewin (zu Herakl. vgl. M l. i.) macht zu Gun-
sten der Form Lykos auf die Uebereinstimmung dreier Schriftsteller aufmerksam. Man
kann somit zu keinem andern Resultate gelangen, als dass der Platani sowohl Lykos wie
Halykos hiess. Ist noch ein zweiter Halykos anzunehmen? Nach Cl. 281. 470
hiess auch der F. delle arene Halykos. Es fUhrt nämlich Duris bei St. B. s. v. *Ax(myavrfg
unter den sicilischen Städten , die von Flüssen den Namen haben , auch ^Alvnov an. Da
nun eine Stadt dieses Namens in Sicilien sonst nicht bekannt ist , darf man an 'jfltxvai
denken, das wahrscheinlich das heutige Salemi ist; somit wäre der im Namen ent-
sprechende Fluss der F. delle arene. Man kann aber auch , statt eine Ungenauigkeit im
Ausdruck bei Düris oder St. B. anznnehmien (Halykos ist keine Stadt), nach handschrift-
lichen St>uren mit Meineke daselbsl ^^Jt<xt;at (Acc. pl./ tesen, dann Mre der Flusimame
V
Zu Buch I, Kap. 2, S. 31—33. 343
'AXixvag (anal. MaiaQafy *Ififyag). Jedenfalls kommt dieser westliche Halykos in der
Geschichte nicht yor. Paulis Ansicht (B £ UI, 1053), es sei Diod. XYI, 82 (wo ja
Lykos steht) gemeint, ist von Arnoldt , Timoleon. Gumb. 1S50. 8. S. 179. 80 widerlegt
worden. Ifannert's Einfall (S. 350), es habe einen Ostlichen Hai. gegeben, den DiriUo, ist
schon von Pauly 1. 1. zurückgewiesen. Mannert hat Diod. XXIV, 1 und Pol. I, 53 falsch
combinirt. Manche (Pauly 1. 1. Am. 179) denken bei Ha in Halykos an den semitischen
Artikel. Vgl. m. Beitr. 16.
S. 32. Flüsse zwischen dem Platani und C. B060. Hauptquellen PL lü, 90
und Ptol. Bei Jenem haben die Hdschr. Thermae colonia , amnes Agathe , Macer (oder
Mater) Hypsa, Selinus oppidum , Lilybaeum. Dieser hat in entgegengesetzter Richtung
Ailußaiov, ^Axi^iov not, ixß.^ J^eXivovvroe n, e., Ma^aqn n, c, JJ^yt/a, J^oaa^v n. €.,
'laßovQov n, €. ^HgaxUta. Zunächst ist klar, dass bei Plinius statt Macer zu lesen ist
Mazara. Dann fragt sich , was unter Agathe zu verstehen ist. H. Barbarus vermuthete
Atys, woraus Cluver, nach Combination mit Idxi&iov bei Ptol. Acithis machte. Offenbar
liegt naher das schon Ton Harduin yermuthete Achates. Der Achates bei Sil. XIV,
228: et perlncentem splendenti gurgite Achatem. Vib. PI. XXXVII, 139 und Sol. V, 25
lassen hier zuerst die Achate gefunden sein. Cluver hielt ihn (246) , weil alle anderen
Flüsse, die in Betracht kamen, bereits Namen hatten, für den DiriUo. Der Achates kann
der Carabi oder Cannitello sein. — Der Hypsas ist der Beiice ; Plinius nennt ihn östlich
Yon Selinus, und der Name findet sich auf selinuntischen Mtinzen. Somit ist der Selinus
der heutige Madiuni, der ja auch näher als der Belioe an Selinus vorbeifliesst. Er kommt
ebenfalls auf Münzen vor; sonst Str. XVII, 3, 16. St. B. s. v. lAxgdyavteg, Auch Str.
Vin, 7, 5 meint mit dem J^eXivovs naQarols'YßXaiois MeyaQevatv ^ ovs uviamaav K«q^
Xtfioviot, wie schon Gl. 279 sah, nicht, wie Müller im Ind. Strab. annimmt, einen Fluss
bei Megara nördlich von Syrakus. — Der Apiarius Gl. 278 ist eine unnöthige Gonjectur
für Lanarinm It. Ant. , wovon später. — Beim Isburos spricht Gluver von K6av(}oe
als sioüischem Flusse nach St. B. Die richtige Lesart t^s £txiUae norafiov, bezogen auf
den SelinuB, ist auch Str. XVII, 3, 16 zu entnehmen, woher die Nachricht des St. B.
stammt. — Der Sossios , den Gluver, weil kein anderer übrig war, für den F. di Mar-
sala hielt, ist zwischen Selinus und Herakleia zu suchen ; der F. di Marsala hiess nach
Ptol. 'Ax^ittos. — Mazaras. Diod. XI, 86 hat MaCagv notafA^. lieber ihn Göttling,
Ges. Abb. II, 82 und Schubring, Topographie der Stadt Selinus (GiJtt. Ges. d. Wiss.
1865] S. 36. 37. Die Entscheidung darüber, wo der Kamikos floss, hängt von der Be-
stimmung der Lage der Stadt Kamikos ab, die nicht Siculiana war; er war der Galta-
beUotta oder der Macasoli ; er kommt vor St. B. s. v. 'Axgayavrfe; s. v. Ka/nixos; Lykos
fr. 81 und Vib. — Endlich kommt noch aus dieser Gegend bei Diod. XXXVI, 4 (Phot.)
der Alba vor. Der römische Feldherr, öiaßag tov Iklßav notafiov nttQijX&e tovg ano-
ajuras dtaiQ^ßorrag Iv oq€i nakovfiiv^ KanQiavfß xal xari^vTriatv ig noktv ^HqdxXHav,
Im It. Ant. kommt Allava 30 mp. nach Westen von Agrigent vor. Gl. hält ihn für den
Macasoli. Nun finden sich bei Edrisl (AmariBibl. Arabo-sicula S. 67) folgende Angaben :
Von Sciacca zum Fl. Albu (oder Allabu) 8 Millien und vom Fl. Albu zum Vorgebirge des
Fl. Iblatanu (Platani) 9 Mlll. , so dass sich hieraus der F. di Galtabellotta als der Alba
herausstellt. Darf man dasselbe entnehmen aus Vibius : Triopala (-cala) qui et Assorus
{'?) juxta Alabon (Albam?) Megarensium (d. h. Selinuntiorum?}? — Bei der Aufz&hlung
der modernen Flüsse sind ganz unbedeutende natürlich übergangen.
S. 32. notafiovg 71 €qI Aty tat av j:xdf4.av 6 Qov xal Sifioivxa erwähnt Str. XIU,
1,53.
S. 33. KQi(ita6g Plut. Tim. 27. 28. Nep.Tim. 2. 4. Diod. XIX, 2. N&tf^, Aen. V,
38 und Serv. Vib. Grimisos Siciliae, civitate Atilac, wo Gl. 328 Grimisos und Enteila ver«
bessert. Lykos (fr. 8 M) bei Ant. Mir. 148 : Kgiuiaog, ort ra /Ah inmoXr^g tiSv vddjfov
ilal tf/vxgolj rä 6k xarto »€Qfiol, Man denke hierb^ an die Thermen von Segesta, die
Anhang U. Belege and Erllinterungen.
ueee entspringen. — üeber die Schreibart Ärnoldt, Tim. S. 15Q und die
Cieiehrten , von denen Lolieck fUr K^lfiims iet. — Nach Cl. 331 ist der
.eatru; nach Se na di F. I, HO der B. slnistro. Es igt doch wohl nnmffg-
len Erzähinng des ServiuB : Egeata &d Siciliam deUta a Crimiso flumine
.tEgeatum, qni civitatem condidit quae Egeata dicta eat, die Voraua-
« von einem engen ZoBammanhange zwischen der Stadt Egeata nnd dem
I zu läognen.
EOToioi di toy n6Qjraxa xai rtyv K^tfitai» xat röv Ttlf^iaoor tr
fiäai Aer. V H II, 33. Apud SegeatanoB HelbcBus in medio flumine su-
ine ardet Sol. V, IT. Dieae kleinen Gewäaaer h£lt Seira di F. fllr die
Thermen, nach Parthey w&re der TelmiBSOB der F. S. Cataldo, der Porpax
etwas zu nahe an Lilybalon).
»(Qfttt'EyiOTaiti Diod. IV, 23. NachStr. VI, a,9 8inddiB^(yt<Ji«i»
1. D. 148.
t^oiJioT. txßolal Ptol. CluT. 332 will 'ISm oder 'IS»it leaen wegen des
Aber der Name Ba9v{ klingt aehr natürlich fUr einen FluBe. Südlich Tom
:hD. 165derFtati, den auch die Karte von 1B26 kennt; ea scheint jedoch
llung dea Namena Jati, des einzigen grtigseren FluBSes dieser Gegend.
I Namen Orethns hat nur Vibius aufbewahrt. Der Name Ammlragli«
) dell' Ammirsglio (Georg von Antiochien 1113 nach Chr.). Jetzt wieder
ehungen zwischen den Namen Oretfaue nnd Arethnaa?
'Elev»tgos nur bei Ptol.
'.Qttt Str. VI, 2, 1 f}i f 'l/itpav jioraftöy — <tia fi^aijs yiovia t^c .Sxf-
V. 'ififQn aus Nikanor und 8. v. V^enV«*"«- P' HI, 90. Ptol. Mela n,
r. S HJ bereite citirt. Von den beiden aus derselben Quelle entspringenden
neos Stesich. bei Vibiua. Sil. XIV, 234 ff. dividnae se Bcindit in oraa, Neo
petit iocita, quam petit ortus. Nebrodea gemlni nutrit divortia fontis.
t irrig ihn amaruB sein, dum in aqnilonem fluit, dulcis ubi ad meridiem
VIII, 3 quae pars profluit contra Aetnam , eat infinita dnlcedine. Hier
>46) in dem auf den Aetna zu Siesaenden Lauf des F. di Tennini , den er
ahSIt, nach Vib. Himera oppido Thermitanomm dedit nomon Himerae,
iber gegen diese Annahme spricht ausser dem , was die Ruinen bei Bon-
sen laasen |a. u. Himera) , der Umstand , dass sowohl Ptol. wie die Tab.
erafluas üstltch vou Thermae setzen, sowie endlich die bei Strabon an-
inz von Kephaloidion , die mit Unrecht angegriffen worden ist. Der von
1 Ansicht, die mit FazetI im Allgemeinen die sicilischen Gelehrten theüeo,
wig auch Oatliing, Ges. Abh. D, 8E. Vgl. auch D. 259. üeber die Quelle
Bo unter Imera settentrionale und Salao. — Find. Pyth. 1,79: nnpo tar
ö r d ^ 0 1 nur bei Ptol. Zwischen Kephaloidion und Ahüaa flieeaend , musa
gewesen aein. Vgl. D. 267.
laioos C. I. 5594, wo Franz' Angaben über Fazell irrig sind., Colum-
Bt quae Sicanii florea legistis Halesi. C. L 5594 sind noch genannt : der
, der //itaia^acund der'Pnjc««, welche beide letzteren ebenfalls nnr Ge-
innen. Ebendas. endlich die Quelle 'Inv^^a. Sol. V, 20 berichtet : in Hale-
ns alias qaietus et tranquillug, quum siletur, si inaonent tibiae eiullabundua
atur et quasi mireturvociadulcedinem, nitida margines intnmeBcit Faz. 226
ler grossen Quelle, 3 Hill, atldlich, aqua civitatis genannt.
r Xiättt des Ptol. kann, da er zwischen Kalakia und Alontion gesetzt
riachen Caronia nnd S. Harco, einer der FlUsae Foriano, Inganno, Bosa-
fach Ct. Foriano.
Zn Bach I, Kap. i, S. 33—34. 345
S. 34. Der Tfi^9os dm Ptol. Ist iwischen AgathymoD and TTodarls. O. hSIt Ihn
für den Nsso: ea kttnnte auch der Patti sein. Diese Gegend tat besonders von Orass
ereMhildert. Vgl. D. 271, der sie mit der Riviera di Ponente vergleicht.
8. 34. 'Ellxav des Ptol. zwischen Tyndaris und Mylae, Ton Cl. 370 fUr den OHveri
^halten, künnte ebensowohl Salica, Aranci, Castroreale, S. Lncia sein.
S.34.MeIaB. FaceMnns. Jener bei Ov. Fast. IV, 476: Sacrammqne Hehin pa-
Bcna laeta boum ; dieser bei Tibins ; Phoetelinns Siciliae jnxta Peloridem, confiuia templo
Bianae. Cluy. 3TT verbessert richtig Facelinus wegen Luc. eat. III ap. Prob, et Pomp.
Sab. Äen. II, 1]S: Facclinae templa Dianae nnd Si). XIV, 260: sedes Facelina Dianao.
Dieser Tempel der Diana, um den sich ein kleiner Ort. Artemision, bildete, lag in der
Nähe von Hylni (App. B C V, 116) zwischen Mylai und Naulochos, das C. La Farina
nach Spuren am Ufer in der Nähe von gpadafora sucht (Bull. 1836. 8. 95. 96). Cluver
377, TS identificirt Melas und Facetiuus, wozu kein Qrund ist. Da die Binder des Helios
zu HyUi In Beziehung gebracht wurden, so wäre mSglich, dasa der Hetaa eigentlich
Mylaa geheisaen hätte (Melazzo für Hilazzo). Helas kann Nocito sein, Facelinus Condro.
Ein anderer Flass dieaer Gegend muss tibrig bleiben als
8. 34. jtöyyttfosoüet Aaltttret. Jene FoHH hat Pol. I, 9. diese Diod. XXII, 13
(Hoeach.). Er wird von Cl- 375 für den westlich von Hylai flieasenden F. di Castroreale
gehalten. Wenn nun nach Diod. I. I. Ilieron, als er in das Gebiet von Hessana einfiel,
Hylai schon hatte und nun den Bewohnern von Hessana am Longanos eine Schlacht lie-
ferte, so wird dieser Fluss Östlich von Mylai zu suchen sein. Denn wenn die Hamertiner
sich westlich von Mylai in Schlachtordnung gestellt hätten , so wäre ihnen ein Ueber&ll
im Eiicken durch die Ilieroaische Besatzung von Hylai sicher gewesen. Fortmann , De
Hierone. Zwoll. 1835. S. 82 halt sllerdinga die Worte Diodor's: Mülat xaja xQajoi Uiör
für falsch ; in diesem Falle behält Cluver Recht.
a. 34. Andere merkwürdige GewBsaer Siciliena. Bei Lyk. AI. 868 wird
Aphrodite bezeichnet als xQiiovae ^ojyaü^ou/ii'^iüvundMenelaos v. 869, TO a,l» Koy^tfai
9' StTaip »tt/x^ai, rovoZoBv 1 ^Ji Ziinvwf rri.nxat. Diese sonst unbekannten Gegenden
Buchte Cluver zu bestimmen. Der sInns Longuri ist ihm 304 die Küste zwischen dem Eryx
and dem C. S. Teodoro; die von Tzetz es gegebene Erklärung des fii'^ös als einer Ufii-tj
verwirft er. Die aqua Concheae ist ihm 460 der von Pazell 157 erwähnte See von Bissano
bei Agrigent (s. o. bei Haccainba] ; das atagnam Gonuaa endlich 280. 81 das von Faaell
t>e8ehriebene 3 Hillien westlich von der Mündung des Beiice befindliche Stagnnm Yb^ici
(s. u. bei SeUnuBJ. Auf der Karte bei Grotefend II iatConchea nach Palermo versetzt
iwegeo conca d'orof) , und Gonnsa ist Pergnsa. — Einen wunderbaren aioiliachen See
bnchreibt Philost. bei Tzetzes, Chi!. VU, 671 ff. , der den Menschen aitfriSltot StiQrir
Silaatv tt if-niuaffw (M III, 31). Einen andern Lykos (M II, 373) bei Ant. Mir, 170: jiiqI
tijr tv S/lilais (XC/n'rp') »ijr Z^tltai äfvdga ifvec9ai, Siä ft{ai;; tT ovnfe äyaffiiv (Beotl.
ävaCfir) vJa)Q, to fikv yivxQÖv, rö dt Tovrarrlov. — Wunderbare Quellen : Ar. Mir. 56 ;
inl r^t idov t^s tli 2^vgaxovaae «p^*l iaily tv Xdfiäri ovjt fiiyaXji oi/rt vS<o^ fxovaa
Tiolij- awanayriiiiavios rfi fU löv löna* SxXov nolioS Tiagioxfv EJotp aifSoyov. Eine
andere Ar. Mir. 112. — Von andern merkwürdigen Quellen: Plin. XXXI, 22: omnia
fluitant, nihil mergitur, item in Siciliae fönte Plinthia, nt Apion tradit (vgl. Sen. N Q
m, 25 von einem stagoum, das in Sicilien war, wo tateres natant); XXXI, 61 : circa Mes-
eanametHyUBhiemeintotnminareBcuntfontes.aestateexundant. Sol. V, 21. 22 : Gelonium
stagnnm taetro odore abigit proximsntea. Ibi et fotttes duo; alter, de quo ai sterilis
aumpserit, fecunda fiet ; alter, quem si fecnnda bauserit, vertitur in 8t«rilitatem. Stagnnm
Petrensium serpentibns nozium est , homini aalutare. Hier denkt Cl. 460 wieder an den
See von BisBano, wo auch eine Petra an in der Nähe liege. — Den Lacns Cocanicns PI.
XXXI, 73 setzt Faz. 134 nahe der Hflndnng des Dirillo.
Anhang 11. Belege und ErllDtönmgcn.
Lltertbam erwähnte Prodakte. Frdcbtbarkeft der Insel Sil. XIV,
siciliBohe Weizen Str. VI, 2, 7. PI. XVDI. «3. 64. wo trit. SeUnn-
crassüsimi cmlami gerühmt wird. Diod. Y, i: tv n yä^ jiiantr^ mSlif
; akkont TÖnitvs tIJ( SixikCat f^XQ* ''''' >'*'>' fvfa^ai loiit äygtovf ivn/iri-
:. Ar. Mir. 82 sagt dies vod Enna. Theophr. H P IX, 3, 8 preist den
nd von Mylae, der SOfachen Ertrag liefere. Nach PI. XVIII, 95 trägt das
tfilde lOOfaltig, während Cic. Verr. ni, IT den siciliBchen Boden das
fSltige tragen lässt, Cicero spricht als Advocat der Sicilier. — jivg«-
is8t es im Epitaph des Aischylos. Zur Vergleichung erwähne ich , dass
l, 44 der Acker von Sjbaris loofältige Frucht trug. Sm. 12 : the lunal
10 to 16 salms, and in the most (avourable jears 2S for one ; but no part
itend to the ODce boAsted lOOfold. — Nach Neigebaur61 wäre cUgegen
chste. — Art der Laodwirthechaft Fl. XVIII, 'iS ; bimestre framentnm
Vill, 70. — Viehzucht: 2"i». noXvftalot Find. Ol. I, 12. fitfloßörov
Ld. Pyth- XII init. Schafzucht bei Leontini Ar. E A UI, 17. Die sici-
beBondera von Lilybaion, mxvimai Opp. Kyneg. I, 271. Die Pferdezucht
g. Aen. III, 704 : magnanimum qaondam generator equonim. Sil. XI\', 209 :
fach Plin. VIU, 15& haben die tumali der Kosse dort pTramidas. Bei Sopb.
tisstea; yvroTx i^iS — ^Irraiat tnl iraXov ßipäaay , wo j4fiv. doch nur
iUce bezeichnen kann. Nach Eesych. S^og 'Axfaralot waren al ^ixilixtiX
Ol. Vgl. Find. Hyporch- 3 und Kritias bei Ath. I, 28. — axfaQ Iixtlixiv
Inte und Wolle zur Ausfuhr Str. VI, 2. 7. Käse nach Ath. XIV, 658 und
HermippoB Syrakua entweder aüt xoi f upoV oder oUov xal ivqöv liefert.
Polykratea liess eich ve tx ZixfUne kommen, nach Klytos (H II, 333;
10. - Honig und Wachs , bes. von Hybbi , Str. VI. 2, 2. PI. XI, 32. 33
liechen Dichtem : Verg. Ed. I. 55 ; Ov. Trist. V, 6 , 38 und öfter. Den
nft der Gegend von Melilli erwähnen d'Orrille 171 und Ausland 185Ä
üScher in den Felsen des Val di Noto : Bouel IV, 9 {bei Scicii). — «tpi-
( Theophr. Char. 5. — Essbare Schnecken vom Aetna PI. XXX, 4&. Ich
lie xiiv»aQoi (ecarabaei) vom Aetaa. Schol. Ar. Pac. 73 , und ynlttitai
tödtliohem Bisa Ar. Mir. 14S. — Wein. Hamertlner bei Messana Str.
th er mit dem besten italisohen Wein wetteifern kann, PI. XIV, 66. Sm.
einem rongh wine am Faro. Vinum Fotulanam uud Tauromenitanun bei
lie eugenia vitis von TauromenioD nach dem Albaneigebirge veipflanit
!5. 'Ivvxirot Hesych. o/fov tlöllios Ath. I, 31 : "innug ö 'PqyXiiot xiir
]v äfintlav ßißllav ifiial xaliioüai , Sjv ITÖXliv löf 'j4(iyiior, S{ tßniilXioai
ätov el( £iigraioüaac xofilOai i^ 'IraXtat. tti) (f av ouc ö JiBfta ZuilltaitmiS
Vt nölliot e BtßXiros otrot. Foll. VI, 17. xa( nov xat ylvxiv xttl nollaüf
toiMliüv nöXiis if «üiDV ö 'j^oyiiot npiüroj taxtvitOsv, aq^' ov xai Toürofia'
lOMrlur ßaaikfus n6lXiot, äc'^giaioTHrit Uyn. Nach Ael. VH XU, 31
iyX'OQiou ßaaikfiai benannt. Nach dem Et. H. stammt er aus Thracien ini
•xiMorlov tveärrov- Ath. 1. I. fUgt ein Orakel bei, in welchem von Anthe-
t. Vgl. MII, 15 und 136. wo verrnnthet wird . dass der Argiver Pollis
'andemng nach Syrakns. dem Orakel folgend, den Weinstock aus Antlie-
n BOotien. oder die Insel Ealauria, oder in Thracien) mitgenommen habe,
auch, Pollis kOnne ein Temenide gewesen sein. Vgl. unten. — 'luriUroi
!in am Aetna Str. VI, 2. 3 und XIII. 4. ll. — Hnrgentina viüs Fl. XIV.
;ato R K 6. — Wein von Enteila. Sil. XIV, 204 largoque virens Enteila
TriokaU Diod. XXXVl, 7 (Phot.) Most von Alnntion PI. XIV, 80. —
ei Akragas gebaut und nach Karthago verschifft : Diod. XIII, 81 . — Oel-
äame(<'Hf^a<),FelgeDb]iDmeti>A.,wieä,£pnV.^<iV'n(ierwlUmtdiegroaHlB'
Zn Bach I, Kap. 2, S. 34-3«. 347
Schrift von Alaisa C. I. 5594. — Lmseik {^ttx<y{) in Gela Ath. I, 30. Gemüse ttberhaapt
Theophr. HP VI, 4. VII, 4. —Safran, bes. der Centnripinische, gerühmt von PI. XXI, 31
und Sol. y, 13. An der Peloris so reichlich, dass man »ara r^y ia(Hvriv togav ra^ 6TQm-
fAvag xaX rag axrivag ix xooxov xataaxfviiCft Ar. Mir. 111. Heutzutage deutet darauf
der Name C. Zafarana hin. — xtixiog Ant. Mir. 8. PI. XXI, 97. Hesych. habrotonum PI
XXI, 160. betae genus Siculum PI. XIX, 132. — Die sicil. Aepfel nach PI. XXIII, 103
am geeignetsten , um Oel daraus zu pressen. — Der Aphrodite heilige Blume Xvxvie auf
dem Eryx Ath. XV, 681. palmae chamaeropes PI. XIII, 39. FSrbeholz »mf^og Nik. Ther.
529 mit Schol. — XovrijQa TtotxiXov tov TavQOfitv^tov li&ov erwähnt Ath. V, 207. Der
tauromenitanische Marmor ist nach Neigebaur 9 hauptsächlich violett. Ebendas. andere
kostbare Steine erwähnt. Specularis lapis (Marienglas) PI. XXXVI, 160. Smaragd« und
Achate PI. XXXVII, 73 und 139 (die sicil. Achate heilsam gegen Skorpionenbiss) . Ueber
letztere und den berühmtesten derselben, den E9nig Pyrrhos im Ringe trug, in quo
novem Musae cum insignibos suis singulae et Apollo tenens citharam videbantur , non
impressis figuris sed ingenitis Sol. V, 25. — lieber das Salz Sol. V, 18. Nach PI. XXXI,
86 purpurnes von Kentoripa ; vgl. Houel HI, 32. Salz in lacu qui Cocanicus appellatur,
und von Gela PI. XXXI, 73 u. 86 ; Quellen, welche «Ifna^stg a/tia to7 v^fi sind Iv ZtxavuYg
rrig'Sit. nach Ath. II, 42. — Erdpech Dioscor. I, 100 im akragantinischen Gebiet auf
Quellen schwimmend, das man in Lampen gebraucht, xtdowreg avti ZixtXw iXatov,
nXavtofievor iait yaq c^GffuXrov vyQäi Mog. So auch PI. XXXV, 179, der bemerkt: in-
colae id hamndinum paniculis coUigunt, citissime sie adhaerescens. Hiemach Sol. V, 22,
wo es ein lacus ist. Nach Ath. n, 42 befindet sich eine solche Quelle fy ry KaQxn^^^^^^
inixQäxfd^y natürlich in Sicilien, von deren Oel es heisst: ^ tt7roa<ftti(fovvTsg (Pillen
machend) ;if(>«5vTat nQog ra nQoßara xal ra xrifpfj. Man sucht sie meist dicht bei Akra-
gas, wovon unten; Gl. 458 denkt an eine Quelle bei Bivona. — Oel von Mytistraton:
Lykos (fr. 9 M) bei Ant. Mir. 154 zum Brennen, und ffvfiata xttl if^to^av taa^at, ngog-
ayo^€v6fjitvov MvrKTTQattov ebendas. von einer Quelle iv Stxaviov j^togif , welche o^og
bringe. — Nach Elearchos (fr. 11 M H, 307) bei Ath. XH, 518 nannten die Sicilier ihr
Meer wegen seines Reichthums an essbaren Thieren yXvxda. Ueber diesen Reichthum
vgl. G. Alessi, Mem. da servire di introduz alla zoologia del triplice mare che oinge
Sicilia in den Atti dell' acad. Gioen. XI, 89—103, sowie Smyth, Append. LXVI— LXXIII.
Grosse Aufzählung von Seethieren in Epioharm's 'Hßttg yaftog (Lorenz, Epicharm. S. 230 ff.)
Ueber den Reichthum der Strasse von Messina an Seethieren sagt Paus. V, 25, 3 über-
treibend, es seien so viele mg xal tov a^Qa roy vnh^ tiig ^aXdaatjg ravTijg avan(finXaoda$
ttSv ^rjQiayv Trjg 6a/i7jg. — Thunfisch Ath. I, 4 und Sol. V, 6 am Pachynos. Archestr. bei
Ath. Vn, 302 : iv £ixiXmv xf xXvt^ vija^ K€(paXot&lg uftBivovg IIoXX^ xwycTf TQitfiH ^vy^
fow xa\ Tvv6afi\g axxri. Vgl. d'Orv. 16 — 18 und Faz. 22. — Der Ort KnraQCa (Ptol.)
zwischen dein Bathys und Panormos deutet auf den Fang der x^ri; dort hin. — Fang der
Schwertfische {^itfiai, yaXfwtat) bei der Skylla Str. I, 2, 16, von Bart. I, 410, der das
moderne Verfahren beschreibt , nicht immer richtig verstanden. Nach Faz. 22 verstehen
diese Fische Griechisch. — Die Muränen PI. IX, 169 ; Ath. I, 4. rag n^Xm^idag x6yx*xg
(aus Sic?) erwähnt Ath. I, 4 ; vgl. Sm. 106 von der Zucht der cockles in den Seen der
Pelorisspitze. Sicilisches Gesalzenes, natürlich bes. Fische, erwähnt Ath. V, 44 als einen
Hauptartikel der Insel ; dazu werden gebraucht sein die fJtaivC^tg ix Atnagag Ath. I, 4.
Noch jetzt ist das Fangen und Salzen der Sardellen ein Haupterwerbszweig in Sicilien.
Sm. 227 findet in der heutigen sicilianischen Fischerei ganz die Schilderungen Theokrif s
wieder. — Korallen PI. XXXII, 21. Hesych. xoQaXXiXg, wie die Korallenfischer naQa
^ixeXoig heissen. — Pisces amari bei Sicilien PL XXXII, 18.
S. 36. Klima. Beiname der Insel, wie einiger anderer LänderiS^i^f«; nach Hesych.
h. V. Cic. Verr. V, 10 von Syrakus , wo kein Tag veiigehe, quin aliquo tempore ejus diei
soleta komines viderint. (Dass. auch von Rhodos gesagt : Sohneiderwirth, Gesch. von
348 Anhang II. Belege und ErlSnteruDgen.
Rhodos, S. 3.) DagegeDM. Aretjos 11.— Siciliena Klima duldet keine Skorplooe. PI. XI,
89;XXXVU, HO. Auch (He Btelllones sind innocni in Sicilia, PI. Vra, 111.
S. 1)6, Die Strasae von Messina als zieulich frei von Erdbeben erklärt von Str.
VI, l, 6.
S. 36. üeber die'iBildnng des Meeresbodens südlich von Sicilien vgl. Petermann,
GeogT. Mittb. 1363. VI, S. 233, und die neueste Karte Italiens im Stieler'achen Atlas.
S. 3'. Die Liparischen Inseln. Namen der Gruppe. ^töXov v!jaoiTh.iik. Hl,
88 nnd bei Andern ; AiaUdet rijaoi Diod. V, 7. Pol. I, 25 nennt sie tch xalaufiiytis
AmaQttlnt v^aovi. Etist. z. Oion. 461 ; ytinaQniinr v. Hier hat eine Hdschr, jtinoQai.
Man hat wirklich Liparae Ülr einen Gewnimtnamen der Inseln gehalten, wofür jedoch
d'Orv. 19. 10 nur Ampeliiu 46 anzuführen weiss; wo es sonst steht, scheint es nur die
Insel oder die Stadt Lipara zu bezeichnen. Vgl. unten b. dieser. Eust. 1. I. behauptet :
tu al Toü Jtöi.eu v^aoi Atöiiioi ifyai'rni, av fiipi xal Alallitt, tdCto yät; al täv AtoUaiv
f^aoi ftt xl^oir in^x""'*- J"*'- IV, 1 : insularum AeoUdum. PI. III, 92 sagt; Aeoliae
appellatac, eaedem Liparaeorum, Hephaestiades a Oraecis, a nostris Volcaniae. So Cic-
ND III, 22. Sol. VI, 1 Hephaestiae, Itali Vulcaniae vocant. Natürlich auch Aeoli :
Mela II, 7, 18. Weil Homer seinen Aiolos auf einer nlaiiii viiaot, einer umschiffbaren
Insel, wohnen lasst, wurden die Aeolischen Inseln bisweilen auch nlmiai genannt-
Dion. 4Gä, und Eust. dazu. — Anzahl der Inseln. GewUhnlich 7 gezählt. So Diod.
V, 7. Str. VI, 2, 10. Ps. Sk. 255. Ar. Mir. 101. Dion. 465. Mela II, 7. 18 (illae septem).
PI. m, 92. St. B. a. V. -^.nopo. Ser». Aen VIII , 416. Sol. VI, 1. - 9 nach Serv.
Äen. I, 52. la. Or. XIV, 6.-5 nach App. B C V, 105. — In der Aufzählung bei Eust,
Od. X, 2 heissen sie : MoUs (la), Xr^iryyüiii, 'figä, AtTiäga, 'EQumöd^t, •PoirtxiöJrig,
xuUiTtti öi fiia Toviäiv xati ncoe xal' Ixiaiov Bei Mela II, 7, 18 ist irrig Osteodes ZU
den Liparen gerechnet und Ericusa w^gelassen, wenn nicht etwa zu leaen ist : Calatha
ot OsteodcB et ilUie septem quae Aeoli appellantur, Lipara, Heraclea, Didyme, Phoeni-
cusaa, Ericuasa et quae perpetuo flagrant igne Eiera et Strongyle. — Str. VI, 2, tl giebt
als Entfernungen an : Von Er. nach Phoen. 10 Mill., nach der Angabe des Choro-
grapben; von da nach Didyme 30, von da nach Lipara, nördlich, 29 (nördlich iat natürlich
ßilsch. Mililer glaubt es jedoch von Strabon geschrieben und findet in dem Umstand,
daas auch die Tab. Peut. Lipara nördlich setzt, einen Beweis der Uebereinstimmung
dieser Tab. mit dem orbia des Agrippa), von da nach Sicilien 19, von Strong. aber 16. —
Nach Eust. z. Dion. 461 sind die Inseln 200 St. von der Heerenge entfernt, nach Diod.
V, 7 150 St. von Sicilien; nach Skyl. 13 ist von Mylai nach Lipara '/ä Tag Fahrt. —
Von der Natur der Liparen Diod. V, 7 : «uim di näoai iivq6( tiJxn>"'Oiv ävaifvo-^iiaTa
fi^yäla, (ut »QariiQi^ ol yeyly^ufroi xal ra axifiat« f^X?^ '"^ '"''*' *'"' f'^^'Q''- ^"^ nach
Sol. VI, 1 per Dcoulta commercia aut mntitantnr Aetnae'incendia ant subministrant. Ueber
das abwechselnde xaUaSat dea Aetna und der Liparen Diod. V, 7 ; über das unter-
irdische Feuer der ganzen Cicgend die schon cit. Stelle von Str. V, 4, 9, die von Hurab.
Kosm. I, 452, n. 98 beirallig erwähnt wird. Vgl. im Allg. Fr. Hoffiuann and L. v. Buch,
U-cber die geognostiache Constitntion der Liparischen Inseln in Poggendorf s Annalen
XXVL 1832. S. 59, und Humb. K. I, 452, n, 96. — Ueber eine von Philostr. (Imag, D. 17)
geschilderte Abbildung der Liparischen Inseln vgl. Welcker Phil. 487 u. Brunn, Jahrb.
f. clasa. Phil. Suppl. IV, 2. 1861. S. 296.
S. 38. ^.TioenSt. B. kiyiTa> xttl 7iln»wTtxäs. So Pol. XXXIV, 11. Weissenb. zu
Liv. V, 28 ; XXI, 49 (asat den Plur. als Stadtnamen auf. Liparis App. Mund. p. tj4, 38. —
Einw, Ainayaioi, Liparoei. Liparenses, Liparitani (Val. M. I, 1, 4). Mthyovi'tt KaW.
Hymn. DUn. 48. Str. VI, 2, 10. Melogouis vel Melignnis PI. III, 93. wo mit Benutzung
einer handachr. Lesart Longinis und des St. B. b. v. Aoyyiifr\ von H. Barbarus Longonis
gesetzt ist, was auch Pomp. Sabinus zu Aen. I hat. — Von allen Liparen nur diese be-
wohnt: Thuk. UI, 88 und Ant. (fr. 2J bei Paus. X, 11, 4: Aatä^nv — oUoini,' li^av 31
Zu Buch I, Kap. 2, S. 36—38. 349
yeoj^yovai. Auch nach Cl. 503 sind auf den übrigen keine Städte oder Dörfer. Da-
gegen erhält St. B. s. v. ^Egtxovaaa in den Worten : Ain«Qatot l| * EQtxovaarjg, <Potvt~
xoiaaris, sowie 8. v. ZrQoyyvkti — «Tot die Andeutung, dass Erikussa etc. wirklich Ein-
wohner hatten. Lipara war nach Diod. V. 7 von 150 Stad. Umfang. Str. VI, 2, 10 sagt,
die Insel habe yth' evxaonov xal axvnrriQlag fjLftaXXtov nooaodov xnl S-fQfia v^ttra xaX
Tivgos ttvanvodg. Dagegen nennt Cic Verr. III, 37 den ager der Liparenser miser atque
jejunus. Der Alaun auf Lipara und Strongyle auch erwähnt von PI. XXXV, 184. Diod.
V, 10. Diosc. V, 123. Die Bäder erwähnt auch Diod. V, 10, der sie aus Sicilien viel-
besucht nennt. Von den vulkanischen Eruptionen endlich spricht auch PI. III, 94, der
« von Strongyle sagt, dass es von Lipara (Cl. will mit Solin ceteris lesen) liquidiore flamma
tantum differt. S. unten bei iStrongyle. Sil. XIV, 56 : Lipare — — Sulfureum vomit
exeso de vertice fumum. Ar. Mir. 37, wonach das Feuer in Lipara (favfoof xal tf'^oyß^f;,
aber vvxroiQ uovov und 38, wonach Xenophanes sagt, dass es IxlinfTv in hrf ixxaCiftxtt,
TW ^ißdofiip inavfkS-fiv, Derselbe 34 von einer ttgnroii auf Lipara, dg tip iav xqv~
ifffoai x^TQav, ifißctlovtes o av i^^lojaiv, hl^ouatv. Eine wunderbare Geschichte von einem
Ttttfog dort Ar. Mir. 101. Nach Humb. K. IV, 530, n. 50 war der einst thätige Vulcan
entweder der M. Campo bianco oder der M. di Capo castagno. Der Bimstein, woran nach PI.
XXXVI, 154 die Liparen reich sind, findet sich besonders aufLipari. Vgl. Humb. K.
rv, 364 und über diese Insel ttberh. Sm. 261—68, der 268 über die wajmen Bäder von S.
Calogero zwischen dem C. Perciata und C. Vulcanella spricht.
S. 38. Volcano (Höhe 1190', Humb. K. IV, 523)hiess G^gfitaacc nach Str. VI, 2, 10,
der sie sp'iter 'Uga'HffataTov nennt. Jener Name vertreten durch TherasiaPl. III
93; der zweite ist der gewöhnliche, so bei Thuk. III, 88. Diod. V, 7. PL 1. 1. (antea
Therasia, nunc Hiera) . Später erst scheint aufgekommen die Bezeichnung 'H<fa(arov v,
wie Ptol., Vulcania, wie Verg. Aen. VIII, 422 sagt. Nach Str. VI, 2, 10 hat die Insel
3 Vulcane — avanvodg, (og ay fx tqiöSv xQKxi^Qtov, von denen der grösste /liwTqovs aus-
wirft, welche jiQogxextoxnatv r,^ri ttoXv /li^qo^ tov noQov (nach Volcanelio hin?), dann
führt er ans Polybios an, dass nur noch 2 übrig seien, deren grösster einen Umfang von
5 St., an der engsten Stelle einen Durchmesser von 50 Fuss habe und 1 St. vom Meere
entfernt sei. Nach Kallias (fr. 4) bei Schol. Ap. Rh. III, 41 sind es 2 Krater, von denen
einer TQiarddtos rrp^ niQlfietqov ist. Ueber die Verschiedenheit der Flammen und des
Getöses nach den Winden Str. 1. I. Humb. E. I, 455, n. 4 bemerkt: »Ein solcher Zusam-
menhang der Ausbrüche eines kleinen Vulkans mit dem Barometerstande imd der Wind-
richtung (L. V. Buch, Descr. phys. des iles Can. p. 334; Hoffmann in Poggend. Anu.
XXVI, S. 8) wird noch jetzt allgemein anerkannt, so wenig auch nach unserer jetzigen
Kenntniss der vulkanischen Erscheinungen und den so geringen Veränderungen des
Luftdruckes, die unsere Winde begleiten), eine genügende Erklärung gegeben werden
kann^. Vgl. dens. IV, 296. Nach Thuk. III, 88 nimmt man an, dass dort "Hfpaiaro^
XteXxfvH, ort rrjv vmtttt (f-aiviTfu tivq avadiSovaa nolv xni rrfv rifjiiQUv xanvov, Luc. Aetn.
440: Insula dnrat adhuc, Vulcani nomine sacra, Pars tamen incendi major refrixit. Das
Feuer nach Sk. 259 mehrere Stadien sichtbar ; wenn aber M (G. Min. I, 206} dazu be-
merkt, nach Euillias seien es 50 St., so ist dies eine Verwechselung mit der Angabe des
K., dass in\ nevtaxotna arddta axovfff&at tov tj/ov. 500 wird mit Gluv. 506 auch bei
Theophr. ap. Schol. Ap. Rh. IV, für 1000 St. zu lesen sein. Ar. Meteor. II, 8 berich-
tet von einer auf Erdbeben folgenden Anschwellung des Bodens auf Hiera. Vgl. H. K.
I, 453 und IV, 273, wo H. auffallender Weise die Insel eine neuentstandene nennt. — PI.
U, 238 Bociali beUo. Darüber ausführlich Str. VI, 2, 11. — Ueber Hiera auch Paus. X,
II, 4. — Ueber die Entstehung von Volcanelio Gros. IV, 20 zum J. 183 v. Chr. :
in Sicilia tunc Vulcani insula, quae ante non fuerat, repente in mari edita cum miraculo
omnium, usque ad nunc manet. Nach PI. H, 203 entstand eine Insel Ol. 163, 3—126 v. Chr.
in Tusco sinu [vorher sagte er inter Aeolias insulas) . Jul. Obs. berichtet über ein unter
350 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
dem Consulat von M . Aemilius und L. Aurelius — 126 v. Chr. — geschehenes Auf-
sieden des Meeres bei Lipara. Smyth nimmt 259 Panaria» 272 Salina für Thennissa.
Dolomieu Über den grösseren Vulcan der Insel bei St. Non, X, 134. 35. Sm. 269 er-
klärt den Anblick des Kraters von Volcano fUr more süperb and pleasing, than ajOforded
either by Aetna or Vesuvlus. Ebendas. über die Verbindung zwischen Volcano un4 Vol-
canello.
S. 40. ZTQoyyvlti (St. B. — aiog, t<p trjg x^Q^^s ^*«* — ^^^) (Höhe 2775', Humb. K-
IV, 295), nach Str. VI, 2, 11 «no tov axrifitttog benannt, Ivtavd^a %ov Molov olxijaai
(fnatv. Nach dems. ist sie ßia (liv tfloyog Xrniofjiivri^ (^^fyyet cf^ nX^ovägu, wogegen sie
nach PI. ni, 94 a Lipara (Sol. a ceteris] liquidiore tantum flamma differt. Aus Strab.
auch Eust. zu Dion. 461. Vgl. Humb. E. IV, 295. 96, wo die flamma als Schlacken er-
klärt und mit einer Combination der Nachrichten von Strabon und Plinius gesagt wird,
dass denselben bei weniger Hitze {ß((s) eine grössere Reinheit und Leuchtkraft (liqu. fl.) zu-
geschrieben wird. H. K. IV, 530, n. 50 citirt zu Plinius ürlichs, Vindic. Plin. 1853, 1, 39.
Ich kann dieser Erklärung nicht beistimmen. PI. 1. 1. sagt, dass aus dem Rauche dieser
Insel quinam futuri sint venti, in triduum praedicere incolae dicuntur. Luc. Aetn. 435 sag^t
von der Rotunda : sed raro fumat, quin vix, si accenditur, ardet. Ueber Strongyle auch
Paus. X, 11, 3. —Die Verse Od. XII, 67. 68 von den Plankten: ntvaxas t€ vecSy xai
aoifiaTa (fottdiv Kvfiad- äloe (fOQäovffi, nvgoq r oloolo ^vfXXnif 202 (nahe der Charybdis)
xanrov xai fiiytt xvfia Mov xal öovnov äxovaa, und 219, 20 : rovtov ftiv xanvov xal xv/Att-
JOS ^xrop iegye Ntja bezieht H. K. I, 449 auf Stromboli »wenn auch die geographische
Lage minder genau angegeben ist«. — Auf Lipara oder Strongyle geht die Schilderung
des Berges bei Valerius Flaccus Arg. I, 583, wo Akamas und Pyrakmon als Bewohner
derselben genannt werden. Hephaistos genannt bei Schol. Ap. Rh. IV, 41.
S. 40. £v(6fVfios nach Str. VI, 2, 1 1 : ntXay(a fAcihaia xai ^grijLios, mvofiaatai «Tori
fjtiXi(TTa toTg ix Aindgag iU XtxtUav nXiovaiv ivoivv/jiog lattv. ntlayla fiak. kann aller-
dings Panaria kaum genannt werden, aber die andere Bestimmung passt, freilich fidUaxa
abgerechnet. Vgl. Müller zu Str. p. 979 s. Ausgabe, wo gegen Kramer und Meineke, die
(U Am, ix £ixekias lesen wollen, obige Lesart vertheidigt wird. PI. III, 94 nennt die
Insel minima ; das passt für Panaria. Sie hat nach H. K. IV, 560 doleritischen Traehyt.
Vgl Sm. 257—61 .
S. 41. /liivfirit nach Str. VI, 2, 11 dno tov ffxv/^K'^og so genannt. St B — aTog.
Vgl. Sm. 27 1 — 74. Wie Mannert S. 464 trotz des Doppelgipfels von Salina Panaria für
Didyme erklärt, so hat er überhaupt In die ganze Namengebung der äolischen Inseln
Ver^virrung gebracht.
S. 41. *Poivixovaaa }ind^EQi.xovaaa (auch — ovaa) nach Str. VI, 2, 11 dno tt5v
<fvTüip so genannt. Ebenso St. B. s. v. ''Egtxovaa. Ueber Jene auch Ar. Mir. 132. Bei
Ptol. — 0»%; bei Eust. Od. X, 2 "Equx^iirig und <Poivix(i^fig. — Vgl. Sm. 274 — 79;
von der Höhle auf Felicudi 276.
S. 41. *Ixtaiat Ptol. — iawp Eust. z. Od. X, 2, könnte eine der kleineren Inseln
der Panariagruppe bezeichnen; ebenso Heracleotcs im It. Marit. 516 ; was ist dann ab^r
das. 517 Heradea? Dieser Name auch bei Mela II, 7, 18 ; Herculis insula Tab. Peut.
S. 41. Ustica. PI. III, 92 und Ptol. und bei dems. sowie bei Mela II, 7, 18 und
Diod. V, 11 'OauMijg, das nach Plin. a Solunte LXXV m. p. entfernt ist. Vgl. Sm.
279 — 81.
S. 41. Was Aegusalt. Mar. 516 und EgiltaTab. Peut. sind, weiss ich nicht.
Vgl. den Index der Parthey'schen Ausgabe s. v. Aegina.
S. 41. Ptol. hat noch HaxtavU, das Ciuv. 516 für die Isola delle Femmine hält.
Ptol. setzt es aber mehr, nach Lilybaion zu.
S. 41. Aeg.ätes. So nur bei den Römern. Vgl. Mela II, 7, 7, wozu Tzschucke 11,
2, 500 über die Schreibart gehandelt hat ; bei Mela haben die Hdschr. Aegatae. Liv.
Zu Buch I, Kap. 2 u. 3, S. 40-^43. 351
XXI, 10 Aegatis insalas. Sil. VI, 684 nennt sie geminas. Oluver's Meinung (519), es sei
nach Analogie von Cyclades Aegades zu schreiben, widerspricht die Quantität. — Pol.
I, 44 : iv taig xalov/nivaig Aiyovaaig.
S. 41. 'li^d. Ptol. Hieronesos PI. III, 92. Der heutige Name Marittimo kommt
sehcm It. Mar. 492. 93 als Maritima vor. — Vgl. Sm. 244. 45.
S. 41. AXyovaa. Ptol. PI. III, 92: Aetfausa, quam alii Aegnsam scripserunt. Pol.
I, 60 : jffyovaav, — St. B. s. V. AXyovaa, yijaoc Atßvr^g uatit ACßvag Ifyo^vri K^r^ia, wo
Oluv. &18 Kangagta lesen will und an Favignana denkt. Derselbe hftlt auch die Apo-
mana (Hirt. bell. Afr. 2) für FaYignana. -- Vgl. Sm. 245. 46.
S. 41. 4>oqßavrta, Ptol.BucinnaPl. IH, 92. ^t.B. Bovwwa, nolig 2ixEUn^. Nach
Gl. 517 kommt in der vita S. Pontiani eine Insula Buccinna bei Sardinien vor. Nach
Schabring, Motye, S. 50 käme der Name Bucina von der bucina, der Trompeterschnecke
mit soharlachrothem Saft her, die dort gefunden wurde. — Vgl. Sm. 247.
8. 42. Die arae, Verg. Aen. I, 109, werden von Servius so erklärt, dass darunter
mit PomponiuB Sabinus (Ol. 522) die Aegates zu verstehen wären. Nach PI. V, 42
zwischen SicUien und Sardinien, scopuli verius quam insulae.
S. 42. Ileliag. Zon. Ann. VIII, 16. D. 157 nennt sie a low ridge of rocks.
S. 42. KoaaovQa. Str. II, 5, 19. Ders. XVII, 3, 16 nennt eie Kooaovgog und
sagt, dass sie 600 Stad. von Sicilien entfernt sei und einen Umfang von 150 Stad. habe.
Skyl. 111 sagt K6avQo^\ es sei nloiig ri^i^ag fitagnach Lilybaion. PI. III, 92. Ov. Fast.
III, 567 nennt es sterili« Cosyra ; vgl. Faz. I, 1, 1 und Sm. 281'--84.
S. 42. MtXirri, Skyl. 111 (hier zuerst genanntj. Piod. V, 12. Str. VI, 2, 11.
XVII, 3, 16. PI. III, 92. Ov. Fast. IH, 567 : Pertilis est Melite, sterili vicina Cosyrae.
Ptol. giebt eine ;^f pffoVi^iyoc und andere Positionen darauf an. Nach Diod. V, 12 ist M.
von Syrakns 800 Stad. entfernt; nach PI. III, 92 von Camarina 87 m. p., von Lilyb.
113 m. p. — Die 6a6yta erwähnt Diod. V, 12. Später (Gl. 540) wuchs allerdings Baum-
wolle dort Vgl. H. Ürandes, Ueber die antiken Namen und die geogr. Verbreitung der
Baumwolle im Alterthum. 5. Jahresber. der E(5n. Sachs. Ges. d. Wiss. Lpz. 1865.
p. 107, wonach 6^6i'ta »Ctewebe aus verschiedenen Stoffen« sind. — Nach Str. VI, 2, 4
sind von dort die 9tvvi^ut Meltrataf die Andere der Insel Melite an der Illyrischen
Küste zuschreiben.
S. 42. »Die Namensform ravJog geben bei Diod. V, 12 die besseren Handschriften,
bei Str. I, 2, 37; VI, 2, 11; VII, 3, 6 alle Handschriften ; in der dem Hippolytus beige-
ieg^n Chronographie, abgedruckt im Ghron. Pasch. T. II, p. 100, ist der Name Gaudius
geschrieben. Etym. M. p. 543 Gaisf. Xavffog^ Mov.Phön.II, 2, 359, n. 209. Arab. Ghau-
deaefa. Sil. XIV, 274 : Qaulum spectabile. Itin. Mar. 518 hat Malta, Hefesta et Falacron,
wo Gluv. 554 in Hefesta Comino und in Falacron Gozzo sucht.
Drittes Kapitel.
S. 42. Eine Hauptquelle ist für dieses Kap. das Ende des 4. und der Anfang des
5. Buches Diodor's ; s. oben über Diodor.
S. 42. Poseidon , Vater des Trinakros, s. o. S. 329 ; des Siculus Sol. 5, 7 ; des Poly-
phem, der.Laistrygonen, des Erjj., s. u. ; des ^sXtvovg: St. B. s. v. *EX£xii; über die Be-
ziehungen zu Aiolos und Akestes s. u.
S. 43. Kronos. Ueber den guten K. nach Kretischer Sage : Diod. V, 66 ; über den
bösen nach den Ideen der fabelhaften Atlantier : Diod. HI, 61. Vgl. auch J. Lydus de
mens. p. 274 Hase (M lU, 640). — to nalovfuvov Kgopiov- Diod. XV, 16. — Gräber des
K. auf Sicilien. Patr. Tfaur. ap. Am. adv. nat. IV, 25. — Ueber Drepanon Serv. Aen.
lU, 707; Tzetz. z. Lyk. 869. ~ Ueber Zankle Hek. Fr. 43. — Nach Macrob. Sat.I, «
ward vom Binte des Uranos die Fruchtbarkeit Siciliens hergeleitet.
352 Anhang II. Belege nnd EriänterangeD.
3. 43. Ueber den Streit des Hephaistos und der Demeter um SiclHeD Simonidea
oder Timoni des bei Schol. Theokr. I, 63 (MII, 34). Einen '/fi^nffffo^ Afoctoü; ZuMiwrigc
_ „i. . T LyduB de mena. p. 105 [Br. de Pr.].
Ueber Demeter und Köre Diod. V, 2 — 4. Nach Cic. Verr. IV, 48 wären
nnen in Siciilen geboren. Ov. Met. V, 345 ff. Faat. IV, 41öff. Claud. E. Pr.
1. — Von AristoklcB bei Ael. H A XI, 4 werden Sicilien nnd Athen als die
des Demeterkultne genannt, — AU Ort des Raubes wird statt Enna bisweilen
genannt, mit leicht erklärlicher Verwechselung. Vgl. Ebert Sik. 10. — Die
dem SeePergoB, denn so, und nicht Fergnsa, heisst er bei Ov. Met. V, 3SG
B. Pr, IT, 112, wo er allein Torkommt, wird als sehr anmuthig geschildert
143 : bei Kephal. l, 311 ist es °eiD artiges Landscbaftagemiüde* ; bei St. Non.
tin tranriges kahles UfeT' ; D. 302 vergleicht ^den See mit dem Erster eines er-
^ulkans und nennt ihn einen Ort, where reality ig so Badlj at variance witfa
Ceres kommt nach Serv. Aen. HI, 68S auf ihrer Wanderung in Conflict mit
I Pantsgias: hie qnnm Cereri quaerentiifiliam obstreperet, tacere jnesns est
iluntate. — Uel>er die Quelle Kyane D. 359, 60 und nnlen bei Syrakng. Sici-
Insel, die nach Pind. Nem. I, 13. 14 'Olvfinov dtanötas Ztvs Mmxiv •Ptgai-
iselbe sagen Schol. Theokr. XV, 14 ; Schol. Pind, p. 421 B. Diod. V, 2 sagt :
(bC. Zixdlavj auf xatoixoötxif ZtxfUÜTai rrapni^tfaai irnpii rüv JT^oyaymv,
fjijt 14 alüvat naqnitSofiii^i toU hyötiaii, Itgar vTiagxfiv Ttpi v^oop /lif/itiTQOf
' fyiot ii Tay noiijrair fia9i>koyovot xarä tdi' tau üloviiayos xai 'l'ipaiqörit
4tö; ivaxiivmqii rg vvfitfr/ diSöaSiu toirtiv ti\v rljaor. Und etwas später xal rov
aenar nttirij)' neojnjr nvuiai- Vgl. Diod. V, 69 ; XIII, 31 ; XVI, 66. So anch
8. Schol. Pind. p. 429. Wenn ächol. Pind. p. 61 nur Akragas als das Hoch-
!nk nennt , so ist kein Grund , diese Form der Sage ala die ursprünglichere au
. Vergl. hierüber Ebert Sik. p. 11 ff. — Köre, Mutter des Dionysos nach Nonn.
- lasiOD verbr. die Demetermyster. in Sic. nach Euststb. p. 1528 (PaulyjREIV).
Ueber die Pauken nnd Ha dra dos b. n. Kap. 4.
Aetna als Nymphe; 4 -^fr. O'u^avov xal /^; Alk. fr. 2 [H IV, 296); nach
A. ap. Schol. Theoer. I, 64: tov Buiaqua, Iviit tiüi' Kusliöitiav nniiat yffiaSai
tl Miyiiy- Ihr und deaEymaros (Grotef. I, 18 vennuthet: Himera) Sohn iat
!i St. B. 8. V. TVin. — Als Riese Altvac auf einem Vaaenbild der Sammlung
Ann. 1835. S. 103. — Nach Paus. IX, 25, 6 ist ein Aitnaios Sohn des Kablrea
B in BUotien. Preller Gr. M. I, 55 betrachtet Enkelados als eigentlich der
Sageangehörig! vgl. Aen. lU, 577 ff. ; Apollod. 1,6,2.
ZcusAitnaiosB. o. S. 338. Akragas Sohn des Zeus nach St. B, s.v. Wx^Vomc
Aphrodite. Diod. IV, S3. Apollod. I, 9, 25. Mov. II, 2, 322 ff.
Herakles. Diod. IV, 22-24, Apollod. II, 5. Paus, in, 16, 5, wo er, wie ea
I Sonnenbeoher binUberachwimmt. Nach Schol, Od, XH, 235 uWtet er die Skylla-
der Sage vgl, Grotef. I, 10; Mov. II, 2, 109 ff., 113 ff., 312 ff. Hier nimmt M.
;o von Herakles als Eroberer sei Landessagc in Sicilien geweseu. Es ist doch
ahrscheinlich, daes die vou Her. besiegten Heere einer euhemeriatischea Aus-
ir Sage ihre Entstehung verdanken. — Ueber den Campo d'Eroole D. 177 nebet
. V, 411. — Aivxuanis kommt vor anf einer syraku säuischen MUnie I>eiMion-
. I, Sic. No. 523 ; es ist ein nackter schreitender Krieger ; hinter ihm ein Äilar ;
Ftissen ein umgekehrter Widder; TTiJuojtjiKTijc bei Xenagoras (M IV, 226) bei
, 19 bei Gelegenheit der Paliken. — Ueber sonst. Fasaspuren des Her. Panly
.90. Her. undPsophis Paus. VIII, 24,2. — Her. auf dem Aetna verbrannt nach
ic. I, 58. 59. 169 in Annal. 1835. S. 103. — Ueber Her. eine duokle Sl«Ue bei
locr. I, 1J6, in der er mit Tbymbris in Verbindang gebracht wird. ~ Ob der
'xaioc, den nach Hesyeh bei Sopbron tinnaociotriNüc Her. führt, mit Erinnemng
Zu Buch I, Kap. 3, S. 43— 51 . 353
an Hercules als speciell siciKsche Form zu deuten ist? — Motye und Solus in der Hera-
klessage nach St. B. unter diesen Worten.
S. 47. Daidalos, Kokalos und Minos. Diod. IV, 77—80. Philostr. f. 36
(M III, 34) diairrag dg Kafnxov, Ar. Pol. II, 7, 2 von Minos : tHos dk intd-ifievog tJ
£ixM^ Tov ßlov IreUvtfiaiv (xei n€Ql Ka/d,ixov. Paus. VII, 4, 6 nennt Inykon. Agathem.
de mari rubro 7 p. 115. MflU. (M G I) sagt : xnl tov MCvto Sri ttfAr^xavov dvai nagalvaat
tov ßiov, (i /Alf Ti9 avT^ Ciov vJatQ xaraxiat. Herad. de rebusp. XXIX (M II, 220). Bild-
säule in Omphake, Paus. VTH, 46, 2. Der erfolglose Feldzug der Kreter nach Herod.
VII, 170. Ueber die Kreter in lapygien auch Str. VI, 3, 2 und 6. — lieber dem Baal-
Moloch gebrachte Fremdenopfer Mov. I, 408. 9. Vgl. auch Grotef. I, 13; II, 8. 21;
welcher meint, dass diese Sage erst in Folge des Zuges des Doneus ausgebildet sei und
dass man auf den Namen Minoa Nichts zu geben habe. Dieser Name steht aber durch
anderweitige Beziehungen (Makara, Herakleia) gesicherter da, als Gr. meint.
S. 49. Ueber lola OS Diod. IV, 30.
S. 49. Ueber Aristaios Diod. IV, 81. 82. Vgl. Preller, Gr M I, 306. 7. Mov. II,
2, 563 ff. Nach Paus. X, 17, 4 nimmt Ar. den Daidalos aus Kamikos nach Sardinien mit.
S. 49. Ueber Akestes Serv. Aen. I, 550 (Hippotes, Egesta, Egestus, Acestes).
Lyk. 951 ff. und Tzetzes dazu [^Hnvo^aftag) . Dion. Hai. I, 52, wo Laomedon den Tro-
janer, dessen Name nicht genannt ist. In* nitit^ cFi; tivt Xaßtov mit seinem yi^oq a^^tv
anav tödtet, die Töchter aber (nicht genannt) Schiff'im mitgiebt, worauf dann fieigtixiötf
Ti TtSt^ (irnfttviSp mitfährt und die Eine heirathet. Das sind die Eltern des Atyearog.
Femer Verg. Aen. I, 195; V, 36. 73 (Serv.). 711 ff. Al^vXia Schwester des Priamos
ApoUod. fr. b. 3 (M I, 180). Atalla dagegen die Frau des Akestes nach Tzetz. bei Chiv.
317, der wohl nicht Beide für identisch halten durfte.
S. 50. Ueber die Irrfahrten des Odysseus vgl. K. H. W. Völcker, Homerische
Geographie und Völkerkunde. Hannov. 1830. 8.
S. 50. Ueber die Lotophagen Od. IX, 82 ff. In Sicilien gesucht nach Eust. zu
Od. 1. 1.
S. 50. Ueber Polyphemos und die Kyklopen Od. I, 70 und IX, 87 ff. In dem
Euripideischen Satyrdrama Kyklops kommen noch Silen und Satyrn hinzu, die dorthin
verschlagen sind. Ueber Pol. vgl. W. Grimm, Die Sage von Pol. in den Abh. d. Kön.
Akad. d. Wiss. zu Berlin, und den Artikel Polyphem in Pauly's RE V, 1833. Scopuli
tres Cyclopum PI. III, 89. Portus Ulixis PI. lU, 89, vgl. Sm. 134. Verg. Aen. III, 570 :
portus ab accessu ventorum immotus. — Die Cyclopia saxa Verg. Aen. I, 201 bezeichnen
nicht jene scopuli im Meere, sondern entweder das felsige Ufer überhaupt, oder, nach
Anderen, die Felsen, welche geschleudert werden sollten. Auch Sil. XIV, 514 hat
Cyd. saxa. — Schilderung der Inseln St. Non VU, 166—175 und D. 449. 50. ^ Im
Westen Siciliens sucht die Kyklopen Cluv. 523 — 26 , dem die vfjaos Xa^fta mit den alytg
Aigusa ist, und der wegen der Höhle Polyphem's den FazeU'schen Bericht von dem am
Eryx in einem antrum immensum gefundenen Riesenknochen citirt ; sowie Völcker 111.
S. 51. Aiolos Od. X, 1 ff . — Nach Diod. V, 9 stammt der Knidier Pentothlos von
dem Herakliden Hippotes ab, wohl dem von Apollod. II, 8, 6 erwähnten, der bei der
Eroberung des Peloponnes eines Mordes wegen verbannt wurde. Ueber Aiolos u. s. Ge-
schlecht Diod, V, 7. 8, wo der Hippotessohn Aiolos nach den Inseln kommt. Ders. hat
dagegen IV, 67 erzählt, dass der Enkel des Hippotessohnes, Aiolos, der Sohn des Po-
seidon und der Arne, Bruder des Boiotos, die xahovfiivag &n avxov AioMttg vr^aovg
xtixicxs xal noUv ixtiai rijv ovofxa^ofiivfiv an avrov (?) AmnQtxv. V, 7 passt if^v äno
Tovrov Aind^av ovouaa^tlaav viel besser. Nach Diod. V, 8 regiert lokastos in Italiens
Sttdspitze (Grab des lok. in Rhegion : Herakl. XXV) ; Eust. zu Dion. Per. 476 lässt da-
gegen den Poseidon Sicilien zur Insel machen ftir lokastos, wg av l/oi tttvrrjv otxeTv
äatfaXtog. — Pheraimon als Krieger auf Mttnzen von Messana : Mi I, S. 256. No. 394; die-
Holm, Gesch. Siciliens. I. 23
354 Anhang II. Belege osd Erläuterungen.
selben HUnioii enthalten such den Namen PelorUa, die Nymphe dea Vorgebirges be-
sei ebnend.
S. 52. Die LaiBtrygonon Od. X. S'2 ff. Thuk. VI, 2. Lamoa, Sohn dea Poselilou
Gell. KV, 21. Vgl. TzetzeB sn I.yk. 662. 956- Die Verse 84 ff. von dein doppellen Lohn
denten die Schol. so, dsaa wegen der olaiQot ja fiir laant rj q/i^c? lifteo^ai, in Ji i/'il«
tijruxti. Aber die aaili waren anderswo eben so schlimm. VuroRRlI. ä. Verg- Geo
III. 155. — FUr die rUmische Ansioit Hör. Od. III, 16, 34. PI. KI, 59 u. a. Vgl- Panly
REIV, 729.
8- 53. DieSirenen.Vjrel<i>e,o<f.Str.l.2,13. Vgl. ÖT.Met.V.SSSi Cland. EPr.llI.
254. 55, sowie d'Orr. 21». Sollte vielleicht diePelorias der Messan. MUnie eine Sirene sein?
S. 53. SkylUundCbnrybdisOil. Xll, 73 ff. Von der Skylla a^t 8m. lUT:iaa
a sailor, never perceived any difference between the effect of the surges here, and on any
otber shore- Von der Charybdis s, o.
S.54. $p(vRx^i|Od.XIl,I2Tff.,260ff. Auf Siciiien und speciell anf duVorgobii^
vonHylai bezogen von Sobol.Ap- Rh. rv, 965; vgl. Sm. 104; auf Artemision von App. BC
V, 116. PI. II, 98 benteht die ßino similia, welche dort ans Ufer gespUlt Verden, darHuf.
— Qrotef. 1, 4 nimmt ohne Weiteres als bewiesen an, data die Bomeriache Thrinakia Sici-
lien sein milaae, worauf er dann weitere SohlUsse ImDC. Nach Od. XII, 132. 33 sind
•tHU»ovad it ^tt/tneriii xf die WachMrinnen der Köder ; Phylakloa wird genannt von
Schol. Od. Xfl, 301 ; vgl. Philost. fr. 15 (M lU, 31).
S. 54. 'ayuylii gehalten flir Gauloe von Kallimaohos, den Apt^odoroa deswegen
tadelte, nach 8tr. VII, 3, 6 ; vgl. Str. I. 2, 37. Auf Malta gedeutet wegm der Grotte von
Cl. 552; vgl. Huuel IV, pl. 259. Etym. H. p. 543 Gaief. tr ti KaüSiff xkI Jirnlui/>i>i'«
tariv 'AifftoölTtfi icQÖv. Für Clnver erinnert auch das laiö* InMjvfiift/ an die HauptthÜ-
tigkeit,- durch welche die MeliCäer berühmt waren.
S. 54. 'Ynf^riatüT die Gegend von Kamarina gebalten von Did. and Eiist ku Od.
VI, 4 ; Vib. Clav. 2U4 ant Hipparis änvius nb illa Uyperia nomen tr«xi(, aut haec ex
illiiis vocabulo omnis Homero conßcbt est (!},
S. 54, mne rmartttsOd. XXIV, 7. t{ JittUüf Od. XX, 383. Eiw> ^'ixtX^ ye«»S
Od. XXIV, 211. 366. 389. — 'Oen/y/ij Od. XV, 404 wird von Voes. Alte Wdtk. 294
auf die sicilische Insel gedeutet ; da ebendas. 403 £v^ti erwKhnt wird, ao wUrde dies
dann an den Kamen Syrakus erinnern. ~ lieber Odysseus in Sicillen vgl. noch
Paus, VI, ß, 7 und Plut. Marc. 20 (Reim in Engyon mit Widmung von Ulixee).
S. 54. Menelaoa nach Sicilien, nach Lyk. H70, Nireus misaverständliob nach Sici-
lien gebracht, wie nachweist Grotef II, 33.
8. 55. UeberÄeneasVerg. Aen. Ill, 554 ff, V, I ff. Dkm. Hai, I, 51-53, Vgl.
Klausen, Aeneas und die Penaten, und den Art. in Pauly'a RE I, 383 ff. — lieber den
gramineiis campus, quem coUibus undique cnrvis eingebaut silvae (Vei^. Aen. V, 3H( ff.)
und das procul in pelago saxum spnmantia contra Littora (V, 124) vgl, D. 159,
S- 55. lieber die Gründung von Alontion Dion. Hai. I, öl, wo Kiessling un-
nOthige Aendeningen vorgenommen hat
S 55. Anna nach Melite zu Battns nach Ov, Fast, IV, 567,
S, 55. Ueber Orestes in Sicilien vgl, Sohneidewin, Dian» Phacelitis et Orestes ap
Kheginos et Siculos. Gott. 1832. H., bes. p. 16 ff. ProbuB zu Verg Bnc, U, 348 L. (Sehn
p. 9J Mgt : Elutua trajeoit in Slciliam et juxta Syracosas simulacrum Deae tempto posito
conBecravit, quLm appellavit Fascelitim, quod fasoe lignorum tecCum de Taurica sinia~
lacruie extulisset, Syrakus ist natürlich falsch. 8, oben 8, 345 über den FIuss Facelinns.
Vgl. auch nfpl roC noß xal näs cii^i»ri la ßavxolixa vor den Ausgaben Theokrit's, wo-
nach Orestes «t; TutSa^CSa i^r ZixiUaf -ikaiy. Endlich Serv. praef. Verg. Bsc. p, 95
(Schneid, p. 17), wonach Orestes vom Sturme nach Sicilien verschlagen wurde,
S. 55, Ueber die Argonauten vgl. PBulyR£I,2, 1526 ff. Für uns Ut es hier
Za Buch I, Kttp. 3, S. 53-ST. 355
von keioer Bedeutung, dase wahrscheinlich manche der Abenteuer dcB Odysseiis deDen
der Ai^naiiten nachgebildet sind (1.1. p. 1527). — Aphrodite rettet Butee nach Lilybaion
Ap Rh. Arg. IV, 915. Apollod. I, il, 25, J. Bei St. B. a. v.''F.qv( hßiBüt %i Bünis. — Die
nlaymal nttpai, zwischen denen die Argo nnbeBchädigt hindurchkam, tv ifj nogSfii^
tiair, üf Tiftaioi (tr. 5| xal aciatargatog ö Aina^alot DRch Schol. Ap. Rh- IV, 78G.
S. 56. Orion sufSicilienDiod. IV, Sä Nach Od. V. 123 wird er /»- 'Oeii/j-Cu von
der Artemis getödtet, wo Voss A W 294 anoh an das sicilische denkt.
S. 50. Ueber die Sagen von der Peloris und dem FacbynOBB. o.
ä. S6. Anf dem Lilybaion das Grab der KumSlsohen Sibylle nach Sol. V, 7. Isid.
Or. Vlli, H (der wie Sol. II, 17 nur in Sicilia sagt). Vgl. Honel I, 20; U. 1»U Suidas
kennt auch eine Sibylla Sicnia, d'Orv. 58.'
S- 5«. Ueber die Arethnsa B. u. >lhr Kopf findet sieb auf Münzen von Syrakiis;
nicht ToUkommen gesichert Ist die Authentioität eines OemSIdes der von AlpheioB ver-
folgten Aretbnsa. Hon. d. Inst. III, 9. BaU. 1853 p. 22.« H B in Pnuly R E I, 2, 15(iT.
S. 56. Ueber Polypfaemosnnd Oalateia vgl. 0. Jahn, Arohiiul. Beitr. S. 411 ff.
u. W. Heibig, Pol. und Oal. in Symb. philoL Bonnens. in hon. F. Ritschelii tasc. I,
welche Beide die vorhandenen bildlichen Darttellungen der Sage besprechen. Die ünd-
!nai« Toü 'ixiov ciduiJ.lev Theokrlt'a sagt : zlov^(g ipnatr iTtö r^i' tüv »pr/i/taTuir noiii-
JtXii»lay xal roS yäXaxTef ItSpüitaaltai Itgir tv AXtvi^ rp Falaislif '/•iXcSfror iW rör
Kir9tiiiior iitiiijfi^aarTa xai fiij iimäftirov iTiitio^aai rijv ttlrtat ävanXäaat, äti ffaXv-
iftiftoi; qpa raXajdat. Uebrigens war Oal. eine Nereide, Tochter des Nereus noil der
Doris. He». Theog- 251. Hom. II. XVIII, 45 Vgl. femer Theoor. Id. XI 1 Mosch, UI, 58;
Kallim. epigr. 49; Ov. Met. XIU, 75U ff.; Sil. XIV, 222:Lnoian. dial. mar. 1. Weniger
abgeneigt dem Polypbem ersch^nt Oal. im sechsten Idyll Theokrlfs. Andere Sporen
dieser Version der Sage finden sich bei Prop. IV (III|, 2, 5 ; Nonn. VI, 3i)0 ; XIV, 61 und
üfter; Mic. Bugen. VI, 500 (Erot. scr. ed. Hercher II, 516|. Mach App lUyr. p. 757
baben sie sogar S SOhne gezeugt : Keltoa, lllyrios und Galas.
S. 56. Ueber Daphnii vgl. D, J, van Lennep, de Daphnide Theoer. et allomm in
Comm. Inst. Belg. Ül. UI. T. li. Amet 1820. p. 157 aqq , eingehende Würdigung der
Uauptstetlen. Diese sind Tim. (fr. 4] bei Parth, Brot. c. 29 ; hier lebt D. ßovxoliSv xati
iq» AlTfifv nnd die Nymphe heisst '£j^*™it ; Diod. VI, »4 etwaa ansfllhrlicher, wo D. in
den HerSiachen Bergen geboren ist, nnd die Nymphe /^{a twv v. belast. Ael. V U X, 1H
fUgt hinzu, das« er nach Binigen t^t^/ui-ot 'E^futC und die von ihm gehüteten Rinder die
äJtiqmi gewesen seien rdv 'HXlov. Ferner Sohel. Theoer VII und VIII , bes. 92 , wo-
nach er blind vom Felsen stilrat, Fhilarg, ad Verg. Ecl. V, 20, wo die Nymphe Lyca
heisflt und D. seine Blindheit nicbt lange Überlebt; Seiv. Verg. Ecl. V, 20, wo D. seinen
Vftter Merour tu HQlfe ruft, der ihn in den Himmel erhebt etc. ; Serv. Verg. Ecl. Vllt, 6S,
wo Bwei Traditionen von D. gegsl>en werden. Nach der einen beisBt die Nymphe Nomia
und D. wird xnerst geblendet, dann in einen Stein verwandelt, nam apnd Oephaloedi-
tauum oppidam saxnm dioitui aase, quod formnm bominis ostendat, nach der andern
iteiue Schicksale in Fbrygfen ; sie waren behandelt im Satyrepiel dnifivtf ^ jtiiviQOus
deaSositheoB aus Athen, Syrakua oder Alexandria, der um Ol. 130 lebte, vgl. Lennep
p. 167. Deshalb heisM Di^bnii Ov. Met. IV, 2T6 idaens nnd nach Verg. Eol. V, 29 ist
er Bogar zum Bakehanten geworden , der cnrru snbjnngere tigres instmit , — thiasos
indncere Bacohi et foliis lentat intezere mollibus hast». Ael. H. An. XI, 13 giebt die
Namen der Hunde des Di^thnis (eG ^updxaafetr: Zävyof, IJöJnpyof, Aa/tnät, "Alxifiot.
S. 57. Ein r ex SymaethoB, nach dem der FInss benannt ist, Serv. Aen IX, 564.
S, 57. Man vergl. endlich Nonn. Dion. XIII , ;j09 ff. , wo aus Sicilien 'Axar^i zu
Bak eh OB kommt, woKatana denSlrenen, den Kindern de« Acheloos und der Terpslchoro,
nahe ist, wo"r(Jiiis If^av aatv erwähnt wird etc
Anhang Ü. Belege und £rUiuterDiig6n.
Viertes Kapitel.
S. 57. Ueber die in Siciliengefiindenen angeblichen Biesengebeine Faz, I, 1.6;
Clav. 14. 15; dOrv. cap. VIII, wo FaieU »asfUhrlicb widerlegt wird, and Q. Alewi,
Sülle oBsa foBsili, ritrovate in ogni tempo in Sicilia, in den Atti dell' Acad. Gioen. VII,
199—242; wonach die Zilhne HippopotamoBzäbne, die Knochen ausaerdem noch Elephan-
ten- und Mammuthsknochen Bind. Eine grosse Grotta de' Giganti ist bei Palermo am
Hte. Grifone (D. 100), eine andere Enochenhilhle ist die 1S&9 am Hte. San Pniello
östlich TDQ Caronia entdeckte Grotta San Teodoro, von der D. 269 sagt : It contalDS pro-
digious quantitiee of foBsil bones of various animals, ohieSy of Carnivora — tbe dag.
wolf, hyaena, bear and cat tribe — togetber with eome of the elephant, hippc^lamus,
wild boar , ax , horee , porcnpine etc. ; in fact , it may be said that »we bare recovered in
this cave an entfre fossil Sioilian &uaa>i. Hiied with these remains are Dumerons
implementa of flint made by man. Diese aus Stein gearbeiteben Geräthe sind
also die iilteaten Spuren menschlicher Thädgkeit in SiolUen. Es wäre merkwürdig,
wenn sie wirklich der Zeit angehörten. daElephanten nnd Nilpferde auf der Ineel lebten.
Ebenso interessant ist die Grotta di Maccagnone bei Carini, wo gemischt mit fossilen
Knochen sich ^ieces of cbarcoal, and great quantities of flint aod agat« knives undonbt-
edly the work of art« finden (D. 164). — Vgl. Fr. Anca. Faleoetnologia Sicula. Pal.
1868, sowie von demselben Note sur deaz nouv. grottes ossiföres däconv. en Sicile ISäit
(ttber die Grotten bei Palermo und S. Fratello;, und G. G. Gemmellaro, SulU grotta di
Carbnranceli (bei Carini). Pal. 1B66. 4.
S. 57. Die Hauptstellen Über die älteste Geschichte Sidlima sind t>ei Thok. VI,
1 fif. ; Diod. V. 2 ff. ; Str. VI, 2, 4; Dion. Hai. I. 22.
S. 57. Iberer. Str. VI, 2, i-.'lßtieit.oviuiQji^tiTovctpvoiytävfiaffiifBiy'E^tofof
iiyta»m iqe ZixtXiat otxuttät. Die Zixanol sind ei>en vorher genannt, Ps. Sk. 266 — bb
scheint unter den nJ^^i) '//{q^uii die Sikaner, welche er nicht namentlich anfuhrt, viel-
leicht auch die Sikeler, zu verstehen. Vgl. W. v. Humboldt, lieber die Ur«nwohner
Hispaniens. Berl. 1821. 4 und in seinen Ges. Werken U. Bd. Berl. 1S4]. 8. Nach fl.
erinnert namentlich der Name Hurgantia in Stamm und Endung an Spanien; vgl.
Abechn. 17 und 32 des Werkes. Uan kann noch Alaba (Alba, Alabon) binznftlgen; vgl.
Humb. AtMchn. 17. Ueber die Frage, ob diese Iberer die Sikaner waren, spricht Hnmb.
Abschn. 45. Manche haben, seit Valgnamera, an das asiatiaohe Volk der Iberer ge~
dacht; so noch Aleasi, Storia crit. di Sic. I, 366. wo Andere citirt werden. Vgl. Uumb.
S- 195 der Ausg. von 1841.
S. 5S. Sikaner. Vom König oder Heros Ztnariq: Dem. Cai. ap. Schol. Theoer.
1, «4; Sol. V, T; Mart. Cap. lU; Isid. Or. XIV. Sie sind AntochthoQeo, ü, aüiM'
if-aaiv, Thok. VI, 2, und nach Tim. (fr. 2) bei DIod. V, 6, dem dieser folgt, nolXäi aitov
(sc. Tim.) ipigorros anodiliuf. Nach Diod. V, 2 sagen BS ol yofn/intotiu tüv auyy^-
tflm.' —Iberer nach Thok. VI, 2; PhU. (fr. 3j bei Diod. V, 6, wozu Grote II, 374,
D. I bemerkt: 'Die Meinung des Phil, ist in diesem Punkt von grossem Wertha, weil er
die Itterischen Uiethstnippen im Dienste des älteren Dionysios persttnlich kannte oder
doch gekannt haben konnte«. Femer Dion. Hai. I, 22; Sil. XIV. 36; Sol. V, 7. Nach
Thuk. I. 1. äni ToS ^ixavaC notttfiov Tov Ir 'lftiigl<f inö Aiyvoif ävaaiät^fs, nach Phil.
I. 1. äno jitat Zixuveü norufiov tat 'Ißinfiar SvTos- Hier ist erstens an bemerken , dass
bei dieser Ueberelostimmung der beiden Schriftsteller die Annahme nahe liegt, dass
PhilistOB seine später zu erwähnende Meinung, die Sikeler seien Ligurer gewesen,
eigentli^l; nur daher nahm , dass nach Thuk. die Vertreiber der Sikaner Ligurer waieu.
Dies scheint auch Grotefend, Znr Qeogr. u. Gesch. von Alt-ItiOien I. Kann. 1840. S. 21
anzudeaten. Zweitens ist nicht zu Uhorsehen das Uabestimmt werden des Sikanosflusses
Za Buch I, Kap. 4, 8. 57—59. 357
(Thuk. tov, Phil, ripog), was eben nicht für seine Existenz spricht. St. B. s. v. /^lyp«»
yijs *IßnQiag, ^c 6 Zixavog ifwafxog. ol oix^roQCg /ItiQdtot, und 8. V. 2*»x«vi7, noXiq 'Ißr^gittg,
ds *Exatalog EvQWjrrf. to f&vtxbv ^txapiog. — Statt des Sicanus Sicoris genannt von
Serv. Aen. VIII, 328. — Dass die Sikaner Iberer aus Hispanien gewesen seien, hat
Fischer ant. Agrig. bist, prooem. Berol. 1837 p. 13 ff. aus den Höhlenwohnungen Sici-
Kens geschlossen, und Siefert, Akragas S. 55 ist ihm hierin gefolgt. Doch finde ich solche
Höhlenwohnungen wohl von Sardinien (Diod. V, 15) und von den Balearen (Diod. V, 17)
berichtet, aber nicht von Hispanien , so dass der Beweis keine Kraft hat. — Mit Gallien
in Verbindung gebracht von Grotefend, der 11, 5 sagt : »Wie der Name der Ligyer oder
Ligurer den Liger oder die Loire in Gallien als deren ältesten Wohnsitz , wenigstens um
die Quelle derselben , bezeichnet , so weiset der Name der Sikaner auf die Sequaner am
Ursprünge der Sequana oder Seine hin.« Und S. 6 : »Sollten sich gar die Namen Sicanus
und Siculus zu einander verhalten , wie Romanus und Romuius , so dass sie nur einerlei
Volksstamm , wenngleich verschiedene Zweige desselben bezeichneten , so lässt sich ihr
gallischer Ursprung noch weniger verkennen.« Vergl. dions. IV, 5. Ebenso u. A. Kie-
pert, Erläut. zum Schulatlas, S. 33. Grotef. II, 5. 6 glaubt in dem Namen des Sikaner-
königs Ktixalog, den Hesych. als tlSoe aXiXTQvovog erklärt, ein gallisches Wort zu
erkennen. Man hätte auch den Namen des Sikanerkönigs Tiortig bei Polyaen. V, t als
gallisch in Anspruch nehmen können. — SikanerinItalien, aus welchem Lande sie
nach Paus. V, 25, 6 nach Sicilien gekommen sind. Bei Vergil Ureinwohner Latiums : Aen.
VII, 795 ; Vni, 328 ; XI, 317. Nach Serv. zu Aen. VIII, 328 waren sie duce Siculo nach
Italien gekommen. Vgl. Plin. III, 69 ; Gell. I, 10 : Auruncorum aut Sicanorum aut Pe-
lasgorum, qui primi coluisse Italiam dicuntur ; Macr. I, 5 ; Sil. VIII, 358 ; nach Sol. II, 8
Ureinwohner von Tibur; SixeXixop daselbst D H I, 16. Femer waren nach Jo. Lydus de
mag. prooem. die Ureinwohner Etruriens ein €&i'os 2txav6v. — Die nahe Verwandt-
schaft zwischen Sikanern und Sikelern auch in Bezug auf den Namen an-
genommen von Bochart, Chanaan I, cap. 30, p. 623 ; Schlegel, Rec. von Niebuhr's R G.
Heidelb. Jahrb. 1816; Wachsmuth R G S. 75; Grotefend; Kiepert u. A. Vgl. auch
J. Rubino, Beitr, z. Vorgesch. Italiens, S. 124, n. 158.
S. 59. Weichen der Sikaner nach Westen, vor den Ausbrüchen des Aetna
nach Diod. V, 6; vor den.Sikelem Thuk. VI, 2 : ofxovai ik hi xal vvp ta nQog kaniQav
rrig ^^ixikiag, und nachher: Die Sikeler an^areiXav t. 2ix. nf}6g ta fiiatifißqivä xal lan^-
Qia aiftrjg, was nicht richtig wäre, wenn nicht etwa dem Thuk. wi^ dem Ptol. das Lily-
baion das südlichste Vorgebirge der Insel ist. Nach Dion. Hai. I, 22 : ^aav 6k ov noXXoi
Iv fdtyfcXrf avT^ (Sicilien) ofxijroQtg (die Sikaner), aAA' ^ nXtttov trjg ;[tSQag hi rfv iQrjfiog.
S. 59. KttfÄ ixog, St. B. h. V. noXtg £ixsXiag, iv tj KoIxaXo^ VQX^'" ^ ^(tMXov {-—ov
^fvfatig }ieiu.) 6 noXftijg KufiUiog xnl ^tiX. Femer St. B. S. v. Alfiovia, Ka/Jtxbg xal 6
xnarrig xal ff vfjaog^ WOZU Mein, bemerkt : hoc de urbe mari vicina dixit; ol Kafxixol bei
Str. VI, 2, 6. KeifAixog Herod. VII, 170 und sonst. Ueber die Frage der Identität mit
Akragas vgl. bes. Fischer ant. bist. Agr. prooem. £xc. III, p. 47—50. Die beweisenden
Stellen sind : Duris (fr. 46) bei St. B. s. v. lixgdyavug; Schol. Pind. Pyth. VI, 4 ; Diod.
XXin, 9 (Hoesch); Str. VI, 2, 6. St. B. Zixavia, ^ ncQ^x^^gog lixQayavUytav. Die Iden-
tität von K. und Akr. zuerst aufgestellt bei Pancrazi (Ant. Sic. 1 , 2 , 1 , p. 4 — 24) , dem
Houel, Bartels, Mannert, Erfurdt (de mon. Agr. Putbus 1839, p. 18), Serra di Falco,
Cavallari (z. Top. von Syr,, S. 5), Raoul-Rochette, Joum. des Sav. 1838, S. 226, folgen.
Letzterer nimmt ein doppeltes K. an, eine Ansicht, welche Bochart p. 612 auch Cluver
zuschreibt, jedoch mit Unrecht (vgl. Gl. 272). Die Identität wird besonders angenommen
wegen Diod. IV, 78. — Vgl. Holm, Beiträge, S. 23 und 38. — Nach Cluv. 272 Siculiana.
Schilderung der Lage dieser Stadt und ihres Schlosses bei Sm. 214. 15. Buss. 165. 66.
D. 193. Schubring's Ansicht ist entwickelt in seiner Abhandlung: Sicllische Studien.
Kamikos — Triokala — Caltabellotta , in der Zeitschrift der Ges. für Erdkunde, Bd. I,
AohaDg II Belege und Erlüutenmgeii
Den Ort La Calat« achildetn Paz. 263 und Amitri, Storis d. Noa di Sic
fvKov. Chor, bei St. B. e. V. Xr^ijcdV und s. V ."/vcMOF. Pana.Vll.i,^: h
iv noliv. Herod. VI, 33. 24 sagt ^'ivi'xas. HaBych. Vib. hmt : Hypea BecuD-
rbem HispAnlfto, wo Clnv. 283 emendlrt : Inycon nnd Sicaniae. Er denkt
Selinuntieohen Hypsas. Eben so gut könnt« man an den skragantiDiBchen
kwilrdig ist, dasa der Berg nUrdlicb von Segesta jetit Mto. Inloi hei&st.
jdoteiscben Stelle kann man BchlieHsen i 1) dasa I. in der Nähe von G«ls
ipokrates von Gela seinen Gefangenen nach Inykon schickt; 2) dass es un-
ag, weil der Gefangene aus In. nach Himera entflieht Paz. 131 suchte In
Hafen Kaukana. — Nach Plat. Hipp. maj. 282. 283 (darana Philostr. Hipp,
lykon noch iu 5. Jahrh. vor Chr. blühend.
■xxKQa. Thuk. VI, 62; uhUafia Zixnvixöv. Tim. [fr- 107) bei Ath, VII,
ttvftrpral tftjtli tÖ TtoXlxyov <fiä rö Toi'; Tigtiiouf iwv ärSpäTtwv lifföi'iRf /n't
■v{ tvnciv rou« xH^v/ttnavt vxai, xai tovious iyxvovs [welche Beziehung hat
oltayiaa(ti*ous''ytiia\jov 6vofiäaai ih x'oqIi"'- Bei Ath. XIII, 589 bat Nym-
xäimr. Bei St. B. S. V. "Yxkqov tfQovpiov 2ixeX(a( wird Apollodor chron. II
"rxa(>n eine Stadt nenne. EInw. 'Y>H[en.'f . Adj. 'Yznpiia'i:. — Ueber die
2, wo er sagt, daas der ürt auch Muriu Carlnis hetase. Hierauf hat Maonert
Dwnrf gegründet , über deaaen Werth vgl. Holm , Beitr. S. 9. — Laia ans
li St. B. 8. V. 'Vk. und EüxoQTila, waa nach Berkel nur anB''Vi[a^n verdor-
D- loa. 64.
fftifäxti. Paua. VIII, 46, 2, IX, 40, 4. Phil. IV bei 8t. B. h. v. (— nr«|
lach deaaen Annahme t>ei Diod. IV, 78 tv i^ Kafia^ bedeuten wilrde apud
ach Hannert 3l>2 würe O. identiach mit dorn Daedalium doa It, Ant. —
bedeutet: unreife Traube. Sprichwort; SixtXäf öfiifaxiiuai. Zenob. &, 84
viÜQa. St. B. h. V. 1. fehlt, wie Inykon in den Verzeichniasen Ikm Fisclier
ttnatöi. Alles hierüber enthältst. B. h. v. nöUs ZixfUtts r(tiv2ijtav(ü>-etc,
it, das« nach Neanthea Lais aoa Kraatos war i— fva^, — fi^), femer Suid.
tot- Bei Herodot V, 45 wird aeit Weaseliog KqS»iv statt Kgäaiiv gelesen,
!lnv. 485 an die sicitiache Stadt dachte.
yi^aaa. Polyaen. V, 1,4, der es eüäittfioytaräTii xal fitylajii ^ixnrvr
Boch. tjlZ hüt aa ftlr identiach mit Erbeaaoe , wovon der Name eine Ab-
). Ortel vermnthete Ineasa, Roth Sinuesaa.
liaxtfa 7toli( ^ixnrltc^. Sfänofinoi TfOaeqttx. Sivt. 'hiX. [ — ivg] St. B
nmt Identität mit Makara an.
riixt I». Bei Thuk. VII, 32 schickt Nikias tg läv Xailäv roh ri,r Jioii»-
tflai tvfifiäxovs, Ktvt6Qtnäg ii xal 'Jlixoalovf xal Slkovs etc. St. B. s. v,
IC Sixeltos. ßtÖTiofinot. fiuuiv xfifid-jj 'Evtfkljii xal yfilvßBlov ( — itim,
tS8 will statt 'Jhx«iteoi-i bei Thuk. 'AyvQivalovi lesen. MUglich wäre alloi-
die Selinuntier durch ein Stttck HalikyBieclien Gebietea hätten ziehen
b kann aich auch Thuk. oder ein Abschreiber in dem Namen getäuscht
«ge von Hai. im Westen beweiseu auch Diod. XIV, 55; XXII, lU;XXUi. >
e Identität der Namen Halikyae und Solemi behauptet Cluver 470. Tl. Fax.
I aus dem Arabiachen als locus dellciarum. Amari St. d. Haa. U, 164, n 2
iB des Arab. senem, Idol, Statue. Nach Edrisi [Am. Bibl. arabO'Sic.
er Ort zu seiner Zeit Senem. lieber die Lage von SaLemi Buaa. 130. D. lt>6.
lie Topogr- der Stadt Selinna , Gütt. Ges. d. Wiss. IgDä. S. 22. Ebenda^
zwei in der Nühe von Salemi -auf QneUhtthon gelegene« andke Pcstungea
e eine auf dem Berge Sette soldi 4 Mill. gegen NO. von Salemi, und die an-
Zu Buch I, Kap. 4, S. 60—62. 359
dere auf dem Berg Boccarta, 3 M. gegen W. von Salemi«. Vgl. über Salemi F. S. Ba-
viera, Hemor. istoriche su la citta di Salemi. Pal. 1B46. 8.
S. 61. Yaif ift. St. B. h. y. nolsg £txelCas, ^Piliarog 2!iit. ^tvr. ( — Tvog) und 8. v.
^Jereci ipQouQiov £ixfUas. O^lvxäg. ^PiX&arog Ixt^ ( — ttiog, — ttfa) Vitirfro» bei Diod.
XXII, 10 (Hoesch.), wo die Stadt oxvQorriTt Jia<()^QovO€t xal xaiit tov llnvoQfAov xttl6$q
xufU^fl genannt wird. Celsus letas Sil. XIV, 271. letensos Plin. III, 91. letini Cic.
Verr. III, 43 nach Graevins. Die Handscbr. haben Letini. Zumpt sagt : nulli sunt Le-
tini ; aber jetzt wird bei Ptol. statt dos früheren Aifyov gelesen Aiixov , also kann Letini
bleiben. Schilderung der Lage von Jato Faz. 265 : in editlssimo et undique praerupto
monte. Franz C I 5519 setzt letae fälschlich nach Aloamo. Vgl. auch Amari St. d. M.
III, 159.
S. 61. -Z';r«e«- Ptol. Scherini Plin. III, 91. Bei Cic. Verr. III, 43 wird Acherini
von Ciuv. und Zumpt in Scherini verbessert. £. Kuhn , Verfass. des röm. Reichs. Lpz.
1S65. II, 61 bringt die Acherini mit *A%>%Qiva zusammen (s. u. AyxvQat)\ Pauly, R £ 1,
81 verweist auf Achetum Sil. XIV, 269, was aber ein Flussname zu sein scheint. Vgl.
Ciuv. 471. Nach Houel I, 40 glaubte man auf einem Berge 2 Mill. von Corleone Schera
gefunden zu haben ; Houel sah aber fast Nichts.
S. 61. TQi6xttla. Diod. XXXVI, 7 (Phot.), so genannt Sik to tQia xcclrt fx^ir.
St. B.s. V. TQixalw xal TgUalfc, noXtg 2iXfXäv, *i>(hatog (- 7»'0ff, —/vi?). Cic Verr. V, 6
in Triocalino. PI. III, 91 Triocalini. Sil. XIV, 270 Triocala. Faz. 266 : in loco ubi hodie
aedis est S. Mariae a monte Virgineo. Insignis reddita nrbs victoria, quam Rogerius
comes contra Saracenos in eo loco (?wann?) adeptus est; in cigus memoriam ibidem
D. Oeorgio aedom sacram a Triocala cognominatam struxit. Urbs ipsa prorsus jacet,
vestigiis tantum ingentibus obrutis et nomine cognita. Das nahe Städtchen Villafranca
nennt derselbe vino nobile. Vgl. D. 244 und besonders Schubring, Kamikos u. s. w.
S. 154 ff.
S. 62. 2xiQ&aiu. Diod. XXXVI, 8 (Phot). Ciuv. 464. Faz. 266 nennt Acristia :
in rupibns editis desertnm oppidnm. D. 191. Schubring, Kamikos 157. 158.
S. 62. *Jyxv^ai. Diod. XIV, 48: £txavoi fih namg nQoaexo^ifV^^v roTg 2v(ia-
xovaioig, rmv (f aHtov noleotv nivtk fiovov — avjat. cT w^aav AyxvQai etc., WO Dind. jetzt
^AXtxvttt liest. Ptol. hKtjiyxQlvUy was die neuesten Herausg. ohne Noth — denn, wie be-
reits Ciuv. 461 bemerkt hat, entstanden aus ^AyvQiov, Afivai, AyxvQai die Formen Ayv-
Qtv«, M^piircCf AyxuQtva — in AyxvQai geändert haben. Ob bei St. B. *AyxvQtw nolig
'itaXiag hierher gehm? Diod. XXXVI, 3 (Phot.) hsktAyxvXiofvx^ff^f wo Dind. ^^^^r-
xvnimv vermuthet. Die Inciiienses bei Cic. Verr. III, 43 sind von Zumpt nach besseren
Hdschr. ganz weggelassen. — Die Lage Cl. 461 nach Faz. 263. Nach Parthey wäre
Ancyrae das heutige Vicari ; Ancrina dagegen läge , wohin Cl. Ancyrae setzt ; ebenso
Pauly R E I, 976. 77.
S. 62. ^E{tßrjaa6g, Pol. I, 18: üg ^EQßiiaaov (auch — lyaoV) und rtSv — /wv noXiv.
Diod. XX, 31 : "EQßfiaaog, XXIII, 8 (Hoesch.) : iov^'EQßriaov. lieber die Schreibart vgl.
Hultsch in N. Jahrb. 1867. Bd. 95. S. 309, der die zwei Städte nicht trennt. H. legt auf
das h bei den ROmem Gewicht. Vgl. unten. — Cl. 455. 56, nach Faz. 262. Da Erb.
Nichts mit eQtßog und dies Nichts mit Grotten zu thun hat, so fehlt der Fazell'schen Hy-
pothese die Stutze, lieber Le Grotte D. 298. I^auly R E III, 1150 verwechselt die
beiden Erbessos.
S. 62. lieber Nisa s. Franz C I 5747. Man sieht nicht, ob die Inschriften noch
existiren oder nicht.
S. 62. Wenn MoQywn noXig 2:tx(X<iSp St. B. mit Cl. 472 für Margana südlich von
Vicari am Terminifluss zu halten wäre , so wäre es auch wohl sikanisch gewesen ; ebenso
'innKvtt. Pol. I, 24 ^nl noXtv 'Inntivur schlecht citirt von St. B. s. v. "inapa ; identisch ist
nachCl. 4$6^iTrai'«, Diod. XXIII, 9 (Hoesch.). — Sikanis che Ortschaften können
3Q0 Anhang ü. Bel«^ and Erlttuterungen.
ferner gelegen baben, wo RuEoen bemerkbar BiDd; bei Naro Jacob 119; D. 300; bei
"'"■ Jacob 94. Hierüber b. unten.
Die HimeraflUase als Grenze den Sikelern gegenüber angenommen von
wen nUrdllcher Himera freilich der Tennini ist. Efimpfe der Gründer Gela's
anem: Artemon Iwi Schol. Find. Ol. II, 16, vgl. Ompbi^e.
Ueber die Lebensweise derSikanerDiod. V, 6; sie wohnen xo>fm>öv.
fonätair iMifmr tat nöi.n( »aiaaxHiä(ovTC( Sui TOilt Igaiäc T^ jfaip«*' ft^o-
Hommaen ROI ( 1 } 27. Anders erkl^ Schubring, Kamiko« 139. — Ihr
&.phrodite:Diod. IV, 83.
S.xilot. Siculi. Hellan. ;fr. 53) beiDHI, 22. Antiocb. (fr. 1. 3. 7} bei
1,12; V, 73. Thuk, VI, 2. Phil. (fr. 2) bei D H I, 23, Ueber Pbil. wahr-
Benutzuog des Tbukfdidea s. o. D H I, 22, der viel ttber die Sikeler zusam-
hat , lüBst sie inrö tt ntkaayät- Kn\ ' Aßofiiylvaiii vortrieben werden nnd ngm-
: tairif(oi( fil^foir von Sicilien wohnen. Schwegler R G I, 211 stimmt
egel bei, dass das Vordringen der Etrasker den Portzng der Sikeler verAn-
- Die Sik. als Ureinwohner von Latium. Vgl. bes. D H I, und
RGI. 202 ff. Sie bewohnten Born , Ariels, Gsbii, Tibur, Crustumerinm,
üiteninae , Faleiii , FeBcenninm , Lavininm — nach D H 1, 9. Varro L L V,
orti Siculi). Serv. Aen. XI, 317, wo Sicall, und VII, 795, wo Sicani genannt
Aflins Hemina bei 8ol. II, 10;DHI, ie;CuB. Hern, bei Serv. Aen. Vn, 631;
; 1, 21. Serv. Aen. I, 2. — Sikelisohe mit dem Rfimiachen ver-
Lusdrilcke. Die Sicilischen Griechen nannten einen Hasen Itno^iv nach
,101; eine Schüssel xaiirovoAchdemi. V, 120. St. B. s. v. /Vin sagt: — ö cfj
I itolXiiv näx'tly yfrv^■ taiixtjr yop ig 'Oitimv ifwyg xal Xmikth ytlav
)er seit Cluv. 33 (Jfteni aus äen Worten des achten Platonischen Briefes (353);
jTf^i «Sf lixöiiov y{)fjijttl i( xn\ äijtuxiiar , ajrtäöv it; ((itifiliiv lifi'Eklijvitiiif
IIa Jiäaa, •Poii'ixaiv tj'OJiiXiÖy fifToßniovaa itf jiva iwaaTtlav tttti TCQaros
Bne Beweis ist nicht ganz zwingend, da in der Mitte des 4. Jahrh. viele
-oekische Söldner in Sicilien waren, und Piaton diese mit den Opikem meint,
waren sie dadurch um so gefährlicher, dass sie sich leicht mit den stamm-
. Sikelern verständigen konnten. — Nach Ligurien weist ausser Philistos
V, 37 noch hin St, B. e. v. ZixfUa (wenn das nicht blos aus Philistos genom-
ir ii v^anaiär ol /tiv ISitytriU Tiiiiai A(yuis fi 'iTniJa; £ixiia\ l'yoyxai.
m a. v. Sacrani p. 321 H, haben diese ex Septimontio Ligures Siculosqae
Nach Schol. Serv. Aen. XI, 317 werden dagegen die Sicani oder Siculi von
n ans Rom vertrieben, diese von den Sacrani, die Ssor. von den Aborigines.
i auch die Ligarer wahrscheinlich den ROroem verwandter als den Gelten. —
togata Sassen nach PI. III, 112 Siculi et Libumi, noch vor den Dmbrem,
In Epeiros sucht man sie nach Od. XX, 383, combinirt mit XVHI, 85. An
wollen die Freier Jemand, um sich seiner zu entledigen, if £iKiiovs schicken,
it'Exnov ßaniltia, der gewöhnlich für einen ßaaiXds 'HnitQov gilt, nach
I. Sixtkär tÖQimoi war. Vgl. Niebuhr, Kl. phil. nnd bist. Schriften II, 224.
lert Sik. 4S und 49. — Nach Makedonien weist uns die Glosse bei Hesycb.
&tn xa\ ipfyavov IMaiittivitg], welche den Ursprung des sikelischen (Thuk.
es iayxlv erklärt, verglichen mit der Glosse bei demselben : Säxaioy igfjra-
hl eigentlich ääyxlov heiuen sollte. —Nach Serv. Aen. I, 2 ; 1, 633 ; III, 500 sind
umgekehrt aus Sicilien nach Latium gewandert. — Ueber die Morgeteu
VI, t, 6 und VI, 2, 4. S. unten Über Galarina. Nach Etym. M. s. v. Zig,-:
line Tochter des Morgea. — Ueber die Sikeler in Unteritalien Thuk.
XII, 5. 0. Wenn Diod. V, 2 sagt, die Insel sei vnä läv Zixilä» täv ix iq;
'JilfiiX rtt^uKalffyjmv Zixtkta genannt, so ist das ungenau, da die zu Thuky-
Zu Buch I, Kap. 4, Seite 62—66. 36t
dides' Zeit in Italien wohnenden Sikeler schwerlich später nach Sicilien gegangen sind.
— Die Beziehungen zu Aegypten nach Vic. de Boug^, Extraits d'un memoire sur
les attaques dirig^es contre TEgypte par les peuples de la M6diterran^ vers le XIV
si^cle avant notre öre in Revue Archöologique. 1867. Juillet et Aoüt. Die Inschrift ab-
gebildet bei Dnemichen, Historische Inschriften. PI. IL Vgl. Reinisch, Aegypten, in
Paoly BEI, 1, 279 und Tafel nach 2S4. — Nach Arr. Tact. p. 45 (Amst. 1683) brauch-
ten die xiTQoy^vot Tiiiue besonders die Perser und die ßagßaQot h ^msUif, so auch Ael.
Tact. c. 18, der hinzusetzt, die meisten Hellenen. Die Stelle der Odyssee ist XX, 383.
Vgl. auch Polyaen. V, 6, wo Sikeler als Soldtruppen erscheinen.
S. 65. Die Sikeler im Innern wohnend Str. VI, 2, 4: ovSirn (von den Urein-
wohnern) tilg naqaXlas ittitv ol "Elkrivig anrtad'M, ein in seiner Allgemeinheit falscher
Ausdruck, da z. B. Alaisa u. A. ein Stück Küste beherrschten, auch Thuk. VI, 62 an
der Küste wohnende Sikeler zu kennen scheint : h rove tth> 2uftfk6iv ^vfifiaxovg ncQii-
wlevira», und ebendas. wird Himera die einzige Griechenstadt der NordkUste genannt.
— Dass Thuk. die Sikaner in den Süden der Insel setzt, sahen wir oben ; wenn nun bei
dems. VII, 80 die Athener am Kakyparis die Sikeler erwarten , so wird hierdurch jene
Angabe des Thukydides noch deutlicher als aus einem Irrthum über die wahre Lage der
Insel Sicilien hervorgegangen erkannt. •— Sehr verbreitet in Sicilien ist die Endung
— Tvog f ür Einwohnemamen St. B. s.v. 'jißaxaivov: o oux ari&cg StxeXtSvj MsTanopTtros
Aivtrttvog B^evriaivog TuQtvrivog ^A^^r^Tivog 'Aaoo^ivog ^Egvxlyog Es ist also eine
italisch^sicilische Endung, wie in Latinus und offenbar von den Sikelem nach Sicilieu
gebracht. — Bemerkenswerth ist , dass bei einer Anzahl von sicilischen Ortsnamen in
den Schriftstellern der Spir. asper allmählich über den lenis den Sieg davon getragen
hat. Das auffallendste Beispiel ist Henna , wie ausser auf Münzen nur bei den Römern
für Enna vorkommt. Andere Beispiele sind Hadranum, Halaesa, Haluntium, Helorus.
Herbita, Herbessüs. Vielleicht war den Sikelem eine Schärfe der Aussprache des An-
lauts eigen, welche die Griechen nicht, wohl aber die Römer nachzubilden suchten ; vgl.
^Avvißag, Hannibal. — Schwanken zwischen a und aa findet sich in der Endung -> riaaog,
— (tfiroc, auch "^aiy^ Off {s. u.).
S. 66. Ueber Troina — mit dem Beinamen Antichissima — vgl. D. 286. 87.
S. 66. Imachara. Cic. Verr. III, 18 ager Imacharensis (and. Hdschr. Mach.), III,
42. Plin. III, 91 Imacarenses (and. Mac.), Ptol. wo sonst 'Hfiix^ga^ jetzt V/i/jjfo^a gelesen
wird. Nach Faz. 124 beim Hafen Vindicari, am Orte Citatella. Nach Cluv. 405. 6 Troina.
Ptol. setzt die Stadt ziemlich weit nördlich. Parthey scheint Imbaccari zu meinen, sagt
aber Maccara. Ueber Imbaccari, gewöhnlich Imaca genannt, D. 304. Amari St. d. M. I,
315 denkt an Alimena; I, 418 jedoch an Gangi; es findet sich nämlich bei Edrisi (Am.
Bibl. p. 61) zwischen Petralia und Sperlinga ein Ort Makära oder Baki^ra erwähnt.
S. 66. "E^ßira (-«ro«) Diod. XII, 8 (OL 83, 3). XIV, 15. 16. 78. Cic. Verr. H, 65;
III, 18 und öfter. Herbitenses PI. III, 91. St.B. "Egfiira, -nolig ZiniXiag^Effo^g xif, Ptol.
nennt die 'Eqßttaioi ( die Hdschr. haben 'OqßCxai oder 'OifßHtai ) neben den Messaniem,
ELatanäem, Segestanem, Syrakusanem als die mächtigsten Sicilier ; sie haben mit den
Katonäem tm fiead. Vgl. Cluv. 403—5. Houel III, 38. D. 285. Nach Amico s. v. Erbita
ist es CasaUni nördlich von Nicosia, wo Ruinen sind.
S. 66. KanvTiov. Ptol. Cic. Verr. III, 43 Capitinam (sc. civitatem). capitium (von
capio) Mieder, Priesterkleidung. — Vgl. D. 2S8.
S. 66. FaXagt v a noXig J^ixiXiag, mlOfAtt Mogyov £ixiXov, Xäyiiui xal FaXagia x^öof*-
{-Ivog, —lytii —ivaiog)^i. B. Favor. Diod. XVI, 67 hjBXraXiQlttv und raXiQCvm-, wofür
man — a(i — emendirt hat. Auch XIX, 104 ist raXag(a aus xaXatßg^a, yaXaßQta, yaXnvgitt
und yaHgift der Hdschrr. hergestellt. Cluv. 406. 7 (nach Aretius). Faz. 239 nennt
Gagliano rupis excelsae situ munitissimum. Vgl. D. 229.
S. 66. ".^«Ttfw^of gewöhnliche Form. Diod. XIV, 58. 78, St.B. h2kVAaawi>iov, führt
362 Anbftng II. Belege und Eriäaterungen.
Jedoch Hiu Apollod. Cfaron. IV aocli 'Aamqog itn. -ifof , Bei Ptol- habeo die Handachr.
'Ainum and 'Aoo^QOi. — der T. des Chryinw Cic Vcrr, IV, H. Vgl. P«b. 253. Cl. IWi.
Houel m, 37. D. 126.
f3 i;<4. '.^^ü|i(Dvgowllliiilicbe Fono. Ptol. hat '^>vi<p""', wu die oeuesten Heraus-
'.lYi\"ov verwandelt haben. DieseltMüi haben dl« N. Br von 37* in :i7" 45' ge-
[>ann mlisat« Ag, aber, seiner wüstlicheren Iiago wegen, vor Aetna genannt
Wahrscheinlicher ist, dasa man atatt 370, was allerdings nicht wohl paast, 37»
i'>4(>'su lesen hat. Ag. kann auch nicht allinweit von Ennagesetat werden, von
ilseher Ansetzung oben die Bede war. St.B. s. v. 'AyvQipia -noUi Zaulla^.
dein, nimmt mit Holst. ^ iv — an. Ag. and Herakles Diod. IV, 3-1. Sonst oft
So XIV, 9. 78. 95. XVI, 82. XXII. 13(Hoesch.|Cic.Verr.m, 27. Agyrinenria
.Verr.111,18. H]iue8;Cie.Ven'. UC,51. I*1.IU,91 hat dagegen -ini und Sil. XIV,
manns. It. Ant. — Das llieator Diod. XVI, 83. - Vgl. Fa». 2*7—53. Cl. 383
luel III, 36 (schffne Hauer griechischer Constmction bei der Kirehe S. Hai^e-
227. Vgl. auch Bonav. Attai^l, Storia delU citti di S. Filippo- Pal. 1742. 4
'Aftrfatlor Diod. XXII, t3 (Hoosdi.) Xltfttvov fHiaiii Kivrogiaivaiv itnl
Also Kegalbuto, wo Hoael III, 35 Reste alter Gebäude fand. Ebenso CI.407.
loob fUr 'Auifi. wegen Pol. .f üfur^of und PI. lU, 91 Symaetfaii hier einen Ort
; ('(Ol) annimmt. Vgl. D. 23!). — 8. Giorgio nach Schubring.
. XevtoQina, lö gew. Form. Ptol. hat — oi'itTntu oder — oüniffni, von den
Herausg. in — apinR geändert : unnüthig, da Ptol. wohl die Ttfmiscbe Fonu
nnte. Thuh. VII, 32 sagt Kiviifinni (Acc.) entweder fUr die Stadt oder fttr
>bner, während bei dems. VI, 04 Inl KirtÖQtTta Zixtlwv noliofia steht. £r-
od.XIII,^;i; XIV, 78, XX, äöundsonst. — Lat. Centuripa, orum. Pl-XXXl.
ipae Sil. XIV, 204. Centuripas wird angeführt ans Scribonius Largus 43. —
of. Cic. Verr., wo der Ort oft vorkommt, braucht IV, 23 Centuripinl auch filr
nach Anal, von Leontini. Heia II, 7, Iß hat -inom (vgl. oben 'Ayxi^). Vgi.
-46, nach welchem arz et moenia disjecta noch vorhanden sind. Cl. 381 —83.
, 29 ff. nebst Plan PI. CLIX. Die Lage von C. Adera6 gegenüber E. Recins in
Ifondc XUI, 4UU. D. 230—32. Vgl. Fil. Angaldi, I monumenti deU'aDtica €en-
t. 1^51. S. u. Ders. Sulla religione degli antichi Centurlplni. Cat. 1846. 8. Ate
les Keichthnms von Centorbi an AlterthUmom diene, daas 1840 In einer Grotte
geSmisste Getilsse gefunden worden.
. JWopj-iipt.ov Str. VI, 1, 6. VI- 2, 4. St. B. hat MowAr-ov nÜif 7iiilC«t
•yrjtuiv, ifytjai xnl JMofyyiftin. — ivo^ xal Jlfopj'ijiijt (Hdschr. -rtii). Bei
', 65 MoQyttvjtvri das die Kamarinäer bekommen. Diod. XIV, 95 schlägt Hagon
r anf tv ip jäe 'Ayvqivalttr x^Pf ""P" '"'' Xpiioo* niutifiöv fyyiii i^e öJnv
■a^s ift MoiiyaytCuiv. Diod. XI, 78 erobert DuketlosWofij'm'rii'ni'. Diod. XIV.
Diod. XXXVI, 4 (Phot.) nöln ö/üp? Moeyaorlv^. Cic. Verr. III, 18 ager Hur-
Sil. XIV, 266 frondosis Uargontia campig. Bei Liv. XXIV, 27 ist eine rBmiaoho
n )U0 Schiffen bei Hurgantia. Hier musa ein Irrthum sein ; Diod. XXXVI, 4
ns, mit (Jluv. 415 Horg. dcewegen nahe dem Heere xq setaen, UanDert43U
indre blanche Bildlich vom Dittaino an; ihm folgen Parthoy u. A., ich finde dort
inen orwühnt, wohl aber auf dem nahen Berge Judica, von dam Fa«. 7t; und 245
o dieStadt Judiea a Rugerio funditus deleta genannt wird. Vgl. HouelHI, 33^1.
II Hybla hierher setzen; Haue! Ergentium.
.'Yßia. StB.s.v.'y'ßlat enthält die Hauptatetle über die 3 Orte dieses
D Sicilien. Diese sehr verdorbene Stelle tat erst von Schubring in s. Umwand,
[eerb. in Sicilien S. 452. 53 richtig hergestellt worden. Es ist zu lesen : "YßUii
iig XixtXias. q ftttimv i]i ol noXiiBi ' YßXaiot IMiymiii^, q pixpä i)£ al waliiBi
I^JlKÜrni. ij Jt tläicmy 'ÜQala xaleitai. tan xal nölis VtcJI/sc. 4 <^' fuiCtuy
Zu Buch I, Kap. 4, Seite 68—69. 363
Yßltt «Tio "YßXofyog rov ßaatlim^» dta cF^ to nokliig "YßXttg xaXttaS^ai rt^v Stn^mv
noXt^p Tovg ipotnovvtag ixiiXoi>v MfyttQiag. ftitt di t6iv*YßX(iSv ZrviXXa xtiX^ixai. Hier sind
'HQa£a und ^rveXXa Emend. Oluver's f. d. handschriftl. "IIqu und TlßXXa, dies nach St.B.
8. V. ^tvflXa. (p(fovQiov Tijc iv XixeXiix M^yuQlSog. to i^vixov — Tvog. Loake Num. Hell.
Sic. p. 70 führt 2 Silbermlinzen aus der Sammlung des Brit. Mus. an : Jugendliches
l^beerbekränztes Haupt B. ZTfA. Vordertheil eines Stieres mit Menschenhaupt, worin
er den Fluss Alabon dargestellt findet. Nach Schnbring, Umwand, des Meg. Mcerb
S. 462 sind die Spuren zwischen den Mündungen von Cantara und Marcellino die von
Styella, das Leake nach obiger Mttnze Stiala nennt.
S. 68. Das kleine Hybla. Thuk. VI, 62 lesen wir inl^YßXav tifv reXfanv, und
VI, 94 werden die 'YßXaiot auf dem Wege von Katana nach Kentoripa angegriffen. Cluv.
411. 12 meint irrigerweise, dass VI, 62 ein anderer Ort gemeint sei als VI, 94, und hält
die H. Geleatis für identisch mit Megara. £r übersieht dabei, dass Thuk. McgaiH,
welches mehrmals bei ihm vorkommt, unter andern auch VI, 94, nie als Hybla bezeichnet,
sondern immer als Megara. Vgl. Schubr. 451. der noch daran erinnert, dass VI, ^»2
Hegara deswegen nicht angegriffen werden konnte, weil es damals verlassen war, und
erst im folgenden Jahre von den Syraknsanem zu einem (pqovqiop gemacht wurde , nach
Thuk. VI, 75. Den von Thuk. rfXeang genannten Ort bezeichnet Paus. V, 23, (i als
Figfarts, in einer von Schubart und Schubring glücklich so emendirten Stelle : dvo öt
nattv iv £ixkXiq noXug al^YßXai, »/ fikp rtgtärg in ixXffOiv , fiyv c)'^ iignfQ ye x«l r^f,
ijfdXovv fikiCovtt. ^x^vai 6k xal xar ifjtk hi ra ovofxaraf i; fih» HQfifiog ig «nav, t} 6k xwfn]
ttSv Katavaitfv, rj Fepsaug xal liQOv Off tat 'YßXaaig tatl d-^ov nnQa ZixtXtiv H^^v rifuig
tBQaraipyiig a<fäg xalivvnvlettv *P£Xtarog 6 u4QX^f^^*'^^ov (f>7ia\v f^if/nrag elvni xu)
fiaXi<STa tifaißkl(f tm^ iv ZixeXiq ßaQßdgmv nQogxiia&ai. Aus dem Letzten sieht man,
dass von d^selben die Bede ist, welche Cic. Div. I, 20 bezeichnet als interpretes por-
tentonim , qui Galeotae tum in Sicilia nominabantur , und es ist somit erwiesen, dass
raXivrat und reQsärig, also auch /lFJl«ar»(, dasselbe Wort vertreten sollen. Da Plut.
Nik. 15 diesen Ort ein noX^xv'ov fiuegov nennt, so ist es gerechtfertigt, wie oben ge-
schehen, St.B. so zu emendiren, dass 4 fÄimgä zu Bewohnern raXetotai bekommt. Wo
lag nun dies Hybla? Munter 455 nimmt Belpasso an. Cluv. 412 Patern6 und ihm folgen
Parthey, Schubring 451 und D. 236, welcher bemerkt : This opinion is confirmed by the
discovery, on the spot, of an altar bearing the inscription VENERI VICTBICI HYB-
L£NSI, now preserved in the Biscari Museum at Oatania.
8. 68. ^Ivrjaaa. Str. VI, 2, 3. Die Katanäer Ttjv ^Ivfffoav xaXov/Lt^vtfv tijg Ahifig
6g€ir^v fxtiaay xal TTQogrfyoQSvaav ro x^ogiov AttvijVy 6iixov '?f Katävijg oradCovg oySori-
^ xovta, und VI, 2, 8. Thuk. III, 103 : in ^Ivriaaav ro 2ixeJüx6v noXia^a hergestellt aus
dem handflohriftl. inl Nrlaaav. Diod. XI, 76 ist von Cl. *Evvria£av verbessert in'^Iyriaaar.
Sonst Diod. XI, 91 ; XTV, 58 steht der Name Aetna. Thuk. VI, 94 kommen jedoch die
'ivfiaaaioi vor. St.B. s. v. Attvtj nennt eü^Ivijaaov» It. Ant. setzt Aethna 12 m. p. von
Centuripe wie von Catina. — OIuv. 145— -47: S. Niccolö delF arena bei Nicolosi, das
allerdings 12 m. von Oatania ist; aber sollte der Weg von Oatania nach Oentorbi über
Nicolosi gegangen sein? Houel II, 22 : Patem6; Mann. 293 : Oastro, 1 Stunde NO von
Patem6; Sestini, Parthey u. A.: S. Maria di Licodia, nördlich von Patem6, 17 m. von
Oatania. D. erinnert daran (234), dass dies zu den 80 stad. oder 12 m. p. nicht passe.
Ueber Belpasso D. 236. 37. — Vibius hat unter Fontes : Inessa Bhodi, a quo Siciliae
civitas Inessa. Dann wäre In. eine griechische Colonie. Aber Bhodische Colon! sten
am Aetna?
8. 69. ^Eqyixiov St.B. h. v. noXtg £tx€Xiag, *PlX, ZtxsX. 6ivr. jo i^txatf 'Eity^rhog
xal Atrvri *£gyetivijy wo Ahvrj hOchst unsicher und überdies sinnlos ist. Polyaen. V, H
'EQycttvoi. Ptol. hat Seiryiviiov , was 01. 417 bei Diod. XIV, 78 für das handschriftl.
SfAtpUv lesen will, wo Wessel und d'Orv. Mitaivov vorschlagen. Ergetini PI. III, 91
— ■• T ■
364 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
Ergentum bei Sil. XIV, 250. Vgl. Cluv. 416—18, nach dem es Cittadella bei Aidone ist.
Ueber diese Ruinen Faz. 256 : ubi praeter tenipla dimta, aedium ac murorum ingentes
ruinas, tbeatrum adhuc quadratuni (? aus Quadern ?) ejusque gradus semiruti etc. £r
selbst denkt an Herbita. Femer d'Orv. 160 ff., der 162 hier Trinakia (s. u.) sucht. De
Sayve II, 57.
S. 69. 'EQvxnKall. VII bei Macrob. V, 13. St.B. s. v. 'Eqvxtj aus Phil. II. — atog.
aber s. v. Halixti giebt er ^EQvxtjvog, Femer s. v. li^xQayavreg. Vgl. Faz. 258, der auf
dem Berge Catalfano Trinakia sucht. Cl. 428. 29. Nach Houel III, 62 Hilitello.
S. 69. N^ai. Mivai. Mivaivov. Mivdal. Neai. NofiaL Diod. XI, 88 sa^
von Duketios : tue fdh Niast ^Ttg r^v avrov nat^lq^ fitr^xiaev ctg t6 ntdiov xa\ nljjafov
Tov Tffiipovg TtSv ovofiaCofiivüfv IlaXtiuov theriae noXiv a^ioXoyov, rfp — — lüvofinCf
iTaXtxiiv. Sonst kommt Neai nicht vor. Ders. berichtet XI, 78 von Duketios : MivaiVov
/uh noXiv Ifxriae. Ptol. hat M^veu^ wie jetzt gelesen wird, sonst Mevai, wobei die
neuesten Herausg. bemerken : leg. M^yatvov. St.B. hat MhvSal (Mein, nach Cluv. Mtwi)
TToXis ^ixiXiag, fyyvg üaXixtot^. ^AnoXXodmQog iv dtvr. Xqov, ro l^v. — aiog ag uivxat
uivxaTog (Dind. IdXixvat jiXixvaloi). Als Einwohner einer sicilischen Stadt werden
Cic. Verr. III, 22 und 43 Menaeni (Menenii) genannt. PL III, 91 hat Menanini. Vibius kennt
eine Quelle Menais. Sil. XIV, 266 : Menaei. — So viel ist nun khir, dass es eine Stadt
Menai in Sicilien bei den Paliken gab (Mendai bei St.B. kann ein Schreibfehler sein), und
dass dieselbe Stadt auch den Namen Menainon führte, weshalb die Einwohner entweder
Mivaioi. oder Mivatvoi (Münze bei d'Orv. 377) oder gar- Menanini heissen. — Nun hat
aber Cluver auch in Neai bei Diod. XI, 88 eine Erwähnung derselben Stadt finden wol-
len und vorgeschlagen , statt tag fih Niag zu lesen rag Mivag, und die Meisten sind
ihm gefolgt. Doch ist das unmöglich, da Neai XI, 88 die naxqig des Duketios ist, also
schon vor ihm existirte, während etMivturov XI, 78 erst selbst gründet. — Ueber die un-
genügenden Versuche, dieser Schwierigkeit zu begegnen vgl. m. Beitr. S.26. — Vou
Noai sagt St.B. ro iS-v. Noaiog. — noXig ZixBXlag^AnolXod. Stvr. /^oy., femer Sttid. und
Favorinus. PI. III. 91 hat Noini oderNoaeni, wofür SilligNoaei verbessert. Nach Cluv. 477
wäre es Noara od. Novara, südlich von Tripian den Quellen des F. Salica. — ßfofÄaih. Diod.
XI, 91. Daselbst wird Duketios von den S3rrakusanern besiegt. Sonst kommt der Ort
nicht vor. Da Sil. XIV, 266 kein Gmnd ist comitata Noroaeis Venit Amastra viris, statt
Menaeis zu lesen, so folgt auch nicht, dass Nomai in der Nähe von Mistretta lag. Es ist
wahrscheinlicher, dass der Ort, wo Duketios geschlagen ward, näher dem Mittelpunkte
seiner Macht lag. — Noai und Nomai sind mithin schwer zu bestimmen. Menai ist da-
gegen sicher Mineo. Vgl. Houel III, 57 ; D. 377, sowie Faz. 258, der arx und moenia
antiquissima erwähnt. Schriften über Menai s. unten bei Duketios. Die Stadt PaUke auf
einem collis am Lago Naftia : Faz. 76. 77, wonach urbis vestigla sich finden sollen. Den
Namen La Bocca als den des Hügels nennt Houel III, 57 und de S. I, 269. Wenn nun
Palike das in die Ebene verpflanzte Neai war, was Manche läugnen, aber eine nicht un-
passende Deutung der Stelle Diod. XI, 88 ist, so hat auch Neai in der Gregend des
Palikensees gelegen, und es könnte Militello sein. Es werden übrigens so viele Spuren
antiker Orte dieser Gegend erwähnt (Houel III, 60 im ehemai. Lehen S. Basilio, einige
MiUien östlich vom Naftiasee, III, 61 beim Fondaco tre fontane ; III, 62 zwischen Mineo
und Militello ; Bull. 1845 S. 16 nach einer Schrift von F. Perticone bei Caitagirone u. a. m.\
dass man noch für mehr Namen Platz finden würde. — Bemerkenswerth ist noch, dass
noch in den Actis SS. bei Cajet. 109 Mendae vorkommt.
S. 69. ^Ex^tXa Diod. XX, 32 ;^a>(>^t/ o;(ft'^ot/. Pol. I, 15 bezeichnet es als hf fjtioij
»ttfiivriv tJ Twy ZvQaxoa(tav xai KaQxn^orfatv inaQx^t^^ PI. III, 91 Echetlienses. St.B.
s. V. ^E^^rXa noXig 2ixkX(ag — Aiari}^ (Cl. — XcrT^f), fx^rXc heisst die Pflugsterze, ^/«r-
Xtvia ackern. Echetlos erschlug bei Marathon Feinde mit dem Pflug. Cl. 443 — 45. —
Ueber Occhiala Houel III, 57. Mannert 440 setzt es ungefähr bei Vizzini.
Zu Bach I, Kap. 4, Seite 69—70. 365
S. 69. gov^ia 8t.B. nokig ZtnMag 4»lUarog tqIx^ JTue. — iurrig. Diod. V, 8 :
(ßttOiltvae Sov&og tijg nt^l rovg A^ovtlvovg /cJ^mc» {ti; itn ixttvov ft^x^i rov vvv XQ^^^^'
Mov&ia ngogayoQ^verai. Vgl. Ol. 155.
S. 69. 'EQßn^oogBt. B.h. v. ^ixiliag nolig.—tvog. *f>a, £1%. ^Ptol. Diod. XIV, 7
(HdBchr. "E^ßfiaivüiy). XIV, 78 macht Dionys Friede nQog EQßiaaiivovg. Liv. XXIV, 30.
35 (Herbesam). Paus. VI, 12, 4 [ii 'EQßnooov) . Faz. 260 ist für Pantalica wegen der
Grotten. Ol. 445 — 48. Parthey setzte es an den Mylas , ebenso Weissenbom zu Liv.
XXIV, 30, obschon in der Stelle des Livius dazu keine Veranlassung liegt. Vgl. Schub-
ring, Die Bewässerung vonSyrakus, Philol. XXII, 4. S. 633, welcher deswegen Herbessos
nicht nach Pantalica setzen will, weil diese Stadt bei Diodor und Livius Syrakus feind-
lich gegenüber steht ; Pantalica aber das Anaposwasser, dass für Syrakus so wichtig
war, beherrscht. — Vgl. D. 365. 66.
S. 70. Von Akrai wird unten die Bede sein.
S. 70. NiriTov Ptol. Diod. XXIÜ, 4 (Hoesch.) NemUvtJV. PI. III, 91 Netini. Cic.
Verr. IV, 26 hat Netum ; V, 22 Nettni, U, 65 Netinenses. Sil. XIV, 268 Netum. Vgl.
Faz. 121. 22. Oluv. 441. 42.. Houel UI, 119. D.322. 23.
S. 70. ''EXta^og nokig ZiMklag St. B. Ptol. "Ek. nach einer Hdschr. Die andern haben
"EL Nach Skyl. 13 war der Ort griechisch. Oic. Verr. UI, 43 Elorini. Liv. XXIV, 35.
Plin. XXXU, 16 nennt ein castellum Elorum, weshalb Ol. 228, gestützt auf die Beschrei-
bung der Ueberreste bei Fazell 122-24, Stadt und Oasteil Helorus sondert und jene
nördlicher, 1 MiU. vom Meere in den Ooliseo oder S. Filippo genannten Ruinen, dieses
südlicher, nahe der Mündung des Abisso wiederfindet. D. 372 schildert die von Fazell
nur als Kastell betrachteten Ruinen als Stadt Helorus. 17 *£Aa»^eyiy b6og Thuk. VI, 70 ;
VU, 80.
S. 70. Mojvxa. Oic. Verr. III, 43. 51 Mutycenses. PI. III, 91 Sil. XIV, 268, wo
der cod. Oolon. Mytice hat. Ptol. M6tov»itj von den neuesten Herausgebern in — i/xa ver-
wandelt. Vgl. Faz. 260. Oluv. 140. 41, der bei Diod. XVI, 9 statt Muötvaiovg Moroxaiovg
vermuthet ; was Mann. 342, ohne Oluver zu nennen annimmt. Oluv. schlägt übrigens auch
vor, das Wort wegzulassen, was Dind. jetzt thut.
S. 70. Hybla Heraia S. o. Hybla. Nach It. Ant. (Hyble) lag es zwischen Akrae
und Oalvisiana. Weil nun Oluver Akrai an der Ostküste suchte, so setzte er (434) Hybla
nach Ragusa ; Reichard, Parthey u. A., die Akrai richtiger bei Palazzolo ansetze^, ver-
legen Hybla passend in die Gegend von Ohiaramonte. Der Ort Refugium Hereum It. Ant.
muss Hybla Heraea als Küstenort entsprochen haben. Auf Parthe/s Karte stimmt das
nicht, aber ebendas. ist Refugium OhaUs der Küstenort von Oalvisiana, und Plaga
Oalvisiana, welches der Küstenort von Oalvisiana sein sollte, liegt 8 m. p. östlicher.
Es ist klar, dass Plaga Oalvisiana sowohl wie Piaga Hereum um so viel westlicher zu
rücken sind, dass sie Oalvisiana und Hybla entsprechen. Oic. ad Att. II, 1, 5 wird jetzt
nach Hdschr. gelesen: quum in Sicilia, Herae, aedilitatem se petere dictitasset. Vgl.
jedoch Mentzner in NJahrb. 1867 10. S.705. 6, wonach diese Lesart von Ev. Otto als
falsch nachgewiesen worden; Oonjecturen (wie fere für Herae) noch nicht zwingend.
S. 70. AfaxraiQiov St.B. h. v. nokig, 4*(k. nquitip' riv htnas Movtuv (and. fAovriv).
Im ersten Buche des Philistos vorkommend, möchte es zu den Städten der Ureinwohner
zählen. Herod. VII, 153: ig Maxt^^top noktv rr^y vnlf} F^ktig oixtifiävTiv. Nach M.
Aretius wäre es Mazarino (Namenähnlichkeit) ; nach Oluv. 449 Butera, 8 Mill. von Terra-
nova. Noch näher bei €tola 6 M. von Terranova, auf dem Wege nach Niscemi, steht auf
einem konischen Hügel das Schloss Oastelluzzo »at the head of the long piain of Terra-
nova«. D. 373.
S. 70. BlSog St.B. h. v. (pQovQiov iv Stxikiq. ev^tcct ^k xuX 6ia Sup^oyyov xai diä
Tou 1. iati xal ^re^ov iy TJ TaugofiiViTiov BiJiog ip^vqiov. — Zvog. Oic. Verr. II, 22 :
Bidis oppidum est, tenue sane, non longe a Syracusis. PI. III, 91 Bidini. Ol. 443, gegen
366 Anbang II. Belege und ErlXntenuigeii.
ibn BoDADDi 158. 5!). Ueber das TauromeniUiÜBobe Cl- 3SU, der tat Haacali denkt.
Schubring denkt au das Casteli toq Caltabiana.
8. 70. ~lx«vtt. 'Iva. St.B, bat 7^b*<i ^oUviov z^t £wllai , J« lö rp nütoC
aiäati nokXä n^ci.mafijaai rouj ZvQuxovaCovs. ixavin Ji ta tni9ufitiv, — iroq. Piin.
'" "' ''^'-teiises : and. Lesart Ipanenses. was von Hippaoa abinleiten wKre. Clnv. 44(1
« als ideDtisch mit 7ro bei Ptol. das dieser zwischen Motyka and Pachynoa
ült die Ruinen am Bafen Vindicari, in denen Fae. Imacbara sah, füv Icfaanft
Jebrigens scheint Ptol. Ins westlicb vom Flusse von Hodioa lo setsen. ina
ei Cic. Verr. 111, 43, wo Inensibus, Conj. Oaratoni's statt Hennensibos, was
paast, und Menaibus, von Zumpt aufgenonunen ist. Uouel III, 126 hält
i Spaccafumo fUr Ichana und de S. J, 251 folgt ihm.
ftiTga. Diod. XXIII, 18 /Tfipi™, Picl, nrtpn. Cio. Verr. UI,3fl. PI. III,
Sol. V, 22 Petrensea. Sil. XIV, 248 Petiaea. It Ant. bat e« 48 Hill, von
Fnz. 24U. Cl- 454. 55, nach Fm. Iä5, wo Petn Heliae In einer Urkunde Graf
1 J. IU93 vorkommt. Daselbst auch Pira, erinoemd an das Pirlnades It.Ant.
Jyyoor, Dlod. IV, 79. 8U. Diod. XVI, 72. Pint. Marc. 20 {'Byriicv] Ptol:
w (Hein. ; die Hdschr 'Eryviay) nölit ^ixiUar — uims. Cic. Verr. III, i'J
lüna ; IV, 44 Enguini. Fl. Ul, »1. SU. XIV, 24» lapidosi Kngron arvi, -
i : es habe nach Einigen an dar Hilndnng des S. Leonardo gelegen, 212—44,
bt, es könne im Innern gelegen bAben ; 240 : Einige setzten es irriger Welse
e des Klosters des heil. Benedict, nach Alt-Oangl ; endlioh 136, wo er die
rhslb der Kloetermauem erwShnt. C luv. 451— 54. St.B. "ff^'w»' noiic ^ijt»-
( it ouiiui Jiä ra ^f äyuiaf tx^iv, ist Wohl nur eine Verdrehung des Namens
Wegen der Oemeinschaft mit Apollonia (Diod. XVI, 72) wird es in dessen
iben sein ; aber ApoUonia's Lage Ist selbst unucher.
lläQWTtos. Pol. 1.24. PI. m,»l. 92 c<ntra Paropinoa Ustioa. Clnv, 473
agabe bei Faz. 240, wo Ruinen westlich von Collesano erwähnt werden. Vgl.
3b Cl. bei Ptol. statt ßRi/ufot in lesen nä^amot.
Kttpalolitov Diod. XIV, 56 [iffioiiQtnr), 7H. XX, 56. XXIU, 18 (Hoescb.)
'nv. Str. VI, 2,1. Cie. Verr. U, 52. X« <r«.to«r/{ Ptol. Plin.111,90. Str.VI,2,5
otauf) Sil. XIV, 252 hat Oepbaloedias ora. — iUuins Cic. Verr. 11,52. 111,43.
24—2(1. Cl. 353. 54. Sm. 95. D. 160—66. Ueber K. handelt V. Anria, Dell
alA. Pal. 165«. 4. Lat in Oraev. Th. XIV.
Mvxtlaiea-nr. 'A/t^aj^atct- Jenes Pol. I, 24. Bei Diod- XXIU, 9
utFT^iav, beiZonarasbeiderBolbenOolegenbeitiHobi^aT(»ita. St.B. hat Afuif-
ivQiov £i». 'I'tUaro! äixaif. — irof und lUvriaz^jof nai/^iov m^i Kaitjci'
jftios tit/uTif, ein Beweis wie dUchlig St.B. las. PI. III. 91 Hytistratini. —
[ St.B. h. T, nöhf ^'intUai. 'Ano)J.ödai{toi tu. xf""- ~^ ■■'"<- ^'"^- Verr. III,
eetratini. Sil. XIV. 2ü7 Amastra. Vgl. Fas. 241 Clav. 473-75. Von der
tdeutung beider Wörter s, d. nächste Kap. Fllr die Idenlitiit beider Namen
h, dosa nilrdlich von Hlstretta iwortiber b. D. 208) S. Stefano di Camaatra
maatra) oder di Miatretta, liegt. — Vgl. auch Lykoe fr. S- -~ Hflnzen wa von
tjItlXiayla. Diod. XV1,72, wo auch q jäv'Attolkmyiajäy a6i.,(. XX, 56-Wf/r.
. rrXijalov 'AlevUvioi' xo) x^t Kal^t 'AxT^i (jenes ülnv. für das bandsohr.
Cic. Verr. III, 43 — ooieusem civitatem. Faz. 75 sucht es nahe dem Synae-
D der falschen Lesart bei St.B. Cl. 4'ä. 76 sucht es circa Furiannm amnem.
tring'B Bericht (Berl. Akad. Nov. 1866) S. Fratello, worüber D. 270. D. 267
ib Pollina [NamenShnliohkeit) , ebenso Pauly KE 1,2, 1905.
'AXöfiter. DH. I. Sl. Ptol. Cic. Verr. IV, 23: cuin Uolnntiam venieset
oriosHs et diligens , ipse in oppidum accedere uoluit, qnod erat difficili ad-
Zu Baeh I, Kap. 4, Seite 70—72. 357
scensn atque ardao. III, 43 Halantina (civ.) . PI. III, 90. Faz. 228. 29 und nach ihm Gl. 362.
63 setzen es zwischen Acqoadoice und S. Filadelfo, welches identisch ist mit S. FrateUo.
Der Stein Ol 5608 ist in S. Marco gefunden worden ; er trägt den Namen der Haluntiner.
Ueber die Lage von S. Harco D. 270. 71.
S. 71. ^Ayad-v^vitv Diod. V, 8, wo auch trig vvv Q^^ofAa^fiitniig ^^yad-vgviuJog
;ir«V«f Steht. Str. VI, 2,1. St.B. Hya^vQva (Hdschr. -vQoa) nolig ^txtkkcg mg llolvßiog
fyartf. -^aiog. Ptol. '^ya&vQioi', PL UI, 90 Agathymum. Liv. XXVI, 40. XXVII, 12
Agathyma, ae. Sil. XIV. 207 Agathyma und 259 Agatfayma manus, wofür aber wohl
Agyrinaoder Abacaenam. zu lesen iBt(N. Heinsius) It. Ant. und Tab. Peut. Agatinno(Abl.}.
Vgl. Faz. 230. 31, nach dem es am C. Orlando bei S. Martino liegt. Ol. 363>-66 und D.
271 setzen es nach S. Marco ; Mann, nnd Parthey nach S. Agata. Dies ist nach Scliu-
bring's Berieht (Berl. Akad.Nov. 1866) ein anderes "^Aa 10«, nicht das nach Diod. XIV,
16 von Archonides gegründete ; Diod. 1. 1. sagt: ova^v cfi %al aikiov nokßtiv xata rifv
S. 72. *uißaxaivov. Diod. XIV, 78 Trjg ' Aßaxaivtvrig /oi(>«f. XIV, 90. XIX, 65
tig'Aßaxaivov. XIX, 110. XXII, 13 (Hoeech.). Bei App. BC V, 117 will Cluv. statt //«-
lutatuvav yrjfv lesen * Aßaxatviviay y^y, und Maunert 427, der Oluver zu citiren vergisst,
meint, die Landschaft von Abak. habe TlaXataTtjvtSv x'7 ^^oissen. St.B. ^Aßaxatfov
TTolig ZixiUag JStxtXMv Bk fiot^ jtg httv» — ivog. Ptol. 'Aßaxaiva. Ueber die
Ruinen bei Tripi Faz. 232. 33, der keinen Namen daflir weiss ; für Abac. erklärt von
Bonfigli, citirt von Ol. 477. Nach St. B. erklärt Herodian Abak. für noliv KftQix^v,
wofür Meineke in Hermes III, 1,.S. 162 'YxaQtxi^y lesen will, eine mir nicht verständliche
Emendation.
S. 72. Tiaaa. Ptol. St.B. Tioaai x^^e^'w Ztx. *PiXiatog harp, -atog, Oic. Verr.
III, 38 Tissenses (perparva et tenuis civitas) daher Sil. XIV, 267 parvo nomine Tisse.
PI. III, 91 Tissinenses. Ol. 380. 81 nach D. M. Niger 49 Bandazzo, wo jedoch Faz. 237
von keinen antiken Buinen weiss.
S. 72. "Ewa. Aeiteste Münzen HENNAION Mionn. 1,206. Str. VI,2,6 xc^^^fi^r fnl
iofffff, TtiQieiiijfAfAiyfiv Ttiäreaty o^nsÖioig aQoaifMtg Tiäatv. Diod. V, 3, wo indess eine
Umstellung vorzunehmen sein dürfte ; indem man nach iv roTg Xstfiäat xata rift' "Ewur so
wird lesen müssen : iati dk 6 lonog ovjog (Enna selbst) ävä§0-iv fihv ofiuXog xal nttyrtltog
fijvJQog, xuxXip iTvifniXhg xal navtaxö^-^v xQffuvolg anotQfiog. doxii iT iv fiäatp xiCad^ai r^g
oltjg v^0ov, <ffo xal £ixeXiag 6fi(f>aXog vno tivtov ngogayo^ivtrai (Henna selbst, nicht der
Xtifitir nach gewühnlicfaer Lesart), fyei Sk xal nXjiotav aXari xal Xnfjuovag xal ntql ravra
tXff xal anriXaiov evfifyi^tg, ^x^^ X^^f^^ xatdyuov , TtQog rifv aqxtov vevevxog , öi ov
fjivi^Xoyovai rov IlXovffova fUSi^ aQ/Aurog IntX&wja noi^aaa&ai Tffy agnay^v r^^ KoQtjg.
tan Jk 0 nQottQjifsiyog X^ifxnv (derjenige von den oben genannten Xii/moveg, wo Koqi]
geraubt wurde) nXrfoiov fikv rrjg noXing, ioig dk xal totg aXXoig av^eai navro^anoTg
ivitQinifg xal ^iag a^wg. ^td 6k tif» anh rtür <pvofiivatp av&mv tviüdiav Xfyirai rot»;
xwTfyeZv titß&orag xvvag fAf\ övyao^ai ottßtvHv^ Ifino^i^^ofiiyovg xi^ ifvaixtfv aXaS^aiy. ra
61 la xal tüv aXXtüv av^imv %ä naq^x^fitva etc. J}\eYforiQävw(h€vfikvofial6get(i. müssen
nothwendig auf die Stadt gehen ; bei dem jetzigen Texte Dlodor's gehen sie aber auf
den XeifK^y, der doch ausserhalb der Stadt gedacht werden muss , schon der dort be-
triebenen Jagd wegen. Oic. Verr. IV, 48 spricht von Henna ganz ähnlich, so dass man
glauben künnte, seine Schilderung habe Diodor zu Grunde gelegen ; nur setzt er die luci
und flores richtig ausserhalb der steilen Höhe. Oluv. 398 tadelt Beide, Oioero mit Unrecht,
denn eine aequata agri planities und aquae perennes können allerdings oben in Henna
selbst angenommen werden ; was er an Diodor tadelt, dass nämlich das pratum, wo Köre
geraubjt wnrde, nach ihm in Enna selbst sei, wird durch obige Umstellung beseitigt.
Amicc^ s. V. Pergusa nimmt allerdings an, dass der Raub an der Stätte von Enna selbst
fitattf^iid. — Die Kömer schrieben Henna. — Liv. XXIV, 37-^39 , wo die Burg die
\
368 Anhangs II. Belegd und Erläuterungen.
übrige Stadt überragt. Vgl. Bubs. 214. Diod. XIV, 78 ist Enna eine sikelische Stadt.
Faz. 253 — 56. Gluv. 389—99. ~ Der Name Castrogiovanni aus Castrum Ennae entstan-
den, wie die Sicilianer Jaci für Aci sagen (Amari St. d. M. I, 280. II, 85). D. 221>'25.
Bnss. 215.
S. 73. TQtvaxia. Diod. XII, 29; PI. III, 91 Triracienses oder Tiracienses. St. B.
TuQoxiyui noXis Sijitiliug ^ fAittga fjth', ^v9a((jnav cT ofimg. -ivalog, ^ivata, TvQoxifp <f^
auTfiy 'AU^avdQoq Iv EvQu'mr^ xaXtt. Mein, dazu : qnos Diodorus Ti^axCovg appell»t ;
er hätte hinzufügen sollen ex Cluverii (480) conjectura. Bei Cic. Verr. III, 56 kommt als
n. pr. Tiracinus vor. Man denkt auch an den Sumpf Tyraca bei S3rracu8 (Vibioa).
Nach d'Orv. 160 ff. CittadeUa bei Aidone.
S. 73. Sikeler in Zankle Thuk. VI, 4, in Naxos und Tauromenion Diod. XIV, 88 ;
in Megara Thuk. VI, 4 ; in Leontini VI, 3 ; in Syrakus VI, 3 ; für eine sikelische Stadt
hält Schubring, Umwand, n. s. w. 444 auch ^Alaßmvy das bei St.B. als nokiq [^aecJl/«^]
vorkommt und am gleichnamigen Flusse lag , nach Schubr. südlich vom S. Gusmano.
Ders. 448 über Augusta.
S. 74. Gegenwärtig zählt die Provinz Caltanisetta nur 57 Einw. auf 1 DKilom.,
dann kommt schon Noto mit 70 ; die übrigen haben alle mehr.
S. 74. Ueber die Gründung von Lokri Polyb. XII, 5 ff. Es soU übrigens keines-
wegs die Sage von der Art des Betruges der Sikeler für historisch ausgegeben werden.
Die Knoblauchköpfe werden in religiösen Riten MenschenkOpfe vertreten haben. Vgl.
Schwegler, R G I, 2, 249 nebst Macr. I, 7, 35. -~ Leontini von Griechen und Sikelem
gemeinschaftlich bewohnt nach Polyaen. V, 5.
S. 74. Von Italos, König der Oenotrer Ar. Pol. VII, 9, 2. Toviov Stj Uyovai tbr
*fTalov vufiadag touc OivwTQovg ovrag not^aai yeta^ovg , xctl voftovg allovg te avroti
i^iad-ai xal rä avaaltia xaraat^aai n^mrov, dio xttl vvv in tiov an ixilvov tivkg xQ^^^^
ToTg auaaitioig xal xüv v6fi(oy iviotg. Vgl. Diod. V, 9 wegen Lipara. Italos König der
Sikeler nach Thuk. VI, 2. — Duodedmalsystem auch im Landmass bei den Latinem, mit
entsprechender Eintheilung in as u. s. w., offenbar wie das Münzwesen von den Sikelem
entlehnt, wie nachzuweisen sucht Rubino, Beitr. z. Vorgescfa. Ital. S.9— 16.
S. 75. Ueber die Paliken ist besonders zu vergleichen : G.Michaelis, Die Pauken.
Dresd. 1856. 8. (Progr. des Blochm. Inst.) — Die HauptsteUe ist bei Macrob. V, 19,
ohne den wir wenig von den P. wüssten, und der die Verse Vergil's (Aen. IX, 584. 85)
Symaethia circum flumina, pinguis ubi et placabilis ara Palici erläutert. Macr. citirt als
Quellen: Aeschylus (vir utique Siculus) in den Aetnäerinnen , Kallias VII, Polemon,
Xenagoras III : femer Diod. XI, 89. St.B. s. v liahxri, wo citirt werden Theophilos XI
und Silenos II. Serv. Aen. IX, 584 (Varro). Ar. Mir. 58. Str. VI, 2, 9 u. A. Vgl. auch
Cluv. 422—26. — Ueber den Mythos Macrob. 1. 1. Serv. l. 1., femer Clem. AI. Homil.
V, 13 : *E(wa£ov vvfttff^ ytrofievog yvi^f (sc. näherte sich Zeus), ii r;c ol h ZtxiXUf naXai
aofpoi (1. JlttXtxol) und Recogn. X, 22 : Thaliam Aetnam nympham mutatus in vulturem,
ex qua nascuntur apud Siciliam Palisci. Serv. bezeichnet diesen Geier als aquila. Ferner
Hesych. s. v. HaXixoi. ^Adqavt^ dvo yivvoivtat vlol IlaXixol. — Ueber die Localität
ausser den angeführten Stellen Hippys (Hdschr. Hippon) von Rhegion (fr. 5; bei Ant.
Mir. 121 : tfig 2!txeUaQ iv IluXtxoig otxo^ofifjd'jjrtici ronov, €ig ov ogiig av «/f^üvAp, (w fAtr
xaraxXti^ilfi unod-vriaxetVf d <fi niQuiaToirif ovJiv nuaxfn*. Die XQiivri wird d^eixXivOs
genannt von Ar. Mir. 51 d. h. 10 Tischlager lang ; oder sollte mit Müller 11, 84 anzu-
nehmen sein, dass das Gebäude diese Länge hatte? Isigonos (fr. 7 M) bei Sotion in
Westerm. Parad. p. 184 spricht wie Silenos von der xQt/rfj iv llaXtxoig die das Wasser dg
vi^og Ttrixitov ^ werfe. Die JtuXXoi sind nur bei Kallias (fr. 1 M) erwähnt, woraus Ma-
crobius seine Delli hat. Von C^m leitet sie her Mich. 22. 23, der S. 24 die Deutung DuelliBrun.
d. P. (?) zuschreibt. Für Jenes würde das sicilische 6oyxXr\ für ^ieyxXri sprechen. KaPi. sagt
von ihnen : ovg aöeXfpovg rm' UaXixtüv ol £txiXi»i€ti vofiCCovoi. Ich glaube mit Preller (cit.
Za JBuch I, Kap. 4, Seite 73-~77. 369
ron Mich. 21), dasA dies nur ein Missyerständniss einer älteren, später von Polemon in
folgender Weise gemachten Angabe ist : vnaQxo^ff' ^^ xovttav (sc. der Paliken) —aitXtfol
xQarii^sg ;ifa/uce/jri7Ao( , wo dichterisch die zwei Krater zwei Brüder genannt sind. Vor
tti. steht noch ein unverständliches, verschieden emendirtes Wort. Vgl. M. 20. 21.
Auch Lykos (fr. 12 M) bei Ant. Mir. 175 scheint auf diese Krater zu gehen. —
Beschreibung der Gegend des Sees Naftia : Dolomieu bei St. Non X, 123—29.
De S. I, 267—69, wo auch der Name Donna Fetia angegeben wird. D. 375. 76, der
mit seinen Worten (376) »Man himself cannot stand near it without suffering from head-
ache« Mich. 9 : »Selbst Polemon's Kopfschmerz ist nicht mehr zu befahren« widerspricht.
— Gins. Allegranza, Opusc. emditi. Cremen. 1781. S.203 ff. undBiscari, Viaggio etc.
S. 63 ff. glaubten irriger Weise, dass der Palikensee in den Salsen bei Paternö zu suchen
sei, wo noch 1S66 Eruptionen Statt &nden. Vgl. Mich. 12, 13, der jedoch S. 12 auf die
Erwähnung von Menai bei den Paliken durch Diod. XI, 88 sich nicht stützen durfte, da,
wie oben gezeigt, Menai dort nicht genannt ist. £her kann man Kallias citiren, der
Eryke als nahe bezeichnet, auch Vibius, der unter fontes hat : Menais Leontinorum, per
qnem cives ejus loci timent jurare, offenbar Beziehung auf den Palikenkrater. — U eb e r
die Heiligkeit des tifisvos Diod. XI, 89. lieber die Eide Diod. Polem. Spätere
MUdening der Strafe wird vermuthet von Mich. 27. Bei Verg. 1. 1. hat placabilis ara
Palici Bedenken erregt. Man beruft sich auf Sil. XFV, 219. 20: etqui praesenti domi-
tant perjura Palici Pectora supplicio, um bei Vergil für et placabilis zu schreiben im-
phu»biÜ8, wie einige Handschr. haben. Vgl. Mich. 28, der nur Unrecht hat, Cluver die
Lesart impl. zuzuschreiben (vgl. Gl. 421). Der Parallelismus mit Verg. VII, 763:
pinguis ubi et placabilis ara Dianae , scheint mir, abweichend von Mich. 28, für placa-
bilis zu sprechen. ^ Mit einigem Rechte ist Sol. IV, 6, wo von Quellen die Rede ist, qui
oculis medentur et coarguendis valent furibus, seit Salmasius auf die Palikenquelle be-
zogen. Aehnl. Prise. 467—69 und Isid. Gr. XIV, 6. Vgl. Mich. 30. 31, der die Münzen
von Menai mit dem Heilgott auf diesen Palikenkult bezieht. — lieber die Bedeutung
der Paliken muss Mich. 34— 54 nachgelesen werden; sowie ders. 61 — 67 über ihren
Namen, dessen alte Erklärung die Aeschyleische ist : ndXiv yag txova fx axorov rocT h
(f^aog. Michaelis bringt ihn mit palleo, pallor, zusammen und denkt an die weisse Farbe,
wie sie mehrfach im Alterthum schwefelhaltigen Gewässern beigelegt wird. Fr. Creuzer,
Symb. in (3) 815 ff. betrachtet die Palikenquellen als die Repräsentanten der inter-
mittirenden Natur der ätnäischen Grewässer. Vgl. Mich. 58— -61. Welcher, Les Paliques
Siciliens. Annales 1830 S. 245 ff. erklärt, auf ein Vasenbild gestützt, das er auf die
Paliken deutet , welche auf den Kopf ihrer Mutter Thalia hämmern, die P. als die
heroischen Vertreter des Schmiedehandwerks, ähnlich denKabiren. Ihm hat sichPanofka
Ann. 1834 S. 396 und Enc. von Ersch u. Gr. III, 10 S. 27 ff. mit weiteren Ausführungen
völlig angeschlossen. Es ist sehr zweifelhaft, dass das Vasenbild Welcker's wirklich die
Paliken zum Gegenstand hat. Vgl. gegen ihn undPanofkaWalzinPaul/s REV, 1080—82,
der noch L. Coco-Grasso, Riflessioni sopra l'antico lago dei Palici. Pal. 1843. citirt. —
Nach E. Krause, Die Paliken, in Gaea 1869, S. 198^204, sind die P. die »Personification
des Geysirphänomens«.
S. 77. Faunus Vater des Akis Ov. Met. XIII, 750.
S. 77. Der Demeterkult als aus Hellas nach Sicillen gekommen, betrachtet von
Müller Dor. I, 404 ff. K. Fr. Hermann, Gottesd. Alt. §68, 13. Die Herleitung von Megara
hat Müll. Dor. 1,406. Der Thesmophorische Demeterkult pelasgisch nach Herod. II, 171.
Für einheimisch in Italien hält den Demeterkult Henzen, Annal. 1848 S. 393. — Bei Pol.
Xn, 5 werden die Lokrer, die nach Liv. XXIX, 18 die Proserpina eifrig verehren, dar-
gestellt, als ob ihnen ftm^kv ndtgtov vnagxu (aus ihrer hellenischen Heimat) ; Über Hip-
ponion Str. VI, 1,5.— Münzen von Abakainon bei Mionnet und Leake. — Wenn die
Römer den j&ult der Demeter als einen wesentlich griechischen betrachtet haben, so
Holm, Gesell. Sieiltons. I. 24
1
^
370 Anhang 11. Belege und Erl&ateningen.
beweist «lies nur, dass er bei einigen italischen Stämmen meh^ «arttcktmt ; genbde wie
nicht alle Griechen die Demeter besonders verehrten.
S. 79. lieber die älteste Geschichte der Sikaner nnd Sikeler Diod. V. 8. 9.
Ffinftes Kapitel.
S. 79. Für dieses Kapitel sind die Untersnchnngen von Movers massgebend. Veigl.
bes. Mov. U, 2, Kap.7, S. 309 — 62. Wo ich von seinen Resultaten abgewichen bin, habe
ich die Abweichungen zu begründen versucht. Vgl. femer Gr. Ugdulena, Sulle monete
punico-sicule. Pal. 1857. 4., und P. Schröter, Die Phon. Sprache. Halle 1869. 8.
S. 79. Ursprung der Phönicischen Kolonien in Sicilien aus deu Fahrten nach
Iberien. Diod. V, 35 : dioneg Inl nolkov^ x^^^^^ ^^ ^P^ivmn ^to t% reccevri;; ifL7toQ{tcg
(nach Iberien) nolXiiv Ittßovtig avitia^p anotKütg nokXäs Anientlttv, retf fth tig Stxiliav
%al rag avreyyvg javjtf vi^Oövg , rttg Sk €U tifv Aißvi^w xa\ £iit^6vn xal rtf» *fßtiQ£Kv. —
Handelsstrasse an der sicilischen Küste .- Heliod. Aeth. IV, 16. — Schwierigkeit der
Umschiffung des C. Bon in der Richtung nach Westen: Barth, das Becken des Mittel-
meeres. Hamb. 1860. S. 14. — Dass Motye von Dionys erobert wurde, ist bei der bald
erfolgten Gründung von Lilybaion natürlidi kein Beweis gegen die S. 80 geäusserte
Ansicht.
S. 80. Thuk. VI, 2 : ^xow dk xol 4>olvac€g negl näüwf (ih ti^ ^txikidw, au^ag rc
^nXr^B^tXaaaim aitoiaßovtsg xal ra inuaif^eva vjjat^ut ifinogücg %vix€v t^c it^g tovg^txe-
loug' ixeidfi dk ol**ßlXijv€g 7n>lXol xatu ^aXaaoav InetginUüp , ixhttovjfg ta nleü^
MoTinpf xtd ^olotPTtt xal H^pog/nov iyyvg täp *ElvpM>y ^vpotxCaaVttg Mfiavto.
S. 81. Tamaricio s. Palma It. Ant. 87. Ob damit identisch 4>&£rti bei App.
BCV, 110?
S. 81. Katana Mov. TL, 2, 329; über ägypt. Spuren das. Bart. II, 307—9, sowie
Mi I S. 227 ; über Syrakus Mi I S. 311 und 315.
S. 81. Ueber Leontini Mov. II, 2, 328.
S. 81. Ueber Thapsos Mov. II, 2, 329. Schubring, Umwand. u. s.w. S. 443 leitet,
wohl nicht so richtig, den Namen von einer als Färbestoff gesuchten Pflanze ^^og her.
— Auch Taurus ist semitisch : Berg.
S. 81. Syrakus. Ueber das Fest an der Kyane Diod. IV, 23. V, 4. Dositheos
(Ar. 4 M IV, 401) bei Plnt. Par. 19. Ueber Opfbr von Verbrechern Hermann, Gott. Alt.
§ 27. Vgl. über Syrakus Mov. ü, 2, 325>~- 28, der noch zwei andere, von mir nicht für
treffend gehaltene Beweise für das Vorhandensein einer alten Phönicischen Kolonie auf
Ortygia beibringt. Erstens giebt es Münzen mit einem Kopfe ähnlich dem der syraknsa-
nischen und einer Inschrift, die man barat las und die Mov. als »Quelle der Insel« deutet.
Die Insel wäre Ortygia, wo nach Mov. 327 das Quartier der Phönicier war, die nach
seiner Meinung das Münzrecht besassen, das fremden Kauf leuteinnungen in den Städten
des Alterthums bisweilen verstattet wurde. Ich halte es zunächst für äusserst unwahr-
scheinlich , dass die Syrakusaner Fremde in grosserer Zahl auf Ortygia wohnen Hessen,
das die Burg der Stadt war, und wo zur BOmerzeit nur BOmer wohnen durften. Sodann
ist aber die Lesart barat keineswegs sicher. Man vergl. die ausführiichste Arbeit über
diesen Gegenstand in der Numismatique de Tancienne AfHque. Copenh. 1861. 4. T. 11.
p. 122—26. Hier werden die verschiedenen über diese Münzen angestellten Ansichten
besprochen, wobei nur die von Oavedoni im Bull. 1838. S. 158. 59 vertheidigte fehlt.
Dieser meint nämlich, die Münzen seien von den Karthagern geprägt worden, als sie in
der Verwirrung bei Timoleon's Ankunft in Syrakus 341 v. Chr. Herren eines Theiles von
Syrakus waren. Hiergegen ist zu bemerken, dass, da die Karthager gerade Ortygia nicht
inne hatten, nicht einzusehen ist, wie sie dazu kommen konnten, Münzen schlagen zu
lassen, die sich in Bild und Inschrift auf die Quelle von Ortygia bezogen. Die V6rf. der
Za Buch I, Emp. ^, Seite 70—83. 37 1
Nnmiani. de l'ano. Afr. kommen sh dem Reeoltate, dasB die Inschrift Überhaupt nicht
bjuat , sondern banst zu lesen sei nnd auf Byrsa, die Burg von Karthago, sieh besiehe,
dass die Münzen somit in Karthago geschlagen seien. A. Judas in der oben bei Heirkte
citirten in Ber. Numism. 1866. p. 21—32 geschlossenen Abhandlung erklärt, sich Müllers
Lesart anschliessend : Über dem Orethus ; die Mensen vfiren darnach panormitaniscbe,
und zwar aus Dion's Zeit, wie Judas annimmt. Wie dem auch sein mag, dass sie für
eine i^öuioisohe Kolonie auf Ortygia geprägt seien , ist nach dem Obigen nicht mehr
anEunehmen. — Ebensowenig wird die Existenz einer solchen bewiesen durch Herod.VII,
166, wonach Hamilkar fufftgd^ey ^v^qxoatoi ist, Und Diod. XIV, 46 (Ol. 95, 3), wonach
ovtc oK/t tth KoQxvfioviwip ^xcvr iv tatg £uQomovQais. Das beweist Ansiedlungen von
Karthagern in Synkus , aber nicht uralte phönieische Niederlasmingen, die sich bis in
die 95. Olymp, gehalten hätten.
8. 82. 4>o$vtxovtJUfi^ FUA. -^ Utlx^og Mov. II, 2, 324. 25.
3. 82. üeber Kamarina Mov. II, 2, 330. 31. Kam. in Babylonien nach Bus. Pr.
ev. IX, 17. MMfiK^ auch griechisch: GewOlbe. — Mov«rs fährt noch zwei Kultas-
beziehungen auf Münzen als setnitisch an : Die von einem Schwan getragene Frau, wo
aber das SesiitisGlie nieht naehweisbar ist, und eine Figur mit 4 Flttgeln und einem
Doppelkopf; iOier die Münzen mit dieser Figur werden jetzt nach Raoul^Boohette (Croix
ans^ p. 69} d^m phönioischen Marathus zugeschrieben. Sodann hat man in dem Kopf
en face mit ausgereckter Zunge auf ^äteren kamarinäischen Münzen eine Darstellung
des Mondgesichtes, und somit eine Hindeutung auf eine andere semitische Bedeutung
von Kamikr, Mond, gesehen ; aber jenes Bild, das Gorgohaupt, erweist sich durch den
Severe der Minzen, auf denen es vorkommt, die Eule (Mi S. I, 138. 140) zunächst als
Atheaesymbol , und die Münze Mi S. I, 137 mit GorgiAaopt, wo der Bevers eine Fahne
nebst phOnioischer Inschrift hat, dürfte eher Molye angehören, von dem es auch Münzen
mit Gorgokopf giebt. Bei dem Flussnamen "Slavic denkt übrigens Bergk zu Find. Ol.
y, 1 i an den babylonischen Gott Oannes.
S. 82. lieber Makara-Minoa-Herakleia Heiakl. Pont. 29. Femer St B. s. v.
'ü^tUiu und JM/y^o. Diod. lY, 79. XVI, 9 (Mty^a). Ob die kretischen i^ofMi. am Ende
nur die Syssitien wären, dw nach Ar. Pol. VII, 9, 2 auch die Sikeler hatten? lieber
Her. vgl. Faz. 157-^0. Gl. 266—69. Honel IV, 60. Sm. 216. D. 192, sowie Mov. II, 2,
116. 318. 331. Ugdulena p. 23 ff.
S. 83. Ueber die Selinuntischen Bäder Diod. IV, 78.
S. 83. Ueber Selinus Mov. II, 2, 332. Sei. auch in Kilikien den. S. 174. — A.
Judas in der Bev. Numism. 1865 8. 391 hält auch Akragas für phünicischen Urspniags.
Man konnte den Bergnamen T6^ (tftr Berg) dafür anfahren.
S. S3. Ueber Mazara (nach Boohart Grenze) Mov. II, 2, 333.
B. 83. Ueber Lilybaion Mov.U,2, 333. 34. Diod.XI,86 sind unter den Lilybäem
noch Motyäer au verstehen, da naoh Diod. Xill, 54 Lilybaion damals noch luoht
gegründet war.
S. 83. üf o r vif St. B. h. V. TroJUff ^»xfltof , rnnh MotwtifywttixosfATfrvanmis *HQaxliiJovs
nuQ»^aUtTtt9v. TS i»ttnot^ Motuamg, Sonst JMitr«iyM9c. Paus. V, 25, 5 verlegt M. fälschlich
an den Pftohynos. Ueber die Lsge von M. ist neben Diod. XIII, 54 besondere die Schil-
derung der Behigening durch Dionys DiOd. XIV, 48 ff. lehrreich. — Faa. 184 sucht M.
in den Buinen bei S^rrocavaUo an der zwischen der Isola deUe Femmine und dem C
Gallo gelegenen Bucht. BuonflgU versetzt es auf diese Insel selbst ; Valguamera in die
Nähe von Palermo überhaupt; Aretius nach Mondello üstlich von C Gallo (vgl. OL 309).
Cluver endlioh hat die Isola S. Pantaleo als das alte Motye nachgewiesen (312). M. lag
iirC Tiyoc rtioev, tijg £ik€ÄMcg änixovaa Qtndlov^ U, nach Diod» XIV, 48 ; es lag von
Psnormos aus hinter Eryz, da Himilkon, der in Panormos huidete , Iv na^^ £ryx
24*
372 Anbaiig 11. Belege und Erläatenmgeii.
nahm und dann bei Motye ein Lager aufschlug, nach Diod. XIY, 55; es lag endlich
dicht bei Lilybaion, nach Diod. XIII, 54, wo Hannibal, der, um Selinus zu erobern, auf
Sicilien landet, xaTeaTQanroldevaev ao^tefitrog ano tov (pQ^arog, o xtcr ixtitfovg fi^v tovg
xaigovg m^ofidCfro AiXvßauiv und rot; vavg h riß ne^l MQXvtfv xojbrfi ndcag Ivetihctiae^
und nach Diod. XIV, 50, wo Himükon neQinXiv^ag ttcqI tnv Advßautv ax^av afi ^ftigq
nuQTjv Inl Tfiv MoTvtfv. Allen diesen Bedingungen entspricht nur die Isola S. Pan-
taleo ; über Mannert's unglückliche, mit unverdientem Beifall aufgenommene Ansetzung
(Isola di Mezzo) s. Holm, Bettr. S. 28. — Ueber die Isola di S. Pan taleo yg^l.
Houel I, 16. 17 und PI. IX, wo ein Theil derselben abgebildet ist; Sm. 235. 36;
die Abhandlung des Herzogs von Luynes in den Annal. 1855. p. 92 — 98, begründet
auf Mittheilungen des franz(toischen Geologen Gtory , der den Damm fand , welcher die
Insel mit dem Festlande verband; D. 178. 79. Neuerdings ist hinzugekommen J. Scha-
bring, Motye -- Lilybaeum in Philologus XXIV, 1 , S. 49 — 82 mit Karte ; zugleich eine
gründliche Erläuterung der berühmten Belagerung. Schubring erwähnt zwei Thors,
eines im Korden, nach dem Damme führend, das andere im Süden : das Hafenthor; jenes
besteht aus zwei mächtigen, viereckigen Gebäuden. Er erwähnt femer einen Bau im
südwestlichen Theile der Stadt ; einen Wasseibehälter an der Östlichen Küste, worin die
Kanäle mfindeten , und einen andern im Norden. Die Nekropolis mit steinernen Sarko-
phagen befindet sich gegen Norden auf dem Festlande. — Die Vermuthung, dass die
beiden Inseln Borrone und Longa eins waren, ist bereits vom Herzog von Luynes auf-
gestellt worden ; Schubring S. 56 hat die weitere Vermuthung hinzugefügt , dass auch
Borrone mit dem C. S. Teodoro zusammenhing. Ableitungen des Namens : Boch. 560
Metuka protensa ; de Luynes : von einer Gottheit Mot, und dies Wort von tye (?), Intosua
fuit ; Mov. 334 von einem Stamme , der spinnen bedeutet. Vgl. auch Ugdulena p. 7 £f. ,
* der ebenfalls (nach Gesenius) die Bedeutung Filatojo annimmt, womit auch Sehrüder,
Phon. Spr. S. 135, übereinstimmt. Also »Spinnerei«.
S. 84. ndvoQfiog, 6, lat. Panhormus (~um PL lU, 90, aber nur wegen oppidum,
wie er auch flumen Elorum, Hirmininm, Symaethum sagt) Panormus. — ^ri;c, — €vg
St. B. — ita (Front. Str. III, 17, 1 Hdschr.), — itanus; die Gegend 19 navo^fujig Pol. I,
40. Denselben Namen führen nach der Aufzählung in Pauly's R £ V, 1125 Häfen: in
Achaja, in Kreta, auf Samos, in Attika, in E^irus (jetzt Palerimo), in Chalkidike, im
thrakischen Chersones; der Hafen von Ephesos; zwei Häfen in Karlen; ein Hafen in
Marmarika. Ableitungen des Wortes P. aus dem Semitischen, in denen Felsen eine Bolle
spielen (Tzschucke zu Mela H, 7, 16) scheinen nicht statthaft. Selbst Bochart hat hier
keine semitische Etymologie gewagt ; er meint, die Stadt habe Leptis d. h. a^fiog ge-
heissen. Mov. II, 2, 335—37 spricht über die Namen Machanat und Machoschbim, die er
als »Lager der Buntwirker« deutet, sowie er Kart Ohadasat, d. h. Neustadt, auf von ihm
für sicilisch-punisch gehaltenen Münzen als Bezeichnung der Neustadt von Panormos
nimmt. Man vgl. jedoch hierüber die Numismat. de l'anc. Afir. II, 80. 81, wo die be-
treffenden Punkte erwogen werden, und die Verfasser zu dem, wie mir scheint, begrün-
deten Schlüsse kommen , dass Kart Ghadasat Karthago , Machanat das Lager der Kar-
thager bezeichne, für dessen Sold das Geld geprägt sei (Judas in der angef. Abh. Bev.
Num. 1866 S. 29, nimmt dagegen Mahanot als Namen Karthago's und lässt die Münzen
beim Angriff der Stadt durch Agathokles geprägt sein); endlich, dass Mechasbim eine
Bezeichnung der Schatzmeister des Heeres sei. Zur Erklärung des Namens Panormos :
Diod. XXn, 10 (Hoesch.) I^x^vaa {Ildv,) hfiiwa xalkustw taSv xaret Zut^Uttv, dtp ov xal
Ttpf noUv au/Mßißrix€ tix^vxivai tamtig xiig nqogfiyoqiag, Eust. zu Od. XIII, 195 sagt:
.ndvo^fioi Xtfji^eg ot dy^ißticd'etg, €ig ovg did tovro näaa vavg xal iv navrl dvi^p o^filC^tau
Bei Diod. XI, 20 läuft die aus vielen Hunderten von Schiffen bestehende Karthagische
Flotte tig tov iv ttp HavoQ/jifp hfjiiva ein. Bei Faz. 193 ff. findet sich eine umständliche
Beschreibung des Palermo des sechszehnten Jahrhunderts, mit Angabe der Theile,
Zu Buch I, Kap. A, Seite. 84—85. 373
welche auf einem allmühlieh dem Wasser abgerungenen Grande stehen. Von den sici-
lianischen Gelehrten sind PiSne der Stadt Panormos mit seiner Alt- und Neustadt
(erwähnt von Pol. I, 38) gegeben; vgl. Inveges, Pan. ant. Tab. II, p. 39 und Tab. III,
p. 106. Die mittelalterlichen Nachrichten über die damalige Ausdehnung des Hafens, auf
denen die Yermuthungen über seine Ausdehnung im Alterthum beruhen, sind nicht ganz
richtig benutzt worden von Salv. Morso in s. Descrizione di Palermo antioo. Pal. 1824.
8. mit Tafeln, wie bemerkt ist von Amari, St. d. Mus. 11, 298, n. 1, welcher von S. 296 an
über Pal. nach der Schilderung Ibn Haukal's spricht. Vgl. dens. II, 68, n. 3; n, 157,
n. 3 ; n, 416. Da die irrigen Annahmen Morso's in andere Bttcher übergegangen sind, so
bemerke ich, dass, wenn Morso den südlichen Hafenarm bis zur Kirche S. Michele Are-
angelo ausdehnt , dies auf der falschen Deutung der Worte einer griechischen Urkunde
der Capella Palatina von Palermo beruht, wonach die Kirche S. Michaels sich befinde iy
T9 j<Sy Navnattitriaa^v fiov^j was nicht wie M. meinte, das Quartier der Schiffsarbeiter
am Hafen bezeichnet , sondern das Kloster der Frauen von Lepanto ; wobei nicht einmal
feststeht , ob sich die Urkunde überhaupt auf die Stadt Palermo bezieht. Nach Ibn
Haukal ging dieser Arm höchstens bis in die Gegend der Martorana. — Mit Fazell's Be-
richt kann man den allerdings sehr unvollkommenen Plan bei Cluver , nach S. 336 , ver-
gleichen. Vgl. Cl. 337-— 41. Sm. 70. 71 nebst Append. p. IV und V, sowie den ersten
Absehnitt von D. Vgl. auch Ugdulena p. 12 ff.
S. 85. Zokovs. St. B. h. v. noXig ZixeXiag (so Cl. Hdschr. Kihxtaig) ws'Bxajalosiv
EvQionij. inXr^^ Sk ävo ZoXovvjog xaxoS^vov, ov äviTXiv* H^axX^g, 6 noXicrjgSoXovvTiog xal
^oXowrivog fiixa vovv, xal JSoXowTivlg xal — Tidg, xai — rlq. Erwähnt Thuk. VI, 2. Diod.
XIV, 48. 78. XX, 69. XXIH, 1 (Hoesch.) Cic. Verr. H, 42. HI, 43 (Soluntini) . Plin. lU, 90.
Ptol. It. Ant. Tab. P. Vgl. Faz. 217. Cl. 343—45. Mov. II, 2, 337. Serrad. F. V, 60 ff.,
der bereits verOfiisntlicht hatte Cenni sugli avanzi dell* andco Solunto. Pal. 1831. Fol.
D. 142. Belaz. sui lavori intrapresi etc. p. 4— 10. — Ein Vorgebirge Soloeis in Afrika
erwähnt Herod. U, 32. Vgl. Ugdulena p. 10 ff. , der nach Münzen, welche einerseits die
Inschrift JoiLorrerof , andererseits die phönicische Inschrift Kfra tragen, Kafara (Dorf)
als den phönicischen Namen von Solus annimmt.
S. 85. Ueber Himera Mov. II, 2, 338. 39. Gr. Ugdulena hat p. 28 ff. Aja oder Ja
als den alten phOnicischen Namen von Himera durch die Münzen nachzuweisen gesucht
und A. Salinas stimmt ihm bei in s. Lettre i M. Ugdulena sur deux piöces d'argent por-
taut le nom Ph^nicien d'Himöra. Par. 1864. Extr. 'de la Bev. Numism., wovon noch die
Bede sein wird.
S. 85. Ueber Kephaloidion Mov. II, 2, 338.
S. 85. Movers rechnet auch Alontion unter die Phdnicischen Orte, sowohl wegen
der Etymologie, wofür er auf Bochart verweist, der es 569 als aluth d. h. celsa supp. loca
erklärt, als auch wegen des Vorkommens in der Aeneassage.
S. 85. *J[qßiXri St. B. "jiQßtjXa persischer Ort. Vgl. Mov. II, 2, 339. — "AfAu^al
St. B. s. V. "Afia^ri. Vgl. Mov. II, 2, 339. — Tabas Sil. XIV, 272 . et bellare Tabas do-
ciüs. Vgl. Mov. II, 2, 340. St. B. s. v. Taßai nennt drei Städte dieses Namens, in Ly-
dien, Karien und Peräa, und zuletzt als Bedeutung ayafhf^v. — Ueber Anne sei Mov.
II, 2, 340. Es kommt vor It. Ant. 64. Movers vermuthet auch dort Amesel. — Ueber
Bidis etc. Mov. U, 2, 341. — Ueber Maktorion Mov. II, 2, 340. Im Text lies Maktar
statt Muktar. — Ueber Moty ka Mov. II, 2, 340. Es ist wahrscheinlich gleichbedeutend
mit Utika, d. h. deversorium. — Ueber Inykon Mov. II, 2, 341 und 333. — Ueber
\4%iqtov St. B. h. V. und Mov. II, 2, 341. ~ Cena im It. Ant. 88. Mov. II, 2, 341 ver-
gleicht damit Kenat, Ort in Manasse. Num. 32, 42. ^'Elxi^iov Ptol. Mov. U, 2, 341
veigl. Hieron. Prol. in Nah. III, p. 1559: Elcesi usque hodie in Galilaea viculus. Har-
duin' (vgl. d'Orv. 63) und Andere nach ihm bringen es mit Echetla zusammen. Durch
Schubring, Selinus 43, erfahren wir, dass Helkethion vom Canon. Viviani zwischen
374 ' Anhang II. Belege und ErlSaterangen.
Mazzara and Campobello nachgewiesen ist, wo ein Feudo Eloesio ewtirt, mit antiken
Ueberresten. — Hierher gehört noch *jiaa(aQoe, vgl. von Eoy. II , 2, 341 mit ^^iftt^s
(LXX), "AaaovQos Ptol. V, 3 im Gebiete von Karthago, *Aaa^dO^ in lliaar. Caes. und
Ovaadga in Numidien (Ptol. V, 4).
8.86. Ueber Amestratos, Mytistraton, Kabala and Lanariumvgl. Mov.
II, % 342. Kdßula steht bei Diod. XV, 15; ad iumen Lanariam It. Ant. 88. — Ueber
Solasapro bei It. Ant. 98 ygl. Hov. 11, 2, 337.
S. 86. Ueber dieElymerThnk. VI, 2. Hellan. (fr. 53) bei B H I, 22. 8tr. Xm,
1, 53. Lyk. 953. 964 and daza Tz. Sery. za Aen. I, 550. Apollod. U, 5, 10, 10. An-
tioch. bei F^as. X, 11, 3. Bei Fans. V, 25, 6 heissen sie ^piV^^ ßtym. M. p. 383, 31.
Skyl. 13 nennt die "Blv^oi neben den TgiStCy ist also vielleicht der Ansicht des Hella-
nikos. D Hai I, 53 sagt: ditriUaav^EXvfioi xaXwfitvoi. TtgeeX)^ ya^ xard r^ d^iwatv
"EXvfiog ano tov ßaaiXixov yivovg mv. Aen. als Gründer von Segesü^ ausdrücklich be-
zeichnet von Cio. Verr. lY, 33, Verg. Aen. V, 755 tf. and Festim p. 340 ; daher auch
auf späteren segestanischen Münzen das Bild des Aeneaa. Eryx, König der Elymer
Apollod. n, 5, 10, 10. Vgl. oben anter Akestes and Aeneas. Bei Fans. V, 25, 6 woh-
nen in Sicilien Einige rov ^mxtxov yivovs. Sollte dies der Phokische Bostandtheil der
Elymer sein?— Ueber die Beihülfe von Leaten Fhi loktet's bei der Gründai^ von Seg.
Apollod. bei Str. VI, 1, 3. — Ueber das VerhäHniss des Herakles zu den Elymem
Diod. IV, 23. — Vgl. Mov. II, 2, 321. 22. — Nach D H I, 52 hat Aigestos n^ ml yi4wriy«r
x6h inixiOQ^w — also der Sikaner — gelernt. Nach dems. 53 hat Aineias seiner Mal-
ter, der Aphr. Aivttdf den Tempel iß^fiog) auf dem Eryx (er sagt Elymos) und die zu-
rückgebliebenen Trqjaner dem Ain. ein Uqov in Aigesta errichtet. — Ueber die asia-
tischen Elymäer sagt Str. XVI, 1, 18: 6 Jla^vaToc (Mithradates I) i^seoucry t« U^
nlovaia nag tc^roig, ffAßdlXei pt^ra dvt*dj^e9»g fniydXiig, xocl rd Tf rijs *Lä&ip>dg Uqov f £l€
xa\ to jiig 'AQtifJu^og tn ^ACf^Q«. Die Göttin, deren Tempel in Elymais Azara
genannt wird, hiess in Fersien Zaretis (Mov. I, 22) und Aine fMov. I, 627) ; am Eryx
wird sie von Lyk. 958 Zti^ivS-U und von D Hai 1 , 53 Ahudg genannt. — Von den Auflh
Wanderungen der Perser nach Westen Varro bei Fl. HI, 8 und PI. V, 46. — Bei Diod.
XX, 17 und 18 findet vi^h.* EXv^nag als Name eines libyschen Königs. Bemerkenswertfa
ist noch, wenn es sich um den orientalischen Ursprung der Elymer handelt, dass Thuk.
VI, 2 den Phokischen Theil der Elymer zuerst nach Libyen gelangen lässt. r- Von Kri-
misos als Hund sagt; Mov. 11, 2, 321, n. 34 : »ohne Zweifel eine Combination d^ Hunde-
opfer, welche im phönicischen Kulte üblich waren (Just. XIX, 1 , 10), und wekhe a^ieh
Lyk. 958 im Auge hat, wenn er die Göttin des Eryx mit dem Namen der Göttin von
Samothrake ZriQw^Cu nennt, welcher in der Zerinthischen Grotte Hundeopfer darge-
bracht wurden«. — Hund auf e. Münze von Selinus Torr. LXVI, 5. — An die asiatischen
Elymäer erinnert bei den sicilischen Elymem , wie ich erst nachträglich bemerkt habe,
auch Natale, Discorsi S. 147. — Ueber die Verbindung der Elymer Siciliens mit Li^tium
vgl. Rubino , Beitr. z. Vorgesch. Italiens S. 86. — Man könnte , anstatt an die inner-
asiatischen Elymäer, an die lyk i sehen Solymer denken, da ja Manches. auf einen alten
Zusammenhang zwischen Lykien und Sicilien hinweist : die I^yklopen , die Galeoten,
die Triquetra (vgl. Oh. Fellows, Ein Ausflug nach Kleinasien und Eutdeckuugen in
Lykien. Uebers. von Zenker. Lpz. 8. 417 und Taf. 32 u. 33), der Name Telmissos, der
wie einem Flusse der Elymer in Sicilien, so einer lykischen Stadt beigelegt wird (über-
haupt ist die Endung — aaog in Lykien, Karlen etc. häufig). Aber da das S deq Naipons
der Solymer ursprünglich ist, so müsste schon angenommen werden, daQB die Griechen
es, wie bei Segesta, weggelassen hätten. Vgl. übrigens Curtius G G I, 353 über Lykier
in Italien. Merkwürdig ist noch, dass die Endung des räthselhaften Segestazibemi auf
segestanischen Münzen an die Endung eme auf lykischen Münzen erinnert , welche Stadt
zu bedeuten scheint, nach D. Sharpe bei Fellows S. 432. Vgl. denselben S. 436. 37 i}^
'Zu Bneb I, Kap. &, S. 86^00. 375
die Troer in I^ykieii. Kiepert, Erläut. 9. SoholailiM, S. 34, aäblt die Elymer 2a den asia-
tischen Tyrrhenem. — In Makedonien finden sich Elimioten, die nach Str, JS,, 5, 11
eigentlich aufi Epiros stammen. — Grotef. IV, 4 iiagt über die Herkunft der Elymer :
»Nichtig hindert uns, unter Alybas (Hom. Od. ZXIV, 304) die Elymer zu verstehen , die
nicht, wie spätere Griechen fabelten, erst in des Odysseus Zeit aus Trqja wanderten,
sondern in Sicilien den Sikanem von Unteritalien aus vorangingen«. Ders. II , 9 : »Wir
mischten nicht sehr irreii, ^ei|n wir die Elymer für einen der Ulyrischen Stämme hielten,
die mit dQi\ Oenatriem schon früh nach Italien Qherset^ten«. Aehnlich schon Baoul-
fioch. I, 36S ff. — Die Eiymischen Namen in Ligurien. Der Fluss Enteila bei
PtoL, die Stadt Segesta Tignlliorum PI. III, 48. It. Ant. der Hafen Eryx Ptol. und
Amiius Yiterb. z^ It. Mar. 531. Ygl. Tafel XX des Atlas antiquus vpn Spruner-Menke.
Ich bin auf diese eig^ntbümliche Wiederholung elymischer Ortsnamen (auch ein Portus
Yeneris findet sich in Ligurien) erst durch die Schrift von Fraccia, Egesta e i suoi mo-
numenti. Pal. 1859. 4. aufmerksam geworden. Sollte es sich nicht auch hier, wie in La-
tium, um eine Yerpflanznqg des Apl^roditekults gehandelt haben?
S. 90. Segesta. ""Ey^axa Thuk. YI, 2. St. B. h. v. noUg ^txeXiag, hf&€i ^f^fia
vättja WS ^llmvj «Trp ^Ey^atov jov Tgwog, — atog tat ^rfXvxaig. Aiyeftxa Str. YI, 1, 3
und sonst. D Hai I, 52. 53. Diodor, bei dem die Stadt oft vorkommt, sagt "Eysara,
Z(Yia%a i|uf den ältesten MUnzen der Stadt, vgl. Mi I , S. 281 ff. , wo Ko. 635. 639. 643
Zay. haben. Wenn festuß p. 340 sagt pnieposita est ei S litera, ne obsceno nomine ad-
pellaretur, so meint er doch wohl, dass es die Römer gethan hätten. Bei 4-^1« Y H II, 33
beissen die Einwohner Aty^airaipi, Bei Plin. III, 91 erscheinen neben den Segestaui
noch Acestaei. Cio. Yerr. III, 36 Acestenses und lU , 40 Segestaui. St. B. hat ^Axiax^
noX^Q ^uuXCag xttl ^j^ytora , iffiQn jov ^dxiarriv» — mof, —aCtt, Hesych. *AxiOzaloi oxqi-,
ZiTuXi^ ox^f4ßTa und ox^i ^«cffTosfo;, intl al £ixtXixa\ iffiiovoi anovdcuoi' ifv ^l
"Axtarog ZixiXCag, Hiemach, und besonders nach Cicero, dem das meiste Gewicht bei-
zul^gcsii ;9t, scheint es wirklich, dass es eine kloine Stadt Akeste in Sicilien gab.
Ygl. Fax. 177 — 81, Gluv. 315 — 25, der 325 den Gedanken ausspricht, auf dem Monte
Barbaro habe nur die Burg von Segesta gelegen ; die Stadt selbst habe sich weiter ab-
wärts nach den heissen Quellen hingezogen. Ueber die Li^e der Stjidt Ser^a di Falco I ;
vgl. auch dM oben bei den Elymem angeführte Buch von Fraccia, der jedpch , wie es
scheint, die Monumente noch nicht im Zusammenhang behandelt hat. Yon dems. sind
seit 1855 (Bicerche ed osseryazioni fattc in Segesta. Pal. 1855) eine Reihe interessanter
Abhandlungen tlber Segesta erschienen. D. 149—52. Ygl. Ugdulena p. 37 ff. , wonach
der phSnicische Name der Stadt sich durch die phönicische Inschrift der MUpzen^^JZ
als Zejez erwiese, wovon Segesta eine Umwandlung wäre. — Das IfinoQiQv Z*«-
ytar^vtiv kpmn^(; bei Ptol. vor.
S. OO.^JBp i/|,o auch 4. St. B. h. v. noXts^ixtUas. ÜQaevixtag, ano*'Jßgvxas, jov ^Aff^o^C-
Ttjg xal BvtQu. -T^o^, xal 'Eqvx^vi) l^tfQoJiTr). Ael. YH 1, 15 : *ßQvxtvo(. Lat. Jlryx, -cinus.
Ueber die FormErycus s. o. S. 334. Erucius Eigenname bei Cic. Rose. Am. 13, 38 u. sonst,
vgl. Panly, B E II{, 1564, wohl von Eryx herzuleiten. Nach Pol. I, 55 liegt ^n avtiig
jf^q xoQv^^^, ovatj^ iniT^ä^ov, das Heiligthum dßr Aphrodite, ^ ^i npXtg vn avxriv %iflf
xpQPifitv tijw^Tfii, — Üeber ^ryi vgl. Faz. 174-76. Gl. 293 ff. Houel I, 14 ff. p. 159
— 162. Ygi- ftQOh Ugdulepa p. 41, der versichert, dass auf dßn ältesten Münzen der
Stadt sich die Inschrift Jruicaziib (an die Segestanischen Münzen erinnernd) finde. —
6 jtov ^EQvx(vfov Xifiriv Diod. XY, 73. xo 'Egvxivfav (finoQiw Diod. XXIY, 11 (Hoesch)-
Drepanon gegründet Diod. XXIII, 9. — D Hai I, 52. ^3 hat irrthümlich für ^E^vf
^EXvftog (Berg) und^J^Xvf4(( (Stadt) gesetzt, was Manche veranlasst hat, eine Stadt Elyma
oderHelyma anzunehmen, die von Ery^ verschieden wäre. Faz. 18|. 82 suchte sie in
Kuinen, die 2 Mill. vom Meeresufer auf einem Berge, nördlich von F. S. Gataldo sic|^t-
bar waren, wo Gl. 333—35 vielmehr das im It. Ant. vorkommende Parthenicum findet.
n
Anhang II. Belege und ErlSatemngen.
D. L44 setzt diese Ruinen oberhalb Sala di Partinico. Ob es vielleicht die einer älteren
sikanischen Stadt waren, z. B. von Krastos?
S. 90. "'s vre kl a nolig £txeUag*'E(po(}og ig\ — tvog St. B. £nt. als elymische Stadt
nicht von Thuk. bezeichnet, sondern von den Schol. und Tzetzes zu Lyk. 964 C^TtfXla,
Kach*'E0TiXXa, offenbar {\iT*'EvT€Xla) und Serv. zu Aen. V, 73, der als elymische, von
Elymus, princeps Trojanorum, gegründete Städte nennt : Asca, Entella, Egesta, wo
Asca an Ascanius erinnert; endlich andeutungsweise von Sil. XTV, 204: largoque
virens Entella Lyaeo Entella Hectoreo dilectum nomen Acestae. Verg. Aen. V, 387 ff.
hat den Faustkämpfer Entellus. Die Stadt Entella kommt vielfach bei Diodor vor, so
XIV, 9. 48. XV, 73. XVI, 67. 73. Vgl. Faz. 265. Cl. 465—69. Hoüel lU, 41. D. 245,
der es links vom Ostlichen Beiice setzt, nach der Karte von 1826, während die alten
Karten in Graev. Thes. I , die Karte HoueFs und von Neueren Parthey und Kiepert es
rechts vom westlichen setzen. Auch Amico s. v. Entella setzt es an das rechte Ufer des
Beiice. Jetzt haftet der Name an dem Berggipfel östlich vom Ostlichen Beiice.
S. 90. Mit dem Tode desMinosist noch zu vergleichen der Tod des Herakles auf
seinem Zuge nach Spanien, nach Sali. Jug. 18. Am. adv. nat. I, 36 (Mov. II, 2, 115).
S. 91. Kretische vofioi der Stadt Minoa gegeben nach Herakl. XXIX. Vgl. oben
unter Makara. Mov. II, 2, 318. 19. bemerkt über Minos und Daidalos in. Sicilien : «Wo
ihre Namen in örtlichen Sagen genannt werden , da finden wir nach anderen Angaben
bald Kreter, bald Karier, bald aber auch Phönicier, oder auch Philistäer«. Es ist sieher
kein Grund, die kretische Kolonie in Sicilien blos als »eine Erfindung zur Erklärung
des Namens der Stadt Minoa, welche eine spätere Anpflanzung von Selinus , und, dem
Hesychios zufolge, vielleicht nach einer Rebengattung , wie ^Afttvala oder Aminea bei
den Bömem, benannt war«, zu betrachten, wie Grotef. II, 21. 22 in theilweiser Ueber-
einstimmung mit Mann. 364 thut. Es muss der Kult der kretischen Mütter doch aus
Kreta gekommen sein.
S. 91. Die Ortsnamen auf Kreta nach Ptol. und St. B., der Kv6wta in Sicilien h^t.
S. 91. Ueber die naXaiaTrjveSv yri bei App. B C V, 117 s. o. unter "^Jßmawov.
Vgl. Mov. n, 2, 319.
S. 91. Ueber den Thurm Baych in Palermo Am. St. d. Mus. II, 303. 4. D. 35.
S. 91. Ueber die Zeit der Phönicischen Niederlassungen in Sicilien vgl. Mov.U, 2, 349.
Wenn Paus. V, 25, 6 sagt : ot <f^ *Poiptxeg xa\ JlCßueg aroXtii atfixovro ig t^ rrj<rop xoinp, xol
anoixoi Kag^ridovCtav tiaC, so darf dies nicht die Annahme hervorrufen, dass Sicilien erst
seit dem 9. Jahrhundert v. Chr. von den Phöniciem kolonisirt ist; Paus. (d. h. seine
Quelle) spricht zunächst von Motye, das karthagische Besitzung wurde, und ignorirt den
früheren Zustand.
S. 91. Pakonia, das nach Mov. II, 2, 364 dieselbe Bedeutung hat, wie Pachynos,
sollte ders. nur nicht für eine liparische Insel halten.
S. 91. Ueber die Aegaten Mov. II, 2, 364, der den Namen als Ai-Gader d. h.
Insel-Mauer, erklärt.
S. 91. Ueber Malta Diod. V, 12 nebst Mov. H, 2, 347 ff. Ueber die Weberei
daselbst Lucret. IV, 1126 (?). Cic. Verr. II, 72. 74. Hesych. s. v. Mihtala, Vgl.
Cl. 540, der zuerst die Deutung auf Baumwolle aufgebracht zu haben scheint; Mov.
II, 2, 354. 55, der jedoch, wie es scheint, die von ihm citirte Stelle Cic. Verr. IV, 46,
103 falsch verstanden hat. Werke über Malta stellt zusammen Parthey, Wanderun-
gen etc. I, S. 453 ff., unter denen ich hervorhebe : G. F. Abela, Descriz. di Malta. M.
1647. Fol. N. Ausg. von Ciantar. M. 1772—80. 2 Bde. Fol. Lat. in Graev. Thes. XV.
L. de Boisgelin, Ancient and modern Malta. Lond. 1804. 4. 3 Bde. frz. von A. Fortia.
Mars. 1805. 8. 0. Bres, Malta antica illustrata. Rom. 1816. 4. — Man vgl. auch
Houel IV.
Zu Buch I, K»p. 5, S. 90—96. 377
S. 92: Ueber die Maltesische Kolonie St. B. s. v. *ufxokXa noUs ^tßvt^g ov no^^m
täp ZvQt€tav. anoixot Milijuitov, Vgl. Mov. II, 2, 353.
S. 92. lieber die Zeit der Gründung der Phönicischen Kolonie in Malta Mov. II, 2,
349 — 52. Hier sagt M. : »Wahrscheinlich war diese älteste Anlage auf Malta aber nicht
unmittelbar von Sidon, sondern von dem sidonischen Karthago ausgegangen. Das lässt
die Sage schiiessen , wonach Anna sich nach Malta geflüchtet hatte , nachdem Altkar-
tfaago von dem Libyerfürsten Jarbas zerstört worden war«.
S. 92. Ueber Gaulos als phönicische Colonie Mov. II, 2, 359, der auch den phO-
nicischen Namen auf Münzen gefunden hat.
S. 92. Ueber Kossura Mov. II, 2, 360 — 62, der die Inschrift bei Gruter S. 297
citirt, wo im ersten punischen Kriege de Cossurensibus et Poenis erfochtene Siege er-
wähnt werden. Münzen bezeichnen sie nach ihm als die »Insel der Söhne« , was Movers
auf die phönicischen Kabiren deutet , sowie er den Namen Kossura aus dem des Haupt-
kabiren Chusor erklärt.
S. 92. Ueber Baal, Melkart, lolaos, Aristaios in Sicilien vgl. Mov, U, 2,
311 — 13.
S. 93. Ueber Here auf Malta^Mov. II, 2, 351. 52.
S. 93. Ueber die Kultusgebräuche auf dem Ery x Str. VI , 2 , 5. Ael. V H 1 , 15.
H A lY, 2. X, 50. Ath. IX, 394, wo es zuletzt heisst : oaoi ovv t6t€ (bei der Bückkehr
der Göttin) ne^tovaias tv ijxovai rtSv nsquilxiov tuto^owrai, ol 6k Xotnol xQOTaliQ[>vai fitra
ß[agäs. offi cT^ nag 6 tonog tot« ßovrvQOv, <p Srj rtxfirjQit^ /^cOlrT«» rijg 9-tlag inavo^ov. —
lieber die Tauben vgl. Houel I, 15. 16. Rubino, S. 85, n. 108, nimmt eine Entartung des
ursprünglich sittlicheren, nicht phönicisehen Dienstes der Aphrodite durch die Phö-
nicier an, nach Klausen , Aeneas I, S. 481. — Ueber das Aussehen des l^tyr Fraccia,
Egesta S. 26.
S. 94. Ueber Psophis Paus. VIII, 24, 2.
S. 94. Ueber Ljftf^ayocPlut. Tim. 12: *ASQttvov d-iov rtrog ri/mofiivov SiafpsQovrots
iv oltf StxBXltt. Ebendas. wird x6 66qv des Gottes erwähnt. Nymphod. bei Ael. H A
XI, 20, wo er Inix^Qwg dalfAtov genannt wird. Mit der Schilderung von den Hunden des
Adranos zu vergl. Ael. H A XI, 3 von dem Tempel des Hephaistös am Aetna und
dessen Hunden. Hesych. s. v. TlaXwoL Vgl. auch Diod. XIV, 37 CjidQ,), A. auf Münzen
von Messana Eckhel D N I, 1, p. 190 ; Mi I, S. 259, wo man sieht, dass er geradezu den
Ares vortritt. Ein ^jidqavulov auf der grossen Inschrift von Alaisa C I Gr. no. 5694. —
Ueber Adar oder Azar Mov. I, 340. Ueber Hundeopfer Mov. I, 405. Ueber den in den
Wäldern umherstreifenden Dionysos Plut. symp. IV, 5, 3, vgl. Mov. I, 383 und Serv.
Aen. X, 763. Ueber die Sakäen Mov. I, 480 ff. Boch. 584 sagt: Videtur Adranus
nomen esse dei Syrii vel Phoenicii, quäle compositum Adra-melec idolum Sepharaeorum.
Erst mehrere Jahre, nachdem ich den Adranos Siciliens mit dem orientalischen Adar,
dessen Wesen mir aus Movers deutlich geworden war, in Verbindung gebracht hatte,
fiind ich dieselbe Herleitung in Bochart's Werk, das ich bis dahin nicht benutzt hatte.
Vielleicht kann dieser Umstand, der das Ungezwungene einer solchen Herleitung zeigt,
eben deswegen eine Empfehlung für sie sein.
S. 95. Ueber die Identität Nimrod's mit Orion Mov. I, 473. Nimrod ist griechisch
iVf/9p<ocr, s. Mov. 1,471.
S. 95. Die im Text angegebene Ansicht von der Triquetra hat Mov. I, 189 auf-
gestellt, der (jesen. Mon. Num. T. 23 citirt. Ich werde von der Triquetra später ausführ-
lich sprechen. — Ueb. d. Verfass. v. Malta Mov. II, 2, 357. 58 nach C I, no. 5752.
S. 96. Ueber die Beschäftigungen der Phönicier Siciliens spricht Schubring in s.
Abhandlung Motye-Lilybaeum S. 50. 51. — Noch Epicharmos (bei Ath. VII, 320) er-
wähnt die yavloi <i>oivixixoi, offenbar als wohlbekannt in Syrakus.
378 Anhang U. Belege un4 ffrlHat^ntngen.
Sechstes Kapitel.
S. 97. lUn vgl. über diesen Gegenstand : Die vorhietorischen Bauwerke in Sicilien
und deren Erbauer. Ein Sendscbrelben an lim. £. Desor. Von Dr. 0. Hartwig. Beil-z.
AugBb. Allg. Zeitg. yom 20. und 21. Febr. 1866.
S. 98. Ueber die Ueberreste auf M a 1 1 a und Go a z o ygl. Houel IV ; und über Malta
besop^en Kunstblatt 1841 No. 5^. Bullet. 1858. 8. 74—76 und lUustrated Lond. News
1868, Nov. 21, wo vier Gebäude hervorgehoben werden, von denen zwei, Hadschar Kam
und Mnaidra, dieci beim Dorfe Krendi, 1839 untersucht sind. Beigegeben ist eine AbbU-
düng der Hnaidra, sowie eines der inneren Heiligthttmer, bemerkenswerth durch dje mit
runden Löchern versehenen Steine, bei denen man an die Honigscheibe des Dudalos
erinnert wird. Die Society of Archeology Malta's sorgt für die Untersuchung der Monu-
mente. — Ueber Grozzo insbesondere W. H. Smyth, Notice of some remains at Gozzo ;
Archaeologia. Vol. XXII, p. 294. PI. 26-^8. L. Mazzura, Ten^ple ante-diluvien dit des
G^ants, dans l'tle de Galypso. Paris (1827). Fol. (mit 17 Tafeln. La Marmora in den
Nouv. Annales de Ilnst. arch. I, 1 ff. Gailhabaud, Denkm. Lief. 4, endlich £. Gerhard,
Die Kupst 4er Phoenicier. Berl. Ak|td. 1846, und wieder abgedruckt in Gerhard's Ge-
sammelten Abh. Bd. 2. Berl. 1868. 8. S. 1—21 und S. 533—35.
S. 99. Ueber Baai-Chamman Mov. ü, 2, 351. Münze von Gauloe Gerh. Taf. 43,
No. 9. 10.
S. 99. Ueber das Monument von Sparano sagt Hartwig, daas die 5 Steine in
Zwischenräumen von 3,7 M. stehen. Die Basis der Säulen (?) ist Q,7Q M. lang und
0,60 M. breit ; die ursprüngliche Höhe lädst sich nicht mehr bestimmen; das längste Stück
ist 1,40 M. hoch. Eine bequeme Treppe führt zu den 3 Bäumen, von denen der erste
2,40 M. lang und breit und 1,70 M. hoch ist; rechts führt eine Thür in ein Gemach von
1 ,70 M. Höhe und 6,80 Länge und Breite, gegeuüber links ist ein ähnliches, dessen Unke
W^nd die Schrifltzeichen trägt. — Nach d^m im vorigen Kapitel Mitgetheilten ist es
nicht iiüthig, mit Hartwig wegen der Entferiiupg von der Küste das Monument den
Pbüuiaienii abzusprechen.
Si. 99. Ueber das Mauerwerk von Macara Houel HI, 123 ; von Caatronovo ders.
III, 50; von Prefalaci IIJ, 22. Dass sich Aehnlichea auch bei älterep hellenischen
Mauern findet, darüber Pauly B £ V, 247. — - Nach A A Ztg. 1868, Jan. 25 hat Cavallari
im J. 18^7 die Ueberreste vonlCastronovo's alter Stadt gemessen und gefunden : Umfsug
der Stadt 5545 A(., die Mauer 1990 M. lang und fa^t ß ^, breit Die Stadt siOieiat 3 Ab-
theilungen gehi^bt zu haben ; in der ös^ichen fanden sich Spuren eines Tempels.
S. 100. Sogen. Pelasgi sehe Mauern. Cefalä. Houel I, qnd besonders C F.
Nott, Avanzi dl Cefi^lü, Annal. 1831. S. 270-87, nnd dazu Monum. T. XXVUI. XXIX.
Nach N. haben vor ihm beson4ers Wood und Hittorff das Gebäude be<H$htet. Vgl- auch
b. 266. Ueber dje Stadtm^^uem von C. Houel I, 94; D. 261 ; Cavalh^ri, Syrakus 5 und
Jacob 93, der Bifcari 241 dtirt. — Ery x. Von den Manem der Stadt D. 161. Houel 1, H
spricht von einem Mauerstück qui soutient des terres vers un angle de rocher, WPU^i^
mal) vergleich^ Ml^u Piod. ly, 78 : ^dtta^evaatv (o /iai^ttXos) in aifrov jov xgmivov
TOi/ov , TiQoßißaaag nagaöo^iog to vniQKilfievov, Houel erwähnt auch \d pqits de y6ni49'
Vgl. D. XXVIfl und 160. Bädetcer's Ha^dbuch über Italien HI ^ 265 (Hartwig?) sagt:
»Von dem Venustempel ist Nichts übrig , als Mauersubstructionen im Castell , der sogen.
Ponte del Diavolo , der sogen. Venusbrunnen im Garten des Pastells, eine antike 3V2 1^-
breite und 7 M. tiefe Oisteme. Von den Mauern der Stadt sieht man zwischen der Porta
Tn^pani un4 I^a Spada ui^ter der heutigen Stadtmauer bedeutende. Ueberreste upgeheorer
Werkstücke in gleich hqhon Lagen Über einander. Der Eingang war offenbar zwischen
M. di Quartiere und P. La Spada, wo man im Innern der Stadt noch rechts die Mauern
SSu Buch I, E«p. 6, S. 97-101^. 379
des Anfi^ngs yerfoJgen kaan«. — Colleflaxio. Sni kvori intraprefii etc. S. 13. — OatfWM.
De Slmyre I, 352, wonach ßs zum Oerestempel gehörte; vgl. D. 400. Alessi, Stör, di Sic.
I, 23, wonach es nicht ans der ältesten Zeit ist. — Marza. Houel III, 125. Forlnn 113. Die
{bigenden nach Honel m, 125. Lipari. Sm. 2^4. Bädeker m, 233 CFW^hnt noch lOiiesen-
banten anf dem Monte Artesino«.
8. 101. Beispiele d^r ältesten Art des Wölhens in Akra! Parth. 146. Akragas Houel
I¥, 40 nnd PI. 233.
8. 101 ff. Groften. (Es kannte sein, dass eine oder die andere der hier anfgezühltea
nicht in die eigentlich hier zn berücksichtigende Klasse der Ddieri gehörte.) Htindnng des
S. CataldoFaz. 181.-8. Ninfa. Schnbr. Kamikos 150. ~ C^ltabellottaAmariSt. d.Mns.
1, 311 nach Oavallari nnd ausführlich Schubr. Kam. 145. 149. 150. 152. — Zwis<ihea Siou-
liana und Cattolioa Houel IV, 62. — Bei Raffitdale H. IV, 60. — Le Grotte H. IV, 57. —
Naro H. iV, 56. — Pietraperzia H. HI, 56. ~~ Bei Misilifoesi und Sambuca nach Schu-
Inring's mündlicher Mittheiiung. — In Gastrogiovanni H. HE, 54. Buss. 218. 13. Par^h.
131. -- Oahiscibetta H. IH, 52. — Asaro H. III, 37. — SperHnga H. IH, 38. -r Nicosia
H. m, 36. — Begalbuto H. IH, 35. -> Zwischen Bronte nnd Malelto Am. I, 311 nach
Cavallari. — Zwischen Piazza und Caltagirone Am. I, 336 Anm. — La Rocca H. lU, 57.
— 8. BasiHo. M. di Manro, Sul colle di S. Basilio. Catan. 1861. 8. 8. 62. 63. — Mineo
und Militello H. HI, 60, der auch ebendaselbst von S. Basilio spricht. — Bei Lieodia nnd
Vizzini Am. I, 311 nach F. Bourquetot, Voyage en Sicile. Par. 1848. — Lentini H. IH,
63. Bnss. 304. — La Bruca, Cava Diavolo d'opera und Timpa H. HI, 67 ff. — Am Mo-
linello Schubring, Umwand, des meg. Meerb., S. 462. — Am 8. Gusmano Schubr., Um-
wand. 446. — Magnisi ders. 442. — - in der Gegend von Palazzolo H. HI, 112. Schubr.
Akne. — Bei Occhera Buss. 240. — Bei Buacemi H. HI, 114. — Cava von Spinpinatus
H. m, 115; de Sayve I, 250. -- 8. Lueia H. III, 117; de 8. 1, 260. — Houel spricht
femer IH, 116. 17 von Grotten bei Mezzo Gregorio und HI, 118 von denen von S. Marco.
— Von den Grotten des M. Pineta, Schubr. Akrae 669. 70. -^ An der Strasse vcm Pa-
lazzolo nach Syrakus Schubr. Akr. 663; Houel HI, 111. — Bei Ferla Am. I, 311.
Sehubr. Akr. 669. — Bei Sortino und Pantalica Graset U, 340—45. Am. I, 311. Schubr.
669. D. 365. 66 ; über die Grotta della Meraviglia in Pantatioa Ferrara, Oampi Fl<^^i
80. 81. — Plemmyrion Schubr. 669. — Cava grande H. IH, 119. ~ Am Ufer H. IH, 120.
— Cava d'Ispica, wo Faz. 260 nur magnae ruinae eines Ortes Tspa nennt, den Silius er-
wähne. H. III, 126 und IV, 1 ff . St. Non X. 69— 75 ; de 8. L 249. 50. Parth. 151— 55.
D. 320. 21, der ausser der Spezzieria noch die Chiesa, die Larderia, die Spelonca grossa,
die Grotta del corvo, und die Gr. del vento anführt, und nach dem das Oastello an der
eastem entranee ist, während dasselbe sieh nach St Non X, 72 in der Mitte des
Thaies befindet. - Stafenda H. IH, 126. — Scicli H. IV, 11. — Auf Malta H. IV,
PI. 264.
3. 105. Als Wobnungen sind die Grotten au^efasst worden von Smyth 190.
Troglodyten in Libyen Herod. IV, 183; in Sardinien Diod. V, 15; auf den Balearen
Diod. V, 17. — Vergleichungen aus Frankreich geben Houel IV, 2 ; de 8. 1, 247 nnd 402 ;
Journal pour Tons 1864. Nov. (Semur an der Loire). — Mit den Kappadokischen
Höhlenstadten am Fnsse des Argaeus vergleicht die Grotten von Ispica J. Braun, Gesch.
der Kunst II, 519; vgl. dens. S. 115. — Mit Entschiedenheit für Gräber werden sie
erklärt von Abeken , Mittelitalien ^. 254 ; Urliphs, Ueber die Gräber der Alten N.
Schweiz. Museum I, 3, 163. D. 320. 21. — lieber die etruscischon Gräberfa^aden
Kugier E G (2) 253. — Die Nachrichten über die Kleinheit der von ihm besichtigten :
Schubring, Akrae 670, der auch citirt: Gaet. Italia-Nicastro, Ricerche per Tistoriadei
popoli Acrensi anteriori alle colon. Ellen. Mess. 1856, wo von den Ddieri gehandelt wird ;
femer Schubr. Kam. 151 , wo folgende Masse angegeben werden. Die kleineren sind
0,68 M. breit, 0,8S M. tief, 0,70 hoch ; die mittleren 0,80 M. breit, 1,45 Af. tief. 0,90 M.
380 Anhang II. Belege und Erlänternngen.
hoeh; die grosseren 1,85 M. breit, 1,80 M. tief, 1 M. hoch; die grOssten 2,10 M. breit,
1,95 M. tief, 1,60 M. hoch. Die Eingangsschwellen 0,12—0,20 M. Die Thttrbrüstuiig ist
manchmal 0,70 M. hoch, während die Thüröffhung darttber 0,00 M. HOhe hat. Die G-rot-
ten bestehen entweder aus dnem in die Bergwand gehauenen EUdbkreise, wo alsdann der
Durchmesser desselben die Thttr darstellt , so die meiste im Berge Finestrelli bei S.
Nin&, oder sie haben eine Yorderwand mit einer Oeffhang darin , so die vom Berge Pi-
neta bei Akrae. D. 321 betrachtet sie als originally constructed for the pnrposes of se-
poltnre by the Greeks or other early pagan inhabitants of Sieily. Nach Sohubring669ge-
.hören sie »wahrscheinlich der vorgrieohischen sikanisch-sikelischen Periode« an.
S. 106. Ueber die mit Steindeckeln geschlossenen Gr&ber im Boden Gerhard in
den Annali 1835 S. 31 ; Aber die neueren Entdeckungen solcher mit Skeletten Schubr.
670. 71 nach brieflicher Mittheilung des genannten Dr. Gaet. Italia-Nicastro.
S. 106. Ueber die Nekropole bei Palermo vgl. Serra di Falco, Intomo alcuni
sepolcri di recente sooperti in Palermo. Lettera al Prof. Gerhard. Pal. 1834. 8. — Von
den noch sichtbaren, 1785 entdeckten Gräbern vor der Porta d'Ossuna spricht D. 109,
sowie 106 die bei der Gründung des Albergo de' Poveri vor der Porta Nuova 1746 ent-
deckten Gräber erwähnt werden. Maggiore im Bull. 1833 S. 45 citirt einen Aufsatz Tor-
remuzza's in der Antologia Bomana XII, nach welchem auch eine phönicische Inschrift
dort gefunden wurde.
S. 106. Ueber das Bundgebäude bei Sparano Schubr. Akrae 670, wo es als
eine Art ^Xog bezeichnet wird. Aber ist dies Gebäude vielleicht identisch mit dem oben
nach Hartwig ans Sparano beschriebenen?
S. 106. Ueber die Mauer im Thale des S. Gusmano vgl. Schubr. Umwand. S.
444 ff. Wenn ders. 445 das gegenwärtige Werk den ROmem zuschreibt, so erfahren wir
dagegen aus Faz. 86, dass der lacus quadrato lapide ad piscium capturam a Friderico
seonndo Oaesaro ezstructus ist. Es ist also nicht sicher, dass ein älteres Werk vor-
handen war. Die Stellen der Alten über die xolvfißii&Qa sind Diod. IV, 78 und Vibius
s. V. Alabis.
S. 107. Ueber die Grotten von S. Calogero bei Sciacca Houel I, 33 auch PI. 24;
Sm. 218. D. 190. 91, zu vergl. mitDiod. IV, 78.
S. 107. Ueber die vielen ganz unterirdischen Grotten, besonders im westlichen Sici-
lien spricht Schubring in seiner Abh. Motye-Lilybaeum S. 75. Er erwähnt, dass eine
derselben, die Grotte del Tore, nach der Behauptung des Volkes sich von Marsala nach
Mazzara (über 3 geogr. Meilen) erstreckt, und fügt hinzu: »Ohne solche Erzählungen
sofort anzunehmen oder zurückzuweisen, bemerke ich, dass sie Einem Überali in Sioilien
begegnen , und dass ich in der ganzen westlichen Hälfte der Insel kaum einen Ort be-
rührt habe, wo man mir nicht die wunderbarsten Dinge von gewaltigen, natürlichen oder
künstlichen Grotten unter der Erde erzählt hätte. Vieles mag übertrieben sein ; erwägen
wir jedoch einerseits , dass Gyps und Kalkstein sehr höhlenbildend sind , sodann , wie
Ungeheures Sikaner, Syrakusaner nnd Akragantiner in unterirdischen Arbeiten geleistet
haben, so mag man solchen Berichten nicht allen Glauben versagen.«
Zweites Buch.
Erstes Kapitel.
S. 108. Thuk. VI, 3 sagt bestimmt: ^EkXifvuw ngmot XaXxiirji i^Evßoius TtXtvaavtt^
jiiirä Bovxliovg oixtatov Nd^ov ipxtaav.
S. HO. Die Fahrt nach den Kassiteriden verhindert duroh die Phönicier nach Str.
III, 5, 11. — Ueber das Abschrecknngssystem, das die Phönicier in Bezug auf andere
Nationen befolgten : Mov. n, 2, 40 ff.
1
Za Bach H, Kap. 1 n. 2, S. 106-~116. 3S1
S. 11t. He8iod*8 Bekanntschaft mit der Peloria Diod. IV, 85; mit dem Aetna und
Ortygia Str. I. 2, 14.
S. 111. Kyme, anfangs anf der Insel Ischia nach Liv. YIII, 22 ; während nach Str.
y, 4, 9 die anf Ischia sich niederlassenden Chalkidier nicht gerade dieselben zu sein
brauchen, vie die, welche Kyme gründen. — Zeit der Gründung nach Sync. 340, 13 und
Hi6nm3rmus ; die versio Armenia hat die Notiz nicht. Veli. Pat. I, 4 ; Str. V, 4,4. Kie-
pert, Erläut z. Schulatlas, S. 34 nimmt an , dass die frühe Gründung von Kyme von den
asiatischen Tyrrhenem ausging, und dass die Chalkidier erst, nachdem sie sich auf
SiciHen niedergelassen, hinkamen.
S. 112. Kymäer Seeräuber Thuk. VI, 4. ~ Merkwürdig ist übrigens, dass Aristaios,
Daidalos und die Thespiaden auch zu Kyme in Beziehung stehen ; vgl. Grote II, 279 ; da
Überdies nach Str. V, 4, 4 dort guter Fischfang war, so konnte man auch eine alte phöni-
Ciaehe Ansiedlung an diesem Vorgebirge vermnthen.
S. 113. I>ieSageyonTeimissosundGaleotesSt.B.s.y. /'«Acwrcri. — Galeotes
ist die durch Schubart in den Text des Stephanos gebrachte Form ; sonst wurde Ghileoe
gelesen.
S. 113. Die Göttin Hyblaia bei Paus. V, 23, 6 kOnnte nach der oben aus Hybla
angeführten Inschrift Aphrodite sein.
S. 113. Aetolier nach Sicilien Nikandros bei Schol. Ap. Rhod. I, 419.
S. 114. lieber den Anapos in Akamanien s. o. S. 340.
S. 114. Ortygia in Aetolien nach Schol. Ap. Bhod. I, 419. Schol. D. IX, 557.
S. 114. Cultus der Artemis lelegisoh : Deimling, die Leleger 165 ff. — Leleger in £Us
Deiml. 141.
S. 114. lieber die Arethusa sagtCnrtiusGGI, 355: »die Sage von der durch'sMeer
wandernden Quellnymphe ist Nichts als ein anmuthiger Ausdruck für die Verbindung
entlegener Plätze, an deren Uferquellen die chalkidischen Seeleute zu opfern und ihren
Wasseryorrath einzunehmen pflegten.« Müller, Dor. I, 117 findet dagegen in der Arethusa
nur die Verbindung mit Olympia angedeutet. Bäthselhaft sind die bei Paus. VII, 24, 3
angedeuteten Beziehungen zwischen Aigion in Achi^a und der Arethusa. Dort war ein
ZmrriQCag Uqcv , von dem erzählt wird kafißarovraf naga tiis ^€ov niftfiata int^m^ui
S. 114. lieber das akamanische Gv^iov oder Gov^tov Bursian Geogr. y. Griechenbind
I, 112.
S. 115. Dass Panormos yon Griechen gegründet sei, nahm schon Gluy. 339 an.
S. 115. lieber den Kult der Afi^T/pcc Diod. IV, 79. 80. — Ein Zeugniss für sehr alten
Verkehr zwischen Sicilien und dem Osten giebt das Vorkommen yon ifinoQot etg ZtxtXiav
nUovreg bei Diod. Exo. de yirtt. et yitt. VI— X.
Zweites Kapitel.
S. 116 ff. Zeit der Gründung der ersten Hellenischen Kolonien auf
Sicilien. Es liegt uns hierüber einerseits der Bericht des Ephoros yor bei Str. VI, 2, 2
und Skymn. 270 ff. Nach Jenem fand der An&ng der Niederlassungen Statt : uai ty
yetfi^ /ufra rä T^tomäj bei diesem ano tiov Tgtouimf Sexatij yivi^ furd rat/T«. Das sinn-
lose «al rgl ist emendirt worden in n^vti%ai$€xdtr^ yon Cluver, der auf diese Weise
Ephoros in üebereinatimmung setzen wollte mit der gewöhnlichen Annahme, dass ca. 734
die ersten Niederlassungen Statt gefunden hätten. Denn, die Einnahme yon Troja, wie
gebräuchlich, auf 1184 y. Chr. gesetzt, und eine yivid zu 30 Jahren angenommen, kom-
men wir mit 15 y^v, nach dem Trojanischen Kriege auf 734. Aber wie kam dann Sky-
mnos auf 10 yivtal'k Deshalb hat Scaliger yorgeschlagen , auch bei Strabon Sexarrj ytv.
382 Anhang II. Beleg« und ErläatonUigen. .
zm lesen, wogegen Cluver 45 Termathet, dass bei Skymnoe (statt ^amt^f yi^eq fuxa
ravta zu lesen sei <f. y. fietä Ti^yrs. Es ist, wie man sieht, mit diesen Berichten Nichte
zu machen. Denn wenn wir 10 yiv. festhalten nnd die Einnahme von Troja 1184 setzen,
so fiele die Gründung der ersten Niederlassungen in Sioilien 884 v. Chr., was nicht wohl
annehmbar ist, ob sich gleich eine Möglichkeit der Erklärung und eine chronologische
Beaiehnng finden liessen. Jene besteht darin, dass nach der gewöhnlichen Annahme die
Gründung von Syrakus auf die Einrichtung der bakehiadisohen Aristokratie in Korinth
(ca. 740} folgt; sie würde dann vielmehr dem ersten Aufkommen der Bakohiaden über-
haupt (ca. 880) gefolgt sein ; diese in dem Umstände, dass nach Einigen (Olem. Ai. Strom.
I p. 337 cit. von Grote I, 433) die Einnahme von Troja in's Jahr 1334 v. Chr. fiel , looo
Jahre vor dem Zuge Alexander's naoh Asien, ebensoviele Jahre vor 1184 wie 884 vor 734.
Wenn freilich Ctem. AI. 1. 1. Beeht hatte au sagen, Ephoros setze die Zerstürung Trqja's
735 Jahre vor den Uebergang Alexander'a nach Asien, so hätte nach ihm jene Begeben-
heit 1069 V. Chr. Statt gefunden nnd dann wäre an 15 yiv. nicht mehr zu denken; 10
würden besser passen : 1069 — 300» 769. Wie dem jedoch sein mag, man kann nicht mit
0. Müller, Dor. I, 123, n. 2 sagen : »Megara gegründet im selben Jahre mit Naxos Ol. 11,
3 naoh Ephoroe« da 11, 3cs734 sich fär Ephoros eitst ans der Coige^iiur mvzsxaiJwiwy
yiv. verbunden mit der willkürlichen Annahme, dass für Ephoroe 1184 das Jiüir der Er-
oberung Troja's war^ ergiebt.
Andere Nachrichten weisen bestimmter auf die Mitte and die zweite Hälfte des
achten Jahrhunderts v. Chr. als den Beginn der heUenisohen Niederlassungen auf SidUeo
hin. Den zusammenhängendsten Bericht über dieselben giebt unter den hier in Betracht
kommenden Schriftstellern Thukydides, bei dem nur zu bedauern ist, dass er die An-
fangspunkte nach denen er alles Uebrige bestinunt, die Gründnngsjahrs von Nazos und
Syiakns, nicht genau fixirt hat. Etwas sicherer läset sich aus Thukydides bestimmen,
wann Megara gegründet wurde ; da er aber gerade bei Megara nicht genau angegeben
hat, wieviel Jahre nach Naxos oder Syrakus es angelegt worden ist , eo hilft uns das
Gründungsjahr Megara's im Ganzen wenig für die Datimng der übrigen Niederlassungen
in Sioilien. Hierbei sind Notizen andere alter Schriftsteller über Thatsaehen qMiterer
Zeit, die von ihnen nach dsx Gründung einzelner Städte datirt werden, von Nutzen; aber
leider ergeben diese Notizen nicht dasselbe Besultat. So lassen uns die eigeotUchen
Historiker ziemlich im Stich. Direkte Angaben , wie wir sie wünschen müssen, finden
wir nur in zwei rein chronologischen Werken, dem Marmor Parium und dem Eusebios.
Allerdings weichen auch diese Beiden wieder anter einander ab ; aber es tritt hierbei der
eigenthümliche Fall ein, das diese Differenz dieselbe ist mit der soeben erwähnten zwi-
schen den Nachrichten, die einige alte SchriftsteUer gelegentlich und annähernd geben,
eine Differenz, die sich auf die abweichende Ansetzung eines Hauptpunktes der ältesten
Geschichte Griechenlands zurückführen läset.
Die einzelnen Nachrichten, um die es sich hier handelt, sind nun folgende :
Nach Thukyd. VI, 3—5 ist gegründet werden ;
Zuerst Naxos.
1 Jahr nach Naxos : Syiakus.
5 Jahre nach Syrakos : Leontini» Katana.
ita%d xhuf nvtw %q^ov kommen die Megaier unter Lanie, gründen lYotih» , wohneu
mit den Chalkidiem in Leontini, gründen Thapsos und endlich Megara Hyblida.
100 Jahre nach der Gründung von Megara gründen die Megarer Selinus.
45 » » » • » Syrakus wird Gela gegründet.
108 » tt » » » Gela » Akmgas »
70 » » » » » Syrakus » Akrai »
20 » « » » » Akrai » Kasmenai >•
135 »» » » » Syrakus » Kamarina »
Zu Buch n, Kap. 2, Seite 116. ' 383
Sndlioh sagtjThtikydides noch, dass die Megarer aus ihrer Stadt durch Geloti ver-
trieben wurden, nachdem die Stadt 245 Jahre i)e8tanden hatte. Jene Vertreibung ist nun
allerdings nicht genau zu fixiren ; aber da Gelon erst 485 v. Chr. in Syrakus zu regieren
anfing, so kann sie 483 Statt gefunden haben. Dann wäre Megara 728 y. Chr., vielleicht
727 gegröndet. Da aber Thnkydidea die Gründungen der Megarer nur mit dem allge-
meinen Ausdrucke xata x<w avtw X9^^ &i^ ^i^ Übrigen knüpft, und mit diesen , insbe-
sondere der von Syrakus, alle anderen Datirungen zusammenhängen, so sieht man , dass
wir überdies Hauptdatum durch Thukydides nicht genau unterrichtet sind.
Wir müssen nun anderswo Hülfe suchen.
Diese bieten zunächst einige Stellen der Pindarischen Schdien in Verbindung mit
Worten Pindar's und des Ps. Skjrmnos. Schol. Pind. Ol. V, 16 sagt : xTfCetM ^ Kafia^tvtt
Ti^tfaQaxoary nifjinry ^OlvfinMi. Diese geht von 600— 6% v. Chr. Da nun nach Thuky-
dides Kamarina 135 Jahre naeh Syrakus gegründet ist, so fiele die Gründung vob Byrft-
kus zwischen 735 und 731. Dann heisst es im Schol. weiter.* inixQarriaecifrtov 6k tmv
2:vQttxowriiov noQ&^TTm r^ v^ 'Okvfin. Die 57. Ol. beginnt 552 v.Chr. Wenn nun Sk. 295
sagt, dass die Syrakusaner Kamarina verwüsteten nqhg ^ In; «nl ti^aoQf&xovt tpicrifiivfji^,
und wir diese 46 zu 552 legen , erhalten wir 596 v. Chr. . als GrQndungs2eit Kamarina's,
was mit der obigen Angabe nitetm xtL stimmt. Hiemach wäre das Jahr 738 daA der
Gründung von Syrakus. Ungefähr dasselbe Resultat ergiebt sich aus Pind. Ol. It, 93,
und den Schol. dazu. Pindar nennt Akragas eine Stadt iitarin^ Mmv. Die Ode ist Ol. 76,
1 geschrieben 476 y. Chr. Da nun die 100 Jahre wohl als runde Zahl zu nehmen sind, so
gäbe es eirca 576 als Grfindungszeit von Akragas , und circa 729 als die von Syrakus,
wo dann Nichts hindern würde , 733 anzunehmen , zumal da das Schol. 1. 1. sagt : iv y^
Tj nfvn^kaoT^ *Olvfintndi ^ittlöd^ I^Aie^dya^) und die 50. Ol. 580 beginnt.
Ein ganz abweichendes Resultat ergiebt dagegen die Nachricht von Diod. XIII, 59,
dass SelinuB 242 Jahre nach seiner Gründung zerstört worden sei. Die ZerstiSrung fand
Statt 409 V. Chr., die Gründung also 651 ; also wäre Megara 751 v. Chr. gegründet wor-
den, und Syrakus und Naxos somit, nach Thukydides, noch früher, etwa 756, da die
Gründung von Leontini und Katana 5 Jahre nach der von Syrakus fällt. Zwischen beiden
Resultaten ist also eine Differenz von 20—25 Jahren.
Eben dieselbe Differenz ist aber auch zwischeli den Angabeh der beiden Chronologen,
in denen von der Gründung von Syrakus die Rede ist, zwischen dem Marmor Parium und
Euseblos.
Das M. P. setzt die Gründung von S3rrakus in das 21. Jahr des Atheüischen Archon-
ten Aischylos. Wenn nun das M. P. über die Epoche des Aischylois derselben Angabe
folgte, wie Eusebios der Ol. 1, 1 als das zweite Jahr des Aischylos bezeichnet, so ist
Syrakus nach dem M. P. Ol. 5, 4 gegründet, 757 v. Chr. Nun sind allerdings über die
Dalarung des Archonten Aischylos nach dem M. P. hiervon abweichende Ansichten auf-
gestellt worden. Marsham (cit. von G($iler, Syr. 6} nahm das 21. Jahr desselben für Ol. 2,
4; und Müller Fr. H G I, 578. 70 sucht nachzuweisen, dass das 21. Jahr des Aischylos
nach dem M. P. mit dem 2. Jahr des Aischylos nach Eusebios zusammenfalle, also nach
dem M. P. Syrakus Ol. 1, 1 gegründet sei. Seine Deduction ist sehr verwickelt. Er
nimmt an , dass sogleich nach der Aufhebung der KOnigswürde in Korinth Syrakus ge-
gründet sei und macht geltend , dass den KOnigen von Aletes bin Automenes entweder
325 oder 315 Jahre «ugepchriebeii würden und dass endlich Einige Aletes nicht 1091, bei
der Rückkehr der Herakliden , sondern erst 30 Jahre später in Korinth zur Regierung
kommen Hessen. Nun giebt von 1091 315 abgezogen 776 ; 325 + 30 abgezogen 736 ; und
dass sonst die Gründung von Syrakus etwa 736 gesetsit wird, sahen wir schon. Es passt
lUso in die historische Systematik der Alten, die Gründung von Syrakus 776 zu setzen ;
die Diffiorenz von 20 Jahren, die so mit Eusebios in der Ansetzung des Aischylos ent-
steht, ist aber nach Müller ebenfalls sehr passend. Denn sie ist überhaupt vorhanden in
384 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
der Begierungszeit der Athenischen Archonten Yom 20. Jahre Medon's bis zum ^«ten
zehnjährigen Archonten Kreon, wo M.P.387, Eusebios 367 Jahre rechneten. In priorum
archontum regnis, meint nun M I, 579, sununa annorum fuerit eadem ; contra de Aeschyli
et Alcmaeonis regnis M. P. aliter statuerit ac Eusebius. Dass die Annahme M's möglich
ist, dass das 21. Jahr des Aischjlos nach dem M. P. das zweite Jahr desselben nach
Eusebios gewesen sein kann, ist klar. Dennoch muss die gewöhnliche Annahme, wonach
das M. P. mit dem 21. Jahre des Aischylos OL 5, 4 = 757 v. Chr. meint, deswegen für
wahrscheinlicher gelten, da hierdurch eine Uebereinstimmung mit einer anderweitigen
Angabe, der ans Diod. XIU , 59 citirten , hergestellt wird. Wir schliessen uns deshalb
dieser letzteren an , zumal da , wie wir sehen werden, das M. P. alsdann in einer andern
Beziehung mit sich selbst übereinstimmt.
Nach Eusebios (Vers. Arm.) wurde dagegen Naxos Ol. 11, 1 = 736 t. Chr. gegrün-
det, und Syrakus (nebst Katana) Ol. 11, 3 = 734. Hier ist, abgesehen von der Gleich-
zeitigkeit Katana's, die wir unbeachtet lassen müssen , eine kleine Abweichung von
Thukydides darin vorhanden , dass dieser Syrakus 1 Jahr nach Naxos gegründet sein
lässt. Da wir nun ohne Zweifel Thukydides in diesem Punkte folgen müssen , so fragt
sich, welche von beiden Angaben bei Eusebios festzuhalten ist. Da nun Eusebios später
die Gründung GeU's Ol. 22, 3ss690 v. Chr. setzt, so fiele die Gründung von Syrakus
durch Zurechnung der 45 Jahre des Thukydides in Ol. 11, 2» 735 v. Chr. und wir hätten
die Eusebische Ansetzung von Naxos festzuhalten. Wenn wir aber bedenken, dass Euse-
bios ELamarina's Gründung in Ol. 45, 3=598 v. Chr. setzt, so käme durch Hinzurech-
nung der Thukydideischen 135 Jahre Ol. 11, 4 »733 als Gründungsjahr von Syrakus
heraus, und dies muss uns bewegen, Ol. 11, 3=734 v. Chr. als Grttndungsjahr von Syra-
kus bei Eusebios festzuhalten. Auf Hieronymus ist hier liberall keine Rücksicht genom-
men ; er setzt die Gründung von Naxos sowohl wie die von Syrakus 4 Jahre früher als
der armenische Eusebios ; Ol. 10, 3 = 738 als Gründungsjahr von Syrakus passt aber In
keine Berechnung.
Wir bemerken nun eine ähnliche Uebereinstimmung, wie zwischen Diodor und dem
M. P. in Betreff des J. 756 oder 57, so zwischen Eusebios und Pindar nebst dessen Scho-
lien in Betreff des J. 733 oder 34. Thukydides, wenn er sich auch nicht bestimmt genug
ausdrückt, ist doch von der ersteren Annahme weit entfernt^ und schliesst sich der
letzteren an. Die Differenz der beiden Annahmen beträgt 20—25 Jahre , zwischen dem
M. P. und Eusebios insbesondere 23 Jahre. Dieselbe Verschiedenheit waltet aber in den
mythischen Dingen zwischen diesen beiden Chronologien ob , wie denn das M. P. den
Anfang des Trojanischen Krieges auf 1217 v. Chr., das Ende auf 1208 setzt, während
Eusebios für letzteres 1184 hat. Was aber die Wahl zwischen beiden Annahmen be-
trifft, so kann sie nicht wohl schwanken. 734 muss 757 vorgezogen werden, da die
meisten und besten Quellen dafür sprechen, insbesondere Thukydides und Pipdar. Denn
wenn der Letztere auch nur unbestimmt sagt, im J. 476 stehe Akragas 100 Jahre, so
ist doch klar , dass dies eher eine 580 als 604 geschehene Gründung der Stadt vorana-
setzen lässt.
Und nun bleibt nur noch ein Entwurf gegen unsre Annahme wegzuräumen , den wir
mit 0. MüUer's Worten, der ihn gemacht hat, geben. Er sagt Dor. I, 123 ji. 2 : »Megara
gegründet im selben Jahre mit Naxos Ol. 11, 3 nach Ephoros (s. o.), nach dem genaueren
Thukydides VI, 4 in einiger Zeit nachher , 245 vor dor Zerstörung durch Gelon. Gr.
herrschte von Ol. 72, 2 in Gela, von 73, 4 bis 75, 3 zu Syrakus. Nach Herod. VII, 156
scheint es, dass er Megara etwa 74, 2 eroberte , dann träfe die Erbauung 13, 1. Dann
muss aber die Ankunft des Megarer Lamis nach Thuk. Erzählung eine Beihe Jahre
vorausgehen ; diese ist der Gründung von Leontini gleichzeitig', die 5 Jahre auf die von
Syrakus folgte. Damit ist also Eusebios unverträglich, der dessen Erbauung Ol. 11, 4
(Hieron. Seal.) setzt, und besser stimmt die Angabe des M. P. 5, 3.« Es ist aber erstens
Zu Buch II, Kap. 2, Seite lt6. 385
nicht richtig , dass eine Reihe von Jahren zwischen der Ankunft des Lamis und der
Gründung von Megara verfliessen mussten. Nach Poiyaen. V, 5, 2 wohnten die Megarer
einen Winter in Trotilon und C Mon^ in Leontini. Wenn sie nun noch ganz kurze Zeit in
ThapsoB wohnten, so kann 14—15 Monate nach der Gründung von Trotilon bereits Megara
gegründet sein. Angenommen, Trotilon sei 13, 1 gegründet, kann Megara schon 13, 2
angelegt sein, und da Gelon auch Ol. 74, 3 Megara erobert haben kann , so passt Alles.
Da wir übrigens 11,3 als Gründungsjahr von Syrakus gesetzt haben, so kann sogar 74, 2
mit 0. MüUer beibehalten werden. Es kommt aber noch Eins hinzu. Die Thuky-
dideischen Worte xara top uvroy XQ^*'°'' schliessen nicht aus , dass Trotilon nicht schon
einige Monate vorher gegründet sein könnte. Es ist auch nicht unbedenklich, Polyaen's
Zeltbestimmungen mit denen des Thukydides zu combiniren , da Poiyaen die Megarer
nicht von Trotilon nach Leontini, sondern von Leontini nach Trotilon ziehen lässt. Vgl.
unten bei T^muXov. Jedenfalls steht fest, dass, wenn Syrakus 11, 3 gegründet ist,
Trotilon 12, 4 und Megara 13, 1 gegründet sein können, womit Müller's Bedenken weg-
fallen.
Endlich könnte 'man noch eine dritte Gründungszeit für Syrakus aus Antiochos bei
Str. VI, ], 12 und VI, 2, 4 schliessen. Hiemach wäre Syrakus zugleich mit Kroton
gegründet worden, das nach gewöhnlicher Annahme um 710 v. Chr. (Ol. 17, 3 nach D
Hai. n, 59) oder 708 (Ol. 18, 1 nach dem armenischen Eusebios), angelegt wurde. Auch
diese Zeitbestimmung wäre dann wieder 24 Jahre von der vorigen entfernt.
Nach dem Vorhergehenden wäre nun die Gründungszeit der von Thukydides chrono-
logisch bestimmten Städte folgende :
OL 11, 2 — 735 V. Chr. Naxos gegründet,
OL — , 3 — 734 » » Syrakus »
Ol. 12, 4 — 729 » » Leontini, Katana gegründet.
Ol. 13, 1 — 728 » » Megara '
OL 22, 4 — 689 » » Gela
Ol. 29, 1 — 664 « > Akrai »
Ol. 34, 1 — 644 » » Kasmenai »
OL 38, 1 — 628 » » Selinus
OL 45, 2 — 599 » » Kamarina »
OL 49, 4 >- 581 » a Akragas »
Von der Gründungszeit der übrigen hellenischen Kolonien wird später die Rede sein. —
Aussendung der Kolonien nach Westen rfpfxa t) nov 'Innoßoxöiv xaXovfjLii^ri inexQarfi
TtoUiiia, nach Arist. bei Str. X, 1, 8.
S.^18 Naxos. Ueber Theokies und sein Unternehmen am ausführlichsten Str. VI,
2, 2 nachEphoros, der ihn für einen Athener erklärt; Thuk. VI, 3 sagt das nicht. (Woher
kommt die tov*Attlxov yivovg fjtoiQa ov jioXkrif die nach Paus. V> 25, 6 in Sicilien ist?)
Bei Hellan. (fr. 50 M) bei St. B. s. v. Xalxis und s. v. KnTdvrj ist er aus Chalkis. - Ueber
die Lage von N. auf Capo Schisö Faz. 58 ; D. 455. 56, der von dem Vorgebirge sagt : it
is bnt siightly elevated above the sea, and is rugged with ridges of black lava, preserving
no vestige, save in broken pottery, of its occupation in ancient times. So sagte schon
Pausan. VI, 13, 8 dass ov^i iQflnta von Naxos übrig seien. Vgl. dagegen Ferrara, Me-
morie sopra il lago Naftia etc. Pal. 1805. — Von dem Apollon Archegetes Thuk. VI,
3. — Die Statue dos heil. Pancratius ist übrigens nach D. 456 erst im J. 1691 errichtet. —
Ueber die Hafeniosigkeit der Gegend Sm. 130. — Das Aphrodision erwähnt bei App.
B C V, 109 der auch von dem uyaXfjidriov des Apollon Archegetes spricht. Vgl. über das
Aphrod. Cluv. 111. 112, der die Stellen der Prov. Vatic. [ri^^a Na^taxd. ri^^a Htxskol
ijyovai td dvÖQfla xa\ yvvaixeia atäoTa. r^v dl Iv I^txelixj Nd^tp jifAtvog ijii&aldaaiov
i4(fQodijTis, iy ^ fiiydla ctWola dvixtivto) Suid. u. s. w., welche von yi^^a, gerrae Siculae
sprechen, abdruckt. Oberhalb Taormina's liegt der Mte. Venerelia. — Falsche An>
Holm, Gesch. SicUiens. I. 26
386 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
nahmen über die Lage von Naxos. Gl. 109 setzt es an den F. freddo, südlich vom
Cantara; das geht nicht wegen Diod. XVI, 7, wo der Tauros ein Aoyof vTrhg rijQ Hd^ov
genannt wird Sodann hat Grote U, 283 aus Thuk. VI, 3, Diod. XIV, 59 und 88 combi-
nirt . dass Theokies zuerst den Berg Tauros besetzt habe , und dass auf diesem Berge
der Altar des Archegetes errichtet wurde. Diese wiUkflrliche Annahme bat dann
Dnncker, Gesch. des Alterthums, weiter dahin ausgebildet, dass Naxos anfangs auf dem
Berge gelegen habe , wofür Nichts spricht. — Bakchos und ApoUon auf Münzen von N.
bei Mionnet I, 262. 263; eine Münze der Sammlung de Lujrnes (Silber. Gewicht 2, 15) hat
Assinos bei gehörntem Kopf; Rev. Satyr. Eigenthümlicher Weise erinnert der Name des
Naxos nahen Flusses Akesines an Indien , und somit an den Zug des Bakchos.
S. 120. Syrakus. 2üQdxovaai die attische, 2*u^»xoffa£ die dorische Form, dichte-
risch auch i:vQttxoaaai\ auch im Sing. £vgdxovaa, — »ovüaa, — xoatt, Einwohner
ZvQaxoaiot nach einheimischem und attischem Gebrauch; seltener — xovatot, — tf J^vga-
xoaCa das Gebiet von Syrakus. — Lat. Syracusae , Syracusanus. Die Geschichte des
Archias Plut. narr. am. 2 (Hutt. XU) Diod. Exe. virtt. A. war ein Heraklide nach
Thuk. VI, 3 ; das M. Par. nennt ihn S4xarog dno Trj^uivov, was doch heissen soll, dass er
von Temenos abstammte, dem Stifter der argi vischen Heraklidendynastie. Da nun die
Bakchiaden nicht von Temenos, sondern von Aletes abstammten , so wäre hiemach Ar-
chias kein Bakchiade gewesen. Allerdings wird er nirgends ausdrücklich Bakchiade ge-
nannt; aber es ist an sich wahrscheinlich, dass er es war, und dann heisst es bei Plut.
1. 1., dass Melissos xetttßoa t«oi' Baxxia^tSv. Ov. Met. V, 407 nennt die Gründer von
Syrakus Bacchiadae, bimari gens orta Corintho. Die Worte (ffx. an, 7^^. fiisst übrigens
M I, 578 nur als chronologische Angabe auf. Dieselbe Geschichte wird von Schol. Ap.
Rh. IV, 1212. 1216 von Chersikrates erzählt, der ausdrücklich Bakchiade genannt wird,
^voraus Müller 1. 1. schliesst. dass auch Archias ein Bakchiade gewesen sein müsse. Er
mochte sogar unter Berufung auf Hellanikos fr. 5 Archias und Chersikrates für iden-
tisch erklären, was doch bedenklich ist. Von dem Archias und Myskellos zu Theil ge-
wordenen Orakel Str. VI, 2, 4 und Paus. V, 7, 3 (hier die Verse : ^Oqxvylri ns xittai ir
rjSQOitSfC norrt^ TQiv«xlrig xai^vTVi^'Hv ^ tv ^AX(fuov arofia ßXv^ii Miayofievov nriytug
evQin€{i]s \4QS&ovai}<:), Auswanderer aus Tenea Str. VIII, 6, 22. -- Eumelos dabei nach
Giern. AI. Str. I, p. 298. — Dass ein lamide mitging, Pind. Ol. VI, 6, und Boeckh, Ein!,
zu dieser Ode. — Die Geschichte von Aithiops nach Demetrios von Skepsis aus Archi-
lochos Athen. IV, 167. — lieber die Fahrt des Archias längs der italischen Küste Str.
VI, 2, 4. — Arch. unterstützt Myskellos bei der Gründung von Eroton Str. VI, 1, 12.
Die MUnzen von Kroton Leake, NH Italy p. 118 ; über die lokrischen Münzen mit korin-
thischen Typen Mi I, S. 321 und Leake, NH Eur. Gr. p. 63, der sie in Naupaktos geprägt
glaubt. — Ueber die Erhebung Ortygia's über die Meeresfläche S. Cavallari im Giomale
di Sicilia 1. Luglio 1864.
S. 123. Arethusa. ^jiQid-ovaa, dor. 'u^Qi&oura, Dass sie stets da gewesen, wo sie jetzt
ist , hat auch Cluver nicht geläugnet , dessen allerdings leicht misszuverstehende Worte
(198) Bonanni S. ISff. zu einem sehr überflüssigen Angriffe auf Cluver bewogen haben.—
Die Arethusa in älterer Zeit erwähnt: im Orakel Paus. V, 7, 3 (ob acht?); von Ibykos
(6. Jahrh. vor Chr.) bei Schol. Theoer. I, 117 (Schneidew. Ib. p. 184); Pind. Nem. I, 1 :
äfinvevfjia asfjivov *AXipsov\ später oft. Cic. Verr. IV, 53 : in hac insula extrema est fons
aquae dulcis, cui nomen Arethusa est — incredibili magnitudine, plenissimus piscium, qui
fluctu totus operiretur , nisi munitione ac mole lapidum diiunctus esset a mari. Diod.
V. 3 lässt sie von den Nymphen geschaffen sein und spricht ausführlich von den Fischen
der Quelle. Sil. XIV, 53 piscoso fönte. Während Bonanni 27 von Fischen daselbst Nichts
weiss, hat Eephalides II, 4 wieder Angler dort gefunden. Alpheios, ein d^^^vjjiq^ in die
Arethusa, die [auch Jägerin ist, verliebt Paus. V, 7, 2. Aehnlich Ov. Met. V, 573 ff.,
wo es Nymphe und Flussgott sind. Dagegen Schol. Pind. Nem. I» 1 : thv yag liXtpMv if^aa^
Zu Buch II, Kap. 2, S. 120-124. 387
l'oAiTf alovra rtiq^AgrifJudog^ ^nidtta^at avrriv n^Qi Tijq 2txfX((tg. tov Jt Tilovg rijg Sim^ttag
avioO-i Y^vofA^vov, avTOxf-i auOT^t^at Ti]v\4Qid^ovaav. dta rovxo 6k xai Trjv^u4Qr6f4iv [/iXtpuoav
71 QogityoQfvtad^ai. — Ueber den Zusammenhang des Alpheios mit der Arethusa Str. VI,
2, 4, auch nach dem diesmal gläubigen Timaios. — Nonnos XIII, 325 lässt ihn dxQordiov
Sid novtov gehen. Hoschos (Cluv. irrth. Theokr.) VII, 4 : t«?' 6h d-dXaaaav NigS-tv
vitorqcxitei., xov ftfyvvxai v6aaiv v6(og, Sidon. ApoH. IX, 100 : per ima ponti. Ov. Met.
V, 639 caecis mersa cavernis. Pausanias spricht zweimal von der Sage, V, 7, 2 und VIII,
54, 3, nach Cluv. 195 einmal super, das andere Mal subter mare; ich finde, dass er auch
V, 7, 2 , wo er nach Cluv. per subterraneos specus fliessen soll , Sia tijg O^aXdaofjg fliesst.
Bei Str. VI, 2, 4 müsste, meine ich, statt J«« tov neXdyovg vno yijg, was ein Widerspruch
ist, öno TOV neXayovs 6t« y^g gelesen werden. — Dass die Arethusa der Alpheios selbst
ist, zeigt besonders Verg. Aen. III, 695 : qui nunc Ore, Arethusa, tuo , Siculis confun-
ditur undis. — Ueber den oculus Zilicae Mar. Ar. p. 8. Sm. 171 sagt von dem Occhio
della Zilica : This, the poets assert, is Alpheus. Die Dichter sagen Nichts davon. Vgl.
über den 0. d. Z. D. 332, nach welchem it has so often been sought for in vain, that the
fact of its existence may be called in question. — Ath. II, 42 sagt ■ fiovov ^uT^Qafivop
Tt5v ttXvx<Sv To T^c 'u^QfO^vaTjg. Aber geht das auf die siciiische Arethusa. — Erdbeben
4. Febr. 1170 nach La Lumia, Storia d. Sic. sotto Guglielmo il Buono Fir. 1867. S.
116. — Schilderungen der Arethusa bei allen Reisenden, zuletzt D. 350. 51. Schubring,
Bewäss. von Syr. 608. — Sonderbar Ar. Mir. 172, dass die Ar. cTm n€vTatTr}QC6og xivtl-
a&ftt. — Um das Ende des Mittelalters sind mit den Festungswerken um die Arethusa
Veränderungen vorgenommen , über die Fazell berichtet, und wodurch auch einzelne,
früher sprudelnde Quellen beschränkt wurden. Bonanni spricht S. 28 sich dahin aus,
cheAretusa se den vi dal continente, und diese, später von Anderen, wie Ferrara, Campi
Flegrei p. 36, sowie im Bull. 1856 S. 45—49 von Cavallari angedeutete Ansicht ist neuer-
dings weiter ausgeführt worden von Schubring in s. Bewäss. v. Syrakus. Philol. XXII,
4 S. 577 ff., der jedoch nicht berechtigt war, ebendas. S. 634 die schon bei Ibykos vor-
kommende Sage vom Alpheios auf die Oelonischcn Wasserleitungen zurückzuführen. —
Ueber die anderen Quellen dieses — von agSto hergeleiteten — Namens (in Euboea,
Boeotien, Argolis,*Kephallenia, Ithaka, Elis, Bruttium, Smyma) vgl. Pauly R E I, 2
1507. — Vgl. St. B. s. V. ^AQi&ovaa, wo (nach Bochart und Meineke) sowie bei Hesych
s. V. KvTidQtt dieser Name als der der sicilischen Arethusa erscheint.
S. 124. Häfen von Syrakus. Name des kleineren Aaxxto^ Diod. XIV, 7 ngog t^
fiiM^i^ Xtfjiivi T^ AaLxxC({i KttXov^ivfp. Die von Bochart zuerst aufgestellte Herleitung von
Xttxxog, Grube, Cisteme, wird verschieden gerechtfertigt ; gewöhnlich, weil viele Cister-
nen ihn umgeben, so Gröller 72; von Schubring, Achradina (Rh. Mus. N. F. XX, S. J5ff.)
5. 27, weil er »durch die dionysischen Bauten das Ansehen eines Wasserteiches, einer
Cisteme« erhielt. Ders. erwähnt übrigens S. 26 die »ausserordentliche Menge von runden
Brunnenlöchem, im Durchschnitt von 3' Durchmesser, die an der ganzen Uferflucht ent-
lang gehen, zum grössten Theil jetzt unter dem Wasserspiegel! liegen und mit der Salz-
flut erfüllt sind.« Ueber das seichte Wasser dieses Hafens Schubr. 1. 1. 21. D. 356. —
Ueber den grossen Hafen Str. VI, 2, 4, wo indess irrigerweise der Umfang auf 80
Stadien angesetzt wird. Serra di F. IV, 74 vermuthet deshalb fi (40) statt n. Breite des
Eingangs Thuk. VII, 59. Faz. 93 sagt : 500 Schritt. — Den Hafen rühmt Sm. 163. — Der
portus marmoreus wird erwähnt von Florus 11, 6 (34) . - Die Ansicht, dass es der kleine
Hafen gewesen sei, die Fazell, Mirabella und Cluver hegten, gründet sich hauptsächlich
auf den mit Steinplatten ausgelegten Grund desselben. Schon Bonanni 119 hat das Bei-
wort marmoreus vielmehr auf den grossen Hafen bezogen , und Schubring 1. 1. 33 führt
die für diesen sprechenden Gründe, die besonders die Vergleichung mit Cic. Verr. V, 37
an die Hand giebt, weiter aus. Wenn Skyl. 13 von den beiden Häfen sagt, dass 6 hcQog
ivxhg rtlxovg, 6 ^aXXog If*) sei, SO ist nicht, wie Müller zu dies. Stelle meint, alter ex-
86»
^
■
388 Anhang II. Belege und Erläntemngen.
terior parvus, sondern magnns ; vgl. Schubr. 26, — Bei Proc. Rer. Vand. I, 14 heisst er
Arethusa.
S. 125. Mitwirkung der Syrakusaner bei der Verlegung von Lokri nach Str.
VI, 1, 7. Grote II» 20S Anm. 71 nimmt eine lieber treibung durch den syrakusanischen
GrCschichtsBchreiber Antiochos an. Dagegen 0. Müller Dor. II, 224 , wo auch lokrische
Münztypen, Pallas, Pegasos, Persephone, von diesen korinthischen Syrakusiem herge-
leitet werden. Hiertiber vgl. oben.
S. 125. Von den s^wei TOchtern und dem Tode des Archias Plnt. narr am. 2.
Man könnte angesichts solcher Sagen fragen , ob nicht der Name Archias ebenfalls blos
mythisch wäre — den Gründer bezeichnend — und einen Schritt weiter gehend in
Theokies den ^eoKlrjrog , den vom Apollon Berufenen sehen. Herleitung des Namens
Syrakus von der Xifiyri ofioQos Ps. Sk. 281. St. B. s. v. ZvQoxovaai — xal Ufivri^ titis
xttXfictti Zvgaxd nebst St. B. s. v. */4xgtiyavT(g, Wonach ZvQaxm freilich ein Trorafiog sein
müsste. Vib. Tyraca Syracusis. Die Verzeichnisse der Bürger im Olympieion aufbe-
wahrt nachPlut. Nik. 14 : aavC^at, dg Sg (tmyqaipovro xara (pvXag avrovg ot J^vQttxovaioi ,
xelfieyai ^ämo&ev rfjg nolitog h leQtß Jiog *OXvfiicCov, Uebrigens glaubt Bonanni 144
nicht, dass es das Oljrmpieion am grossen Hafen gewesen sei ; denn weshalb hätten sie
die Tafeln zu Schiffe geholt? Man sieht, dass B. keinen rechten Begriff von den Vorzügen
der Schifffahrt vor dem Landtransporte hat.
S. 126. Ortygia heisst Nasos bei Liv. XXV, 24. — üeber die Verbindung Ortygia's
mit dem Lande vgl. Str. I, 3, 18 : inl xi]g TZQog Zvgaxouaaig vifaov vvv filv yä(pvQd iarir
ff awanrovaa avTtjv TiQogrrii' ipruQoVj tiqotiqov dk x^f*^> wf y »;<T*v "//Ji/xof, koyatov kC&ov,
ov xaXfi ixXsxzov. Vgl. Schneidewin zu Ibykos 188. 89, der Strabon's Identificining von
ixXfxTog mit XoyaTog für einen Irrthum halten mOchte. Aber wenn auch X, Xoya7oi oder
Xoyadeg lapides collecticii sind, so schliesst das ein Auswählen der besseren Steine nicht
aus, was in ixXexrog liegt. Schol. Pind. Ol. VI, 158 : vrjaog xal axo^fiarog. Auch Str. VI,
2, 4. Schubring, Achrad. 17 vermuthet, dass Marcellus den Damm durchschnitten habe,
um die Insel fester zu machen. Ders. spricht ebendas. über die spätere Zeit , wo jedoch
seine Anführungen aus Fazell nicht ganz genau zu sein scheinen. F. 93 sagt : mea vero
aetate, et pluribus ante annis, iterum in peninsulam reducta, tenui isthmo Siciüae erat
adjuncta. Deinde Carolus V. Caesar — isthmum perfringere — conatus est, d. h. vor
Fazell war ein Isthmus da, den Karl V., durchstechen Hess. Vgl. Bonanni 37: Mario
Arezio afferma che il ponte fü disfatto al suo tempo ; cred'io che egü ragiona dei fon-
damenti.
S. 126, L^;ifpa(ff vf7 {»XQ^^f aöog, ^ wilde Birne). Alles diesen Stadttheil und be-
sonders seine Ausdehnung Betreffende findet sich erwogen in der oben angeführten Ab-
handlung Schubring's : Achradiua, welche hauptsächlich gerichtet ist gegen S. Cavallari's
Topographie von Syrakus. Göttingen 1845. 8, dem sich, wenigstens theilweise, ange-
schlossen hatte Grote IV, 698. — lieber die Latomien und ihren landschaftlichen
Charakter vgl. alle Reisenden. Name: XaTOfiCai oder Xtd-oroutai, wie Thuk. VII, 87
sagt. Als in der Zeit des Xenophanes vorhanden erwähnt Orig. Phil. X, 6 p. 312 Mill.
lieber das Alter der verschiedenen syrakusanischen Latomien , wovon noch die Rede
sein wird, vgl. Schubring, Bewässer. von Syrakus 61 7 ff. lieber die Lat.Casale ders. 626.
Bemerkenswerth ist noch die Notiz des Paus. V, 8, 8, dass Ol. 33— 648 v.Chr. Lygdamis
aus Syrakus in den Olympischen Spielen im Pankration siegte, von dem ein (xvJintt
existire, bei den Xiihoroutatg,
S. 127. üeber die Katakomben vgl. Serra di F. IV, Erläut. zu Tav. XII. D. 344
sagt : We will observe, that there is evidence on the spot , not only that excavations on
this Site were formed prior to the construction of the catacombs , properiy so called , and
for different purposes, but that the sepulchral Chambers and niches , if in construction
Zu Bach II, Kap. 2, S. 125>-131. 3Sg
dating from the Hellonic days of Syracuse, wero appropriatcd as scpulchros in late Roman
and Christian times , to such an eztent , as to havo obliterated all traces of an earlier
occupation by thcGreeks. Schubring, Achradina 62 meint erstens, dass die unterirdische
Todtenstadt die über ihr webende Welt der Lebendigen gar nicht genirte ; Beweis : die
Katakomben Ortygia's in der Kirche S. Filippo ; und sodann, dass sie erst am Ende der
griechischen und namentlich in der römischen Epoche angefangen worden sind.
S. 128. lieber das Forum von Syrakns Cic. Verr. V, 37, wo die Seeräuber in den
grossen Hafen eindringen , und dadurch usque ad forum Syracusanorum kommen , und
Gic. Verr. lY, 53 , wo das forum maximum ausdrOcklich als in der Achradina liegend
genannt wird. Ueber das tilioTQOTriov Plut. Dion. 29 : ^v Ji vno tvjv axQonolip xal tu
mvxdnvXa rihorgontw xaraqavis xaX viprjXov. Die Akropolis war aber Ortygia und die
TtiyTttTivXa der befestigte Eingang derselben. Dieses t;ltoTit6niov lag nach Athen. Y, 207
in der Achradina. Ygl. Schubring, Achradina 38 ff. wo ich nur die Identificirung von
nfvTdnvXu und rilioT^Ttior, und was damit zusammenhängt, nicht billige. In der citirten
Plutarchischen Stelle ist vor r« nevrdnvXa vno zu ergänzen. Auf den vom forum und
dem nhoxQOTfiov hergenommenen Grund für die Ausdehnung Achradina^s bin ich unab-
hängig von Schubring gekommen.
S. 129. Ueber die Lage des Olympieion und der dortigen Yorstadt — nolix^n —
vgl. D. 358—60.
S. 130. A^ovxlvoi auch Aio%'iivtov n6?,is genannt. Aeovnov sagt Ptol.; die hand-
schriftliche Lesart ^£oyrif beiPs. Sk. 283 kann nicht richtig sein. Das Gablet (?) ff Ahoviivti
Str. YI, 2, 6. — Die Lage der Stadt genau geschildert von Polyb. YII, 6. — Die List des
Theokies Polyaen. Y, 5, 1. — Ueber den Wechsel der Benennung der Ebenen s. o. unter
Symaithos. Skyl. 13 : iig rov^ Atovrlvovg xara TrjQlav TfoxafAOv ardnlovc x aradCtov,
wo X falsch ist und Cluv. ^* lesen will. Ders. 149 sagt, dass der S. Leonardo 1000 Schritte
von Leontini entfernt sei. Neustadt Leontini erwähnt Diod. XYI, 72. Yon den Ein-
wohnern [AiovrXvoiy Leontini) war das Sprichwort: (ti\ ntgl lovs xQuitj^ng. Apostol.
cent. J n. 6. Ygl. über Leontini Faz. 79—83. Cl. 150—55. D. 380—82, wonach beyond
sepulchral caves and a few sewers in the cliffs , around Lentini keine Reste des Alter-
thums vorhanden sind. In ancient times, setzt er hinzu, the summits of the cliffs over-
hanging the town were covered with temples and houses. - Die bei Mi I, p. 246 auf-
gezählten Münzen Leontini's enthalten die im Text angegebenen Typen.
S. 130. Xa rdvTi St. B. h. V. sagt x^xkrirai J^ ovrcog, imidrj xuT^ßfj tiqos rov^Afiivarov
(Hdschr. — tXtavov) norafiov 17 OioxXiovs tov XaXxiS^wg vavg, ^p ^ftagitTs ;|fW(>lff rov v
VKV qaaiv 71 oTi r^s Attvrig xaraxid-Uar^g ra ävto xarw yfyovfr. — Nach Mov. II, 2, 329
»klein« bedeutend, entweder die kleine Stadt oder den kleinen Hafen zu bezeichnen.
Nach Plut. Dion. 58 würde es eigentlich TvQoxvtiarig — Käsereibe — bedeuten. Bei den
Römern ausser Catana auch Catina , mit derselben Yeränderung , wie in Agrigentum,
Numidae. Einwohner Kutavaiot , Catinenses (Just. lY, 3 Catinienses). — Ygl. Faz.
69—75. Cl 138—43. D. 387. Die Münzen bei Mi I, p. 224—26. — Ueber Katana vgl.
die oben angeführten Werke von Carrera und Amico; Serra di Falco Y ; sowie F. Fer-
rara, Storia di Catania. Cat. 1829. 8. 0. Gemmellaro, Saggio di storia fisica di Catania.
Cat. 1849. 4. Y. Bondice, Gli antichi monumenti di Catania. 1859. 8.
8. 131. KaXXlnoXtg Herod. YII, 154 [KaXXinoXXrai) Str. YI, 2, 6. Ps. Sk. 286.
St. B. Sil. XIY, 249. Cl. 480 denkt an Mascali, wo Fazell Ruinen erwähnt. Neuerdings
ist Gallidoro nördlich von Taormina , ohne besonderen Grund vermuthet. Ygl. D. 454.
Giarre wäre es nach der Ansicht der Einwohner dieser Stadt. Schubring ist ftir Mascali
und Annunziata.
S. 131. Evßoia Herod. YII, 154 {Evßotig) Str. YI, 2, 6. X, 1, 15. Cl. 480 denkt an
Licodia di Yizzini , von dessen antiken Ruinen unter andern Forbin, Sonv. p. 108—10
spricht. D. 374.
390 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
S. 131. lieber die Niederlassungen der Megarer Thuk. VI, 4 und Polyaen.
V, 5, 2, sowie die Darstellung in Schubring's Umwand, des Hegar. Meerb. in Sic, bes.
S. 446 ff.
S. 131. TgtüTi Xov, Nach Thuk. VI, 4 ifn^Q Ilavtaxiov nora/itov TqvjtiXov t# ü9'ofi(t
XtaqCov. Ol. 157 sagt : ad utram Pantagiae ripam positum fuerit, haud facile dietn est; nisi
quod in dextra ostii ripa etiam nunc est navale, vulgo Bruca dictum. Vgl. Amico unter Trotil.
undD. 386. Nach Polyaen. V, 5, 2 haben die Megarer r^c ^earrfpvjr ixn^aovres Tgoinloy
xartpxriaav fx^j^Qi ivog j^fifuSroc (lixtii ynQ toüovtou avyfx^Qtjaav oi Xalxi^fh, während
nach Thukydidcs sie von Trotilon nach Leontini und von da nach Thapsos gehen. Sollen
wir nun, wie Schubr. S. 447 und 449 stillschweigend thut, bei Polyaen uns für Tgtinlov
Saxpov gesetzt denken? Dann wird aber erst recht aufTallend, dass die Leontiner über
das Wohnen der Megarer in Thapsos eine Verfügung [awexfOQn^f*^) gehabt haben sollteD,
da doch Thapsos eigentlich ausserhalb ihres Bereiches war. Ein Anderes ist es mit Tro-
tilon, das den Leontinem gehören konnte. Am besten wären die Worte ftixü^ y^Q
ToaovTov — XalxiSits auf das Wohnen in Leontini bezogen ; dann hätte man statt fi^x^'
hog x^^M-^^'^i zu lesen etwa 6ifX&6vtos xitfitivosi und der Sinn wäre: nach Verlauf des
Winters — denn so lange hatten die Leontiner sie in ihren Mauern geduldet — mussten
sie nach Trotilon abziehen.
S. 132. Schilderung der Lage von Megara D. 384. Schubr. 460 ff. MsyaQig
nennen die Stadt Diod. IV, 78 ; Cic. Verr. V, 25 und Mela II, 7, 16. Von dem Irrthum
Cluver's in der Auslegung der Stellen desThukydides, welche Megara und Hybla Cleleatis
betreffen , ist schon oben (S. 363) die Rede gewesen : hier bemerke ich nur noch , dass,
wenn Cl. meint, H. Geleatis müsse deswegen am Meere gelegen haben , also Megara ge-
wesen sein, weil es von der Flotte belagert wird, dies auf einem Irrthum beruht, da die
Belagerung von H. Geleatis durch Landtruppen bei Thuk. VI, 62 keineswegs ausge-
schlössen ist. — Einw. MtyaQug [ol'YßXaToi Thuk. VI, 4), Megarenses; Ov. Fast. IV,
47 1 braucht Megarea [MiyaQijiog für Miyaoixos) für Stadt und Gebiet von Megara. —
Münze von M. bei Mi I, p. 251. Bei Leake NH Sic. p. 60 sind Bronzemünzen von
Hybla megala: verschleierter weiblicher Kopf mit Krone oder Modius, dahinter eine
Biene (Beweis, dass H. megala wirklich Megara war); Rev. Bakchos. Aehnlich Mi I, 289
während 290 abweicht. Diese Münzen zeigen eine spätere Fortdauer von Megara unter
dem alten Namen an. Vgl. auch oben S. 363 über Styella.
S. 132. Zdyxkrj. So lautet der Name bei den Schriftstellern; die ältesten Münzen
haben Dankle {^avxXt) ; vgl. das oben über die Herleitung von Cf^yxXij bemerkte. St. B.
h. V. sagt : ol fjh otTto ZdyxXov tov yrjysvovgf ij nno XQiivrig ZayxXris, ol S^ öia ro ix(i
Kqovqv to dginavov anoxQinffai Nlxavdqog iv T(fi ij JStXiXCag wxai rtg xal ZayxXrig Waiy
jQinavfiidog aatv* to yag ^q^tikvov ot 2txiXjo\ C^yxXov xaXovatv, — aTog, ^dixog. — Vom
König Zanklos, Diod. IV, 85. Nach Thuk. VI, 4 ist der Name von den Sikelem gewählt,
oTi dQsnarod&kg ttiv iJ^av to x^Q^ov iarlv. So sagt Str. VI, 2, 3 xaXovfiivti Zdyxhi 6ta
TTjv axoXioTrjja twv rontov. — lieber die Gründung von Z. Thuk. VI, 4 ; Kolonie der
Naxier nach Str. VI, 2, 3. — Die Beziehungen der Zankleer zur Gründung von Rhegion
(worüber zu vergl. Herakl. XXV, nebst Diod. Exe. Vat. l. VIII, c. 23 der neuesten Dind.
Ausg., sowie Schneidewin, Diana Phacelitis etc. Gott. 1832. 8. S. 4ff.) nach Str. VI, 1, 6
aus Antiochos. Die Messenier, die Rhegion gründen halfen, sind nach Str. VI, 1, 6 ver-
trieben vnh Jtav firi ßovXofjiivfav dovvai öCxag vti^q rrjg (fSi}()äg rtSv nagO-ivatv r^f h
ACfAvtttg yevofiipfig loU Aaxiöaifiovioig, ag xal avtag (ßidaavTO nifiifd-Haag inl r^y
hQovQyiav xal xovg InißoTj&ovvrag dizixxitvav» Nun ziehen sie sich tig Mdxtarop zurück,
und Apollon sagt ihnen arMsad^ai fitra XuXxtd^v üg to 'Ptjyiov; so würden sie gerettet,
während ihr Vaterland bald durch die Spartaner zu Grunde gehen würde, iv Aifivatg
scheint aber der König Teleklos von Sparta bei dieser Gelegenheit getOdtet zu sein,
dessen Tod Müller, Dor. II, 468 auf das Jahr 318 nach der dorischen Wanderung, 786
Zu Bnch n, Kap. 2, S. 131--134. 391
V. Chr. berechnet. Wenn nun Andere den Tod des Teleklos in das Jahr 813 setzen (so,
wie es scheint Br. de Pr. 64), so berechtigt doch Nichts zur Annahme, dass »le depart de
la colonie snivit presque immödiatement« (Br. de Pr. 84), und dass man ihn 812 zu setzen
bat. Wenn vielmehr das Attentat zu Limnai 786 Statt fand, so wird einige Zeit ver-
gangen sein mit Streitigkeiten über die Frage, ob man den Spartanern Genugthuung geben
solle oder nicht ; dann trennten sich die zum Frieden Geneigten und gingen nach Makistosi
und endlich wanderten sie aus. Die Gründung von Rhegion muss aber jedenfalls vor 724
V. Chr. geschehen sein, da in diesem Jahre durch die Beendigung des ersten messenischen
Krieges die Weissagung ApoUon's in Erfüllung ging. Vor 724 war also auch schon
Zankle gegründet, da die Zankleer nach Str. VI, 1, 6 /ÄtTtn^fiipayro 'rovs Xahndäag
(welche Bhegion gründeten) . Wenn es nun erlaubt ist , Antiochos aus Thukydides zu
erklären und beider Nachrichten zu combiniren, so muss Zankle nach Naxos gegründet
sein , das Thuk. die erste der griechischen Kolonien Siciliens nennt ; obschon es aller-
dings wunderbar ist, dass die Auswanderung der Messenier nach Italien erst mehr als
50 Jahre nach dem Attentat in Limnai erfolgt sein soll. £s bliebe freilich noch folgender
Ausweg übrig. Nach Thuk. VI, 4 Hessen sich zuerst Seeräuber aus Kyme in Zankle
nieder; später erst trat die eigentliche Gründung durch Perieres und Krataimenes ein.
Nur diese muss nach der Gründung von Naxos Statt gefunden haben ; die Niederlassung
der Xrjiaxtti braucht Thuk. nicht in seiner Chronologie zu berücksichtigen. Wenn nun
diese Xr^atai die Chalkidier aufgefordert hätten , Rhegion zu gründen , so könnte diese
Stadt immerhin schon vor 735 angelegt sein, und die Messenier brauchten nicht erst 50
Jahre nach dem Attentat auszuwandern. Dann brauchte die Gründung von Zankle durch
jene zwei otxioral auch nicht vor 724 zu fallen. Es ist aber auch möglich, dass Thukydides
andere Berichte vorlagen als Antiochos, und dass eine Combination Beider unstatthaft
ist. — Nach cod. N. des armenischen Eusebios sind in Sicilia Selinis et Gängle Ol. 6,
1—756 V. Chr. gegründet worden. — Man vgl. noch Ps. Sk. 286, der mit Strabon über-
einstimmend Zankle zu einer naxisclien Kolonie macht , vielleicht nach dem von Beiden
viel benutzten Ephoros), und Paus. IV, 23, 7, won&oh Kgaraifiirrig Zdfuog und neQtfjgrig
U XttXx^Jog die Anführer der Xriaral sind. Da aber Paus, sich ebendas. über Anaxilas
schlecht unterrichtet zeigt, so braucht man ihm auch in jenem Punkte nicht zu glauben ;
in Betreff des Zdfuog konnte eine Verwechselung mit der späteren Eroberung der Stadt
durch Samier vorliegen. — lieber den Hafen von Messina Diod. XIV, 56, Sm. 113 und
über M. im Allgemeinen D. 465 ff. Nach Paus. 1. 1. hätten die Af^ara/ zuerst ummauert
ooov n€Q\ Tov ktfiiva bQfjLi^rriQCif nQos rag xatadga/ÄCtg xal lg rovg InlnXovg 1/q<ovjo. —
Von älteren Werken über die Geschichte Zankle-Messanas vgl. S.321, sowie CD. Gallo,
Annali della cittÄ di Messina. III voll. Mess. 1756— 1S04 fol. Von neueren Schriften sind
zu nennen: H. G. Ebel, De Zandensium Messanior umque rebus etc. Berol. 1842. 8. 0.
A.B.Siefert, Zankle-Messana. Progr.Altonal854.4. Gius. Coglitore, Storia monumentale
artistica di Messina. Mess. 1863. 4.
8. 134. Mvlai oder MvXal (vgl. Dind. in Steph. Thes. und Poppo zu Thuk. 111,90
ed. min.) nach Skyl. 13 noXig, nach Diod. XII, 54 q^ov^itov. Theophr. H. PI. VIII, 3:
tr\g Miaariviag iv raig xalov/jirnig MvXaig. St. B. h. V. aus Hekataios, — «fri;?, —tüiig.
Die Grttndungszeit nach Eusebios, wo Chersonesos nur auf Mylai gehen kann. —
lieber die Lage von Milazzo Sm. 103. 4. Rüstow, Der Italien. Krieg von 1860, S. 224. D.
377 ff.
S. 134. Von dem Scirocco sagt D. XIII : »on the east coast, where it first arrives,
its effects are inconsiderable , but, acquiring additional heat in its progrcss over thc
land, it becomes a serious inconvenience, as it advances «.
S. 134. lieber die Kolonien und Fahrten der Rhodier vgl. Luders, Die Kolonien
der Rhodier in der Z. f. A. 1852, S. 289—04. Die Rhodische Thalassokratie nach Sync.
392 ' Anhang II. Belege und Erläuterungen.
p. 341 (EuB. ed. Schoene p. 68) und Hieron. zum 1101. Jahr Abr. Str. Xiy,2, 10: ^reo
Tfji *0Xvfd7nxfjg (hiaftog avxi'oTc heaty.
S. 135. r^ka, Ti. Gründung: Thuk. VI, 4. Das Orakel lautet nach Diod. Exe. Vat.
1. VIII (C. 23 Dind.) ^Evnfi ^cff KQttrw%'oq ayaxliog vU dnttfQOv, *El&6vTfs Zuctlift'
XS^ora valarov afjiqtü ^tifiafiivoi TiToXUii^QOv ofjtov KQTjjm' \Pnd((ot' ti IIclq TTQO^ofts nora-
fioto nXa aifvofi(orv/4ov tcyrov. In Etym. M. heisst Qt^At'xCip. ^ ^Uivofi^t'f)s, In Betreff der
Etymologie vgl. St. B. h. v. : 1. von der Kälte des Flusses (s.o.S. 360); 2. nach Proxenoe
und Hellanikos von Gelon , Sohn der Aetna und des Hymaros. 3. nach Aristainetos im
1. Buch 7t€Ql ^f^aariXida, ort uiaxiog (über den vgl. Ath. VII, 298) xaVAvrCfffifiog ^hlt^ o\
flthovTff iig ^fX(forg fifcvTfvaaaO^ai f Tijf S^ Ilu^iav — — TiQogTdaafip rov Aaxtov n^g
avaroXitg rjXiov teXbiv. tov cf *Ay7i.(ftjfiov yfXaaavjog, tijv ITvO-iav (inttv naXiv ,J<f^ ^A/ot»
Jvafiiäv" xal nXav noXiv otxCaat. Das erinnert an die Geschichte vom Telmissos und
Galeotes. Vgl. über die Bedeutung der Persönlichkeiten des Lakios und Antiphemos
MUH. Dor. I, 114, der in ihnen Personificationen des klarischen Apollonorakels sieht.
Ferner Schol. Pind. Ol. 11, 16, wo sich Artemon und Menekrates in Betreff der Schwie-
rigkeit der Gründung Gela's widersprechen. M. sagt, xara nminiav noXXijv nvrotg
ndircc avfißtßfixivai ; Art. dagegen findet Schwierigkeiten nefn rriv awaytoytiv aus dem
Peloponnes, Rhodos und Kreta, dann niQl tov didnXow, dann tkqI t6v xaroixiaftov,
endlich im Kampfe ngog rovg 2ixavovg, — Sodann Paus. VIII, 46, 2, wonach Anti-
phemos Omphake erobert. — Mein, zu St. B. s. v. AMog führt aus Eust. z. II. p. 315,
12 ein angeblich von St. B. in Sicilien angenommenes AivSog an. — Herod. VII, 153
erwähnt die Kreter nicht. — iSog ov r^Xatög St. B. Lat. Gelenses Cic. und And. öfter.
Gelani PI III, 91. Verg. Aen. III, 701 Geloi sc. campi. — Lage von Gela. Bis auf
Cluvcr hielt man Licata für Gela , wobei man sich auf dort gefundene Münzen Gela's
stützte. Cluvcr (257 — 64) wies nach , dass Gela weiter östlich gelegen haben müsse.
Seine Ansicht würde wohl allgemein gebilligt worden sein, wenn nicht noch im 17. Jahrh.
ein Stein bei Licata gefunden worden wäre, der ein Dekret der Stadt Gela enthält.
Licata ist das alte Phintias, eine Stadt die im J. 284 v. Chr. nach der Zerstörung Gela's
durch den Tyrannen Phintias gegründet wurde. Wenn nun die Inschrift älter wäre , so
könnte sie bei der Auswanderung der Geloer nach Phintias mitgenommen sein ; sie ist
aber wahrscheinlich aus dem 1. Jahrh. vor Chr. Vgl. C I No. 5475 mit den Bemerkungen
von Franz dazu. — So muss es allerdings auffallen , wie diese geloische Inschrift nebat
einer andern C I No. 5476, die offenbar auch geloisch ist , nach Licata kam — vielleicht
fuhren die Einwohner von Ph. fort, sich Geloer zu nennen — ; jedoch können dadurch
die aus den Historikern herzunehmenden Gründe dafür, dass Licata nicht Gela war,
nicht entkräftet werden Diese sind besonders aus Diod. XIX, 107—110 zu entnehmen,
wo Agathokles den Karthagern eine Schlacht liefert am Eknomos , den die Karthager
besetzt halten , während das Lager des Agathokles in Phalarion ist , das durch einen
Fluss vom Eknomos getrennt ist. Dieser Fluss ist nach c. 109 der südliche Himera. Da
nun das geschlagene Heer des Agathokles erst 1 deutsche Meile weit in sein festes Lager
flieht, und dann sich nach Gela zurückzieht, so kann Gela nicht ibei Licata gelegen
haben. — Wenn wir so Gela in die Nähe von Terranova zu. setzen haben , so bleibt die
Frage noch zu erwägen, ob man Recht hat, es, wie gewöhnlich geschieht, an das west-
liche Ufer des Flusses zu setzen. Nach Diod. XIII, 108 schlagen die Karthager ihr Lager
auf 77«^« TOV ofifüvvfiov noiafiop ry noXd (Gela) und Dionys, der Östlich von Gela lagerte,
zieht durch die Stadt gegen die Karthager. Diodor setzt also die Stadt an das linke Ufer
des Flusses. — Die Entdeckung der Veränderung des Flusslaufes bei Terranova ver-
danken wir Schubring. — Von den Ruinen in T. selbst spricht D. 314. Von der Säule
am Ufer Faz. 134. Cl. 245 : corinthiaci operis. Ebenso d'Orv. 123. Vgl. dagegen D. 314,
wo es a fine Doric cohimn ist; so auch Leake NH Sic. p. 57. Bemerkenswerth ist
auch, was D. 31 5 erzählt : »At the foot of the height of Terranova and between it and the
Zu Buch n, Kap. 2, Seite 135—137. 393
sea are certain circular structures — wells of fresh water, traditionally of very ancient
construetioD. There are 6 of them, at distances varying from 30 to 200 yards from the
sea«. Von den die Geloische Ebene umfassenden Bergen D. 315. — Schriften über Gela
sind: Pizzolanti, Memorio storiche di Gela. Pal. 1753 (herausg. nach dem Tode de^
Verf. von Formica) ; P. spricht förjsoine Vaterstadt Licata. Linares, Gela in Licata.
Pal. 1845.
S. 136. '/fi^(ftt, ri Thuk. VI, 5 : xal ^Ifii^a ano Ztiyxlrjg ij^xia&rj vno EvxXt(Sov xaX
2!ifA0V xal Hdxiovog, xa\ XaXxidtTs ^iv ol ttIsTotoi ^Xx7ov (fs rrjv unoixlnv, Swt^xrianv Jh
ftvToTg Xixl fx ^VQctxovaay (pifyuJec^ araofi wxij^Wi'T«, ol MvXrir(Snt xukovfittoi. Nach
Str. VI, 2, 6 haben Himera ol h Mvlatg ZayxlnToi gegründet. Die Myletiden hat Ar-
nold, Gesch. von S^iakus S. 30, mit der bei Ar. Pol. V, 3, 1 erzählten Geschichte in Ver-
bindung gebracht. Moquette, Hist. Syrac. usquead Gelonem.:L B 1841. 8. will p. 22
Af vXaXrai lesen, damit sie zu früheren Bewohnern von Mylai werden. Welcker in Jahn's
Jahrb. 1829. S. 161 entnimmt ohne Weiteres aus dem Worte MvXijrtSm , dass sie aus
Mylai waren, was doch nicht darin liegt. MvXriil^ai wird die Nachkommen eines MvXrig
bezeichnen, wenn auch nicht des Paus. III, 1, 1 genannten. Vgl. femer St. B. h. V. aus
Hekataios, endlich Diod. XIII, 62, der das Gründungsjahr giebt : er bezeichnet sie im
J. 409 V. Chr. (Ol. 92, 4) als oixtaBtlaav hr/ Siaxoaia ttxTaQdxorTa ; rechnen wir das
J. 409 mit, so fallt die Gründung 648 ; gewöhnlich wird 649 (Ol. 32, 4) angenommen ; bei
der Berechnung Diodor's XI, 49 ist auch das Jahr 409 mitgezählt. — LagevonHi-
mera. Diese Frage hängt zusammen mit der oben S. 344 erörterten über den Fluss Hi-
mera. Der alten Tradition gemäss wurde die Stadt H. links von der Mündung des
F. Grande gesucht, so von Faz. 222, bis Gl. 345 flF. Fluss und Stadt nach Westen verlegte.
Das oben wegen des Flusses gegen Cluver geltend Gemachte entscheidet auch für die
Stadt. Die Ruinen sind bei Bonfornello vorhanden. Cluver , der sie nicht Himera zu-
schreiben will, übergeht siej ganz mit Stillschweigen; Serra di Falco setzt Ergetion
dahin; aber dass dies unmöglich ist, zeigt Polyaen V, 6. Houel sagt I, 90 über jene
Ruinen : Ses ruines sont sur une colline k un mille de 1a mer. Nous aper9Ümes d'abord
a mi-c6te, au'*couchant du hameau qu'on appelle Buon-Fomello, les d6bris du soubassc-
ment d'un ftjiiieau, qui paratt un ouvrage des anciens, k en juger par ia grosseur des
pierres qui le composent. De la nous allämes sur la partie plane de cette colline ; eile est
6tendue, on appelle oe lieu les pierres d'Himöre. A la gauche d'une gorge qui divlse cette
phune, on renoontre une quantit^ detombeaux, vases etc. Un peu plus bas, en tirant
vers l'orient on voh les fondements de quelques murs, qui offirent des angles en sens diflfö-
rents. Ces murs sont d'une construction particuli^re, ils portent le caract^ro de la plus
haute antiquitö. — 1827 wurden südwestlich von der Stätte Himera's Gräber gefunden,
ein&che Thonkisten mit Deckeln , worin neben den Skeletten Münzen und eine Vase.
Vgl. B. Romano, Antichita Termitane. Pal. 1838. p. 139—43. — Vgl. femer D. 256. 57
und einen Artikel von Cavatlari nebst Plan, Avanzi d'Imera im Builett. della commiss.
No. 2, wonach zu den früher bekannten ücberresten von Himera noch ein Tempel hin-
zugekommen ist. — Ueber die Etymologie des Namens s. Movers II, 2, 338. lieber einen
Namen der Stadt, Hyll anfangend, auf Münzen: Mommsen, Gesch. des röm. Münz-
wesens S. 91. Man meint, die dorischen Bewohner Himera's würden als Hylleer be-
zeichnet. Ueber Dialekt und Gesetze von Himera Thuk. VI, 5. Ders. nennt VI, 62 die
Stadt ftovTj iv Tovrq) 7oi f4^Q(t jrig 2:iXfXCaq^ EXXag TioXig. — Emvf. *Ffi(Q€tTot. Phal. ep.
12 hat das Fem. 7/i*(»/ff. Lat. Himeraeus, Himercnsis. - Gebiet der Stadt Schubring,
Umwand, etc. 437. Münzen: Mi I, S. 239—41 und A. Saunas, Di alcune monete Imercsi,
in den Nuove memorie dell' Instit. di corr. archeol. 1865. — Nach Paus. VI, 26 , 2 war
der Hahn auch der Athene heilig; weshalb Boeckh, Pind. Expl. 210 so den Hahn auf
Himera's Münzen deutet; vgl. Diod. V, 3. - S. 136, 26 lies : und in's Land hinein.
S. 137. 2:nivov€, 6 (Fem. Diod XIII, 59). So gewöhnlich. Nebenform '^^^roiJf, vgl.
394 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
PoppoThuk. I, 2, p. 504. St. B. h. v. giebt — owriogunä —ovaiogsn. Lat. Selinus,
untis; Selinuntii, Adj. Selinusius. Die Griindungszeit betreffend, sahen wir, daas sie
nach Diodor'8 nicht annehmbarer Angabe 651 v. Chr. fallen würde. Merkwürdig ist nun,
dass eine Angabe des Hieronymus und S3nQc. hiermit fast übereinstimmt, indem sie Ol.
33, 3 — 646 y . Chr. annehmen ; aber der Armenische Eusebios hat diese Angabe nicht.
Der Name JlnfAfiikog nach Lobeck Path. p. 117, 10 der bei Thuk. VI, 4 gewöhnlich auf-
genommenen Form ITdfiiXkog vorzuziehen. — Herleitung des Namens vom Flusse St. B.
B. y. *jixQtiyavTis. Der Flussname würde dann wieder vom Pflanzennamen ailivov —
Eppich — herkommen , der nach der gewöhnlichen Annahme auf den Münzen der Stadt
dargestellt ist. Vgl. Plut. Pyth. or. 12 (Hutt. IX), wo die Selinuntier /püffow a^hrov
nach Delphi schicken. Göttling in der sogl. anzuf. Schrift i. 83. 84. erklärt den Namen
Eppichstadt vielmehr dadurch, dass Megara Interesse hatte an den Isthmischen Spielen,
in denen ein Eppichkranz den Siegern gegeben wurde. Während überdies G. mit Fer-
rara kein apium in der Gegend finden konnte, hat D. 173 dort apium silvestre gesehen.
Ebenso ist man uneinig über die Bedeutung dos Beiwortes palmosa, das Selinus bei
Verg. Aen. III, 705 führt. Jetzt sind dort keine Dattelpalmen , wohl aber viele Zwerg-
palmen (chamaerops humilis), weshalb Manche (D. 173) auf diese Palme das Wort be-
ziehen ; was Andere, wie G^ttling 84, nicht annehmen, weil Serv. zu Verg. 1. 1. sagt,
Selinus abundans palmis quibus vescuntur und die Früchte der Zwergpalme Niemand
essen wolle. Doch vgl. Cic. Verr. V, 38 , wo die Soldaten des Verres , allerdings aus
Mangel an besserer Nahrung, palmarum agrestium stirpibus sich nähren. Uebrigens trügt
die Dattelpalme erst in der afrikanischen Wüste essbare Früchte. Es wäre ako nicht
unmöglich , dass Selinus mehr palmae agrestes als Dattelpalmen gehabt hätte , und das
quibus vescuntur ist entweder falsch oder es geht auf die ersteren. Wir möchten freilich
bei palmosa lieber an stolze Dattelpalmen denken. Wenn noch D. 173 von »the frequent
representation of the fanpalm on the ancient coins of Selinus« spricht , so ist dies eine
Wiederholung eines Irrthums früherer.Gelehrten, die das allerdings nicht gerade deutiich
dargestellte Eppichblatt für einen Palmenwedel nahmen. — Der Name SiUvo vg kommt noch
[r einen Fluss in Achaja, in Elis, bei Ephcsos, in Mysien, vielleicht inKUikien ; für
eineStaätrin Kilikien, in Aegypten, in Marmarika, auf Peparethos (Boss, Inscr. Gr. ined.
II, n. 225, p.91 undCI2154. Add.Vol.II.p. 1021). -- Die Topographie von Selinus
ist behandelt worden von H. Reinganum, Selinus und sein Gebiet. Lpz. 1827. 8. (auch d.
Gesch. umfassend); von Serra di FoJcoir, in dem Aufsatze von Göttling über Selinunt und
seine Tempelruinen (in s. Gesamm. Abhandl. II, S. 78 ff.), endlich von J. Schubring, Die
Topographie der Stadt Selinus, in den Nachrichten der Kön. Ges. der Wissenseh.
Gött. 1865. Nov. (mit einem Plan nach Cavallari). Göttling hat einzelne Irrthümer
seiner Vorgänger aufgeklärt, namentlich in Betreff der Namen der Niederung zwischen
den beiden Plateaus. Nachdem Faz. 165 ein Stagnum, Namens Jalici (Chalidsch, arab.
sinus , flumen ) , westlich vom Flusse Beiice und östlich von Selinunt's Buinen , erwähnt
hatte , dem dann von Cluver ohne Grund der Name Gonusa beigelegt worden war , der
bei Lykophron 870 vorkommt, und welches derselbe femer (280) für den von Empedokles
ausgetrockneten Sumpf erklärt hatte , verlegt Beinganum ohne Weiteres Gonusa und
Jalici in die Einsenkung zwischen den beiden Theilen von Selinus (87) , die d'Orville 65
La Vallara nennt und für den Hafen erklärt. Schubring hat die Ausdehnung der Stadt
nördlich von der Akropolis entdeckt. In Betreff der Niederung ist zu bemerken , dass
nach S. 17 Schubr. besonders im oberen Theile derselben fast bei jedem Sehritte in's
Wasser trat. »Namentlich zeichnen^ sich zwei grosse Quellenbeoken aus, beide am Ab-
hang der östlichen Höhe, das eine nordwestlich vom Zeus Olympios, das andere an der
casa Bonsignore am nördlichen Bande , deren Fassung gewiss aus alter Zeit herrührt.«
Die Nordhälfte der Bürg , jetzt kahl , war offenbar nicht mit heiligen Gebäuden besetzt.
Im Osten des östlichen Hügels befindet sich ein verschüttetes grosses Halbrund mit fei-
ZuBuch n, Kap. 2, Seite 137^141. 305
sigem Rande , vielleicht das Theater von Sclinus ( Seh. 21 ). — lieber die Gründung der
Stadt Thuk. VI, 4. ~ Münzen Mi I, S. 285 ff.
S. 138. Ueber Mazara Schubr., Selinus 36 ff. — Herakleia nach Herod. V, 46
2^ihvovoltov ttJioixitj,
S. 138. *u4xQayag, 6 auch ^. lieber den Namen St. B. s. v. ^AxQayuvxitt wo zuerst
ano noxa/Ltov naoa^^iovjog steht, und später Uolvßios S^ tov nora^oy xal riiv noUv
ano TH^ x^Q^^ dvo^da&ai ^^xQayrig dia ro cvyftov. PI. III, 89 : Acragas, quod Agrigen-
tum nostri dixere. l^xgnyaythoi ; Agrigentini. (Auf einer alten akrag. Münze bei
de Luynes scheint gen statt gan zu stehen.) Nach St. B. gab es 4 andere Orte dieses
Namens, in Thrakien, Euboia, Kypros und Aetolien. Ueber die Gründung Thuk. VI, 4,
der den Namen auch rtio tov 'AnQayaviog noTafiov herleitet. Ps. Sk. 291. Str. VI, 2, 5,
wo sonst von * Im toi' als Mitgründem die Bede war, bis Kramer nach sicheren Spuren der
Uandschr. FeXifidtv , was schon Boyle vermuthet hatte , hergestellt hat. — Ausführliche
Schilderung der Stadt bei Pol. IX , 21 rj J^ ^AxQayaytCroiv nokig ov fxovov xatn tu ngou-
Qflfjiiva 6 ta(f 4Qfi t(Sp nXiCajtov noXituv^ aAAa xa\ xartc ttjv h^vgoxr^ja xa\ fidXtoja xara ro
xdllog xal r^r xaraaxavrfy . ^xnarat /alv yi(Q aito d-aluTTrig iy oxiut xal J^a OradCöig^
SgT£ f4rj^€vog afjLolgovg f.lvai r^v ix rai/ri/f /^i}aiju(uv. 6 cF^ niQCßoJuog avTijg xai (fivaei xal
xttTaaxsvj diatpiQovJtog TjaqdliaTtti. xsTrai yaQ ro xtTxog inl nitQCcg äxqoto/aov xul
Tiegt^^iäyog, ff fih avroffvovg, y cf^ jjffi^oTrofi^roi;, ntgtix^iai dh ■norttfioig» ^€i yuQ etc.,
8. S. 342, 19 J' ax(ta Trjg noXitog vniQXHxat xat* avrag tag ^€Qtvecg icvaToXag, xara fAkv r^v
f^tüO-ev inKpdviiay ttTtQogCrt^ qdQayyir 7i€QifX0fiivrj , xara <fi rrjv ivrog filav fx'^vaa
nQogoüoy (x tilg noXeutg. inl 6i rfjg xogvtp^g *Ad-riv«g Uqov ixtiarai xal ^itog ^Afaßv^Cov^
xad-dnfQ xal nagä *PoSioig. Dann ist noch von der Pracht der Tempel und besonders
desjenigen des Olympischen Zeus die Rede. Diod. XIII, 85 sagt von den Kampanem, sie
hätten besetzt top vnig Tijg noXftog Xoqov tov ^AO-rivuiov jukv ovofjiali,6uavo¥y xaxa ök trjg
Tiohutg (vipvtog xkCfxtvov. Offenbar sind Xoifog ^A^T^vaiog und axQa identisch, es wäre also
die sogen, rupe Atenea, über die vgl. D. 263, wenn nur der Raum auf derselben aus*
reichte , was jetzt wenigstens nicht der Fall ist. Man hat sich bisher nicht klar genug
gemacht , dass die Angaben Polyb's nicht gestatten , die Burg nach der heutigen Stadt
zu verlegen, dass also, wenn dies dennoch geschehen soll, bei Polyb Irrthum oder Ver-
derbniss des Textes anzunehmen ist. — Ueber die Höhlen unter dem heutigen Girgenti
Serra di F. III, 29 --31. D. 199. — Ueber den collis Vulcanins und den Oelsee sagt
Sol. V, 22. 23: In lacu Agrigentino oleum supematat, nee longe inde coUis
Vulcanius etc. Es liegt keine Veranlassung vor, Oelquelle und collis Vulcanius an
oder in die Stadt zu versetzen. Dennoch hat man, nachdem Faz. 1,6,1 gesagt: fons
iste aetate mea in Angeli Strazani hortis (bei der Stadt) existit, um die Wette diese Oel-
quelle wiedergesucht (nach Parthey 117 hat ein gefälliger Girgentiner, um Riedesel zu-
frieden zu stellen , Oel auf eine Quelle schütten lassen ) und nicht nur einen Hügel bei
Akragas als den collis Vulcanius , sondern auch einen Tempel daselbst — und von einem
Tempel ist bei Solin nicht ausdrücklich die Rede — als Vulcantempel bezeichnet. —
Der Seekrebs auf Münzen von Kos (Leake N H Ins. Gr. S. 13) und Telos (£ckh. II, 606).
— Ueber das Emporium der Akragantiner Ptol. , wo es aber nicht Akragas entspricht.
S. o. unter Ptol. — Ueber Akragas vgl. das oben S. 322 angeführte Werk von Pancrazi ;
Serra di Falco III; N. Palmeri, Memoria sulle antichita Agrig. Pal. 1832; ausführlich
beurtheilt von A. Gallo, Estratti di opere. Pte. U. Pal. 1834. 8. p. 39 — 74;
E. W. Fischer, Antiquae Agrigentinorum historiae prooemium. Berol. 1837. 8. W. We-
land, De urbe, agro, moribns Agrigentinorum. Wolffenb. 1838. 4. 0. Siefert, Akragas
und sein Gebiet. Hamb.'l846. 4. R. Politi, U viaggiatore in Girgenti. 2. Ed. Pal. 1842.
8. mit Atlas.* Gius. Picone, Memorie storiche Agrigentine. Girg. 1866. 4. — Girgentie
suoi templi. 1 : 10,000, 1 Blatt, vomJtalien. Generalstab. — H. Erfurdt, de Agrigento.
Hai. 1831. 4. behandelt nur die GrUndungszeit.
396 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
S. 141. UxQai Thuk. VI, 5. . Diod. XXIII, 4. Bei St. B. heiset sie falsch "AxQa.
Einw. -^mog. Acrenses. Sil. XIV, 206 tumulis glacialibus Acrae. — Nach It. Ant. 2 1 MIU
westlich von Syrakus. Maii suchte Akrai vor Cluver in Acromonte bei Palazzolo. Cluvcr
437 suchte nachzuweisen , dass es an der Stelle von S. Maria d'Arcia zwischen Noto und
Avola gelegen habe , doch sind seine Gründe nicht zwingend , und nach dem Vorgange
Bonanni's sind die sicilianischen Gelehrten bei der hergebrachten Ansicht geblieben.
Die Ausgrabungen Judica's haben wenigstens ein Fragment zu Tage befördert, welches
die Inschrift AKPSIN ti%t, ein Gcsimsstttck aus Terra cotta (Judica Ant. Tay. I, n. 2).
Bei Plut. Dion. 27 : <oq d* anijyy^X&rj ravTa ngog rbv /1(tova, mifi rag "Axgag atgaronf-
divovtttf i'i'XTOff Iti Tovg ajQaimjag araartjaag , ngog xov "Avanov norafiov fjxfv
anixovTtt Ttjg Ttolttoi 6ixu araifCovg, geht t$? TroZfoif natürlich auf Syrakus, was gegen
Hannert 437 und Pauly BEI, 1, 125 zu bemerken ist. — Bonanni, der von Akrai 190
— 196 seines Werkes handelt, macht gegen Cluver darauf aufmerksam, dass die tumuli
glaciales sinnlos sein würden , wenn sie von dem niedrigen Hügel , den Cluver für die
Stätte Akrai's hielt, gesagt wären, und sodann, dass der Ort gar nicht d'Arcia, sondern
deir arco heisse. Vgl. über Akrai Judica's oben citirtes Werk, femer Serra di Falco IV;
J. Hogg, on Acrae, im Museum of classical Antiquities Vol. II. 1852. 53. S. 240 — 62;
ein Bericht über eine bereits 1826 nach Akrai gemachte Tour mit Auszügen aus Serra
di F. D. 362—64. J. Schubring, Akrae — Palazzolo in den Jahrb, f class. Phil. IV.
Supplementbd. , IV. Heft. 1864. S. 660—72. Seh. war leider nur kurze Zeit in Akrai.
S. 142. ^Evva. St. B. h. V. xriofia J^vQaxoaltov , fier* 6 i'tri ZvQaxovamv, Wie
leicht kann die Zahl verschrieben sein! Nur bei Phil. (fr. 8) bei D H ep. de bist. 5
erscheinen die Hennäer deutlich als Hellenen : Svqaxoann dl na^alaßoriBg MayaQiTg xal
*Evvaiovg, Kn^uQtvtttoi dh HixiXuhg xccl tovg akXovg avfjf4axov% xrA. Diese Stelle scheint
Vielen entgangen zu sein ; wie denn z. B. Natale 261 die hellenische Kolonie in Henna
für später als den älteren Dionys hält. Die Begebenheit, von der Philistos spricht, gehört
jedoch in das Jahr 552 v. Chr. — Münzen von Henna Mi I, 206 ff. und Leake N H.
Sic. S. 55.
S. 143. Kuafiivai Thuk. VI, 5. ^x Kaa/iivrjg nöktog Herod. VII, 155 und daraus
St. B. — Aretius hielt es für Comiso , wogegen Faz. 259 sich mit Hecht erklärte. Comiso
liegt nördlich von Kamarina ; hätte dort Kasmenai gelegen , so wäre Kamarina schwer-
lich gegründet worden. Cl. 443 vermuthet (divinaverim) es sei Scicli , und diese Ansicht
hat grossen Beifall gefunden. In Mar. Perelli Casmenae antiquae (Graev. Thes. XU) sind
S. 11. 12 Ueberreste bei Scicli, IV3 Mill. vom Ufer, geschildert. Besonders führt er die
Cistema di tre bocche an, wo eine Menge von Gräbern sei, und Urnen, Münzen, Statuen
gefunden wären. So gehe es bis nach Mauli hin — also nach Westen — quo usque sese
urbis extendit situs. Vgl. femer Houol IV, 9—12. D. 370; The ravines in the neigh-
bourhood of Scicli, and the cliffs which overhang them, have many grottoes and niches,
evidently of sepulcral character, and which show habitation in early times. The city,
which is generally believed to be the ancient Casmenae, did not occupy the site of the
modern town, but probably the summit of the*height above it, now known as the costa
di S. Lucia. Vgl. über Scicli noch Ben. Spadaro, lielaz. storiche della citta di Scicli.
Noto 1845. 8. Parthey verlegt Kasmenai nach Cocciola bei Spaccafiimo; man könnte
auch vermuthen , dass es Spaccafurno , das auf einer Höhe liegt , selbst gewesen sei ;
Fazell 260 nannte den antiken Ort , der hier lag , Yspa , wegen des nahen Thaies von
Ispica, und Cluv. 438 setzte nur einen Tempel des Apollo Libystinus, den Macrob. I, 17
am Pachynus erwähnt (vgl. It. Ant.), dahin.
S. 143. A:««/ia()f raThuk. VI, 5. St. B. —aiog. Camarina, auch Camerina. Faz.
133. Derselbe erwähnt einen locus coemeterio tumulorumque copia insignis , der arcis
instar quadratis lapidibus in sublime excitatus s^ und im Norden Hege. Munter 307 ff.
D. 368. — Die Gründung wird vom armenischen Eusebios auf Ol. 45, 3 — 598 v. Chr.
Zu Buch II, Kap. 2, 3, Seite 141—147. 397
•
augesetzt. — MUnzcn Mi 1 , 221 ff. Auf Münzen von Klazomenai gilt der Schwan als
apollinisches Zeichen. Nach Pherekydes bei Schol. Ap. Rh. II, 500 entführte Apollon
die Kyrene inl xvxvatv oxfift^iTaav nach Libyen Auch sonst findet sich eine von einem
Schwan getragene weibliche Gestalt, auf Terracotten, Spiegeln, Vasen und geschnittenen
Steinen ; vgl. 0. Jahn, Ann. 1844, S. 363. Man könnte also eine locale Sage annehmen, in
der die Nymphe Kamarina in ähnlicher Weise zu Apollon in Beziehung gestanden hätte.
— Ueber Kamar. vgl. auch Ben. Spadaro, Lezioni ai miei figli ; cenni archeol. sopra i re-
perti fatti in Camarina. Pal. 1855. 8.
S. 143. AinaQa. Diod. V, 9. Nach Diod. V, 7 ist die Stadt schon von Liparos
gegründet. Paus. X, 1 1, 3 mit Abweichungen. S. unten bei Pentathlos. Ueber die Lage
des Kastells von Lipari Sm. 263. 264. -^ Ueber Hippotes und Hippotaden MUH. Dor. I,
125. ~ Die Kolonie nach dem armenischen Eusebios Ol. 38, 2 — 627 v. Chr. gegründet.
— Münzen Mi I, S. 344. 45.
S. 144. Nur Strab. VI, 1, 2 rechnet Sicilien mit zm fisydhi 'Elldg^ mit welchem
Namen sonst nur die nnteritalische Griechenwelt bezeichnet wird.
Drittes Kapitel«
S. 145. Ueber AltbUrger und Demos in den Kolonien, über die Landtheilung {ava-
ifacfios) 0. Müller, Dor. II. 55. 56.
S. 147. Syrakus. Ueber seine ältere Geschichte und Verfassung vgl. 0. MttUer,
Dor. I, 117; II, 55. 151, sowie folgende Syrakus behandelnde historische Werke :
A. Arnold, Gesch. von S3nrakus. Grotha 1S16. 8. P. A. Moquette, Hist. Syrac. usque ad
Gelonem. L B. 1841. 8. L. Beins, Conspectus historiae polit. Syracus. Gran. 1865. 8.
S. 147. yafioQoi oder yttofioQoi. Das Marm. Par. hat Zeile 52 : [ao^ov] rog Wt'^r-
pfiatv fihv KQtiiov Tou ttqot^qov, iv Zvgaxovaatg di itov \ye\o)fi6Qtov JtnrtxovTütv rjjy
KQxny. Das Jahr ist nicht genau zu bestimmen, es wird in Ol. 44—46 fallen, also ca. 600
V. Ohr. Es ist kein Grund zur Annahme vorhanden, dass das M. P. hier den Beginn der
Herrschaft der Geomoren andeute, wie Manche geglaubt haben. Vgl. auch Müller in den
Fragm. H G I, 581. Das Wort yao^oQoi wird erklärt von Hesych. als ol tkqI rfiv ytjv
TToi'ov/uLSioi oder fioiQav itXrixoT€g rrie yrjs und in letzterer Bedeutung steht es bei den
Syrakiisanem. Tim. Lex. Plat. p. 67 erklärt es als xiijQovxot, Die Geomoren sind ferner
erwähnt von Herod. VII, 155; Diod. Exe. virtt. {VIII, 9) ; Dion. Hai. VI, 62. Phot. s. v.
KilhxvQvoi; s. u. über diese. — Nach Hesych. h. v. hiess der Versammlungsort der
Sicilischen Griechen aXioxTiJQ.
S. 147. KOnige von Syrakus. 0. Müller, Dor. II, 105 und 151 wegen Pollis,
über den bei Gelegenheit des olvog HoXXutg gesprochen ist ; s. o. S. 346. Gegen Müller
Br. de Pr. 394.
S. 147. KvXXvQiot. Bei Herod. VII, 155, wo sie Sovh>i der Gamoren genannt
werden; KnlXixvQtot und KtlXtxvQioi bei Phot., wo sie erklärt werden ano rov ttg ravTo
aureX&ttv , nav%o6ano\ ovrig, log I^qiotoj, iy J^vgaxova. noXirtitf, ofdoioi To^g na^a
jittxißaifiovloig itX(ooi j xal na^ä GfOüaXotg nfv^araig, xnl naQa KQi^al xXnQüiraig.
Hesych. erklärt sie als tieigeXOovTiS ytiafioQotg; ebenso Zenob. IV, 54. Suid. erwähnt
als naQoifiltt KttXhxvQüov nUiovg (von einer grossen Menge). Aehnlich Plut. pr. AI. 10
(Hutt. XIV, 588). Femer Favorin. Etym. Gud.Eu8t.II.p.295. (Rom.) Dion. Hai. VI, 62
bezeichnet sie als nsXatag. Welcker billigt die Etymologie von xiXUtv treiben (die ihre
Herren vertrieben ; eine offenbar nach den Begebenheiten zur Zeit Gelon's gemachte
Etymologie); G^Sttling denkt an xlXXa Esel: Eselherren; 0. Müller, Dor. II, 56 hält das
Wort für ein sikeUsches, von den Griechen des Verständnisses wegen corrumpirt. — Bei
Nonn. Dion. XIII, 31 1 erscheint KM^i^v r ^BXvfKov tb noXhg argarog.
398 • Anhang IL Belege und Erläuterungen.
S. 147. Die Geschichte des Agathokles bei Diod. Exe. virtt (VIII, 9). »Es war
eine priesterliche Regel , dass im dorischen Staate die Thilren und Decken der Privat-
häuser mit der Säge und dem Beile gearbeitet werden sollten , das heisst, das Steinhaus
ist ein Vorrecht der Götter.« Curtius GGesch. I, 432. Profane Benutzung heiligen Bau-
materials bestraft: Suet. Dom. 8 und mehr bei Bötticher, Tektonik II, 2, 107.
8. 14S. Die Gesch. von den zwei Jünglingen. Ar. Pol V, 3, 1 (St.); Plut.praec.
reip. ger. 32 (Hutt. XII) welcher sagt : triv aQ^arriv noXinCar avirQerpav. Die Geschichte
erinnert an die Parteikämpfe der Italienischen Städte des Mittelalters. — Vgl. auch
oben bei Himera wegen der syrakusanischen Myletiden. — Kasmenai als Zufluchtsort
der syrakus. Oligarchen Herod. VII, 155.
S. 148. Von den Münzverhältnissen von Syrakus und Sicilien überhaupt
Mommsen, Gtesch. des Rom. Münzwesens S. 77 ff. Dass der aeginäische Fuss ursprüng-
lich auch in Akragas herrschend war, beweist Salinas in der Revue Numism. 1S67, S.
339 aus einer Münze des Pariser Oabinets von 11 gr 26 ; icli selbst hatte eine von 1 1 gr 15
aus derOollection de I^uynes als äglnäische Didrachme notirt; aber ihre Typen (Adler auf
einem Hasen ; R. Seekrebs) gehören nach Salinas 1. 1. einer spätem Zeit an.
S. 149. Akragas. In Betreff seiner ältesten Verfassung hat O.Müller, Dor. II, 156,
die Behauptung aufgestellt , dass sie Censusverfassung gewesen sei , wofür er sich auf
Ar. Pol. V, 8, 4 beruft ; und Siefert S. 58 führt, indem er Serra di Falco*8 Ansicht citirt,
sie sei aristokratisch gewesen, die Möglichkeit aus , diese beiden Ansichten zu vermit-
teln. Aber die von Müller citirte Stelle des Aristoteles spricht überhaupt nicht von Ti-
mokratie. Ar. sagt von denen, die sich zu Tyrannen machen, dass es ihnen leicht gewor-
den sei, cfi« To ßvvafjiiv TTQovTraQxeiv, roTg fih ßttaiXixfjg «QX'i^* ^^^^ ^^ ^V^ ^^^ Ti^^ff' «or
^PdiSmv fjih mqi^'AQYog x«\ %t(qoi rvQttwoi x(xjiaTr\aav ßamkilng vnaQxovatjg , oi S^ ntQl
jriv^TwvCav xtxl *f^dkttQig (x tiSv tifttoy. Das heisst, dass das Amt, Tifirj, es dem Phalaris
erleichterte, die Tyrannis zu erwerben. Dass M. den Arist. falsch verstanden, zeigt be-
sonders eine Vergleichung von Ar. Pol. V, 8, 4 mit V, 10, 4 wo von Panaitios die Rede
ist, der Tyrann wird, V, 8, 4 ix öij^ttymyCag (persönliche Stellung); V, 10, 4 l| oUyaQxi^^^
(Verfassung) .
S. 149. 4>aXaQig. Aelteste Erwähnung bei Pind. Pyth. I, fin. : rov dk TavQp ;^ffjl-
x^tfi xavTtJQa vTjX^a voov fx^Q^ ^aXagtv xar^x^i navra (faxtgy WO auch schon der Stier
erwähnt ist. Wir schöpfen das Wenige, was wir von seiner Geschichte wissen , aus ge-
legentlichen Notizen des Aristoteles, Polyb, Plutarch u. A., aus Fragmenten des Hera-
kleides, Timalos u. A., aus einigen Geschichten bei Polyaen und Frontin. — Zeit des
Phalaris. Zwei ganz verschiedene Angaben finden sich bei Eusebios. Die eine lässt
ihn zwischen Ol. 32, 3 und 39, 2 (650—23 v. Chr.) regieren (vielleicht noch früher Plin.
VII, 200, der ihn den ersten Tyrannen nennt). Aber damals war Akragas noch nicht
gegründet. Die zweite setzt ihn von Ol. 52, 3—56, 3 (570—54 v. Chr.), womit stimmt,
dass Suidas ihn in die r/}' Ol. setzt, sodann, dass nach Schol. Pind. Ol. HI, 08 Tele-
machos, der den Phalaris stürzt, durch zwei Menschenalter von Theron getrennt ist,
sowie endlich, dass Phal. Zeitgenosse des Stesichoros war. — Gründung der Tyran-
nis des Phalaris nach Polyaen V, 1, 1, der Phal. als reXm'iig bezeichnet und unter
seinen Arbeitern JsafxdiTtti sein lässt. Es erzählt Cic. de Div. I, 23 nach Heraclides
Ponticus von einem Traum der Mutter des Phalaris , dass eins der von Phal. selbst ge-
weihten Götterbilder des Hauses , ein Mereurius , e patera , quam dextra manu teneret,
Blut geschüttet habe, das, die Erde berührend, aufbrauste, sodass das ganze Haus davon
voll wurde ; quod matris somnium immanitas filii comprobavit. Aehnlicho Träume in der
Geschichte des Dionys und des Agathokles. In einem der untergeschobenen Briefe des
Phalaris (35) bezeichnet er sich selbst als ^aXagir AitoSa^uarrog utop , ^AatvTtnXaiia ro
yivog, nat^idog amattiQrifxivov, Er könnte immerhin wirklich aus der Kreta nahegelege-
nen Sporadeninsel Astypalaia gewesen sein , von wo er sich mit Andern zur Gründung
Zu Buch II, Kap. 3, S. 147—149. 399
von Akrag^ nach Sicilien begeben hätte ; dasB er gewöhnlich (so bei Luc. ver. hist. II,
23 und sonst) ein Akragantiner und von Scipio bei Cic. Verr. IV, 33 ein Sicilier genannt
wird, widerapricht dem selbstverständlich nicht. — Seine Thatcn. NachSuid. ru^»«*-
v^aag ZixtUtts olrji. Er besiegt Leontini nach Diogen. paroem. II, 50 und Arsen, p. 22 :
atl^eovrlvoi 71€qI ToCg XQtttrJQae — — *PdX(tntg d*nvTovg xaTa7roXffii]aae itg rovg xQariJQag
^^^iilßiv. Vgl. auch £p. 38 u. a. Sein Verhältniss zu Himera nach Ar. Rhet. II, 20.
Auf diese Greschichte bezieht sich auch Philist. fr. 16 M. — Die Geschichten von der
Ueberlistung der Sikaner Polyaen Y, 1, 3. 4 und Frontin. III, 4, 6. — Die Sage vom
Stier hat ausführlich erläutert Ebert, Sikelion S. 40—108. — Den Stier erwähnen : Pin-
dar (8. o.) Heracl. Pont. XXXVII, und später Viele. — Den Verfertiger des Stieres nennen
die griechischen Schriftsteller fast immer HegClttog (soDiod. Exe. Vat. u. A.), die römi-
schen Perilltts. Die Identität dieser beiden Namen hat Eb. 91—98 ausführlich erörtert.
Nach Phal. ep. 5 wäre Perilaos ein Athener gewesen. Per. das erste Opfer des Stiers
Schol. Pind. Pyth. I, 185. Die Bestrafung des Per. entspricht der des Sehers, der dem
Bnsiris den unmenschlichen Rath gab, durch diesen (Apollod. II, 5, 11, 7 ff.). Beide sind
schon zusammengestellt von Ovid. A. A. I, 651 — 56 und Luc. ver. hist. II, 23. — Von
dem ^'Exyofiog loffog Diod. XIX, lo8. — Von dem Stier handeln die Fragm. 116—118 des
Timaios. In 116 und 117 geben iPolyb. XII, 25 und Diod. XIII, 90 an, dass Timaios
die £li&tenz desselben durchaus geläugnet habe, dass aber der Augenschein ihn
widerlege, und Polybios citirt die ^vqU m^l rag <fvvü>fiiag tov ravgov (während andere,
wie Ovid. Trist. III, 11, 45 von dem »a dextra latus adapertile tauri« sprechen). Fr. 118
sagt aber Schol. Pind. Pyth. I, 185 : tov Ji rov ^PaXdQufog ravgov ot ^AxQuyavuvoi xate-
novtiaav, &g ipriai Tifiaiog, Dies Zeugniss eines Scholiasten kann aber schwerlich gegen
die von Polyb und Diodor aufkommen. Der Schol. fährt fort: thv yap ip t^ nolit
Jeuevv^tpov fiij sh'tn tov 'Pcclaoi^og , xec^neg ij nollfi xari^H do^a, iiXX ux(6p iari
nXanfog (rieht. nXa) tov noTUfiov. Dies kann die Meinung des Timaios gewesen sein.
M I9 222* vereinigt diese Behauptung des Timaios mit denen von Polyb und Diodor so,
dass Timaios Recht gehabt habe in Betreff des zu seiner Zeit in Akragas befindlichen
Stiers, der den Flussgott darstellte, während der Stier des Phalaris damals in Karthago
war. — Nach Polyb 1. 1. u. A. klang das Wehgeheul der Verbrannten ftvxriB-fi<f naga-
nXi^üiog, Bei Luc. Phal. I, 11 räth Per. dem Tyrannen avXohg nQog Tovg fivxTfjQug tov
ßoog zu setzen, damit dann fiiXri herauskommen, und dies hat dann Tzetz. Chil. I, 649.
659. V, 844. 47 als Thatsache genommen. -^ Sonstige Grausamkeit des Phala-
ris Athen. IX, 396 : KXiaQxog d'iv roTg nfQl ßCiov eig toüto (pyjtnv d/noTijTog 'PdXagiv tov
Tv^awov iXttOat, (og yaXaif-rjvie ^oivaad-ai ßQ^ffi- (Wohl auB einem Komiker.) Nach Heracl. 37
Tovc fiiv'tig X^ßijTag (iovrag^ Toi/g 3i fit TOtrg XQaTrjgag tov nvQog dnioTfXXe. S.O. von den
Leontinem. Phalaris kann einen grausamen Scherz gemacht haben, aber die Geschichte
kann auch des Wortspieles wegen erfunden sein. — Die Geschichte von der Wegnahme
der Waffen Polyaen V,l, 2. — Die Geschichte von Chariten und Melanippos Ael. VH II,
4 ; Athen. XIII, 602. Die Pythia sagte : Btlag fjyitrJQfg l(f>rifiBQCoig (piXorriTog sv^alfAtav
XttQlTtav xdi MfXdvinnog ^(/^i;.— lieber den Sturz des Tyrannen Diod. Fragmm. IX, 30,
wo es zuletzt heisst f&g yiyqanTtu iv T^ n€Ql ^i(tJox>is ßaOiXitav ; Schol. Pind. Ol. III, 68
und Heracl. XXXVII , wo gesagt wird dass das Volk Mn^rjOf xal rjjy fitjTiQa xal Tobg
(frlXovg. Die Verfolgung seiner Anhänger auch bei Plut. phil. esse c. princ. 3 (Hutt. XII)
Phal. selbst im Stier getödtet nur nach Ov. Ib. 441. 42: Utque ferox Phalaris , lingua
prius ense resecta, More bovis, Paphio clausus in aere gemas. — Das Verbot der blauen
Kleider Plut. praec. pol. 28 (Hutt. XII). — Dass Phalaris besonders gegen Fremde
grausam war, erzählt Plut. par. XXXIX (Hutt. VIII), wo die unpassende Erwähnung der
Stadt Segesta in der parallelen römischen Erzählung wohl nur aus einer Erinnerung an
die ähnliche Grausamkeit des Agathokles in Segesta herstammt. Auch Hov. I, 379 denkt
an den Moloch, welche Ansicht vorher von Böttiger, Ideen zur Kunst-Mythologie, I, S.
400 Anhang IL Belege und Erläuterungen.
359, geäussert worden ist. Pauly Kunstblatt 1855, No. 57 erinnert an |die Erzstiere im
Heiligthum des Zeus Atabyrios auf Rhodos, welche brüllten, wenn der Insel ein Unglück
drohte (Tzetz. Chil. IV, 390); J.Braun, Geschichte der Kunst II, 515 vermuthet deshalb,
dass der Stier des Phalaris im Tempel des Zeus Atabyrios gestanden habe. — Die z. B.
von Welcker über Stesichoros S. 299 (s. u.), W. T(euffel) in Pauly R E VI, 1, 1419 u. A.
aufgeworfene Schwierigkeit, der Tyrann, auf den sieh die Fabel des Stesichoros bezogen
habe, könne Phalaris nicht gewesen sein »da dieser nicht in Himera, sondern in Agrigent
war« glaube ich durch meine Erklärung des Zusammenhanges beseitigt zu haben. Phal.
Erfinder der falarica, eines brennenden Wurfpfeils ; vgl. Sil. I, 351. — 4>aXaQiov Diod.
XIX, tos, vgl. Ol. 264 (ohne Ortsnamen), D. 312 (Monte Guardla, den die Generalstabs-
karte nicht kennt, welche dort Mte. Gallodoro hat). — Phalaris sprichwörtlich
4»aXaQtSog dgxn oder oQ^ai Diogenian. VIII, 65 Prov. App. Vat. IV, 35 (E. 84). tf-ala-
Qiofioe Cic. Att. Vn, 12. — Phalaris hat Lucian Veranlassung gegeben zu seinen zwei
Phalaris, Spottschriften auf das delphische Orakel — vgL Eb. Sik. 102 ff. — und einem
Ungenannten zur Abfassung von 148 Briefen, die nachSuidas, Stobaeos undfTzetzes für
Arbeiten des Phalaris gehalten worden sind, bis Bentley ihre Unächtheit nachwies.
Nachdem Gh. Boyle die Briefe 1695 zu Oxford herausgegeben, schrieb R. Bentley eine
kurze Dissertation on the Epistles of Phalaris, Themistocles etc. in Wotton's Reflections
upon ancient and modern leaming. Lond. 1697. Gegen die hier nachgewiesene Unächt-
heit der Briefe trat Boyle auf in der im Wesentlichen von J. Freind und F. Atterbury
abgefassten Schrift : Dr. Bentle/s dissertation on the Epistles of Phalaris etc. 1698,
worauf Bentley seine Gründe ausführlich entwickelte in seiner vortrefflichen Schrift
A ^Dissertation upon the Epistles of Phalaris with an answer to the objections of the
Hon. Gh. Boyle 1699. Eine gute Ausgabe der Briefe nebst lateinischer Uebersetzung der
Bentley'schen Schriften findet sich in Phalaridis epistolae , ed. J. D. a Lennep, fin. op.
impos. L. C. Valckenaer, wozu als zweiter Band gehört R. Bentleji dissertatio de Phala-
ridis etc. epistolis, nee nonejusd. responsio, lat.*conv. J. D. a Lennep, beides Gron.
1777. 4. B.'s Schriften über Phalaris sind auch erschienen als B. opusc. philologiea.
Lips. 1781 und in deutscher Uebersetzung: Dr. R. Bentle3r's Abhandlungen über die
Briefe des Phahiris u. s. w. Deutsch von Wold. Ribbeck. Lpz. 1857. 8. Fabricius, Bibl.
Gr. 1,664 hat, ohne besondere Gründe, einen Sophisten Hadrianus aus Tyrus als Ver-
fasser vermuthet. Lennep (praef. p. V) denkt an denselben, der die unächten Briefe des
Diodor von Sicilien verfertigte. (Die^ibliogr. theilw. nach Pauly R E.)
S. 152. üeber Alkamenesund AlkandrosHeracl.XXXVII (M.II,223):^«**o»'
(Phal.) ^AXxttfiivtis nagilaßt ta nQay^ma xai /uera jovroy ^'Alxavdgog nQoiarti^ avt^fi
Inteixtig. Müll. Dor. II, 158, der jenen Alkmanes nennt, rechnet sie unter die Tyrannen;
Sief. 64 und Plass Tyr. I. 306 möchten sie lieber Aesymneten nennen.
S. 152. Von Gehl Herod. Vn, 153 ff. Ar. Pol. V, 10, 4 — S. 153, 16 lies für 504 : 505.
S. 153. Von dem Selinuntier Theron, Miltiades' Sohn Polyaen I, 28, 2: Zdivouvrioi
K(tQX1^ov£oig naQara^afxevott nolXtSy neoovrtov xal aiatf^iov xnfjLivtav xai rth noXffiionv
Inixfifi^ytoVf S-äxpai rovg vfxQohg ov &a^^ovt>TeSf ou fir\v ov^i ardtfovg neQiogäv vnofiivov-
f€s, fßovXfvovTo rC xQn ^Qacreiv, Nun übernimmt Theron, wenn man ihm 300 SkUven
mit Aexten u. s. w. um Holz zu hauen, mitgebe, das Begräbniss. Draussen überredet er
sie ijn&^aS^tu ToTg ditfnotaig; es wird ausgeführt und Ttiv noXirdSv tovc nXflarovg «no-
xtitvagxaiiXaßE ttjv noXiv. Die Geschichte passt nach meiner Ansicht nicht in den Krieg
des Jahres 409, schwerlich auch in den des J. 480, ich denke an einen früheren Krieg
zwischen Karthagern und Selinuntiem, etwa um 550. Sie erinnert übrigens sehr an die
des Panaitios.
S. 153. Von Himera und Terillos Herod. VII, 165.
S. 153. Von Leontini und Panaitios Ar. Pol. V, 8, 4. Polyaen V, 47. Eus.
Arm. Ol. 43, 1-608 v. Chr.
Ztt Buch n, Kap. 3, 8. 152--156. 401
8. 153. Katana und Gharondas. Zeit desselben Ar. Pol. II, 9, ». Freund des
OnomakritOB soll Thaies gewesen sein , ^ktiros J* Aie^ar^ Avxovyy^v xa\ ZaUvxov,
^altvtnv &k XmQtavdav. Doeh wird von Manchen dies Kap. für unächt gehalten. Herakl.
XXV sagt Yon den Hheginem vofioig Sk fxQ^^^ ^^^^ Xagtivdov rov Knrataiov. iTUQter"
rTföt J^ ttvitiv l4vtt^ilag Mifttti^tog , woraus man schliessen kann , dass Charondas vor
Anaxilas lebte. Chat, verbannt, nach Ehegion Ael. V HUI, 17. üeber seinen Tod
Diod. XII, 19, womit zu vergleichen Diod. XIII, 33 vom Tode des Diokles. Wegen s.
Namens vgl. Epaminondas ; Pagondas der Btfotarch Thuk. lY, 92. 96 ; Telondes böot.
Name bei Paus. IX, 25, S ; Diagondas theban. Gesetzgeber Gic. legg. II, 15. Für einen
Thnriw erklärt ihn Diod. XII , 1 1 : sie wählten zum Gesetzgeber rw «Qtaxov rtSy iy
naiSeitf ^avuaCou^r^v TroXirrny XaQtiv&av, 8t. B. 8. V. Kardvrj hat sogar ano Karanig
Xn^wSttg 6 diianfAog *A^yr\tft rofioi^ftaiv , wobei man an die Gründung Thurii's durch
Athen denken kann. — Quellen unserer Kenntniss der Gesetzgebung des
Charondas. Diod. XII, 12--18 hat die dem thurischen Char. zugeschriebenen Gesetze;
aber nach Ath. XI, 508 stammt die Thurische Gesetzgebung vielmehr von Zaleukos, nach
Herakl. Pont bei L D IX, 50 von Protagoras her. Indess kommt bei Diod. XII, 14 in
einem Citat aus einem Komiker der Name des Charondas bei dem Gesetz über die
Wiederverheirathung vor. Stob. serm. 42, wo der Ausdruck fliov ToaytpJovfiiyov vor-
kommt, über den vgl. Bentl. Phal. p. 200 ff. (Lenn.). lieber die weitere Anwendung
des doHsehen Dialekts Müll. Dor. II, 369. Es wäre also durchaus nicht undenkbar,
dass die Gresetze einer chalkidischen Stadt, von Charondas abgefasst, im dorischen
Dialekt geschrieben gewesen wären. «— Die Stellen aus Arist s. b. M. U, 173; es sind
Ar. Pol. I, 1, 6, IV, 10, 6 und II, 9, 8 : Xaoiovöov itUtov filv ovdiy iari nXriv al dCxat
TW ilfev^OjuaQTVQtcSv [TTQtSros yaQ inoirjae j^jv Inlaxri^lßiv]^ ry d*aHoiß({tf xüv voutav tari
ylafpvQtixiQog naX rav vvv vouod-srSy, Aber dies ganze Kapitel halten Göttling , Stahr
U.A. für unächt. Ar. Pol. IV, 9, 10 sagt noch, dass Char. wie Solon und Lykurg fx rtSi'
fiinmv TtolirtSy war (nicht Herrscher, nicht der untern Classe angehOrig) .
Die 3 Gesetzveränderungen bei Diod. XII, 17. IS sind folgende. 1. £s war Gesetz,
dass wer einem Anderen ein Auge ausschlüge, selbst eines verlieren solle. Ein Einäugiger,
der sein einziges Auge so verloren hatte, setzte es durch , dass der Thäter beide verlor.
2. Die Frau durfte die Ehe auflösen und einen anderen Mann nehmen. Ein alter Mann
setzte durch, dass die Frau in diesem Fall keinen jüngeren nehmen durfte, als der war,
den sie verliess. 3. Der nächste Verwandte einer Waise musste sie entweder heirathen
oder ihr 500 Dr. Aussteuer geben. Eine Waise , deren nächster Verwandter reich war,
setzte durch, dass er sie heirathen musste. Nur die erste dieser Anekdoten hat etwas
Alterthümliches ; die beiden andern werden sich schwerlich auf den katanäischen Gesetz-
geber beziehen. — Die Vorschrift von dem Strick um den Hals findet sich bei Stobaios
unter den Gesetzen des Zaleukos mit der Motivirung des Diodor.
Von der Liebe zu den Obrigkeiten Cic. de legg. III, 2, zu vgl. mit Stob. (Mul-
lach, Phil. Gr. I, p. 540). Der Schluss lautet bei Stob, ngograoan 6k 6 vofiog IniaxaalhKi
X(t TTQoolfJtia tovg noktrag anttvjagi xal iv xutg kogxaig uixa xovg nntwag XfyuVf ^ uy
TtQoaxdöOQ 6 iaxidxnjQ , ty l^utpvamcai ixäortp xd naoayyikfiaxtt , ZU vergl. mit Hermip-
pos TtiQl yofiod-€x(Sv bei Ath. XIV, 619 über das Singen der Gesetze des Charondas in
Athen beim Weine. — Die Gesetze des Char. auch in andern chalkidischen Städten von
Sicilien und Italien nach Ar. Pol. II, 9, 5 ; in Mazaka, der Hauptstadt von Kappadokien
nach Str. XII, 2, 9. — Vgl. im Allgem. Sainte-Croix, M6m. sur Charondas in den Mm.
de TAcad. des Inscr. et BL. T. XLII. G. Alessi, Discorso su Caronda. Cat. 1826. 4.
F. D. Gerlach, Zaleukos, Charondas, Pythagoras. Bas. 1858. 8.
S. 156. Lage von Ery ke KaU. (fr. 1 ) bei Macr. V, 19 (so zu verb. S. 364 , 6). Die
Bepflanzung des Akragantinischen Gebietes mit Fruchtbäumen nach der Schlacht bei
Holm, Gesch. Siciliens. I. 26
402 Anhang n. Belege und ErUKaterungen.
Hünera Diod. Xi, 25. Das Leontinische Gebiet : Yibius unter Menais, Leontinorum, per
quem dves ejus loci timent jurare, vom Palikensee.
S. 158. Handel zwischen Sicilien und dem Osten. Roth, Gresch. der abendland.
Philosophie II, 297. — Handel mit Krisa Str. IX, 3, 4 : ivrvxiiaavrts ol Kgiaaioi iia xä
ix jfig ZixMag xal ti\9 *IzaXliis Ul^i, Der Name eines Himeräers Krison (Diod. XU, 5,
s. u. Buch ni, Kap. 2) deutet auf Verbindung mit Krisa hin. — Ueber die Störung dea
Handels durch die Tyrrhener Antioch. (fr. 2) bei Paus. X, 11, 3. Diod. Y, 9.
S. 159. Das selinuntische Thor in Akrai nach C 15430.
S. 159. Sikeler den Syrakusanem Abgaben zahlend Diod. Xll, 30; Thuk. VI, 20.
S. 159. Petron aus Himera Piut. de or. def. (Hutt. IX) 23. Beiske hielt den Namen
nicht für griechisch und wollte deshalb Hieron lesen. £r ist acht sicilisch : Petron Ton
Petra , wie Gelon von Gela , Theron von Thera , Hieron von Hiera , Hyblon von Hybla,
Krison von Krisa.
S. 159. Die Akragantiner bestimmten die Geldstrafen in Kupferlitren ; sie wurden,
in Silber entrichtet, nach einer gesetzlichen Bestimmung über die Umwandlung des einen
Metalls in das andere. Arist. bei Poll. IV, 174 und IX, 80. Die Akragantinischen Serien
nach dem Artikel von Salinas : Description d'un d^pdt de tr^s petites monnaies d'argent
frapp^es en Sicile, in Rev. Num. 1867. S. 335—42 mit PL IX und X.
S. 160. Ueber die Niederlassung auf dem Berge Cannita die Belaz. sugli scavi intra-
presi nei dintomi di Palermo, von F. Perez im Bullett. della comm. 1, wo ausser Solunto
und Cannita noch das nahe Portella di Marc besprochen wird.
S. 160. Hund auf einer Münze von Selinus Torr. LXVI, 5.
Yiertes Kapitel.
S. 160. D. Scin4, Storia letteraria di Sicilia dei tempi Greci, c. annot. ed append.
di A. Gallo. Pal. 1S59. 8. 474 pg. kenne ich nicht. — Ueber £ um e los, Paus. U, 1,
1 und Öfter. Vgl. Rathgeber, Grossgriechenland S. 136.
S. 160. Ueber -ÄTvyat^off Hippostratos (fr. 4 M IV, 433) bei Schol. Pind. Nem. H,
1 : r^v 6h 6 Kvvaid^og Xlog^ os xal rav (niyQatfOfiivtov ^OfiriQov notr^fiartov rbv eig 'AnoX-
Itov«, yiyQttfjLfiivov vfivov Xfysrai rr^iroifjx^yai. Ovrog ovv 6 Kvvair^og TtQwxog iv J^voa^
xovaaie *(l(5a»//<^'JijO€ t« *Ofi^gov intj xard tijv i^ijxoaTrii/ iwärfjv ^OkvfintaSa, m
*l7i7i6aTQar6g (prjai. Hierzu bemerkt Müller 1. 1. : »De hoc loco doctissime disputans
Welcker in Cycl. p. 237 — 48, multa attulit quae corrupta esse illa xarä t. /|. fw. *0i.
coarguant atque Cynaethum Chium non diversum esse suadeant a Cynaethone vel Ci-
naethone Lacedaemonio. Hunc vero Eusebius in Chron. floruisse dicit Olymp. 3, 4.
Quare W. corrigendum suspicatur x«r« t^v Hxcrfv rj rr^v ivvKjrjv ^OL Contra Nitzschius
Hist. Hom. I, p. 130 verba scholiastae ita intelligit, ut sensus sit : illo tempore Syracusis
rhapsodiae certamen institutum esse, in quo Cynaethus aut vicerit primus aut inter
primos certaverit«.
S. 161. ZtriülxoQog. Sammlung der Bruchstücke von J. A. Suchfort. Gott. 1771.
4. Gaisford, Poet. min. III. 0. F. Kleine. Berl. 1S28. 8. Schneidewin, Delectus; Bergk,
Lyrici Graeci. Vgl. femer Minis, De Stesichoro. Heimst. 1765. 4. Welcker inJahn's
Jahrb. IX, 131—68 und 251—308 (sehr reichhaltig); Schneidewin in s. Ausg. des Ibykos
5. 49 ff. Bemhardy, Gr. Literaturgesch. Ü und den Artikel von W. Teuffei in Pauly's
K E Ylt 1419 — 21. Stes. einHimeräer nach Plat. Phaedr. 244 und vielen Anderen.
Wenn bei Suidas in dem ihm gewidmeten Artikel hinzugefügt wird ol 61 ano MaravQiag
Tiji h 'iraUtf, so erklärt St. B. s. v. Maravnog dies durch Maxavotvog yivog. Als Name
seines Vaters nennt Suidas EvtfOQßov ^ EvffrjuoVf atg 6h aXloi EuxX^C6ov ^ ^Yirovg {
"Hai66ov, Ueber die Herleitung von Hesiod bes. Arist. in der Politie der Orchomenier
Zu Bach II, Kap. 3. u. 4, S. 158—161. 403
(fr, 115 M n, 144) bei Tzetz. ad Hes. pr. 7. Vgl. Paus. IX, 31, 5 und Plut. sept. sap.
conviv. 19. — üeber die Henne Welcker 136 nach dem Museum Sanclement. T. III.
1809. Tab. 40, 5 und p. 172. — Euphemos bei Fiat. Phaedr. 244. Doch macht gerade
gegen diesen Namen Schneidew. Ibykos S. 39, n. 13 geltend, dass er in dem Zusammen-
hang der Platonischen Stelle, wo von dem Widerruf des Stesichoros die Rede ist, ihn als
einen Gutes Redenden bezeichnen solle. nQox^Qov TiaCag ixaXsTro nach Suid. Zeit des
Stesich. Suid. giebt die 37.-56. Ol. an ; nach Euseb. ist er Ol. 43, 2 bekannt, stirbt 55, 3 ;
die 85 Jahre seines Lebens scheinen auf Ol. 35 — 56 zu weisen. — Leben des Stes.
Nachtigal auf seinem Munde singend Plin. X. 82 und Christodor. 125 in Jacobs' Anthol.
I, p. 42. — Brüder werden genannt : von Hippias bei Proklos in Euclid. Elem. ^^/utoiaros,
von Suid. Mttfjtiqrivogy ynafdergiag IffineiQos und von Suidas xal srfQov ^Ahävnxxa
vofjto&^TTiv. Da nicht dabei steht, von welcher Stadt Halianax Gesetzgeber war, Gesetz-
geber zu sein aber kein Beruf ist, so nehme ich eine Verwechslung zweier Bedeutungen
des Wortes tofioyQccffog an , welches sowohl Gesetzgeber wie Componist bezeichnet.
Letzteres kann der Bruder des Dichters, der Abkömmling einer Dichterfamilie, sehr wohl
gewesen sein. Dann sind die 3 Brüder : Mathematiker, Componist, Dichter, Oder sollten
die Beschäftigungen der Brüder aus den Namen derselben entnommen sein ? Auffallend
ist der Name Mufiigrivog. Teuffei S. 1419 meint, er möchte in Mamertium gelebt haben.
Aber dies lag nach Str. VI, 1, 9 am Silawalde in Bruttium, und war also wohl erst eine
Gründung der Lucaner des 5. Jahrh. v. Chr. Im 7. Jahrh. will der Name Mamertinos
nicht anders in diese Gegenden passen, als indem man Beziehungen der Bewohner Hi-
mera's zu den mittelitalischen Völkerschaften annimmt. — Stria, iv Aoxqotg ilniv ott
ov S(t vßQiarag thai, ontog ^tj oi tittiyeg ^f^ino&iv ^Jaiaiv, Ar. Rhet. II, 21. — Sein
Alter 85 Jahre nach Luc. Macrob. 25. — lieber seinen Tod Suidas. Von der Gestalt dea
Grabes Suid. s. v. ndyTa 6xt(ü. Ein gleiches Denkmal nach PoU. IX, 7 und Eust. II.
XXII, p. 1289, 59. Od. I, p. 1397, 38 in Himera. — üeber die Deutung des nm'ta oxtcS
auf Stesichoros vgl. Welck. 153 ff. — Die Grabschrift des Antipater in der Anthol. I,
p. 328 lautet: ZraoCxoQOV ^anXriO-hg ccfKTQTjTov axofxa Movorfg , *Exx4Qiaiv Kaxiivag
atrf-alotv öunt^ov ' Ov xaxic Üvd-nyoQa (pvat-xcev (faxiv, a tiqIv *Of*T^QOV \I'v^ttiyl üxiQvoig
öivxiQov f^xiauTo. Die andere steht in Ferret. Mus. lapidar, p. 354. Statue in Himera
Cic. Verr. II, 35. Die Münze bei Torrem. tab. 90, 13, p.^7 vgl. Welcker 145. — 2(>
Bücher nach Suid. Quintil. 'X, 1 , 62 nennt ihn epici carminis onera lyra sustinentem. —
lieber des Stes. Auffassung des Herakles Athen. XII, 512. Die orientalische Aus-
stattung des Her. mit Löwenhaut und Keule (Sonnengott} durch Stes. weist auf herr-
schende orientalische Einflüsse in Sicilien hin. Peisandros schreibt sie zu Str. XV, 1, 9
(€ix€ ÜtCaavSQog ^v ktx uXXog xtg). Erytheia bei Tartessos Str. III, 2, 11. — Die Gestalt
des Geryones nach Stes. Schol. Hes. Theog. p. 256. 13. — üeber den Becher des Helios
nach Stes. bes. Athen. XI, 469. — Üeber den Ryknos Schol. Pind. Ol. X, 19. Stes. über
die Kinder der Megara nach Paus. IX, 11, 2. — Dass die Zvo^^Qtu (Athen. III, 95)
gerade die Kalydonische Jagd zum Gegenstand haben mussten, bezweifelt Welcker 254.
Allerdings werden auf Bildern auch andere Helden zu Saujagden vereinigt ; aber die
kalydonische war doch immer die allein bedeutende. — Athene die Zähne säend nach
Schol. Eur. Phoen. 674. — Von Schleiermacher zu Platon's Republik S. 608 ist die Ver-
muthung ausgesprochen, dass Stes. die Eriphyle vertheidigt habe. — Üeber die Auf-
fassung der Sage von Aktaion durch Stes. Paus. IX, 2, 3. Preller, Gr. Myth. I, 308 legt
Stes. eine Verbindung beider Sagen bei, die nicht begründet ist. — üeber die V;./oy
Tt^QOig und die Tabula Iliaca ausführlich Welcker 255 ff. Die im Capitolinischen Museum
befindliche Tabula Iliaca ist herausgegeben von Fabretti, Col, Traj. Rom. 1683 p. 315;
später im Mus. Capitol. IV, 68; Miliin, Gal. Myth. 558 ; Tischbein, Homer nach Antiken
gezeichnet. Stuttg. 1821. fol. S. 13; endlich Boeckh. C I III, n. 6125. Rubino, Beitr.
z. Vorg. Ital. 91, n. 117 macht wahrscheinlich, dass Stes. , ein Nachbar der Elymer in
26*
404 Anhang n. Belege und Erläuterungen.
Sicilien, doch die Gklangung des Aeneas nach Latium (wenn er auch Lavininm nicht
nannte) gedichtet hat ; in Kyme liess ja doch Niemand den Helden begraben sein, lieber
den Wasser tragenden Epeios Athen. X, 456. — Schauplatz der Orestie Lakonien bei
Stes. nach Schol. Eur. Gr. 46. — Ueber die Kalvxri Athen. XIY, 619 und Eust. ad
n. p. 1236. — Ueber die *Padivti Str. VIII, 3, 20. — Den Daphnis hat mit Kalyke
und Bhadine zusammengestellt Welcker 284. Stes. Urheber der bukolischen Poesie ge-
nannt von Ael. V H X, 18 , der auch von dem 7iti9o^ jb xara tviv o(f&alfi£v avrov
spricht. Von der einen Quelle der zwei Himera Vib. Sequ. p. 1 1 Oberl. — Das Gedicht
auf Eleariste nach Phal. ep. 19. Vgl. Welcker 300. — So kommen ep. 9 die *Axatäv
vdaroi als Gedicht des Stes. vor; von Lennep, da sie damals noch nicht anderweitig
nachgewiesen waren, als Fiction des Verf. der Briefe betrachtet ; aber mit Unrecht , wie
Kleine p. 82 gezeigt hat. Ein naiäv des Stes. nach Tim. bei Athen. VI, 250. — Die
Fabel vom yetogyos xal atrog Ael. H A XYII, 37 vgl. Welcker 300. — ofiriQixwatog
nennt Stes. Longin. Xm, 3. Vgl. Qnint. X, 1, 62 und Dionys. de comp. verb. II, p. 28
Sylb. — TOT TQ^a SrriotxoQov, Suid. h. v. (fTQOif^v, avrlarqo^pWt Inf^dov * iirf^dtxtf yä^
rräaa ^ rov ZnjaixoQov noirjoig. Als Sprichwort : ov^k tot rgiet, SrtfcnxoQov y^yv^axetg.
Welcher 152 bemüht sich nachzuweisen, dass dadurch nicht die Erfindung der Epodos
dem Stesichoros zugeschrieben werde. Hiermit steht in Verbindung die Erklärung des
Namens Stesichoros durch Suidas : ort ng»tog %id-a(^6Uf x^Q^^ lanjac , was doch nicht
klar ausgedrückt ist. — Xanthos Athen. XII, 513. Ael. V H IV, 26. Vgl. Welcker
165. — StesichorosalsDarsteller der Liebe: Athen. Xni, 601. — (Aihn des Stes. als
üxolia gesungen nach Schol. Ar. Vesp. 1217. — Dass die Gedichte des Stes. bei den
Festen gesungen wurden : Schneidewin in s. Ibycus 52 ff. — Ueber die Palinod ie des
Stes. vgl. bes. Welcker 265 ff. Plat. Phaedr. 243. Suidas: ii oveigov. Ein Orakel
nennt Schol. Cruq. Hör. Od.1, 16, 28. Paus. IH, 19, 11. Herrn, z. Phaedr. ed. Ast. p.99,
cf. p. 60 (W. 271). Ueber die Schlacht am Sagra Grote IE, 642, n. 62 nach Justin. XX, 3
und Str. VI, 1, 10. Isoer. Hei. enc. 28 : ors /üv yag aQxof^fvog rrjg tpdijg ißlaatpriuritfi r«
Tifgl avrrjgf aviaxn rdSv otpd-alfAiSv anearsQtifjiirog * instdri Sh yvovg Jtiv aixlav rijfgavfjL-
fpogäg, T^p naltvifiSCav inoCfia€y ndXtv avTOV ig rtiv avrriv (fvatv xarffftfiae. Welcker's
Ansicht S. 275, d^x^ f- v^- heisse : im Anfange des Singens oder der dichterischen Lauf-
bahn, kann unmöglich angenommen werden. Auch die Erinnerung an den blinden Homer,
mit dem man ja Stes. verglich, kann von Einfluss gewesen sein, sowie andererseits
Blindheit gewöhnliche Strafe für die Beleidigung von Nymphen ist (Daphnis) . naUvt^dlav
äyeiv ist sprichwörtlich geworden. — Die Kalyke sangen nach Aristox. bei Athen. XTV,
619 a/ a^j^ttm» yvyatxeg. Ueber die Versmasse des Stesichoros, Kleine 41 ff., Welcker
155 ff.
S. 169. ^Ißvxog. Ueber ihn besonders Schneidewin, Ibyci carm. reliq. Gott. 1833. 8. ,
dessen von 0. Müller getheilter Auffassung entgegen Welcker Rh. Mus. II, 211 ihn nur
als erotischen Dichter betrachtet. Cic. Tusc. IV, 33 : maxime omnium flagrasse amore
Ibycum Rheginum apparet ex scriptis. Herkunft und Eltern des Ib. nach Suidas nebst
der Erläuterung Schneidewin's bes. S. 8. Derselbe hat die Angabe des Suidas, dass Ib.
nach Samos gekommen sei ot€ avr^g tiqxs noXvxQartig 6 rov Tvgäwov tiuti^q , als unan-
nehmbar nachgewiesen. Seine Emend. S. 19. Während Suidas Ol. 54 angiebt, hat Cyrill.
adv. Julian. I, p. 13, Ol 59 und Hieron. Eus. Ol. 61. — Von seiner Reise von Katana
nach Himera Himer. or. XXII, 5. —Von seinem Tode Antip. in Anth. Pal. Vn, 745 ; Plut.
de garr. 14 (Hutt. X); Nemes. de nat. hom. 42 p. 305 ed. Oxon. Suid. Eudoc. — Sprich-
wort al 'Jßvxov yiqavoi bei Zeuob. I, 37 u. A. m. Nach Korinth verlegt die Scene ausser
Antipater auch Macar. Chrysoc. ap. Walz ad. Arsen. Viol. p. 30. Dass er zu den Isthmi-
schen Spielen wollte, hat dann Schiller hinzugedichtet. Wegen der Grabschrift Anth. Pal.
VII, 714, die ein Grab des Ib. in Ehegion voraussetzen lässt, denkt Sehn. 28 an eine Er-
mordung bei Rhegion. Ueber die Beziehungen der Stesichoreischen Poesie zu der des Ibykos
Zu Buch n, Kap. 4, S. 169—171. 405
Sehn. S. 38 ff., besonders ist Athen. IV, 172 wo Verse Stesichoros oder Ibykos zuge-
schrieben werden, wichtig. — 7 Bttcher nach Suidas. Die Fabel von der ^nf/ag und dem
ovo; Ael. H A VI, 51. — Von Stes. und Ib. sagt Schneidewin, Simon. Oei carm. reliquiae
P. VII : Apollineae religioni dediti poetae SicuH Stesichorus et Ibycus.
S. 170. Ueber Aristoxenos Hephaest demetr. 8,3, wo auch ein Fragment von
ihm angeführt wird. Hieron. setzt ihn zusammen mit Archilochos und Simonides in Ol.
29. Da Selinus erst nach Ol. 29 gegründet wurde , so könnte Ar. aus Megara mit nach
Selinus gezogen sein. Ar. hat bereits den anapästischen Tetrameter angewandt. Vgl.
PaulyREI, 2, 1700.
S. 170. Arion in SiciUen Herod. I, 24.
S. 170. Sappho in Sidlien nach M. P. lin. 51 : 2an<f>dt iy MnvXi^vfis eig HuceXiav
inltvae (pvyovaa. Panormos, vielleicht das kretische erwähnt im Fragment Sappho's bei
Str. I. 2, 33.
S. 170. Sföyvtg. Suid. nennt ihn MeyttQtvs riSv iv Ztxdit^ Mty«Q<ov offenbar nach
Plat. Legg, I, 630 : St&yviv TtoXirriv rtSv iv ZixeXtq Mfya^imv, während der Inhalt seiner
Schriften das Nisäische Megara als seine Heimat erkennen lässt und St. B. s. v. Mfyaga
es bestätigt. Nach Suid. fy^atptv iXeytittv etg rovs öa&ivrug rtiv SvQaxövattav iv r^
noXioQxitf, wobei Burigny an die Belagerung von Syr. durch Hippokrates um 492 dachte
(Br. dePr. 503).
S. 170. Ueber die alte Kunst Siciliens, besonders die Architektur vgl. jetzt auch
Beul^. Histoire de l'art grec avant P6ricl*s. Par. 1868. 8. — Die Tempel von Seli-
nus. Ueber ihr Alter sind folgende Ansichten aufgestellt worden :
Nach Serra di Falco 11, 70 : C um Ol. 50 — 580 v. Chr. ; 'F um Ol. 65 oder 66—520
oder 516 V. Chr. ; £ etwa 450 oder 440 v. Chr.
Nach 0. Mttller, Arch. Ausg. von Welcher S. 68 : C etwa um Ol. 50 (oder 5— 10 Ol.
früher;.
Nach Kugler KG 2. Ausg. S. 170 : C wohl noch aus dem 6. Jahrh. ; D in den For"
men etwas feineres Gefühl; F jünger, 1. Hälfte des 5. Jahrh. (S. 200); A spätere Zeit
des 5. Jahrh. ; £ der Architektur der Blütezeit am meisten verwandt ; G im J. 409 noch
unvoUendet.
Nach Overbeck GrPl. I, S. 90: C circa 600 (Ov. setzt die Aegineten Ol. 60—70 , in
die Blütezeit Aegina's); £ und F circa 530 und 520 v. Chr. £r nimmt keinen Unterschied
des Charakters zwischen beiden an (S. 132).
Nach Friederichs Berlins Ant. Bildw.I, S. 16 : Der älteste Tempel gegen den Schluss
des 7. Jahrhunderts — wegen der fehlenden Löwenhaut bei Herakles. Doch kann die
fehlende Löwenhaut kaum einen Beweis abgeben. Uebrigens will Serra di F. ein Fell
als Bekleidung des Herakles bemerken.
S. 171. Der älteste T. von Selinus (C). Schubring Sel.S. 13 hält ihn für einen He-
raklestempel; 2Metopen beziehen sich allerdings auf Herakles; und dass Selinus den He-
rakles hoch hielt, zeigen die Münzen der Stadt. Nach Serra di F. U sind die Masse (s. S. 328) :
Larghezza compr. i gradini . pal. 101.
Lunghezza » »» • 272.
Larghezza misur. dair estemo delle colonne » 91.
Lunghezza » » > » » » 246.
Larghezza deDa cella »
Lunghezza » » »
Diam. delle col. del prosp. e del pronao »
n » 9 delle ale »
Sommo scapo (Oberer Durchmesser) delF une e delV altre »
Intercohinnio del prosp. (diff.) »
» dei lati »
40.
^^"* •
155.
7
7.
2
6.
9.
5.
5
9.
5
8.
2.
»
406 Anhang II. Belege und ErläuteroDgen.
Altezza de' gradini pal. 7. 9. —
delle col. compr. il capitello »34.
del capit. compr. il coUarino (Hala) » 4. 1 . 4
Suo sporto (Yorragung) » 2. 1. 3
Altezza dell intera trabeazione » 15. 5. 6
Architrave » 6, 10. 6
Fregio •. . . » 5. 8. —
Cornice ■ 2. 11. —
Sporto della cornice » 2. 1. 8 \
Larghezza de' triglifi » 3. 6. 2
» delle metope » 4. 2. 9 )
ivaria come quella degli intercolunni).
Vgl. auch D. 170. — Nach Beul6 92 sind die porticua, ihrer Breite wegen, wie Hittorff
bemerkt hat, für das Volk zu Versammlungen bestimmt, was sonst nicht der Fall war;
auch dass sich vor der ganzen Ostseite bequeme Stufen finden, während sonst der-
gleichen nur in der Mitte sind, deutet darauf hin. Nach Schubring, Sei. S. 34, zeigte sich
1865 bei der Untersuchung durch Oavallari »ein in den Tempel eingebautes kleines Haus
mit einer Treppe aus schlechtem Gemäuer aus christlicher Zeit. Die Säulen des Tempels
waren darauf gestürzt und hatten es zerquetscht«. Andere monolithe Säulen sind auf
das Tempelchen B gestürzt. — Die Monolithie der Säulen der östlichen und der halben
südlichen Seite bezeugt Schubring S. 14; nach D. 170 wäre one or two monoliths. —
lieber weitere Funde berichtet S. Oavallari, Scavi di Selinunte in Bull. 1868 p. 87 : —
due listeile di 0,83 di larghezza, le quali contomando le strie formano al disopra un arco
acute, ma nella congiunzione si svolgono con altra curva in st al modo degli archi gotici
del quattrocento. II rimanente di questa parte omamentale ö di una superficie cilindrica.
S. 172. Die Metopen sind am besten abgebildet bei Serra di FalcoII; eine neue
Herausgabe ist zu erwarten von 0. Benndorf. — Vgl. femer das oben angeführte Werk
von Angell, und Hittorff 's Arch. ant. pl. 24. 25. 49; P. Pisanl, Memorie sulle opere di
scultura in Selinunte scoperte. Pal. 1823, und über ihre Auffindung Elenze bei Thiersch,
Epochen der bild. K. d. Griechen. 2. Aufl. S. 405 ff. Ihre Zusammensetzung aus vielen
Stücken, in die sie zerbrochen waren, nach Böttiger, Amalthea III, S. 307—17, abgedr.
in Beinganum, Sei. S. 203 ff. Die Medusa ist nicht die evndoifoi Pindar's (Pyth. XII,
16). Vgl. über die Bedeutung dieser Sculpturen Overbeck und Friederichs Berlin's ant.
Bildw. I. DüBS. 1868. 8. S. 12— 17. —Das spartanische Belief: Annali 1861, Tav. C.p. 34 ;
auch inOverb. Gr. PI. 2. Ausg. — Auf den asiatischen Charakter dieser Skulpturen weist
Braun, Gesch. der Kunst II, 509, hin. —Die Sage von Herakles und denKerkopen
bespricht 0. Müller, Dor. 1, 460. — Der fifXafinvyog sprichwörtlich (Archil. fr. 106 Gaisf ) .
— Nachdem sie an den Thermopylen (Herod. VII, 216) und in Lydien (Lobeck, de Cercop.
et Cobalis p. 7) heimisch gewesen waren, sollten nach Xenagoras (fr. 13 M IV, 528) bei
Schol. ad. Luc. Alex. 4 und Harpocrat. s. v. XiQx<otp von den in Affen verwandelten
Eerkopen die Pithekussen den Namen erhalten haben. So mögen sie auch in Sicilien
hausend gedacht sein. Herakles und die Kerkopen auf einer Vase aus Girgenti im Mus.
Biscari zu Oatania, D. 405; ferner auf einer Vase der Sammlung Panitteri in Girgenti,
jetzt in München : Jahn, Vasensamml. No. 783. Vgl. übrigens Müller, ArchaeoL 411, 4.
— Ueber dieWagenlenkermetopeist Serra di Falco U zu vergleichen. Göttl., Ges.
Abh. U, 98 sieht in der auf dem Wagen stehenden Figur die argivische Hera und hält
den Tempel für einen Heratempel. — Ueber die 1865 gefundene Metope Schubring,
Sei. S. 34. — Den derben, den ältesten Metopen vergleichbaren Archaismus zeigen auch
Thonfiguren aus Akragas : Gerhard , Ant. Bildw. Taf. XCV. — Ueber Farbenspuren
Oavallari, Bull. 1868, p. 87, wonach gefunden sind diversi finimenti di terra cotta dell'
embrice denotanti un omato dipinto nel cosidetto beceo di civetta con colori roaso e
Zu Buch II, Kap. 4, Seite 172—175. 407
nero. — Nach dems. haben sich zwischen diesem und dem nördlich folgenden Tempel
Gräber gefunden coperti con grandi lastre di tufo calcareo , in deren einem sich nove ami
di bronzo, in einem anderen eine Bronzemttnze fand, wie es scheint, späterer Zeit.
Näher dem Tempel C fand man ein Stück Gesims mit einer Inschrift gedeutet
S. 175. Tempel D. (Vielleicht Apollotempel. Ap. war in Megara Hauptgottheit,
nach Ausweis der Münzen.) Serra di Falco II, 17. Seine Masse sind :
Larghezza compr. i gradini pal. 107. 8. —
Lunghezza » » » 225. 2. 4
Larghezza presa deir estemo delle col. . . . » 90. 4. S
Lunghezza » » » »»...» 207. 11. —
Larghezza della cella compr. le mura ... »34.
Lunghezza » » » »».... » 140. 2. —
Diametro delle col. del portico » 6. 11. —
Sommo scapo » 4. 5. —
Intercolunnio » 10. 1. —
Diam. delle col. del pronao » 5. 7. —
Altezza dei gradini » 4. 7. ~
Altezza de' capitelli, compr. il coUarino » 3. 6. —
Lato deir abaco » S. 9. 6
Sporto del capitello » 2. 2. 3
Altezza deir intera trabeazione . . . .*. » 15. 1.—
Architrave » 6. 1. —
Fregio » 5. 9. —
Comice » 3. 3. —
Sporto della comice » 2.8.6
Larghezza dei triglifi » 3. 10. 10
» delle metope » 4. 9. —
Tgl. D. 171. — Nach Cavallari 1. 1. p. 88 fanden sich nOrdlich von diesem Tempel le fon>
dazioni di un vasto edifizio fabbricato con grandi pezzi squadrati. Tra 1 ruderi furono
tirati fuori considerabili pezzi di marmo pario lavorati ma non finiti, materiale rarissimo
in Selinunte.
S. 175. Der sogen. Artemistempel auf Ortygia. Ueber ihn Serra di Falco
III, Taf. IX; Schubring, Der neu ausgegrabene Tempel in Syracus. Philol. Bd. XXIII,
8. 361—67 ; Adler und Kirchhoff im Archaeol. Anzeiger z. Arch. Zeitung 1867. S. 60*.
61*. Die Masse Schubring's sind :
Länge des T. ausser den Stufen (vermuthet) Met. 61,22
Breite » » » » » . . . . » 21,45
Höhe der Säulen » 6,71
Frontsäulen. Durchmesser , » 2, —
Intercolumnien » 1,70
D. mittl. Intercol » 2,65
Säulen der Langseiten. Durchmesser. . . » 1,82
Intercolumnien . . » 1,48
Höhe des Kapitals » 1,28
» » Architravs » 2,17
Nach Hittorff bei Beul^ 71 ist der Durchmesser der Säulen an der Basis 1,90 M. , oben
1,60 M. Auffallend ist noch , dass bei der nordöstlichen Ecksäule die Kanäle nicht bis
auf den Grund ausgeschnitten sind, sondern die runde Peripherie 0,28 M. hoch beibehal-
ten ist. Adler fasst den Tempel als »das erste sichere Beispiel des bei Yitruv schon ver-
worren behandelten, aber vonBötticher in scharfsinniger Weise seiner Wiederherstellung
408 Anhang II. Belege und ErlSuterongen.
des altdorischen Tempelbaas zu Grande gelegten opoa monotriglyphama (Bött. , Tekto-
nik I, 152) aaf, so das» dadarch Bergau's Wideraprach gegen BOttichei's Annahme so-
rückgewiesen werde. A. hält den T. deswegen sogar für älter als äea mittleren Bnrg^
tempel von Selinos , »mit welchem sonst eine enge Verwandtschaft bezüglich der Plan-
disposition and Stractnr anläagbar hervortrete«. Nor 16 Canelüren. — Ueber die
Inschrift vgl. R. Bergmann , Die griechische Inschrift an der obersten Stafe der Ostseite
des nea ausgegrabenen Tempels zn Syrakas (Ortygia) in Philol. 1868. S. 567 if., wo die
Inschrift so ergänzt wird :
KXso\fiiv]tig oder KX(o\^i^d]rjg Inoit^as [t\^[7i^l](ovt [6 «tf
Der Sinn des Schlusses von tuvi an bleibt unklar.
S. 176. Ueber Klearchos Brunn, Gesch. d. gr. K. I, 48 — 51. -^ Ueber Polystratos
Brunn, I, 54, nach Tat. adv. Gr. 54, p. 118 Worth.
Ffinftes Kapitel.
S. 177. Die hier nicht zu er($rtemde Frage, ob der Stier mit Menschenhaapt auf
Münzen Dionysos oder ein Flussgott sei, ist seit dem vorigen Jahrhundert vielfach ven-
tilirt worden. Vgl. A. de Longp^rier, Monnaie incnse de Rh^um in der Rev. Numism.
Par. 1866. p. 265—77. Gut sagt Leake Num. Hell. Sic. p. 58 : »When we reflect on the
importance of riven in a climAte, where sucoessful agriculture depends so mach upon
Irrigation, and on the numerous instances, in which rivers determined the sites of new
eitles, and gave names to them, the honoura conferred upon riven on coins is not sur-
prisingK. Nach Schol. IL 24, 61 5 ward Acheloos, der Vertreter der FlassgOtter, wie an>
derswo, z. B. auf Rhodos, in Metapont, so auch in Sieilien verehrt. ~* Die Belege zu
dem über die Kulte Bemerkten sind meistens aus den Münzen und den Inschriften zu
nehmen; man vgl. Leake und Mionnet, sowie das C Inscr. Gr., das besonders über
Akrai sehr lehrreich ist. Besonders zu bemerken mischte Folgendes sein. Kultus des
Flussgottes Himera nieht ans Münzen zu erweisen, sondern nur aus Cic. Yerr. II, 35.
Palankaios in Agyrion Torrem. XI, 9 (andere Münze Arkaios). Apollon KameioB MttU.
Orchom. 327. Ap. Triop. Sief. Akr. 91 . Zeus Urios Cic. Verr. IV, 57 ; vgl. 0. Jahn, Archäol.
Aufs. S. dO ff. Eleutherios und Hellanios Mi I, S. 309. Athene Tritogeneia nadi Ver-
muthung Schnbring's, Bewäss. v. Syr. 638. Aristaeus in aede Liberi zu Syrakas Cic.
Verr. IV, 57. Hera in Syrakas Ael. V H VI, 11. Aphrodite BattStig in Syrakas nach
Hesych. Aphr. in Selinus nach Zenob. Prov.Ii 31. Hestia C Inscr. 5367. Pan Mi 81,279^
auch aus Syrakus Mi S 1,637. Dioskuren BronzcmUnze von Syrakus Mi SI, 615 ; von Ka-
tana Mil, 167. 168. Diosk. auf dem Sikelischen Meere waltend £ur. £1. 1329. Tyche Cic.
Verr. IT, 53. Pind. Ol. Xn, 2. Sosipolis in Gela Mi S I, S. 387 ; es ist bemerkenswerth, das»
nach Paus. VI, 25, 4 in EHs neben der Tyche der Genius Sosipolis verehrt wurde ; bei Burm .
zu d'Orv. Tab. X , 4 bekränzt eine weibliche Figur^ den Stier mit Menschenantlitz,
darüber die Inschrift Sosipolis : da auf dem Bevera schon die fliegende Nike erscheint,
könnte dies um so mehr Tyche seiDu Leake N H Sic. S. 73 unten hat eine syrakus.
Münze , auf der eine von ihm für Iris gehaltene Figur mit bauschigem Grewande sich be-
findet ; vielleicht Tyche? Vgl. Mi S 1 , 612 Figur mit Steuerruder auf syrakus. Bronze-
inUnze. Heiligthum der Musen Hermipp. in vita Eurip. in Bioyg. Westerm. 138 (M. DI,
52). Verehr, des Janas in Sic. : Drae. Corcyr. bei Ath. XV, 692. ^ Ueber die sicilisohen
Feste vgl. Hermana, Gott. Alt. § 68, wo jedoch die nur von GefUsshenkeln entnornmeBsn
Monatsnamen als fremd (rhodisch) abgehen müssen; nebst dess. griecb. Monatskonde.
Gtftt. 1844. 4. Den Heroen gewidmete Frühlingsfeste Schneidewin zu Ibyeos S. 52--44.
Naehtfeate der Nymphen Tim. bei Ath. VI, 250. Bei dems. X, 437 Fest der Xoig.
Zu Buch II, Kap. 4. u. 5, S. 176—190. 409
S. 181. Ueber Xenophanes bea. Roth, Geach. der Abendl. Philosophie 11, 177 ff.
Xen. sagt von sieh selbst bei L D IX, 19: tj^ii <r iTird t iaa^ ttai i^^^ovr iviavioC
BlriOTg^Coi^sg ifiiiv (pQovtl^ av ^EXkaBa ytjv. *Ex yivirtig Sk tot ififav ifiKoai nivTi Tt
ngoc Totg EXniQ iyw Ttigl rmd* Ma X^yHv iTVftmg. Nach Gens, de die nat. 15, 3 ward
er major centvm annontm. Da nun Hieron, unter dem er nach OL Alex. Strom. I, p. 301
u. A. lebte, ca. 470 regiert hat, so kann des Xen. Geburt um 570 fallen. Dazu passt, dasa
er dann 545 25 Jahre alt war. Dass Apollod.beiCl. AI. 1. 1. ihn in die 40. Olymp. (620) ge-
setzt habe, kann auf einem Versehen beruhen. Ueber s. Aufenthalt in Sicilien L D IK,
18. Sein Auftreten ebendas. X. ttber die Volksreligion Gl. AI. Str. V, p. 601 : l^A^ cf
TOI z^'Q^S Y ^^X^^ ß^^^ V^^ liavT(g*H yQa\pai z^l^cffifi kuI i^ya TtlfTv Sntg av^QSc, Kat x€
&nSv i^iag tyQUifov xal atoftaT inoiouv Totav&* otovntQ xauTöl difjttt^ ^^X^ ixaOTOt,
"iTtnoi fi4v d-' tnnoiat ßoig fi Tt ßovalv ofioia, womit man vgl. Epioharm's Fr. 43 S. 270
Lorenz, wo er xviov xvvl xaXXtaTov tlfi^v tfaiviTai xttl ßovg ßot, — X. und die Eleaten
Ar. Rhet. II, 23. Mehrere Götter dem Namen nach angenommen von X. bei Gl. AI. Str.
V, p. 601. — X. Gotteslehre Ar. Met. I, 5, 986 : J?. tig tw oXop ovgavov anoßXi\pag, to Hv
ilvai (f-rjct Tov ^tov. S. £mp. ady. Math. IX, 144 : ovlog 6q^, ovXog di voit, ovlog (f^
f axovsi. Simpl. in Ar. Phys. fol. 6. X. Geologie S. Emp. ady. Math. X, 313. Orig.
Phil., p. 18 : S. iy 2v(fuxovaatg iv Totg laTOfilatg Xfyii ivgrja&at Tvnov tx^-vog xaX (pwxtSvf.
h öl M^XItj^ nXaxag avfindvTwv ^aXaGoCw, Meteorologie des X. Stob. Ecl. phys. I,
522. Plnt. Plac. phil. II, 13. Sein Skepticismus S. Emp. ady. Math. VII, 4, 9. Dagegen
Stob. Ecl. I, 224 : OvTot an aQxrig ndvTa d-tol &vtiTotg vni8eiiaVf l^XXa X9^V C^TOuvTeg
i'ptVQiaxovatv afiiivcv,
S. 182. Ueber Theagenes yon Rhegion Grote I, 333 nach Schol. H. XX, 67; Tat.
ady. Or. ; ygl. M II, 12.
S. 183. Ueber Pythagoras ygl. ausser yielen anderen Schriften ROth II, 261 ff.
P. Sohn des Mnesarchos Herod. IV, 95. Pherekydes Lehrer des P. nach Gic. de diy. I,.
50. P. in Aegypten Isoer. Bus. 28 ; in Asien L D Vin, 3 : xa} na^a XaXdaioig fytvcTo
xctl JUdyotg, Gio. Fin. V, 29 : ipse Pythagoras et Aegyptum lustrayit et Persarum magoa
adiit. VgL das weithyoUe Forschungen über den Zusammenhang Pythagoreischer
Lehren mit orientalischer Weisheit enthaltende Buch : M. Gantor , Mathematische Bei-
trSge zum Kulturleben der VOlker. Halle 1863, und dess. Art. Arithmetica in der
2. Ausg. derRE yon Pauly I, 1704—10. Er sagt S. 1704. 5: »Die Arithmetik der
Griechen lässt sieh begreifen, sowie man die Wahrheit der Erzählungen zngiebt , nach
welchen Pythagoras zuerst in Aegypten die Methoden der Geometrie sieh yoUst&ndig
aneignete, dann um 520 y. Ghr. in Babylon arithmetische Kenntnisse sammelte«.
S. 183. Ueber die Italischen Kolonien ygl. Grote II, 293-313 und die betr.
Abschnitte in Leake, Num. Hell. Die älteste Rheginische Münze (nummus incusus) hat
A. de Longp^rier in Rey. Numism. p. 265—77 nachgewiesen. Sie ist jetzt für 1450 fr.
Eigenthum des Pariser Gab. des m4d. geworden.
S. 184. Ueber Lokri's Beziehungen zu Aphrodite, die Stellung der Frauen daselbst,
über Athene und Zaleukos ygl. J. J. Bachofen, Das Mutterrecht. Stuttg. 1861. 4. S. 30»
—334. 413. 14. Das Zankleische Weihgeschenk Paus. V, 35, 6. — Terina ist der Mit-
telpunkt des Werkes : G. Rathgeber, Grossgriechenland und Pythagoras. Gotha 1866. 4.
— Siris und Pyxus Mi I, S. 151. Leake Num. H. It., S. 138. Siris, Tochter des Morges :
Etym. M. s. y. Zi(tig ; über S. überhaupt : R. Lorentz, de rebus gestis Tarent. I. Elberf.
1838. 4. S. 9 ff.
S. 187. Ueber das Auftreten und die Schicksale des Pythagoras in Grossgriechen-
land ygl. auch die oben cit. Schrift Gerlach*s, Zaleukos, Gharondas, Pythagoras. Basel
1858. 8. ; speciell über seine letzten Schicksale S. 119 Anm. ; endlich desselben Bericht
ttber die Quellen der Geschichte des Pythagoras, S. 122 ff.
S. 190. Angeblicher Einfluss des Pythagoras auf die bürgerlichen Verhältnisse Sici-
410 Anhang n. Belege und Erläuterungen.
liens : Hermippos bei L D IX, 40 (sein Tod). Poiph. 21 und 27, wonach «r futf xa\ t^
«ütJ fifi^off, iv T€ ]if€Ttt7iovt£<p rrjg 'fjaXlag xal Iv TavQOftevitp rijg ZiXfUag (fvyyiyov^rai
xal duiX^x^m xotg ixariQtu&i hai^oig. In der Erwähnung von Tauromenion (bes. in
c. 21) liegt natflrlich kein absoluter Beweis der Falschheit des in c. 21 Mitgetheilten , da
Tauromenion so gut für Naxos stehen kann, wie Lilybaion für Motye steht. — Einen an-
geblichen Brief des Pythagoras an Hieron findet man bei Orelli, Epist. Socr. etc. Lipa.
1815. 8. p. 51.
S. 190. Einfluss des Pyth. auf Sicilien : Cic. Tim. s. d. univ. Ed. Tur. IV, 2, p. 495:
post illos nobiles Pythagoreos, quorum disciplina eztincta est quodammodo, quum ali-
quot saecula in Italia Siciliaque viguisset.
S. 190. Ueber Ekphantos Stob. Ecl. I, p. 496, Heer. ; femer p. 308 und 448; Plnt.
Plac. phil. m, 13. Vgl. Ebert, Diss. Sic.p. 1 19. — Ueber Empedotimos Gl. AI. Str. I
und Suid. s. v. 'E^neJoTtfzog. — Ueber Petron s. o. S. 402.
Drittes Bach.
Erstes Kapitel.
S. 192. Ueber Karthago vgl. Mommsen R G I (1. Ausg.) 309 ff. und Movers, Phö-
nicier II, 1 und 2. Die Urgeschichte der Stadt s. bei Movere n, 1, 356.
S. 194. Ueber Pentathlos Diod. Y, 9, wo er noch in Sicilien fällt, und Paus. X,
11, 3, wo er selbst als Gründer der Kolonie auf Lipara bezeichnet wird; wo femer ge-
sagt wird, dass sie rag vi^üovg ia/ov iQijfiovg ?/ ävaarijaavTfg tovg Ipotxovvxag, während
sie bei Diod. xotinji ficra rtSv iyxtoQ^iov wohnen. Bei Paus, wird femer fälschlich der
ndxwog genannt.
S. 195. Ueber Malchus Just. XVIII, 7, wo es von ihm heisst, cujus auspiciis
Siciliae partem domuerant (Carthaginienses) , und später erzählt wird, dass des M. Sohn
Garthalo nach Tyrus gebracht habe decimam Herculis ex praeda Siciliensi quam pater
ejus ceperat. Die besten Hdschr. nennen ihn Malens, was natürlich Malens sein soll
Nach Gros. IV, 6 war er Zeitgenosse des Gyrus.
S. 195. Der Handelsvertrag zwischen Rom und Karthago (Polyb. III, 22) sagt: lav
*Ptoual(OV Tig €tg ^ixeliav naQayfyvriTai , rjg KaQxv^oPiot iTrd^xovoiv , loa iarat. ja
^Ptofiaitov ndvra, und der zweite Vertrag noch deutlicher : iv iTcxei./^, ^g Kagx- initQ-
Xovaif xal iv KaQxijffovi, ndvta xal noulxu» xaX THoXUrto, oaa xal t^ noUry ^{eariv. —
Ueber die grössere Freiheit der sicilischen Unterthanen Karthago's vgl. Mommsen I, 318.
— Ueber die Frage, ob in Karthago Münzen geprägt wurden oder nicht, vgl. die Numis-
matique de l'ancienne Afrique II , 70 — 74 , wo die auch von Mommsen festgehaltene An-
sicht, dass Karthago sich zu Hause nicht des Metallgeldes bedient habe, zurückgewie-
aen wird.
S. 195. Ueber Dorieus Herod. V, 39 ff. Diod. IV, 23. Die Ghronologie des Un-
temehmens ist folgende. Dorieus zog nach der Thronbesteigung des Kleomenes , also
515, nach Afrika, wo er 3 Jahre blieb. 510 half er, nach der Behauptung der Sybariten,
den Krotoniaten gegen Sybaris. Der Zug nach Sicilien fällt also nach 510. Br. de Pr.,
S. 116, bespricht, und Grote III, 161, n. 5 erwähnt die Möglichkeit, dass das nach Dio-
dor von Dorieus selbst besetzte Heraklea ein anderes gewesen sei , als Her. Minoa , das
«päter des Dorieus Begleiter einnahmen. Doch entscheidet sich Br. de Pr. nicht daftlr.
— Nach Just. XIX, 1 hätten die sicilischen Griechen den Leonidas um Hülfe gegen die
Karthager gebeten. Allerdings konnte Leonidas auf den Gedanken kommen, den Tod
Zu Buch III, Kap. 1 , S. 190—200. 4 1 1
seines Bruders zu rächen , doch ist es möglich , dass hier nur eine Verwechselung des
Leonidas mit Dorieus vorliegt.
S. 197. Welche Unruhen der Sturz der Tyrannen in Selinus mit sich führte, zeigt
das von Plut. Apophth. Lac. (Hutt. VIII] s. v. 'AQtyivg aufbewahrte Distichon, das dort
^.T^ ^riif44iTog geschrieben stand: Zßiwvvras noxi rois^s xvQavvCBa %dXxfog^AQ'ng Elli'
^tltrovvTOg <r dfzif'l TtvXais tid'avov.
S. 197. Ueber die an die Karthager von den Persem gerichtete Aufforderung Schol.
Find. Pyth. I, 146 nach Ephoros (fr. 111) ; Diod. XI, 1 und 20. Die Verbindung der
Karthager mit den Persem wird in Zweifel gezogen von Mitford und Dahlmann, Forsch.,
S. 186.
S. 197. lieber die Verhältnisse ia Gela Herod. Vü, 153 ff. Polyaen. V, 6, wonach
Kleandros Sikeler zu Söldnern hatte. Vgl. Paus. V, 22 , 7, wo von dem Tyrannen Aine-
fiidemos in Leontini ein anderer Leontiner dieses Namens unterschieden wird. Die Chro-
nologie von Kleandros und Hippokrates ergiebt sich ebenfalls aus Herodot VII, 154. 55,
wonach jeder von ihnen 7 Jahre re^erte. Da nun nach wahrscheinlicher Annahme (s. u.)
Gelon seit 491 in Gela herrscht, so beginnt Hippokrates Ol. 70, 3 — 498 v. Chr., Klean-
dros Ol. 68, 4 — 505 V. Chr. zu regieren.
S. 198. lieber Zankle, Sky thes etc. Herod. VI, 22 ff. Thuk. VI, 5. — lieber die
Phokäer Herod. I, 165 ff. — lieber Dionysios Herod. VI, 11—17.
S. 199. "^va$ac(o ToO KQrjHyea) Herod. VII, 165. Nach Ar. Pol. V, 10, 4 iy 'Prjyitp
eis rv^ *Ava^iXdov (rvQavvida rj oltyaQx^tt fjierißaii). Paus. IV, 23, Off. macht Anax.
zum Zeitgenossen des zweiten messenischen Krieges, während er V, 26, 4 aus Herodot
sehr wohl weiss, dass Mik3rtho8 des Anaxilaos Sklave war. Deshalb ist an einen dop-
pelten Anax. nicht zu denken ; denn, wie Bentley in seiner Antwort an Boyle S. 83 der
Lennep'schen Ausg. richtig bemerkt, veri simile non est, duos Anaxilaos fuisse, tyrannos
Rheginos et utrumque cepisse Zanclen ; nee fieri potuit , ut uterque primus civitatem
appellaret Messanam. Bentl. hat überhaupt S. 82 — 89 vortrefflich die Annahme des
Paus, als einen Irrthum nachgewiesen. — Die Chronologie des Anax. nach Diod. XI, 48,
wonach A. nach ISjähr. Regiemng, Ol. 76, 1, stirbt. Also Begierungsantritt Ol. 71, 3,
494 V. Chr.
S. 199. Ueber Kadmos Herod. VII, 164. — Dass Skythes, der Vater des Kadmos
und Tyrann von Kos , nicht derselbe ist mit dem früheren Herrscher von Zankle , scheint
mir klar. Skythes von Zankle wird von den Samiem vertrieben, und nach Herod. VII,
164 hat Kadmos nQotsQov na^a naxQog die Tyrannis von Kos übernommen , sie frei-
willig niedergelegt und nlx^xo ig XmiXtriv, ^v^a fi^jit ZafAitav ia^f — noXivZdyxXriPf d. h.
Kadmos ist unter denen, die Skythes vertreiben. Vgl. Lorenz, £picharmo8, S. 62.
Wenn Siefert, Zankle -Messana, S. 16, unter Voraussetzung der Identität der beiden
Skythes die besprochene Stelle Herod. VII, 164 so erklären will, dass die Samier auch
später noch als Anax. Messana beherrschte, dort angesehen gewesen wären , so hat er
offenbar das Wort fa%€ nicht berücksichtigt, das nur heissen kann: er nahm die Stadt
ein. — Wenn Ael. V H VIII , 17 den Skythes 'Ivvxtvog nennt, bemht das natürlich auf
einem Missverständniss Herodot's. — Die Zeitbestimmung der Besetzung von Zankle
durch Anax. ist von W. Heibig, Die Münzordnung des Anaxilas von Rhegion. Neue
Jahrb. 1862. Heft 11. S. 737—44 erläutert worden. — Die Besetzung durch die Samier
kann man, die Einnahme von Milet in Ol. 71 , 3 — 494 gesetzt, in Ol. 71 , 4 — 493
setzen.
S. 200. Zankle Messana genannt. Str. VI, 2, 3 nennt es einfach xtia/Aa Miaatj-
viwv TÜv iv Jlilonovvijaqi. Diod. XV, 66 sagt, dass nach Beendigung des dritten messe-
nischen Ejrieges ausgewanderte Messenier iy Zix. Meaai^vriv xriv M Ix^lvfav ovofiaa^u-
aav xaT(p*iiaav. Br. de Pr. 129 meint, dass Diodor dieser Kolonie semble attribuer la
d^nomination nouvelle de Zancle. Aber Diodor redet schon XI , 76 — Ol. 79 , 4 von der
412 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
Mtaarivta in Sicilxen. Thuk. VI, 4 : ^Avu^lXag tJiv ncUv aitog (codd. nvtoU) (vfifiixtwv
nvOQtonoiv olxiaug M^oaip^riv ano r^; iavzov ro agxaiot' naxQtdog avrmvofjiaaev. Dagegen
wird in den Worten Herodot's (VII, 164) : K. layf« lAtja Za^ilmv noXtv Zayxkriv, xrtv h
Mtoatjfyipf ^eraßaXovaav to ovvo/ia, die Umänderang des Namens offenbar den Samiem,
d. h. mit ihnen gekommenen Messeniem, nicht erst dem Anaxilas, zugeschrieben. Den-
selben Schluss hat Millingen aus den Münzen gezogen in Bec. de quelques m^d. gr.
p. 25 und On the date of some of the coins of Zancle or Messana in den Transactions of
the Royal Soc. of Lit. 1829, I, 2. p. 93. Mill. erklärt auch das Vorhandensein ähnlicher
Rheginischer Münzen dadurch, dass dieselben aus der Zeit stammten, wo Anax. noch
mit den Samiem in Messene befreundet war. — lieber die Veränderung des Mttnzfusses
durch Anax. vgl. die angeführte Abhandlung Helbig's . dessen Resultate dadurch nicht
wesentlich modificirt werden , dass der Name MESSENION nicht erst seit der Besitz^
nähme der Stadt durch Anaxilas auf ihre Münzen kommt. Dass die attische Währung^
zuerst durch Anaxilas eingeführt ist, bleibt stehen. — Üeber den Hasen auf den Münzen
des Anaxilas Poll. V, 12. — Ich möchte in den bekannten Akragantinischen Münzen
mit dem von Adlern zerfleischten Hasen neben der Anspielung auf das bei Aesch. Ag.
110 £f. erwähnte Omen doch auch eine Hindeutung auf den gedemüthigten Anaxilas
sehen; auch Münzen von Lokri Epizephyrii haben dasselbe Symbol; L. war bekanntlich
auch Rhegion feindlich. Vgl. Mi I, S. 194, n. 901 ff. Sollte die Cicade auf einer Akra^
gantinischen Münze dieser Art (Mi I, n. 42} nicht daraufgehen, dass in Akragas (wie in
Lokri) die Cicaden sangen, in Rhegion nicht? Vgl. Paus. VI, 6, 4. — Man unterschied in
Messana noch später die Nachkommen der alten Zankleer; vgl. Paus. VL 2, 10 von zwei
Olympischen Siegern Leontiskos und Symnuichos, von denen dieser nach Diod. Xn,
49. 65, Ol. 88 und 89 siegte ; jener, da der Rheginer Pythagoras seine Bildsäule machte
(Paus. VI, 4, 3. 4), noch der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts angehört. Vgl. Ebel
15. 16. Paus. IV, 23, '6 ff. hat angebliche Messenische Anführer des zweiten Messe-
nischen Krieges, Grorgos und Mantiklos, in die Sache gezogen ; vor Messana wurde nach
demselben (23, 10) Herakles Mantiklos verehrt; der wahre Zusammenhang ist nicht mehr
zu finden. Man hat angenommen, dass nach dem Ende des zweiten Messenischen Krieges
ein neuer Zuzug von Measeniom nach Rhegion stattgefunden habe ; das ist ^löglich ; aber
da nur Pausanias dies meldet und derselbe diese Leute auch Zankle erobern lässt , was
falsch ist, so wird auch jener Zuzug sehr zweifelhaft. — pavartt&fios des Anaxilaos
gegen die Tyrrhener am i:xvXlaioi' Str. VI, 1,5.
S. 201. üeber KXe6(pQwv Schol. Pind. Pyth. n, 34: \4va^CXttg xaX KXtotpQtov e
tovtov naig ^IraXiag ovrig tvQavvoi, 6 fxhv h Metfarjvn tJ 2^ixtXitouxjf 6 di iv 'Priy(t^ r^
niQl ^IxaXlav noXtfiov ^nUXow AoxQoig (Ol. 75 , 4). Just. '^'^T , 3 wird ein Rheginomm
tyrannus Leophron erwähnt ; da nun nach Herakl. 25 Anaxilas als Sieger in Olympia dio
Hellenen bewirthete und Simonides ein Festlied zu diesem Siege dichtete und dasselbe
bei Athen. I, 3 von Aitoffqmv erzählt wird, so kann man mit Sehneidewin zu Simon, fr.
17 annehmen, dass dies der Sohn des Anaxilas war, und dass in beiden Nachrichten von
demselben Siege die Rede ist, den der Sohn gewann, welcher, wie das vorkam, dem
Vater die Ehre liess. Endlich ist zu beachten , dass nach D H XIX , 4 beim Tode des
Anaxilas Rhegion übe^eht ^etütfgovi r^ naLSL Br. de Pr. 142, n. 1 meint, dass Leo-
phron die Verwaltung von Messana hatte; sonst (Ebel 18; Sief. 18) wird er für den Re-
genten von Rhegion gehalten.
S. 201. lieber die Beziehungen zwischen Syrakus undKamarina Thuk. VI, 5.
Schol. Pind. Ol. V, 16. 19, wo jedoch viel Verwirrung ist. üeber den Krieg in der
57. Ol. Phil. (fr. 8) bei D H ep. de hist. 5. Ueber den des Hippokrates Herod. Vn,
154; Phil. (fr. 17) bei Schol. Pind. Ol. V, 19. Diod. Exe. virt. et vitt. X. Schol. Pind.
Nem. IX, 95. Chromios in der Schlacht am Heloros Pind. Nem. IX, 95. Die Eroberung
von Ergetion Polyaen. V, 6. — Die Zeitbestimmung der Schlacht am Heloros ist nur an^
Za Buch III, Kap. 2, S. 200—202. 443
nähernd zu machen ; man nimmt an, dass sie nicht lange vor dem Tode des Hippokrates
stattfand, also etwa Ol. 71, 4 — 493, oder 72, 1 — 492 v. Chr. — Der 'EXÜQiog äytiv
Hesych. kann doch kaum wegen dieser Niederlage der Syrakosaner gefeiert sein ; vgl.
Herrn. 6 A § 68. — Ueber das Ende des Hippokr. und die Anfänge Gelon's Herod. VII,
154—56; Ar. Bhet. I, 12, wonach Gelon dem Ainesidemos nur zuvorkam, lieber ein
Orakel, das Deinomenes empfing: Plut. Pyth. or. 19 (Hutt. IX).
S. 202. Ueber die Chronologie Gelon's und seiner Familie sind die Hauptstellen
Ar. Pol. y, 9, 23 ; Die Tyrannis der Deinomeniden ntgl SvQanovaatg dauerte 18 Jahre,
rÜMV filv yag knta ruQUwtvaas , t^ oyiotp rov ßhr iteltviiiatv , dixa cf 'l^geay^ Sga-
avßovlog dk r^ iv^exdrip pirfvl iiiniQ^p. Sodann Diod. XI, 66, wonach Hieron 1 1 Jahre
und Thrasybulos 1 Jahr herrschte, und XI, 38, wo genauer angegeben wird , dassH.
11 Jahr und 8 Monate regierte und nivv kntaini X9<^^^ iflaadiuaev. Des Letzteren
Tod setzt er Ol. 75 , 3 — 478 v. Chr. ; den des Hieron Ol. 78, 2 — 467 v. Chr. und den
Sturz des Thrasybulos 466. — Es stimmen also Diodor und Aristoteles ziemlich überein,
besonders in Betreff der Tyrannis Gelon's , deren Anfang in Syrakus nach Diodor 485
V. Chr. fiele (Ol. 73, 4). ~ Hiermit steht in Widerspruch Paus. VI, 9, 4. 5, der bei Ge-
legenheit eines Weihgeschenkes in Olympia, gestiftet von Gelon, Sohn de» Deinomenes,
«ufi Gela, bemerkt, man halte diesen für den bertthmten Tyrannen ; da aber das Weih-
geschenk aus der 73. Ol. sei, und G^lon sich bereits Ol. 72, 2 zum Herrscher von Syra-
kus gemacht habe , er sich also Ol. 73 hätte Syrakusaner nennen müssen , so müsse der
Wagen wohl von einem andern Gtolon sein, nargog re hfnavvfjtov riß xvgmfv^ xal auros
0fiwvfios. Offenbar hat Pausanias das Jahr der Besitznahme Grela's durch Gelon mit
dem seines Einzuges in Syrakus verwechselt» und wir haben jene OL 72, 2 — 491
V. Chr. zu setzen. Es ist also nicht angemessen, auf Mittel und Wege zu sinnen, wie
Pausanias mit Aristoteles und Diodor in Uebereinstimmung zu bringen sei, wie dies
Koutorga in den Becherches crit. sur Thistoire de la Gröce. Par. 1861. 4. p. 75—90 ge-
than hat, der, dem Pausanias folgend, die soumission de Syraouse in das Jahr 491 setzt
und die Schwierigkeit , dass Gelon sich dennoch de Gela und nicht de Syracuse genannt
habe, so zu lösen meint : Cest que, 4 cette 6poque, il n'^tait pas encore reconnu comme
tyran dans cette demiöre ville, et que par cons6quent, il ne pouvait inscrire ce titre sur
le char. Dieser Grund ist ohne Beweiskraft, denn es handelte sich nicht um den Titel
Tyrann, sondern um die Qualität 2'i;^ajrot;(ru>c, und um diese sich beizulegen, brauchte G.
nicht Tyrann von Syrakus geworden zu sein. Von einem anderen Gesichtspunkte aus ist
K. entgegengetreten Schmidt, Pindar, S. 461 , n. 1. E. fasst S. 90 seine Besultate so
zusammen : Soumission de Syracuse 491 av. J. Chr. Election de G61on comme tyran de
Syracuse 483 av. J. Chr. Av^nement de G61on comme roi de Syracuse 4S0 av. J. Chr.
Ueber die »Wahl zum Tyrannen« vgl. K. p. 86—89. Derselbe hat auch die Nachricht des
Timaios im Schol. Pind. Ol. V, 19, dass die aXtoaig Kamarina's (durch Gelon) nata r^
Jagiiov tov 'Yaraaitou axqat. stattgefunden habe , als Stütze für die Behauptung des
Pausanias benutzt. K. setzt femer den Sturz Thrasybul's in 465, den Tod Hieron's 466,
und den Tod Gelon's, nach Aristoteles, der Hieron 10 Jahre Begierung giebt, 476. Ich
meine trotzdem, dass die Inschrift des Weihgeschenkes in Olympia ein kräftigeres Zeug-
niBS dafür ist, dass Gelon Ol. 73 noch nicht Herrscher von Syrakus war, als die vage
Nachricht des Timaios dagegen spricht, und dass die genauere Angabe Diodor's in Be-
treff der Dauer der Begierung Hieron's den Vorzug vor der des Aristoteles verdient. —
Das M. Par. verwechselt Z. 69 die Thronbesteigung €ielon's mit der Hieron's , wenn es
jene Ol. 75, 3 — 478 v. Chr. setzt. Bei D H Vü, 1 wird irriger Weise Gelon Bruder
des Hippokrates genannt , aus Missverständniss Herodot's, wenn nicht, wie Br. de Pr.
121 vermuthet, KltdvSgov ausgefallen ist.
S. 202. Ueber die Unordnung in Syrakus ngo rrjg nitavog tvgawidog Ar. Pol. V,
2, 6. Herod. VII, 155.
414 Anhang II. Belege und Erlänterangen.
S. 202. üeber Gelon: W. H. v. Hardenbergk, De Gelone S|yr. tyr. Traj.*1841 und
0. A. B. Siefert, Gelon Tyrann von Gela und Syrakus. Alt. 1867. 4. — Br. de Pr. 119
sagt: G61on descendant d'Ec^tor; er versteht also Her. VII, 153 otx^tioQ als nom. pr.
offenbar irrig. Dürfen wir eine Erinnerung an die Vereinigung von Gela und Syrakus
unter demselben Herrscher in einer silbernen Litra von 0,81 gr. finden, deren Avers den
Typus von Gela , das Vordertheil eines bärtigen Stieres mit Menschenantlitz, der Revers
Syra zwischen den Speichen eines Rades hat; abgeb. Rev. Numism. 1867. PI. X, 51 zu
einem oben angeführten Artikel von Salinas? Ob eine andere , noch kleinere Münze,
ebendas. X, 48, bärtiger Kopf; Rev. Sy. a zwischen den Speichen eines Rades, auf eine
Verbindung von Syrakus mit Himera oder Naxos , die beide solche KOpfe auf ihren
Münzen haben, hindeutet, wage ich nicht zu entscheiden. — Ueber die Verhältnisse
Kamarina's um die 75. Ol. geben Auskunft Bekker An. Gr. I, 232 und besser Schol.
Aesch. adv. Ctes. 189 in der Ausg. des Aeschines von F. Schultz, Lpz. 1865; wonach
der berühmte Glaukos von Karystos, ein Ttvxtfis 8idari^og 'Olv/ÄmovUris dnoS^avoyToe
*l7inoxQttTovg ^itH^aro rä nQttyfjiaxa xal xaTuarad-tls vTtb lYXcoyog iv KafJiaQlvj^ xata-
-klmtfitaauivüiv lüv Kafxaqivalwv ^dvarop uv/fQ^O-rj. A. Schäfer in N. Jahrb. f. Phil. 1866,.
S. 29 vermuthet, dass diese Empörung der Kamarinäer gegen Glaukos Gelon die Veran-
lassung zur Zerstörung von Kamarina gab. — Ueber Gelon's Verfahren gegen M e g a r a auch
Polyaen^ I, 27, 3: r^Xtov to Miyaqixov ßovkofiivog xatalvaai ijrofxoug fikv ixälu rovs
id-^Xovtag JtoQiimVy /lioyvriJi^ 61 rtf MtyaQ^totf dg^ovit /^if^afix nagä dvvufjLiv iniia^sp *
o 6k jots noUtaig. Öl 6k xoig riUaiv dnayoQCvovreg ctg tipf itnoixlav rfiv iv SvQaxovaaig
vnrixovaav, vnoßaXoyreg avxovg rj Filtovog ^waOTUtf. Offenbar lagen Polyaen andere
Nachrichten vor als Herod. VII, 156, wo die Megarer noXwqxiofAtvot ig bfioXoyltiv nQog€~
XfOQvaav. — Ueber die VergrOsserung von Syrakus durch Gelon Schubring, Achradina
19. 20. — Ueber Phormis Paus. V, 27, 1 ff. — og ix MaivaXov 6iaßdg ig ZixtXiav
ntiod nXüJva rbv ^€ivofiivovg, xal ixUvtf» te avrip xal *£intovi vat€QOP — ig rag GTQuxtiag
tt7to6eixvvfi€vog XafjLnqä iQya, ig toooirto 71qo^X&€ €v6aifAoviag , log ava&eivtti (ikv xavxa
ig ^OXvfAniav, avad-^lvat, 6k xal x^ *An6Xktoyi äXXa ig JfXtfoüg, Die in Olympia sind 2
Pferde und zwei r^loxoh Werke des Argivers Dionysios und des Aigineten Simon. Das
eine Pferd trägt an der Seite die Inschrift : ^PoQfiig dvi&rixiv ^Aqxdg MaivdXiog vvy 6k
J^vQuxoatog, Nun wird weiter von dem Pferde Wunderbares erzählt und dann sagt P. -.
iaxt 6k iv xoig ctvad-rjficcai, xovxoig xal avxog b ^Poofiig^ dv6^l av-ff-eaxijxiog noXtfjilt^ xai
i'f^ifjs ix^Qtjt xal xQlxtp ye ttvd-ig /Äd;[6Xtti' yfyQanxai 6k in\ xovxoig xbv oxoaxiaxTjv fikv roi^
fiuj^ofiivov 4>6Qfiiv ilvai xbv MaipaXtx>v,xbv 6k uvaO^ivxa ^uoax6aiovAvx6QX(tv'^fiXa6kwg
ouiog o Auxo^xag xaxa (piXiav draO-eitj xov <I>6qfAi6og,
S. 204. Theron. Ueber seine Genealogie handeln Schol. Pind. Ol. II, 16 und II, 82.
Nach jenem stammt er von Eladmos durch Eteokles , Polydoros und Haimon ab , dessen
Nachkommen mit den Argivem nach Rhodos und später nach Akragas gehen ; es sind
27 Geschlechter bis zum Theron. Nach diesem ist die Folge dagegen Laios , Oidipus,
Polyneikes , Thersandros , Tisamenos , Autesion , Theras (geht nach der Insel Kailiste,
die seitdem Thera heisst) , Samos , Telemachos (wandert nach Sicilien) , Emmeuides
(davon der Name der Emmeniden) oder Chalkiopeus, Ainesidemos, dessen Söhne Theron
und Xenokrates sind. Von einem zweiten Sohne des Telemachos , Xenodikos , stammen
Hippokrates und Eapys. Nun ist es unmöglich , dass von Laios bis Theron nur 12 oder
13 Geschlechter sein sollen. Man hat deshalb einen doppelten Telemachos und einen
doppelten Emmenides angenommen und zwischen den ersten Emmenides und den
zweiten Telemachos 12 Namenlose eingeschoben. Sodann setzt man weiter voraus, dass
zur Zeit dieser Vergessenen die Familie von Thera nach Rhodos, wo sie nach Pind.
Encom. fr. 2 bei Schol. Ol. II, 16 gewohnt hat, und von da nach Sicilien wanderte.
Dieser Genealogie folgt Pindar Ol. H. Eine hiemach entworfene Stammtafel der Emme-
niden s. bei Siefert, Akr. S. 65 ; vgl. GöUer, Syr. S. 22. 23. Theron's Vorfahren sind nach
Zu Buch m, Kap. 1, Seite 202-207. 41 &
Einigen zuerst nach Gela von Rhodos gewandert, nach Andern gley^h nach Akragaa
Schol. Ol. n, 16. — Von Artemon (fr. 8) wird Xenokrates , statt Bruder, nur avyysvijg
Theron's genannt (Schol. Isthm. II, 1). — £s fragt sich sodann, ob Ainesidemos, Theron's
Vater (auch nach Herod. VII, 165) derselbe ist mit dem bei Herod. VII, 154 erwähnten
Ainesidemos, dem Grenossen Gelon*s. Wahrscheinlich ist es nicht , da dieser ein Sohn
des Pataikos heisst, und dieser Name in den Genealogien Theron's sonst nicht vor-
kommt. Der Tyrann von Leontini, Ainesidemos (Paus. V, 22, 5) möchte dann auch nicht
der Vater Theron's gewesen sein. 0. Müller freilich schiebt Dor. n, 487 Pataikos in die
Genealogie der Emmeniden vor Ainesidemos ein.
S. 205. lieber die Art, wie Theron die Tyrannis erlangte Polyaen. VI, 51.
S. 205. lieber Damareta und die Verwandtschaft mit Gelon Schol. Pind. Ol. 11^
inscr. und n, 29 (Tim. fr. 86 und 90) . — Theron begann zu regieren Ol. 73, 1 —488 v. Chr. ,
da Diod. XI, 53 bei Ol. 77, 1 sagt, dass er 16 Jahre regiert habe.
S. 205. lieber Terillos u. s. w. Herod. VII, 165—67.
S. 205. Die Geschichte des karthagischen Zuges nach Sicilien s. bei Herod. VII,
165 ff. und Diod. XI, 1 und 20 ff. Die bei Herod. VII, 165 vorkommenden "EUavxoi sind
als 'El. nach Hekat. (fr. 20) bei St. B. ein i^og Aiyviav, Grotefend denkt an die Volcae.
Der Name des karthagischen Anführers l^|U^Ax tu i/ bei Diod. XI, 20; ^A^ilxaq XI, 21 ; er
ist Hanno's Sohn Herod. VII, 165, Magon's Sohn nach Just. XIX, 1, — wenn bei der
Confusion dieses Buches Etwas darauf zu geben ist. Hier wird auch die Aufforderung
zur Hülfe als von Darius ausgegangen bezeichnet , und die Karthager lehnen es ab —
adversus Graeciam, was also auf frühere Vorgänge gehen könnte. Frontin. Strateg. I,
11, 18 hat die interessante Nachricht: Gelo Syracusanorum tyrannus, bello adversus
Poenos suscepto cum multos cepisset , infirmissimum quemque praecipue ex auxiliaribus,
qai nigerrimi erant, nudatum in conspectum suorum produxit, ut persuaderet contemnen-
dos. — Bei Diod. XI , 20 braucht v7is()X6$fi^y<oy X6(ftov nicht die Stadt überragend zu
heissen, sondern nur die Küste und das Schiffslager. Ueber das Ende Hamilkar's sagt
Herod. VII, 167: das itourov ig to tzvq, Diod. XI, 22: 7i{»og6n€tfx6vxtg T(p AfiChuf —
toCtov fikv upiTlov. Ganz abweichend ist die Erzählung bei Polyaen. I, 27, 2, wo Gelon
fÄtt^Ü h^^ av/jißddtiv ovx l^^ä^^H' JIsötaQ^ov 6k xov lo^oim» tiyovfisvop, ouoioy iavcqt rriy
iöiav afKf-tdaag xriv iavrov xvQavvixriv ia&rjxa^ ixik^vae nQQtkd-tiv xov axQaxoniöov xa\
O^iiiv irzl xtiy ßtufiuvt 'imod-ai <f^ auxif xo^oxag iv ia^^fjvi lavxj xax^x^vxag fAVQ^yag, xo^a
V710 xaig ^V()£paig xgvnxovxag * ffvCx' ay öh Idtaaiv ^Ifjilkxtxiva xa\ uvxov ofAoltog TiQosX&oyxa
xfd d^voyxa^ To£ct«(v Itx^ avxov. So geschah es und der karthagische Feldherr ward er-
schossen. Diese Erzählung hat mit Herodot das Opfer, mit Diodor den Tod des Hamilkar
durch die Feinde gemein , und die List besteht statt in dem Eindringen in das feindliche
Lager, in einem Hervorlocken des Feindes aus demselben. Da wir die Quelle Polyaen s
nicht kennen, so können wir seinen Bericht nur einfach mittheiien, und müssen den frei-
lich unter sich abweichenden Berichten Herodot's und Diodor's den Vorzug geben. —
Bei Polyaen I, 28 steht femer eine List Theron's im Kampfe mit den Karthagern (er lässt
die Zelte im Bücken der Feinde anzünden, sodass sie erschreckt auf die Schiffe flüchten),
von der wir nicht wissen, in welchen Moment des Krieges sie gehört. — Die Nachricht
Schol. Pind. Pyth. I, 146 von einem Seesiege Gelon's passt nicht zu den andern Quellen.
Es werden dort zwei ähnlich lautende Berichte mitgetheilt: der eine, ausdrücklich auf
Ephoros zurückgeführt, sagt, dass Gelon, der 200 Schiffe, 2000 Reiter und 10000 Fuss-
soldaten ausgerüstet, auf die Nachricht vom Anfahren der Karthager ötu/^taxi^^l^^^ov
die Griechen befreit habe. Der andere giebt, ohne Ephoros zu citiren, dieselben Zahlen
und sagt xov xcSy ÜTa^j^ijcT. axokov xuxiyau^ctx'joav xaxu xfjg 2lix. ÖQjudiyXtt.
S. 207. Die Friedensbedingungen Diod. XI, 26 ; die von der Abschaffung der
Menschenopfer nach Theophr. iy xf) nsol Tv(jarivfSy bei Schol. Pind. Pyth. II, 3 der auch
meint, dass Karthago in aixotg (Gelon und Hieron) yiiiaOat. Plut. de sera num. vind.
416 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
6 (Hutt. X); Apophth. reg. (Hutt. VHI, 88). — Von den 2 Tempeln sagt Diod. XI, 26 :
^vo paovg ngogira^v oiKüJo/^fjaeu. Plaes, Tyr. I, 294 sagt, die Karthager sollten die
Kosten für zwei zu errichtende Tempel decken — also wohl beide in Syrakus. Diodor's
Worte deuten eher auf einen Bau in Karthago ; während die Zahl der Tempel auf ihre
Erbauung an zwei verschiedenen Orten hinweist
S. 208. Ueber das Damare teion. Fr. Hultsch, De Damareteo argenteo Syracusa-
norum nummo. Dresd. 1862. Progr. der Kreuzsch. u. Bergk in den Verhandlungen der
25. Philologenvers, zu Halle 1867. Lpz. 1868 S. 25—37 und nachträgliche Bemerkungen
von Hultsch S. 37—41. Diod. XI, 26 sagt von der Damarete : arnfayta&tZaa vir avrwy
(den Karthagern) inarbv raiMvrois ;(f^ir/ou , vofiiöfjLa l^ixoi^e to xXijd^v /lafiaqitiiov '
TOVTO (f €lxfv *Aru*as ^Qa^^fiag Sixa, ixl^O'^ ^^ naQu tolg ^ixtlicirais mro rotf ürad-uoD
TiivTiixovTttiiTQOv. Poll. IX, 85 dagcgcn : tov xoOfAoy aitfioafiiinn naga nSv ywaiuvr,
cvyxüivevaaaa vofiiafia ixotffaro u. ähnlich Hesych. s. v. JtiuaQireioy ; unbestimmt lassen
diesen Punkt Schol. Pind. Ol. 11, 29 und Eust. Od. p. 1567. 62. -^ Für eine GoldmUnze
haben das Dam. unter Andern erklärt: Jos. Scaliger, de re nummariap. 13 und 17.
Boeckh, Metrol. Unters, p. 304 und Staatsh. I, (2) 37, sowie Bergk; fUr eine Silber-
münze ungefähr zu gleicher Zeit 0. HttUer, Etrusker I, 327, und de Luynee in den An-
nali n, 81 ; denen sich Leake Numism. Hellen. Sicily p. 71 ; Momms. Gesch. d. B M 79
und Hultsch angeschlossen haben. Da nach Ar. bei Poll. IV, 174 die Sikelioten die ko-
rinthische Didrachme d^xctUrgov nannten, so wird :T(vrrixovTttlixQov eine grosse Silber*
münze von 10 Dr. gewesen sein , und da es alte syrakusanische Silbermünzen dieses
Werthes giebt, so darf das Dam. für eine solche gehalten werden. Das ixxontnv des
Diod. braucht nicht als Prägen aus dem geschenkten Golde selbst verstanden zu werden.
Pollux hat sich, wie öfter, geirrt. Syrakusanische Goldmünzen , von denen es scheinen
könnte, als passten sie hierher, gehören erst einer viel späteren Zeit an (Hultsch 20) ; die
für ein Dam. gehaltene Münze ist abgebildet bei Hultsch n. 1. -« Die Beziehung des
Löwen auf Afrika ist von de Luynes p. 85.
S. 208. Die Vertheilung der Beute u. s. w. Diod. XI, 25.
S. 209. Nach Herod. VII, 166 war die Schlacht bei Himera an demselben Tage wie
die bei Salamis (Ar. Poet. 23 sagt allgemein xata rovs avxovg zQovovs) nach Diod. XI, 24
wie die beiThermopylae. Indem ich, ähnlich wie Niebuhr ( Vortr. über alte Gesch. 11, 120),
«nnehme, dass die Schlacht bei Himera früher war , vielleicht 481 , stütze ich mich be-
aonders auf die Stelle in der Antwort Gelon's an die griechischen Gesandten Herod. VII,
158 : avTol (f^ Ifisv ngongov ^ffi&iyrog ßagßaQixov argarov avvinixpaff&ai ^ ore ^o« ngog
Kagxfi^oviovg viTxog avvfjnTo. Dass Herodot selbst diese Worte anders versteht, ist kein
Hindemiss meiner Deutung. Grote UI, 170, n. 25 versteht jene Herodoteischen Worte
ao : »dass die Karthager und Egestäer Uebergriffe gemacht hätten , dass G. sie wirklich
durch glückliche Kriege zurückgetrieben hätte.« Aehnlich Sief. 16. Aber wann ? G.
war im Anfang seiner Begierung zu sehr mit andern Dingen beschäftigt , und da die
Karthager sich zu ihrem grossen Kriege 3 Jahre vorbereiteten (Diod. XI, 1) so mttsste
ihr früherer Krieg mit G. doch vor 483 fallen. Es versteht sich von selbst , dass das
Hülfegesuch des Terillos , das ja nur die Gelegenheit zum Ausbruche des Krieges gab,
nicht 3 Jahre vor denselben fällt. Plass, Tyr. I, 288 erklärt die Herodoteische Stelle nur
von Händeln mit den Karthagern ohne Krieg, »indem Egesta sich in den Schutz derselben
begab.« Aber das war es offenbar schon lange ; die Worte Gelon's aber in ihrem Zusam-
menhange deuten auf siegreich bestandenen Krieg. — Die Greschichte der Gesandtschaft
erzählt Herodot VII, 157—62, vgl. Polyb. XII, 26. — Die Sendung des Kadmos Herod.
VU, 163. 64. Nach Diod. XI, 26 war Gelon schon im Begriff nach Hellas zu fahren, als
xaT^nltvaav tivts ix KoqCv^ov Jiactatpovvtts vBvixrixivai r^ vavtiaxCt^ Toirg "JSilrivag ttbqI
£aXafitpa. Hierin liegt eine weitere Handhabe für die frühere Ansetzung der Schlacht
bei Himera, als gewöhnlich geschieht. Wer wird glauben, dass zwischen Juli (Schlacht
Zu Buch m, Kap. 1, S. 208-210. 417
bei Theimopylae , ^o nach Diodor auch die Schlacht bei Himera war) und September
(Schhicht bei Salamis) Grelon mit den Kartha^rn über die Friedensbedingungen einig
geworden und schon zu einem neuen Feldzuge bereit war? Offenbar hat anfangs die
Sage die zwei grOssten Schlachten (Salamis und Himera) für gleichzeitig erklärt, und als
sich das als unwahrscheinlich herausstellte, wenigstens die bei Thermopylae an die Stelle
der bei Salamis gesetzt. Wenn Beigk 1. 1. S. 27 in Diodor angegeben findet, dass die
Nachricht von der Schlacht bei Himera unmittelbar vor der bei Plataeae na<^h Griechen-
land gelangte, so vermag ich dem nicht beizustimmen.
S. 210. Ueber die Weihgeschenke Gelon's nach Delphi Phaniasu. Theopomp,
bei Ath. VI, 231 : toi; fiiv (sc. räXmroe) T{»Cnoda xal Ntxriv /Qvaov nmoirifiiva ava&iv%0£.
Diod. XI, 26 : XQ^^^" iqinoda non^cfag ano taidvrwv knxaC^txa avi(kfixiv, Simonides
(Cod. Pal. Anth. Gr. und Schol. Phid. Pyth. I, 155, dort Dist. 1. 2, hier 1. 3): 4>ttfAl
nXtav 'ÜQiOPa IIolvCuXov BQaavßovXov IlaiJag ^uvofAiv^vg tqv XQlno^ ttv&^fxfvai ' ^JS£
ixarbv XiTQayxal jievriixovTa taXavtuv ^agtrlov l}..^aQ€Tiov) XQVf^ov, tag dixdtagJixdrav,
BdgßaQüt vucdauvrag f9yij, 7ioU,dv 3k na^aaxsiv £vfifi«x^^ "EXXaai^v x^ig ig iXfvd^t-'
Qiftv, Ueber diese Angaben sind wieder die S. 416 angeführten Hultsch und Bergk zu
vergleichen. Jener stinuut jetzt der Meineke'schen (in dessen Ausg. des Oed. Gol. Berol.
1863. 8. S. 316) Conj. Aulq^tCov statt der sonst allgemein angenommenen Bentley'schen
^ofAttf^ttav bei. jiaQixri ist dann flir ^afiaQ^rri gesetzt, wie Advaoöa dasselbe ist mit
Jaixtovaaaa. Gross ist aber die Verschiedenheit zwischen H. u. B. in Betreff des Werths
der Geschenke, insbesondere der Deutung der Talente und der möglichen Vereinigung
der diodorischen Angabe mit der des Epigramms. H. ein Goldtalent von 2 attischen
Drachmen (dem sicilischen Silbertalent von 24 att. Dr. entsprechend) annehmend, be-
rechnet die 50 Tal. 100 L. auf lOi^/g Dr. Bei Diodor nimmt er dann das spätere Gold-
talent von 6 Dr. an, also 16 Tal. = 96 Dr. was ziemlich zu den lOlVa des Epigramms
stimmt. Das giebt etwa 1 Pfiind Gold, was offenbar zu wenig ist für die vier siegreichen
Fürsten Siciliens. Damit die ganze Beute hiemach nicht zu gering erscheine , versteht
H. (S. 16) die dixdrag öixdra als centesima pars ejus auri, das die Deinomeniden als An-
theil erhalten hätten, was auch schwerlich richtig ist. B. nimmt zunächst an, die ganze
Beute habe betragen ca. 5000 Tal. Silber. Davon sollte Vio dem Apollo zufallen : 500 Tal.
Silbers. Um ein Geschenk in Gold herzustellen , verwandelte G. diese nach sacralem
Recht, wie B. nachzuweisen sucht, in 50l'al. Goldes (eigentlich waren es nur etwa 40) und
so ward ein Dreifuss gemacht, der etwa 2500 Pfund wog und einen Werth von fast 1 Mill.
Thal, hatte. Das war dann scheinbar rag ^ixdrag Sfxdra, 5000 zuerst in 500, dann in 50
verwandelt Die 16 Tal. Diodors beruhen nach B. auf der irrigen Annahme, dass der
Dreifuss Vio der karthagischen Busse von 2000 Tal. Silber repräsentirt habe ; 200 Tal.
Silber, nach dem Verhältniss von 12V2 : i sind 16 Tal. Goldes. Hiergegen ist zunächst zu
sagen, dass die Deutung von rag cTfx. Jtx. zu gezwungen ist. Wer das Epigramm las,
musste annehmen, Gelon habe Vioo der Beute geschenkt, und doch hatte er Vio geschenkt.
Er vergi'Osserte allerdings die Bedeutung des Sieges, trübte aber den Glanz seiner Frei-
gebigkeit. War das in seinem Interesse? B. will aber einen so gewaltigen Werth des
Dreifusses annehmen wegen Ath. VI, 231, wo gesagt wltd, vor Gyges sei der delphische
ApoUon dvd^yvQog und a/Qvaog gewesen , dann hätten besonders Kroisos und später
Gelon und Hieron Gold gespendet. Das heisst nicht nothwendig, wie B. annimmt,
Gelon's und Hieron's Geschenke hätten an Werth mit denen der lydischen Fürsten wett-
eifern können ; es heisst nur , dass sie zuerst unter den Hellenen nennenswerthe Gold-
spenden machten. Ich möchte Folgendes geltend machen. Sollte nicht die dexdrag 6ixdTcc
Alles umfassen, was Gelon bei dieser Gelegenheit nach Delphi schickte? dann gehörte
auch die Nike (Ath. 1. 1.) dazu. Der Dreifuss betrug nach Diodor 16 Talente ; um aber
die 50 T. 100 L. auf Dreifuss und Nike zusammen zu deuten, bedarf es nur der nahe-
liegenden Annahme , dass das zweite Distichon nicht zwischen die beiden anderen ge-
Holm, Qesch. Siciliens. I. 27
418 Anhang II. Belege und Erlüiiteruiigen.
hört, wie das auch schon Schneidewin annahm, sondern aaderswo, sich an ein verloraes
Distichon anschliessend, stand, wo es die durch die Sendung der Nike vollendete Schen-
kung des Hundertsten Theils der ganzen Groldbeute bezeichnete. Dann mögen wir , den
neuen Vorschlag von Hultsch (S. 39) annehmend, die Talente als Silbertaiente , auf Gold
übertragen, betrachten, wo dann 50 Tal. etwa 11 Pfund Goldes, etwa 3840 Th. unsres
Creldes ausmachen. Dann hätte die ganze Beute an Grold 1100 Pfund oder 384,000 Thaler
betragen ; wie mir scheint, nicht zu wenig, da ja die Beute an Silber u. s. w. auch noch
sehr gross sein konnte. Wie kann dann aber das Gold uia^^tiw heissen? Oder nahm
Crelon statt des erbeuteten das geschenkte dazu? — Gelon's Geschenke nach Olym-
pia: aus Gela Paus. VI, 9, 4. 5 ; aas Syrakus VI, 19, 7.
S. 210. Dass Gelon Söldnern Bürgerrecht gab Diod. XI, 72 : nliün^at xAv fivffCmv,
S. 210. Seine vorgebliche Niederlegung der Tyrannis : Diod. XI, 26 (bald nach dem
Siege); Polyaen. I, 27, 1 lässt ihn so avtl oTQariiyov tv^avtfog werden. Ael. VH VI, 11.
Ders. Xni, 37 lässt ihn bei (Gelegenheit einer Versehwürung sich dem Volke otoß
Waffen darbieten : di^tüfii /^$<r^a* o n ßovXiod-i ; offenbar derselbe Vorfall. An beiden
Stellen spricht Ael. dann von der Statue, die nach VI, 11 ip tä r^g ZutiXius'HQog vt^
stand , wo T. Z. offenbar falsch ist. Die Bettung der Bildsäule Plut Tim. 23 , wo sie
einfach wegen des Sieges bei Himera errichtet ist.
S. 211. Ueber das Hörn der Amaltheia Duris (fr. 4) bei Ath. Xn, 542: xal
^ xal twtov rtvtt ilfair xtUovfiiPov ^Afiak&^iag xigag, o top FiXwpa xaraaxtvaatu.
S. 211. Die Charakterzüge Gelon's Plut. Apophth Beg. (Hutt. Vm, 89). Vom gol-
denen Mantel, den er Zeus schenkte Val. Max. 1, 1 (falsch von Hieron). Tempel der De-
meter und Koro Diod. XI, 26. Derselbe sagt über die letzten Tage Gelon's : kmßaXito dk
vajiQov xal xarä ttjv Attvtfv xaracxtväC^iv vtibv ^ti^firirgos ' ivvtjmg dk ov<nii, tovtov fikv
ov awixiXtat, wo die Worte h. <f. ovg. unverständlich sind, xata -nfv Atrv, heisst natür-
lich : auf dem Aetna ; Cluver's Aenderung '^wav ist mit Unrecht (z. B. von D. 222)
als richtig angenommen worden. — Die Lage des T. der Dem. u. Köre Schubring,
Bewäss. von Syrakus 623. — Ueber den Tod Gelon's Diod. XI, 38: imo a^^taarlas
awexofJi'ivog. Wassersucht nennt Ar. in Gel. Pol. ap. Schol. Pind. Pyth. I, 89 und Plut
de Pyth. or. 19 (Hutt. IX). — Ueber sein Leichenbegängniss Diod. XI, 38, wonach
das Grab 200 Stad. von Syrakus war. Das erweist sich als falsch schon durch Diod.
XIV, 63; es kann aber auch an sich nicht richtig sein, da 200 St. fast nach dem Pachynos
führen. Serra di Falco will 20 statt 200, K statt 2 lesen.
S. 211. Die Geschichte von Gelon und dem Wolf Tz. Chil. IV, 277. — Eine Ge-
schichte von einem Hunde des G. Namens Pyrrhos Ael. HA VI, 62; VH I, 12 ; PL VHI,
144 aus Philistos (fr. 44); Poll. V, 5, wo der Herr Pyrrhos heisst.
S. 212. Von dem den Römern verkauften und geschenkten Korn Plut. Cor. 16 ; Dion.
Hai. VII, 1 . 2. 19 ; Liv. II, 34. Vgl. Siefert S. 1 1 gegenPlass, I, 281 wegen des Bedenkens,
dass Gelon damals noch nicht, wie Plutarch irrthUmlich meint, Herrscher von Syra-
kus war.
Genealogie Theron's (Emmeniden).
Telemachos
£mmenides Xenodikos
.. y, Hippokrates Kapys
Amesidemos *^*^ "^^
Theron f 472 Xenokrates
I spät. Gem. die Tochter des Polyzelos I
Thrasydaios f 471 Damarete Thrasybulos Gemahlin Hieron's.
Gem. 1. Gelon, 2. Polyzelos.
Zu Bach III, Kap. 1 u. 2, S. 2ii)*-215. 4 1 9
Genealogie Gelon^s (Deinomeniden) .
Deinomenes
Gelon + 47 8 Hieron f 467 Polyzeios f vor467 Thrasy bulos 2 Töchter
I Gem. Damarete Gem. : 1 . Tochter d. Nikokles
Sohn I 2. Tochter d.Anaxilas
I 3. T. d. Zenokrates
spät.Gem. gestürzt 466 verheir.
Damarete mit Chro-
mios und
1. Deinomenes Toehter, Gem. Theron's. Aristonoos
Zweites Kapitel.
S. 212. lieber die Anfänge von Hieron's Begierung Tim. (fr. 90) bei Schol. Find. Ol.
II; 29. Chromios und Aristonoos, (von Boeckh, Expl. p. 115 für einen Nachkommen des
gleichnamigen Gründers von Akragas gehalten) Gelon's Schwäger, substitnirte Vormün-
der nach Schol. Find. Nem. IX, 95.
S. 213. lieber die Streitigkeiten mit Foly zelos , der nach Tim. ap. Schol. Find. Ol.
II imacr. auch Schwiegervater Theron's war, und Theron Diod. XI, 48 und Schol. Find.
Ol. II, 29, wonaoh Thraflydaios den Folyzeloa angetrieben hätte im^^^ia&ai t^ "Ugtovi.
10V ngog ZvßaQltag noktfiov bei Schol. F. 1. 1., während Diod. vom Schutze der Syba-
riten spricht, braucht nur als ungenauer Ausdruck gefasst zu werden. Dass Sybaris nach
seinem Falle durch Kroton als unbedeutender Ort fortbestand, sagt Str. VI, 1, 13 und be-
stätigen die Münzen bei Leake NH Italy S. 145 mit Fallaskopf einer-, dem Stier anderer-
seits. Die Münze bei Leake It. S. 118, welche beim Dreifuss des Avers die Inschrift Kro
und beim Stier des Revers Sy hat , konnte älter sein. — Kapys und Hippokrates
nach Schol. Ol. U, 173 ave^toi, nach Schol. Ol. II, 8 avyyevdg Theron's; dies richtiger,
denn ihr Vater war Xenodikos. In den Schollen Findar's werden die Verhältnisse viel-
fach verwirrt. Vgl. Boeckh zu Ol. II. Sie gehen zum Hieron über nach Schol. Ol. I{,
173. Vermittlung des Simonides am GeUflusse Schol. Ol. II, 29, nach welchem Theron
l^fXWQriai rviv ngayfiaitov rtp *ligtavi, vartQOv dk anikaßiv an avrov rr^v tvQavvC6a,
Einführung neuer Bürger in Himera Diod. XI, 49, Ol. 76, 1 -476 v. Chr. Die vorher-
gehenden Unruhen und die Vermittlung des Simonides also Ol. 75, 4 (Boeckh, Expl. p.
119). Wenn das. Diodor sagt, dass bis zur Zerstörung der Stadt durch die Karthager 58
Jahre verflossen, so muss es heissen 68. — Die Flucht von Hippokrates und Kapys nach
Kamikos Schol. Find. Fyth. VI, 4. — Die Vertreibung der Einwohner von Naxos und
Katana nach Diod. XI, 49. — Aetnäer ist Hieron in den drei ersten Fythischen Oden. —
Die neuen Aetnäer erhalten auch sikelisches Gebiet nach Diod. XI, 76. ~ Die dorischen
Satzungen in Aetna nach Find. Fyth. I, 60—71 und Schol. Fyth. I, 118. Deinomenes
Herrscher von Aetna Find. Fyth. I, 60; Chromios nach Nem. IX (Schol. zu 1); Grote
III, 178 glaubt, dass die Beiden vereint die Stadt beherrschten, Hense 22, dass Chromios
bald auf Deinomenes gefolgt sei. Nach Schol. Ol. VI, 162 errichtete Hieron in Aetna
einen Tempel dem Zeus Aitnaios, dessen hQtoawri er hatte, wie die JifirjTQog xal KoQrjg,
ix dtadoxrjg TrjUvov.
S. 214. Die Beziehungen Hieron's zu Lokri und Anaxilas nach Schol. Fyth. H, 34
(wonach neben Anaxilas auch sein Sohn Kleophron noXtfiov i\Tt6(kovv AoxQo7g]\ I, 98.
Tod des Anax. nach 18jähriger Regierung und Nachfolge des Mikythos nach Diod. XI,
48. — Die Zeitbestimmung der ersten Regierungshandlungen Hieron's nach dems. Die
Streitigkeiten mit Folyzelos also wohl Ol. 75, 3—76, 1=478— 76 v.Chr., die mit Anaxilas
OL 75, 4—477 v. Chr.
S. 215. lieber die Kyme gegen die Tyrrhener geleistete Hülfe Diod. XI, 51 ; Find.
Fyth. I, 72. lieber die Folgen der Niederlage derTyrrhener für Rom vgl. Liv. II, 54,wozu
Weissenb. Nieb R G 234 citirt. Ob Polyaen. I, 29 auf den älteren Hieron geht , ist nicht
27*
420 Anhang II. Belege und £rläuterungen.
so sicher, wie Hense 24 annimmt. — lieber die Inschrift des Helmes Boeckh zn C 1 16. Sie
lautet: BIARONOAEINOMENEO^ | KAITOI^VRAKO^IOI | TOIAITVRANAnOKVMA^
d. h. ^UQtav 0 Jupofiivovg xai ol ^vgaxoaun riß jJä' Tv^^ijv* anh Xvfiijg, Vgl. Salinas in
Bull. 1S65 S. 67, nach dem die Inschr. in CI nicht genau nachgebildet ist, und dieselbe
a colpi di scalpello eingehauen ist. — Es waren 3 Helme , zwei ohne Inschrift. Boeckh
(Find. Expl. p. 225) vergleicht die 3 leinenen Panzer bei Paus. VI, 19, 7.
S. 215. lieber die Kolonie nach Pitheknsai Str. V, 4, 9. Vgl. Baoul-Kochette, Sur
les m^dailles Sicil. de Pyrrhus, in den M^m. de TAcad. des Inscr. T. XIV. Par. 1840. 4.
p. 302—4 , über eine griechische , in den Felsen gegrabene Inschrift, die sich auf Ischia
findet, und die einer späteren Zeit als derHieron's I. angehört.
S. 216. üeber das Spionirsystem Hieron's Ar. Pol. V, 9, 3: olov nt^l ^ügaxovaas
al Tiorayfoyl^ig xaXovfjicvaif xal rovg dtxuxovaxag l^inifintv^T^Qfov, onov rtg etfi avvovaia
xa\ avXXoyog. Dass , wie sich aus der Schilderung des Parasiten in Epicharm's Elpis er-
giebt (Lor. S. 227) tkqItioIoi für die nächtliche Sicherheit der Stadt sorgten, ist beinahe
selbstverständlich. — lieber Hieron's Krankheit Ar. (fr. 216) bei Schol. Pind. Pyth. I,
89 dvgovQl(f (fvgtvx^jaai und Plut. de Pyth. or. 19 (Hutt. IX) *IiQwv hd-twv itvQcivvivaiv,
Diod. XI, 67 cbarakterisirt Hieron als (pilagyvQog xal ßtaiog xa\ Ka&6Xov rtjg anXotfirog
xa\ xaXoxaya&iag tadkXifOV alXoTQioiratog, wogegen Ael. VH IX, 1 ihn ipiX^XXriv nennt,
xai Ttfifidai naidilav av^^eiorriza, xal tog ^v TtQox^iQorajog (ig rag €vtgyta{ag Xfyovat ^— .
Die Yertheidigung von Hieron's Charakter hat besonders Hense, De Hierone I. Syracu-
sanomm tyranno ejusque aula. Monast. 1862. 8. S. 47 ff. zu führen übernommen. Ael.
VH IV, 15 lässt Hieron rä nQtSra av»Q€Snt)v afjtovaoTarov sein, und erst in Folge einer
Krankheit die ihm a^oXr^v gab fiovaixmatog werden.
S. 217. Ueber Simonides vgl. de Boissy, Histoire de Simonide. Par. 1755. 8. und
bes. d. Ausg. von F. W. Schneidewin : S. carm. reliqu. Brunsv. 1835. 8. — Seine Muse
käuflich Tz. Chil. VIII, 814. 15. Ael. VH IX, 1 sagt ^v xai tpvan tpdagyv^g 6 Ketog.
Plut. an seni etc. 5 (Hutt. Xtl): die einzige ^dov^ im Alter das xe^Salviiv, — Simon,
und Anaxilas Ar. Rhet. HI, 2, 45 nebst Herakl. Pont. Pol. XXV und Ath. I, 3, wonach
der Sieg von Leophron , dem Sohne des Anaxilas gewonnen war. — Dass Reichthum
besser sei als Weisheit Ar. Rhet. II, 16. — Xenophanes Über Simonides nach Schol. Ar.
Pac. 696. Ebenso hat sich Ohamaileon geäussert iv T<p negl 2if£ttvC8ov nach Ath. XIV,.
656, wo auch berichtet wird , dass er das von Hieron ihm Greschickte verkaufte , nebet
folgender Geschichte oic dunv&v nuQa rip *I(Q(avi ov na^an^ivrog (tvitp inl tfivtQdntCf^v,
xa^dniQ xal rotg aXXoig, Xaytoov , d)X varegou fieradtf^ovros toi) 'I^qcjvos dma^tSlaaev'
Ovdh yoQ ouit cvQvg nfQ iiov i^UtTo JtvQo. Simon, von der Natur Gottes Cic. ND I, 22.
Ueber Sim. Verkehr mit Grossen Plat. Ep. H, 311. Cea Naenia Hör. Od. II, 1 , as.
Fragm. 117 bezieht Schneidewin auf Hieron; vgl. dens. zu Fr. 168. Von seinem Ge-
dächtniss handelt sein Epigramm CCIV. — Ueber den Tod des Simonides Mann. Par.
vs. 73. Ueber sein Grabmal Suid. s. v. Zi^tovlöiig. Tz. Chil. I, 636 — 39 enthält seine
Grabschrift: *^| inl nevrijxovTa , ZifjLtovldri, yQao vCxag KaX XQlnodag- ^vijaxftg if fy
ZixiX^ n€^i(p. Ketai cfi fivyjufjv XiCmtg, "EXXijai ^J^naivov Eu^vv^rov V^f/^f aijs imyftvo^
(ji4votg. Ich finde nicht, dass irgendwo ausdrücklich gesagt wird, er sei in Syrakus ge-
storben und sein Grabmal sei bei dieser Stadt gewesen. Die Erzählung von der Zer-
störung seines Grabmals durch den Akragantinischen Feldherm Phoinix lässt die An-
nahme natürlicher erscheinen, dass sein Grab bei Akragas war; wenn Ph. aus den Steinen
desselben einen nvQyog macht und hinzugefügt wird xal xarä xovtov kdXto ti jioXtg, wird
dies die Strafe für die Irreligiosität des Akragantinischen Feldherm sein , eine Strafe^
die doch nur Akragas treffen kann.
S. 219. Bakchylides. Ueber sein Verhältniss zu Pindar sind zu vergleichen die
Schol. zu Pind. Pyth. II, bes. 97, 131, 161. 166, 171 ; femer Ol. U, 154, 158; Nem. ÜI^
143.— Die auf Hieron bezügliche Zeile s. bei Schol. Pind. Ol. I inscr.— Vgl. Hense 37. 38^
Zu Buch ÜI, Kap. 2, S. 215-225. 421
S. 219. Pindaros. Aus der reichen Piodarliteratur muss besonders hervorgehoben
werden die Boeckh'sche Ausgabe (2 Thie. in 4 Bänden, Lpz. 1811'— 21. 4.) sowohl der
Schollen wie der Explicationes des Herausgebers undDissen's wegen; sodann Leop.
Schmidt, Pindar's Leben und Dichtungen. Bonn 1862. 8. Das Historische ist wieder
besonders berücksichtigt worden von A. de Jongh in s. Ausgabe von Pindar's Olymp.
Traj. 1865. 8. Die Stellen aus P. sind in der Uebersetzung von Donner, Lpz. 1860, ge-
geben. Die Zeit, wann Pindar nach Sicilien kam, bestimmt man gewöhnlich als Ol. 76, 4
(Schmidt, S. 239); da jedoch der Ausbruch des Aetna, den er in seiner ersten Pythischen
Ode schildert, Ol. 76, 2—475 Statt fand, so kann man annehmen, dass Pindar sich schon
damals in Sicilien befand. — Münzen als a&la Hultsch, De Damareteo» p. 26. 27. Vier-
gespann auf einer Münze von Herakleia mit punischer Inschrift Ugdulena Tay. I, 18;
Pinder, die antiken Münzen des Kön. Mus. Berl. 1851, No. 146. Tetradr. mit Vierge-
spann Ton Panormos in der Sammlung de Luynes\ — Spiele in den Städten ifn Attvag
erwähnt Plnd. Ol. XIII, 111 — es sind nach den Schot, besonders Isthmia in Syrakus
und Nemea in Aetna gemeint. Dass der Name Pelops (s. auch Ol. I], dem Wagenlenker
beigeschrieben auf einer alten Münze von Himera (Eckhel I, 213 ; Friedländer, Berl. Blät-
ter für Münzkunde, 1863, S. 137. 138), wirklich den Gründer der Olympischen Spiele be-
zeichnet, darüber vgl. Garrucci und Cavedoni im Bull. 1865, S. 108 und 224 ; sowie Sa-
unas ebendas. S. 83.
S. 221. Pyth. II. Die Zeitbestimmung ergiebt sich aus der Erwähnung der Ret-
tung von Lokri durch Hieron, in v. 18—20. Vgl. Boeckh, Expl. p. 241. In der Deutung
der Erwähnung des Ixion bin ich Boeckh gefolgt. Die Aeusserung , gegen die ich mich
erkläre, ist von Schmidt, Pindar, S. 192. Ich vermag Schmidts ausführlich begründeter
Ansicht nicht zuzustimmen, dass Hieron »von dem Dichter eine fortgesetzte Befehdung«
des thebanischen Demos verlangt habe und hierauf Pindar mit seiner Erwähnung des
Archilochos antworte. Schwerlich nahm Hieron soviel Theil an den Thebanischen An-
gelegenheiten. — S. 222. Pyth. IIL üeber die Zeitbestimmung Boeckh, Expl. 254.—
Nach G. Hermann, Heimsoeth und Schmidt (s. diesen S. 232) kann ich Boeckh und Dis-
sen nicht Recht geben, die ausser der Krankheit Hieron's noch FamilienunglUck dessel-
ben in dieser Ode angedeutet finden. — S. 222. P^th. I. Die Zeitbestimmung nach
Schol. Pyth. I inscr., sowie wegen der bereits geschehenen Gründung Aetna's, des Aus-
bruches des Vulcan's, endlich wegen des in dieser Ode gefeierten Sieges über die Tyr-
rhener. — Der Grundgedanke der Ode ist sehr gut dargelegt von Schmidt 247. Auf
denselben Sieg Hieron's bezog sich noch das Pindarische Hyporchem , dessen Anfang
lautete: Svvt^ o ro^ Xiyto, Ca^^cov hg^af bfnavvfie natfQ, xiIüjoq AlxvTjq (Schmidt 257).—
S. 224. Ol. I. Gewöhnlich in Ol. 77, 1 gesetzt, nach Boeckh, Expl. 100, auf Grund der
Schol. zu Ol. I, dass Hieron in Olympia x'lrin gesiegt habe Ol. 73 und 77, und -re&Qlnnfi}
Ol. 78. Dagegen schliesst de Jongh S. 25S aus dem Umstände, dass Hieron in der Ueber-
schrift dieser Ode £v{inxovaiog, nicht Ahvaiog genannt ist, sie sei nicht Ol. 77, sondern
Ol. 76 gedichtet. Wenn wirklich ein Irrthum des Schol. vorläge , so würde die persön-
liche Anwesenheit des Dichters in Sicilien, auf welche Ol. I schliessen lässt , bereits in
Ol. 76, 1 fallen. Die Ode soll »die verhältnissmässig geringere Bedeutung der Kampfart
dadurch vergessen machen, dass sie die des Festes recht glänzend an das Licht stellt«,
Schmidt 258. — Die Anrufung Poseidon's durch Pelops deutet auf den Kultus des rosse-
nährenden Gottes durch Hieron. — S. 225. Nem. I und IX. Die die Chronologie der
beiden Oden an Chromios betreffenden Ansichten sind zusammengestellt von Schmidt
239 ff., vgl. dens. 455 ff. Wenn ders. 456 in dem Ausdruck Icmrv «f in avltCatg &vQaig
(Nem. I, 19) nur die figürliche Bedeutung anerkennen will, so stimme ich dem nicht bei ;
ich finde einen Doppelsinn hier sehr passend. Ist nun mit Boeckh und Dissen Nem. I vor
I^ und in die Zeit der Anwesenheit Pindar's in Sicilien zu setzen, so könnte Nem. I nach
dem Obigen immerhin schon Ol. 76, 2 fallen, lieber Chromios, der nach Schol. Nem. I, 8
422 Anhang 11. Belege und Erläuterungen.
7]v(ozoi n^'Uqmvog naiJo&tv vgl. Dissen in den Expl. 348. — S. 226. Ol. VI. Die Zeit-
bestimmungen auf Combinationen Boeckh'B beruhend. Nach v. 85. 86 sendet Pindar die
Ode aus Theben ; da nun angenommen wird , dass er Ol. 77, 1 in Syrakua war (b. oben
über Ol. I), so bliebe Ol. 76 und 78, wo dann der freundliche Gruss, den Pindar dem
Hieron sendet (Schmidt 274} Ol. 78 wahrscheinlicher macht. Wenn jedoch Pindar OL 77,
1 nicht in Syrakus war, so fällt die ganze Gombination. — lieber die Sv ayxvgai v. 100.
1 sucht Schmidt 280 nachzuweisen, dass die gewöhnliche Annahme, sie gingen auf das
doppelte Bürgerrecht in Syrakus und Stymphaios , iirig ist ; de Jongh 402 deutet daa
Gleichniss nur auf die Hülfe, die man vom Freunde hat ; und bezweifelt überhaupt das
doppelte Bürgerrecht des Agesias. Ders. erklärt sich S. 393 gegen Boeckh, der aua
Schol. zu y. 165 schliesst, dass Agesias nach Hieron'sTode ermordet sei. Die Worte
OS äyf^Q^dTj 'liQtovog xai(dv9ivjoi bedeuten nur, dass sein Schicksal mit dem des Tyran-
nen eng verknüpft war. Ein ^AyaaCai Zivfiifahog bei Xen. An. III, 1. — S. 227. Pytb.
VI. Zeitbestimmung nach Schol. dazu. — Ueber den GMankengang Schmidt 65-~ 72.
S. 227. Ol. II. m. Dass der Sieg Ol. 76 fällt , ist aus Schol. II, 166 (92] zu schliesaen^
obschon ebendort und zur Ueberschrift andere Zahlen gegeben werden. Auch passt Ol.
76 am besten wegen der Berechnung zu II, 93 (s. o. S. 383 über die Gründung der Städte).
Ueber dasVerhältniss von II und lU unter einander Schmidt 211 ff., der III nicht für die
Theoxenien bestimmt glaubt und 213 annimmt, dass nur E das eigentliche Epinikion ist,
HI dagegen ein schon vorher an Theron gesandtes Enkomion , das nur auf den soeben
gewonnenen Sieg Bezug nehme. — de J. 320 ff., giebt Nichts auf die Ueberschrift von
III hU BtoU^ui, und auf die entsprechenden Notizen der Schollen ; er nimmt 322 an, dasa
lU zuerst geschickt sei, weil nach v. 77 vvv Theron das höchste Ziel erreicht habe und
überdies HI das kürzere Gedicht sei. — S. 229. Py th. XH. Zeitbestimmung nach den
Schol. wonach Midas Pyth. 24 und 25 sowie in den Panathenaeen gesiegt hat. Sein
Abenteuer ebendas. Schmidt 76. 77 will nicht glauben, dass die gegenwärtige Ode sich
auf den so gewonnenen Sieg beziehe, da die Schol. es nicht ausdrücklich sagen und im
Gedicht Nichts darauf hindeute.
S. 229. AI sc hy los. Unter den vielen Schriften über ihn vgl. den Artikel von W.T.
in Paul/s R E 1 , 448 ff. — Einsturz der Gerüste als Yeranhissung seiner Reise nach
Sicilien: Suid. s. v. AlaxvXog. — Niederlage durch Simonides vita Aesch. 9. Wena
W. T. S. 450 des angeführten Artikels bemerkt: Flucht deshalb an den Hof des Hieron,
den Aufenthaltsort des Simonides ! so ist das übertrieben , da es keine Flucht war und
der Unwille des Dichters besonders gegen die Preisrichter gerichtet sein mochte. —
Niederlage durch Sophokles vita 9. — Unwille der Athener über die Eumeniden nach
vita 9. — A. in Sicilien 7^^yoc rovs iriv Alvvr^v xriiwrogj vit. 10, also um Ol, 76, 1. —
A. nach dreijährigem Aufenthalt in Gela gestorben vit. 11. — Ueber die Ahvaim des A.
Schneidew. in Rh. Mus. 1843. S. 70—83. Vgl. auch Härtung, Aesch. Fragm. Lp2. 1S55
Absch. XU Sicilische Tragödien, wozu er ausser den Aetnäerinnen den Seeglaukoa
(Wanderung desselben nach Sicilien), die Phorkiden (wegen des sicilischen Wortes
aax^iS(oQos} und den Polydektes (warum?) rechnet. — Von den Persem Schol. Ar. Ran.
1028 : öoxovat dk ovioi ol ItiQQai vno lov Ata^vXov JiäiJdj^&ai iif ZvqaxovaaiQf anovöd"
aavjoe^IiQiovogt tas (fijatv 'MgaToa&iyrjs iy y ntgl xfofAtfiditJv, Dass die Perser zuerst in
Syrakus aufgeführt seien, vermuthet Lorenz, Epicharmos S. 83. Ueber den Inhalt der
übrigen Stücke der Persertrilogie s. Welcker, die Aeschyl. Trilogie S. 470 — 81, der den
rXavxog Tloxvuvi der Trilogie in den novrtog verwandelt, was jetzt nicht mehr allgemein
gebilligt wird. Damit fällt dann auch die Erwähnung der Schlacht bei Himera. Lorenz;
I. 1. Anm. 4 spricht ausführlich über die oben cit. Worte 'UQmog tot« t. li. xiiC- deren
toTs mit Unrecht von Manchen auf 4—5 Jahre ausgedehnt worden ist. — Ausbruch des
Aetna Prom. 363—70. — W. T. in Pauly's RES. 455 nimmt von den fx^u^fs, beson-
ders wegen der darin enthaltenen Hervorhebung der monarchischen Regierungsform unid
Zq Bach m, K»p. 2, Seite 226—231. 42^
der Bemerkan^n über die Stellung der Fremden, an, dssB auch dies Stück in Sicilien
entstanden ist. Man kann noch die Erwähnung der yafioQoi V. 608 in dieser Beziehung
anführen. — Ueber sicilische Idiotismen bei A. Athen. IX, 402: ort A, ^garQlipu^
h £ixtXitf nolXalg x^(»i/r«« ^vhiaig ^t^tXixatg, ov^h d^avßtaaroy. Hierüber, sowie über
Spuren des Pjthagorismus, mit dem A. in Sicilien bekannt geworden sein soll, s.
Bergk in der Ztschr. f. Alt. 1835, S. 952—57 (Lor. 84). — Macrob. Sat. V, 19, 17 sagt:
Aesehylus tragieos, vir utique Siculus. — Ol. 80, 2—459 y. Chr. war die Au£führung
der Orestie in Athen, also A. daselbst anwesend. Das Umsichgreifen der Demokratie in
Athen als Grund für Aisch. Auswanderung nach Sicilien vermuthet von Welcker, Tril. ,
S. 521 ff. — Tod des A. Die Geschichte von dem Adler mit der Schildkröte Sotades bei
Stob. Senn. 98, 9. Ael. H A VH, 16. Val. Max. IX, 12. vit. 11. 18. Plin. X, 7. Suid.
die Deutung als symbolische Apotheose des A. von G^jttling, De morte fabulosa A.
Jena 1854. 4. — Die Grabsohrift des A. vit. Aesch. Aitrxvlov Ewpo^/atvos 'Ad-ffvaTov
T«f« nev&et Mv^fia xaratf'd-ffjievov nvQOffOQOto nXag. ^Alx^ <f iv^4xtuov Ma^a&tovijov
aXaog au itnoi Ka\ ßa^v^an^eig Mijdog irmniifisvog. Die Uebersetzung nach G(^ttling,
Ges. Abh'. n, 152. Eine andere Grabschrift (Brunck, Anal. II, 188) lautet: AiaxvXov
Tide XfyBi TUffltj Xl^g iv^^€ xita&ai Thv fifyav oixfCfig rr^X ano K€%QonCfig, Aivxa nXa
£uieXote naQ vSata. rig <p^6vog acrth^ Sriae{3ug ayttd^v ^}'%otog aUv ^f «.
S. 231. Epicharmos. üeber ihn und die verwandten Erscheinungen C. J. Grysar,
De Doriensium eomoedia. Col. 1828. 8. Rec. davon von Welcker in Allgem. Schulzeit.
1830. S. 417-87, abgedr. in s. Kl. Schriften I, 271—356. Bernhardy in der Encycl. von
Ersch und Grober I, 35, S. 342^.56 und in s. Grundr. der Gr. Lit. U, 893—908. Samm-
lung der Fragmente von H. Polman Kraseman , Epicharmi Fragm. Harl. 1S34. H. L.
Ahrens, de dialecto Dor. Gott. 1843. Appendix. Mullach, Philos. graecor. fragm. I,
p. 131—47. Par. 1860. 8. ; endlich das ausführliche Werk A. 0. F. Lorenz, Leben und
Schriften des Koers Epicharmos, nebst e. Fragmentensammlung. Berl. 1864. 8; wo
jedoch die Mullach'sche Bearbeitung noch keine Berücksichtigung gefunden hat. — £.
heisst XtSog bei L D VIII, 3, 78. Andere Angaben bei Suid. und St. B. s. v. K^aarog.
rQifAfjvaiog nach Megara gelangt nach LDL 1. Mit Kadmos nach Sicilien, nach Einigen
bei Suidas. Gegen diese Angabe spricht mit guten Gründen Lor. 46 ff. — Suidas nennt
ihn TT ^o Twv IliQaixüiv hrf üj^ ^Maxatv iv Zvgaxovaaig. Epicharmos im Verkehr mit Hieron
Plut. Apopth. Reg. (Hntt. VIII, 89) und Quomodo adul. disting. ab amico 40 (Hutt.VII).—
Ep. mit anderen Greisen Ael. VH U, 34. —Die von den Syrakusanern gewidmete Grabschrift
lautet (LD78): Et Ti naQaXXaaau (fa^S^atv fifyag aXiog affroüfv Kai novrog notttfxtav fiti^ov
I^X^t, Svi^afitVf 4>afil rooovjov iyeo aotf^iq Ttfwixftv *E7T()^aQfxov^Ov ittttQig ^ajttftivtod ade
Zvqaxoaiia¥, (S. 232, 9 v. u. ist »ehernes« zu tilgen.) Eine andere ist unter Theokrit's Epi-
grammen, n. 17, wo der Ausdruck ZvQaxoaaittg neXio^tarif noXn merkwürdig ist, der doch
wohl die Stadt als die riesige bezeichnes soll. — Ueber die Anfänge des dorischen
Drama' s s. Lorenz, Cap. i. — üeber Susarion Pauly R E VI, 2, 1521. — üeber Maison
Lorenz 37 ff., besonders nach Athen. XIV, 659, wo es zuletzt heisst: tov öh MaCatova
IloXiftfoy iy ToTg nQog Tiuaiov ix rtiSv iv ZmeXttf (frialv (hat Miyaqiiav xal oxm ix reSv
NiacUtav. — üeber den Charakter der sicilischen Griechen Plat. Gorg. 493
icofi^jog avTfQ taa>g SixiXog tig ^ ^fraXixog, und besonders äussern sich die römischen
Schriftsteller darüber. Cic. Verr. IV, 43 : nunquam tam male est Siculis, quin aliquid
facete et commode dicant. Cic. Div. in Caec. 9 : hominum genus nimis acutum et snspi-
tlosum. Verr. HI, 8 : ita acute ut Siculum. De erat. II, 54 : ridicula et salsa multa, nam
et Siculi in eo genere excellunt (und §§278 und 280 folgen sicilische^itze) ; Cic.ad Attic.
I, 19, 8. Tusc. Qu. I, 8. Caelius bei Quinctil. VI, 3, 41 : Siculi quidem ut sunt lascivi et
dicaces (Lor. 94). Sil. XIV, 31 : promptae gens linguae. — Sicilischer Luxus und
besonders Mahlzeiten berühmt. Vgl. Suid. s. v. ^ix^Aix^ TQamCt*, ferner s. v.
Zvqaxovala xQani^a ^ wo die ZVxcXtoira» aßqod(attot ^äXlov ndvr<üv genannt werden;
424 Anhang IL Belege und Erläuterongen.
bes. Athen. XII, 527 , wo ausser einem Fragment der Jaual^g des Aristophanes Plat.
£p. VII, 326 und Plat. de rep. III, 404 citirt werden. SicUische Köche berühmt Ath.
XIV, 661 und 655. Nach Plat. Gorg. 518 hatte Mithaikos eine oiffonoua 2:txtlixii ge-
schrieben. Vgl. Ath. III, 112; VII, 282 und 325, wo Einzelnes aus dem oxifftQtvrixoy
ßißlCov angeführt wird. Später trat Archestratos von Geia auf. — Jambistenchöre
in Syrakus Ath. V, 181. — Von dem Tanz Ath. I, 22: BUtpqaatos 6k nQulTov (priaiv
*!/4v6Q(ova Tov Karavalov avXrjTTiv xtvtjoeti xal ^vd-fioits noi^aai r^ atifiari avlourra'
o9-ev aixd^Ziiv ro 6(//<7<r^at naQu roTg nalutotg, Lor. 96 macht daraus, dass
Theophr. »den Ursprung des Tanzes« in Sicilien suchte ! Ath. XFV, 629 : naqa dk iTi/^a-
xoüCoig xal XfTfov^ag\4QT^fu6og oQ^tja^g rts ^orrlv t^iog xal avltfaig, ^vditig xal*Itt>ytxif
OQx^<^'i nagoCviog. Vgl. Poll. IV, 101 ff., WO 103 steht : rö dk'ltavixw *Aqjifit6i mqx^^'^^
Zixihmrai fuxUara. — Der Syrakusanische Jongleur und Tänzer Xen. conv. 2. 7. 9. —
Epich. ZuhOrer des Pythagoras nach LD VIII, 3, 78. Vgl. auch weiter unten S. 425. Ders.
;iennt VIII, 1 , 7 als Titel einer Schrift des Pythagoras : 'IWo^JL^ tov ^EmyaQfiov tov
Kioov TTur^Qa, was wenigstens zeigt, dass Elothales mit Pythagoras in Verbindung
stand. — Plat. Theaet. 152 : rdv noirirtSf ol axgoi r^g noniitimg ixarigag, xwfi^dütg fjikv
'£?r//a^^of , TQityt^d^ag 6k "O/ifiQog. Vgl. Lor. 116, n. 8. — Anzahl der Epicharmiaohen
Stücke nach dem Anon. thqI xt$fii^dlag 40, iv at^riifyovTat 6*, so dass 36 übrig blei-
ben ; Lykon zählte nach Suid. s. v. *£n£X' 35, indem er vielleicht "iT/fa; yufiog und Mov-
aai nur für ein Stück nahm. Suid. selbst nimmt 52 an, wo Bergk 42 lesen will (Lor. 14S).
— Arist. poet. V, 3 sagt : to tfk fiv&ovg nouTv ^EnlxaQ^Log xai 4»6qfttg {r^Q^nv) ' ro fjihv i^
a^X^,g ixZtxeUagriXO^fv; vgl.ijOr. 190 ff. nach Meineke, Hist. crit. p. 59 ff. — JBover«^«?. Die
Schilderung der Gesichtsverzerrungen des Herakles bei Ath. X, 411. — "Hßttg ydfjiog und
Movam, Verzeichnisse von sicilischen Fischen Ath. lU, 85 u. öfter. Zeus Ath. VII, 282.
Poseidon (noTi^äv) Ath. VU, 320. Athene Ath. IV, 184. Vgl. über das Stück Lorenz 126—
31 , wo S. 129 die Stelle aus Tzetzes ad Hes. op. et d. v. 6 mit den Namen der Musen
(grösstentheils von Flussnamen entlehnt) citirt ist. — ^HQoxl^g 6 naga 4>6Jn^ citirt von
Eustrat. zu Ar. Eth.Nic.III, 5, 4, wo nagatfokt^ steht, und Camerarius naga fPoX^p änderte.—
TQtSeg citirt von Zenob. 4, 7 und Macrob. V, 20, 5. — VSvaaevg avtofiolog ciUrt von Ath.
III, 121, und sonst. —A:üxA<üi/; bei Ath. VIII, 366. —i:HQfir€gAih. VII, 277 .— 'OcT. vava^^^
Ath. XIV, 619. Poll. X, 134. Lor. 186, n. 1 protestirt »bestimmt gegen den lächerlichen
Versuch Grysar's, das fr. 42 (LD III, 12,16 aus Alkimos) auf den blossen Namen Eumaios
hin dem ^OS. vavayog einzuverleiben. Der schiffbrüchige Held (der ja übrigens gar
nicht Schiffbruch bei Ithaka litt) lohnt den gastlichen Empfang des ehrlichen Schweine-
hirten durch tiefe Gespräche über Pythagoreische Weltweisheit!« Da doch einmal
Jemand mit Eumaios über diese Weltweisheit bei Epicharmos redet, warum sollte es
nicht Odysseus sein? Ueberdies konnte Od. seinen Schiffbruch dem Telemach erzählen.
— lieber ein vielleicht an dieses Stück sich anschliessendes Vasenbild der Sammlung
Campana vgl. Wieseler in den Annal. 1859 zu Mon. VI, tav. 35, 2. — ^Afivxog Schol.
Soph. Aias 722 und öfter. — Uv^^a xal JlQo/jitt&ivg Ath. III, 86 und sonst. Vgl. Lo-
renz 139, n. 5. — KvjfÄaaral i] "Affaiarog Ath. X, 389 und sonst. Ueber dieses Stück
Lor. 137. 38. Die Fesselung der Hera auf einer Vase aus Bari im Brit. Museum abgeb.
in Lenormant und de Witte, Elite c6ramographique I, 36. Miliin, Gal. Mytfa. 13, 48.
Der Zug der Komasten bei Millingen, Vases de Coghill, PI. 6, und Millin, Peint. de vas.
ant. I, 9 und Gal. Myth. 83, 336. Vgl. Preller, Gr. Myth. I, 118. —Ausserdem sind
noch mythologischen Inhalts : 'H^axl^g 6 inl tov Cf^ot^ea — d. h. um den Gürtel der
AmazonenkOnigin zu holen — Schol. Ven. Ar. Pac. 73. ~ <f»tkexT ^T^g Aih, IX, 371.
XIV, 628 [ovx ioTi 6i&v^afißos, oxx vfitaQ Tiiyg), —*Alxvo}p Ath. XIV, 619, wo Jiofiog
6 ßovxoiog ^txeXtojTtjg als Erfinder des ßovxoXtaofiog bezeichnet wird. — £xiQt9v —
wohl der megarische Räuber — Schol. Ven. Ar. Pac. 185. Poll. X, 86. — i:<piyi Ath.
III, 76. St. B. 8. v. XtTtavri, — - Baxxai Ath. HI, 106. Hesych. S. V. AfyXn. — Atvrvooi
Zu Buch III, Kap. 2, S. 233—237. 425
Ath. IV, 158. Die anderen: *JyQü}aTtrog Ath. III, 120 u. sonst. — "AgnuyaC Poll. IX,
25 u. sonst. — r« jfol ^nlaaaa Ath. HI, 105 u. öfter. — "Ehtlg ^ nXovrog Ath. VI,
235. 36 (berühmte Schilderung des Parasiten, wobei beachtenswerth ist, dass Poll. IV,
li) die komische Figur des £iitelix6g, erklärt als naQdairog tQCjog, erwähnt) n. sonst.
— 'EoQta Kai vaaoi Schol. Pind. Pyth. I, 98 u. sonst. — QeoQoi, die dargestellt sind
xa^oQwpTeg ra iv Ilv&ot ava^rj^ara xal negl ixagrov Xfyovreg bei Ath. VIII, 362 ; vgl.
unten bei Sophron die d^eafdfvat rd "lad^fna, — Die Titel der ttbrigen sind : ^EntvUuts, in
anapästischen Versen, »so dass Gesang und Tanz hier gewiss eine grosse Bolle spielte«,-
Lor. 145. — jioyog xal Aoy(vti Ath. III, 106 u. sonst. Ueber die Schreibart des zweiten
Substantivs s. Lor. 244. Man hat Aoyo^ und Aoylva gehalten für zwei mythische Per-
sonen (Grysar), Personificationen der Redekunst (Bemhardy), Philosophen oderSpass-
TÖgel (Welcker, der Aoytvag annimmt). Ich erinnere daran, dass nach L D I, 6, 89 der
Bhodier Eleobulos und seine Tochter Kleobulina ein besonderes Verdienst um die Aus-
bildung der Räthsel hatten, die auch bei Epicharmos vorkommen, welcher sie nach Eust.
Od. V, 366 loyog iv loyttt nannte. Ich möchte nun, unter Annahme der Lesart AoyCva, in
loyog hier die Personification des Räthsels sehen und in der Zusammenstellung mit^o;^/ya
eine Hindeutung auf jene beiden Personen. Es gab ^inQKXkoßovXlvri von Alexis. — Meyagig
Ath. VII, 286 (Schimpfwörter) u. sonst. — Mrjpfgmid Tittaxadtg nur bei Hesych. —^ÖQva
(soll /o^<fi7 bedeuten) Ath. III, 94, und Hesych. — IT^QfaXXog (vielleicht stolz bedeutend)
Ath. IV, 139 und 183.— mQaaiFoll IX, 92.— //i^wv (Weinkeller) Poll. X, 179.— XopwvW
Ttg Heph. de metr. 8, 3. — Xvtqoci Poll. IX, 79. — Ep.'s Metrik Lor. 157. Der troch.
Septenar heisst Metr. Epicharmium. — Gegen die von 0. Müller angenommenen politi-
schen Stücke Epicharm's eiftlärt sich mit Recht Lor. 171.— Ueber seinen gnomischen
Charakter sagt Jambl. de vit. Pyth. 29, 166 : of t£ yytufxoXoyrjaai n rtSv xara rov ßCov
ßovXofievoi Tag ^En i/uq/liov dtavotag 7iQ0<f^(WPTai xal axtSov ndvxig aitrag ol (ptXoaoifoi
xat^xovotv. ^ Der berühmteste Spruch : Natfs xal fiifAvaa* amatitv' a^d-Qa tavta tav
tfQfvwv steht Polyb. XVIII, 23, 4 ; s. Lor. 260. —Bei Plant. Menaechm. prol. 12 heisst es
von dem argumentum, dass es sicilissat, worüber zu vergl. Ladewig in Philol. I, 276 — 85
(Lor. 213). ^ Vorherrschen der erzählenden Form bei Epicharmos ist bemerkt von Lor.
88. »9. — Ein Pythagoreer war Ep. nach Plut. Num. 8. Clem. AI. V, 14, 101.
Jambl. Vit. Pyth. 36, 266, wo erzählt wird, dass Ep. wegen der Tyrannis Hieron's die
Pythagoreische Philosophie in Lustspielform mitgetheilt habe. — Die Abhandlung von
F. Nutzhom, De Epicharmo Pythagoreo, in Tidskrift for Philologi. VII. Aargang.
Kjöbenh. kenne ich nicht. — Nach Doxop. Rhet. VI, p. 12 soll durch diesen Druck
fl oQ^tjorixt! entstanden sein ; wofür Bemhardy Griech. L G II, 898 t^r oQ/ijar^av lesen
will. Aber auch Schol. Hermog. bei Walz IV, p. 11 zeigt, was gemeint ist, nämlich
dass Hieron den Syrakusanem geboten liabe fiijdk <fi*^iyyta&ai ro na^dnav , aXXd 6ia
7ro6<Sv xal %UQ€iv xal ofifjtdteav atf/Ltalvftv ra ngoaipoga. Also wirklich ein Leben wie in
einem Ballet! — Epicharmos citirt von Sokrates : Xen. Mem. II, 1, 20; von Piaton Gor-
gias 505; AlkimoB bei L D UI, 17 ; von Aristoteles Met. XIII, 9, 27. — .Ueber Alki-
.moB L D III, 12, 9 ; vgl. Lor. 108 ff. — Ueber den Epicharmns des Ennius Lor. 100 ff.
— Der Xoyog avSavcfiivog wird erwähnt bei Plut. Thes. 23 ; adv. Stoic. de comm. n. 44
(Hutt. XIV) ; de sera num. vind. 15 (Hutt. X). Ueber dens. Bemays im Rh. Mus. K. F.
VIII, 280—88 (Lor. 116). Ueber die richtige Auffassung der Anwendung des Xoy. av^.
in Komödien vgl. Lor. 180, der sehr passend Moliöre vergleicht, besonders Le Mariage
forc^ Sc. 6 und 8, mit den zwei Philosophen. — fnoixodofirjaig im rhetorischen Sinne
Lor. B. 45 aus Arist. de gen. an. I, 18. — Auf den Fluss der Rede bezieht Lor. 211 ff.
nach Welcker das Wort des Horaz Ep. II, 1, 58 : Plautus ad exemplar Siculi properate
Epicharmi. — Theologie Epicharm's: Menandros (Mein. C Gr. IV, 233) bei Stob. Flor.
91, 29, wonach Wind, Luft etc. Götter sind. Den Plural braucht Ep. auch, wenn er die
wirkliche Gottheit meint: Xen. Mem. II, 1, 20 : ttSv novtov ntaXovm ndvja tdyad^ afiXv
426 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
Tol &ioL Die Allmacht Gottes Ol. AI. Strom. V, 14, 101 (Lor. fr.B. 6). Die Menschen
««Txol n€(f'Vuaftäroi Cl. AI. IV, 7, 45 (Lor. B. 5). — Der Tod Piot. Cons. ad Apol.
iHutt. VII, p. 339). Der berühmte Vers voos ogj xal voog axüvu * räXXa xwf^ xal tvifl«
steht Cl. AI. 11;, 5, 24 und oft sonst; vgl. Lor. zu B. 2. Reinheit der Seele CL AI. VII,
4, 27 (Lor. B. 3). Thierseele wird angenommen nach Alkimos bei Lor. B. 43. Ich sehe
in dieser Stelle [xvl ya^ a xvtttr xwl xalhatov dfjLtv ifaivfyat xal ßovg ßotetc» ) yielmehr
eine Uebereinstimmung mit der Xeaophaneischen Ansicht von den Idealen , die jede
Wesengattung sich nach sich selber macht. — Wenn L D VIII, 3, 78 ihm vnofjivrifiara
zuschreibt, Iv oU ifvaioloysT, so haben Manche, und noch Lor. 64. 65 an ein Lehrgedicht
nfQi (fvatats gedacht; die Anwendung des trochäischen Tetrameters in den philoso-
phischen Fragmenten , die hierher gehören würden , spricht doch sehr gegen eine solche
Annahme. — lieber seinen Nachruhm — riSy lfi»v fiväfia nox iaatirat Xoytjy Tovtt»y tti —
und dass man dann seinen Gedanken ein anderes Kleid anlegten werde , spricht £p. bei
LD m, 12, 17 (Lor. B. 1;. — Ueber die unverständliche Stelle des Jambliebos, vit.
Pyth. 34, 241 über Metrodoros vgl. Lor. 49 — 52. — /aT(>oAoy«» L D VIII , 3, 78. Plin.
elench. XX— XXVII oitirt £p. unter den ärztlichen Quellen ; nach Oolum. VII, 3, 6 hat
er peoudum medicinas geschrieben ; in Betreff der medicinischen Anwendung der bris-
sica PI. XX, 89. Physiologie des Menschen : Cens. de die nat. VII, 5. Traumdeutung
Tert. de an. 46. yvtofjioloytl L D VIII, 3, 78. — Von der Erfindung mehrerer Buch-
staben Plin. VII, 192. Plut. Qu. symp. IX, 3 , 2. »Die Stellen aus späteren Gramma-
tikern sind gesammelt bei Wolf, Prol. , p. 63 , n. 1 ; hierzu kommen noch Bekker, An.
II, 782 ; Cramer, A 0 IV, 319 und 400, und Suidas s. v. *Enlxti(ff^os^ Lor. 72, n. 13.
S. 238. 4>6(ifÄig oder <^o(»/uo^ Suid. s. v. 4»6^fiog und s. v. *E:tixnQfios, Ar. Poet.
V, 3 über £p. und Phormis ist oben citirt. Themist. or. 27, p. 406 Dind. hat wieder
4>6q(aos. Paus. V, 27, 1 redet von dem Arkadischen Feldherm Phormis ; s. o. S. 414.
Lorenz 85, n. 8 bemüht sich , die Identität Beider unwahrscheinlich zu machen; Bursian
in der Recension des Lorenz' sehen Buches im Liter. Oentralblatt hält mit Recht an dem
auch früher angenommenen einen Phcnrmis oder Phormos fest.
S. 238. J9iv6koxo9. Suid. h. v. nennt ihn SvQtatovotog ^ lAtxQceyatnrivog, xafitxog.
Ael. H A VI, 51 nennt ihn ävtaytovunrig ^EntxoQfiov. Die Fragmente sind von L<Nrenz,
5. 305—7, gesammelt. Tnh^^a bei Ath. III, Ul*; Afi)^«fa Poll. IV, 173; 'AfidCoyic
Poll. X, 177 ; 'M&u^a Bekk. A G I, 82 ; KtofKpdoTQaypdia Bekk. A G I, 112. Ael. 1. 1.
citirt die Fabel von dem Esel und der Schlange Siy/äs,
S. 238. Ueber das Syrakusanische Theater Eust. Od. III, 68: xal ^vgaxov-
aiov To o MvQilXa. ov fiifivijad'ai kfyu tov 2tiipQova , taroQÜv xaX ort. xov Zvgaxovatov
JOVTOV xvgiov ^rifioxonog, rfv agx^t^xmv. intl dk TfUaiovQyiiettg ro d^iajfiw fivgov roTg
ittvTov nolCtaig JUveifie, MvQiÜa inixlfid^. Lor. 91 , n. 10 citirt hierzu in Betreff des
vorhandenen syrakusanischen Theaters Wieseler , Denkm. des antiken Btthnenwesens,
S. 10, und Osann in der Archäol. Zeitung XU, S. 222 ff.
S. 239. Ueber die 5 Richter Hesych. s. v. n^vn xQirai, und Zenob. 3, 64 zu dem
Sprichworte iv nivT€ xQiTtSp yovvaoi xdrai.
S. 239. Ueber Tanz und Chor in den Stücken Epicharm s s. Lor. 90. 91.
S. 239. Xenophanes von Hieron zurechtgewiesen Plut. Apophth. Reg. (Hutt.
VIII). X. 92 Jahre alt in einem Gedichte bei L D IX, 19. Die Verse über den Werth
der Weisheit Ath. X, 413. — X. zuletzt ernährt von den Pythagoreem Parmeniskos
und Orestades xa^*« (f/jat *4>aflMQtvog i¥ dnofivtiuwevfidtwy ti^wt^, nach L D IX, 20.
Ebendas. die dem Empedokles gegebene Antwort. Emp. selbst die Antwort einem An-
deren gebend : Maximus Conf. Serm. II, p. 585.
S. 240. Ueber PythagorasausRhegionPlin.XXXrV, 59; Paus.VI,13, 1 ; VI,6,6;
VI, 4, 4. Brunn; Gesch. d. Gr. K. I, 132—141.
S. 240. Hieron und Themistokles nach Plut. Them. 24. 25 (ausStesimbrotos
Za Buch III, Kap. 2, Seite 237—243. 427
und Theophrastoe mgl ßaatltias) ; Ael. V H IX, 5. — Die Bede dea Them. gegen Hieron
anf den Vorgang mit der Festgeaandtschaft des älteren Dionys (Ol. 98 oder 99) zurück-
geführt von A. Schäfer in PhiloL XYIÜ, 187 ff., und W. Oncken, Athen und Hellstb
I, 112 ff. — Koutorga, Recherches, p. 142. 43, glaubt an die Absicht der Flucht nach
Sicilien; der Tod Gelon's habe die Au^hrung verhindert (s. o. S. 413 die abweichende
Chronologie Eoutorga's).
S. 241. Weihgeschenke von Hieron etc. nach Griechenland: Viergespann
Hieron's in Olympia Paus. VI, 12, 1. — Dreifuss und Nike in Delphi, ebenso wie von
Gelon Phanias Ur. 12} und Theopomp. (fr. 219; bei Atfa. VI, 231. ^ Auch die Geloer
und Selinuntier hatten in Olympia Schatzhäuser (Paus. VI, 19, 7 und 10) ; in letzterem
war ein Dionysos, dessen Geeicht, Hände und Ftlsse aus Elfenbein waren. — Ueber
AjBtylos Paus. VI, 13, 1.
S. 242. Ueber Theron's Tod Boeckh zu Pind. Ol. II. Diod. XI, 53, der den Tod
Ol. 77, 1 setzt, kann nicht genau sein, da nach Pind. Ol. XII, die an den Himeräer Ergo-
teles gerichtet ist, Ol. 77, ] Himera schon vom Joche der Tyrannis frei war. Ueber
Thrasydaios' Ausgang Diod. XI, 53. — Hense 26, n. 2 zieht hierher Polyaen. I, 29 , 1,
wo von Hieron erzählt :wird (es ist nicht gesagt, von welchem, und die folgende (tc-
schichte geht auf den jüngeren), dass er , um einen von den Feinden besetzten Fluss zu
überschreiten, sie verleitet habe, sich seinen leichten Truppen und Heitern entgegen-
zustellen , worauf er an einem anderen Punkte mit den Hopliten hinübergegangen sei. —
A. Salinas (Lettre a M. TAbb^ Ugdulena in der Revue Numism. 1864) glaubt in einer
Silbermünze, die auf der einen Seite einen einen Hasen zerreissenden Adler (Symbol
von Akragas) mit phänicischer, nach ihm auf Himera hindeutender Inschrift AJA, auf
der anderen Delphin und Muschel (Zankleischer Typus) zeigt, ein Denkmal der Herr-
schaft von Theron und Thrasydaios Über die Zankleische Kolonie Himera zu erkennen.
Die Münze ist aber h(^chst wahrscheinlich eine Motyenische. S. u. S. 432. Dagegen sind
wohl diejenigen himeräischen Münzen, welche auf der einen Seite den Seekrebs haben,
als aus dieser Veranlassung geprägt zu betrachten.
S. 242. Pind. Ol. XU. Ueber die Zeitverhältnisse vgl. die Schol. nebst Boeckh,
Expl., p. 205^9. Paus. VI, 4, 11 zählt die Siege des Ergoteles auf, von denen
2 pythische und 1 isthmischer noch vor diese Ode fallen (v. 25); ein zweiter olym-
pischer, ein zweiter isthmischer und 2 nemeische später. Die 2 pythischen Siege dürften
Pyth. 28 (Ol. 76, 3) und 29 (Ol. 76, 3) gewesen sein. Es ist möglich, dass Ergoteles
Ol. 76, 1 nach Himera kam, als Theron Kolonisten hinführte. Dass aber E. nach Sicilien
und in Theron's Gebiet zog, erklärt de Jongh 521 dadurch, dass Theron (Diod. IV, 79)
die Gebeine des Minos, der besonders in Knossos geherrscht hatte, den Ejretem zurück-
gab. Jedenfalls setzt diese Bückgabe freundliche Beziehungen zwischen Theron und
Kreta voraus. In diesem Zusammenhange ist merkwürdig, dass der Name TMEPAr02
auf 2 kretischen Münzen erscheint : Hierapytna ^Leake Ins. Gr. 20) und Elyron (Leake
Suppl. 161). — Ueber Kr ison aus Himera Plat. Legg. VIU, 840; Protag. 335; Diod.
XII, 5; Plut. de adul. et amici discr. 23 (Hutt. VII J : ^gntQ KQiatov b*IfiiQ€uog am^
Itlff&rj dia&itop TtQog ItiX^avdQotf. Doch starb Alex. I. von Macedonien, über
dessen Schnelligkeit vgl. Herod. V, 22 , schon 454 nach 44 jähr. Begierung. — Ueber
IschyrosMüll. Dor. II, 476 ; ebendas. Sieg des Kamarinäers Parmenides in Ol. 63.— S. 243,
Z. 4 ist Nymphen zu lesen.
S. 243. Isthm. II. Vgl. Schmidt 269 — 73 und Boeckh, Expl. 490. 91. Siege des
Xenokrates Pyth. 24 ^01. 71, 3) , Isthm. vor Ol. 76 ; beide nach Pind. Ol. H, 54, und ein
Sieg in den Panathenäen, angedeutet Isthm. II, 19 und Fragm. Scol. III.
S. 243. Dass Hieron Bürger aus Akragas und Himera in die Verbannung schickte,
sagt Diod. XI, 76.
S. 243. Ueber die letzte Einmischung Hieron's in die Rheginischen Angelegenheiten
428 Anhang IL Belege und Erläuterungen.
und das Ende der Regierung des Mikythos Diod. XI, 66. lieber den Ejieg der lapygier
mit Tarent und Rhegion Diod. XI, 52. Man vgl. die Bemerkung Grote's III, 186, n. 77.
— üeber Mik. vgl. nochHerod. VII, 170; Paus. V, 26, 3 (Z^*x.); Just. IV, 2; Macr. I, 11.
Dass nach D H XIX, 4 Leophron noch gelebt haben soll, scheint nicht glaublich.
Vgl. jedoch Schneidewin zu Simonides, S. 25. 26. — Ueber Pyxus vgl. Rathgeber,
Orossgriech. 188. 89. Die Münzen von F. zeigen 1) dass P. schon vor Mikythos bestand,
2) dass es mit dem jenseits der Berge liegenden Siris eng verbunden war , Leake N H
Italy 138.
8. 244. Hieron'sTod Diod. XI, 66. - Ueber die Gemahlinnen Hieron's Schol.
Find. Pyth. I, 112 nebst Schol. Ol. II, 29. Hier ist die Frau Hieron's e^gtoyos adiXtpij,
sonst avixpitt. Nach Isthm. II inscr. war sie die Schwester Thrasybuls. Bei Plut.
Apophth. Reg. ( Hutt. VIII } finden sich noch einige Greschichten von Hieron .* Lob der
na^^riffittCofjiiytov nQog aurov ; dass einen diro^^titov loyov sagen, Unrecht sei, anch
gegen die Hörer , denn man hasse auch sie deswegen ; endlich von seiner dvgtodCa xov
oxofjittToq und dass seine Frau glaubte, toiovtov anavjaq xoig av^Qag oCtiv.
S. 244. Sogen. Athenetempei in Syrakus. Serra dl Falco III, tav. VI und VIL
Nach ihm :
Lunghezza compr. i gradini p. 225. 8. —
Larghezza » » » »94.
Lunghezza della fronte del grad. super. . . »218. 2. —
Larghezza » » » » » . . » 86. 6. —
Altezza d. colonne col capit » 33. 3. —
Diam. d. col » 7. 9. —
Sommo scapo » 5. 9. 6.
Intercol » 8. 5. 3.
Fronte dell' abaco » 9. 5. 6.
Sporto » 1. 10. —
Altezza d. architrave » 6. 3. 4.
Altezza del fregio ...» 5. 5. —
Larghezza della cella compr. le mura ... » 47. 4. —
Diametro delle colonne del pronao ..... 6. 9. —
Ueber den Namen des T. vgl. Sohubring, Bewäss. von Syrakus, S. 637. Vgl. femer
Polemon bei Ath. XI, 462 (fr. 75 M.). Cic. Verr. IV, 56. Nach Cavallari im BuUett.
della commiss. in Sicilia No. 2 , S. 5 steht der sogen. Minerventempel auf einem Über das
Meer 17,558 Met. erhabenen Boden, während der sogen. Dianentempel nur 3,210 Met.
hoch steht.
S. 245. T. des Zeus Olympios oder Urios. Vgl. Serra di F. III, tav. XXVUI
und XXIX. Zu bemerken ist, dass der Plan bei S. nicht zu seiner Angabe stimmt, der
Säulendurchmesser betrage p. 6,10 ; nach dem Plan wäre es vielmehr 7,10. — Faz. 120:
cujus jacentes plures et erectae quaedam cemuntur columnae. Mirab., n. 101, hat sex ;
Bonanni 145 : sette. Nach Mirab. 101 sind sie longae 25 palmos. Nach dems. wäre anzu-
nehmen, der T. sei duodecim per ordinem columnis aedificatum gewesen.
S. 246. Ueber die Wasserleitungen von Syrakus : Schubring, Die Bewässerung
von Syrakus. Philologus XXII, 4, S. 577—638, mit Karte. Schubr. macht S. 625 mit
Benutzung der (allerdings vielen Unsinn enthaltenden) Worte des Serv. zu Aen. III, 500 :
guodam tempore Syracusani , victores Atheniensium , ceperunt ingentem hostium multi-
tudinem — — tunc etiam fossa extrinsecus facta est quae flumine admisso repleta —
hanc fossam hybrim vocarunt etc. , und Serv. Aen. VUI , 330 : Tiberim Tybrin poetam
dixisse ad similitudinem fossae Syracusanae — quam fecerunt per injuriam Afri et
Athenienses — wahrscheinlich, dass Gelon durch die karthagischen Gefangenen den
Thymbrisaquädukt graben Hess.
Zu Buch III, Kap. 2 u. 3, S. 243—249. 429
S. 246. Tempel F in Selinus. Serra di F.'s Masse sind :
Larghezza compr. i gradini p. 109. 8. —
Lunghezza senza la scalea compr. i gradini » 255. 3. 2
Larghezza dalF estemo delle col » 94. — —
Lunghezza » » » » » 239. — —
Larghezza della cella » 32. 4. —
Lunghezza » » » 160. — —
Altezza dei gradini » 4. — —
Intercol » 10. 2. —
Diametro delle col » 7. 4. —
Sommo scapo di esse » 4. 10. 5
Loro altezza compr. 11 capitello » 35. 9. —
Altezza del capit. coFcollarino » 3. 5. —
Lato deir abaco » 9. 2. 7
Sporto del capitello » 2. 2. 1
Altezza della trabeazione » 18. 3. —
Architrave » 6. — —
Fregio » 5. 9. —
Cornice (hierin eine sima von p. 3, ohne sie p. 3, 6; . . » 6. 6. —
Sporto della cornice » 3. 2. —
Larghezza de' triglifi » 3. 10. 9
Larghezza delle metope • . . » 4. 8. —
Die äusseren Säulen haben 20 Kanäle; die des Pronaos und Posticum 18. Nach Beul^ 98
sind hier alle Stufen ringsum so niedrig, dass man bequem hinaufsteigt. Ders. 101 über
ionische Canelüren an den dorischen Säulen des Porticus vor der cella. — Der Gefallene
für Enkelados erklärt von GOttling, Ges. Abh. U, S. 101.
S. 248. lieber die Phäakischen Wasserleitungen vgl. Bart. lU, 411. 12.
Diod. XI, 25 sagt : ovroi (die Gefangenen) jLih rovs U&ovg htfivov, i^ äv xal nQog
rag tujv vdäriov rtov ix rifg nölitog ixQong vnavofxoi xaTe(rx€v«a^oav rrilixovtoi ro
fifyf&og Sar€ a^io^iettw tlvai t6 xara^xtvaa/Lia, xatniQ 6ta r^v kiniXiutv xatatfQovov^
fievoy, intaratrig <f^ yeyofiCvog rovttoy rüv t^gytov 6 ^Qogayo^evo/uieyog *Pa(aS ^la rrjv So^uv
rov xaraaxivdafiajos Inoiriafv arp* invrov xirf^fvai lovg vnovo/iovg (fataxag. Das System
dieser Abzugskanäle ist noch nicht genau nachgewiesen. Dann spricht Diodor von der
xoXvjußrfO-Qtt und sagt ilg ^i tavtriv inayo/Li^vwv norafiitov xai XQipfaitov vddxtov — dies
wären die von Schubring nachgewiesenen Wasserleitungen, über die jetzt die besten Auf-
schlüsse giebt Schubring's Akragas.
Drittes Kapitel.
S. 249. Die Regierung des Thrasybulos nach Diod. XI, 67. 68. Ar. Pol. V, 8^
] 9. — Curtius G G II, 455 erwähnt bei dieser Grelegenheit die Syrakusanischen Münzen
mit dem Kopf des Zeus Eleutherios auf der einen und einem Rosse auf der anderen Seite;
dies darf nicht so verstanden werden, als ob diese Münzen aus dieser Zeit stammten ; sie
gehören vielmehr der Zeit Timoleon's an. Grote III, 181 ist der Meinung, dass Diodor
sich irrt, wenn er auch Achradina als im Besitze des Thrasybulos "befindlich nennt, und
die Vorstädte , besonders Tyche (Diod. XI, 68 hdschriftl. Vtuxt; ; Dind. neueste Ausg.
Tvxri\ gewöhnl. Tvxn, vgl. Cic. Verr. IV, 53, wo Ahrens, Dial. dor. p. 64 einen Irrthum
Cicero's vermuthet und mit Beziehung auf Thuk. VI, 98 annimmt , dass der Name Tvxii
dorisch für Zvxri gewesen sei] zum Sitze der Empörer macht. Er glaubt , Thrasybulos
habe nur Ortygia gehabt, das aufständische Volk dagegen Achradina. Ich bemerke hier-
gegen , dass der Aufstand in diesem Falle schon zu Anfang eine Kraft gehabt haben
430 Anhang II. Belege und Erläuterangen.
müsste, die nicht wahrscheinlich ist. Thrasybnlos wird sicherKch auch in Achradina
von Soldaten besetzte feste Punkte gehabt haben ; sollten diese gleich zu Anfang ver-
loren gegangen sein? In diesem Falle scheint mir Diodor, dessen Autorität an sich nicht
gross ist, doch nur Wahrscheinliches zu berichten.
S. 251. Ar. Pol. y, 2, 11 spricht über die Unruhen, welche dadurch in Syrakus ent-
standen , dass man anfangs nach der Vertreibung der Tyrannen die SOldner noch als
Vollbürger Hess. Diese Bemerkung des Ar., von der Grote III, 183, n. 68 das Gegentheil
für richtig erklärt , kann allerdings nur so gerechtfertigt werden , dass man annimmt,
Ar. wolle damit tadeln, dass man diese Leute nicht gleich im ersten Augenblicke
vertrieb.
S. 251. Folgen der Befreiung der Städte Diod. XI, 72. Wenn daselbst zu
Anfang richtig ist, naadSv ttjv noXeotv rjXev^iQtufiivofv , so kann 76 : 'Ptjyivot fierd Zay-
xl«(a}v Toifg *j4va^(Xov italdag ixßalovreg f})^v&^Q<oaav rag jrttjgi&ag nur eine Recapitu-
lation sein. — Sodann vergisst Diodor c. 76 die Uebergabe der Stadt durch die Söld-
ner zu erwähnen, wenn nicht nach ftväv ixdartp Etwas ausgefallen ist. Diod. XI, 72. 73.
76 erzählt die Unruhen in Syrakus und die Empörung der Söldner.
S. 253. Pind. Ol. IV und V. Die Zeitbestimmung nach den Schol. Vgl. Boeckh,
Expl. p. 141 und Schol. p. 121. Vgl. Schmidt 382—98, der V für nicht pindarisch hält.
S. 253. Parallelismus der Münzen von Gela und Ramarina. l.Flussgott,
K. Gespann. Mionn. Suppl. I, No. 122 (Kam.), No. 214 (Gela). 2. Flussgott R. Frau auf
Schwan oder Protome. Mi S 1 30 (Kam.) , 210 (Gela . 3. Frauenkopf, R Schwan oder Protome.
Mi S 131 und 196. 4. Herakleskopf Mi S 121 und 213. — Die Pallas auf der Münze von
Kamarina bei Mi I, No. 112 erinnert an Pindar (Ol. V). —Parallelismus zwischen
Leontini und Katana Mi I, 147 und 317; Mi S. 156 u. Mil, 318.
Tiertes Kapitel.
S. 255. H. Muess, de Syracnsanorum renun statu qualis fuit Thrasybulo mortao
osque ad Ducetii interitum. Jen. 1867. 8. -- Ueber Korax' polidscbe Rolle unterrichtet
uns die ütaytuyii axiJUtov iU ror irQokBYofiiv« r^c '"EQfioyivovg 'PriroQixpg c. 5. 6 in Walz,
Rhett. Gr. IV. (Reiske OG VIII, 195 ff.) Hier beginnt die Geschichte der Rhetorik mit
einer Erzählung der sicilischen Begebenheiten von Hippokrates bis Hieron. Dem Hipp.
naQadvyaarfvovat dvo riv^g FiXfav xai ^Evaiatfiog d. h. Alvriat^tiuog. Nach dem Tode des
Hippokrates fm^VfitiOav ovxoi rijg rvQavvlSog, xul 6 fikv *Evaiatuog HQXCrai dg ritv *P66w
xttx€i jvQavvii rtüy l8Cmv noXirüv ^ t/v ya(f'P6äiog; Gelon aber herrschte in Gela, später
in Syrakus. Ihm folgt Hieron, sein Bruder, oder nach Andern sein Sohn. naQf^uvdarevae
0* Tovrtp KoQa^ Ttg, ovrog 6 KoQn^, oTtiQ ar fßovXsro Traget Ttß ßaatl^t, fjLiynkoig rjxovsro.
Da nun die Tyrannei Hieron's so schlimm gewesen war, dass die Syrakusaner sich nur
durch Zeichen hatten verständigen dürfen, so wurde nach seinem Tode Demokratie ein-
geführt, xftl ijd-eXfv ovTog 6 Koqu^ nei&itv xal rov o^lov xal axovfod-ai xad-dniQ xal inl
joS ^UQiovog fjxovfTo. Deshalb bildet er die Redekunst aus. — Cic. Brut. 12 : Itaque, alt
Aristoteles, cum sublatis in Sicilia tyrannis, res privatae longo intervallo judioiis repete-
rentur, tum primum — artem et praeceptaCoracem etTisiam conscripsisse. Was Westerm.
Gresch. d. Bereds. in Gr. und Rom I, S. 26 von Korax berichtet, dass er durch Kabale
gestürzt sei, beruht auf Missverständniss der Worte ov q>&6r(p xQarovfievog in den ge-
nannten Schol. Prol. Herm. c. 6, die nur besagen, dass K. sich herbeiliess , Andere seine
Kunst zu lehren. Es ist also nicht mit W. ov zu streichen. Lor. Epich. S. 95, n. 12 legt
übrigens wenig Gewicht auf die Nachrichten jener Schol. — Ueber Tw^agldtig oder
TvvöttQdov Diod. XI , 86. 87 wo beide Formen stehen. — Ueber den ntraXtafiog Diod.
XI, 86.
S. 256. Ueber die Kriege der Syrakusaner mit den Tyrrhenem Diod. XI, 88. XifArv
Zu Bach III, Kap. 3 u. 4, S. 251 -.258. 43 1
^u^axdaiag Diod. V, 13. In Betreff der Chronologie ist zu bemerken , däss die Zeit der
Abschaffung des Petalismos sich aus Diödor nicht genau nachweisen ISsst ; das Jahr, in
welchem er davon spricht, Ol, 81, 3 scheint das der Einführung zu sein. Volquardsen,
Unters, über die Quellen Diodor's S. 72 sagt unter Ol. 81, 3 : Einführung und Abschaffung
des Petalismos. Nichts berechtigt uns das ra^v Diodor's (XI, 87}. entgegen der natür-
lichen Voranssetzung, dass solche politische Experimente nicht in einem Jahre gerichtet
w^den, auf eine so kurze Frist zu deuten. — Ueberdies setzt Volq. auch noch, Diodor
folgend, Aufstand und Sturz des Tynd. in dasselbe Jahr. Nach demselben heisst oh bei
Diod. nleavdxig tovtov yevofiivov, also auch in dems. Jahr! Das ist natürlich unmöglich.
Auch die Expeditionen des Phayllos und des Apelles Etilen schwerlich in dasselbe Jahr,
wie es nach Diodor's Erzählung scheint. Mit neuen Rüstungen wird einige Zeit ver-
gangen sein. Diodor hat offenbar auch hier wieder an den Schluss das Vorhergehende
angeknüpft ; und wenn der Zug des Apelles, was anzunehmen ist, in das von Diodor an-
gegebene Jahr 453 flUlt, so wird der des Phayllos vielleicht ein Jahr vorher, vielleicht
noch früher, gewesen sein.
S. 256. Von den Akragantinern: Ko^tadfiivot, xi^v Stifionquxiuv Diod. XI, 53;
dase diese Demokratie unvollkommen war, zeigt die Geschichte des Empedokles. —
Von Emp. sagt LD VIII, 66 ro nSv ;^iA/wv ad-QOifSfjta xarikva^ owiarmg inl i'rrf tq^«,
was kaum etwas Anderes bedeuten kann, als einen Bath , dessen Mitglieder auf 3 Jahre
gewählt waren. Rath der Tausend auch in Kolophon (Theopomp fr. 129], Eroton (Yal.
Max. Vm, 15), Lokri (Pol. XII, 16), Rhegion (Herakl. Pont. fr. 25). — Neanthes aus
Kyzikos sag^ bei LD VIII, 72 : Mirapvog TflturijaavTog rvqavpiSog «QX^^ vnoifvar&m.^'
Die Crescfaiehte von der Entdeckung der Verschwörung durch Empedokles bei LD VIII,
64. Wenn übrigens Emp. Bicht andere Anzeichen einer Verschwörung bemerkte , als die
in der Greschichte bei LD durch Timaios Überlieferten, so ist sein Scharfsinn wirklich
der eines Zauberers gewesen. Denn der Gastgeber wartet die Ankunft des inrrjQirijs rijg
ßovXijs ab, um das Mahl zu beginnen, dieser wird avfjmoela^x^g und befiehlt ^ nhnv {
xarax^iaD-tti tr^g xetfai^g, worauf Timaios /ortfahrt rote fiiv ovv i*Efin. ^atj^affs , am
folgenden Tage aber führte er t6v re xAif ro^rr xal thr avfjmoaim^x^ vor Gericht und be-
wirkte ihre Verurtheilung. — Anerbieten der Eönigswürde Arist. bei LD VIII, 63.
S. 257. Krieg zwischen Segesta und Lilybaion Diod. XI, 86. Das Richtige hat hier
wohl Scfaubring gesehen, der (Selinus S. 24) stAtt ^Eyeetaioig lesen will ^^eXAvovyrioig,
Ailvßa(ois ist dann unpassend gesetzter Name für Motye. Sonst wollte man statt Ail.
vielmehr StktvowtCoiq lesen ; aber das Mazaragebiet war eher zwischen Selinus und
Motye als zwischen Selinus und Segesta streitig.
S. 257. Krieg zwischen Akragas und Motye nach Paus. V, 25, 2. Vgl. Brunn, Gesch.
d. gr. K. I, 125, der die Vermuthung Meyer's anführt, dass der Sieg der Akragantiner
gleichzeitig mit der Schlacht bei Himera gewesen sei. — lieber die Münzen W. S. W.
Vaux, On a coin bearing a Phoenician legend and referring to an alliance between Motya
and Agrigentum, in Numism. Chronicle XXII. 1866, S. 128—33. London. 8. Es ist ein
von der National Collection mit £ 80 bezahltes Tetradrachmon acht akragantinischen
Crepräges mit stehendem Adler , Umschrift Motye in phönicischen Lettern einerseits und
dem Seekrebs andererseits.
S. 258. lieber Duketios Diod. XI, 76. 88 ff. Vgl. C. Tamburino Merlini, Memor.
sopra Ducezio. Pal. 1840. 8. Ders. Le antiche Mene. Pal. 1841. 8. (spricht auch über
Eryke und Trinakia, das er ebenfalls nahe bei Mineo , etwa in Camuti sucht), femer E.
Sinatra, La Trinaeia in Echetla. Pal. 1841. 8. Merlini, Osservaz. su la Trin. in Ech.
Pal. 1841. 8. und Ders. Risposta per le stampe ad un libricoino che ha per titolo Ducezio
difeso etc. Pal. 1843. 8. — Von den ßtafioi auf dem Markte von Syrakus spricht Schubring,
Achradina, Rhein. Mus. 1865. S. 36. 37 ; femer Diod. XII, 8 u. 29. Heber Kalakte-Caronia
s. D. 2G9. — Die Chronologie der Geschichte des Duketios ist wiederum durch die
432 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
Schuld des Diodor nicht ganz sicher. XI, 91 erzählt er unter Ol. 82, 2—451 y. Chr. den
Angriff des Duketios auf Motyon und die Fortsetzung des Krieges tov d-^(fovs agxofiivov.
£s schiene darnach die Katastrophe in Ol. 82, 3—450 y. Chr. zu fallen. Aber da Diodor
sonst den Schluss einer Reihenfolge yon Begebenheiten datirt, so dürfen Mir auch hier,
trotz der Worte inl cf^ ruvTuy (XI, 91} den Sturz des D. in das Jahr 451 setzen, wo dann
der Angriff auf Motyon 452 fiele. Aehnlich steht es mit der Gründung yon Kaiakte und
der Schlacht am Himera. Nur die letztere ist datirt : Ol. 83, 3—446 y. Chr. [Diod. XII,
8 . ; wann die Rückkehr des Duketios und die Gründung yon K. Statt fand , ist nicht zu
entscheiden.
S. 261. Von den Rüstungen der Syrakusaner Diod. XII, 30.— Br. de Pr. 99 und 164
schliesst ausSchol. Find. Ol, V, 16 eine Verwüstung Kamarina's in der 85. Ol. Die Worte
lauten : tha h t?j m' 'OA., t^7 fura^v X9^^V ^^^ ^^ ivCxriatv 6 H^avfits, avoKUC^Toi,
Offenbar gehört die Zeitbestimmung zu avaxT^CiTtti , was, wie Boeckh bemerkt, einen
unpassenden Sinn giebt. £s ist am ein&chsten , statt nt' das richtige o^' zu setzen,
während, wenn man mit Br. de Pr. tha auf das yorhergehende no^i^tlxat, bezieht, neue
Veränderungen nöthig werden.
S. 262. Die angeführten Münzen findet man: Henna Leake S. 55. Abakainon Mi
I, S. 208, No. 2—4. Morgantion Mi I, 260, No. 429. Galaria Leake NH Sic. p. 56 (of
archaic style; Mz. des Brit. Mus.). Aetna Mi I, 209, No. 9 und Leake Sic. p. 51. Sergen-
tium Coli, de Luynes Insch. MEA , ygl. Rasche III, 2, p. 8 und Sestini lett. VII, p. 7. —
Das Beharren des alterthümlichen Charakters des Frauenkopfes der segestanischen
Münzen zeigt sich beim Vergleich mit dem Hunde , der später schon ganz natürlich ge-
bildet wird. Ueber segestanische Münzen auch G. Fraccia, Preyentiya sposizione di taluni
monumenti Segestani inediti. Pal. 1861. 4. Mit 2 Tafeln Münzen. ^ £ntella Mi I, 234,
No. 214. £iyx Mi I, 235, No. 220—23. — Ueber Motye, die angef. Schrift yon Vaux.
Hier (ygl. auch Leake Sic. p. 65) macht man die wichtige Bemerkung, dass eine der von
Salinas in 8. oben angef. Lettre 4 M. Ugdulena Himera wegen der Typen und der In-
schrift AJA zugewiesenen Münze ganz ähnliche (Adler auf ionischem Kapital statt des
Adlers, der einen Hasen zerreisst) nur mit MOTYAION statt des phönicischen AJA ver-
sehene Münze , durch ihren Fundort (im Munde eines Skeletts in Ithaka) sich als völlig
acht und somit den Typus : Adler, R. Delphin als motyenisch erweist. Dies ist bei den
späteren Erörterungen über die Bedeutung der Inschrift AJAnicht zu übersehen, die nach
meiner Ansicht »Insel« bezeichnend, entweder auf Motye oder auf die Insel Sicilien über-
haupt geht. — Panormos Mi Suppl. No. 433. 435.
Fünftes Kapitel.
S. 263. ^EfinedoxX^s. Die Ueberreste s. Werke wurden zuerst zusammengestellt
von H. Stephanus in s. Poesis philosophica. Par. 1573. Später von F. G. Sturz, Empe-
docles Agrigentinus. II voll. Lps. 1&05. 4. Nachträge von A. Peyron, £mpedocl. etParme-
nidis fragmm. Lps. 1810. 8. Sodann mit ausführlicher Entwickelung der Lehre von S.
Karsten, £mp. Agrig. carm. reliqq. etc. Amst. 1838. 8. Femer H. Stein, £mp. fragmm.
dispos. etc. Bonn. 1852. 8. £ndlich in MuUach^s fragmm. philos. Gr. I. Paris, Didot
1860. 8. (wonach ich citire). — Von den Schriften über ihn nenne ich Lommatzsch, Die
Weisheit des £mp. Berl. 1S30. 8.; die treffliche, von mir viel benutzte Arbeit von Stein-
hart in der £nc. von £rsch und Gruber I, 34, S. 83 — 105; A. Ghidisch, £mp. und die
Aegypter. Lpz. 1858. 8. ; H. Winnefeld, Die Philos. des £mp. Donauesch. 1862. 8. ; end-
lich als Arbeit eines Sicilianers D. Scina , Memorie sulla vita e filosofia d'£mp. U voll.
Pal. 1813. 8. Vgl. endlich die Werke über Geschichte der Philos. von Ritter, Zeller
u. s. w. — Hauptquelle über das Leben des £mp. ist der viele Schriftsteller citirende
Aufsatz des Laert. Diog. VIII, 51—77. Zeit des £mp. Nach Ar. Met. I, 3 war Anaxa-
Zu Buch m, Kap. 4 u. 5, S. 261—263. 433
gorfis 8. älterer Zeitgenosse; er selbst blühte nach LD 74 um die 84. Ol. Wenn er wirk-
lich nach LD 52 in den Reihen des syrakusan. Heeres gegen die Athener gekämpft hat,
80 muss er dies in höherem Alter gethan haben. — Seines Vaters Namen Archinomos
und Exainetos (LD 53) beruhen auf Missverständnissen. Von seinem Grossvater LD 51;
Ath. I, 3. — £mp. in Verbindung mit anderen Philosophen LD 55. 56 ; seine Verbindung
mit Telauges nach Hippobotos bei LD 43 ; doch hat dies chronologische Bedenken ; s.
Karsten 52. Ueber seine Ausstossung aus dem Pythagoreischen Bunde wegen XoyoxXont{a
TimaioB und Neanthes bei LD 54 n. 55. Seine grossen Reisen erwähnt von Plin. XXX, 9.
Mildthätigkeit des £mp. LD 70. Sein Selbstlob v. 400 (Mull.), wo er sich ^m
afißQoxog, ovx^ti &vrix6g nennt. Sein Aufzug ebendas. Von seinen ehernen Sohlen Fa-
vorinns bei LD 73 ; Suid. [cifAvulng xo^hi«g)\ Ael. VH XII, 32 n. sonst. Ueber die änvovs
LD 61. 67. 69. Verhinderung eines Mordes durch Musik JambL vit. Pyth. 113 (Einwir-
wirkung der Musik auf das Gemttthsleben Pythagoreische Lehre) . Ueber seine Wind-
beschwörung Tim. (fr. 94) bei LD 60 und dazu MUUer ; sowie Plut. de curios. 1 (Hutt. X)
und ady. Colot. 32 (Hutt. XIV). £mp. als Wohlthäter von Selinus nach Diodor von
Ephesos bei LD 70. G^ttl. Ges. Abh. II, S. 92 meint, dass Emp. den Hypsas in den Se-
linus geleitet habe , wobei er den Text des LD nicht ganz richtig erklärt. Schubring
meint dagegen (Selinus, S. 16—18), dass die sumpfige Gegend zwischen den beiden
Stadtplateau's durch Hineinleitung von Quellwasser gereinigt sei, bei welcher Gelegenheit
man dann auch den Hafen gemacht habe. Reing. S7 hatte sich vorgestellt , dass Selinus
und Hypsas in diese Niedemng geleitet worden seien. Ueber die Münzen vgl. bes. 0.
Müller, Mddailles de S^linunte in den Annal. 1835, S. 265-69, und R. Rochette in s.
Observations sur le type des monnaies de Caulonia etc. in den M^moires de l'Acad. des
Inscript. et Belles-Lettres. T. XIV. Par. 1840. 4. p. 223-28, nebst PI. III, No. 20. —
Den Irrthum, dass Emp. selbst auf diesen Münzen dargestellt sei, hat besonders Eckhel
DN I, 1, 239 beseitigt. — E.in Thurii LD 52. E. besucht die Olympischen Spiele LD 66.
Tim. (fr. 98) bei LD 72 sagt: lo avvoXov ovx in((vr;X^fv. Ueber sein Alter Ar. bei LD
52. Ueber s. Tod Hippobotos bei LD 69 und Diodor von Eph. 1. 1. (Sturz in den Krater.
Tod durch Erhängen Demetr. von Troezen bei LD 74 ; durch Beinbruch Favorinus bei
LD 73 ; durch Ertrinken LD 74. Grab in Megara nach Favor. bei LD 73—75, wogegen
Tim. (fr. 98) bei LD 72 sagt : rov jdffov avjov /uij ifttfrta&ai,-^ Bildsäule LD 72.— Sein
Hauptwerk bezeichnet als tkqI (fvatwg LD 77. Den Titel Physiologische Hymnen citirt
Steinhart aus Menand. V, 39. Eintheilung in 3 Bücher nach Suidas. Ueber die Verszahl LD
77. Titel: xn^ac^oi und ;ioyo^fflcT^/xo; ebendas. Andere Gedichte LD 57. Das Epigramm
auf Akren (LD 65) lautet: ^j4xqov trjTQOv l4x(fwy *u4xQuyavrhov nuxqhs aXQOv KQvnitt
XQTjfivog uXQOs Ttaxotöog axQoxdxrig, der Pentam. nach Andern : äxgoXKXrig xogvif rjg X{^i}fji~
vog tfxQog xui^x^t. Die angeblichen Tragödien LD 58 und Suidas s. v. *Efjin. Ueber s.
Stil Ar. bei LD 57, wo er /utxtttfOQixog und 'O/urjQtxog heisst ; poet. 1, wo nur das Metrum
als gleich bei Homer und Emp. bezeichnet wird. Die kühnen Wendungen bemerkt von
Plut. Symp. V, 8 ; Dion. Hai. urtheilt über ihn de comp. verb. 22 ; Zenon über ihn nach
Suid. s. V. Zijiöiv. Lucretius' Lobrede auf Emp. I, 717 ff., wo er 734 vix humana slirpe
creatus genannt wird. Ar. Met. I, 3 sagt iifiXX/C^xai Xfywv *E(i7i. — Grundsatz v.
98ff. : qvaig ovSfVog iattv anavitov Gt'Tjrwv, ovi54 iig ovXofAivov ^avmoto xiXevxfj *j4XXii
fiovov fit^tg xe diuXXn^tg x( fxiyivitav. E. der Urheber der Lehre von den 4 Elementen
nach Ar. Met. I, 3. Die mythischen Namen derselben v. 160: Zivg »Qyfig*'liQri xe tf^yia-
ßioQ ri6* l^iJ<ov€vg Ntjaxtg ^ . — Atome von Emp. angenommen nach Plut. plac. phil,
I, 13, 17; Gal. bist. phil. 10 ; Stob. Ecl. I, 52. — Hass und Liebe. Jener vitxog (v. SO),
xoxog (V. 126), *'jiqrig (v. 417); diese yiAori?« (V. 81), oxooyt) (v. 380), agfiotCrj (v. 175),
*A(fQoBixri (V. 85); KinvQig (v. 282) . — Nothwendigkeit : V. 1 : "JEaxtv urtiyxr^g Xi^fif^«' V.91:
iv fi^Qit ttfarjg. Zufall : V. 271 : Tjfcff fih ovy ioxrjxi xv^rig TrtffQorrjxtv uTtKvxa. Winnefeld
bemüht sich S.19, den Zufall als Gegensatz der Nothwendigkeit bei Emp. nachzuweisen,
Holm, Geseh. Sicilieus. I. 28
434 Anhang II. Belege und Erlänterungen.
kann aber selbst keinen bestimmten Plats für ihn in dem System finden. — ^goi nahm
Emp. an nach Ar. de gen. et corr. I, 8. y. 337 : yiftS&\ oti navxvtv italv ano^^al ca&
iyivwto. — iH^ai^s Y. 176. v. 167 heisst es von ihm , dass er ndvto&ev lao^ Upv xaX
ndfinav antlQmv. — Wirbel, Stellung von Liebe und Hass v. 163; vgl. v. 197. Fort-
währender Uebergang aus Einem zum Vielen, und umgekehrt, v. 154. ^ Die gewöhn-
liche Ajusicht vom Sphairos des Emp. ist, dass er nur die ursprüngliche Einheit der Ele-
mente darstelle und zu der jetzigen Welt im Gegensatze stehe, die sich durch die Ver-
nichtung des Sphairos gebildet habe. Ich kann diese Ansicht nicht theilen. Emp. be-
trachtet den Sphairos als das AllumfsMende, als Gott, in dessen Schosse durch Hass
und Liebe Veränderungen der Mischung vorgehen, ohne dass er selbst aufhört zu existir^.
V. 170 atpaiQw irjy, ein unvollständig überlieferter Vers, kann nicht beweisen, dass der
atp, jetzt nicht mehr existirt. Dass im Sphairos schon Mischung sei, wird nicht bestrit-
ten (Zelier S. 186) ; durch; eine Veränderung derselben werden (v. 180] die Glieder des
Gottes erschüttert, seine Existenz aber nicht in Frage gestellt. «— Die Beweisstellen für
die einzelnen Lehren des E.> d(ie hier doch nur unvollständig gegeben werden könnten,
s. bei Steinhart. — Dämonen v. 18 ff. Flut, de tranq. an. 15 (Hutt. X). Die Bemer-
kung Plutarch's scheint von Steinh. 103 und Winnef. 51 missverstanden au sein, wenig-
stens können deren Worte die Meinung erregen, als hätte nach Plutarch jeder Mensch
zwei besondere Genien , während die Gonienpaare auch nach ihm für alle Menschen die-
selben sind. — Seelenwanderung v. 1 ff., v. 457 ff. Der höchste Gott v. 389-96.-
Die Liebe das Gute, der Hass das Böse nach Ar. Met. I, 3. — Schilderung des seligen
Zustandes v. 417 ff. Allgemeines Sittengesets v. 437—39. Warnung vor Mord v. 440 ff.
Verbot der Bohnen und des Lorbeers v. 450. 51. Klage über sein Loos v. 15 ff. Preis
seiner Kräfte v. 462 ff. — Ueber das Studium des E. durch die Araber vgl. Amari, St d.
Mus. di Sic. II, 100, n. 2. — Zu der dritten Hauptschule der Medicin (Galen. Therapeut.
I. T. IV, p. 35 ed. Bas.) neben der koischen und knidischen, der italischen, gehörte
vor Allen Empedokles. Auch der dahin gehörige Philistion war nach LD VIII, 86. 89
aus Siciilen. Plin. H. N. XXIX, 5 alia factio (ab experimentis cognominant Empiricen)
coepit in Sicilia, Acrone Agragantino Empedoclis physici auctoritate commendate. —
Ueber Akron Suidas s. v. "u^xqw; LD VIII, 65. Er suchte in Athen durch Anzünden
von Feuern gegen die Pest zu wirken Plut. de Is. et Ol. 80. — Des Emp. Epigramm auf
Pausanias v. 473 — 76. —Emp. heisst (Aavm LD 61. yot^s Suid. s. v. anpov^, unlvoavifiag
Suid. s. V. *£/i7r. Nach Phüostr. vit Apoll. VIU, 7, 8 vtifilti^ Max^ (po^av ix Itfx^a-
yavTivovg ^ayeünig. Bericht des Goigias von der Zauberei des Empedokles Satyros bei
LD 59. — Emp. Urheber der Theorie der Zauberei Plut. de def. or. 15. 16. 17. 20, wo
die lUayofji^vot. vno ^Efxit, Jaifjiovtg erwähnt werden. Plotin. Ennead. IV, 4, 40 sagt :
r, dkriS-ivri fitcyeia ^ iv Tip navtl ffiUa xal xo relxoe av. Man Vgl. über Emp. als Zauberer
besonders Gladisch 129 ff. Desselben gesammte , oben citirte Schrift ist über die Be-
ziehungen des Emp. zu Aegypten zu vergleichen« Eselsopfer dem Typhon von den Ae-
gyptem dargebracht Glad. 87. Anerkennung hat Gladisch bereits in dem Artikel über
Aegypten in Pauly's BE I, 1, 316 gefunden.
S. 277. Ursprung der Sicilischen Hhetorik. Vgl. A. Westermann, Gesch.
d. Beredsamkeit in Gr. u. Bom, I. Lpz. 1833, §. 27 ff. F. Blass, die Attische Beredsam-
keit von Gorgias bis zu Lysias. Lpz. 1868. 8. Die Stellen aus Gic. Brut. 12 und Schol.
ad Prol. Hermocr. e. 5 ff. sind oben S. 430 citirt. Der Letzteren vollkommen entsprechend
ist der Bericht von Doxopater in Walz, Ehet. VI, p. 11—14. Schon Find. Pyth. I, 40
sind die Sicilier als 9r£^fyi,ft)aaoe bezeichnet. — Korax und Tisias zusammen genannt
von Cic. de or. I, 20. Vgl. Quintil. II, 17, 7 ; III, 1, 8. Koqoxos x^x^n bei Ar. Bhet. 11,
24. Nach Schol. Herrn. 1. 1. sind die von Korax erfundenen fünf Theile einer gerichtlichen
Volksrede : nQoolfAtov {uaTdaxaais), ^n^ytiaiCf dytaveg, naQ^xfiaaig, kniloyog. Die Bede-
kunst besteht besonders in der Hervorhebung des tixog, des Glaublichen Ar. Eh. II,
Zu Baeh III, Kap. 5, S. 277-- 2S1. 435
p. 117 Sp. — UeberTiBias Arist Boph. elench. 34, 5. Sein Beohtsstreit mit Korax
wegen des Lehi^tdee Sext. £mp. adv. Math. II, 96 ff. SohoL HenuQg. 1. L und Bonst.
»Andere, wie QeH. N. A. Y, 10; LD IX, 56; Appul. Flor. p. 360 £lm. erztthlen dieselbe
Anekdote etwas verSndert von Protagoras und EoathluB. Vgl. Plat. Phaedr. p. 272.<r
West. p. 38. — Sein Bedenschretben in Syrakus Paus. VI, 17, 8. — In Tliurii
(Lysias) Rut. dec. or. Lysias. Snid. s. v. Ttaiat. Daneben noch ein syrakusanischer
Rhetor Nikias genannt, von dens. *— Tisias naeh Athen Paus. 1. 1. Man hat gemeint,
die SyrakuBaner hätten ihn geschickt, am dem Leontiner Gorgias die Wage zu halten. —
Lehrer des Isokrates naeh Dion. Hai. Is. 1, weswegen Blass 21 ihn et^a 418 v. Ohr. in
Athen sein Ufiest ; geboren mOsste er um 480 sein. ^ Von Tisias tix*'i mit ähnlicher
Lehre wie die des Korax Spengel, Zwiaytyi^ p. 39. — Unpassend hat man die in Aristo-
teles' Werken befindliche Bhet. ad Alexandrum fUr die des Korax gehalten ; vgl. Westerm.
8. 141. Auf diese Annahme fnsst jedoch A. Gallo in seinem Saggio storico-critico bu
€orace e Tisia in N. Paimeri's Somma della storia di Sic. P. 446 — 54 der Ausg. Pal.
1850. — Empedokles als Erfinder der Bedekunst LD VIII, 57 u. S. £mp. adv. Math,
p. 370. Quint. III, 1 , 8 movisse aliqua circa rhetoricam Empedodes dicitur.
3. 281 . roqyta s, Ueber ihn schrieb nach Ath, XI, 505 Hermippos (dies also hinsuza-
ftgenobenS.314). yg}.femerPhilo8tr.yit.Soph.I,9. Suid.h.v.Eudokiap. looff. Villois.
A. I. ~ Von Neueren bes. H. £. Foss, De Gorgia Leontino. Hai. 1828. 8. , sowie Baumstark in
Pauly B£ III, 906— 13, der L. Garofalo, Discorsi ifttotno a Gorgia Leontino. Pal. 1831. 8
citirt; Frei, Beitr. z. griech. Sophtstik Bh. Mns. 1830, S. 527 ff. u. 1853, S. 268 ff. ; N.
Wecklein, Die Sophistik und die Sophisten nach den Angaben Piato's. Wzbg. 1865. 8.
bes. S. 52—72 nebst Bec. von Susemihl in Neue Jahrb. 1868. Heft 8, S. 513 ff. M. Schanz,
Beitr. zur vorsokrat. Philos. aus Plato. G(5tt. 1867. 8. und Blass, S.44— 79.— Lebens-
zeit des G. Plin. XXXIII, 83 setzt seine Blüte in Ol. 70, was offenbar falsch ist;
Porphyr, bei Suid. in Ol. 80. Nach Quint. III, 1, 9 überlebte G. den Sokrates. Hierzu
passt Xen. An. II, 6, 16, wonach Crorgias den Proxenos nicht lange vor seinem Zuge mit
Kyros unterrichtete. Nach Paus. VI, 17, 9 hätte ihn lason von Pherae hochgeschätzt,
der um 380 Herrscher von Pherae wurde. Nun soll er 105—109 Jahre alt geworden sein:
105 nach Paus. 1. 1. ; 107 nach Gic. de sen. 5; lOS naeh PHn. VII, 156; Censor. de d. n.
15; Luc. macr. 23 u. A. ; 109 nach Quint. 1. 1. Suid. Bei Ath. XII, 548 bezeichnet er
sich selbst als nlt(to rtSv ixarov ßitoaavta. Nehmen wir 108 J. als seine Lebenszeit, 3^0
als sein Todesjahr, so hätte er von 48S— SSO v. Chr. Ol. 73, 1—100, 1 gelebt. Vgl. Clinton,
Fasti HeU. ed. Krüger, p. 69 und 38S ; Blass 45. •— Name s. Vaters Ka^fxavt(&«g nach
Paus. 1. 1. XaQfji. nach Suid., s. Schwagers Deikrates Paus. 1. 1., s. Bruders Herodikos
Plat. Gorg. 448. >- Sein Lehrer Tisias nach Schol. Prol. Herrn. 6 (vgl. jedoch Blass 46),
Empedokles nach Sat. bei LD VIII, 5S ; Suid. Quint. 1. 1. Protagoras und Hippias (der in
ganz Sicilien 1 50, in Inykon allein über 20 Minen verdient) in Sioilien Plat. Hipp, maj . 282. —
Gorgias Gesandter nach Athen Diod. XII, 53 ; dass er nach Leontini zurückkehrte
ebendas. Nach Plut. de Socr. daem. 13 (Hntt. X) meldete er i* rtis 'EXXa^og avanXitav
aU ^ixiUav, AvalSt auyytyovivai dtttjQtßovri thqI ^i^ßeis» — Sein Aufenthalt in Thessalien
Philostr. ep. ad Jul. p.9l9. Larissa, Aristippos: Plat. Menon init. Arist. Pol. III, 1, 9. —
Ueber seinen Gelderwerb Diod. 1. 1. Suid. Plat. Hipp. maj. 2S2. Plin. 1. 1. Ath. III, 1 13 ;
Ael. VHXII, 32. — Die Geschichte von Chairephon Philostr. vit. Soph. prooem. p.
483. ~ G. und Piaton nach Hermippos b. Ath. XI, 505. -^ Anekdoten aus seinem Alter
Val. Max. VIII, 13, 8; Luc. macr. 23; Klearchos bei Ath. XII, 548; Eust. Hom. Od. p.
1413 ed. Born. Ael. VH II, 35. Bildsäulen des G. : In Delphi Cic. de or. UI, 32; Via. Max.
Vni, 15, 14 (nach ihm ab universa Graecia gesetzt) ; Hermipp. bei Ath. XI, 505; PI.
XXXin, 83; Paus. X, IS, 7 (von ihm selbst). Letzterer nennt sie inixovaos; die anderen
j^^vaf, aurea. Boeckh bei SUvem, Ueber die Vögel des Aristoph. S. 27 setzt auseinander,
dass, wenn die Bildsäule atpvQi^laros war , beide Ausdrücke passen. In Olympia Paus.
28*
436 Anhang II. Belege und £rlliaterungen.
VI, 17, 7. Auf einer Münze aus Bronze bei Mi I, S. 249 (bekränzter Apollokopf Rev.
Schwan) findet sich die Inschrift ^EO. rOPFI^j:. — G. spottet über die Tugendlehrer
Plat. Men. 95 ; nennt sich ^^ra>^ PI. Gorg. 449 ; aber nach dems. 456 umfasst die Rheto-
rik Alles. — Die hauptsächlichsten axijftata sind «vTtd^iatig^ na^iatiaeis, und nago-
/uoiioaeig, nach Ar. Rhet. III, 9. So sagt Oic. Or. 52 : paria paribus adjuncta et similiter
definita itemque contrariis relata contraria Gorgias primus invenit. — roQylov r^
fiiyaXonQ^7t€ittv xal affjivotijra xal xaXltloyfav hebt hervor Dion. Hai. Dem. 4. Poeti-
scher Ausdruck Ar. Rhet. III, 1. Anwendung von Bildern Ar. Rhet. III, 3. Neue
Wortbildung ebendas. , wo noch besonders des Gorgias Schüler Alkidamas wegen der
kühnen Zusammensetzungen angeführt .wird. In Betreff des Gebrauches fremdartiger
Worte durch Gk>rgias bemerkt Schol. Plat. Grorg. 450 A^ovtlvog ydq i,v. Den Stil dea
Gorgias behandelt Blass 57 — 64 ausführlich. — Verwahrung des G. gegen unsittliche
Anwendung der Redekunst Plat. Gorg. 456 ff. — Nach Cic. Brut. 12 hat G. singolarum
.rerum laudes vituperationesque geschrieben , weil er es oratoris maxime proprium hielt,
rem augere posse laudando , vituperandoque rursus affligere. Vorschrift des Gk>rgia8,
Scherz mit Ernst zu bekämpfen, und umgekehit Ar. Rhet. III, 18. — G. sucht Ruhm in
der Kürze des Ausdruckes Plat. Gorg. 449. — Dass G. eine.r^ri} ^>;ro^»xi7 geschrieben,
berichten ApoUod. bei LD VIU, 58 ; Cic. Brut. 12 ; Quint. III, 1, 8 ; Suid. Die Schrift
nsQi xaiQov citirtDion. Hai. de comp. verb. 12. Spengel, Artt. scrr. p. 81 läugnet die
Existenz einer r^x^rj des Gorgias gänzlich, wogegen vgl. Schanz, S. 129— 31 . Nach Blass
53 die Schrift jr£()l xaigov eine Lobrede auf denselben. — Die Schrift des G. negl qvis€mt
ri Tov (AVI ovjoSf worauf anspielt Isoer. laud. Hei. 2, ist dem Inhalt nach erhalten in der
Schrift des Aristoteles de Xenophane, Zenone et Grorgia und bei S. £mp. adv. Math. VII^
65 ff. Ueber die Bedeutung dieser mit eleatischen Mitteln operirenden Negation und den
Grund ihrer Nichtbeachtung durchPlatonund Aristoteles vgl. Snsemihl, 1. 1. S. 522 — 24. ~
Gegen das Ende heisst es: ffuivttai d'ov^ 6 avroe ai/rtp ofioia aiad-avofnvos xa^
vvp TB xal Ttfilai ^laifOQmg, — Ueber den ^OXv^intaxog Ar. Rhet. III, 14; Philostr. vit.
Soph. I, 493. 505 nebst der Anekdote Plut. praec. conj. p. 425, (Hutt. VII}. Ueber den
llv^txog Philostr. p. 493. Ueber das iyxwfnov eig ^Uhiovg Ar. Rhet. III, 14. Ueber den
iTTiidtfiog Philostr. p, 493. Das Bruchstück daraus, aus Schol. Herm. p. 412 Aid. ab-
gedruckt bei Foss p. 69 ff. — Dass G. Reden auf Achilleus und die äv^^tia geschrieben,
schliesst Foss 77 aus Ar. Rhet. III, 17 und I, 3. — G. über die Tugend Plat. Men. 71.
77; Ar. Pol. I, 5, 8j Plut. de mul. virtt. init. (Hutt. VIIIj. G. über die Freundschaft
Plut. de adul. et am. discr. 34 (Hutt. VII). — G. Beschäftigung mit der Physik Plat.
Men. 76. —Die unächten Schriften : anojjoyla IIuXufÄqJovs und fyxtufiiov *EX^vijg worüber
vgl. Foss 78 - 106 und Blass 64 - 72 , der sich eines entscheidenden Urtheils enthält,
stehen in den Sammlungen der Redner, ReiskeVIII; Bekker V. — Ueber G. 's attische
Sprache Blass 52 ; über seine Stelle in der Geschichte der Attischen Beredsamkeit Blasa
43. 44.
S. 286. Ueber G.'s Schüler und Nachahmer vgl. Westerm. I, §33. Von IltoXog Plat.
Gorgias. Er war nach Philostr. VS p. 16 aus reicher Familie; erscheint in Plat. Gorg.
461 . 463 als noch junger Mann ; daher wenig vor 450 v. Chr. geboren. Seine übergrosse
Sorgfalt in Bezug auf den Schmuck der Rede Herm. de form. or. II, 362 ; Schol. Herm.
Walz V, 514; Plat. Phaedr. 267. räx^i Plat. Gorg. 462. Schol. Herm. Walz IV, 44. negl
Xi^tojg Suid. Ebendas. eine von Andern dem Damastes zugeschriebene yet'faXoyia ruiv
in *'lXioy aiQanvaayToav '£XXrjv(av xal ßuQßaQtav und vtöiv xardXayog. Declamation zu
Olympia Lucian. Herod. 3. Von Piaton wird »nirgends sosehr die Unfähigkeit in der
Dialektik betont als bei Polos.« Schanz I, S. 57. Ueber Polos Blass 72 — 75. — Ferner
*AvTia(^4vr^g aus Athen, Stifter der cynischen Schule LD VI, 1. Unter seinem Namen
sind zwei wahrscheinlich unächte Declamationen vorhanden (Reisko VUI; Bekker V).—
'uiXxidufxug aus Elaia, Dion. de Isaeo 19 u. Suid. s. v. \4Xx, vgl. Ar. Rhet. III, 3 ; ihm
Zu Buch m, Kap. 5 u. 6, S. 281—288. 437
werden zwei Declauifttionea ^OSvaatvQ t xata Ilttkafiili&ov^ und ncgl aoqtorcSv zu*
geschrieben. — '/aox(>ct ri^^'ht^rte ihn nach Dion. Hai. Isoer. 1. — ^ixvftviosDion,
Lys. 3 avvovaiaatrig roQyiov. Bei Plat, Phaedr. 267 ovouara ^invfiveia. Vergi. Blafis
75. 76. — Aiaxivn^ der Sokratiker L D II, 63. — KQit(ag Philostr. ep. ad Jul. p.
«19. — ^Aya^tov Ael. VH XIV, 13. Schol. Plat. symp. 369. Blass 76 — 78. —
Sovxvöi^rjg — iCv^atae in oKyov, Sg q>fi<riv*!/4vTvlXoQ, xal ricg FoQyiov tov Aeovrivov
naQiauiafig xal rag «vTif^^atif tvif ovoudxmv schreibt Mark, in der vita Thuc. Oorgia-
uidohQ Schemata schreibt ihm Dion. ep. 2 und jud. de Thuc. 24 zu. Vgl. Bhiss 211—13,
derXhuk. III, 82 roX^a ^tv — «Qyov citirt, und die Antithesen u. s. w. darin nach-
weist.
S. 287. 26tfQ(av, Mi mos. Vgl. bes. A. Persii Flacci satir. über. ed. 0. Jahn.
Lpz. 1843. Prolegom. LXXXIV-CIV. — Den fiifiog definirt Diomedes III, p. 488; seine
Eintheilung Plnt. Symp. Qu. VII, 8, 4. fitfÄog und ysltoronoiot werden verbunden Diod.
«p. Suid. B. Y. TiQodiixjijg ; Diod. XX, 63 (von Agathokles) und sonst. — Ueber Sophron
Suid. h. V. wo er roTg XQ^^^'^ xara S^Q^rjv xal Ev^miSrjv bezeichnet wird. Vgl. L.
Botzon , De Sophrone et Xenarcho mimographis. Lyck 1856. 4. und ders. Sophroneorum
mimorum reliquias dispos. etc. Marienb. 1867. 4. — /uTfAoi ai^^Q^Tot Ath. VII, 286 und
4M>nst. fi, yvvmxiTot Ath. III , 87 und sonst. Nach Ath. VII, 281 war auch das Buch
Apollodor's Über Sophron in dieser Weise eingetheilt ; es könnte daher die Eintheilung
leicht erst von den Grammatikern gemacht sein. — 6 ^wpcd-tj^ag erwähnt bei Adi. VII,
303 und sonst. — *Slhfvg tov ctyQomrav d. h. o äluve r. a., vielleicht akiaxu zu er-
gänzen Ath. III, 86 u. sonst, wovon nicht verschieden scheint 6 ttyQotarijg Ath. VII,
309. — TZai^ixa not(fv$ftg d. h. amasium terrebis Ath. VII, 324. — Ein mimus qui
nnntius inscribitur bei Schol. Germ. Arat. 1, p. 36 Buhl. — 19 nev&SQa Ath. III, HO. —
ri wfAtponovog d. h. ancilla sponsae omatrix Ath. VIII, 362. — al axtatgiat Suid. s. v.
xcinrjXog. — al o^tatievai rä*/a&fiitt Arg. Theoer. Adon. vgl. oben bei Epicharmos. —
€ci yvyaixig al rav ^ihv qayri i^eXav (»deam procul dubio Hecaten excitantes,« Botzon, De
Soph. 8, der Id. II Theokrit's vergleicht) Apoll, de adv. p. 592. — JlQo^ii&€vg Bekk.
An. p. 85. — Die Mimen des S. in Prosa abgefasst nach Arist. bei Ath. XI, 505. Arist.
poet. I, 7. Suid. ; femer Schol. ad Greg. Naz. (Montfaucon, Bibl. Coisl. p. 120} wonach
er ^v&fjioig Tial xal xoiXoig i/gi^aaTo. — Platon eifriger Leser Sophron's LDIII, 1, 18, wo-
nach er dessen Bücher nQdSrog itg 'A^i^pttg Siaxofilaai xal ff&ojtoiijatti ngog aitiäv und
Olympiod. vit. Plat. — Ueber Theokrit Arg. Id. II und XV. — Ueber Persius , Jo.
Lyd. de mag. I, 41 .
Seehstes Kapitel.
S. 2S8. Tempel A in Selinus. Serra di Falco's Masse sind:
Larghezza compr. i gradini p. 67. 3. —
Lunghezza » » » » 155. 3. —
Larghezza presa dall' estemo delle col » 60. 3. —
Lunghezza » » » »» » 148. 3. —
Larghezza delhi cella compr. le mura » 33. — . _
Sua lunghezza » 108. — —
Diametro delle colonne m 4. s. _
Sommoscapo » 3. 9. 10
Intercolunnio » 6. 4. 6
Altezza tot. de' gradini » 5. 1. —
Alt. del capitello compr. ii coUarino » 3. 1. 5
Lato deli' abaco. . » 6. 3. —
Sporto del capitello % . » 1. 2. 9
438 Anhang II. Belege and Erläutefungen.
Alt. deir intera trabeasione p. 10. "^^
Architrave » 4. 3. —
Fregio » 4. — —
Cornice » 2. 5. 4
Sporto della cornice » 2. 6. —
Larghezza de' trigHfi » 2. 5. ~
8. 289. Tempel £ in Selinns. Serra di Faloo's Masse sind :
Larghezza compr. i gradini » 107. 2. —
LuBghezza senza la scalea »271. 6. 6
Larghezza dair est. delle col » 98. 8. — >
Lnnghezza oome sopra » 263. 6. —
Larghezza della cella » d6. — —
Lnnghezza » » » 195. 4. ^
Altezza de' gradini » 7. 3. &
Intereolunnio » 9. 3. 6
Diametro delle col. del portico » 8. 8. 6
Sommo seapo di esse » 6. 6. —
Loro alt. oompr. il capitello » 39. 7. -*
Alt. del capitello col collarino 5. 1. 10
Lato dell' abaco » 10. 8. 8
8porto del capitello » 2. 1. 4
Ak. della trabeazione » 17. 10. —
Architrave » 6. 2. 10
Fregio » 6. 8. 3
Cornice (hierin eine sima von p. 1, also ohne sie p. 3, 11) . » 4. 11. —
Sporto della cornice » 3. 5. —
Larghezza de' triglifi » 3. 9. 2
Largh. delle metq»e (variiuio eome grintercolunni) .... » 5. 5. —
Diam. delle col. del pronao » 8. 6. —
Sommo scapo » 6. 6. —
Loroalteaza » 38. 10. 3
Alt. dell' architrave del pronao » 6. 1 . 8
Alt. del fregio u 6. 2. —
Larghezza delle metope » 5. 5. 3
Lato deir ante » 6. 3. —
Alt. del suo capitello » 5. — 7
Ueber die bunten Säulen des Tempels £ sagt Serra di Falco II , 28 : Rimangon (del
tempio. £] molti rocchi di colonne intonacati di finissimo stucco bianco, ed an di essi con-
serva tattavia tre zone orizzontali , ciascana delle quali di rosso di bianco e di azzurro h
Buccessivamente dipinta. — Kagler; Kleine Schriften und Stadien zur Kunstgesch. I,
333 , der aus dem Serra di Falco'schen Werke Farbenspuren vom Arohitrav , den Tri-
glyphen u. s. w. des Tempels £ erwähnt, citirt obige Stelle nicht, die allerdings seine
ganze Theorie umstossen musste. HittorfTs Stelle über die von Dufoumy aufbewahrte
Aeusserung Dodwell's steht in den Ann. dell' Inst. II, p. 268. Vgl. den Abschnitt Poly-
chromie in Beule's Histoire del'artgrec, derS. 265 sagt: L'architrave s'est retrouv^
ä ^gine , peinte en rouge et saus omements. Ders. macht p. 261 darauf aufmerksam,
dass die Farbenspuren nur bei der Ausgrabung deutlich zu erkennen sind , später aber
mehr und mehr verschwinden. ^ DieMetopen dieses Tempels hält GU^ttlingll, 103
für Arbeiten des Pythagoras. — Die nicht marmornen Theile aus Kalkstein von Mem-
frici, nach Schabring Selinus 27. — Ueber die Funde des Jahres 1865: Sehubring, Selinus
35. Im Adyton »zeigten sich 2 kleine Arme einer Marmorstatuette, ein merkwürdiges
Za Buch III, Kap. 6, S. 2SS— 202. 439
Thongefiiss, Bleiklcmmeni^ ein blauer Triglyph vom Postiknm, welcher die Auastattung
des Gebälks mit Farben wiedemm beweist ; ein Altar mit Piedestal, dessen Dekoration
in trUmmerhafItem , aber erkennbarem Zustande war , ein Kopf aus weissem Steine von
Ubematttriieher GrOsse, 2 andere KOpfe ans parischem Marmor, und andere Statuen-
bruebattteke; endiiefa ein kleiner Inschriitstein, der erste aus Selinunt, der sichzudenFüssen
des Bildes iand und folgende Lettern trug : APXE£SU | Jil£XYjiCY \ MPAIEYXAN,
Aus dieser Inschrift erfahren wir erstlich den ersehnten Kamen des Tempels (?) , und danner-
giebt sich aus ihrer PalXographie, dass sie aus der Zeit nach der ersten Zerstörung stammt«.
Nach Gattung 102 wäre es ein Zeustempel ; auf den Metopen sind die Thaten der Kinder
des Zeus dargestellt. Ders. weist darauf hin, dass in Megara, der Mutterstadt von Seil-
nus, das^rab derHippolyte war (Paus. I, 41, 7), die auf unsrer Metope von Herakles be-
siegt wird. Ueber W^xca^' als Nom Sing, eines N. propr. fem. vgl. Bitschi in Bh. Mus.
1866. S. 138 u. 160.
S. 292. Tempel G in Selinus. Seine Masse sind nach Serra di Falco :
Largbesza compr. i gradini p. 207. 6. —
Lunghesza sensa la scalea » 440. 2. —
Larghezsa dall' est. delle cd » 192. 6. —
Lunghesza come sopra » 425. 2. —
Larghezza della cella » 89. 10. -*
Lunghezza » » » 321. 8. —
Altezza dei gradini » 4. 10. —
Interookinni del portico » 12. 11. —
Diametro delle col. del portico » 12. 11. •— *
Sommo scapo di esse » 9. 4. 4
Loro alt. compr. i capitelli » 68. 2. *•
Alt. del capitello col collarino » 5. 8. 2
Lato deir abaco » 15. 1. 8
Sporto del capitello » 2. 10. 8
Alt. della trabeazione » 22. 10. 10
Arohitrave » 8. 10. 3
Fregio » 8. 11. 10
Coniice » 5. 9. —
Sporto della comice » 5. 10. —
Larghezza dei triglifi » 5. 2. 8
Diametro delle col. del pronao » 12. 10. —
Altezza degli altri 4 capitelli > 5. 2. 8
Lato dell' abaco » 15. 1. —
Sommo scapo » 6. 10. 6
Sporto del capitello » 4. 1 . 3
Diametro delle col. interne » 5. 6. —
Sommo scapo di esse » 3. 3. 8
Alt. dei capitelli » 1. 9. 9
Lato deir abaco » 5. 6. —
Sp. del capitello » 1. 1. 2
Comice dentellata trovata nell' interne della cella » 3. 2. 2
Schubring, Sdinus 33 glaubt bestimmt an den Umsturz des Tempels durch Menschen-
bände; Ketten, um die Ecksäulen gelegt und nach aussen straff angezogen, konnten
den Tempel >Yiertheilen«. In Betreff der Grösse der Blöcke erzählt Buss. 138 : »Des gens
de Campobello racontaient, que dans Fantiquit^ les femmes de S^linonte portaient les
colonnes des carriöres k hi ville sur leurs t^tes, en filant le lin ; c'dtait une race bien plus
grandequelandtre, ajoutaient-ils.« — Nach Schubring, Selinus 32 sind selinuntiscbe
440 Anhang II. Belege und Erläuterungen.
Steinbrüche auch noch in Millebarone , zwischen Seiinunt und CastelTetrano. — Ueber
den Namen des Tempels s. Reing. 98. Fazell bezog den Jiog ayo^alou ß^fihv (Herod.
V, 46) auf diesen Tempel, was nach d'Orv. 72. 73 auch Beinganum mit Becht missbilligt.
D. 176 : From its colossal proportions it can only have been dedicated to Jupiter Olym-
pius. Beulö 109 ff. unterscheidet zwei Epochen des Baus des Tempels : die Ostseite und
die zwei Langseiten sind im archaischen Stil des 6. Jahrhunderts , mit stark verjüngten
Säulen, platten Kapitalen; die Westseite aus dem 5. Jahrh. hat weniger stark verjüngte
Säulen und kräftigere Kapitale. Er missbilligt demgemäss die herkömmliehe Deutung
der im Text angegebenen abweichenden Kapitale auf die innere Säulenreihe.
S. 294. Tempelchen B. Masse nach Serra di Falco :
Larghezza del basamento p. 22. 8. ^
Lunghezza » » » 38. 9. —
Larghezza della cella compr. le mura »18. 8. —
Basamento della scalea avanti al tempietto largo »21.
» » » a» u )i lungo » 12. 4. —
Der Streit über die Restauration des Tempelchens ist noch nicht ganz ansgefochten.
Zuerst hat Hittorff seine Ansicht zur Geltung gebracht ; dann kam Serra di Falco mit
seiner einfacheren Restauration , die allgemeineren Beifall fand. Hittorff ist trotzdem
bei seiner Meinung geblieben, ohne jedoch in seiner 1851 veröffentlichten Restitution du
temple d'Emp^dode eine ausführliche Begründung derselben zu geben. Üeberreste
dieses Tempels sind im Museum zu Palermo. D. 83 erwähnt daselbst an anta and co-
lumn from the heroum of Selinus, partly a restoration. The triglyphs, guttae, and mould-
ings Are coloured.
S. 295. Akragas. Für eine bessere Namengebung der Tempel hat LeakeNH Sic. 48 mit
Recht auf das Hülfsmittel der Münzen hingewiesen. T. der Juno Lucina od. Lacinia.
Ueber den Namen vgl. d'Orv. 100. Plin. XXXV, 64 heisst es von Zeuxis : alioqui tantus
diligentia ut Agragentinis facturus tabulam quam in templo Junonis Laciniae publice
dicarent inspexerit virgines eorum nudas et quinque elegerit, ut quod in quaque lauda-
tum esset pictura redderet. Nach Oic. de inv. II, 1 war das Bild eine Helena , dagegen
von den Krotoniaten bestellt. — Die Alkmene den Akragantinem geschenkt Plin.
XXXV, 62. — Faz. 145 spricht auch von einem T. der Juno in Akragas, meint aber nicht
den unsrigen , den er und noch d'Orv. 99 nur als Torre delle Pulselle kennt. Masse nach
Serra di Falco :
Lunghezza compr. i gradini p. 158. 10. 3
Larghezza » » » 75. 8. —
Lunghezza della fronte estema del grad. sup. . . » 148. 3. —
Larghezza » » » »»»..& 65. 3. —
Lunghezza della oella » 107. 11. 6
Larghezza » » » 36. 1. —
Lunghezza del pronao » 18. 11. 6
Lunghezza dell' intemo della cella compr. lescalee » 67. 9. —
Lunghezza del postico » 18. 9. —
Diametro delle colonne » 5.
Sommo scapo » 3. 11. —
Intercolunni (variano) » 6. 9. 6
Altezza tot. de' gradini » 7.5.-—
Alt. deUe colonne compr. il capitello ....... 24. 10. 6
Alt. del capitello » 3. 1. 6
Fronte dell' abaco » 6. 7. —
Sporto del capitello » 1. 4. —
Alt. deir architrave » 4. 6. 6
Zu Buch ni, Kap. 6, S. 294—296. 441
Alt. del fregio p. 4.
Larghezza de' trigliii » 2. 5. —
lieber den Raum im Grunde der Cella für die Bildsäule der Göttin s. R. Bochette im
Joum. desSar. 1838, S. 231. Serra di F. sagt Nichts davon. R. B. spricht von vier
Stufen , D. 205 von 3. Ueber den unterirdischen Gang vgl. auch Pauly B £ VI, 2, 1678.
— Vgl. über diesen T. auch Ausland 1842, S. 50. — Die Bestauration 1787 auf Veran-
lassung Torremuzza's : Scina HI, 235.
S. 296. Ueber die £xedra B. Bochette J. d. S. 1838, 8,232, und Thiersch, Pindar,
I , S. 114, wonach es ein Platz für musische Wettkämpfe war; über die Grube Ausland
1842, S. 50; sowie über Beide D. 206. Nach D. ist die Grube im NW. des Tempels,
nach dem Aushmd im N 0.
S. 296. Tempel der Concordia. Die Inschrift , welche den Namen reranlasst
hat, Uutet Concordiae Agrigenti | norifm sacrum i respublica Libybaetano | rum dedi-
cantibus | M. Haterio Candido Procos. | et L. Comelio MarcelloQ. | Pr. Pr.
Masse nach Serra di Falco :
Lunghezza compr. i gradini p. 163. 3. —
Larghezza » » » 76. 4. —
Lunghezza della fronte estema del grad. snp. » 152. 7. —
Larghezza » » » » » » . » 65. 8. ^-
Lunghezza della cella »111. 7. —
Larghezza » » » 36. 2. 6
Pronao » 20. — —
Postico » 19. 8. 6
Diametro delle colonne del portico » 5. 7. —
Sommo scapo » 4. 5. —
Intercolunni (variano) ■ 6. 10. —
Altezza tot. «de' gradini » 7. 7. 3
Altezza delle colonne compr. 11 capitelio ...» 26.-6
Altezza del capitelio • 3. •— 3
Fronte dell' abaco » 6. 9. —
Sporto del capitelio » 1.2. —
Altezza della trabeazione » 11. 7. 9
Architrave » 4. 2. 6
Fregio » 5.
Oomice '^ 2. 5. 3
Sporto della comice » 2. 1. —
Larghezza de' triglifi » 2. 5. 6
Altezza de' frontoni • 8. 1 . 3
Ordine del Pronao
Diametro delle colonne » 4. 11. —
Altezza delle stesse » 24. 9. 6
Sommo scapo » 4.
Alt. del capitelio » 2. 5. —
Fronte dell' abaco » 6. 5. —
Sporto del capitelio » 1.2. —
Larghezza infer. dell' ante » 4.
Larghezza super. » » » 3. 7. 6
Alt. del capitelio dell' ante » 2. 8. —
Sporto dello stesso » — 10. 3
Fronte dell abaco » 5. 4. —
Arohitrare » 3. 10. 6
442 Anhang n. Belege und EriXuteriingen.
Fregio p. 3. 5. 9
-Cornice » 1. 6. —
SpoFto dellA medesima » — 6. «—
S. 297. Tempel des HerakleB. Der Name nach Cie. Verr. lY, 43: Heronlia
templom est apnd Agrigentinos, noa longe a foro, aane sanctnm apud illos et religioeom.
— Senra di Falco in , 106 , Anm. 73 , sagt : Grandissima somiglianza offire qnetfto tempio
co' piü antichi di Selinnnte» e particolarmente con qoelli segnati £ ed F, tanto per
Teoeedeaza deUa sna lunghezaa in rapportoallalargliezBa, qoantoperla forma de' ei^itelli»
partioolanneiifte deUa oomice,dieiiigUoniatiBomigliaiiodeir intatto a qaeUi del tempio F.
ISerra di Falco's Masse sind :
Lungbezza compr. i gradini p. 284. 6. tO
Larghezza » » » 106. 10. 4
Lungheaza deila fronte estema del grad. sAp » 259. 2. 8
Larghezza » » » » » » » 97. 10. 6
Lunghezza della cella » 184. 4. —
Larghezza » » » 53. 6. «—
Diametro delle ool. del peristilio » 8. 5. 10
Altezza delle col. del peristilio » 38. 10. 2
Sommo soapo » 6. 3. —
Intercohmni (var.) » 9. 4. 8
Altezza tot. de' gradini » 5. 10. 3
Lorosporto » 4. 5. 10
Altezza del capitello » 4. 11. —
Sporte del capitello » 2. 3. —
Alt. delF architrave deir peristilio » 6. 3. —
Alt. del fregio » 5. 10. 2
Cornice (hierin die Sima mit 3, 2, 6 ; also ohne sie 3, 7,6). » 6. 10. —
Sporte della cornice » 3. 8. 6
Diametro delle ool. del pronao » 7. 3. 6
Trabeazione interna
Architrare » 6.
Fregio » 5. 3. 5
Cornice sino alla cimasa (Kymation) della Corona » 1. 9. 4
Suosporto • . » 2. 2. 9
S. 298. Tempel des Zens Olympios. Diod. XIII, 82: ro et ovv Olvfintov
fiiXlov lafißdvei» ri^v o^otf'fjp 6 n6lifioq hmkvfuv i( ov tijg noXewg nuTaaxaiptiovig
ovdinoti varsQov ta^voav uix^ayavvlvoi xiXog inid^tvtti ro7c oittodofiiifittaiv, Kati «fi 6
vttug ^oiy TO ftkv fitjxos no^ag XQutxQOiovg t^txuQaxwra , ro Ji nXar^g i^^xovra , ro ^k
vijßog kxttxhv ifxoai /w^U tov x^nidtifiarog, rtSy d* aXXtav ij f^XQ'^ ^Qtyx6iv xovg vemg
oixodofiövvtmv ^ xioai roi)c mixovg nB^tXnfißncvovxctv , 9vwog htaxi^a^ xcvx€ifv (Aixi%si xtiv
hTioaxaaetav. ffVfpxoSofiBuvTo yaq ol xiowig xoig xolxoigt iim^^ fi^v argoyyvXoi, xo d* lyxhg
xov v€to Üx'^rreg xtXQoyutvov' xal xov fihf Ixxog /aigovg iaxlv aut^v t; n$^i^(f€ia nodiSy
Btxooi, xa^ tjv tigxtt ^ut^vafAaxa Svvaxai ayd'QtSnivop ipttQfiotia&ai tfttf^ut, xov d* ivxhg
Ttodßv Mdexa, xtiif ^k oxotSy ro fUyt^og xai x6 üif/og i^aiow» //ovoior , iv ^hv x^ nqog
tt> fiiQH xfiv ytyavxo/iittx^^ inotriüavxo yXvfpatg — iv dk x^ 3*po( dvofiag xr^y aXmatv xi^g
TQoiag — . Faz. 1,6,1 (144) : Id templom licet proeeesu aevi oHm oormerit , pars tamen
ejus tribns gigantibns oolomnisque soffoka diu post superstitit: quam Agrigentina urbs
insignibus suis additam adhuo pro monumento habet. Inde Agrigentinis vulgatum Car-
men : Signat Agrigentum mirabilis aula gigantum. At tandem Agrigentinorum incuria
anno salut. 1461 5 id. Decemb. 10 ind. in extremas ruinas abiit. nihil aUud hodie eo
cemitur loco , quam insanarum molium cumulus , Palati um gigantum vulgo adhuc appel-
Za Buch m, KAp. 6, S. 297 301. 443
*
latus, nt hoe epignumnate imperitiam barbariemque puram sonante a poeta quodam
ejiiB secnli , et oaaum et tempns memoriae (dum prosterneliaiitar) proditum , in Archivo
Agrigentino inveni. Ardoa beUomm fuit gena Agrigentinoram | Pro cojus iactis magna
virtute peractia | Tu sola digna Sicaloram tollere Signa | Gigantum trina cunctormn
fenna sablima | Paries alta niit, civibns incognita fuit t Magna gigantea civibus vide-
batur ut dea | Quadrieenteao primo sub anno milleno | Nona Deoembris defecit undique
membris | Talis ntina fuit indictione bisquina. ~ IhwB der Molo aus Steinen dieses
Tempels erbaut ist, eagt Bart. HI, 413 u. a. Bttsende. — Unter den Gelehrten und
Kttnstlem, die sieh mit der Eeetanration dea Tempels beschäftigt haben, sind zu
nennen: Pancrazi II, 77—79; Riedesel, S. 46; Winckelmann , Werke, I, 298; Quatre-
mere de Quiney, der 1779 in Girgenti war, im 6. Bande der Archiyes iittöraires de
FEurope, Par. 1805, und im 2. Bande der Mömoires de Tlnstitut de France. Par. 1815 ;
St.-Non. ly (PI. 79 und 90], der wie Quatremöre de Quincy den Tempel zu einem octa-
stylos macht ; Houel lY, p. 32 ; PI. 227. 28 ; wo der T. zu einem hexastyloe wird ; Wil-
kins, chapt. III, PI. 14 ff., dem er ein hexastylos amphiprostylos mit 12 Säulen an den
Langseiten ist ; Marchese Haus (geb. in Wttrzburg 1748 , Erzieher des späteren Königs
Franz I. beider Sic, gest. in Palermo 1833 ; vgl. über ihn die Memorie von Agost. Gallo
in dessen Estratti di opere ed opusc. orig. T. L Pal. 1834. 8.), der ein Saggio sul tem-
pio di Giove. Pal. 1814 schrieb, und von dem Serra di Falco sagt, dass durch seine pre-
mure U govemo si mosse nel 1802 ad ordinäre alcuni scavi nel tempio, che ne fecero
conoscere la pianta ; B. Politi, Lettera al Giantro Panitteri sul tempio di Giove Olimp. in
Agrig. Pal. 1819, der ziferst die Besultate der Untersuchungen, welche besonders 1812
durch Cockerell gemacht wurden , nebst eigenen Vermuthungen mittheilto ; L. Klenze,
Der Tempel des Olympischen Jupiter zu Agrigent. Stuttg. und Tttb. 1821. 4 ; Lo Presti,
Dissertazione apologetica. Girg. 1827; Cockerell, The temple of Jupiter Olympins at
Agrigentum. Lond. 1830; Nicc. Palmeri, Memcnria snlle antichit4 Agrigentine. Pal.
1832. 8, worüber eine ausführliche Kritik in den oben genannten Estratti etc. von
Ag. Gallo II, 39 — 74; N. Maggiore, Due opuscoli archeologici. Pal. 1834. 8. Serra
di Falco im 3. Bande; Politi, Yiaggiatore in Giigenti. Ed. 2. Pal. 1842. 8. und Atlas
in 4., wo die von Pol. 1819 ausgesprochenen Ansichten in einigen Punkten modificirt sind;
endlich die sonstigen Reisenden nebstD. 209—11 (das Vorstehende theilweise nach Serra
di Falco u. Klenze). — Zwei Eckthtlren nahm Cockerell an; Klenze setzt eine Säule mitten
in die MittelthUr ; die im Text ausgesprochene Ansicht ist entlehnt von Politi. — Ueber
die Construction der Säulen sagt Serra di Falco III, 112: II fusto delle colonne
componeasi di vari strati ognun de' quali risnltava da sette pietre cuneari, di cui
Festreme formanwo ad un tempo stesso parte delia colonna e delle mnra. L'imo scapo
per6 o meglio U base coetava di 11 pezzl. La tegola del capitello 6 formata di 3 pezzi,
I'echino sohimente di due. — Dass die Reliefs sich in den Giebelfeldern befanden, lässt
sich allerdings ans Diedor^s Worten nicht erkennen, aioni sind Hallen, aber nghi %fa und
Tiifhs Svaixas konnten innere Elallen des Tempels keinen Raum für grossartige Reliefs dar-
bieten , die dort kaum sichtbar gewesen wären, -r- In Betreff dieser Kunstwerke macht
Hittorff, Restitution du temple d'Emp^d. , p. 82 1 darauf aufmerksam, dass sie nach dem Prin-
cip derHannonie, da der Tempel Halbsäulen hatte, nicht ronde bosse, sondern haut relief
sein mussten. — Dass Ueberreste von 11 Giganten (von Einigen für besiegte Afri-
kaner erklärt; jedenfalls also als Atlanten oder Telamonen zu bezeichnen) erhalten sind,
sagt Serra di Falco III, 68. Das Wappen von Girgenti ist abgebildet bei Serra di Falco
III, 3. Die Beischriffc lautet : Nomina Gigantum Enceladus, Fama, Gaeus (soll vielleicht
Coeussein). In der Abbildung bei Klenze, Tafel IV, sind es 3 Männer. Die männlichen KOpfe
der Atlanten haben kleine Löckefaen, der weibliehe welliges Haar. ^ Bei der Berechnung der
Hohe des Tempels sagt Serra dt Falco , dass die H(Uie des Giebels, zu Vs der corona an-
genommen , 28,8 betrage. Das stimmt nicht au seinen eigenen Angaben. Die Breite ist
444 Anhang IL Belege und Erläuterungen.
p. 189 von Mitte zu Mitte der Ecksäulen, 205 für die oberste Stufe, 215,10 für die un-
terste Stufe. Selbst diese letztere für die Länge der Corona zu Grunde gelegt, beträgt
das Achtel doch nur zwischen 26 und 27. S. 301, Z. 8 von unten ist 5, 11,6 zu lesen.
S. 302. Tempel desCastor undPollux. Der Name willkürlich wegen Pind.
Ol. III gegeben. Fazell 145 sagt von den Tempeln, die den Dioskuren und der Proser-
piua in Akragas gewidmet waren: quo Idco duohaec templa steterint, nuUis vestigiis
adhuc comperi. — Nachdem Keph. I, 283 den sogen. Yulcantempel als T. des Kastor
und Pollux beschrieben hatte, hat Sief. 34 diese Beschreibung iirthümlich auf denje-
nigen Tempel angewandt, den man gewöhnlich T. des Kastor und Pollux nennt.
Serra dl Falco's Masse sind :
Lunghezza compr. i gradini p. 132. — —
Larghezza » » » 61. — —
Lunghezza della fronte estema del grad. sup. » 123. — —
Larghezza » » » »»»»52. — —
Lunghezsni della cella » 94. — —
Larghezza » » » 22. — —
Diametro delle colonne » 4. 7. —
Sommo scapo » 3. 2. —
Altezza deUe colonne compr. il capitello ... » 23. 1. 6
Altezza del capitello » 2. 10. —
Spdrto del capitello » 1. 1. —
Altezza deir architrave del peristilio ....»* 3. 7. 3
Altezza del fregio » 3. 8. 2
Comice » 3. 5. 11
Sporto della comice » 4. 4. 9
Altezza della cimasa interna » 1. 1. 6
Altezza dell' ante » 5. 4. —
Suo sporto » — lü. 3
Südlich von diesem T. in der Nähe der Stadtmauer hat Schubring noch den Unterbau
eines anderen Tempels entdeckt.
S. 302. Masse des Ceres- und Proserpinatempels nachD. 204:
Länge des Stylobats oben 91 '
Breite » » » 41' 4''
Tiefe des Pronaos . . . 25 '
» >» Naos 66'
S. 302. Der Name Asklepiostempel nach Pol. I, 17. 18, wonach er 8 Stad. ron
der Stadt entfernt ist, was ungefähr passt. Masse nach Serra di Falco :
Lunghezza oltre i gradini .... p. 78. 9. —
j» interna della cella . . » 47. 11. —
Sua larghezza »29. 8. —
Gross, delle mura » 2. 10. — •
Diam. d. colonne • 4. 2. — .
Nach Gic. Yerr. IV, 43 war in diesem Tempel ein Apoll des Myron , von Scipio aus Kar-
thago dahin gebracht. Ob an seinen ursprünglichen Standort? Nach dems. IV, 3 war
bei Heins in Messana ein Herakles Myron's. — Ueber die für den T. des Zeus Po Ileus
gehaltenen Beste in S. Maria de' Greci vgl. ausser Serra di Falco und D. 198 die Rela-
zione sui lavori etc. p. 26.
S. 303. Tempel von Segesta. Nach Cic. Verr. IV, 33 ist allerdings Segasta, cum
illa civitas cum Poenis suo nomine et sua sponte bellaret, a Carthaginiensibus vi capta
ac deleta, und aliquot saeculis post war, wie Cicero hinzufügt, der dritte punische
Krieg. Sonst wissen wir Nichts von dieser Zerst($rung Segesta's durch die Karthager,
Zu Buch lUy Kap. 6, S. 302—304. 445
da Diod. XXTIT, 5 x^aroifitpot doch nur beherrscht werden bezeichnet, und Front. III,
10, 4 sich auch wohl irrt. Sollte es einirrthum Cicero's sein ?^ Masse nachSerra diFalco :
Lunghezza compr. i gradini . . * . p. 237. 3. 5
Larghezza » » . . . . » 102. — 8
Lunghezza deir estemo delle col. . . » 225. 1. 5
Larghezza » » » » . . » 89. 10. 8
Diametro delle col » 7. 3. 9
Sommo scapo » 6. 1 . —
Intercolnnni (alcuni variano) . . . . » 9. 7. —
Altezza totale de' 4 gradini . . . . » 8. 7. —
Altezza delle col. compr. 11 capitello » 35. 11. —
Capitello « 3. 10. 3
Fronte deir abaco » 9. 1 . 6
Sporto del capitello » 1 . 6. 3
Altezza dell' intera trabeazione ... » 13. 9. 6
Architraye » 5. 7. —
Fregio » 5. 8. 6
Cornice o 2. 6. —
Sporto della comice » 3. i. 6
Larghezza de' trigUfi ...*....» 3. 4. —
Altezza dei frontone » 11.11. 6
Cavallari hat an den Langseiten des Tempels eine Abweichung der Linien der Stufen
von der Horizontale bemerkt, welche in der Mitte eine Erhöhung von 11 Centim. aus-
macht und auch dem Auge des Beschauers erkennbar ist. BuUett. della comm. 2, 16.
Durch denselben ist neuerdings der Tempel mit einem Kostenaufwand von 19,000 Lire
restaurirt worden, Relaz. p. 30. Ich finde nicht, dass man mit D. 149 das Gebälk unu-
sually heavy and massive nennen kann. Bei dem Tempel C in Selinus ist das Verhält-
niss der Säulenhöhe zur Gebälkhöhe ca. 2V5ZU 1, beim Goncordientempel von Akragas ca.
21/4 ; beim T. von Segesta aber ca. 2^8. Bei den 4 anderen sicilischen Tempeln , bei
denen es sich noch nachweisen lässt, ist es folgendes: £ und F in Selinus ca. 2^3;
Uerakles in Akragas ca. 2V2 ; G in Selinus ca. 3. Ich benutze diese Gelegenheit, um aus
Nissen's höchst bemerkenswerther Schrift: Das Templum. Berlin 1869. 8., die Richtung
einiger hellenischer Tempel Siciliens, die vielleicht von Bedeutung ist flir die Bestim-
mung der Gottheit , der sie gewidmet waren , zu verzeichnen. Ost ist als 270 , Süd als
360 gerechnet. Hiemach hat die Vorderseite (im Allgemeinen Ostseite) nachbenannter
Tempel folgende Himmelsrichtung :
T. des Zeus in Akragas 255
» der Juno » o 258
» des Kastor und Pollux das. . . 258,30
Kap. des Phalaris das 265
T. der Concordia » 266
» der Ceres u. Pros 298
» von Segesta 261
Kathedr. von Syrakus 266
T. d. Apollon in Syr 268
S. Pancrazio in Taorm 2b6
Vgl. Nissen, S. 180. 181. 230.
S. 304. lieber den Tempel von Himera die dürftigen Nachrichten Cavallari's^
Avanzi d'Imera im Bullett. 2 (Masse fehlen noch), femer Relaz. p. 13.
. S. 304. lieber die Sarkophage von Cannita Bullett. 1 (Artikel von Fr. di Gio-
vanni und Giov. d'Ondes Reggio mit photograph. Abbildungen), wodurch die Nachrich-
446 Anhang 11. Belege und Erläuterungen.
ten und Abbildungen von d'OrvUte (nach dem Abt Mich, del Giudice) ihren Werth ver-
loren haben. Ähnlich ist der 1855 in Saida gefdndene Sarkophag Eemunasar'a und ein
in Syrien in Bruchstücken von Renan gefnndener. ^ Vgl. auch Scin& I, 59.
S. 305. Plin. XXXV, 61 , nachdem von Zeuzis die Rede war — Demophilum Hime-
raeum et Nesea Thasium quoniam utrius eorum discipulus fuerit, ambigitur. Ich habe
D. der Kürze wegen als Lehrer bezeichnet. PI. XXXV, 154 : Piastae laudatissimi fuere
Damophilus et Gorgasus, iidera pictores, qui Cereris aedem Romae ad circum maxumnm
nti'oque genere artis suae excoluerant versibus inscriptis Graece quibus significarent , ab
deztra opera Damophiii esse, ab laeva Gwgasi. -^ Ueber die Zeit des Tempels D H
VI, 17 und 94 ; Tac. Ann. II, 49. Vgl. R. Rochette, Peintures antiques iuMites. Par.
ISaö. 4., p. 278 ff. Brunn, Gesch. der Gr. Kttusüer I, 530.
S. 305. Ueber die Vasen 0. Jahn's Einleitung zu seiner Besebreibung der Vasens.
KOn. Ludwigs. München 1854. 8. u. 0. Benndorf in Arch. Ztg. 1867. S. 113 ff.
S. 306. Ueber die sonstigen Thonarbeiten (Fr. di P. Avolio) DeUe antiche
fatture di argilla che si ritrovano in Sioilia. Pal. 1829. 8. mit 12 Tafeln. Das. S. 151
vou einer antiken Form der geflügelten Isis, gefunden in Akragas. Das. S. 122. 23. von
dem Funde eines antiken fomace da vasajo, mit 17 Lampen und einigen Gefässen, bei
Riesi. Nach F. Ansaldi, Moiium. dell' antica Centuripi, p. 67, ist in der contrada del ca-
pitano bei Centorbi »un' antica stazione di lavori di fatture figuline« gefunden, wo man
bemerkte »de' mattoni e delle stoviglie parte compite e parte incompite, fra le quali un
dolio, ed in oltre un bacino, ed il fomo formato di mattoni«.
m.
VerzeiclmiBS wichtigerer Höhen des nordwestlichen Siciliens
in Metern, nach den Karten des EOnigl. Ital. Generalstabes.
Der Zug der Berge ist im Allgemeinen von NO. nach S W. gerichtet , wie auch die
Flusslinien andeuten. — Im Folgenden bedeutet M. Monte, P. Pizzo.
M«ter
Westlich vom Fiume Grande , dem Himera der Alten , südlich von der
Stätte des alten Himera (Bonfomello) erhebt sich der Pizzo BasocoUo zu . . 553
Die Stadt Gerda liegt 273,80
Südlicher der P. della Guardia 597
Südlich der M. Raceddito 1125,3
Im NW. davon liegt die Stadt Montemaggiore 515,61
Westlich davon der M. Scardillo 640
Südlich im Bosco della Favara die Serra Amusa 1000
Südwestlich la Montagna bei Alia 920
Südöstlich davon S. Tignino 995,15
Westlicher, jenseits (westlich) vom Fiume Torto finden wir südlich von
Termini den S. Calogero 1325
Seine Absenker gehen nach SW.
Zu Bach lü, Ei^. 6, S. 305. 306. ^ Verzeiohnisa wichtigerer Hühen etc. 447
Meter
Portella Btretta II53
Mercato Ferrato 896
Westlich liegt Caccamo 424,22
Südlich davon P. Bobco 691,28
SW. Monte dei Manch! 806,62
SW. vom BUdlicher gel^enen Boecapalttmba Cozzo il Piliero . . . 714,02
Noch südlicher liegt Lereara 660
Westlich von Roccapalumba aber die Stadt Yicari 650
Monte S. Angelo bei Vicari 760,71
Westlicher, jenseits des F. S. Leonardo oder Termini, zwischen ihm
und dem F. Milicia, der (istlich vom Capo Za&rana mttndet, dehnt sich ein
Bergland aus, aus welchem der F. S. Miehele herkommt. Dasselbe ist im
Allgemeinen im Osten niedriger als im Westen. Oestlioh :
M. Piramo 789
Rocca S. Feiice 750
Westlich höher : P. della Neviera 870
P. di Cane 1137
P. di Campisi 1070
P. della Trigua 1257
M. Cane 1227,43
Beide Seiten vereinigen sich südlich im P. Nudo 1229
oberhalb der Stadt Ventimiglia, welche liegt 580
Westlich liegt die Stadt Baucina 546,25
Noch westlicher Marineo ca. 540
und Diana Gefala 657,35
Hier senkt sich das Land nach dem F. Milicia. Südlich von Ventimiglia
liegt Ciminna ca. 500
das südlich von sieh ein Bergland hat, welches dem vorigen sehr ähnlich
ist, indem es sich ebenso nach S. zuspitzt, wohin es auch schroff abf&llt.
Es wird umflossen vom F. Yicari (S. Leonardo, Termixii) im S. und einem Ne-
benflusse desselben im N. Hier ist Serre 777,40
Ein anderer Nebenfiuss kommt von Meszojuso 628,14
Südlich davon ist der P. della Mezzaluna 929,91
Noch südlicher Margana 405
Westlicher, jenseits des F. Milicia, finden wir in dem isolirten Berglande
des Vorgebirges Zafarana den M. Montalfano 373,8
westlicher M. d'Aspra 357
Südlich davon ist die Einsenkung, in welcher Bagheria liegt . . . 80—90
SW. von Bagheria M. Ciancagno 310
südlicher M. Porcara 379
Wenn wir die Fortsetzung dieser Gebirge nach SW. verfolgen, . so gelan-
gen wir in das Gebirgsland , als dessen antiken Namen wir Kratas kennen ge-
lernt haben. Im 0. ist nördlich von Vallelunga bei Valle d'Olmo P. S. Pieri . 1080,50
448 Anhang III. Verzeichniss wichtigerer Höhen des nordwestlichen Siciliens.
Südlich senkt sich das Land ; die Gewässer erglessen sich nach S. zum
SalitO, dem Nebenfluss des Platani. Hier liegt Vallelnnga 472,39
^ Villalba 642
Weiter westlich gehen die Gewässer im N. znm F. Torto , im Sttden zum
Platani, der eine recht tiefe Einsenkung bildet.
Das Thal zwischen Castronuovo und Gammarata sinkt auf 410
während der P. di Guardia über Castronuovo 920
und etwas weiter westlich 1020
hat. • •
Bei Gammarata haben die Monti Gemelli 1406
und 1576,52
östlich davon fliesst der Platani in einer Höhe von 250
jenseits des Platani ist das Bergland von S. Vito bei Mossumeli . . 888,01
und südlich davon der kegelförmige S. Paolino bei Sutera .... 818,59
westlich hiervon, jenseits (westlich) vom Platani Casteltermini. . . 550
Westlich hiervon Alessandria 503,37
Cianciana 380
Im SW. weiter nach dem Meere zu Pizzo di Minico 460
M. Sara 433
Pizzo della Croce (4000 Meter vom Meere) 153
Westlich von Castronuovo und Gammarata sind wieder bedeutende Höhen :
M. Carcaci 1195,50
Serra del Leone 1316,36
Prizzi liegt in einer Höhe von 1006,84
Südlich kommen wir zu dem vom Macasoli im 0. und Caltabellotta im W.
eingeschlossenen Berglande, in welchem
Prizzi gegenüber der M. Inesi 1064
Palazzo Adriano ca. 680
M. Rose, südlich vom M. Inesi 1436,13
Am Fusse desselben Bivona 520
Südwestlich vom M. Rose P. Mondello 1216
Westlich davon Piano delle Fontane 1190
und nun nach SW.
Serro di Biondo 1137,84
unter dem Burgio liegt 376,91
2000 Meter davon ist das Ufer des Finme di Caltabellotta . . ca. 150
Südlich von Burgio, jenseits Villafranca und Lucca erhebt sich
der P. di Canalicchio 615,94
Weiter südlich Calamonaci 306,75
östlich von Burgio P. del Castellazzo 827
im SO. M. S. Nicola 645,63
im SW. Ribera 267
am Meere ca. 50
Anhang III. Verzeichniss wichtigerer Höhen des nordwestlichen Siciliens. 449
Meter
Wenn wir nun wieder nach N. zurückkehren , so erhebt sich im SW. von
Mezzojuso das Land nach S. zu sehr in der Montagna del Casale, wo die
Rocca di Busamara 1673 99
welche an das Bosco della Ficuzza stOsst.
SOdlich davon liegt Corleone ca. 600
Südlich Montagna Vecchia III4
Weiter südlich Monte Cardellia 1264 60
Wolter südlich M. Barato I440'
Weiter südlich M. Colomba 1197 63
und M. Irione, den Ort Bisacqnino überragend 1214 67
Bisacquino selbst liegt ca. 700
südlich Chiusa ca. 620
westlicher Ck>ntessa 52o
südlich davon die Abtei S. Maria del Bosco 827 72
Westlich von Chiusa liegt Giuliana 665
noch westlicher M. Genovardo 1179 17
von wo schnelle Abdachung nach SW. Sambuca 368 87
Südlich von M. Genovardo ist dagegen das Bergland von Galtabellotta
zunächst La grau Montagna 951 57
die südliche Abdachung Bocca Ficuzza 900,86
Nach SW. Senkung bis 400
Hiervon östlich und südlich von der grau Montagna liegt Galtabellotta,
sich erhebend bis 949,06
während östlich davon am Flusse nur 12o
Nach SW. zu der S. Galogero bei Sciacca 390
Sciacca selbst 50~-80
NW. von Sambuca S. Margherita 470
nach dem Meere zu Memfirici » 120
Capo Porto Palo 51,36
Am Beiice sinistro Bocca d'Entella 568
Endlich greift das Hochland über die beiden Beiice nach W. hinüber in
dem Berglande von Poggio Beale, Sala Paruta, Gibellina, Ninfa, Partanna.
Hier ist Sala Paruta 358,42
M. Fenestrelli 662,74
S. Ninfa ca. 460
Partanna 421
Südlich davon im Breitengrade von Castelvetrano
Torre Mendolia 176,49
Selinus ' 30—40
Etwas westlicher : Höhe im N. von Castelvetrano 210
Castelvetrano 190
Campobello 100
Westlich davon C S. Nicola 76,20
Holm, Gesch. SidlienB. I. 29
450 Anhang III. Verzeichniss wichtigerer Höhen des nordwestlichen Sieiliena.
« Meter.
In derselben Richtung, von NO. nach SW., zieht sich, westlich von dem
soeben beschriebenen Berglande, das wir von Mezzojuso bisCampobeUo und
CS. Nicola verfolgten, eine Senkung hin, welche durch den oberen Lauf
dreier Flüsse, des Beiice destro, von seinem Hervorbrechen aus der Gebirgs-
mauer südlich von Plana de' Greci bis nordöstlich von Poggio Reale, des F.
Freddo, und des Delia bezeichnet wird. Hiei; erheben sich zwischen Belioe
sinistro und destro M. Galliello 573,70
M. Maranfusa 485
gegenüber, jenseits (westlich) vom B. destro La Montagnola . . . 457,50
und wieder zwischen beiden Beüce P. di Gallo 614
Wir kommen nun zu dem nördlichen Zweige des Hanptgebirgszuges der
Insel, den die soeben bezeichnete Senkung von dem zuvot beschriebenen
Zweige abscheidet. Hier haben wir zuerst die Gebirge zu betrachten , welche
die Conca d'oro von Palermo umgeben. Sie sondern sich , wenn wir vom Gap
Zafarana und dem noch zu erwähnenden M. Pellegrino absehen, in eine Ostliche
und eine westliche Gruppe , welche durch den Oreto geschieden sind. Die
Südwand der östlichen wird ausserdem durchbrochen durch den Beiice destro.
In dieser Ostgruppe, deren Hauptmasse gewöhnlich Montagna di Palermo ge-
nannt wird, und an deren Nordfusse das wegen seiner Aussieht auf Palermo
viel besuchte Kloster S. Maria di Gesü liegt, haben wir
P. Neviera südlich von Belmonte 848
südwestlich die Hochebene von Plana de' Greci, das ca. 700
Südlich davon eine Höhe 657
südöstlich von Belmonte M. Giammarita 829
wovon im NO. Misilmeri liegt ca. 200
Westlich am Rande des Oretothales , Honreale gegenüber , liegt der P. d.
V« Fico 763
Südwestlich der Ort Parco ca. 300
Unmittelbar westlich und oberhalb von P. de' Greci P. del Hagazzino . . 1307
Südlich davon, jenseits der Senkung, durch die der Weg von P. de' Greci
nach Jato in westlicher Richtung führt, Serra della Ginestra und La Cometa . 1231
zwischen denen und dem östlicheren Cozzo Malanoce 898
der Beiice destro fliesst.
Noch östlicher P. Parrino 966
Der Oreto entsteht hauptsächlich aus zwei Quellarmen, welche durch eine
dazwischen sich erhebende, ebenfalls theilweiso von SW. nach NO. ziehende
Bergmasse getrennt sind. Von diesen Bergen sind
M. Matazzaro 1150,12
M. Valle fredda 1043
Zwischen M. Matazzaro und P. del Magazzino geht der Weg von Mon-
reale nach Jato, der auf etwa 650
herabgeht ; wogegen im N. von M. Valle fredda der Weg von Monreale nach
Partinico geht, der auch auf 640
herabgeht.
I
Anhang III. Verzeichniss wichtigerer Höhen des nordwestlichen Siciliens. 451
Meter
So bleibt denn zwischen Jato und Partinico ein Bergland dessen höchster
Punkt ist M. Mirto 1081
um den sich lagern :
Südlich nach Jato 9u M. Signora 1052
östlich M. Bonda 1022
nördlich C. Neto 755
NW. M. Cesaro oberhalb Partinico 453
Partinico selbst ca. 200
Nördlich von dem eben beaseichneten Wege zwischen Monreale und
Partinico ist sodann das Bergland , das im NO. zum C. Gallo, im NW. zur
Punta di Baisi und zum C. Rama ausläuft.
Hier liegen am südlichsten : P. di Aci 7S8
M. Gibinnesi 1203
NO. über die Serra deir Occhio , unter der im 0. das Kloster S. Martino
liegt, ca. 640
und den P. 8. Anna 983
zum M. Cuccio, dem Mittelpunkt des Gebirges westlich von Palermo 1050,47
östlich von S. Martino, am Hände des Thaies, liegt die Stadt Mon-
reale ca. 300—350
Im W. vom M. Cuccio schneidet das Thal von Torretta ein, dass sein
Wasser in die Bucht von Carini ergiesst. Gehen wir nach C. Gallo zu, so haben
wir Castellucdo 959
M. Monolfi 762,58
Oestlich von M. Cuccio sinkt das Land (Conca d'oro) so, dass der höchste
Theil in der Gegend der Favorita 80
jenseits (östlich) erhebt sich der M. Pellegrino 598,66
Gehen wir westlich, so finden wir jenseits des Thaies Torretta die Carini
umschliessenden Gebirge. 8W. von Torretta
C. Tre Pizzi 860
P. Cicina 872
Im S. von Carini M. Saraceno 1002
Südlich davon in einer zur Bucht von Castellamare führenden Senkung
Montelepre und Giardinello 340
Nordwestlich hiervon, im W. von Carini, welches selbst ca. 200
Südlich M. Mediello 879
Montaniello 963,66
M. Longa 939
Nach der Punta di Raisi (im N.) zu
P. di Sbauli oberhalb Cinisi 780
Westlich nach C. Rama zu, im Monte Palmito : P. di Paviglione .... 640
Im SW. von M. Matazzäro, der das Thal des Oreto abschliesst , liegen
neben S. Giuseppe, zwischen den Quellen des Fiume Jato die Ruinen von Jato 850
29*
452 Anhang III. Verzeichniss wichtigerer Höhen des nordwestlichen Siciliens.
#
Meter.
Weiter nach W., jenseits des F. Jato treffen wir die Berggnippe von Al-
camo, welches selbst in einer Höhe von 260
liegt, während im NO. das Castell von Calatub6 150
Südlich von Alcamo der M. Bonifato 827,34
Westlich davon fliesst der F. Freddo, zwischen dessen Qelien sich der M.
Pietroso erhebt 530,18
Westlich davon liegt der P. del Bosco 400
Dann kommt nach W. zu der F. Galdo, wovon westlich
Segesta, dessen Tempel • 303,57
Südlich von Galatafimi M. della Baronia 628,54
von wo sich nach SW. über den M. Sette soldi 515
das Bergland nach Salemi erstreckt, das hoch liegt 442,43
oberhalb Salemi's M. delle Rose 524
Von hier nach N. M. Polizo 713,03
weiter nach N. M. Grande 750,87
noch weiter nach N. M. delF Agnone 506
noch weiter M. Mola 373,83
Die drei letztgenannten Berge liegen zwischen den Quellen des F. Birgi. —
Wir befinden uns hier im Meridian des Capo S. Vito, nach dem hin sich ein
Gebirgsarm zieht. Derselbe erhebt sich westlich vom F. S. Bartolomeo, nörd-
lich von Segesta und südlich von Castellamare im M. Inice zu 1064
Nach Westen senkt sich der Berg M. Mantello 454
Nördlich hiervon ist eine Senkung , durch welche die Gewässer theils in
den Golf von Castellamare, theils nach W. fliessen, wo NO. vom Eryx der Rio
Forgia mündet. Nördlich von diesem Einschnitt, der ca. 200
erhebt sich die Gruppe des M. Sparagio 1 129
von wo die Gebirge einerseits nach W. zum M. Cofano und der Punta del Sa-
raceno, andererseits nach N. über M. dello Speziale 788
und M. Passo di Lupo 860
zum C. S. Vito laufen.
Westlich von dem oben genannten Rio Forgia senkt sich das Land mehr
und mehr ; ca. 4000 Meter östlich vom Fuss des Eryx ist seine Höhe .... 180
Dieser selbst erhebt sich zu 751
nördlich vom Gipfel, keine 1000 M. vom Meere liegt S. Matteo 350
Südlich vom Eryx die Stadt Paceco 30—40
Wenn wir von Salemi nach W., nach Marsala zu gehen , so finden wir
14,000 M. von der Rüste M. Borania 247
Weiter nach W. findet sich ein nach 0. ausgebauchter, nach W. abfallen-
der Rand, einem alten Merresufer ähnlich , hoch 120—150
noch westlicher zieht sich ein zweiter Rand hin , welcher die Sehne des oben-
genannten Bogens bildet, etwa 4000 M. vom Meere, hoch ca. 100
Auf der Isola di Levanzo ist Pizzo Corvo 208
P. del Monaco 290
Auf Favignana ist P. deUa Campana 295
F. S. Caterina 326
IV.
Zn den Karten und Plänen.
I. Vergleichende Karte des alten Siciliens. Nach denselben Grund-
sätzen angelegt, wie die meiner Abhandlung : Beiträge zur Berichtigung der Karte des
alten Siciliens, Lübeck 1866. 4. beigegebene Karte , mit der sie insbesondere das gemein
hat, dass sie in Bezug auf die Terrainzeichnung nur im Allgemeinen andeuten will , wo
die Insel bergig ist — so lange nicht die Kön. Ital. Generalstabskarte fertig vorliegt, ist
das Terrain der ganzen Insel überhaupt nicht darzustellen — , bietet sie doch in der An-
gabe der antiken und modernen Namen einen leicht durch Yergleichung zu findenden
Fortschritt gegen jene, und in zwei wichtigen Punkten gegen alle bisherigen Karten der
Insel. Diese zwei Punkte sind : der Lauf der beiden Beiice und des Dittaino. Diesen
letzteren lassen die Karten etwa unter dem Breitengrade von Catania sich mit dem Si-
meto vereinigen, so dass fast die ganze Ebene von Catania südlich von ihm bleibt. Nach
der Karte des Ital. Generalstabes fliesst er etwa 2 geogr. Meilen südlicher in den Simeto,
und der grOsste Theil der Ebene von Catania ist nOrdlich von ihm. lieber den Lauf der
beiden Beiice hatte ich in der oben cit. Abhi^dlung S. 37 meine Bedenken gegen die
vorhandenen Karten ausgesprochen, auf Grund der Berichte FazelFs. Sie sind durch die
Kön. Ital. Generalstabskarte vollkommen bestätigt worden. Der Lauf der beiden Beiice
ist folgender. Der B. destro , bei Plana de' Greci entspringend , bricht zwischen den
Bergen La Cometa und Halanoce hindurch in das innere Sicilien. Rechts, .in einer Ent-
fernung von 5000^Meter bleibt S. Giuseppe Jato, links ganz nahe Pietralunga , hierauf
erhalt er von Osten einen Zufluss : den Malivello , und bespült die links bleibenden M.
CktllieUo und M. Maranfusa (Calatrasi) , hinter welchem der OrtRoccamena liegt. Der n^d-
liche Quellfluss des B. sinistro entsteht südöstlich des obengenannten Berges Malanoce ;
es vereinigen sich in ihm die Gewässer nördlich und südlich von der hohen Montagna del
Casale, in der die Rocca Busamara auf 1673 M. ansteigt. Dann kommen dazu die in der
Richtung^von SO. nach NW. fliessenden Fiume di Corleone, Torrente di Batticano (von
Campofiorito herkommend), Torrente di Realbate, Chiarillo und Vaccarizo, wovon im
Norden die Rocca d'Entella liegt. Dann vereinigt sich der sinistro mit dem destro. —
Ich bemerke noch, dass auf der Karte, auf der ich Phintias statt Phintia zu lesen bitte,
nur das Nöthigste angegeben ist ; spätere Namen, insbesondere solche, die nur als Statio-
nen der Itinerarien vorkommen, sind fortgelassen. — Der Karton ist nach Schubring
(bereits von Kiepert in seinem Atlas von Hellas. 2. Ausg. benutzt) .
II. Syrakus. Nach den Karten zu Schubring's Abhandlungen Über Achradina und
die^Syrakusanischen Wasserleitungen. Ichbedaure, dass die mir zugänglichen Kopien
der Generalstabskarte Syrakus noch nicht umfassen.
454 Anhang lY. Zu den Karten nnd Plänen.
III. Akragas. Nach Girgenti e suoi templi, ausgearbeitet vom Eon. Ital. General-
stab, Karte im Besitz des Dr. J. Schabring. — Die Manerlinie ist da nicht gezogen , wo
sie sicher ist, nämlich am südlichen, dnrch die Tempel bezeichneten , nnd am östlichen
Abhang, welche beide als schroffe Abhänge auf der Karte charakterisirt sind. Am Nord-
abhang der Rnpe Atenea war vielleicht nicht einmal eine Mauer.
IV-— VII. Selinus. Segesta. Himera. Palagonia und der Palikenseet
Sämmtlich nach den Blättern der Kön. Ital. Generalstabskarte gearbeitet, geben sie zum
ersten Male eine Darstellung der betreffenden Gegenden. In No. V ist insbesondere das
Flusssystem yon Segesta zum ersten Male richtig dargestellt. Nachdem auf älteren und
neueren Karten der Segesta im Süden umschliessende Bach Pispisa vergessen war, hatte
die Karte von Serra di Falco diesen Fehler verbessert, aber es war wieder der Bach
Mendola vergessen. Bei VI ist auch eine Kartenskizze von Gavallari im Bullett. della
commiss. etc. Pal. 1864. 4., No. 2 benutzt worden. — Die Curven dieser Karten bezeich-
nen die von 10 zu 10 Metern steigende Höhe ttbw dem Meere.
Berichtigungen.
S. 333, 20 statt 17 lies 6 und ^.
S. 345, 4 statt "EllMtov lies EXtxiov,
S. 373 lies in der Ueberschrift Kap. 5 statt 4.
Druck von Breitkopf S UArtol in Leiptig.
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und seine Umgegend bis zu den
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i
GESCHICHTE
SICILIENS
IM
ALTERTHUM
VON
AD. HOLM.
ZWEITER BAND.
MIT SIEBEN KARTEN.
LEIPZIG,
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN.
1874.
Das Uebcrsetzungsreclit baben sich Verfasser und Verleger vorbehalten.
MICHELE AMARI
UND
S AVE RIO CAVALLARI
GEWIDMET.
<
Inhaltsverzeichniss.
Viertes Buch.
Erstes Kapitel.
Seita
Erste athenisehe Expedition 1
Zustand SicilieDS 1. Peioponnesischer Krieg 2. Syrakus 3. Kampf mit Leon-
tini 3. Die Athener sehicken ein Heer 4. Messana genommen 5. Messana
wieder verloren 6. Neue athenische Flotte in Sicilicn 7. Friedenscongress zu
Gela 7. Friede S.
Zweites Kapitel.
Grosse athenisehe Expedition. Ursprung and Vorbereitungen B
Leontini zerstört 9. Brikinniai von Leontinern besetzt 9. Sendung des Athe-
ners Phaiax 9. Hülfsgesuch Segesta's in Athen 10. Athenische Gesandtschaft
nach Segesta 10. Krieg von Athen beschlossen 11. Versuche des Nikias, das
Unternohmen rückgängig zu machen 1 2. Verhältniss der Mächte des Westens
zu einander 14. Rüstungen. Vorzeichen 15. Verstümmelung der Hermen 16.
Alkibiades angeklagt 16. Abfahrt 17.
Drittes Kapitel.
Erste Unterneiimungen der Athener IS
Verhandlungen in der syrakusanischen Volksversammlung 19. Kriegspläne der
drei athenischen Feldherren 20. Recognoscirungs fahrt nach Syrakus 22. Ka-
tane geht zu den Athenern über 22. Alkibiades zurückberufen 23. Kleine Un-
ternehmungen. Eroberung von Hykkara 24.
Tiertes Kapitel.
Erster Angriff auf Syrakus 25
Landung am Olympieion 25. Schlacht 26. Rückkehr nach Katane 27. Mass-
regeln der Syrakusaner 28. Verhandlungen in Kamarina 29. Alkibiades in
Sparta 30. Sendung des Gylippos 31.
Fan ft es Kapitel.
Besetzung von Epipolae. Belagerung von Syrakus bis zur Ankunft des Gy-
lippos 31
Massregeln zum Schutze von Syrakus 32. Die Athener besetzen Epipolae 32.
Beginn der Einschliessungsmauer 33. Erstes syrakusantsches Gegenwerk 34.
Zweites Gegenwerte 35. Tod des Lamachos 36. Fortsetzung der Einschliessungs-
mauer. Die Syrakusaner denken an Ergebung 37. Sklavenaufstand in Syrakus 37.
VI In1ialt8verzeichn)88.
Sechstes Kapitel.
« Seite
Ankunft den OylippoH. Yerändemugr der Luge 38
Gylippos landet in Himer» 39. Gylippos in Syrakus, erobert L^bdalon 40. Ni-
kias besetzt Plemmyrlon 41. Sieg des Gylippos 42.
Siebentes Kapitel.
Wachgeiides Uebergewicht der Syrakusaner 43
Des Nikias Depesche 43. Hülfstruppen für Athener und fiir Svrakusaner 44.
Seeschlacht. Plemmyrion von den Syrakusancru genommen Ab. Seegefechte im
grossen Hafen. Fahrt des Demosthenos 47. Niederlage der Griechen durch die
Sikelcr 48. Neue Seetaktik der Syrakusaner 49. Seesieg der Syrakusaner 51.
Achtes Kapitel.
Ankanft des Demosthenes« YoUstiindige Niederlage der Athener 51
Nächtlicher Angriff auf Epipolac und Niederlage der Athener 52—54. Nikias
widersetzt sich der Abfahrt. Mondfinsterniss 55. Seeschlacht 56. Zusammen-
setzung der beiden Heere 57. Letzte Seeschlacht 59—01.
Neuntes Kapitel.
BiickKUg und Untergang der Athener 62
Die Athener am akraischen Felsen 64. Uebcrwindung der Abtheilung des De-
mosthenes 05 , des Nikias 66. Schicksal der Gefangenen 68 — 70. Bedeutung
der athenischen Niederlage 70. 71.
Zehntes Kapitel.
Die Sikelioten in Asien 72
Hermokrates und Tissaphcrnes 72. 73. Schlacht bei Kyzikos 74. Absetzung
und Verbannung des Hermokrates 75.
Fünftes Buch.
Erstes Kapitel.
Einbrach der Karthager. Fall ron Selinns und Himera 77
Gesetzgebung des Dtokles 78. Die Egestäer bitten Karthago um Hülfe 79.
Karthago unterstützt Segesta 80. »Angriff auf Selinus 81. Sciinus erobert 82.
Angriff auf Himera 83. Himera erobert 84. Karthagische Provinz auf Siciiien 84.
Zweites Kapitel.
Fall Yon Akragas 85
Hermokrates in Selinus S5. Tod des Hermokrates 86. Die Karthager gegen
Akragas 87. Reichthum von Akragas 88. 89. Belagerung von Akragas 90.
Akragas verlassen 91.
Drittes Kapitel.
Dionys. Erster Krieg desselben mit den Karthagern 92
Dionys Feldherr 93. D. in Gela 94. D. alleiniger Feldherr 95. D. Tyrann 9«.
Die Karthager vor Gela 97. Schlacht bei Gela 98. KUckzug des Dionys 99.
D. wieder Herr von Syrakus. Friede mit Karthago 100.
Inhal tsverzeiehniss. VII
Tiertes Kapitel.
Befestigung der Macht de» Dionjs. Seine BttHtnngen lül
Ortygia Sitz der Macht des Dionys 101. Empürung der Syrakusaner 102. Ver-
legemieit des D. 102. Rettung durch die Kampauer 102. BUndniss des D. mit
den Spartaneni 103. 104. Katane und Naxus unterworfen; Ilalaisa gegrün-
det 105. Befestigung des Nordabhanges von £pipolae 107. Beschaffung von
Waffen und Schiffen 108. Freundliche Beziehungen zu Lokri 109. Niedermotze-
hing der Karthager in den Griechenstädten HO. Kriegserklärung 110.
FflHftes Kapitel.
Erobemng yon Motye. Belagemng Yon Hyrakas 110
Belagerung von Motye 111. Transport der syrakusanischen Flotte 112. Erobe-
mng von Motye 112. Grosse karthagische Rüstung in. Die Karthager erobern
Messana 114. Seesieg der Karthager bei Katane 115. Belagerung von Syra-
kus 116. Freiheitsgel liste der Syrakusaner 117. Seuche im karthagischen La-
ger 118. Niederlage der Karthager 118—121.
Sechstes Kapitel.
Dionjs nnd Italien. Die Lnknner. Rhegion's Fall 122
Gründung von l^ndaris 123. Unterwerfung sikelischer Städte 123. Angriff
auf Tauromenion 123. Krieg mit den Karthagern unter Magon 124. Angriff
auf Hhe^on 124. Grossgriechenland seit dem Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr.
125 ff. Die Lukaner 127. Neuer Krieg mit den Karthagern 128. Taurome-
nion erobert 128. Neuer Angriff auf Rhegion 128. Niederlage der Italioten
unter Heloris 130. Rhegion's Fall 131. Macht des Dionys 132. 133.
Siebentes Kapitel.
Des Dionys Maeht in Italien. Seine Theilnahme an den Angelegenheiten
erieehenlands 133
Eroberung Kroton's 134. Beziehungen zu Tarent 134. Kolonien im adriatischen
Meere 135. Feldzug in Illyrien 135. Plünderung von Pyrgoi 135. Dionys Bun-
desgenosse Spartas 387 v. Chr. 137; 373 v. Chr. 137; 309 v. Chr. 138: 368
V. Chr. 139. Dionys und Athen 139. Des Dionys Festgesandtschaft in Olym-
pia 140.
«
Aehtes Kapitel.
Ende des Dionys. Charakter nnd Bedentang seiner Regierang 141
Neuer Krieg mit KarÜiago 383 v. Chr. 142. Abennaliger Krieg 379 v. Chr. 1 13.
Proiect der Abmauerung Unteritaliens 143. Letzter Krieg mit Karthago 3(iS
V. Chr. 143. Tod des Dionj^s 143. D. als Staatsmann 144. D. als Finanzmann
144—46. Münzeinheit in Sicilien 140. Argwohn und Grausamkeit des Dionys
147—49. Gottlosigkeit 149. Dionys als Dichter 150. 151. Dichter und Phi-
losophen an seinem Hofe 151. 152. Menschen Verachtung des Dionys 152. 153.
Piaton in Syrakus 153. 154. Geschichtliche Stellung des Dionys 155. 156.
Neuntes Kapitel.
Dienyg II. PUton in Syrakns. Dion's Yerbannnng nnd Bttekkehr 156
Dionys II. und Dipn 157—59. Piaton nach Syrakus 160. Dion verbannt 161.
Platon von neuem nach Syrakus 162. 163. Dion tritt gegen Dionys auf 164. 165.
Dion in Minoa 166. Marsch nach Syrakus 167. Eroberung von Syrakus 168. 169.
Zehntes Kapitel.
8ieiliens Cnltar nnter der dionysischen Dynastie 169
Dichter 170. Philoxenos 176. 171. Telestes; Archestratos 172. Philistos 172.
MUnzen 173. Pythagorecr 173. 174. Luxus in Syrakus 175. Materielles Ge-
deihen 175. 176.
VIII Inhaltsvei'zeichniBB.
Elftes Kapitel.
Seite
Dion's breitere Thaten and sein Ende 176
Dion UDd seine Gcgiier 1T7. Herakieides 177. 178. Niederlage des Philtstos
zur See und Tod desselben 178. 179. Dion nach LeonÜni verbannt 179. Ueber-
fuli von Syrakus durch Nypsios 180. 181. Dion wieder Feldherr 181. Dion
und Pharax 182. Auflösung der Flotte 183. Uebergabe der Burg 184. Ermor-
dung des Herakleides 185. Niedergeschlagenheit Dion's 186. Dion und Eallip-
pos 187. Dion ermordet 188. Stellung und Charakter Dion's 189. 190.
Zwölftes Kapitel.
Nene Bedrflngnisse von Syrakus. Timoleon nach 8icilien 190
Kallippos in Syrakus 190. Das dionysische Haus wieder in Syrakus herrschend
191. 192. Traurige Lage Siciliens 192. 19.}. Die Syrakusaner bitten Korinth
um Hülfe 193. Timoleon 191. Rüstungen Timoleou's 195. T. in Rhegion 196.
T. in Tauromenion 197; in Hadranon 197. Dionys kapitulirt 198. Dionys in
Korinth 199. 200,
DrelzehntesKapiteL
Timoleon befreit ganz Syrakus, siegt am Krlmlsos. Seine letzten Jahre. . 200
Mordversuch auf Timoleon vereitelt 201. Karthager in Syrakus mit Hiketas
verbündet 201. Sieg Neons 202. Abzug der Karthager 203. Ganz Svrakns
l)efreit 204. Zerstörung der Burg 204. Gesetzgebung 204. Amphibie 204.
Griechische Kolonisten nach Syrakus 205. Vertreibung anderer Tymnnen 200.
Rüstungen Karthago's 207. Timoleon gegen sie 208. Sclilacht am Krimisos
208-210. Neue Kämpfe im Osten 211. 212. Friede mit Karthago 213. Schick-
sal des Hiketas 213; des Mamerkos2l4. Wirksamkeit Timoleon s in den übri-
gen sicilischen Städten 215. Timoleon in Syntkus 216. Tod Timoleon's 216.
Seine Bedeutung 217. 218.
Sechstes Buch.
Erstes Kapitel.
ünrahen In Syrakus. Agathokles bemftchtlgt sich der Herrschaft 219
Sagenhafte Jugendgeschichte des Agathokles 219. 220. Ag. als Unterfeldherr
in Italien und Sicilien 221. 222. Ag. aus Syrakus verbannt 222. Ag. nach Sy-
rakus zurUck 223. Ag. Feldherr 223. Ag. bemächtigt sich der Herrschaft 224. 225.
Zweites Kapitel.
Untemehmangen der Akragantlner gegen Agathokles. Neuer Elaidl 4er
Karthager 225
Akrotjitos 226. 227. Stellung des Agathokles 228-^231. Deinokrates 231. Krieg
mit Karthago 232. Schlacht am Eknomos 233. 234.
Drittes Kapitel.
Feldzug des Agathokles in Afrika 235
Fahrt nach Afrika 236. 237. Landung; Verbrennung der Schiffe 237. 238. Ag.
erobert Megalopoiis und Tunes 239. Rüstungen Karthago's 239. Niederlage der
Karthager 240. Fortdauer der Belagerung von Syrakus 241. 242.* Neue Nie-
derlage der Karthager in Afrika 243. UngHicklicuer Sturm der Karthager auf
Syrakus 243. 244. Neuer Versuch der Akragantiner, ihren Einduss auszubrei-
ten 245. 246. Bedrängniss des Agathokles 247. Unentschiedene Schlacht 248.
Ophelias von Kjrene 249. 250. Empörung und Tod Bomilkar's 250. 251. Aga-
thokles nach Sicilien zurück 252. Glücklicher Krieg der Karthager in Afrika
2'>3. 254. Agathokles nach Afrika zurück als König 255. Ende des Krieges
256 - 58.
Inhal tsverzeichnisB. IX
Yiertes Kapitel.
* Saite
Attsbreitangr der Herrtichaft des Agathokles nach Osten. Sein Tod 25S
Behandlung von Segesta 258. Agathokles und Deinokrates 259. 260. Friede
mit Karthago 259. Ag. gegen Grossgriechenland und Kerkyra 261 — 263. Ende
des Agathokles 264.
Fünftes Kapitel.
Literatur der agathokleisehen Zeit 265
Timaios 266 — 69. Dikaiarchos 269 — 72. Euhemeros 272—76. Philemon und
andere Dichter 276. Kunstwerke 276. 277.
Sechstes Kapitel.
Pyrrhos in Sieilien 277
Die Mamertiner 277. Phintias 278. Lage von Syrakus 279. Pyrrhos in Italien
279—281. Pyrrhos in Sieilien 282. Pyrrhos gegen Lilybaion 283. 284. Rück-
kehr des Pyrrhos nach Italien 285.
Siebentes Kapitel.
Hieron U. bis 264 v. Chr. BOckblick auf die politische Entwiekelung Sieiliens. 286
Hieron 286. Hieron wird Feldherr 287. Philistis 288. Macht der Mamertioer
289. Hieron gegen Messana 290. Schlacht am Longanos 291. Hieron König
292. Politische Entwickelung Siciliens 293—298.
Achtes Kapitel.
Die Bnkolik 298
Theokrit 299. Seine epischen Grodichte 301 — 303. Entstehung der bukolischen
Poesie 304 ff. Verbindunff von Poesie und Hirtenlebeu 309. Idyll 7 310—312.
Idyll 16 313. 314. Die bukolischen Dichtungen Theokrit's 315— 318. Charakter
der Bukolik 319. Andere Gedichte Theokrit's 32u. Bion und Moschos 321.
Spätere Entwickelung der Bukolik 322—324.
Neuntes Kapitel.
Die Kunst in derselben Zeit 325
Theater von S>Takus 325—327. Umgebung desselben; Ohr des Dionys 327. 328.
Altar 328. Festung auf Epipolae 328. 329. Geistige £;ntwickelung Siciliens
p30— 34.
Zehntes Kapitel.
Einlieitliclier Charakter der alten sicilischen Geschiehte 334
Die BevülkerunKsve'rhältnisse 336. .'f37. Das MUnzwesen 337. 336. Kunst und
Literatur 338. Eigenthümlicher Charakter der Insel in späterer Zeit 338. 339.
I. Ueber die Quellen der Geschichte Siciliens vom Kriege mit den
Athenern bifi auf Pyrrhos, insbesondere über die des athenischen
Krieges 340
Allgemeines 340. Widerlegung der von Manchen aufgestellten Behauptung, dass
die gelehrten Historiker der Alten in der Regel nur eine Quelle zur Zeit be-
nutzten, mit specieUer Anwendung auf Diodor 340 — 43. Quellen der Geschichte
der grossen atnenischen Expedition 343. Die neueste Ansicht über die Quellen
Plntarch's als unbegründet erwiesen 343 — 45. Untersuchung über die Quellen
X Inhaltsverzeichnlss.
Seite
des plutarchiöchen Nikias 345 ff. Thukydides als Qaclle durch Vergleichung
beider Schriftsteller erwiesen 34(5 — 355. Plutarch's Alkibiades untersucht 355.
356. Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen in Bezug auf die Art der Är^
beit Plutarch's 356. 357. Prüfung Diodor's 357 ff. Ergebniss der Untersuchung
in Bi3zug auf die Art der Arbeit Diodor s 364 und Folgerun^^en daraus 364. 365.
lustinus 3()5. Einziger Ueberrest eines speciell syrakusanischen Berichtes bei
Polyacn 366. Classification der Quellen über die athenische Expedition 367. —
Quellen der Geschichte Dionys' I. 367. Prüfung der Ansicht, dass Timaios ein-
zige Quelle der meisten sicilischen Abschnitte Diodor's sei 367 ff. Nachweis, dass
diese Abschnitte nicht die dem Tiinaios zugeschriebene chronologische Genauig-
keit haben 367. 36S. Die Sicilien betreffenden Details brauchen nicht aus einer
sicilischen Quelle geschöpft zu sein 369. 370. Nichtvorhandensein der timäi-
schen Eigenthümlichkeiten in den sicilischen Stücken Diodor's 371. Ueber-
massige Hervorhebung von Agyrion durch Diodor 371. 372. Diodor XIV, 54—78
als ephorisch nachgewiesen 372. Prüfung Diodor's 372 — 74. Andere Quellen
374. — Dionys II. 374-76. Tiraoleon 376. 377. Agathokles 377—379. Pyrrhos
379. Schlussbemerkuugen über den Zusammenbang der vorliegenden Untersu-
chung 3S0. 381. und die Arbeit der antiken Historiker überhaupt 38J. 382.
n. Topographisches 382
1. Topographie der Belagerung von Syrakus dnreh die Athener 382
H) Arsenal 382. b) Topographie des ersten athenischen Angriffes auf Syrakus
3S3. c) Neue Mauer der »Syrakusaner gegen Epipolae zu 3<44. d) «xp« Tt/i*-
viTig 3S5. e) T^fut'og :i85. f) Leon 385. g) Euryelos 386. h) Labdalon 387.
i) Syke 387. k) Der Kyklos 387. 1) Einschliessungsmauer der Athener 388.
m) Erstes syrakusanisches Gegenwerk 389. n) Zweites Gegenwerk der Syra-
kusaner 391. o) Fortsetzung der athenischen Werke 392. p) Dritte Gegen-
mauer der Syrakusaner 392. q) Athenische Forts auf Plemmyrion 395. r) Letz-
tes Lager der Athener und Kämpfe daselbst 395. s) Heraklestempel 397.
2. Der Rückzug der Athener unter NikiaH und Demosthenes 397
a) Quellen 397. b) Ausgangspunkt des Bückzuges 397.. c) Ziel und Richtung
des Marsches 397. d) Marsch in westlicher Ricntung 399. e; Fortsetzung des
Marsches in veränderter Richtung 4oo.
in. Belege und Erläatenmgen , von denen die wichtigsten hier auf-
gezählt sind 402
Viertes Buch.
Erstes Kapitel -. . . . 402
Bevölkerungszahl Siciliens 402. Kamarina und Morgantine 403. Beziehungen
der Athener zum Westen 4o4. Peripolion 405.
Zweites Kapitel 405
S. Basilio 405. Athen und Segesta 406. Vorbedeutungen 407. Adonisfest 407.
Hermokopiden 408.
Drittes Kapitel 4os
Militärische» 40S. Aufnahme der Athener 409. Völkerrechtliches 409. Lais 410.
Zahl der Hykkarer 411. Sikeler 411.
Viertes Kapitel . 412
Militärisches 412. Tyrrheuer 412.
Fünft es— Achtes Kapitel 412-414
Neuntes Kapitel 4M
Chronologisches 114. NumismatischcH 415. 4lt>
Zehn t es Kapitel 417
Inhültsverz^cbniBs. XI
Fünftes Bach.
Seit«
Erstes Kapitel 417
Diokles 417. Syrakusanische Verfassung 418-20. Kampf gegen ScUnos 421.
Topographisches über Selinus 422. 4^:^. Uiinera 423.
Zweites Kapitel 424
Thermae 424. Kampf gegen Akragas 425. Topographisches 426. 427.
Drittes Kapitel 427
Dionys 1. 427. Schlacht bei Gcla; Topographisches 429.
Ylertes Kapitel 430
Eiitella 430. Aetna 430. Nakond ; Numisroatisches 430. Die Kampaner; Numis-
matisches 431. Naxos; Numismatisches 432. Hadranon 432. Halaisa 433.
Fünftes Kapitel 434
Belagerung von Motye 434. Topographie der Belagerung von Syrakus 436.
Sechstes ICapltel ^ .436
Tyndaris 437. Tauromenion 437. Grossgriechenland 438. Kaulonia 439. Er-
oberung Rhegion's 439.
Siebentes Kapitel 440
Terina440. Beziehungen des Dionys zu den Ländern des adiiatischen Meeres 440.
Pyrgoi 441. Dionys und die Tarentiner 442. Dionys und Konon 442. Dionys
und Sparta 442. Dionys und Athen 442. Ües Dionys Gesandtschaft nach
Olympia 442. Diotiys und Artaxerxes 442.
Achtes Kapitel 443
Krieg mit Karthago 443. Flnanzwifthschaft des Dionys 443. Erläuterung von
Pollax IX, 79 444. Uebersicht der in Sicilien zur Zeit von Dionys I. ihrer
ursprünglichen Einwohner beraubten Städte 446. Münzen der Karthager in Si-
cilien 447. Münzen mit AJA 447. Grausamkeit des Dionvs 448. Behandlung
von Verwandten 448. Dionys und Damokles 448. Die Geschichte von den zwei
Freunden 448. Dionys Dichter 449. Geistreiche Worte des D. 449. Schrift-
steiler an seinem Hofe 450. Dionys und Piaton 450. Familie des Dionys 451.
NettntesKapltel 452
Erste Zeit der Regierung des jüngeren Dionys 452. Dion 453. Piaton bei
Dionys 453. Entfernung Dion's 453. Entlassung Platon's 454. Dritte Heise
Piaton's 454. Dion nach Syrakus 454.
ZehntesKapltel 455
Karkinos 455. Philoxenos 456. Archestratos 456. Philosophen in Syrakus
456. 457. Der Widder 457. Stempelschneider; Numismatisches 457-^59. Dio-
nysios und Dionysos 459.
■
Elftes Kapitel 460
Kypsioß 460. Topographisches Über Achradlna 461. Pharax 461. Dion's Ge-
Binilung46l. Kallippos461. Angebliche Münzen Dion's 462. 463.
Zwölftes Kapitel 463
Timoleon 463. Kallippos 463. 464. Familie des Dionys 464. Frühere Geschichte
Timoleon's 464. Zeit der Eroberung von Syrakus 466. Dionys in Korinth 466.
Dreizehntes Kapitel 467
Die Bruttier 467. Umfang der Achradina 468. Amphipolos 468. Feldzug gegen
die Karthager 469. Der Krimisos 470. Friede mit Karthago 471. Zur Cha-
rakteristik Timoleon's 472. Münzen des Timoleon 473.
XII Inhaltavcrzcichaiss.
Sechstes Buch.
Seite
Erstes Kapitel 474
Ägathokles 474. Jugend des Agathokles 474.
Zweites Kapitel 475
AkrotatoB 475. Schlacht am^jEknomoB 475.
Drittes Kapitel 476
Zug des Agathokles nach Afrika 476. Weiss-Tunes 476. Bomilkar 477. Ky-
rene 477. Kephaloidion und Herakleia; Numismatisches 477. Die £trusker
478. Das Jahr 306 478.
Tiertes Kapitel 479
Kleonymos 479. Kerkyra 479. Tod des Agathokles 480.
Fttnftes Kapitel 48o
Timaios 480. Dikaiarchos 480. Euhemeros 481. Pbilemon 482. Kallias, An-
tandros 482. Kunstwerke 483. Münzen des Agathokles 483.
Sechstes Kapitel 485
Die MamerLiner in Messana 485. Hiketas 487. Phintia» 487* Pyrrhos in Sici-
lien 488. Münzen des Pyrrhos in Sicilien 489.
Siebentes Kapitel. 490
Pintia und Liparo bei Piautas 490. Hieron 49u. Philistis 491. Chronologi-
sches 492. Genealogie des Agathokles und Hieron 494.
Achtes Kapitel 493
Theokrit's Leben 493. Die Bukolik 496. Idyll 7 497. Daphnis 498. Orien-
talisches in Id. 18 499. iMXXiop 500. Bion und Moschos 500. ßovxoXog ßov-
xoXftxCfn' 500. 501. Moderne Analogien 501.
NeuntesKapitel 502
Das syrakusanische Theater 502. Inschriften desselben 502. Gegend oberhalb
des Theaters 503. Altar 504. Festung auf Epipolae 504.
IV. Zu den Karten unä Plänen 505. 506
Nachtrag zu S. 137.
Dass im J. 393 Athen bemüht war, sich mit Dionys gut zu stellen, sieht man aas
dem 1802 gefundenen Rathsbeschlusse, in welchem Dionys mit seinen zwei Brüdern und
Philoxenos geehrt wird. Siehe Hermes III, 157 mit d. Erläut. Köhler's, Schöne, Griech.
Reliefs Nr. 49 und Curtius GGesch. IIP 531. Der Antragsteller Kinesias zeigt, dass
man an die poetischen Liebhabereien des Diofiys anknüpfte. Ob aber nicht dennoch
statt Philoxenos Polyxenos, Schwager Dionys*, zu lesen ißt? Wenn die weibliche Figur
rechts wirklich eine Fackel trägt (Bötticher, Verz. d. AbgUsse, Nr. 296), kOnnte sie
doch wohl die Sicilien repräsentirende Demeter sein.
Viertes Bnch.
Erstes Kapitel.
Erste athenische Expedition.
Xn den ersten Jahrzehnten der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts
w Chr. bot Sicilien einen Anblick , so befriedigend, wie kaum jemals vorher
oder nachher. Es war den Griechen gelungen , sich zu Herren der Insel zu
machen, nicht in äusserlicher Hinsicht — denn viel fehlte daran, dass alle Be-
wohner derselben sich ihren Geboten gefügt hätten — aber wohl in geistiger
Beziehung. Nachdem sie unter Gelon den Angriff der Karthager zurück-
geschlagen, nachdem das republikanisch geleitete Syrakus die aufstrebenden
^ikeler nicht ohne Anstrengung gedemUthigt, da entfaltete sich frei und un-
gehemmt die Macht der hellenischen Bildung über die ganze InseK Und diese
Bildung hatte eine hohe Stufe erreicht, derjenigen, auf welche das Mutterland
stolz war, wohl zu vergleichen. Versetzen wir uns im Geiste unter die Trüm-
mer von Akragas und Selinus, wo kürzliche Ausgrabungen gezeigt haben, dass
erosige und umsichtige Forschung noch sehr viel Wichtiges an diesen alten
Kulturstätten zu Tage zu fördern vermag, und wir stehen vor Monumenten
von ungemeiner und eigenthümlicher künstlerischer Bedeutung ; erinnern wir
uns in Betreff der Literatur an die aus Sicilien hervorgegangene Rhetorik, und
wir haben zugleich den Beweis, dass die sicilische Kultur keineswegs bloss ein
Abglanz derjenigen des Mutterlandes war. Als in Athen im Jahre 423 Aristo-
phanes in seinen Wolken den Stab über eine ihm verderblich erscheinende
kürzlich aufgetauchte Bildungsrichtung brach, da veruitheilte er Bestrebungen,
die von Sicilien ausgegangen und von Siciliern nach Athen verpflanzt waren.
Die griechische Bildung war aber um diese Zeit nicht auf die hellenischen
Städte der Insel beschränkt. Wir können durch die Münzen nachweisen und
haben dies bereits im ersten Bande angedeutet, dass Sikeler, Elymer und
Phönicier der Insel so gut wie hellenisirt waren. Die den Griechen keineswegs
unterworfenen Bewohner von Panormos und Motye bezeichneten ihre Münzen
Holm, Gcficb. Stcilienp. II. |
^
2 Viertes Bück I. Erste athenisclie Expedition.
mit hellenischeD Inschriften; ihnen war also die hellenische Sprache gelüuiig,
und sie stellten sich dem hellenischen Wesen nicht schroff gegenüber. Ungeachtet
einzelner Feindseligkeiten j zumal unter den Griechen selbst , herrschte denn
auch in dieser Zeit grosser Wohlstand auf der Insel, und wir haben Grund an-
zunehmen , dass die Einwohners^ahl eine sehr bedeutende war und nicht viel
weniger als 3^2 Millionen, Freie und Sklaven zusammengerechnet, betrug.
Etwa äO Jahre später ist das alles anders geworden. Statt des Friedens
Krieg, statt des Wohlstandes Elend, statt des Ueberwiegens des Hellenenthums
Umsichgreifen der Karthager. Dennoch sind es nicht die Karthager, die diese
Epoche der Noth und Knechtschaft für Sicilien herbeiführen, es sind die
Athener mit ihrem Angriff auf Syrakus. Wenn auch die Syrakusaner
aus ihm als Sieger hervorgehen, so hat der furchtbare Krieg doch an ihrer
Kraft gerüttelt, und als nun kurze Zeit darauf die Karthager mit ganz anderem
Nachdruck über die Griechen der Insel herfallen, da vermag die Freiheil
keinen Widerstand mehr zu leisten, und Syrakus wirft sich einem Tyrannen
zu Füssen. Auch hier hat die Uneinigkeit der Griechen, ihr alter Fehler, den
Barbaren den Sieg ermöglicht.
Indem wir nun zur Erzählung der Begebenheiten übergehen, deren Schau-
platz seit dem Anfang des peloponnesischen Krieges Sicilien war, kann es
unsere Absicht nicht sein , diesen Krieg, dessen entscheidendste Episode die
athenische Expedition nach Syrakus bildet, in seinem übrigen Verlaufe zu
erzählen. Wir müssen uns darauf beschränken, an die bekannte Thatsache zu
erinnern , dass seine Ursache der Gegensatz zwischen den beiden Stämmen
der Dorier und lonier war, und dass die Zusammensetzung der Bundes-
genossenschaft^n der zwei kriegführenden Städte hauptsächlich auf diesem
Princip beruhte. Der Streit wurde anfangs nur um Interessen des hellenischen
Mutterlandes geführt, aber es ist klar, dass die in Hellas begonnene Bewegung
sich in weitere Kreise verpflanzen musste, und zu den Ländern , die in den
Wirbel hineingezogen wurden, gehörte vor allen Sicilien.
Hier hatte sich der stets vorhandene Gegensatz der beiden Stämäie nie-
mals in besonderer Schärfe geäussert, obschon es an Veranlassung zum
Streite zwischen Donem und loniem nicht fehlte. Ihre Macht war nicht in
gleicher Weise gewachsen. Verschiedene Umstände hatten bewirkt, dass
einige dorische Gemeinwesen eine Stellung erlangten, wie sie den loniem auf
Sicilien niemals zu Theil wurde. Doch waren Syrakus und Akragas unter
sich nie so einig , dass sie an eine Verfolgung des ionischen Stammes als sol-
chen hätten denken können. Erst der Ausbruch des peloponnesischen Krieges
brachte die auf der Insel stets vorhandenen Spannungen zwischen einzelnen
Stadtgemeinden in engere Beziehung zu den Nefgungen und Abneigungen , die
sie vermöge ihrer Herkunft hatten, ohne jedoch selbst jetzt eine vollständige
Spaltung nach Stämmen hervorzurufen.
Dagegen ging das Bestreben der im Mutterlande kämpfenden Griechen
bald dahin, die Kräfte Siciliens sich nutzbar zu machen. Bekanntlich stritten
die Athener an der Spitze oder mit den Mitteln von Unterthanen, die Spartaner
als Leiter eines Bundes von Stammesgenossen, und so ist es erklärlich, dass die
letzteren zuerst den Versuch machten, die Kräfte der ihnen verwandten sici-
Peloponnesischcr Krieg. Syrakus. S
lischcD Staaten für den grossen Kampf zu gewinnen. Gieich im ersten Kriegs-
jahre, im Frühling 434 , äusserten die Spartaner die Absicht, eine Flotte von
500 Schiffen zu sammeln, von denen die Bundesgenossen in Italien und Sieiiien
einen beträchtlichen Thcil liefern sollten. Sie sollten auch Geldmittel herbei-
schaffen, fürs erste aber sich nicht auf Feindseligkeiten gegen die Athener ein-
lassen, sondern, so lange diese sich nur mit einseinen Schiffen in den sicili«
sehen Gewässern sehen liessen, sie freundlich aufnehmen wie bisher. Diese
von den Korintfaern eingegebenen Pläne kamen niemals 2ur Ausftlhrung. Die
entfernteren Städte Siciliens, wie Selinus und besonders Akragas, waren
überhaupt abgeneigt, der Aufforderung Folge zu leisten, und Syrakus setzte
lieber die seit einiger Zeit mit Glück eingeschlagene Politik fort, sich die klei-
neren Staaten der Insel, zu denen auch die ionischen gehörten, zu unterwerfen,
eine Politik, die dann freilich die directe Einmischung der Athener nadi
sich zog.
Syrakus hatte noch ungefähr denselben Umfang wie zur Zeit Gelon's und
Hieron's. An Achradina, das mit Ortygia die eigentliche Stadt ausmachte und
durch Tyche verstärkt war, lehnte sich eine offene Vorstadt, deren Mittelpunkt
das Heiligthum des temenitischen Apollon bildete; jenseits- des Anapos um*
gaben Wohngebäude den Tempel des olympischen Zeus. Zu Lande wie zur
See war sie mächtig. Noch immer war Megara, wozu Gelon es gemacht hatte,
ein Kastell der Syrakusaner, aber die sikelischen Städte beherrschte Syrakus
nicht mehr alle wie zur Zeit, da Duketios besiegt war, ohne dass wir zu sagen
vermöchten, wann sidi die ferner gelegenen unabhängig machten; die unter-
worfenen zahlten Steuern. Syrakus besass eine Kriegsflotte , für welche sich
in beiden Häfen Vorrichtungen befanden f aber sie war nicht bedeutend, und
gerade hierin war ein ziemlicher Rückschritt gegen die Tyrannenzeiten bemerk-
bar. Der Reichthum der Bürger beruhte hauptsächlich auf dem Handel;
Sieiiien versorgte den Pelopoones mit Korn, und es ist nattlrlieb, dass Syrakus
an der Arbeit wie an dem Gewinn , der daraus erwuchs , den Hauptantheil
hatte. Die Verfassung war demokratisch ; über die wichtigsten Angelegen*-
bellen entschied die Volksversammlung; di^ Executive lag in den Händen von
4 5, wohl jährlich gewählten Feldherren. Doch gab es eine nicht unbeträcht--
liebe aristokratische Partei, der Heimath eben so treu ergeben, wie die Anhänger
der herrschenden Demokratie.^ Diese Partei wäre nicht abgeneigt gewesen,
den Spartanern und Korinthern beizustehen, aber der Menge sagte eine so weit
aussehende Unternehmung nicht zu; sie zog es vor, die Ueberlegenheit der
Stadt über ihre sioiliscben Nachbarn geltend zu machen.
Ihre ersten Anstrengungen waren gegen Leoniini gerichtet, und während
ihnen die übrigen dorischen Stttdte, mit einer Ausnahme, zur Seile standen,
hatten die Leontiner die chalUdischen Städte und Kamarina, das über Mor-
gantine mit Syrakus in Streit war, für sich. Auch die nächstgelegenen
italischen Städte wurden in den Krieg verwickelt. Rhegion stand auf der
Seite des stammverwandten Leontini, Lokri dagegen war, wie zur Zeit Hieron's,
mit Syrakus verbündet. Wann die Fehde ausbrach, wissen wir nicht; im
fünften Sommer des peloponnesischen Krieges aber (Ol. 8R,2 — 427 v. Chr.)
war sie bereits für die Syrakusaner so weit erfolgreich gewesen, dass Leontini
4 Viertes Buch. I. Erste athenische Expedition.
eingeschlossen war und die Leontiner fürchten mussten , zu unterliegen. Sie
baten Athen um Hülfe, durch eine Gesandtschaft, deren angesehenstes Mitglied
Gorgias war. Die Vorstellungen der Leontiner , von einem Manne wie Gor-
gias vorgetragen, wirkten auf empfängliche Gemüther. Es lag der Gedanke
ausserordentlich nahe, dass der erfolgreiche Kampf der Syrakusaner gegen
Leontini die Einleitung zu einer Theilnahme jener machtigen dorischen Stadt
am Kampfe gegen Athen sein würde ; dem musste vorgebeugt werden. Femer
sagte man den Athenern , dass die Flotte der dorischen Städte Siciliens das
Meer beherrsche , und auch diesem bedenklichen Zustande war ein Ende zu
machen. Es kam der Wunsch hinzu, die Zufuhr von Getreide aus Sicilien dem
Peloponnes abzuschneiden, und endlich machte sich die Meinung geltend, dass
nunmehr der Moment gekommen sei; die Insel Sicilien mit ihren reichen HUlfs-
quellen jeder Art in den athenischen Unterthanenverband hineinzuziehen.
Denn der Gedanke an eine Ausbreitung ihrer Macht nach dem Westen hin, den
sie schon zur Zeit der PerserkiHege , als man an die Kolonisation von Siris
dachte und später, da Tburii gegründet wurde , lebhaft in^s Auge fassten,
war den Athenern besonders seit der Zeit geläufig geworden, wo sie mit den
Kerkyräem ein Bündniss schlössen. Damals hatten deren Gesandte sie darauf
aufmerksam gemacht , wie günstig ihre Insel gelegen sei , um den Verkehr
zwischen Sicilien und Griechenland zu beherrschen. So gingen die Athener
auf die Bitte der Leontiner ein und sandten eine kloine Flotte von 20 Schiffen
^ unter Laches und Gharoiades nach Sicilien.
Die Aufgabe der Feldherren war eine doppelte. Einmal sollten sie den
Leontinern gegen Syrakus Hülfe bringen, dann aber auch das Terrain für
eine etwa nachfolgende grössere Expedition recognosciren . Die Flotille fuhr nach
Rhegion , wo sich die Bundesgenossen , vor allen die Rheginer selbst , den
Athenern anschlössen, und das hinfort als Stützpunkt für die Angreifenden
diente. Im Sommer 427 geschah nichts, und dieser Beginn der Expedition gab
ein Abbild im Kleinen des gesammten ersten athenischen Krieges, der, wie
wir sogleich im Einzelnen sehen werden, höchst kläglich geführt wurde. Die
athenischen Feldherren haben keinen der beiden Zwecke, die sie verfolgen
sollten , ordentlich in^s Auge gefasst , sie haben ihre Macht in kleinen Unter-
nehmungen ohne Nutzen verschwendet und die zufüllig erreichten Vortheile
nicht einmal zu behaupten gewusst. Diesen Charakter trug gleich der erste
Zug, den sie endlich im Winter 427/6 unternehmen, und der gegen die lipari--
sehen Inseln gerichtet war. Man wählte den Winter, weil man auf diesen
Inseln, bei dem Mangel derselben an Quellen, auf das in Cistemen gesammelte
Regenwasser angewiesen war, eine Kriegführung in der regenlosen Sommer-
zeit also zu schwierig gewesen wäre. Doch beschränkte sich der Feldzug,
welcher den Leontinern wenig nützte, auf die Verwüstung der Aecker. Wenn
wir nun erfahren , dass im Anfange des folgenden Sommers, 426 v. Chr.,
Gharoiades gegen die Syrakusaner fiel , so ist es möglich, dass dies auf einem
mehr nach Leontini zu unternommenen Zuge geschah, bei welcher Gelegenheit
sich die Athener auch überzeugt haben werden , dass viele Sikeler ihnen bei-
zustehen bereit waren. Nach des Gharoiades Tode dagegen kümmerte sich der
nunmehr einzige Feldherr Laches noch weniger um Leontini. Er wandte sieh.
Kleioe Unternehrnuagen der Athener. Messana gewonnen. 5
als käme es~ nur darauf an, - überhaupt das Heer zu beschäftigen, gegen das
messanische Kastell Mylai. Die Besatzung baute auf einen Hinterhalt, den sie
den an^s Land steigenden Athenern bereiten wollte. Der Anschlag misslang
aber, und nun ergaben sich die Vertheidiger der Burg und zogen sogar mit den
Athenern gegen Messana. Die Bewohner dieser Stadt waren durchaus nicht
alle auf dorischer Seite. Das chalkidische Element der alten Zankleer war
keineswegs ausgerottet, und manche Ein wohner hatten, ihi*er Herkunft wegen,
Sympathien für Athen. So kam es, dass bei der Annäherung der Athener die
Messenier zu ihnen übergingen und Geiseln als Unterpfänder ihrer Treue
gaben. Das war denn allerdings ein Erfolg für die Athener, den sie für weitere
Fortschritte in Sicilien hätten benutzen sollen. Aber statt dessen machten sie
zunächst nur einen Einfall in das Gebiet von Lokri, wo sie^das kleine Kastell
Peripolion am Grenzflusse Halex nahmen. Im Winter 426 wurde endlich ver-
sucht, dem Feinde auf den Leib zu rücken. Man griff auf den Vorschlag einiger,
von den Syrakusanem abgefallener Sikeler, die dabei ihre eigenen Interessen
zu fördern suchten , das syrakusanische Kastell Inessa (Aetnaj an. Aber dies
Unternehmen, das erste , das sie überhaupt in die Gegend von Leonüni führte,
missglückte gänzlich. ' Den Athenern gelang der Rückzug ; die zuletzt ab-
ziehenden Bundesgenossen aber erlitten durch die Besatzung von Inessa grosse
Verluste. Laches selbst scheint nicht bei dem Zuge gewesen zu sein, wir
sehen ihn bald darauf wieder mit den beliebten kleinen Unternehmungen im
Norden beschäftigt, die nur beweisen, dass er in Verlegenheit war, wie er die
Zeit hinbringen sollte. Er besiegte am italischen Flusse Kaikinos ungefähr
300 Lokrer unter Proxenos , um dann eine ähnliche Landung im Gebiete von
Himera zu unternehmen, die von den mit den Athenern verbündeten Sikelem
durch einen Einfall von den Gebirgen des Innern aus unterstützt wurde. Doch
hatte diese Landung ebenso wenig Erfolg, wie eine dritte auf den liparischen
Inseln, und Laches kehrte nach solchen zweck- und planlosen Thaten ge-
gen Ende des Winters nach Rhegion zurück. Hier fand er einen neuen Feld-
herm vor, den Pythodoros, den die Athener mit einigen Schiffen einer grosse-
ren, nach Sicilien bestimmten Flotte vorausgesandt hatten, und der dem
Laches den Befehl überbrachte, nach Athen zurückzukehren, wo er sich, von
Kleon angeklagt, verantworten sollte.
Der Entschluss der Athener, mit mehr Nachdruck in Sicilien aufzutreten,
war durch ein neues Bittgesuch der Leontiner und ihrer Bundesgenossen ver-
anlasst worden, welche besonders darauf aufmerksam machten, dass die
Syrakusaner eine neue Flotte ausrüsteten. Man beschloss deshalb im nächsten
Frühjahr 40 Schiffe unter Sophokles und Eurymedon nach Sicilien zu schicken
und sandte einstweilen Pythodoros vorauf. Dieser glaubte sogleich die Athener
in^s Feld führen zu müssen, aber schon sein erstes Unternehmen misslang. Er
griff im Gebiete von Lokri dasselbe Kastell an , das früher Laches genommen
hatte, wurde aber geschlagen und musst« sich zurückziehen.
Die von den Athenern angekündigte , aber noch nicht abgesandte Flotte,
welche überdies erst spät Sicilien erreichen sollte, brachte ihnen zunächst kein
Glück ; denn die Syrakusaner wurden dadurch veranlasst, noch vor der An-
kunft derselben einen Hauptschlag zu führen. Der einzige Punkt von Be-
6 VlerlcB Buch. I. ferste athenische Expedition. ^
<]eu(UQg7 den die Feinde ein^^enommen hatten, war Messana, dessen Spallung
in Kviei entgegengesetzte Parteien nunmehr den Syrakusanern zustatten kam.
Sie knüpften Verbindungen mit den Unzufriedenen, d. h. den Doriern daselbst
an und verständigten sich mit den Lokrern , die sich bereit erklürten, durch
einen Einfall in das Rheginische den Angriff der Syrakusaner auf Messana zu
unterstützen. Der Anschlag gelang ; die Lokrer siegten, und Messana ging zu
den Syrakusanern über. Wo die athenische Flotte war, deren Anwesenheit in
Messana oder wenigstens in Rhegion jetzt recht nützlich gewesen wäre, wissen
wir nicht. Nach erreichtem Erfolg zogen die Lokrer ihr Landheer aus dem
verwüsteten Gebiete von Rhegion zurück und Hessen nur ihre Schiffe in
Messana. Die Syrakusaner machten es mit den ihrigen ebenso, und ausserdem
rüsteten beide Städte neue Schiffe aus, die, mit den in Messana schon vor-
handenen vereinigt, die Athener und Rheginer angreifen sollten. Man hoffte
noch vor Ankunft der neuen athenischen Flotte die Feinde zu besiegen. Es
kam sogar früher zur Schiacht, als die Dorier beabsichtigt hatten , deren Flotte
jdoch nicht vollständig versammelt war. Die einander in der Meerenge gegen-
überliegenden Streitkräfte, 30 dorische und 24 feindliche Schiffe gertethen um
den Besitz eines hindurchfahrenden Handelsschiffes in Kampf. Die Athener
siegten; ihre Gegner, die übrigens nur ein einziges Schiff verloren, da die
Nacht dem Kampfe bald ein Ende machte, zogen sich schleunigst zurück und
begaben sich in den Schutz der beiden Lager, des syrakusanischen an der
sicilischen Küste und des lokrischen nördlich von Rhegion. Dieser Sieg der
Athener hatte nur die eine gute Folge für sie , dass die Lokrer ihr Land-
heer zum zweiten Male aus dem Gebiete von Rhegion zurückzogen, verleitete
sie aber zu weiteren gänzlich nutzlosen Unternehmungen gegen die Flotte ihrer
Feinde. Die Dorier vereinigten nämlich ihre Schiffe am Vorgebirge Peloros,
um sie unter dem Geleite des Landheeres die Küste entlang nach Measana zu
schaffen. Während sie nun noch dort lagen, versuchten die Athener und
Rheginer, sie zu nehmen, aber ohne Erfolg; ein athenisches Schiff wurde
s<^ar erobert , nur die Mannschaft konnte sich durch Schwimmen reiten.
Hierauf lieissen die Syrakusaner sieh nach Messana schleppen. Die Athener
erneuerten ihi*en Angriff, aber mit eben so wenig Glück. Mit geschickten
Seitenwendungen kamen die Dorier den Feinden, deren Bewegungen so nahe
dem Ufer nicht frei waren, zuvor und vernichteteki wieder ein athenisches
Schiff. So gelangten sie in den Hafen von Messana, wo sie sich eine Zeitlang
ruhig hielten. Dies änderte sich aber, als die Athener, auf die Nachricht, eide
Partei in Kamarina , unter der Anführung des Archias, gehe damit um , die
Stadt den Syrakusanern zu überliefern, dahin abfuhren. Nun rückten die
Messenier, begierig eine Kriegsthat zu vollführen , eilig mit Land«- und See^
macht gegen die nächste feindliche Stadt, gegen Naxos. Am ersten Tage
verwüsteten sie das naxische Gebiet nördlich vom Flusso Akesines; am fol-
genden das südlich davon gelegene und griffen die Stadt selbst an; da kam
den Naxiern eine unerwartete Hülfe. Grosse Massen von Sikelern warfen sich
vom Gebirge auf die Messenier. Die Naxier glaubten nicht anders, als dass die
Leontiner Ihnen zu Hülfe kämen, brachen aus der Stadt hervor und fielen
ebenfalls über die Messenier her, die nun, von zwei Feinden in die Mitte
Kampfe bei Naxos. Ankunft der alheuiscben Flotte. Congress zu Gela. Friede. 7
genommen , eine voilstänüige Niederlage erlitten. Sie verloren mehr als
tausend Mann, und als die Uebrigen eilends nach Hause flohen , wurden sie
von den überall den schmalen Uferpfad beherrschenden Höhen herab durch die
Sikeler angegriffen und die meisten getödtet. Die Flotte gelangte unbeschädigt
in den Hafen von Messana , wo sie sich auflöste. Inzwischen war auch die
athenische Flotte vonKamarina, wo sie für den Augenblick ihren Zweck erreicht
halte, zurückgekehrt und die Befehlshaber verabredeten mit ihren Verbündeten
einen Angriff auf Messana. Doch wurden die zu Lande operirenden Bundes-
genossen geschlagen und nur durch die Athener, die zur rechten Zeit an's Land
stiegen, gerettet. Diese errichteten Siegeszeichen, konnten aber die Stadt
nicht erobern; sie gingen nach Rhegion, ihrem Lager- und Vorrathsplatze
zurück und Hessen die Sikelioten für's erste ihre Fehden allein ausfechten.
Mittlerweile war die nach Sicilien bestimmte athenische Flotte unter Eu-
rymedon und Sophokles noch durch andere Unternehmungen aufgehalten
worden; anfangs bei der Insel Sphakleria, wo die Gefangennahme der Spar-
taner endlich durch Kleon ausgeführt wurde , sodann bei Kerkyra , wo das
Volk Hülfe gegen die aristokratische Partei brauchte, und so kam sie erst spät
im Jahre 42o in Sicilien an , wo sie ohne merklichen Erfolg am Kriege theil-
nahm. So verging der Winter 4^5/i und ein Theil des Sommers des Jahres
424 ohne wichtige Vorfälle. Die Schuld lag theilweise an dem Mangel an Unter-
nehmungsgeist der athenischen Feldherren, theilweise aber daran , dass unter
den sicilischen Verbündeten der Athener eine kältere Stimmung gegen sie
Platz zu greifen anfing. Der Zweck, den sie verfolgten, als sie die Athener
herbeiriefen, schien erreicht ; die dorischen Städte bedrängten sie nicht mehr.
Diese Städte waren allerdings noch lange nicht gedemüthigt; Syrakus ins-
besondere hatte noch wenig gelitten , aber musste das überhaupt geschehen ?
Führte nicht vielleicht eine Deraüthigung der Syrakusaner durch Athen zu
einem gefährlichen Uebergewicht dieser mächtigen Stadt auf Sicilien ? Wenn
die Syrakusaner dahin zu bringen waren, einen festen Frieden mit den.cbal-
kidischen Städten abzuschliessen , war' das nicht Alles, was diese wünschen
konnten? Die Athener konnten leicht auch später, wenn die Noth drängte,
wieder um Hülfe gebeten werden. So dachten Viele in den chalkidischen
Städten; Kamarina konnte sich ausserdem noch den Vorwurf machen, mU
loniem gegen dorische Verwandte gekämpft zu haben. Andererseils hatten
aber auch die Syrakusaner eingesehen, dass sie sich umsonst bemühten, gegen
Athener und Sikelioten zugleich zu kämpfen; sie glaubten nichts zu verlieren^
wenn sie einstweilen mit den chalkidischen Städten Frieden schlössen , falls
nur in Folge dieses Friedens die Athener nach Hause zurückkehrten. Die
Neigung zum Frieden führte den -Abschluss desselben baldherbeL Von Gela
gingen die Verhandlungen aus« Die Geloer schlössen zuerst mit Kamarina
einen Waffenstillstand, dann bewogen sie auch die übrigen griechischen Städte
der Insel, Gesandte nach Gela zu einem allgemeinen Friedenscongresse zu
schicken. Hier vertrat Syrakus Hermokrales, Hermon^s Sohn, ein vornehmer
Mann und einsichtsvoller Politiker« Seine Auseinandersetzung der Lage und
der Interessen Siciliens fiand den Beifall der Mehrheit. Er hob besonders her-
vor, dass es gefährlich sei , Athen zu iQächtig auf Sicilien werden zu lassen,
8 Viertes Buch. II. Grosse alheoische Expedition. Ursprung und Vorbereitungen.
das es ja doch nur unterjochen wolle. Er appeliirte an den siciiischen Palrio-
tismus der Gegner von Syrakus ; nie dürfe man Fremde in den inneren Streitig*
ketten zu Hülfe rufen. Wenn die übrigen Gesandten auch nicht verkennen
konnten, dass Hermokrates vorzugsweise zu Syrakusens Vortheil seine Theorie
von dem Femhalten der Fremden aufstellte , so hatte doch die Idee des ee-
meinschaftlichen , meerumflossenen Vaterlandes etwas sehr Bestechendes und
sie gingen auf den Frieden ein. Er wurde unter der Bedingung geschlossen,
dass jede Stadt im Besitze dessen, was sie hatte, bleiben sollte — nur Kama-
rina erhielt gegen eine, den Syrakusanern zu zahlende Geldsumme Morgantine.
In den Vertrag wurden auf den Wunsch der chalkidiscben Städte auch die
Athener eingeschlossen ; die Lokrer allein weigerten sich, mit ihnen Frieden zu
schliessen. Bei dieser Einigkeit der siciiischen Griechen hatten die athenischen
Heerführer keine Wahl , als ebenfalls den Frieden anzunehmen und mit der
Flotte nach Hause zurückzukehren f4S4 v. Chr.' . In Athen wurden sie schlecht
aufgenommen. Man hatte geglaubt, eine solche Macht würde ganz Sicilien
unterwerfen, und beschuldigte sie, von den Feinden bestochen zu sein. Pytho-
doros und Sophokles wurden verbannt, Eur\'medon mit einer Geldstrafe belegt.
Allerdings zeigte die athenische Demokratie gegen Feldherren nicht selten eine
launische Strenge; hier Itesse sich aber die Frage aufwerfen, womit sich diese
Feldherren denn eigentlich den W^inter und den Sommer, die ihrer Abfahrt nach
Athen vorhergingen, beschäftigten, und ob man eine so grosse Flotte ausgeschickt
hatte, damit sie Monate lang unthätig in Rhegion liegen sollte?
Dies war der Ausgang des ersten Versuches der Athener, sich auf Sicilien
festzusetzen, eines Versuches, der, für den Augenblick wenigstens, die Sike-
lioten nur vereinigte. In dieser Hinsicht ist das Auftreten des Hermokrates von
grosser Bedeutung ; die siciiischen Griechen fühlen sich als die Vertreter von
ganz Sicilien, wo Sikeler und Phönicier kaum mitzShIen und Athener Fremd-
linge sind. Es ist die beste EriSiuterung des im Anfange dieses Abschtiitts
Dargelegten.
Zweites Kapitel.
Grosse athenische Expedition. Ursprang and Torbereitnngen.
Die Einigkeit unter den Sikelioten dauerte nicht lange. Stammeseifersucht
und Parteihass versetzten die Sachen schnell wieder in den Zustand, der im
Jahre 427 zur Herbeirufung der Athener geführt hatte. Leontini fiel bald in
einer vielleicht nur der leontinischen Volkspartei unerwarteten Weise den
Syrakusanern in die Hände. Nach dem Abzüge der Athener aus Sicilien nah-
men die Leontiner eine grosse Anzahl neuer Bürger auf, wir wissen nicht
welcher Herkunft, und es wurde von der Volkspartei der Plan entworfen,
durch eine neue Vertheilung der Grundstücke zugleich den Neubürgem Besitz
zu schaffen und die Aristokratie zu schwächen. Schnell verabredeten sich die
Vornehmen mit den Syrakusanern, Hessen eine Anzahl derselben in die Stadt
Leontiiii verwüstet. Erfolglose Sendung des Pbfriax. 9
und vertrieben Alle , die nichl zu ihrer Partei gehörten. Dann verliessen sie
Leontini , das sie verwüsteten und zogen nach Syrakus , wo sie als Bürger
aufgenommen wurden. Es war dies ganz dasselbe Verfahren wie damals, als
Gelon Megara und Euboea erobert hatte , und die Verhältnisse waren auch in
der Beziehung ähnlich , dass in Syrakus in beiden Fallen keineswegs die
aristokratische Partei herrschte. Nur etwas war diesmal nicht geschehen, was
Gelon gethan hatte und was ihm alle die Unruhe ersparte, von der die leon-
tinischen Vornehmen nicht verschont blieben : sie hatten ihre Mitbürger nicht
als Sklaven in's Ausland verkauft. So konnten sie keinen Augenblick sicher
sein, dass die Verbannten nicht die Ländereien, aus denen sie ihre Einkünfte
zu ziehen beabsichtigten , überfielen und ausplünderten. Wahrscheinlich fiel
bald etw^as Derartiges vor ; überdies mochten die leontinischen Aristokraten
schnell gewahr werden, dass das syrakusanische Volk sie nicht mit besonders
günstigen Augen betrachtete; genug, nach kurzer Zeit verliessen manche von
ihnen die neue Heimath und kehrten in das Gebiet ihrer Vaterstadt zurück,
wro sie Brikinniai, ein Kastell in der Nähe von Leontini — vielleicht den Celle
S. Basilio, der sich 2^2 Million nördlich von Scordia am Rande der Ebene von
Gatania etwa 4 60 Meter über dieselbe mit einem unteren Unifange von 6000
Metern erhebt und manche Spuren alter Wohnsitze, sowie Ueberreste von
Befestigungen zeigt — und Pbokaiai, einen Theil der Stadt Leontini selbst,
besetzten. An sie schlössen sioh die meisten der Verbannten an, und gemein-
sam führte man von diesen festen Punkten aus Krieg gegen die Syrakusaner.
Die leontiniscbe Volkspartei hatte sich wahrscheinlich schon gleich nach
ihrer Vertreibung aus der Stadt an die Athener gewandt und sie um Hülfe ge-
beten, aber Athen befand sich jetzt nicht mehr in einer so glücklichen Lage,
wie damals, als die erste Expedition nach Sicilien abging, da Brasidas inzwischen
angefangen hatte, es in Thracien zu bedrängen. So konnten die Athener denn
nicht daran denken , eine grössere Flotte nach Sicilien zu schicken ; sie be-
gnügten sich damit, 422 vor Chr. Phaiax nebst zwei Andern als Gesandte auf
zwei Schiffen nach Italien und Sicilien zu senden, um sich eine genaue Kenntr-
niss der dortigen Verhältnisse zu verschaffen und zu versuchen, ob nicht
unter den Sikelioten ein Bund gegen Syrakus zu Stande gebracht werden
lönne. Phaiax bewog Lokri zu einem Vertrage, einer späten Vervollständigung
des den Athenern so wenig vortheilhaften Friedens von Gela, die wir nicht als
einen Erfolg des Gesandten bezeichnen können. In Sicilien fand er in den
^ Städten, die er zuerst besuchte, Gehör. Die Kamarinäer waren zu einem
Bündnisse gegen Syrakus bereit, ebenso die Akragantiner. Als er aber nach
Gela kam, zeigte sich ein so grosser Widerwille gegen seine Pläne, dass er an
dem Erfolg setner Sendung verzagte und durch das Innere Siciliens, durch
sikelisches Gebiet , Über Brikinniai und Katane , wo er seine Schiffe vorfand,
nach Athen zurückkehrte. Er traf unterw egs ein Schiff mit lokrischen Kriegern,
die aus Messana heimkehrten. Hier waren nämlich nach dem Frieden zu Gela
ebenfalls neue Streitigkeiten zwischen der chalkidischen und der dorischen
Partei ausgebrochen , und die letztere hatte, um sich zu behaupten, jetzt sogar
eine lokrische Kolonie, die als Besatzung dienen sollte, aufgenommen. Diese
war aber nach einiger Zeit vertrieben worden, ohne dass jedoch die Stadt des-
10 Viertes Buch. II. Grosse alhcaiscbc Eipedition. Ui*spruQg und Vorbereitungen.
halb zu den chalkidischen Städten in eine innigere Beziehung getreten wäre.
Die Athener konnten nach dem Berichte ihres Gesandten keine Lust verspüren,
sich in die sicilischen Angelegenheiten zu mischen, und verloren bald die Insel
ganz aus den Augen. Im April 421 wurde der Friede des Nikias geschlossen
und in den nächstfolgenden Jahren nahmen die wechselnden Beziehungen der
griechischen Staaten zu einander die ganze Aufmerksamkeit der Athener in
Anspruch. Als allmUhiich das Yerhältniss zu Sparta sich wieder unfreund*
lieber gestaltete , mochten wohl Manche in Athen sich daran erinnern , dass
man vor mehreren Jahren in der Herrschaft 1tf>er Sicilien ein Vorzügliches
Mittel zum Siege über Sparta gesehen hatte; so wie es sich aber darum han*
delte^ der mächtigen Nebenbuhlerin einen empiindlichen Schlag zu versetzen,
war es doch eine näher gelegene kleine Insel, die Insel Melos, die die Athener
überfielen. Es bedurfte eines neuen Anstosses, um ihre Blicke auf Sicilien zu
lenken.
. Im Winter. des Jahres 416 vor Chr. — Ol. 91,1 — gelangte ein Hülfs*
gesuch Segesta^s nach Athen. Die Egestäer waren wieder einmal mit den
Selinuniiern in Krieg. Die Veranlassung dazu hatten theils angebliche Rec|its*
Verletzungen in Heirathssacben, theils Grenzstreiligkeiten gegeben. Ein Fluss,
der Halikyas oder der Mazaras, trennte die Gebiete der beiden Städte ; die
Selinunüer überschritten ihn zuerst ^ bemächtigten sich des Uferlandes und
machten von da aus weitere Plünderungszüge in das Gebiet von Segesla. Die
Egestäer warfen sich nach vergeblichen Versuchen , die Selinuntier zum Ab*
Zuge zu bewegen , auf die Schaaren, die über den Fluss g^angen waren und
vertrieben sie. Nun nahm der Streit grossere Verhältnisse an ; von beiden
Seilen wurde gerüstet, und es kam zu einer Schlacht, in welcher die Egestäer
I)e6iegt wurden. Sie sahea sich nach Bundesgenossen um , aber die Akragan«-
tiner, an die sie sich wandten, z<^en es vor, wie damals meistens, neutral zu
bleiben, und die Syrakusaner traten auf die Seite der Selinuntier. Auch nach
Karthago schickten die Egestäer mit der Bitte um Hülfey aber auch die' Kartha*
ger wai'en damals nicht geneigt oder nidit im Stande, ihren alten Bundes«-
genosaen beizustehen , und so blieb den Egestäern nur noch eine Hoffnung :
die Hoffnung auf- Athen. Sie traten hier im Einvernehmen mit den Leonlinem
auf, die ihre Bitten um Hülfe bei dieser Gelegenheil erneuerten. Die Ankia«
gen, welche die Egestäer vorbrachten, wurden klüglich besonders gegen die
Syrakusaner gerichtet, deren Ehrgeize schon Leontini zum Opfer gefallen sei|
und die jetzt auch Segesla vernichten wollten. Es sei zu befürchten, dass bald
ein grosser Bund aller dorischen Staaten Siciliens und Griechenlands zu Stande
komme, wejchem Athen nothwendig unterliegen müsse. Deshalb mdchten
die Athener ihnen Hülfe leisten , was sie um so eher thun ki^nnten , da sie
selbst, die Egestäer, jetzt noch im Stande seien, durch Geldbeiträge die
Kriegführung zu erleichtern.
Nachdem zu wiederholten Malen die Egestäer in der Volksversammlung
aufjgetreten waren, wurde der Beschluss gefasst, zuvtfrderst Gesandte nach
Sicilien zu schicken , die über den Stand des Krieges zwiscb^a Segesla und
Selinus Erkundigungen einzuziehen, ganz besonders aber sich durch den
Augenschein zu überzeugen hätten , ob wirklich die Mittel .der Egestäer so
Hül(8ge$uch Segesta's. Athenische Gesandtschaft nach Segesta. Feldherren der Athener. 1 1
reich seien, wie sie sie darstellten. Mansieht, wohin die Neigungen des atheni-
schen Volkes gingen. Die Gesandten kamen im Frühling 4 1 5 aus Segesta ziirtick
mit den besten Nachrichten in Folge arger Täuschung durch die Egestäer. Diese
hatten ihnen zunächst den Staatsschatz gezeigt und sie dann auf den Eryx in
den Tempel der Aphrodite geführt, wo sich eine Menge von Weibgeschenken
befanden, welche in stillschweigender Uebereinkunft als Reservefonds für
den Krieg angesehen wurden. Hier waren den Gesandten eine grosse Anzahl
von Schalen, Kannen und Weihrauchgeßlssen vorgelegt worden, die, oberfläch-
lich betrachtet, weit kostbarer zu sein schienen, als sie in Wirklichkeit waren.
Die Bewohner von Segesta hatten ferner begriffen , dass es zur Herbeiführung
einer günstigen Entscheidung von grosser Wichtigkeit sei, wenn die gesammte
Mannschaft der Trieren, die aus athenischen Bürgern bestand, mit einer guten
Meinung von Segesta nach Hause kUme, und sie hatten sich deshalb um die
Wette bemüht, den Leuten durch Gastmähler den Aufenthalt angenehm zu
machen. Um nun hierbei einen möglichst grosset> Luxus entfalten zu können,
hatten sie sich gegenseitig ihr Gold- und Silbergeschirr geliehen , und da der
Reichthum der Egestäer nicht gross war, so hatten siedergleichen Geschirr
auch von den benachbarten, ihnen befreundeten Städten -*- auch griechischen,
wie Thukydides sagt, obwohl wir nicht wissen, welches diese griechischen
Städte waren — entlehnt. So waren Führer wie Mannschaft für Segesta ein-
genommen. Sodann kamen neue Gesandte aus Segesta, die nun mit bestimm-
ten Vorschlägen hervortraten. Sie baten um 60 Schiffe und brachten 60 Ta-
lente ungeroOnzten Silbers mit, die als Sold für die Flotteomannschaft auf einen
Monat dienen sollten. Nunmehr wurde eine Volksversammlung berufen, in
welcher endgültig über das Gesuch der Egestäer entschieden werden musste.
Hfer berichteten die nach Segesta gesandten Athener über die dort vorgefun-
denen Schätze ; unter dem Volke al)er befanden sich die Seeleute , die den
Reichthum der Egestäer mit lauter Stimme priesen. So beschloss denn das
seit dem ersten siciliscben Kriege gegen Syrakus gereizte Volk, trotzdem dass,
wie es scheint. Syrakusaner den Egestäern entgegenwirkten, dem Gesuche
derselben zu willfahren und zunächst 60 Kriegsschiffe nach Sicilien zu senden.
Zu Feldherren wählte mati die beiden Führer der Hauptparteien des Staiates,
Alkibiades, den Sohn des Kleinias, den Führer der Bewegungsparlei , und
Nikias, den Sohn des Nikeratos, das Haupt der Aristokraten, und ausserdem als
dritten den kriegserfahrenen Lamachos, den Sohn des Xenophanes* Blan gab
den Feldherren den Auftrag , den Egestäern gegen Selinus beizustehen , zur
Wiederherstellung Leontini's , w^nn es möglich wäre, beizutragen und über-
haupt, wie es ihnen gut dünkte, in Sicilien die Interessen Athens zu fördern.
Es musste natürlich der Unternehmung zum Schaden gereichen, daas statt
eines Oberfeldherren deren drei ernannt wurden ; sollten es aber einmal drei
sein, so konnte man nicht besser wählen, als geschah. Lamachos, arm, schon
in Jahren vorgerückt, war nur Soldat und Feldherr, tapfer j unternehmend,
erprobt in Allem, was den Krieg betraf; der reiche Nikias war ruhig und be-
sonnen , schwer zu Entschlüssen zu bewegen, aber zäh bei dem einmal Er-
wählten beharrend ; der ehrgeizige und unruhige Alkibiades endlich war kühn
wie Lamaciios, aber dabei beredt und ein kluger Politiker, der in Unterband-
12 Viertes Buch. II. Grosse athenische Expedition. Ursprung und Vorbereitungen.
lungen mit fremden Staaten seines Gleichen suchte und der durch seine ge-
winnende Persönlichkeit Erfolge erzielen konnte, wo Andere scheiterten.
Freilich durfte dann von diesen Dreien auch keiner dem Unternehmen wieder
entzogen werden, das in seinen Zielen wie in den anzuwendenden Hittein
ganz ihrem Gutdünken überlassen war,' vorbehaltlich natürlicherweise der
Ratification des Volkes. Vier Tage nach der ersten Volksversammlung wurde
eine neue gehalten , in welcher über die Ausrüstung der Flotte das Genauere
bestimmt werden sollte, in der aber in Wirklichkeit durch einen unglücklichen
Versuch des Nikias, das Beschlossene rückgängig zu machen, das Unternehmen
ein viel grösseres wurde, als man anfangs beabsichtigt hatte. Nikias war, als
Haupt der aristokratischen Friedenspartei, ein Gegner der Unternehmung, aber
es war ihm nicht möglich gewesen ^ die besonders durch Alkibiades zu den
sanguinischesten Hoffnupgen aufgeregten Athener davon abzubringen. Alt und
Jung dachte an nichts als an Sicilien , die Jünglinge redeten davon in den
Palästren, die Erwachsenen in den Werkstätten , LHden und Hallen, in denen
sie zusammenkamen. Ueberall sah man L^ute , die beschäftigt waren , über
die Lage Siciliens, seine Häfen und Städte zu verhandeln und die Gestalt der
Insel und die Umrisse der nächsten Küsten in den Sand zu zeichnen. Die
Phantasie der Athener beschränkte sich nicht auf die Ausmalung der Vortbeile,
die der Besitz Siciliens mit sich führen würde, sie dachten darüber nach,
welche anderen Länder sie dann erobern sollten, es war ihnen nicht zweifel-
haft, dass Italien und der Peloponnes , dass Karthago und ganz Afrika , ja am
Ende alles Land bis zu den Säulen des Herakles und das ganze mittelländische
Meer ihre Herrschaft würde anerkennen müssen. Das waren Dummheiten;
und nur Thoren konnten Karthago mit in*s Spiel ziehen wollen. Denn wenn
Athen überhaupt Syrakusens Meister wurde , so konnte das nur unter Gonhi-
Venz von Karthago geschehen. Aber das athenische Volk war einmal so
geartet, dass es einem plötzlichen Antriebe leicht folgte und sich für Utopien
begeisterte. Trotzdem hatte Nikias nicht versäumt , rechtzeitig gegen die Be-
willigung des Gesuches der Egestäer zu wirken, aber er hatte nicht einmal' bei
^inen Parteigenossen kräftige Unterstützung gefunden. Viele W^ohlhabende
fürchteten, dass, wenn sie gegen das Unternehmen stimmten, das sie viel
Geld kosten musste, das Volk es ihnen als Geiz auslegen möchte, und schwiegen
deshalb. Dennoch trat Nikias, als über die Ausrüstung der Flotte und des
Heeres verhandelt werden sollte , von Neuem mit seinen Bedenken gegen die
gesammte Unternehmung hervor. Er erinnerte die Atherier daran , dass es
unklug sei , ehe sie ihre alte Macht wieder erlangt (die früher unter\iorfencn
thrakischen Städte waren noch frei), neue Unternehmungen zu versuchen ;
dass die Syrakusaner, wenn sie einmal, was man immer als das Schlimmste
hinstellte, ganz Sicilien unterjocht hätten, ihnen erst recht nicht gefährlich
wären , weil sie dann eine Menge unruhiger Unterthanen hätten ; dass bei
Manchen persönliche Interessen die Befürwortung des Unternehmens veran-
lassten. Er schloss mit der Aufforderung an den Vorsitzenden, die Frage , ob
überhaupt der Zug unternommen werden sollte, noch einmal dem Volke vor-
zulegen. Damit schlug Nikias etwas Ungesetzliches vor; doch war schon in
anderen Fällen ein gefasster Beschluss vom Volke wieder aufgehoben. Bedenk-
Verhandlungen über das UntemebmeD. Reden des Nikias und Alkibiades. 13
lieber war, dass der, welcher zu so später Stunde gegen das Unternehmea
sprach^ einer der Feldherren war, die es leiten sollten, und dass der Haupt-
gegner, den er angriff, kein anderer war als sein eigener College in der Feld-
herrnschah. Wenn Nikias £rfolg hatte, war alles gut, und in diesem Falle
hätten wir nur die grossartige Unbefangenheit des Altertbums zu rühmen , das
da, wo man jetzt seine Zuflucht zu Intriguen nehmen würde, ein oflenes Auf-
treten natürlich fand. So kam es aber nicht. Nur Wenige wagten , sich
Nikias anzuschliessen ; die meisten Redner sprachen für das Unternehmen^
und den grössten Eindruck machte Alkibiades selbst, der seine Sache auf das
Wärmste vertheidigte. Nikias hatte Recht gehabt, wenn er andeutete , dass
Alkibiades persönliche Yortheile von dem Zuge erwarte. Alkibiades hatte von
jeher das Ausserordentliche geliebt, und er fand in dem gewöhnlichen Gange
der athenischen Staalsgeschfifte nichts mehr , was seinen Ehrgeiz befriedigte.
Deshalb wünschte er den Zug nach Sicilien, dessen Eroberung ihm unzweifel-
haft schien. Er begann mit einer Vertheidigung seines, von Nikias angegriffe-
nen Charakters und seiner bisherigen politischen Wirksamkeit. Zur Sache
übergehend, suchte er die Macht der Feinde möglichst gering darzustellen.
Es lebten in den sicilischen Städten, sagte er, grosse Volksmassen von allerlei
Herkunft, und es sei keine Festigkeit in den dortigen Zuständen. Die Bürger
hätten kein Interesse an der Vertheidigung ihrer Heimath. Jeder sei bereit, mit den
gut oder schlecht erworbenen Reichthümern anderswohin zu ziehen, wenn seines
Bleibens nicht mehr in der Vaterstadt sei. Die Zahl der Schwerbewaffneten sei
nicht gross, und die Barbaren der Insel würden den Athenern beistehen. In
Griechenland ständen die Sachen nicht so schlimm für sie, wie man behaupte,
und schliesslich habe Athen dadurch seine Macht gewonnen, dass es stets kühn
vorangegangen sei, und so müsse es auch diesmal handeln. Sollten wir, sagte
er zuletzt, was unwahrscheinlich ist, in Sicilien eine Schlappe erleiden, so
steht uns ja mit unserer meerbeherrschenden Flotte jederzeit die Rückkehr
frei. Die Rede des Alkibiades, welche eine nicht üble Kenntniss der Zustände
der Insel verrieth — wir wissen, wie viel politische Experimente man mit den.
sicilischen Grossstädlen des Ostens vorgenommen hatte — war sehr klug der
Stimmung des Volkes angepasst. Wie hätten die Athener es nicht gern hören
sollen , wenn ein bedeutender Staatsmann ihnen bewies , dass es ihre Pflicht
sei, fortwährend neue Eroberungen zu machen? Da nun ferner die Egestäer
und Leonliner nicht unterliessen, ihre Klagen von Neuem anzustimmen, so war
bald das ganze Volk darüber einig, dass der Zug jedenfalls unternommen
werden müsse, und der Antrag des Nikias war verworfen. Nach modernen
Begriffen wäre nun die nothwendige Folge seines Auftretens gewesen , dass
er auf den Oberbefehl in einem Kriege, den er nicht billigen konnte, verzichtet
hätte ; man würde es bedenklich finden. Jemandem, der öffentlich seine Zwei-
fel am Erfolge eines projectirten Zuges ausgesprochen hätte , die Führung
desselben zu lassen. Dass es dennoch geschah , daran war vorzugsweise die
persönliche Stellung des Nikias schuld, der in seiner Rede nicht einmal seinea
Mitfeldherrn Alkibiades geschont hatte , während dieser sich viel vorsichtiger
über ihn äusserte. Er galt so viel in Athen, dass^ wenn er trotz seiner Ab-
neigung gegen den Zug den Oberbefehl desselben behielt, er erwarten
14 Viertes Buch. II. Grosse athenische Expedition. Ursprung und Vorbereitungen.
konnte, dass man ihm dafür noch dankbar war. Dennoch ist klar , dass er in
dieser Sache eine schiefe Stellung einnabm, die nur Unheil bringen konnte, und
dies gilt besonders von dem Schritte , den er nunmehr that. Er hatte sich
überzeugt, dass- er durch dtrectes Abrathen den Zug nicht verhindern würde,
und da er sich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen konnte, dass
das Unternehmen unvermeidlich sei , so dachte er durch eine Auiseinander-
setzung des ungeheuren Aufwandes, den ein den Absichten des Volkes ent-
sprechender Krieg erfordern i;\ürde, sein Ziel anf einem Umwege doch noch
zu erreichen. Gegen die sieben feindlichen St4ldlo — er meinte Syrakus,
Messana, Himera, Kamarina, Gela, Akragas und Selinus — die ja eine bedeu-
tende Reiterei hätten, seien sehr viele Hopliten und Leichtbewaffnete, Viel
Proviant und besonders viel Geld erforderlich. Wenn Jemand anders denke,
so trete er ihm gerne den Oberbefehl ab. Nikias hatte sich sehr getauscht,
wenn er durch solche Worte die Athener abzuschrecken meinte ; er arbeitete
damit nur Alkibiades in die Hände. Die Majorität der Athener wollte den Zug
nun einmal, und da es der Stadt und den Einzelnen an Mitteln nicht fehlte^ so
war dem Volke eine grosse Ausrüstung gerade i^echt , weil sie einen günstigen
Erfolg um so sicherer zu garantiren schien. Ein Volksredner, Namens Demo-
stratos, sagte zu Nikias: »Es ist jetxt keine Zeit mehr, Vorwände zu suchen und
um die Sache herumzagehcn , sage hier vor allem Volke, wie gross die Macht
sein muss, die wir zu bewilligen haben.« Jetzt nannte Nikias als unbedingt
Dothwendig 100 Trieren und öOOO Hopliten nebst der entsprechenden Anzahl
von Leichtbewaffneten. Sogleich ward der Beschluss gefasst, dass die Be-
stimmung über die Grösse und den Umfang der Ausrüstung den Feldherren
anheimgegeben werden sollte. So ist Nikias selbst die Veranlassung ge-
worden, dass das Unternehmen, welches er durchaus missbilligte, die gci-
waltigsten Verhältnisse annahm.
Es ward ein Zug, der den bedeutendsten Einfluss auf die Verhältnisse
des Westens ausüben konnte. Diese , wie sie nun einmal standen, beruhten
auf einer Art von Gleichgewicht zwischen zwei Parteien: den Karthagern und
Etruskern einerseits, den Hellenen unter der Führung derSyrakusaner anderer-
seits. Nun wollte sich Athen , die grOsste öetliche Seemacht, in diese Verbält-
nisse mischen , Syrakus vernichten und sich an dessen Stelle setzen und so
einen Staat bilden, dessen Einfluss auch im Westen unberechenbar gross sein
musste , ganz abgesehen ven allen phantastischen Träumen einer Weltherr-
schaft. Wie stellten sich zu diesem Unternehmen die übrigen Mächte des
Westens? Das war eine Frage, die sich die athenisdien, Staatsmänner vor-
zulegen hatten. Es ist uns nicht überliefert, wie sie l>eantwortet worden ist,
ja nidit einmal, ob sie sie Ubertiaupt aufwarfen , aber w ir können sagen, wie
sie beantwortet w*erden musste. Die Etrusker konnten am ersten als Bundes-
genossen gewonnen werden; waren sie doch alte Feinde von Syrakus und
selbst nicht so mächtig, dass sie auf Athen hätten eifersüchtig sein dürfen.
Anders stand es mit Karthago. Dies war an eine grössere Politik gewöhnt als
Etrurien. Karthago stand schwerlich Syrakus bei, von dem die Schlacht bei
Himora es trennte , aber war es darum in seinem Interesse, den Athenern die
Bahn zur Uerrschiaift im Westen zu ebnen ? Die Sachlage zeichnete Karthago
Grossartige Ausdehnung des ÜnterDehmens. Die Rüstungen der Athener. 15-
seine Politik vor: zunächst Syrakus und Athen sich zeFfleidchen lassen, um
dann wo möglich selbst Herrin des streitigen Bodens zu werden. Athen
konnte also nur wirklichen Erfolg hoffen , wenn es schnell vollständig siegte ;
sonst war es nicht sicher, dass Karthago nicht dazwischen trat, fttr das es
schliesslich nur , die Kastanien aus dem Feuer geholt hätte. Um aber sehneil
zu siegen, waren nur wenige Grundbedingungen vorhanden, die meisten
fehlten. Zu Statten kam Athen : die Grösse der Rüstung und die Schnelligkeit
der Kriegsbereitschaft , die in einer Z«it , wo Nachrichten nicht im Voraus in
alle Städte liefen, noch von ganz anderer Bedeutung war als jetzt. Gegen
Athen aber fiel in die Wagsehale : die Entfernung des Kriegsschauplatzes, wo
dann dieselben mangelnden Communicationon sieb in entgegengesetztem ^nne
gehend machten und der vorauszusehende Mangel an Bundesgenossen ; denn
was wollten die Sikeler mit ihrer Htllfe besagen? Athen musste Alles allem
thun , und schnell , sonst entging ihm sicher die Beute und es erntete nur
Schaden. Bedachte man das in Athen? Wir ftlrchten, nein.
Unverztlglich begannen die Vorbereitungen. Athen hatte eben angefangen,
sich von den Nachwirkungen der Pest und des langen Krieges zu erholen, und
so konnte es, ohne sich übermässig anzustrengen, Mannschaften und Geld in
hinreichender Menge liefern. Die Finanzen des Staates hatten sich in den fünf
Jahren seit dem Friedensschlüsse bereits so weit wieder erholt, dass sich in
der Schatzkammer eine Summe von 3000 Talenten befand. Die Stadt lieferte
400 Trteren, 60 schnellsegelnde, eigentliche Kriegsschiffe, und 40, die zum
Transport der Schwerbewaffneten bestimmt waren , dazu die nothwendtgste
Ausrüstung der Schiffe und den Sofd fQr die Schiffsmannschaft , eine Drachme
tägHdi für Jeden. Der Sold war hoch , aber man sicherte sich so die beste
Mannschaft. Dieser grosse Aufwand von Seiten des Staates Hess jedoch auch
den Privaten noch viel zu thun übrig. Die Trierarchen, reiche Bürger, die das
Kommando einer Triere als ein Ehrenamt übernahmen, hatten die Ausrüstung
der Schiffe zu vervollständigen , und sie pflegten überdies durch Zulage am
Solde das Schiffsvolk bei guter Laune zu erhalten, die Schwerbewafiheten
aber musslen sich sefber ausrüsten. Diesmal zeigte sich unter Allen ein be-
sonderer Wetteifer. Die Trieratchen suchten die besten Ruderer zu gewinnen
und ihre Schiffe möglichst schön und möglichst schnellsegelnd zu machen ; die
von Dienern begleiteten HopTiten versahen sich mit den l)esten Waffen und
allen sonst in einem langem Feldzuge brauchbaren Gegenständen. Kurz,
Stadt und Bürger schienen bei dieser Gelegenheit dem übrigen Griechenland
geigen zu wollen, wessen Athen fähig sei. Von dieser allgemeinen Begeisterung
blieben Wenige unberührt: Sokrates, den, wie man meinte, sein Genius ge-
warnt halte , und der Astronom Meton , der, um entweder sich s^bst, oder,
was wahrscheinlicher ist, seinen Sohn von der Theilnahme an einem Zuge zu
befreien, den astrologische Experimente ihm als unglttckbringend verkündeten,
sich vvahnsinnig stellte und, um keinen Zweifel an seinem Wahnsinn auf-
kommen zu lassen, sein Hau^ anzündete. TJebiigens fehlte es natürlich nicht
an Vorzeichen aller Art, guten und bösen , und wenn auch wahrscheinlich die
guten überwogen — das beste war ohhe Zweifei das vom Jupiter Ammon ge-
gebene, die Athener würden alle Syrokusaner gefangen nehmen — so wurden
16 Viertes Buch. II. Grosse athenische Expedi^ian. Ursprung und Vorbereitungen.
später natürlich die bösen hervorgehoben. Ein Pallasbiid in Delphi, das
Athen nach dem Perserkriege dahin gestiftet hatte , wurde von Vögeln enir-
stellt und beschädigt ; ein Mensch verstümmelte sich selbst an dem Altar der
zwölf Götter ; die Priesterin der Athene, welche man nach einem Orakelspruche
aus Klazomehae holte, hiess Hesychia — die Ruhe; während def Volksversamm-
lungen , in denen über den Zug nach Siciiien verhandelt wurde , ertönten in
der Stadt die Klagen der Frauen, xdie das Adonisfest feierten, aber die schlimm-
ste Vorbedeutung war eine Begebenheit, die auch in ihren Folgen fUr das
ganze Unternehmen verhUngnissvoll werden sollte.
Eines Morgens , um die Mitte des Monats Mai 415 v. Chr. , kurze Zeit vor
dem zum Abgang der Expedition bestimmt^ ^'«'^g^i fanden die Athener zu
ihrem grössten Entsetzen, dass fast alle Hermen, die in den Sirassen der
Stadt standen , verstummelt waren. Diese viereckigen steinernen Pfeiler, auf
denen sich Brust und Kopf des Gottes Hermes befanden , waren in ihrer zahl--
reichen Verbreitung Über die Strassen und Plätze Athens ein hochverehrter
aller Schifnuck einer auf ihre Gottesfurcht stolzen Stadt. Es war ein Frevel,
der dem Gotteselbst angethan war, und den er nicht ungeahndet lassen konnte.
Aber Niemand hatte die That verrichten sehen, die doch nur von eioem
Haufen Verschworener ausgeübt sein konnte. Das Volk gerieth in die grösste
Bestürzung, und es wurden bedeutende Belohnungen auf die Entdeckung der
Frevler geseXzt. Es verbreitete sich schnell die Ansicht', dass die That als ein
Anzeichen einer weit verzweigten Verschwörung zum Sturze der Demokratie
zu betrachten sei; man glaubte, dass eine Gesellschaft von Menschen, die einen
so ruchlosen Frevel mit solcher Heimlichkeit begeben konnten , aufs Aeus«-
serste zu fürchten sei. Alle wurden aufgefordert zu sagen, was sie davon
wüssten, aber auch üherhaupt alle in jüngster Zeit begangenen Frevel , die zu
ihrer Kennlniss gekommen wären, anzugeben. Bei der allgemeinen Aufregung
dauerte es nicht lange, bis Anzeigen gemacht wurden, die freilich die Uermen-
verstUmmelung nicht betrafen, aber, da sie einen der ersten MUnner de^
Staates als einer Gottlosigkeit schuldig darstellten , begierig angehört wurden.
Andere Bildnisse , so ward gemeldet , sollten von trunkenen Menschen schon
früher verstümmelt und bei Trinkgesellschafteti in Privathüusern die eleusini-
schen Mysterien spottend nachgeäfll worden sein, und an all diesem habe
Alkibiades Theil genommen. Diese Angabe, durch dasZeugniss von Sklaven
bestätigt, war das Zeichen zu einem allgemeinen Angriff auf einen Mann , der
Vielen ein Dorn im Auge war, den Einen als glänzende Persönlichkeit, den
Andern als Führer der Volkspartei und schlimmster Gegner der oligarchischen
Faction , Manchen endlich , weil sie ihn wirklich für staalsgeföhrHoh hielten.
So erhob sieh denn bald das Geschrei, Alkibiades habe nicht bloss das gethan,
was Zeugen von ihm aussagten , er sei auch der Urheber des Hcrmenfrevels,
und alles das beweise, dass er es auf die Vernichtung der athenischen De-
mokratie abgesehen habe. Dennoch war es für den Augenblick nicht leicht,
ihm 'beizukommen. Die Zahl seiner Freunde war gross und die Bürger, welche
zur Theilnahme an dem Zuge nach Siciiien auserlesen waren und von dem-
selben Ruhm und Beute erwarteten, wollten nicht ihren besten und gewandte-
sten Führer missen. Ueberhaupt galt Alkibiades als Leiter dor Unternehmung;
Die Verstümmelung der Hermen« Alkibiades angeklagt. Abfahrt. 17
♦
und man masste überdies berücksichtigen , dass durch ihn die Arglver und
einige Mantineer bewogen waren, daran tbeilzunehmen , dass also sein Fehlen
bei dem Zuge auch in dieser Hinsicht Schaden bringen konnte. So machte
sich bald die Ansicht geltend , dass, was auch geschehen mdge, der Zug nach
Sicilien unter Anführung des Alkibiades nicht verschoben werden dürfe.
Diese günstige Stimmung des Volkes glaubte der kühne Mann benutzen zu
können , um die ganze Anklage zu beseitigen. Er forderte augenblickliche
Untersuchung. Wenn er schuldig befunden werde , so solle man ihn mit dem
Tode bestrafen, ihn aber nicht unter einer solchen Anklage zu einpm Feldzuge
aussenden, der einen Führer von unbescholtenem Namen fordere. Das Ver-
langen des Alkibiades war billig und zugleich klug, denn er wäre ohne Zweifel
freigesprochen worden. Gerade dies aber fürchteten seine Feinde, und sie
machten deshalb darauf aufmerksam , dass .durch eine jede Untersuchung die
Abfiahrt der Flotte verzögert werden würde, und dass es sich deshalb empfehle,
um den Alkibiades nicht von dem Unternehmen zurückzuhalten, seine Sache
erst nach seiner Heimkehr vom Feldzuge vorzunehmen. Sie waren überzeugt,
in seiner Abwesenheit seine Rttckberufung durchsetzen zu können. Diese
Vorschläge fanden den Beifall des Volkes, das den Aufschub der Untersuchung
beschloss.
*
So kam denn die Zeit der Abfahrt heran. Dem grösseren Theii der Bun-
desgenossen war der Befehl ertheilt worden, sich, um Zeit zu sparen, in
Kerkyra einzufinden, woselbst auch die Proviant- und Lastschiffe sich ver-
sammeln sollten. Die athenischen Kriegsschiffe sollten an einem und demsel-
ben Tage aus dem Peiraieus abfahren. Am Morgen desselben zog die gesammte
Mannschaft nach dem Hafen, und fast die ganze Bevölkerung der Stadt be-
gleitete sie, die Bürger, um von ihren Verwandten und Freunden Abschied zu
nehmen, die Fremden von Neugierde getrieben, das Schauspiel der Abfahrt
einer Flotte zu sehen, die an prilchtiger und kostspieliger Ausrüstung ihres
Gleichen nicht hatte. Die Stimmung der Athener war jedoch an diesem Tage
eine andere , als am Tage des Beschlusses ; sie war eine aus Hoffnung und
Furcht gemischte. Jetzt erst überdachten sie die ganze Bedeutung einer Unter-
nehmung, die ohne Beispiel in Athen war. Freilich waren schon eben so grosse
Flotten mit noch mehr athenischen Schwerbewaffneten einst nach Epidauros
und nach Potidaia gefahren, aber das waren Fahrten in weniger entfernte
Gegenden ; nun sollten Athener auf einer Insel Krieg führen , auf der sie von
der Heimatb so sehr abgeschnitten waren, dass, wie Nikias ihnen sagte, in
den vier Wintermonaten von Mitte November bis Mitte März nicht einmal Bot-
schaft von ihnen nach Hause gelangen konnte !
Als alles zur Abfahrt bereit war, wurde mit Trompetenstössen Stille ge-
boten, und ein Herold sprach laut im Namen Aller die gebriiuchlichen Gebete.
Mischkrüge mit Wein und goldene und silberne Becher standen auf den
Schiffen bereit, und Anführer^ Heer und Flottenmannschaft, alle spendeten
von dem Tranke den Göttern und stimmten Lobgesänge an, in die das am
Ufer zuschauende Volk einfiel. Dann wurde das Zeichen zum Aufbruch ge-
geben ; und ein Schiff nach dem andern verliess den Hafen , um draussen die
übrigen zu erwarten. Als alle versammelt waren, begannen sie die Fahrt mit
Holm, a«scli. SidUeat. II. 2
18 Vieites Bncli. III. Erste Unlernehinnngen der Athener.
einem fröhlichen Wetlrudern nach Aegina. Noch war keine üntemehmung
der Athener mit solcher Zuversicht begonnen, und keine endete jemals so
traurig.
Drittes Kapitel.
Erste Unternehmangen der Athener«
•
In Kerkyra hielten die drei. Feldherren Musterung über das Heer and die
Flotte, die nun vollständig versammelt waren. Es waren 434 Trieren und
zwei rhodische Fünfzigruderer, 400 Trieren darunter von Athen selbst gestellt,
60 Schnellruderer und 40 Soldatentransportschiffe ; die übrigen hatten Ghios
und die andern Bundesgenossen geliefert. Schwerbewaffnete zählte das Heer
5400, unter denen aber nur 4 500 Athener aus dem Hoplitenveraeichnisse und
700 ärmere athenische Bürger, Theten, waren, denen vom Staate eine Rüstung
geliefert wurde, und die am Bord der Schiffe als sogenannte Epibaten dienten,
die übrigen hatten die Bundesgenossen gestellt, theils die eigentlichen Unter-
thanen der Athener, theils dieArgiver, von denen 500, und die Mantineer, von
denen nebst einigen Söldnern 250 dabei waren. An Leichtbewaffneten besass
das Heer 480 Bogenschützen, wofTunter 80 Kreter; 700 rhodische Schleuderer
und 420 andere Leichtbewaffnete, Verbannte aus Megara. Reiter hatte man
nur 30 , die auf einem besonders dazu eingerichteten Schiffe fortgeschafft
wurden. 30 mit Proviant beladene Lastschiffe hatte der Staat geliefert ; andere
trugen die Bäcker, Maurer, Zimmerleute und die zum Mauerbau nöthigen Ge-
räthschaften; 400 Privatleuten gehörige Handeisschiffe waren vom Staate auf-
geboten worden , um die Lastschiffe zu begleiten ; viele andere Schiffe hatten
sich endlich der Flotte freiwillig angeschlossen , in der Hoffnung auf reichen
Gewinn durch den Verkehr mit der Flottenmann^chaft und den Soldaten. Wir
können hiernach, wenn wir die Mannschaft der Trieren zu 200 Mann , die der
Fünfzigruderer zu 420 Mann annehmen und eine angemessene Anzahl von
Dienern auf die Hopliten rechnen , die Gesammtzahl der an der Expedition
Theilnehmenden, im wirklichen Kriegsdienste Stehenden, mit Ausschluss der
Mannschaft der Lastschiffe und der Arbeitsleute, auf ungefähr 36000 Mann ver-
anschlagen. Es war eine imposante Macht, die nach Westen hin ihren Weg
lenkte, aber eine Macht, die in zwei Beziehungen mangelhaft organisirt war:
die Zahl der Leichtbewaffneten war zu gering und der Mangel an Retterei
konnte nur höchst schädlich wirken. Man wollte diese Lücken in Sicilien er-
gänzen und bedachte nicht, dass die Schnelligkeit der Operationen, der wich-
tigste Factor des Sieges, darunter leiden musste.
In Kerkyra wurde noch kein Kriegsplan entworfen. Die Feldherren
wollten erst wissen, hei welchen italischen und sicilischen Städten sie
Unterstützung und .Aufnahme finden würden, und schickten deshalb drei
Eindruck der Nachricht in Syrakus. ]9
Schiffe voraus , die überall anfragen , vor Allem aber noch einmal sich in Se-
gesta nach den vielgerUhmten Schätzen umsehen sollten. Dann theilten sie
.die ganze Flotte in drei Theüe, deren jeder einem der drei Feldherren zu be-
sonderer Aufsicht uutergeben wurde, und fuhren, ohne die Rückkehr der drei
Schiffe abzuwarten, an der italischen Küste entlang nach Sicilien.
Nach Syrakus waren schon seit geraumer Zeit Berichte über die der Stadt
drohende Gefahr gelangt; es wollten aber nur Wenige glauben, dass wirklich
eine grosse athenische Flotte nach Sicilien abzusegeln im Begriff sei, und die
. Expedition war bereits in See , als man sich in Syrakus noch in völliger
Sicherheit wiegte. Es war 'das Verdienst des Hermokrates, des Führers der
.ari^iokratischen Partei , zuerst seine Mitbürger zur Wachsamkeit ermahnt zu
haben. Er hatte durch seine ausgebreiteten Verbindungen (die persönlichen
Beziehungen der reichen Bürger leisteten unter den Griechen die Dienste, die
man heutzutage von der officiellen Diplomatie und den Zeitungen erwartet),
wahrscheinlich durch in Athen sich aufhaltende Syrakusaner sichere Nachrichten
erbalten, dass die Athener wirklich eine ungeheure Flotte gegen Syrakus aus-
gesandt hatten, und theilte diese Nachricht, sowie seine Ansichten über die
zu ergreifenden Hassregeln in einer Volksversammlung mit. Man müsse die
Verbindung mit den Sikelern fester knüpfen , den sicilischen Griechen die
IJeberzeugung von der Gemeinsamkeit der Gefahr beibringen, die italischen
dazu bewegen, dass sie entweder den Syrakusanern beistünden oder doch
neutral blieben. Man müsse nach Karthago Gesandte schicken, besonders
aber die Spartaner und Korinther um Hülfe bitten. Der beste Kriegsplan be-
stünde darin, alle vorhandenen Kriegsschiffe flott zu machen. Lebensmittel für
zwei Mopate einzunehmen und den Athenern nach dem Ionischen Meere ent-
gegenzufahren. Das befreundete Tarent würde seinen Hafen bieten, um sie
von da anzugreifen , und wenn sie mit ihren Lastschiffen in langsamer Fahrt
herankämen, seien sie l^cht zu überwinden. Sollten aber nur ihre schnell-
rudernden Kriegsschiffe die Schlacht annehmen wollen , so müsse man sich
nach Tarent zurückziehen, und dann könnten die Athener ohne Proviant-
schiffe doch nicht weiter kommen. Sie würden, meinte er, von Kerkyra sich
gar nicht weiter vorwagen. Jedenfalls ^ schloss er, müsse Alles zum Kriege
vorbereitet werden.
Diesie Rede versetzte die Volksversammlung in die heftigste Aufregung.
Nur Wenige schenkten dem Hermokrates Glauben. Viele meinten, die Athener
lyttrden leicht zuri)ckgeschlagen werden, Manche zweifelten noch immer daran,
..dass sie überhaupt kämen. Dass aber die Vorschläge des Hermokrates nicht
nach Gebflhr aufgenommen wurden , daran war vor allen Dingen die Persön-
lichkeit des Mannes selbst schuld, den das Volk in Verdacht hatte, dass er mit
seinen, aristokratischen Freunden nach dem Umsturz der Demokratie strebe.
Man konnte . von reichen jungen Leuten , die , eng unter einander verbunden,
den Hermokrates als ihr, politisches Orakel betrachteten , Klagen über die be-
, stabenden Einrichtungen hören, welche dem Aermsten und Unbedeutendsten
gleiche Rechte mit dem Reichsten und Angesehensten gäben und durch die
Forderung eines bestimmten Alters für obrigkeitliche Aemter es Vielen uumög-
, lieh machten, den gebührenden Antheil an der Regierung zu nehmen. Was
2*
r
f
2(j Viertes Buch. III. Erste Unternehmungen der Athener.
war nalürlicher , als dass man dieselben Ansichten bei Herinokrates voraus-
setzte und ihm den Wunsch unterlegte, die Verfassung zu verändern? Wenn
er nun ausser^ewOhnliche Massregeln in Vorschlag brachte , so konnte leicht
der Argwohn entstehen, es geschehe nur um eine günstige Gelegenheit zum
Umstürze der Demokratie zu finden. Diesen Verdacht sprach der wegen seiner
volksthUmlichen Derbheit stets gern gehörte Athendgoras unumwunden aus.
Wenn die Athener wirklich kämen, was noch nicht gewiss sei, so würde man
ihnen mit den gewöhnlichen Mitteln begegnen können. Uebrigens hatten die
im Amte befindlichen Feldherren die Aufgabe , für die Sicherheit der Stadt
einzustehen. Einer derselben benutzte den Wink , verhinderte , dass noch
Andere über diesen dem Volke unangenehmen Gegenstand sprachen und ver—
hie/s im Namen seiner Collegen, für den Schutz der Stadt zu sorgen, und der
Volksversammlung das Ergebniss Hirer Erkundigungen mitzutheilen. Hierbei
beruhigte man sich. Die ausserordentlichen Massregeln , die Hermokrates ge-
wollt hatte , und die natürlich nicht die Fahrt der Athener über das Ionische
Meer verhindert, aber doch die Vertheidigung von Syrakus wesentlich erleich-
tert hätten, waren also abgelehnt.
Als anderweitige Nachrichten die Worte des Hermokrates bestätigten, war
es zu spät, seine Vorschläge auszuführen, auch wenn man es gewollt hätte.
Die Athener hatten Italien längst erreicht. Sie wurden hier nicht so gut auf-
genommen , wie sie es erwartet. Dass Tarent und Lokri jeden Verkehr mit
ihnen verweigerten, war natürlich, dass aber auch die nicht dorischen Städte
ihnen nur ausserhalb ihrer Mauern zu landen und Wasser einzunehmen ge-
statteten und ihnen nicht einmal Lebensmittel verkauften, zeigte, dass eine
so grosse Macht nur Misstrauen erweckte, und dass sie auch in Sicilien ihre
Erfolge nur ihrer eigenen Kraft zu verdanken haben würden. Am charakte-
ristischsten war ihr Empfang in Rhegion. Diese Stadt, welche in dem vorigen
Kriege eine athenische Burg gewesen war, wollte sie diesmal nicht in ihre
Mauern lassen, und sie mussten draussen , bei dem Tempel der Artemis , ihr
Lager aufschlagen. Der einzige Beweis der Theilnahme , den die Rheginer
ihnen gaben , bestand in der Erlaubniss , sich bei ihnen mit Lebensmitteln zu
versehen ; von einem Anschluss an Athen und einer Theilnahme an dem Kriege
wollten sie nichts wissen.
Während die Athener noch bei Rhegion rasteten , kamen die drei voraus-
geschickten Schiffe, die ihren Auftrag besonders dahin verstanden hatten, dass
sie über Segesta's Geldmittel berichten sollten, mit der wenig tröstlichen Nach-
richt zurück , dass trotz der glänzenden Verheissungen der Egestäer jetzt nur
die geringe Summe von 30 Talenten dort vorhanden sei. Nikias, der nichts 1
Besseres erwartet hatte, war nicht darüber erstaunt, die Bestürzung seiner
Collegen und der Unwille des Heeres waren dagegen um so grösser. Doch
wusste man nun, woran man war, und konnte um so unbefangener den Plan
des Feldzuges entwerfen.
Hier wichen die Ansichten der drei Feldherren vollständig von einander
ab. Nikias stimmte für das Aufgeben der ganzen Unternehmung. Man solle
nach Segesta fahren und zunächst noch einmal anfragen, ob die Egestäer Geld
für das ganze Heer hätten ; wenn es vorhanden wäre , über die gegen die
BerdthuDg des Feldzugsplanes. AlLibiades' Vorschlag wird aogenommen. 21
Selioualier zu ergreifenden Massregein von Neuem jn Beralhung treten ; wenn
es aber nicht vorhanden wäre, was ja sicher war, verlangen, dass sie wenig-
stens den von ihnen ursprünglich geforderten 60 Schiffen Unterhalt verschafften,
sodann Selinus auf .irgend eine Weise bewegen, sich mit den Egestäern zu
versöhnen , bei den übrigen StäBlen vorbeifahren , um die Macht Athens zu
zeigen, und nach einem Versuche, den Leontinern zu helfen oder irgendeine
andere Stadt zu gewinnen , nach Hause zurückkehren. Dieser Vorschlag des
Nikias widersprach doch zu sehr seinen letzten Reden in Athen , in denen er
gerade mit Rücksicht auf die wahrscheinliche Lügenhaftigkeit der egestäischen
Vorspiegelungen eine so gewaltige Rüstung verlangt hatte, als dass er Aussicht
haben konnte, angenommen zu werden. Ganz das Gegontheil von diesem
Plane war der des Lamachos. Man müsse sogleich Syrakus angreifen, so lange
die Syrakusaner noch in dem ersten Schrecken befangen und zu einem grossen
Kriege unvorbereitet seien. So könne man auch manche von den draussen
befindlichen Einwohnern gefangen nehmen und manche bewegliche Habe er-
beuten. Als Hafen und Lagerplatz schlug er Megara vor. Dieser Plan war der
beste. Die Hauptsache war, Syrakus zu erobern, sonst hatte der ganze Feldzug
keinen Sinn. Wollte man es aber, so musste es, wie wir sahen, mögKchst
schnell überfallen werden. Allerdings können wir nicht wissen, ob die athe-
nischen Angriffsmittel schon zur Eroberung der Stadt ausreichten , aber dann
waren sie im Laufe der Belagerung zu vervollständigen. Man hat Beispiele
genug, dass Städte, die, schnell angegriffen, gefallen wären, durch das Zögern
der Feinde Gelegenheit fanden , Ihre Vertheidigungsmittel so zu stärken , dass
sie erst spät oder gar nicht genommen wurden. Sollte aber der Plan des
Lamachos angenommen werden , so musste Alkibiades sich für ihn erklären.
Aber dieser trat mit einem dritten Vorschlage hervor. Dem Angriff auf Syrakus
müsse der Versuch, das übrige Sicilien zu gewinnen, vorhergehen. Es müssten
in alle griechischen Städte der Insel, mit Ausnahme von Selinus und Syrakus,
Gesandte geschickt werden; es müsse versucht werden, die Sikeler zur Liefe-
rung von Lebensmitteln und Truppen zu bewegen ; vor Allem müsse aber
Messana gewonnen werden , das den passendsten Stützpunkt abgebe. Erst
wenn man so Selinus und Syrakus ihrer Verbündeten beraubt habe, dürfe
man diese beiden Städte angreifen. Dieser Plan, der der Klugheit des
Alkibiades wenig Ehre machen würde (denn Bundesgenossen konnten ebenso
gut gewonnen werden, wenn man sich schnell eines festen Punktes dicht
bei Syrakus bemächtigte), sähe man nicht deutlich, dass sein Urheber weiter
nichts damit beabsichtigt hatte, als möglichst bald seine diplomatischen Talente
glänzen zu lassen, wurde als der mittlere zwischen den von Lamachos und
Nikias vertretenen Extremen, besonders aber deswegen angenommen, weil
Alkibiades der erste der drei Feldherren und derjenige von ihnen war, dem
das Volk den überwiegenden Einfluss im Rathe zugedacht hatte, und die Aus-
führung seines diplomatischen Theils übernahm Alkibiades selbst. Seine Be-
mühungen waren jedoch vergeblich. Messana wollte die Athener nicht in die
Stadt lassen und erklärte sich nur dazu bereit, ihnen Lebensmittel zu ver-
kaufen. So kehrte denn Alkibiades un verrichteter Sache zum Heere zurück,
und nun wurde, um doch etwas zu thun, mit 60 Schiffen eine grosse Recog-
22 Viertes Buch. HI. Erste Unternehmungen der Athener.
noscirung nach Syrakus unternommen. Die Athener legten zuerst bei Naxos
an, wo sie es durchsetzten, dass man sie in die Stadt Hess. In Katane, wohin
sie von da gelangten, hatte die Partei der Syrakusaner das Uebergewichl, und
sie wurden nicht zugelassen. In Syrakus hatte man inzwischen alle in der
kurzen Zeit möglichen Vorbereitungen getroffen. Man hatte die VorrSthe an
Waffen und Pferden vervollständigt, in die Kastelle auf dem Lande frische
Truppen gelegt, sich der unterworfenen sikelischen Städte durch Verstärkung
der Besatzung versichert und die unabhängigen um Hülfe gebeten', und es
blieb nun nichts übrig, als abzuwarten, was die Athener tbun würiden. Als
diese bei Syrakus angekommen waren, nahmen sie vor der Stadt Stellung und
sandten 10 ihrer Schiffe in den grossen Hafen, um zu erkunden, ob hier schon
liriegsschifle in^s Meer hinabgelassen wären, und zugleich den Leonttnem in
Syrakus die Anwesenheit der Athener kund zu thun. Ein Herold rief , die
Athener kämen, um als Bundesgenossen und Stammverwandte den Leontinern
beim Wiederaufbau ihrer Stadt zu helfen, es möchten deshalb alle in^Syrakus
befindlichen Leontiner ohne Scheu zu ihnen kommen. Natürlich hatte d!tese
Aufforderung keinen unmittelbaren Erfolg, aber sie enthielt eine Eriegs-
eiklärung an Syrakus, insofern sie die Athener als Verbündete der von den
Syrakusanern bekriegten Leontiner kund that, und war deswegen zweckmässig.
Nachdem sie ihre Aufträge erfüllt, und noch Tafeln mit den syrakusanischen
Bürger Verzeichnissen auf einem Schiffe, das sie vom Tempel des olympischen
Zeus nach der Stadt brinigen sollte^ erbeutet hatten, verliessen' die zehn Schiffe
den Hafen, und alle 60 kehrten nach Katane zurück. Hier hatte indess efne
neue Volksversammlung statlgefundeW, in welcher die den Athenern günstfjgö
Partei wenigstens so viel durchsetzte , dass die athenischen Feldherren in' die
Stadt kommeii durften, um dem Volke ihre Wünsche mitzutheilen. Dies geschah,
und alle Katanäer strömten zusammen , um den berühmte^ Alkibiädes reden
zu hören. Inzwischen fanden die draussen gebliebenen Athener ein schwaches
Nebenthor — offenbar wurde ihnen der Ort von ihren Anhängern in Katane
verrathen — erbrachen es und zeigten sich in der Stadt. Als dies die Freunde
der Syrakusaner bemerkten, verliessen sie erschrocken die Versammlung und
die Meisten von ihnen auch die Stadt, und das Volk beschloss sogleich das
Bündniss mit den Athenern mit dem beigefügten Wunsche , dass der Rest des
Heeres ebenfalls von Rhegion nach Katane kommen möchte. Natürlich gab es
beim Verkehr mit den Athenern viel zu verdienen. So fuhren denn die atheni-
schen Schiffe nach Rhegion , um den dort Zurückgebliebenen die erwünschte
Nachricht zu bringen, und das gesammte Heer kam nach Katane, wo ein Lager
bezogen wurde.
Indess waren die Katanäer Chalkidier, auf die man von vornherein ge-
rechnet hatte, ein bedeutenderer Erfolg hätte in der Gewinnung einer dorischen
Stadt gelegen. Und wirklich trafen Nachrichten ein, dass Kamarina, dds im
vorigen Kriege den Leontinern beigestanden , vielleicht durch die Anwesenheit
der athenischen Flotte von Neuem bewogen werden könnte, sich gegen Syrakus
zu erklären. Das ganze Heer schiffte sich deshalb ein und fuhr bei Syrakus,
wo immer noch keine Vorbereitungen , die Flotte in's Meer zu lassen, bemerkt
wurden, vorbei nach Kamarina. Die Athener hielten in einiger Entfemutig
Die Atb. beziehen bei Katane ein Lager. Fahrt nach Kanißrina. Alkibiades znrij^ckberufen. 23
vom Lande auf der Rhede und schickten Abgeordnete in die Stadt. Die Ant-
wort war aber ungünstig. Die Verträge geböten, die Athener mit einem
Schiffe zuzulassen ; wenn sie eine athenische Flotte wünschten , würden sie es
schon zu wissen thun. So mussten die Athener wieder abfahren , und sie
entschädigten sich für die erlittene Täfuschung dadurch, dass sie im Gebiete von
Syrakus an's Land stiegen, um zu plündern. Sie verloren jedoch, von syraku-
sanischen Reitern und leichten Truppen angegriffen, einige Leute und muss-
ten mit wenig Ruhm und gerioger Reute nach Katane zurückkehren. Hier
erwartete sie eine schlimme Rotschaft. Das Staatsscbifi der Athener, die Sa-
taminia, war dort angekommen und hatte für Alkibiades und einige seiner
eifrigsten Anhänger den Refehl mitgebracht , auf der Stelle nach Athen zu-«
rückzukehren , wo sie sich wegen der ihnen schuld gegebenen Verhöhnung
der Mysterien, Einige auch wegen des Hermenfrevels verantworten sollten.
Die Feinde des Alkibiades halten ihre Absicht durchgesetzt. Nachdem
in Athen die Aufregung über die Abfahrt der grossen Expedition sich gelegt
hatte, war der Gedanke, dass die Urheber des Frevels noch immer nicht ent-
deckt seien , den Athenern mit ganzer Schwere aufs Herz gefallen , und die
Nachforschungen begannen von Neuem , die nach manchen Wechselfällen zu
dem Resultate führten , dass die vom Redner Andokides , der behauptete, in
die Sache eingeweiht gewesen zu sein, sie aber missbilligt zu haben, als
schuldig Rezeichneten, so \iel man ihrer habhaft werden konnte, hingerichtet
wurden. Nun erinnerten sich die Athener an die übrigen , im Anfang der
Untersuchung gemachten Aussagen über die Entweihung der Mysterien und
wünschten auch dieser Sache auf den Grimd zu kommen. Hierbei handelte es
sich besonders um Alkibiades; aber zur Anklage der Gottlosigkeit, die somit
gegen ihn erneuert wurde, kamen noch Verdachtsmomente, die die vod
Manchen schon lange behauptete Beschuldigung , er habe es auf den Umsturz
der Verfassung abgesehen, zu bestätigen schienen. Alkibiades hatte in Argos
angesehene Männer zu Gastfreunden , die um dieselbe Zeit angeklagt wurden,
an der Beseitigung der Demokratie in ihrer Vaterstadt zu arbeiten. Auch zeigte
sich gerade damals ein iakedämonisches Heer am Isthmus, angeblich um den
Röotern zu helfen ; aber Niemand wusste , wozu die Böoter Hülfe bedurften,
und so stieg dem Volke der Argwohn auf, dass dieser Zug die Folge einer
Verabredung mit Alkibiades sei, und man zweifelte nicht länger, dass, wenn
man nicht schon wegen des Hermenfrevels Verhaftungen vorgenommen hätte,
die Verschwörung zum Ausbruch gekommen wäre. Eines Tages war in Athen
durch Denunciationen und schlimme Nachrichten die Furcht so lebhaft an-
geregt, dass man in der nächsten Nacht im Tempel des Theseus V^ache hielt,
um gegen jeden Angriff auf der Hut zu seio. So kam denn Vieles zusammen,
um das Volk gegen Alkibiades zu stimmen, in der Absicht, streng gegen ihn
zu verfahren, schickte man die Salaminia nach Sicilien, mit dem Befehle, ihn
und die mit ihm Verklagten nach Athen zu bringen. Doch sollte der beliebte
Feldherr nicht zur Reschämung de-s athenischen Heeres, zum Aergerniss der
Argiver und Mantineer und zur Freude der Feinde als Gefangener nach Hause
gescbafn werden. Er und seine Mitangeklagten sollten auf seinem eigenen
Schiffe die Salaminia begleiten. Sie folgten dem Befehle, aber nur bis Thurii,
24 Viertes Buch. III. Erste Unternehmuogeo der Athener.
wo sie versch wanden. Die Leute des Slaatsschiffes kehrten nach Athen zurück.
Hier verurtheilte man die Flüchtigen zum Tode.
Das Verfahren gegen Älkibiades war Athens Unglück. Als er sein Uriheil
hörte, rief er aus : Ich werde den Athenern zeigen, dass ich noch lebe, und er
hielt Wort. Er war von so zügellosem Sinn , dass ihm das Böse noch leichter
wurde als das Gute, und er hat niemals^seiner Vaterstadt so sehr genützt, wie
er ihr jetzt zu schaden verstand. Wir werden bald seine unheilvolle Wirksam-
keit genauer kennen lernen, seine Verurtheilung hatte aber auch schon sogleich
.die schlimme Folge, dass sie den Eifer des in Sicilien befindlichen Heeres
lähmte. Von jetzt an war Nikias der Hauptleiter des Unternehmens. La-
Ynachos war als Anführer in der Sdilacht sehr tüchtig, aber sonst ohne Autorität,
schon seiner Armuth wegen , die, wie man sagte, so gross war, dass die
Athener ihn öfters , wenn er zu Felde ziehen sollte , erst mit den nöthigen
Kleidungsstücken ausrüsten mussten , während dem Nikias schon sein grosser
Reichtfaum ein bedeutendes Ansehen verlieh. Nikias war aber langsam in
Allem und dazu abergläubisch, und so war sein überwiegender Einfluss dem
Unternehmen, von besonderen Fällen abgesehen, nur schädlich.
Hatten die Athener zuerst den Plan des Älkibiades auszuführen angefangen,
der darauf beruhte, Bundesgenossen zu gewinnen , ehe man zum Angriff auf
Syrakus schritt, so kam jetzt, nach dem Fortgange des Älkibiades , der des
Nikias wenigstens in einigen Punkten zum Vollzug, und man fuhr nach dem
Westen der Insel. Die Fahrt ging längs der Nordküste. Zuerst wandten
die Athener sich nachHimera, aber die Himeräer wollten sie nicht aufnehmen,
dann griffen sie die sikanische, den Egestäern aber feindliche Stadt Hykkara
#n und eroberten sie. Weil egestäische Reiter an dem Kampfe gegen Hykkara
Theil genommen hatten , wurde die Stadt den Egestäern tiberlassen , die Ein-
wohner aber nahmen die Athener, um sie als Sklaven zu verkaufen. Nun
theilten sie ihre Macht. Nikias fuhr mit einigen Schiffen von Hykkara weiter
nach Segesta, um endlich selbst zu sehen, wie es dort stünde, die Streitpunkte
zwischen den Egestäern und Selinuntiern genauer kennen zu lernen und das
Geld, welches Segesta liefern konnte, abzuholen. Es waren nur die 30 Talente
vorbanden, die schon von den letzten athenischen Gesandten in Aussicht ge-
stellt waren, und er kehrte mit dieser Summe so schnell als möglich nach dem
Lager beiKatane zurück. Eine andere Flottenablheilung brachte die gefangenen
Bewohner von Hykkara, für welche später bei dem Verkaufe 120 Talente ge-
löst wurden , ebendahin. Die Landtruppen endlich wurden mitten durch die
Insel zurückgeführt, und man benutzte die Gelegenheit, um den Sikelern die
Macht Athens zu zeigen und mit ihnen freundschaftliche Beziehungen anzu-
knüpfen. Bald fuhr dann eine Flotlenabtheilung zu den Sikelern der Nord-
küste , die zu den soeben gewonnenen gehörten , um sie zur Truppensendung
aufzufordern , während Landtruppen den Versuch machten , eine feindliche
sikelische Stadt von fester Lage, das geleatische Hybla, das heutige Paternö,
zu erobern. Der Angriff misslang aber.
Das waren die Thaten der Athener im Sommer des Jahres 445. Sie
suchten Bundesgenossen zu gewinnen durch Hin- und Herfahren mit der
Flotte, statt durch kräftige und nachdrückliche Angriffe auf Syrakus, und sie
Erster Angriff auf Syrakas. 25
gewannen nicht einmal alle die, aaf welche sie von vornherein gerechnet
hatten, sie griffen kleine Städte an und wurden von einer zurückgeschlagen.
Viertes Kapitel.
Erster Angriff auf Syrakns.
Bei den Syrakusanern war inzwischen jegliche Furcht vor den Athenern
verschwunden. Sie hatten gez(igert, Syrakus anzugreifen, sie hatten nicht
einmal das kleine Hybla erobern können , wie konnte man von einem so %'er-
kehrt operirenden Feind anders als mit der entschiedensten Geringschätzung
denken ? Wenn die Athener es denn nicht wagten , zu ihnen zu kommen,
meinten die Syrakusaner, so mUssten sie selbst nach Katane marschiren , und
die Feldherren waren kaum im Stande , sie zurückzuhalten. Reiterschaaren
schwärmten häufig bis in die Nähe von Katane, und Einzelne sprengten an die
Lagerthore und fragten höhnisch, ob denn die Athener ihre Absicht, den
Leontinem zu ihrer Heimath zu verhelfen, aufgegeben hätten und jetzt beab-
sichtigten, sich selbst im fremden Lande niederzulassen ? Solcher Uebermuth
gestattete den Athenern nicht langer, unthatig zu bleiben. Nikias musste
etwas gegen Syrakus unternehmen, wenn er auch lieber die Zeit mit weiteren
Vorbereitungen hingebracht hätte. Die Stimmung der Syrakusaner gab aber
auch den athenischen Feldherren ein Mittel an die Hand, ohne jegliche Gefahr
eine Landung bei Syrakus zu bewerkstelligen. Sie sandten einen Mann aus
Katane , der den Syrakusanern als ihr Freund bekannt war, sich aber neuer-
dings den Athenern angeschlossen hatte , mit der im Namen der syrakusani--
sehen Partei Katane's zu machenden Hittheilung nach Syrakus , dass sich jetzt
eine vortreffliche Gelegenheit darbiete, die Athener zu vernichten. Es hätten
sehr viele von diesen die Gewohnheit, die Nacht in der Stadt zuzubringen^
wenn nun die Syrakusaner an einem bestimmten Tage früh morgens sich vor
dem athenischen Lager einfinden wollten , so würde ihre Partei die Stadtthore
verschlossen halten; dann seien die im Lager befindlichen Athener ab-
geschnitten und könnten leicht vernichtet werden , indess sie selbst die im
Hafen von Katane befindlichen Schiffe anzündeten. Die Syrakusaner gingen in
die Falle. An^ Vorabend des festgesetzten Tages brach ihre gesammte Macht mit
einigen inzwischen eingetroffenen Selinuntiero und andern Bundesgenossen
auf. Sobald die Athener die Nachricht von dem Ausmarsch der Feinde erhalten
hatten , schifften sie schnell ihr ganzes Heer mit allem Zuzug, der ihnen aus
Sicilien geworden war, ein und fuhren nach Syrakus. So erreichten um
Tagesanbruch die Athener Syrakus, während zu gleicher Zeit die syrakusani-
sehen Reiter beim verlassenen athenischen Lager anlangten. Hier merkten sie
den Betrug und ritten spornstreichs zu den Ihrigen zurück , die natürlich in
Z.'i
2& Vieptes Buch. IV, Erster Angriff auf Syrakus.
grösster Eile nach Syrakus marschirten. Die Athener waren in den grossen
Hafen eingelaufen, und hatten hier volle Zeit gehabt, an einem Orte, der ihnen
passend schien, ein Lager aufzuschlagen. Wer in die Meeresbucht fuhr, die
der grosse Hafen von Syrakus genannt wurde, hatte die Stadt zur Rechten,
zur Linken die niedrige Halbinsel Plemmyrion , gerade vor sich aber einen
Höhenzug, den der Tempel des Olympischen Zeus krönte, dessen Ueberreste
noch heute im Kornfelde sichtbar sind. Diese Höhe konnte als Centralpunkt
des Hafens fUr eine Occupation geeignet erscheinen ; die Athener besetzten sie.
Sie errichteten ihr Lager südöstlich vom Olympieion zwischen dem Sumpfe, der
die Kyane umgibt, und dem Hafen. Diese schon von Natur sichere Stellung
verbesserten sie noch durch besondere Vorkehrungen. Die Schiffe wurden
durch ein Pfahlwerk geschützt, auf Daskon , der jetzigen Punla Caderini , ein
Kasteil errichtet und die Anaposbrücke, über welche von Syrakus aus der
ihren Lagerplatz vom Olympieion trennende Helorinische Weg führte, ab-
gebrochen. Nun befanden sie sich in einer Stellung, wie sie zur Vertheidigung.
nicht besser sein konnte. Sie waren im Stande, eine Schlacht nach ihrem
Wunsche anzunehmen oder abzulehnen, und konnten von der syrakusanisdien
Reiterei nicht viel leiden. Sobald die Syrakusaner zurückgekommen waren,
boten sie den Athenern eine Sohlacht an. Diese wollten aber nicht gleich den
Kampf beginnen, und die Syrakusaner gingen deshalb auf die andere Seite des
Ueiorinischen Weges zurück, wo sie die Nacht zubrachten. Am nächsten Tage
wurde die Schlacht geliefert, die wir nach Thukydides ausführlich beschreiben,
um ein Riid einer griechischen Schlacht dieser Zeit zu geben. Auf athenischer
Seite nahmen den rechten Flügel die Argiver und Mantineer ein , den linken
die übrigen Bundesgenossen, die Mitte die Athener selbst. Die eine Hälfte der
Truppe bildete den eigentlichen Schlachthaufen, der acht Mann tief aufgestellt
war; die andere stand weiter rückwärts in der Nähe der Zelte und in Form
eines länglichen Vierecks , dessen sämmtliche Seiten ebenfalls acht Mann tief
waren. Diese Reserve nahm das Gepäck und dessen Träger in die Mitte und
erhielt den Befehl , sich dahin zu wenden , wo sie die Hauptmasse des Heeres
in Gefahr sähe. Die syrakusanischen Feldherren stellten ihre aus Syrakusanern
m sehr grosser Anzahl und wenigen Bundesgenossen, besonders Selinuntiem,
bestehende Hoplitenschaar 16 Mann tief auf und Hessen die 1200 Mann starke
Reiterei, worunter SOO Geloer und 20 Kamarinäer, den rechten Flügel ein-
nehmen , auf dem auch 50 kamarinäische Bogenschützen und einige Speer-
werfer standen. Die athenischen Feldherren beschlossen, den Syrakusanern
mit dem Angriffe zuvorzukommen, und Nikias ermunterte seine Leute durch
eine kurze Ansprache. So begann der Kampf, der das Uebergewicht der im
Dienste geübten Athener über den zwar kampfbereiten, aber jeder Schulung
entbehrenden syrakusanischen Landsturm glänzend darlegte. Obschon die
Syrakusaner sich für diesen Tag auf eine Schlacht vorbereitet hatten , waren
nicht alle von ihnen zu rechter Zeit auf dem Platze ; die Stadt war eben zu
nahe und warum sollten sie nicht erst noch von den Ihrigen Abschied nehmen t
So kam es, dass Manche, zu spät eintreffend, sich an AbtheUungen anschlössen,
zu denen sie nicht gehörten. Die Schlacht wurde wie gewöhnlich von den
Schleuderern und Bogenschützen beider Theile durch Plänkeleien eingeleitet.
Schlacht beim Olympieion. Rückkehr der Athener nach Katane. 27
Dann bräehtetr df^ die Heere begleitenden Weissager die^Opferthiere zum Vor-
schein, und'alä die Ofyfer den Begitm des eigentlichen. Kampfes gestatteten,
\i^üitle von' beiden S^ten durch Trompetenstdsse das Zeiehen znm Angriff
gegeben. EÜie^Zeit iMig war die Schlacht' unentschieden. Pl5lzlteh aber entlud
sich ein Gewitter Über den Kämpfenden. Viele der Syrabusaoer , die zum
e/t^n Bfele in einer Schlacht waren j wurden durch das Gewitter erscbttttert ;
Atid^r^ duf^ die uherwartet ruhige und unbekUimnerte Haltung der an
Kribgszucht gewöhnten Athener betroffen. So kam es, dass, eis die Argiver in
diesem Augeüblieke mit grösserem Nachdrucke den ihnen gegenüberstehenden
littketi Flügel dei* Syrsikusaner angriffen , dieser zurückwich ; die Athener im
Centrüm drängten ebenfells vorwärts, und bald befand sich das Heer der
Syrako^ner auf deth Rückzüge. Weit konnten die Athener sie nicht ver--
folgen , da die zahlreiche syrakuSanische Reiterei , die kaum an dem Kampfe
Uatle Theil' nehmen können', sich stets von Neuem auf die nachrückenden
Athener warf , alle den Reihen Voraneilenden zurücktrieb und den Siegern
nur in- geschlossenen Massen vorzurücken erlaubte. Sie kehrten um und be-
gnügten sich damit, auf dem Schlachtfelde Siegeszeichen zu errichten. Die
Syrakusaner san^melten- sich auf dem Helorinischen Wege und ordneten sieh
Wfi^der , so gut sie es vermochten , dann Hessen sie in dem Bezirk des Olym-
l^feions eine Besatzung, die dte Tempelschätze gegen etwaige Plünderungs-
versuche der Athener schützen seilte, und kehrten nach Syrakus zurück. Die
Athener machten keinen Verbuch , sich des Zeustempele zu bemächtigen ; sie
erftlllteh die voA der Religion gebotenen Pflichten , indem sie noch an dem-
selben Tage die Leichen der fhrigen sammelten und verbrannten, ui^ die der
gefallenen Syrakusaner am folgenden Tage während eines zu diesem Zwecke
geschlossenen Waffenstillstandes ihren Gegnern auslieferlen. Auf athenischer
S6i(e waren uhgefähr 50 Mann, auf syrakusanischer 260 gefellen^ Der Anfang
iöi^nte immerhin fttr die Athener als glückverheissend betrachtet werden , sie
EbU^sten jetzt nur die errungenen Vortheile verfolgen. Aber das geschah nic^t.
l^s schien ihnen die Jahreszeit, der Herbst, nicht günstig , um eine färmltdie
B^tagerung zu beginnen , zu der sie sich ausserdem bei dem Mangel an Rei-
terei, der sie ja auch um alle Früchte ihres Sieges gebracht hatte , nicht fähig
glaubten. Und schliesslich muss man fragen, ob denn nicht die Wahl des
Oftes eine falsche gewesen war, wenn es sich um eine wirkliche Belagerung
von Syrakus handelte. Wollten sie Syrakus nehmen , so mnssten sie es ein-
schliessen; wo sie nun stäfnden, waren sie noch durch den Anapos von der
Stadt getrennt und vermochten ihr nicht näher zu kommen. So war es denn
am besten , wieder abzuziehen. Die Feldherren beschlossen, augenblicklich
nach Kätane zürüekstügehen, und dort während des Winters die Rüstungen zu
vervollständigen, um beim Beginn des Frühjahrs kräftiger gegen Syrakus auf-
treten zu können. So kehrte man denn nach Katane zurück, nach einem Zuge,
der nur als eihe Recognoscirung im grössten Stile betrachtet werden kann.
Abet* als solche hatte er seinen Nutzen. Die athenischen Feldherren sahen.
Wo Syrakus angegriffen werden müsste , wenn es mit Aussicht auf Erfolg ge-
schehen sollte.
Bis jetzt hatten die Athener keine besondere Triumphe gefeiert. Dennoch
2S Viertes Buch. IV. Erster Angriff auf Syrafcus.
0
halte Uermokrates Reehi gehabt, als er seinen Mitbürgern die Ankunft eines
gewaltigen Heeres in Aussiebt stellte, und das am Olympieion Vorgefallene
zeigte den Syrakusanem, dass der Feind keineswegs zu verachten sei. Ihre
Niederlage machte ihnen klar , dass Manches bei ihnen nicht so war , wie es
sein sollte , und wenn sie längere Zeit mit Uebermuth auf die Feinde herab-
gesehen hatten, so wurden sie jetzt recht kleinmtithig. Der Augenblick war
gekommen, wo Hermokrates mit mehr Beifall seine Rathschläge ertheilen
konnte. ~ Gleich in der nächsten Volksversammlung bemühte er sich, den
Muth des Volkes wieder zu heben. Nur Mangel an Ordnung und Uebung habe
die Niederlage herbeigeführt, die nicht schimpflich sei , da man sie von den in
der Kriegskunst erfahrensten unter den Griechen erlitten habe. Eine der
Hauptursachen der Niederlage sei die mangelhafte Einrichtung des Oberbefehls
gewesen , eine andere die Ungeübtheit der Soldaten. Wenn man die Führung
wenigen Erfahrenen übertrüge, wenn man im Winter für einen Kern tüchtiger
Hopliten sorgte, den Aermereu Waffen gäbe und so die Zahl der Schwer-^
bewatfoeten mi^giicbst vermehrte, dann sei alle Aussicht vorhanden, dass
Syrakus die Athener überwinden werde. Das Dringendste sei aber die Ein-
setzung eines weniger zahlreichen Feldherrencollegiums , dem unbedingte
Vollmacht zu ertheilen sei; das Volk müsse sich eidlich verpflichten, es in der
Wahl der zu treffenden Massregeln nicht zu beschränken. Die Syrakusaner
sahen die Richtigkeit dieser Bemerkungen ein. Die Zahl der Feldherren wurde
auf drei herabgesetzt und Hermokrates selbst zum ersten erwählt, neben ihm
Herakleides und Sikanos. Sodann schickte man schleunigst Gesandte nadi
Konnth ^d Lakedämon , die die peloponnesischen Staaten um Hülfe bitten,
aber auch die Lakedämonier antreiben sollten, offen wieder mit den Athenern
Krieg anzufangen, damit diese entweder ihr Heer aus Sicilien zurückziehen
müssten, oder doch wenigstens sich ausser Stande sähen, es zu verstärken.
Endlich sorgte man im Laufe des Winters für eine bessere Befestigung der
Stadl. Nur Ortygia , Achradina und wahrscheinlich Tyche waren von Mauern
•umschlossen, offen war die Vorstadt, die sich um den Tempel des Apollo
Temenites gebildet hatte, die spätere Neapolis. Diese umgaben nun die Syra-
kusaner mit einer Mauer, die wahrscheinlich in einiger Entfernung vom grossen
Hafen sich an die Achradinamauer anschloss und die Athener , wenn sie nach
der bei Belagerungen gebräuchlichen Weise die Stadt von der Landseite ein-
schliessen wollten, in die Noth wendigkeit versetzte, eine sehr lange Mauer zu
bauen , an deren Vollendung es nicht unmöglich scheinen konnte, sie zu ver-
hindern. Ausserdem befestigten sie nördlich von Syrakus das verlassene Me-
gara und südlich die Vorstadt am Olympieion , um den Athenern von beiden
Seiten den Marsch nach Syrakus zu verlegen, und rammten überall , wo
Landungsplätze bei der Stadt waren, Pfähle ein, um^die Schiffe am Anlegen
zu hindern.
Indessen waren die Athener auch nicht ganz müssig geblieben, Sie
glaubten nach einigen Anzeichen, dass Messana jetzt zu ihnen übergehen
werde, und fuhren mit ihrer gesammten Streitmacht dabin. Da zeigte sich aber
die erste Wirkung der Feindschaft des Alkibiades. Er hatte vor seiner Abfahrt
den Häuptern der syrakusanischen Partei in Messana die Absichten ihrer
Vorkehrungen d. Syrakusaner. Die Athener versuchen umsonst Kamarina zu gewinnen. 29
Gegner verrathen , und ehe noch die Athener dort eintrafen, waren ihre An-
hänger aus dem Wege geräumt, und die Gegenpartei verhinderte, unter Waffen
stehend , das Zustandekommen jedes Vertrages. Dreizehn Tage "warteten die
Athener vergebKch in der Nahe der Stadt auf den Sieg ihrer Anhanger; endlich
nöthigte sie das schlechte Wetter, abzufahren. Doch verlegten sie, um Messana
naher zu sein , ihr Lager für die nächste Zeit von Ratane nach Naxos , worauf
die Syrakusaner auf einem Plünderungszuge das verlassene athenische Lager
mit den Zelten ü. s. w. verbrannten. Die Athener sandten nun von Naxos
eine Triere nach Athen , welche Nachricht von dem Stande des Unternehmens
bringen und dafür sorgen sollte , dass mit dem Beginn des Frtihlings Reiterei
und Geld nachgesandt würden, und machten dann einen neuen Versuch, Ka-
marina zum Bündniss gegen Syrakus zu bewegen. Wahrend aber ihre An-
hänger in Kamarina es durchsetzten , dass athenische Gesandte vor dem Volke
auftreten durften, machten die syrakusanisch Gesinnten die Regierung von
Syrakus darauf aufmerksam , und so kam es , dass zu gleicher Zeit aus dem
athenischen Lager Euphemos, aus Syrakus Herraokrates in Kamarina eintrafen.
In der Volksversammlung erhielt zuerst Hermokrates das Wort. In längerer
Rede warnte er vor den Machtgelüsten der Athener, wies darauf hin, dass
nicht einmal Rhegion sich ihnen angeschlossen habe, verkündigte, dass Hülfe
aus dem Peloponnes für Syrakus zu erwarten sei, und schloss mit Drohungen
gegen Kamarina für den Fall, dass es beschliessen sollte, neutral zu bleiben.
Euphemos, der im bisherigen Verlaufe des Feldzuges gelernt hatte , wie ein
Athener in Sicilien zu sprechen habe, antwortete mit der Behauptung, dass die
Athener nur nothgedrungen nach Sicilien gekommen waren, um zu verhindern,
dass die Syrakusaner sich mit den Spartanern gegen sie verbanden. Ihre
Bundesgenossenschaft bestehe aus den verschiedensten Elementen, und manche
derselben seien durchaus frei. Dauernd in Sicilien zu herrschen, sei ihnen ja
schon der Entfernung wegen unmöglich. Unserer Stadt Tbatigkeit, schloss- er
grossartig genug, ist grösser, als Manche begreifen können; benutzt uns, so
lange es möglich ist. Darum, statt immer nur die Syrakusaner zu fürchten,
versucht auch einmal, mit uns vereint, ihnen Furcht zu erregen. Die Rede des
Euphemos war geschickt. Dass es den Athenern um den Ruin von Syrakus
zuthunwar, wurde ebenso verheimlicht, wie Hermokrates die Besorgniss,
Syrakus könne fallen, nur leise angedeutet hatte. Dennoch hatten die Be-
mühungen der Athener keinen Erfolg. Zwar war Kamarina im Allgemeinen
ihnen zugethan, aber die Furcht vor der näheren Stadt erlaubte nicht, sich offen
für sie zu erklären. Bis jetzt waren die Kamarinaer mit einer halben Neu-
tralität durchgekommen — die nach Syrakus gesandte geringfügige Hülfe war
ein Beweis davon — und so dachten sie es auch in Zukunft zu halten. Um
aber den für den Augenblick siegreichen Athenern wenigstens ausserlich eine
Concession zu machen, gaben sie vor, von jetzt an eine unbedingte Neutralität
beobachten zu wollen. So war also zum zweiten Male der Versuch, Kamarina
zu gewinnen, gescheitert, und die Athener sahen sich in Sicilien auf die
Bundesgenossenscbaft der Katanaer und Naxier, der Egestaer und eines Theils
der Sikeler beschrankt.
Von diesen letzteren waren damals die der Ostkttste näheren den Syra-
^
> -
*
'30 Viertes Booh. IV. Erster Angnff auf Syrekas.
kusanern uaterworfen , die im Innern ansässigen und die an der NordLttsie
wohnenden unabhängig. Diese waren grösstenibeils freiwrliig zu. den Athe-
nern übergegangen ; es lebte in ihnen noch die alte Liebe zur Unabhängig-
keit, die Duketios so grossen Erfolg verschafft hatte/ und sie hofilen,^ mit Hülfe
der Fremden leichter ihre Zwecke ra erreichen. Jene suchten die Athener %\i
gewinnen, was ihnen auch trotz der Wachsamkeit der Syrakusaner bei'den
meisten gelang, unter denen wahrscheinlich auch die südlichen Sikeler waren.
' Von den Sikelem erhielten die Athener, die im Laufe des Wintera wieder in
das alte Lager bei Ratane übersiedelten, hauptsächlich Getreide, daneben auch
ein wenig Geld freiwillig geliefert; sie legten ihnen .sowie d^n Egestäem aus-
serdem die Liefernng von Pferden zur Bildung einer Reiterei und von Zi^ln
und Eisen zum bevorstehenden Mauerban bei Syrakus auf.
Ausserdem sahen sie sich in noch weiterer Ferne nach Bundesgenossen
um. Sie sandten nach Karthago und in entgegengesetzter Richtung nach
Etrurien, wo einzelne Städte eingedenk der alten Feindschaft zwischen Etrurien
und Syrakus sich geneigt zeigten, ihnen beizustehen.
Um dieselbe Zeit gewannen die Syrakusaner einen Beistand, der das
Schicksal des Krieges entscheiden sollte, ,und zwar durch die Vermittlung des
Mannes, der vor allen berufen gewesen war, sie zu verderben. Sie hatten
Gesandte nach dem Peloponnes geschickt. Diese riehleten zuerst ihre Aufträge
in Korinih aus, wo sie die besten Verheissungen erhielten, und von wo einige
Bürger sie nach Sparta begleiteten. Die Spartaner zeigten sich nur zu dem
durchaus nutzlosen Dienste bereit,. Abgeordnete nach Syrakus zu schicken,
die den Syrakusanern kräftigen Widerstand anrathen sollten» und die Gesandten
hätten un verrichteter Sache nach Hause zurückkehren müssen, wenn iimen
nicht in Alkibiades ein Helfer in der Noth erschienen wäre. Dieser war #uf
einem Kauffahrteischiffe von Thurii nach dem elischen Kyllene gelangt, hatte
dann eine kurze Zeit in irgend einer neutralen Landschaft zugebracht und aeine
Absicht, Athen zu schaden, so offen ausgesprochen, dass die Spartaner ihn
ersucht hatten , unter freiem Geleite nach Sparta zu kommen. Entschlossen,
seine Vaterstadt in die schlimmste Lage zu versetzen, unten^tützte er in
Sparta dringend die Vorschläge der Koriniher und die Bitten 4ep Syrakusaner,
' so wie er es auch war , der den Lakedämoniern den Plan eingab , Dekeleia in
AtUka dauernd zu besetzen. Er behauptete, dass es die Absicht der Athener
gewesen sei und noch sei , die sicilischen Griechen zu unterjochen , dann die
italischen anzugreifen und zu überwinden, hierauf sich gegeln Karthago zu
wenden und endlich, wenn dies Alles oder auch nur das Meiste* glücklich aus-
geführt sei, sich mit einem ungeheuren, aus Griechen und Barbaren bestehen-
den Heere auf den Peloponnes zii werfen , mit einer gewaltigen Flotte , zu der
Italien gutes Material liefern werde, ihn ringsum einzuschliessen und abzu-
sperren, und die Städte desselben theils im Sturm, theils durch langsame Be-
lagerung zu nehmen. Wären die Sikelioten vereinigt, so ktonten sie, meinte
Alkibiades, sich wohl noch retten. Nun sei aber Syrakus allein angegriffen
und schon in einer Schlacht besiegt, und wenn es gefallen sei, werde 4as
übrige Sicilien und Italien bald folgen. Deshalb müsaien die Spartaner ein
Heer nach Syrakus schicken, vor allen Dingen aber einen angesehenen Mann
Die Syraknsaner werben Bundesgenossen. SpBHasendetGylipposd.Syrakusan. zu Hülfe. 31
zur Leitung der Vertheidigung. Die Rede des AJkibiades gab den Aasschlag.
Die Läkedämonier folgten seinem Rathe und erwählten Gylippos, den Sohn
des Rleandridas, einen ihrer tapfersten nnd erfahrensten Männer zum Anführer
für die Syrakusaner und wiesen die syrakusanischen und korinthischen Ge-
sandten an ihn, der dafür sorgen werde, dass so schnell als möglich die Hülfe
abgebe; Gylippos gebot den Korinthem, für's Erste zwei Schiffe nach Asine,
einem messenischen Hafen, zu schicken und die übrigen Schiffe, die sie noch
den Syrakusanern zu senden gedächten, schleunigst auszurüsten.
Während so den Syrakusanern eide Hülfe vorbereitet wurde, die an Zahl
der Schiffe und Soldaten geringfügig , doch durch den neuen Geist , der mit
ihr in Syrakus einziehen sollte , die athenische Unternehmung zu vernichten
bestimmt war, beschlossen die Athener, ihren Feldherren in Sicilien die ge-
wünschte Unterstützung an Reiterei und Geld zu senden. Sie sahen wohl,
dass das Unternehmen noch mehr Opfer erforderte , als selbst Nikias ihnen
zugemuthet hatte, aber sie bewilligten das Verlangte ohne Widerstreben.
Fünftes Kapitel.
Besetasung Ton lipipolae. Belagerung von Syrakus bis zur Ankunft
des Gylippos«
Als der Frühling des Jahres 414 anbrach, waren die Athener immer noch
nicht bereit, die Belagerung von Syrakus zu beginnen. Sie machten , um die
Zeit bis zur Ankunft der Verstärkungen hinzubringen , vorerst den Versuch,
Megara, das syrakusanische Kastell, das den Landweg von Katane nach
Syrakus sperrte, zu erobern. Er misslang aber, und sie mussten sich mit einer
nutzlosen Verheerung des Landes und der Gefangennahme einiger Syrakusaner
begnügen. Ein ähnlicher Raubzug in's Innere des Landes führte sie durch
das Gebiet von Inessa und Hybla , das sie verwüsteten , nach Kentoripa , das
sich ihnen anschloss, und das für einen Krieg im Innern der Insel, sowie für
Märsche durch dieselbe wegen seiner festen, ein weites Gebiet beherrschenden
Lage allerdings von grosser Bedeutung war. Bei ihrer Rückkehr fanden sie
endlich in Katane die aus Athen erwartete Verstärkung : 250 vollständig ge-
rüstete Reiter, welche mit Pferden in Sicilien versorgt werden mussten, 30
berittene Bogenschützen und eine Summe von 300 Talenten. Nun wurde die
Fahrt nach Syrakus unternommen. Die Syrakusaner erleichterten ihnen den
Beginn der Belagerung durch ihre eigene Nachlässigkeit. Was sie im ver-
flossenen Winter zum Schutze ihrer Stadt gethan hatten , war zweckmässig,
aber noch lange nicht ausreichend. Sie hatten auf die Gestaltung des Etodens
im Westen von Tyche und Neapolis nicht die gehörige Rücksicht genommen.
Das allmählich ansteigend Plateau verengte sich hier mehr und mehr, bis es
32 / Viertes Buch. V. Besetzung von Epipolae.
in einer Entfernung von etwa V« einer deutschen Meile vom Ufer der Achradina
mit einer schroff abfallenden Spitze schliesst. Ein Feind , der dies hoch-
gelegene, nach Norden und Süden steil abfallende Terrain besetzt hatte, war im
Stande , von hier aus nach Norden^ und Süden in gleicher Richtung mit den
syrakusanischen Westmauern eine Einschliessungsmauer zu ziehen. So konnte
die Stadt ausgehungert werden , was das einzige Mittel war , sie zu nehmen.
Die Syrakusaner hatten dies bedenken und frühzeitig die Höhe von Epipolae
gegen einen Ueberfall sichern müssen. Sie hätten, wenn sie es nicht für
möglich hielten, dies durch Festungswerke zu thun, wenigstens von dem
Augenblicke an , wo die Jahreszeit den Beginn der Belagerung wahrscheinlich
machte, gute Umschau nach der athenischen Flotte halten sollen, um zur
rechten Zeit bedrohte Punkte zu sichern. Sie dachten aber zu spttt an solche
Vorsichtsmassregeln, und das brachte ihnen den grössten Schaden. Endlich
war indess doch bei ihnen der Gedanke, dass die Zugänge zu Epipolae ver-
theidigt werden müssten, durchgedrungen, und die drei Feldherren, Hermo-
krates, Herakleides und Sikanos, die vor nicht langer Zeil ihre Amtsführung
begonnen hatten , beriefen das ganze bewaShete Volk zu einer Musterung auf
die Wiese neben der Mündung des Anapos. Bier wurde bestimmt, dass eine
äuserwählte Schaar von 600 Schwerbewaffneten unter Diomilos, einem Ver-
bannten aus Andres, Epipolae besetzen sollte, und es wurde ihnen zur Pflicht
gemacht, auch anderen etwa bedrohten Punkten schnell zu Hülfe zu eilen.
Aber schon war es zu spät. Kaum war der Besohluss gefasst, da erhielten
sie die Nachricht, dass die Athener bereits auf der Höhe von Epipolae sich
befänden.
Gerade in der vorhergehenden Nacht war die athenische Flotte von Katane
abgefahren, und die Absicht der Feldherren ging eben dahin, zuerst Epipolae
zu. besetzen und sodann auf die beschriebene Weise die Stadt einzuschliessen.
Dazu war aber , da Hegara den Landweg sperrte , eine Landung in nächster
Nähe von Syrakus nothwendig. Es wurde deshalb das Heer bei Leon, einem
von Epipolae nur 6 — 7 Stadien entfernten Orte, an'sLand gesetzt mit dem
Befehle, schnell nach Epipolae zu marschiren. Nachdem die Truppen gelandet
waren, fuhren die Schiffe nach der Halbinsel Thapsos, wo sie ein Lager auf-
schlugen. Das Heer eilte indess raschen Laufes nach Epipolae, erstieg jedoch
die steile Anhühe nicht an einem der Stadt nahen Punkte, sondern unfern von
der westlichsten und höchsten Spitze , da wo das Plateau in eine schmale
Zunge übergeht, an einem Orte, der den Namen Euryelos führte. Die Athener
betraten hier das Plateau, weil sie hoffen konnten, an dem von der Stadt ent-
ferntesten Orte am wenigsten Widersland zu finden. So war es in der That.
Sie konnten ungehindert sich oben aufstellen. Natürlich waren von den
Syrakusanern die 600 Auserwählten am ersten zur Stelle, ihnen folgten die
Uebrigen. Nun betrug die Entfernung von der Wiese bis zum Euryelos 25
Stadien, und der Weg führte auf unbequemen Pfaden in die Höhe. So war
es natürlich, dass die Syrakusaner in ziemlicher Verwirrung oben anlangten,
und dass der Kampf sich gegen sie entschied. Diomilos selbst fiel und mit
ihm gegen 300 Syrakusaner; die übrigen mussten sich in die Stadt zurück-
ziehen. Die Athener errichteten ein • Siegeszeichen und gaben nach dem
Die Athener siegen in einem Gefecbt. Beginn der Einschliessungsmauer. 33
Gebrauch den Syrakusanern ihreXodten während eines WafFenstillstandes zum
Begräbniss zurück. So war es ihnen gelungen , eine Stellung zu gewinnen,
die sie zum Beginn der Belagerung fähig machte, die einzige Stellung, von der
aus Syrakus wirklich zu erobern war. Sie hatten zugleich klug und energisch
gehandelt, und es wird erlaubt sein, das Verdienst dieser Thätigkeit dem trei-
benden Einflüsse des Lamachos zuzuschreiben.
Am folgenden Tage rückten sie gegen die Stadt vor, aber die Syrakusaner
nahmen die Schlacht nicht an , und so konnten sie sich in Müsse auf den
Höhen von Epipolae festsetzen, an einem Punkte von ungemein herrlicher und
geradezu dominirender Lage: im Rücken das Gebirgsland des südöstlichen
Siciliens, links den gewaltigen Aetna mit seiner stets rauchenden Spitze ; vor
sich aber das ionische Meer und die Küsten der Insel in einer Ausdehnung von
vielen Meilen und unmittelbar unter sich die Stadt Syrakus, die sie belagern
wollten, und von der ihre Blicke den festländischen Theil beherrschten, wahrend
Ortygia in der Ferne wie ein Schiff im Meere lag. Ihre Flotte befand!sich noch
in Thapsos, und mit ihr in Verbindung zu bleiben war eine wichtige Aufgabe
für die Athener , die nun nicht mehr nöthig hatten , auf dem Umwege über
Eury.elos die Verbindung zwischen Epipolae und der Flotte zu bewerkstelligen,
sondern auf dem nächsten Wege hinab und hinauf steigen konnten. Eine Be-
festigung des Theiles des Felsens, über welchen der Weg führte, war also von
grosser Wichtigkeit. Sie erbauten zu diesem Zwecke das Fort Labdalon , das
am äussersten Nordrande des Piateau's lag und richteten es zugleich als Zeug-
haus für die Belagerung ein. In dieser Stellung erwarteten sie die Vervollstän-
digung ihres Heeres durch Reiterei , die bald eintraf. Es waren 300 Reiter
aus Segesta ; aus Naxos und von den Sikelem gegen 100, so dass mit den 250
athenischen Reitern, welche von Segesta und Katane Pferde bekommen hatten,
sich die Stärke der athenischen Reiterei auf 650 Mann belief. Nun konnten
sie die Einschliessung der Stadt durch eine Mauer beginnen. Der Isthmus,
durch welchen Syrakus (Achradina) mit Sicilien zusammenhing, war aber
mehr als 13,000 Fuss breit; es war also eine gewaltige Mauer zu errichten.
Hierzu kam, dass da, wo die athenische Mauer im Süden den grossen Hafen
berühren musste , sich eine sumpfige Niederung hinzog , die den Bau ausser-
ordentlich erschwerte, und endlich noch die Vorsicht der Syrakusaner, die
südwestlich von diesem Sumpfe, rechts von der Mündung des Anapos, beim
Olympieion ein Fort errichtet und daselbst eine Besatzung gelassen hatten.
Dieser vorgeschobene Posten musste die Athener, wenn sie ihre Arbeiten nach
der Niederung am grossen Hafen fortsetzten , empfindlich belästigen und
nöthigte sie, entweder den Versuch seiner Eroberung zu machen oder zwischen
Epipolae und dem grossen Hafen eine doppelte Mauer zu ziehen, um so nach
beiden Seiten geschützt zu sein. Unter diesen Umständen, einer Stadt gegen-
über, die viel mehr Bewaffnete zählte als die Belagerer, in der Flanke von
einem vorgeschobenen Posten bedroht und in der Noth wendigkeit , im An-
gesichte von Feinden, die die Furcht nicht immer in ihrer Stadt zurückhielt,
eine Mauer von einer Gesammtlänge von mehr als 3/4 einer deutschen Meile"
zu erbauen , musste ihre erste Sorge sein , an einem wo möglich in der Mitte
gelegenen Punkte der herzustellenden Linie ein Fort zu errichten. Sie bauten
Holm, Oesch. Siciliens II. 3
34. Viertes Buch. V. Belagerung von Syrakus bis zur Ankunft des Gylippos.
eiD rundes Fort an einem Orte , der von den dort wachsenden FeigenbäuineD
den Namen Syke führte. Die Athener waren von allen Griechen an> erfahren-
sten in der Belagerungskunst und besonders im Mauerbau, und diesmal, von
der Furcht, getrieben, dass ein Angriff der an Zahl überlegenen Feinde sie
schon bei diesem ersten Beginn der Arbeit stören möchte, bauten sie mit sol-
chem Eifer, dass das Werk sich wunderbar schnell aus dem Boden erhob und
die Syrakusaner bei seinem Anblick in grosse Bestürzung geriethen. Sie
glaubten, die gefährliche Arbeit nicht ruhig ansehen zu dürfen, und folgten
bereitwillig dem Rufe ihrer Feldherren zu einer Schlacht. Die Athener stellten
sich in Schlachtordnung. Die Syrakusaner^ welche wahrscheinlich erwartet
hatten, dass die Feinde Ueberraschung zeigen würden, geriethen nun selbst in
Verwirrung, und ihre Unruhe nahm einen so bedenklichen Charakter an, dass
ihre Feldherren es für gerathener hielten , sie in die Stadt zurückzuführen.
Um ihren Rückzug im Angesichte des Feindes weniger schimpßich zu machen,
kessen sie eine Abtheilung Reiter zurück, die die Athener beim Mauerbau be-
lästigten. Gegen diese reichte aber die athenische Reiterei und eine Phyle
der Schwerbewaffneten aus. Die Syrakusaner wurden in die Stadt zurück-
getrieben, und die Athener hatten die Genugthuung, wegen eines siegreichen
Reitergefechts ein Tropaion aufstellen zu können.
Die Begebenheiten dieses Tages stimmten die Syrakusaner ausserordent-
lich herab. Sie hielten ihre Uebermacht nicht mehr für hinreichend , um dem
Feinde in offener Feldschlacht zu begegnen, und beschlossen, durch Gegen-
werke seine Absichten zu vereiteln. Die Athener hatten gleich am Tage nach
dem Treffen von der kreisförmigen Festung in Syke aus den Bau der Ein-
schliessungsmauer nach Norden begonnen. Ein Theil der Mannschaft musste
üolz und Steine herbeibringen und diese Materialien auf der Linie der zu bauen-
den Mauer niederlegen , während andere die Mauer selbst errichteten. Dass
die Athener zuerst nach Norden bauten, hatte seinen Grund in dem Umstände,
dass die Flotte sich im Norden befand und also durch diese Befestigung die
ganze athenische Stellung am besten gesichert wurde. So konnten die Syra-
kusaner ihre Gegenmauer nicht auch im Norden bauen, denn es musste schwer
halten, ein so langes und schmales Werk gegen die Athener, welche es von
drei Seiten angreifen konnten, da sie in dieser Gegend auch das Fort Labdalon
hatten, auf die Dauer zu vertheidigen. Ganz anders stand die Sache südlich
von Syke, wo sie nur von einer Seite Angriffe zu erwartet) hatten. Hatten sie
aber hier eine Mauer gezogen , welche die Linie der zukünftigen athenischen
Mauer von Syke nach dem grossen Hafen durchschnitt, so konnten sie immer-
hin die Einschliessung nördlich von Syke sich vollenden lassen , sie besassen
im Süden eine offene Verbindung mit dem Innern Siciliens, die mit Leichtig-
keit durch ihr Fort am Olympieion vermittelt wurde. Sie errichteten desshalb
südlich von dem Rundfort von der Stadt aus eine Mauer mit hölzernen Thürmen
und einer Palissadenreihe , zu deren Bau sie die heiligen Oelbäume des
apollinischen Tempelbezirkes fällten. Die Athener Hessen ihre Feinde ruhig
fortbauen , welche erst dann inne hielten, als sie ihr Werk weit genug geführt
glaubten , um den Belagerern die Fortsetzung ihrer Arbeiten nach Süden un-
möglich zu machen. Dann Hessen sie eine Phyle zur Bewachung zurück und
Erstes und zweites syrakDsaoiscbes Gegen werk. 3&
die Uebrigen begaben sich wieder in die Stadt Indess recognoscirten die
Athener das Terrain von Epipolae und fanden die unterirdischen Kanäle,
welche Trinkwasser nach Syrakus führten ; sie zerstörten sie in der Hoffiaung»
den Syrakusanem, für deren grosse Anzahl die Aretbusa unmöglich ausreichen
konnte, einen empfindlichen Schaden zuzufügen. Zugleich aber spähten sie
unverdrossen , ob sich nicht die Syrakusaner bei der Bewachung der Mauer
lässig zeigen würden, und fanden eines Mittags Gelegenheit, sie unvermuthet
zu überfallen. Sie konnten von ihrer höheren Stellung aus bemerken , dass
ihre Gegner sich hinter der Mauer in Zehe zurückzogen , um sich gegen die
Mittagshitze zu schützen , und dass manche sogar ihre Posten ganz verliessen
und sich in die Stadt .begaben , auch die zwischen der Mauer und dem Pfahl-
werk Aufgestellten thaten nur lässig ihren Dienst. Nuti beauftragten die athe-
nischen Feldherren 300 Hopliten und eine Anzahl leichter . Truppen , in
schnellem Laufe sich auf die syrakusanischen Werke zu werfen. Das übrige
Heer wurde in zwei Haufen getheilt , und während der eine nach der Stadt
zu rückte , um den etwa herausstürmenden Syrakusanem entgegentreten zu
können , übernahm der andere die Aufgabe , seine ganze Anstrengung gegen
den Theil des Pfahlwerks der neugebauten syrakusanischen Mauer zu richten,
welcher sich vor dem Uauptthore dieser Mauer befand , dem Thore , welches
die Verbindung der Strecke nördlich von der Mauer mit der südlich von ihr
gelegenen vermittelte. Der Plan wurde mit Erfolg ausgeführt. Die 300 nah-
men die Palissadenreihe, und der plötzliche Ueberfall, verbunden mit dem Vor-
rücken des ganzen athenischen Heeres , erschreckte die Besatzung der Mauer
so sehr, dass sie auch diese verliess und in den neu befestigten temenitischen
Bezirk floh.* Die [Athener drangen im Eifer der Verfolgung auch in diesen,
doch konnten sie sich hier nicht halten. Die neue Quermauer aber war erobert,
und man machte sich schnell daran , sie zu zerstören und die Pfähle heraus-
zureissen, die man als nützliches Material nach den eigenen Verschanzungen
irug. Jtfan verfehlte natürlich nicht, ein Siegeszeichen zu errichten.
Der misslungenc Versuch der Syrakusaner wies die athenischen Feldherren
darauf hin , dass sie die Seite nach dem grossen Hafen besonders in's Auge zu
fassen hätten, und es erschien ihnen deshalb zweckmässig, die nördliche Mauer
einstweilen unvollendet zu lassen und die nach Süden zu beginnen. Sie be-
festigten zunächst den Rand des südlichen Abhangs von Epipolae da, wo der-
selbe am wenigsten weit von dem Hafen entfernt war, um dann durch die
Ebene und den Sumpf das Ufer zu erreichen. Da begannen die Syrakusaner
ihr neues Gegen werk , das sie diesmal durch den Sumpf selbst legten. Sie
verzichteten auf eine Mauer, die dort nur mit vieler Mühe gebaut werden
konnte, und beschränkten sich auf die Errichtung einer Palissadenreihe, neben
welcher ein Graben herlief. Das Werk wurde vielleicht vollendet und er-
streckte sich wahrscheinlich, soweit der Sumpf reichte. So wie nun die Athe-
ner ihre Befestigungen an dem Abhänge vollendet hatten , standen sie vor der
Aufgabe, sich der neuen syrakusanischen Vertheidigungslinie zu bemächtigen.
Nikias war gerade krank, und Lamachos unternahm die Führung. Da es sich
diesmal darum handelte, in einer Gegend Fuss zu fassen, welche dem grossen
Hafen nahe war, so wurde der Flotte, die noch in Thapsos lag, der Befehl zu-
3*
/
36 Viertes Buch. V. Belagerung von Syrakus bis zur Ankunft des Gylippos.
gesandt, in der Nacht die Anker zu liebten, um am Morgen im grossen Hafen
zu sein. Das athenische Heer aber stieg bei Tagesanbruch die Abhänge von
Epipolae neben der so eben von ihm erbauten Mauer herunter und überfiel
die syrakusanische Besatzung des Pfahlveerks. Um schnell nach demselben zu
kommen, hatten die Athener grosse hölzerne Schilde und breite Bretter mitge-
bracht, welche sie auf den Sumpf legten, und so gelang es ihnen vi^irklicb,
gleich einen grossen Theil der Verpfählung zu erobern. Eine Strecke dersel-
ben ward jjßdoch von den Syrakusanem vertheidigt, und so konnte ihre Haupt-
macht aus der Stadt zur Hülfe herbei kommen. Es wurde eine Schlacht gelie-
fert, in der die Athener Sieger blieben. Das syrakusanische Heer floh, ein
Theil nach der Stadt zu, der andere am Anapos entlang , um über die Brücke
nach dem Olympieion zu entkommen. Das ausgewählte athenische Corps der
Dreihundert machte den Versuch, dieser Abtheilung den Weg über die Brücke
zu verlegen, aber ihr Angriff fiel unglücklich aus. Die Syrsrkusaner entwickel-
ten die äusserste Tapferkeit, die Dreihundert mussten sich zurückziehen, und
die Syrakusaner wagten es sogar, den rechten Flügel des athenischen Haupt-
heeres anzufallen. Ueber diese unerwartete Wiederkehr der Feinde geriethen
die ersten Athener , aufweiche die Syrakusaner stiessen, in Verwirrung, so
dass Lamachos selbst mit den Argivern und einigen Bogenschützen herbeieilte
und die Feinde zum Stehen brachte ; aber im Eifer des Kampfes wagte er sich
zu weit vor und fiel von der Hand des Raliikrates, und mit ihm fünf oder sechs
der Seinigen. Schnell bemächtigten sich die Syrakusaner der Leichen, mit
denen sie sich auf das rechte Ufer des Anapos zurückzogen , indem sie den
Athenern die Ehre des Sieges überliessen. So verloren diese am Flusse den
einen ihrer Feldherm , und zwar den kühnsten und eifrigsten ; wenig fehlte,
so hätten sie zu gleicher Zeit auch den andern und ihr Genta*aIfort eingebüsst.
Als nämlich die nach der Stadt geflohenen Syrakusaner bemerkt hatten , dass
die Niederlage der Ihrigen am Anapos sich in einen Sieg zu verwandeln schien,
hatten sie Muth gefasst und waren ebenfalls wieder gegen die Athener gerückt.
Ein Theil derselben aber war nach Epipolae hinaufgeeilt, um das Gentralforl,
in dem sie nur eine geringe Besatzung vermutheten , durch einen schnellen
Ueberfall zu nehmen. Wirklich war in Folge einer grossen Nachlässigkeit der
Athener nicht genug Mannschaft darin, um den Syrakusanem Widerstand lei-
sten zu können. Diese eroberten das 4000 Fuss breite Vorwerk und waren
im Begriff, in das Rundfort selbst einzudringen, als Nikias, der krank darin
zurückgeblieben war, die wenigen Diener, welche er bei sich hatte , schnell
eine Masse von Holzwerk, Leitern und anderes, welches dicht vor der Mauer
lag, anzünden Hess. Das Feuer verhinderte die Syrakusaner, die Mauern des
Forts zu erklettern. Sie^wichen schon, als von dem athenischen Heere Abthei-
lungen zur Hülfe herbei kamen. Als nun zu derselben Zeit auch die athenische
Flotte in den grossen Hafen einlief, zog sich das ganze syrakusanische Heer in
die Stadt zurück, daran verzweifelnd , den Bau der Mauer zu verhindern. Na-
türlich errichteten die Athener für die gewonnene Schlacht ein Siegeszeichen,
lieferten den Syrakusanern ihre Todten aus und empfingen dafür die Leichen
des Lamachos und der mit ihm Gefallenen.
Diese Schlacht bezeichnet das Ende der Belagerungsperiode , in der die
Fortsetzung der Einseht iessungsmaaer. Die Syrakusaner denken an Ergebung. 37
athenischen Feldherm wirklich ihre Schuldigkeit thun. Sie ist der Gipfelpunkt
des Glückes der Athener. Seit der Besetzung von Epipolae bis zu dieser
Schlacht war alles gut und zur rechten Zeit geschehen ; von jetzt an geschah
nicht immer das Richtige und dieses nur träge. Es ist klar, dass der Tod des
Lamachos den Unterschied herbeigeführt hat. Nikias hat offenbar vom Werthe
der Zeit keine Ahnung gehabt. Er fand allerdings Geschmack an der Belage-
rung, die seinem in solchen Dingen erfahrenen Sinne zusagte. Mannschaft ge-
nug war jetzt versammelt, da die Besatzung der Flotte beim Mauerbau sehr
gut verwandt werden konnte , und Nikias errichtete mit den ihm zu Gebote
stehenden Mitteln eine doppelte Mauer zwischen dem Abhänge von Epipolae
und dem grossen Hafen. Es wäre besser gewesen, wenn er sich hier einst^
weilen mit einer einfachen Mauer, vielleicht mit einem Pfahlwerke begnügt
und statt dessen nördlich von dem Rundfort ebenfalls durch eine einfache
Mauer die Einschliessung von Syrakus vollendet hätte. Aber er hielt es für
unmöglich , dass die glückliche Lage, in der er sich für den Augenblick be-
fand, durch irgend einen Zwischenfall gestört werden könnte; er glaubte, dass
ihm überreichlich Zeit bleibe, alle Arbeiten auf das vollkommenste auszufüh-
ren. Und es war allerdings der Zustand der Athener ein ebenso befriedigen-
der, wie der der Syrakusaner ihnen selbst Besorgniss erweckte. Zahlreiche
Schaaren von Sikelern stiessen zu den Belagerern, die mit allem Nöthigen auch
von Italien her durch -Handelsschiffe reichlich versehen wurden. Von den im
Anfange des Winters ausgeschickten Gesandtschaften trug nun auch wenig-
stens Eine Frucht. Aus Etrurien kamen drei fünfzigruderige Schiffe den Athe-
nern zu Hülfe. Die Syrakusaner dagegen verzagten mehr und mehr. Sie
fühlten nicht mehr so viel Muth in sich', um noch einmal in offener Feld-
schlacht den Athenern entgegenzutreten , ihre sicilischen Verbündeten zeigten
sich wenig geeignet, kräftigen Beistand zu leisten, und die einzige Hoffnung,
die ihnen noch geblieben war, schwand auch allmählich, als die Hülfe der
Peloponnesier , um die sie vor mehr als einem halben Jahre gebeten hatten,
immer noch nicht eintreffen wollte. Bald konnte die Einschliessungsmauer
vollendet sein , und wenn dann auch noch Hülfe kam, wie sollte sie in die
Stadt gelangen? Man warf die Schuld auf die Feldherren, denen es an Ge-
schick oder an gutem Willen gefehlt habe ; sie wurden abgesetzt, und an ihre
Stelle . traten drei andere: Herakleides, Eukles und Tellias. Unter den ver-
schiedenartigen Ansichten über das zu Thuende wagte sich allmählich auch
die hervor, dass nichts übrig bleibe, als sich zu ergeben ; man sprach darüber
in der Stadt, und Einzelne begaben sich sogar zu Nikias, um dessen Meinung
über die Bedingungen der Uebergabe zu erfahren. Es war sogar, als noch
Hermokrates Feldherr war, zu einer Empörung von Sklaven, die Gleich-
stellung mit den Bürgern verlanjgten, unter der Anführung eines gewissen
Sosistratos gekommen, die nur durch die Schlauheit des Hermokrates ge-
dämpft wurde. Er gab vor, auf ihre Wünsche eingehen zu wollen, Sosistratos
sollte Mitfeldherr und die Sklaven gleichberechtigte Bürger werden. Sosistratos
ging mit anderen Anführern in die Falle; sie wurden gefangen genommen und
die Sklaven genöthigt, zu ihren Herren zurückzukehren; nur 300 gingen zu
den Athenern über. So stiegen die Hoffnungen der Athener, der Zwiespalt in
38 Viertes Bucb. Vf. Ankunft des Gylippos. Veränderung der Lage.
der Stadt wuchs, und Syrakus schien langsam, aber mit Noth wendigkeit sei-
nem Falle entgegenzugehen , als die durch des Nikias Schlaffheit nicht verhin-
derte Ankunft des Gylippos Alles mit einem Schlage änderte.
Sechstes Kapitel.
Ankunft des Gylippos. Yerftndening der Lage.
Es war viele Zeit verflossen, bis Gyiippos von den Korinthem so viel
Schiffe und Mannschaft erhalten hatte , dass er es wagen konnte, nach Sicilien
abzufahren. Als er dann gegen die Mitte des Sommers in Leukas angelangt
war, kam aus Sicilien die Botschaft, dass Syrakus, von allen Seiten einge-
schlossen, sich nicht lange mehr halten könne. Sie wurde mit solcher Sicher-
heit voi^etragen, dass selbst Gylippos alle Hoffnung für Syrakus aufgab. Er
erinnerte sich aber der von Alkibiades über die Pläne der Athener gemachten
Enthüllungen und hielt es für seine Pflicht, wenigstens in Italien nach Kräften
ihnen entgegen zii wirken. Er gewann den Korinther Pythen für seinen Plan,
und sie fuhren mit ihrem kleinen aus zwei lakonischen und zwei korinthi-
schen Schiffen bestehenden Geschwader nach Tarent, während die zehn übri-
gen korinthischen Schiffe noch zwei leukadische und drei amprakiotische Fahr-
zeuge abwarteten. Von dem befreundeten Tarent fuhr man bald weiter nach
Thurii, zu dessen Bürgern Gylippos durch seinen Vater Kleandridas, der dort
eine Zeit lang gelebt hatte, in freundschaftlichen Beziehungen stand. Doch
blieb sein Bemühen, die Stadt Zugewinnen, ohne Erfolg. So fuhr er denn
weiter, aber ein Sturm ergriff die Schiffe und trieb sie nach Tarent zurück,
wo die Beschädigungen ausgebessert werden mussten. Inzwischen hatten die
Thuricr dem Nikias gemeldet, dass Gylippos nach Sicilien unterwegs sei, aber
sie hatten zu gleicher Zeit ihre Meinung ausgesprochen , dass eine so gering-
fügige Macht unmöglich den Athenern furchtbar werden könne , und Nikias
theilte, zu der Syrakusaner Heil, diese Meinung und vernachlässigte die noth-
wendigslen Vorsichtsmassregeln. Als die Schiffe ausgebessert waren, fuhr
Gylippos nach Lokri, und hier hörte er, dass die früheren Nachrichten falsch
seien, dass die Athener keineswegs Syrakus vollständig eingeschlossen hätten,
und dass es noch möglich sei, in die Stadt zu gelangen. Zwar erfuhr nun
auch Nikias bald , dass Gylippos Lokri erreicht habe, er schickte deshalb vier
Schiffe aus, welche bei Rhegion Stellung nehmen sollten , um ihn am Ueber-
gang nach Sicilien zu hindern ; aber ehe sie dort ankamen , war Gyiippos be-
reits weiter gefahren. Ihm hatten zwei Pläne vorgelegen. Er konnte direct
nach Syrakus gehen; so kam er, wenn es glückte, am schnellsten in die be-
lagerte Stadt , setzte sich aber auch der Gefahr aus , gefangen genommen zu
werden. Er konnte zweitens von der Landseite her in die Stadt zu gelangen
suchen ; dann musste er in Himera landen , und er hatte zwar Gelegenheit,
Gylippos in Syrakas. 39
Hillfstruppen an sich zu ziehen , aber bei der Ausführung dieses Planes ging
vtei Zeit verloren. Dennoch zog Gylippos ihn vor. Es war, als ob er ge^uset
hätte, der athenische Feldherr würde auch in der Zeit, die der Umweg über
Uimera erforderte , die Einschliessungsnnauer nicht vollenden. Gylippos lan-
dete in Himera, dessen Bewohner ihm ein HUlfscorps stellten und seine Schiffs-
ieute mit Waffen versahen. Sogleich schickte er Boten zu den Selinuntiem,
sie sollten mit ihrer ganzen Mannschaft ausziehen und ihn an einem bestimm-
ten Orte an dem Wege von Uimera nach Syrakus treffen. So wie die ersten
Erfolge der Athener ihre Freunde auf Sicilien ermuthigt und ihr Heer ver-
grössert hatten, so hob nun die Ankunft des Gylippos den gesunkenen Muth der
syrakusaniscben Partei. Die Geloer schickten wiederum einige Truppen, und
sogar unter den Sikelern fand Gylippos Verbündete. Es war nämlich gerade
um diese Zeit der Fürst Archonides von Herbita gestorben , nach einer langen
Regierung, wenn es, wie nicht zu bezweifeln, derselbe ist, der um 446 v. Chr.
den Doketios bei der Gründung von Kaiakte unterstützt hatte (Bd. I S. 260).
Archonides hatte die Politik des Duketios, soweit es noch möglich war, fortzu-
setzen gesucht; er war deshalb Bundesgenosse der Athener geworden. Nach
seinem Tode gewann die entgegengesetzte Partei die Oberhand und unter-
stützte Gylippos. Als dieser nun sein Heer beisammen hatte, zahlte es von
den mit ihm nach Sicilien gekommenen Kriegern und bewaffneten Seeleuten
700, von den Himeröem 4000 Fusssoldaten und 400 Reiter, eine geringe An-
zahl von selinuntischen Leichtbewaffneten und Reitern, einige wenige Geloer
und etwa 4000 Sikeler, also im Ganzen vielleicht 3000 Mann. Mit diesem
Häuflein zog er aus, Syrakus zu befreien.
Man hat mit Recht gesagt, dass manche Unternehmungen, denen ihr
glücklicher Ausgang den Charakter der heldenmüthigen Kühnheit verliehen
hat, wenn sie gescheitert wären, den gerechten Vorwurf des Leichtsinns tra-
gen würden, und dass manche geschichtliche Persönlichkeiten nur ihrem
Glücke es verdanken, dass man sie nicht als verächtliche Abenteurer bezeich-
net. Bei der sicilischen Expedition der Athener sorgte das Geschick dafür,
dass das Unternehmen seinen wahren Charakter nicht durch einen unverdient
glücklichen Ausgang verlor. Die Athener mussten es wenigstens für möglich
halten, dass ihre peloponnesischen Feinde der Stadt Syrakus Hülfe zu bringen
versuchen würden, und es wäre die Pflicht eines guten Feldherrn gewesen,
diese Hülfe um jeden Preis zu verhindern. Aber Nikias, der die Bedeutung
eines jener gefürchteten Spartaner wohl kannte, versäumte seine Pflicht voll-
ständig. Es kam mancherlei zusammen, was ihn lässig machte. Zunächst lag
eine gewisse Langsamkeit in seiner Natur , sodann stand er unter dem Ein-
flüsse von Wahrsagern, und endlich quälten ihn körperliche Leiden. Dazu kam
aber in diesem Falle noch, dass er sich auf geheime Einverständnisse verliess,
die er in Syrakus, grösstentfaeils wahrscheinlich mit ehemaligen Leon tinern, an-
zuknüpfen gewusst hatte, und deswegen von der baldigen Uebergabe der Stadt
fest überzeugt war. Es hätte eines kräftigeren Feldherren bedurft, um ein so
gewagtes Unternehmen zu einem guten Ende zu führen ; des Nikias Lauheit
machte es scheitern. Und dennoch fehlte nicht viel , dass Syrakus sich den
Athenern ergeben hätte, so richtig kann bisweilen die Rechnung dessen sein,
40 Viertes Buch. VI. Ankunft des Gylippos, Veränderung der Lage.
der seine Pläne statt auf seine eigene Thätlgkeit vielmehr auf die Dummheit
der Andern baut. Schon war ein Tag angesetzt, an welchem die Syrakusa-
ner, die seit einiger Zeit sich an den Gedanken der Uebergabe gewöhnt hatten,
die Sache öffentlich in der Volksversammlung besprechen wollten , als ein ko-
rinthisches Schiff mit Gongylos, einem der von dep Rorinthern erwählten
Feldherren, ankam, mit Nachrichten , die Aller Muth belebten. Korinthische
Schiffe , meldete er, würden bald eintreffen , er sei zuletzt von Leukas abge-
fahren und es könnten also die Uebrigen nicht mehr fern sein; dazu sende
ihnen Sparta den Gylippos als Feldherrn , der durch Sicilien herbeimarschire.
Nun verbreitete sich auch schon das Gerücht , Gylippos sei in der Nähe, und
die ganze bewaffnete Mannschaft der Syrakusaner zog nach Epipolae, um den
ersehnten Befreier einzuholen. Der hatte noch eine sikelische Festung genom-
men, sein Heer in der Nähe von Syrakus in Schlachtordnung gestellt und war
so auf demselben Wege, den einst die Feinde eingeschlagen hatten , über den
^uryeios,! auf die Höhe von Epipolae gelangt. Hier fand er die Syrakusaner
ihn erwartend, und augenblicklich führte er sie gegen die Verschanzungen der
Feinde. Diese hatten von der Doppelmauer, die vom Abhang Epipolae^s nach
dem grossen Hafen lief, schon sieben bis acht Stadien vollendet, und es fehlte
nur sehr wenig , so war der Hafen erreicht. Gerade bei diesem Stücke waren
sie jetzt beschäftigt, und zwischen diesen Doppelmauern, wo sie auch ihrer im
grossen Hafen befindlichen Flotte am nächsten waren, hielten sie sich gewöhn-
lich auf. Oben dagegen , von der Mauer, die das Rundfort mit dem Trogilos-
hafen verbinden sollte , und die jetzt den Einmarsch des Gylippos verhindert
hätte, war noch nicht viel fertig. Indess war eine Menge Material zusammen-
getragen und in der Richtung der Mauer niedergelegt, theilweise schon halb
bearbeitet. Als Gylippos mit den Syrakusanern ihnen entgegen rückte, wur-
den sie anfangs über die plötzliche Erscheinung des Spartaners betroffen,
fassten sich aber und traten den Feinden gegenüber. Gylippos schickte ihnen
einen Herold mit der Botschaft: sie sollten fünf Tage Frist haben, wenn sie
Sicilien verlassen wollten ; ein eines Spartaners würdiger Anfang des Krieges.
Die Athener sandten den Herold ohne Antwoit zurück und machten sich zur
Schlacht fertig. Nun ging es aber den Syrakusanern wie im Anfang der Bela-
gerung. Trotz der Anwesenheit des Gylippos empfanden sie beim Anblick des
wohlgeordneten athenischen Heeres Furcht und waren nicht zu einer festen
Aufstellung zubringen. Deshalb führte Gylippos sie zurück, jedoch nicht in
die Stadt, sondern nur in eine Gegend, wo ihre Ueberzahl mehr zur Geltung
kommen und die athenische Stellung durch die syrakusanischen Reiter leichler
angegriffen werden konnte. Nikias folgte dem Feinde nicht, sondern blieb bei
seiner Verschanzüng stehen. Jetzt zog sich Gylippos für die Nacht in den
temenitischen Bezirk zurück, um am folgenden Tage seine Operationen gegen
die Athener wirklich zu beginnen. Epipolae musste, das sah er ein, den
Feinden entrissen werden, und zwar vor allem seine Nordhälfte, wo nur Lab-
dalon gefährlich war. Deshalb führte er den grössten Tbeil seines Heeres vor
die Mauern der Athener und zog so ihre Aufmerksamkeit von einer kleineren
Schaar ab, die nach Labdalon marschirte, es angriff und eroberte und die
athenische Besatzung niedermachte. Nun waren die Athener von der nörd-
Nikias besetzt Plemmyrion. 41
liehen Hälfte von Epipolae vollständig verdrängt und der Platz für Arbeiten
der Syrakusaner gesäubert, die denn auch alsbald in Angriff genommen
wurden.
Die Aufgabe der Syrakusaner war noch immer dieselbe. Sie mussten
durch eine von der Stadt aus geführte Mauer die Einschliessung derselben un-
möglich machen. Dies hatten sie zweimal vergeblich im Süden verstrebt;' im
Norden es zu versuchen, wäre Labdalon's wegen überflüssige Mühe gewesen.
Nachdem dieses aber gefallen war, musste, da andererseits die Athener ihre
ganze Land- und Seemacht im Süden concentrirl hatten , hier im Norden der
Bau einer Gegenmauer versucht werden. Dazu schritt jetzt Gylippos, während
die Athener, nach Vollendung der Südmauer, selbst auch den Bau des Stückes
vom Rundfort nach Norden begannen. Da nun so der grössere Theil der athe-^
nischen Macht nach der Höhe von Epipolae gezogen war , glaubte Gylippos
den Versuch machen zu können , sich der eben vollendeten südlichen Mauer
zu bemächtigen, und rückte in der Nacht mit den Seinigen dagegen. Einige
Stellen derselben waren noch weniger hoch und Gylippos hoffte durch einen
Ueb^rfall hier einzudringen. Aber die Athener waren auf ihrer Hut; sie
schlugen den Angriff ab. Das schwächere Stück der Mauer wurde nun durch
Erhöhung verstärkt, und Nikias ordnete für die Zukunft eine regelmässigere
Bewachung der Werke an , indem er den diesmal bedrohten Theil den Athe-
nern, die übrigen den Bundesgenossen zuwies.
Trotz dieses Misserfolgs der Syrakusaner hatte sich durch die Ankunft des
Gylippos die Lage der Dinge vollständig geändert. Hatten vorher die Athener
Aussicht, die Einschliessung auf der Landseite zu vollenden, so war diese
Aussicht jetzt kaum noch vorhanden ; waren bisher die Syrakusaner offenen
Feldschlachten ausgewichen, so waren es nun die Athener, die dem Feinde
nicht auFs freie Feld folgen wollten. Aber noch schlimmer für die Athener
war es, dass auch ihr üebergewicht zur See zu schwinden anfing. An dem-
selben Tage, wo Gylippos Labdalon eroberte, hatten die Syrakusaner sich eines
athenischen Schiffes bemächtigt, das in den grossen Hafen einfuhr, und nun
begannen sie ihre eigenen Schiffe in's Meer zu lassen und zum Kriege aus-
zurüsten. So wurde denn auch die Aufgabe der athenischen Flotte, die ihre
Station im Innern des grossen Hafens bei den athenischen Mauern genommen
hatte, eine immer schwierigere. Sie sollte verhindern, dass feindliche Schiffe
einliefen und den Syrakusanern Hülfe brachten — wir sahen, wie das Schiff
des Gongylos ihrer Wachsamkeit entging — sie sollte ferner die syrakusani-
schen Schiffe verhindern, in See zu stechen, und doch waren die Schiffswerf-
ten der Syrakusaner im kleinen, nordöstlich von Ortygia gelegenen Hafen.
Nikias beschloss deshalb, den Schiffen ein anderes Lager anzuweisen und
wählte das Ortygia gegenüberliegende Plemmyrion , dessen Lage allerdings für
die Beobachtung und Belagerung der Stadt Syrakus und ihrer Häfen eine sehr
zweckmässige war, und dessen Besetzung, wenn sie aufrecht erhalten wäre,
ebenso gut den Fall von Syrakus hätte herbeiführen können , wie im französi-
schen Revolutionskriege die durch Bonaparte veranlasste Besetzung des Tou-
lon in derselben Weise gegenüberliegenden Fort L'Eguillette den Fall von
Toulon wirklich herbeigeführt hat. Aber dieser Lagerplatz hatte einen grossen
42 Viertes Buch. VI. Ankanft des Gylippos. Veränderung der Lage.
Nachtheil. Aaf dem Vorgebirge war keine Quelie, und es musste das Trink-
wasser aus weiter Entfernung geholt werden, was. nicht ohne Gefahr war.
Denn kaum hatten die Athener ihr Lager auf dem Plemmyrion aufgeschla-
gen und drei Forts dort gebaut^ iA denen auch die meisten Vorräthe des
Heeres untergebracht wurden , da schickte Gylippos den dritten Theil der
syrakosanischen Reiterei nach dem Oiympieion zur Verstärkung der dortigen
Besatzung, und diese Reiter belästigten die athenischen Seeleute, so oft sie
die Festungen auf dem Plemmyrion verliessen , auf das empfindlichste. Zu
Lande wurde indess das Uebergewicht der Syrakusaner immei' entschiedener.
Gylippos Hess an der syrakusanischen Gegenmauer eifrig arbeiten, gab sich aber
zu gleicher Zeit die grttsste Mühe , die Seinigen zu einer offenen FeMschlacht
geeignet zu machen. Es fehlte den Syrakusanem und ihren sicilischen Bpn-^
desgenossen nicht an Muth, wohl aber an Disciplin und somit an jener Sicher-
heit , die wohlgeübten Truppen ein entschiedenes Uebergewicht verleiht.
Deshalb führte er das gesammle Heer fast täglich hinaus, den Athenern ge-
genüber, die ebenfalls aus ihren Linien hervorkamen. So gewöhnte er allmäh-
lich die Syrakusaner an den Anblick des Feindes, der, statt selbst anzugreifen,
ihren Angriff erwartete. Endlich, als Gylippos die Seinen hinlänglich vorbe-
reitet glaubte, schritt er zum Angriff. Aber es war noch zu früh ; sie waren
auf dem durch die beiderseitigen Verschanzungen beschränkten Raum , wo
die Reiterei w^enig gebraucht werden konnte, den Athenern nicht gewachsen
und wurden geschlagen. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich das Feldherrn-
talent des Spartanei*s im glänzendsten Lichte. Er nahm vor dem gesammten
Heei*e die Schuld der Niederlage auf sich allein. Er habe nicht bedacht, dass
in dem engen Raum ihre Reiter und Speerwerfei* von keinem Nutzen sein
könnten, und er denke seinen Fehler bald wieder gut zu machen. Die Athener
waren durch ihren Sieg von der fast ängstlichen Vorsicht, die sie in der letzten
Zeit beobachtet hatten , abgebracht worden , und Mkias hatte ausserdem die
naheliegende Ueberlegung angestellt, dass er als Belagerer die Verpflichtung
habe , die Fortsetzung der syrakusanischen Gegenmauer zu verhindern , und
dass dies nicht anders geschehen könne als durch die Ueberwindung der
Feinde in einer Feldschiacht. Er griff also den Gylippos an, der seine Stel-
lung so genommen hatte, dass seine Reiter und Speerwerfer die linke Flanke
der Athener bedrohten. Diese Aufstellung entschied die Schlacht. Zuerst
wurden die den Angriffen der Reiterei ausgesetzten Athener zurückgedrängt,
und als sie wichen, mussten auch die Uebrigen sich zurückziehen. Nun war
die Ueberlegenheit der Syrakusaner zu Lande entschieden. Gleich in der
Nacht, die auf das Treffen folgte, bauten sie an ihrer Mauer weiter und durch-
schnitten mit derselben die Linie der projectirten nördlichen athenischen
Mauer, sodass diese nicht weiter fortgesetzt werden konnte und den Athe-
nern alle Hoffnung schwinden musste, durch eine Einschliessung die Stadt zu
nehmen.
Auch zur See wurde der Stand der Dinge für die Syrakusaner immer
besser. Nikias hatte um dieselbe Zeit, wo er das Plemmyrion besetzte, auf die
Nachricht , dass eine Anzahl korinthischer Schiffe von Leukas aufgebrochen
sei, zwanzig der seinigen nach der Südspitze von Italien geschickt, um dort
Wachte ndes Uebergewicht der Syrak usaner. 43
in der Gegend von Rhegion und Lokri Wache zu halten. Die korinthische Fio-*
tille war aber schon lange auf der Fahrt begriffen gewesen und kam unge-
fährdet nach Syrakus. Es warai zwölf Schiffe unter der Führung des Erasi-
nides. Diese Verstärkung war für die Syrakusaner ein neuer Antrieb zur
Ausrüstung ihrer eigenen Fhüte. Einstweilen half die Mannschaft des Erasini-*
des beim Bau der Gegenmauer. Die Athener tbaten nichts, um diesen Bau zu
verhindern.
Siebentes Kapitel.
Wachsendes Uebergewicht der Syraknsaiier.
Die gute Jahreszeit des Jahres 444 näherte sich ihrem Ende. B^ide
Heere waren erschöpft und sehnten sich nach Ruhe ; beide Feldheri*en sahen
ein, dass sie mit ihren gegenwärtigen Kräften nicht im Stande seien, eine
rasche Entscheidung herbeizuführen. Deshalb schickten die Syrakusaner nach
Lakedamon und Korinth, um frische Truppen zu fordern, und Gylippos selbst
unternahm eine Rundreise durch Sicilien zur Rekrntirung des syrakusanischen
Heeres und Gewinnung neuer Bundesgenossen. Nikias seinerseits begriff,
dass nur ein zweites grosses athenisches Heer der Sache eine bessere Wen-
dung geben konnte. Er hätte vernünftiger gethan, die Belagerung aufzuheben;
er glaubte aber seine Schuldigkeit besser zu thun , wenn er den Athenern die
Lage , in der er sich befand , darlegte und sie selbst entscheiden liess , ob er
Hülfe erhalten oder nach Athen zurückkehren solle; als ob die Athener im
Stande gewesen wären , in so grosser Entfernung die Aussichten der Belage-
rung richtig zu beurtheilen. Während er nun bis dahin seine Berichte meist
mündlich durch seine Boten hatte bestellen lassen , verfasste er diesmal eine
ausfuhrliche schriftliche Depesche , in der er schilderte , wie die Athener zu
Lande jetzt selbst die Belagerten geworden waren, und wie auch die athe-
nische Seemacht nicht mehr so gut sei wie früher. Die Schiffe kannten , der
drohenden Angriffe der Syrakusaner wegen, nicht mehr an^s Land zum Trock-
nen gezogen werden und fingen deshalb an zu verfaulen. Unter den Dienern
und Fremden weisse Desertion ein, und die entstehenden Lücken seien in Sici-
lien nicht auszufüllen. Die Athener möchten entscheiden, ob er das Heer
nach Athen zurückführen solle, oder ob sie ihm ein zweites Heer auf einer
zweiten Flotte, beide nicht geringer als die ersten , und dazu viel Geld nach-
senden wollten. Der Entschluss müsse bald gefasst werden; für sich selbst
bat er, seiner Kränklichkeit wegen, um einen Nachfolger. Die Athener ent-
schieden sich für die Fortsetzung des Krieges und zwar auf die energischste
Weise und mit den besten Feldherren, die man hatte, Eurymedon, der schon
im lafare 494 in Sicilien gewesen war und also das Land kannte, und Demo-
44 Viertes Buch. VII. Wachsendes Uebergewicht der Syrakusaner.
sthenes, dem Helden von Pylos. Für^s erste, zur Zeit der Wintersonnenwende,
sollte Eurymedon mit 10 Kriegsschiffen und 20 Talenten Silbers nach Syrakus
gehen und eine bedeutendere Hülfe unter Deniosthenes fUr den Frühling in
Aussicht stellen. Nikias sollte im Amte bleiben, aber ihm einstweilen zu sei-
ner Erleichterung die Unterbefehlshaber Menandros und Euthydemos zur Seite
treten. Wilhrend nun Demosthenes die Ausrüstung seiner Flotte betrieb,
sandten die Athener noch 20 SchifTe in die peloponnesischen Gewisser, die
von Naupaktos jede etwa von Korinth nach Syrakus bestimmte Hülfe verhin-
dern sollten. Diese von Nikias am Schlüsse seiner Depesche dringend em-
pfohlene Vorsichtsmassregel erwies sich als durchaus nicht überflüssig, denn
die Korinther hatten, durch den Erfolg des Gylippos errauthigt, auf das er-
neuerte Gesuch der Syrakusaner beschlossen. Schwerbewaffnete nach Sicilien
zu schicken und sich mit den Lakedämoniern , die dieselbe Absicht hatten,
zum Transport derselben auf Handelsschiffen zu vereinigen. Damit nun die
Athener bei Naupaktos nicht dieses Unternehmen verhinderten , schickten sie
25 Kriegsschiffe ebendahin. Ausserdem führten die Spartaner im Beginn des
Jahres 443 den von Alkibiades so dringend angerathenen Bau der Festung
Dekeleia in Attika aus, der den Athenern weitere Hülfssendungen nach Sicilien
erschweren musste. Zunächst übrigens hielt er sie nicht ab, Demosthenes
nach Sicilien abgehen zu lassen. Ja, die Athener thaten noch mehr. Sie
sandten 30 Schiffe unter Gharikles aus , die in Argos Hopliten aufnehmen und
dann auf einige Zeit mit Demosthenes zusammen wirken sollten. Demosthenes
aber erhielt 60 athenische und 5 chiische Schiffe, 1200 ausgewählte athenische
Hopliten und eine grosse Anzahl Schwerbewaffnete von den Bundesgenossen.
Nachdem er sich mit Gharikles vereinigt, verwüsteten die beiden Flotten zu-
er3t das Gebiet von Epidaurus Limera und fuhren dann nach dem Kythera
gegenüberliegenden Theile von Lakonien, wo sie eine Landzunge, die ihnen
wie Pylos in Messenien dienen sollte , befestigten. Hierauf kehrte Gharikles
nach Hause zurück, Demosthenes aber ging weiter, zunächst nach Kerkyra.
Diesen gewaltigen athenischen Rüstungen gegenüber waren die Pelopon-
nesier keineswegs unthälig geblieben. Die Lakedämonier wählten von den
Heloten und Neodamoden (vor kurzem freigelassenen Heloten) die besten aus,
bew^affneten sie wie Hopliten und schickten ihrer 600 , unter der Anführung
des Spartaners Ekkritos nach Sicilien. Früher jedoch als die lakedämonischen
Truppen brachen die ihrer Bundesgenossen auf, zuerst 300 böotische Hopli-
ten unter der Anführung der Thebaner Xenon und Nikon und des Thespiäers
Hegesandros , die zu Lande nach Lakonien gezogen und vom tänariscfaen Vor-
gebirge nach Sicilien fuhren. Sodann zogen die Korinther aus^ 500 Schwer-
bewaffnete unter der Anführung des Alexarchos, nebst 200 Schwerbewaff-
neten, welche die Sikyonier gezwungen unter der Anführung des Sargeus
mitschickten. So wurde von beiden Seiten für Verstärkungen gesorgt. ; v
Aber noch ehe aus Griechenland die Truppen des Demosthenes in Sicilien
eintreffen konnten , hatten die Athener einen Schritt weiter auf der Bahn des
Verderbens gethan. Wir erinnern uns, dass Gylippps in die sicilischen Städte
gereis^t war, um sie zu grösseren Truppensendungen zu bewegen. Er erreichte
wenigstens einigermassen seinen Zw*eck, und als er im Beginn des Frühlings
Seeschlacht. Plemmyrion von den Syrakusanern genommen. 45
wieder in Syrakus angekommen war, machte er im Verein mit Hermokrates
einen erfolgreichen Versuch , die Syrakusaner zu dem schon so lange in Aus-
sicht genommenen Wagniss einer Seeschlacht zu bereden , mit der die Bege-
benheiten des entscheidenden Jahres 413 in einer für die Syrakusaner Glück
verkündenden Weise begannen. Hermokrates konnte seine Mitbürger an die
Thaten , die ihre Vorfahren zur See vollführt hatten , erinnern , wie sie unter
Hieron die Tyrrhener bei Kyme schlugen , und wie spSiter Apelles mit seiner
Flotte die etruskischen Küsten verheerte. Nun war freilich lange Zeit hindurch
von den Syrakusanern keine grössere Unternehmung zur See gemacht worden,
und es war deshalb in Syrakus nicht, wie in Athen ^ eine grosse Masse von
Bürgern vorhanden, die mit dem Seedienste vertraut waren, aber Hermokrates
konnte mit vollem Rechte den Syrakusanern sagen , dass der Schrecken , den
sie durch ein kühnes Auftreten zur See den Athenern einflössen mussten, ihre
Unerfahrenheit vollkommen aufwiegen würde. Und allerdings war es im
Alterthum, wie die Geschichte der punischen Kriege beweist, nicht so schwer
wie heutzutage für ein der Seefahrt unkundiges Volk, seetüchtig zu werden.
Gewandtheit im Rudern war das Haupterforderniss, und diese sich zu erwer-
ben, daran durften die Syrakusaner am wenigsten verzweifeln. So gingen sie
denn bereitwillig auf den Vorschlag ihrer Feldherren ein. Mit der Seeschlacht
sollte aber auch ein Landangriff auf die Forts des Plemmyrion verbunden
•werden. Der Plan wurde in folgender Weise ausgeführt. Die syraku^anische
Seemacht befand sich , in zwei Theile getheilt, halb im grossen, halb im klei-
nen Hafen. Beide erhielten die Weisung, mit Tagesanbruch ihre Stellungen
zu verlassen und sich mit einander im grossen Hafen in der Nahe des Plem-
myrion zu vereinigen , dann die athenische Flotte anzugreifen und zugleich
beim Angriff auf die Forts des Plemmyrion mitzuwirken. 35 Schiffe zählte das
Geschwader des grossen, 45 das des kleinen Hafens; die Athener hatten die-
sen 80 Schiffen für den Augenblick nur 60 entgegenzustellen. Als sie die
Bewegung der syrakusanischen Schiffe im grossen Häfen bemerkten, schlössen
sie daraus, dass auch von der andern Seile ihnen Gefahr drohe ^ begnügten
sich damit, den 35, 25 ihrer Kriegsschiffe entgegenzuschicken und fuhren mit
den übrigen 35 zum grossen Hafen hinaus, um den Syrakusanern die Einfahrt
streitig zu machen. Von beiden Seiten wurde tapfer gekämpft, und der Erfolg
blieb eine Zeitlang unentschieden ; von beiden Seiten verfolgten die am Lande
Zurückgebliebenen den Kampf mit stets wachsender Theilnahme. Die Athener
auf dem Plemmyrion sahen, wie nach einiger Zeit innerhalb wie ausserhalb
des Hafens die Syrakusaner das Uebergewicht bekamen und ihre Gegner zu-
rückdrängten, und Hoffnung und Furcht bewegten sie so gewaltig, dass sie,
ganz der Seeschlacht zugewandt, nicht beachteten, wie Gylippos, der in der
Nacht sein ganzes Heer aus der Stadt nach dem Olympieion geführt hatte,
plötzlich vor den drei Festungen stand. Zu spät eilten sie auf die bedrohten
Mauern; die Syrakusaner waren bald in der grösseren der Festungen, dann
auch in den beiden andern. Die Besatzung der zuerst eingenommenen rettete
sich nur mit Mühe ; die Soldaten warfen sich in die Transportschiffe und in
ein Kauffahrteischiff, welches gerade da lag, und fuhren nach dem athenischen
Lager zwischen den Mauern, wo der grösste Theil des Heeres sich befand ; sie
46 Viertes Bach. VII. Wachsendes Ueberge wicht der Syrakusaner.
wären aber fast von einem schnellrudernden Kriegsschiffe der Syrakusaner
erreicht und gefangen genommen worden. Denn gerade in dem Augenblick,
wo Gylippos die erste Festung einnahm, siegten die Syrakusaner in und vor
deifa Hafen, und die Abtheilung des kleinen üafens erzwang sich die Einfahrt
in den grossen , so dass nun das Plemmyrion auch auf der Seeseite von den
Syrakusanem eingeschlossen war. Aber das dauerte nur kurze Zeit ; die Sy-
rakusaner hatten zwar die Athener überall zurückgedrängt, aber sie verloi*en
die Früchte ihres Sieges durch ungeschickte Verfolgung des Feindes. Die
siegreiche Abtheilung des kleinen Hafens beobachtete bei ihrer Einfahrt in den
grossen keine Ordnung und brachte dadurch auch die übrigen syrakusani—
sehen Schiffe in Verwirrung, sodass die AÜiener wieder vorwärts ruderten
und die Syrakusaner nun vollständig zurücktrieben. Elf syrakusanische
Schiffe sanken und die Besatzung der meisten derselben wurde getödtet; -^on
dreien von ihnen nahmen die Athener sie gefangen. Dies war die Zeit, wo
die beiden kleineren Festungen auf dem Plemmyrion von den Syrak usanern
genommen wurden , und so konnte ihre Besatzung Idchter entkommen. Die
Athener zogen nun die Trümmer der zerstörten feindlichen Schiffe ans Land,
und errichteten auf einer kleinen , im Eingang des grossen Hafens nahe dem
Plemmyrion gelegenen Insel , ein Siegeszeichen. Doch waren auch drei athe-
nische Schiffe im Kampfe zu Grunde gegangen. So verlief die erste See-
schlacht zwischen den Syrakusanem und Athenern. Jene waren durch eigene .
Schuld besiegt worden und konnten erwarten, bei einem neuen Versuche
bessern Erfolg zu haben. Was aber die Niederlage zur See vollständig auf-
wog , war die Einnahme der Feslungen. Hier war von geringerer Bedeutung
der Verlust an Leuten und an Vorräthen, sehr schlimm war aber für die
Athener, dass sie von nun an die Einfahrt in den grossen Hafen nicht mehr
mit derselben Leichtigkeit wie früher bewerkstelligen konnten, denn die Sy-
rakusaner legten nun auch hier eine Flottenstation an und machten Miene,
alle ein> und ausfahrenden Schiffe , und besonders die , welche den Athenern
Proviant brachten , anzugreifen , so dass diese nicht selten die Einfahrt von
Proviantschiffen durch einen Kampf erzwingen mussten. Gylippos, der na-
türlich für die Eroberung des Plemmyrion ebenfalls Siegeszeichen — für jede
eroberte Festung eins — aufgestellt hatte , behielt von den drei athe-
nischen Forts nur zwei, die er noch verstärkte; das dritte, kleinere, zer-
störte er.
Diese Schlacht hob die Zuversicht der Syrakusaner so sehr, dass sie zwölf
Schiffe unter Agatharchos auszusenden wagten. Von diesen ging eines nach
dem Peloponnes, mit der Botschaft, dass es nunmehr besser mit ihnen stehe ;
die elf übrigen fuhren an der italischen Küste entlang, lauerten den atheni-
schen Proviantschiffen auf, vernichteten die meisten und verbrannten eine
Menge zubereitetes Schiffsbauholz , welches die Athener im Gebiete, von Kau-
lonia liegen hatten. Auf dem Bückwege liefen sie in den Hafen von Lokri ein,
wo kurze Zeit nach ihnen eins von den Kauffahrteischiffen , die peloponne-
sische Soldaten nach Sicilien brachten, ankam; es trug die Hopliten von
Thespiae. Die Syrakusaner nahmen sie auf und kehrten dann nach Hause zu--
rück. Unterwegs wurden sie bei Megara von 20 athenischen Schiffen ange-
Seegefechte im grosse Q Hafen. Fftbrt des Demosthenes. 47
falleD, die dort ciuf der Lauer lagen ; aber nur ein Schiff fiel mit der Besatzung
in die Hände der Feinde; die übrigen entkamen nach Syrakus.
Hier war indessen eine Zeit verhältnissmassiger Ruhe eingetreten, welche
nur durch geringfügige Kämpfe neuer Art unterbrochen wurde. Die Erobe-
rung des Plemmyrion hatte die Athener genötbigt , ihr Schiffslager nach dem
Orte zu verlegen y wo ihre Mauern an den Hafen stiessen, und wo sie freilich
ihrem Landbeer nahe waren , aber doch nicht mehr die Einfahrt in den Hafen
beherrschten. Jetzt waren sie den alten SchifiEshäusern der Syrakusaner, die
sich zwischen Ortygia und Achradina im grossen Hafen befanden, sehr nahe,
und da hier ein grosser Theil der syrakusanischen Flotte, meistentheils freilich
an's Land gezogen , häufig aber auch vor demselben in Schlachtreihe aufge-
stellt, sich befand, so war es natürlich, dass die Nähe der beiden Flotten
kleine Gefechte veranlasste. Die Syrakusaner hatten ihre Station durch eine
Reihe von eingerammten Pfählen geschützt, und die Athener versuchten, diese
zu zerstören, um sich so einen Zugang zu der syrakusanischen Flottenablheilung,
die schwächer war als die gesammte athenische Flotte, zu eröffnen. Sie wähl-
ten ein grosses Schiff, das 40000 Talente tragen kennte, also etwa 250 Tonnen
nach unserer Rechnung fasste, und erbauten auf demselben hölzerne Tbürme
und Seitenverschanzungen, die mit Bogenschützen besetzt wurden. Unter dem
Schutz dieses festungähnlichen Schiffes, dessen Besatzung Schüsse mit den
Syrakusanern wechselte, ruderten Leute in kleineren Fahrzeugen herbei,
welche Taue um die Pfahle legten und sie herauszureissen oder abzubrechen
suchten. Andere tauchten unter und sägten die PfHhle ab, besonders die ge-
fährlicheren , nicht über die Obei^fläche des Wassers hervorragenden. Es ge-
lang den Athenern wirklich, die meisten Pfähle zu entfernen. Nun hätte
Nikias schnell einen Angriff auf die syrakusanische Flotte machen müssen,
aber er that es nicht. Nikias war wieder nicht zur rechten Zeit mit seinen
Vorbereitungen fertig, und die Syrakusaner konnten ungehindert neue Pfähle
einrammen. So w^ar die Anstrengung der Athener vergeblich gewesen.
Indess machten die Syrakusaner neue Versuche, sich Hülfstruppen zu
verschaffen. Syrakusaner, Korinther, Araprakioten und Lakedämonier gingen
in die Städte Siciliens , verbreiteten überall die Kunde von der Einnahme des
Plemmyrion, stellten die Seeschiacht in einem für Syrakus vortheil haften Lichte
dar und baten um schnelle Sendung von Hülfstruppen und Schiffen.
Die von den Athenern erwartete Verstärkung unter Demosthenes war in-
dess noch ziemlich weit entfernt. Auf seiner Fahrt von der lakonischen Küste
nach Kerkyra hatte der Feldherr in dem elischen Hafen Phea ein Kauffahrtei-
schiff getroffen , in welchem gerade korinthische Schwerbewaffnete nach Sici-
lien abfahren sollten. Er bemächtigte sich des Schiffes ; die Hopliten kamen aber
an's Land und gelangten später auf einem anderen Fahrzeuge nach Syrakus.
Weiter war er nach Zakynthos und Kephallenia gefahren , wo er Hopliten und
Truppen von den Messeniern in Naupaktos aufnahm, und dann nach dem
akarnanischen Festlande, auf dem Aiyzia und Anaktorion den Athenern ge-
hörten. Hier traf ihn Eurymedon, der bereits im Anfange des Winters in
Sicilien gewesen war und nun wieder zurückkehrte, um sich nach seinem
Mitfeldherm umzusehen. Er hatte Syrakus noch vor der Seeschlacht ver-
48 Viertes Buch/ VII. Wachsendes Uebergewicht der Syrakusaner.
lassen^ aber von dieser, so wie von dera Verluste Plemmyrion's Nachricht be-
kommen, und theilte dies dem Demosthenes mit, dem er sich nun v^ieder
anschloss. Es kam ferner Konon bei der Flotte an, der athenische Befebls-
haber des Geschwaders in Naupaktos, der über die Unzulänglichkeit seiner
Flotiile klagte. Deshalb gaben die athenischen Feldherren von den nach Sici-
lien bestimmten Schiffen \ 0 der besten an Konon und betrieben desto eifriger
die Vervollst^Sndigung ihrer eigenen Ausrüstung, indem Eurymedon den Ker-
kyräem die Lieferung von 15 Kriegsschiffen auferlegte und auf Kerkyra
Schwerbewaffnete auswählte, Demosthenes dagegen aus Akarnanien Schleu-
derer und Speerwerfer zusammenbrachte. So rückte die athenische Flotte,
deren Beistand dem bedrängten Nikias dringend nothwendig war, nur sehr
langsam vorwärts, und sie wüitie ihn wahrscheinlich schon vernichtet gefun-
den haben , wenn nicht ein grosser Sieg der den Athenern ergebenen Sikeler
über die Bundesgenossen der Syrakusaner den Eifer dieser letzteren gedämpft
hätte. Als Nikias nämlich die Abreise der griechischen Gesandten in die sici-
lischen Städte erfuhr , schickte er Boten an die ihm befreundeten Sikeler, be-
sonders an die Kentoripiner,'Und forderte sie auf, den beabsichtigten Durchzug
der sicilischen Hülfstruppen mit Gewalt zu verhindern. Er wusste, dass sie
keinen andern Weg einschlagen konnten, da die Akragantiner eine strenge
Neutralität beobachteten. Wirklich überfielen die Sikeler unvermuthet die
marschirenden Griechen, von denen 800 umkamen, nebst allen Gesandten,
die sie geholt hatten, bis auf einen Korinther, der die entronnenen 1500 nach
Syrakus führte. Nun fand sich allerdings hier eine nicht zu verachtende Zahl
von Hülfstruppen zusammen. Kamarina, sich jetzt für das siegreiche Syrakus
entscheidend, schickte 500 Hopliten, 300 Speerwerfer und 300 Bogenschützen :
Gela 200 Beiter, 400 Speerwerfer und einige wenige Schiffe, wahrscheinlich 5.
Da nun die von den Sikelem angegriffeneti und theilweise niedergemachten
Hülfstruppen der Lage der Städte nach nur von Selinus und Hioiera geschickt
sein konnten, so kann man behaupten, dass jetzt alle Griechen nichtionischer
Abkunft auf der Insel , mit Ausnahme der Akragantiner, sich den Syrakusa-
nem angeschlossen hatten. Aber die Zahl allein giebt keine Zuversicht, wenn
nicht der Glaube an die eigene Tüchtigkeit hinzukommt. So dämpfte die ge-
waltige Niederlage durch die Sikeler die Unternehmungslust der Syrakusaner;
sie schoben den Angriff auf und gewährten so dem Demosthenes Zeit, bei
langsamer Fahrt dennoch, vor dem gänzlichen Untergange der Athener auf
Sicilien anzukommen.
Er fuhr mit Eurymedon Über das ionische Meer nach der Südspitze lapy-
gien's, und von da nach den Choeraden, zwei kleinen, dem Hafen von Tarent
gegenüberliegenden Inseln — heute S. Pietro und S. Paolo — wo er eine Zeil
lang verweilte. Er erneuerte mit Artas , einem Häuptling der lapygier , ein
angeblich früher von ihm mit den Athenern geschlossenes Bündniss, und
empfing von ihm einige 50 iapygische Speerwerfer, sowie 1 00 vom Volksstamme
der Messapier. Dann fuhr er weiter nach Metapontion, das sich bewegen liess,
300 Speerwerfer und 2 Trieren mitzuschicken, und gelangte endlich nach
seiner letzten Hauptstation vor Syrakus, nach Thurii. Hier waren vor kurzem
Parteikämpfe zwischen den Anhängern und Gegnern der Athener mit der
Neue Seetaktik der Syrakusaner. 49
Vertreibung der letztereo beendigt worden, und die athenischen Feld-
herren wurden auf's freundlichste aufgenommen. Thurii stellte sogar 700
Hopliten und 300 Bogenschützen, und durch sie verstärkt zog nun das Land-
heer eine Strecke weit, von der Flotte begleitet, bis zum Flusse Hylias zu
* Lande fort. Am Uylias schifile man, da die Krotoniaten den Durchzug verwei-
gerten , sich wieder ein , besuchte alle griechischen Küstenstädte , mit Aus-
nahme von Lokri, und fuhr schliesslich vom Vorgebirge Leukopetra nach
Sicilien hinüber.
Hier war indess Wichtiges geschehen. Die Syrakusaner hatten sich von
ihrer Bestürzung über den Sieg der Sikeler erholt und ihre Vorbereitungen zu
einer neuen Seeschlacht vollendet , Vorbereitungen, die wichtige Neuerungen
iu der Ausrüstung der Schiffe umfassten. Der Angriff in den Seeschlachten
bestand im Hineinbohren der eisenbeschlagenen Spitze des eigenen Schiffes
in das feindliche. Da aber jedes Schiff an der Spitze am leichtesten eine Be-
schädigung aushalten konnte, ohne zu sinken, so musste der eiserne Schnabel
die Flanke des Feindes treffen. Um sie erreichen zu können , gab es zwer
Mandver : man überflügelte oder man durchbrach die feindliche Schlachtreihe.
So hing der Erfolg vom geschickten Mandvriren ab , und gerade hierin waren
die Athener besonders bewandert. Nun war aber im syrakusanischen Hafen
zum Manövriren wenig Raum, und es war deshalb bei einiger Vorsicht in der
Aufstellung der Syrakusaner nicht wohl möglich, ihnen in die Flanken zu
fallen. Diesen VortheK hatten die Syrakusaner schon in der früheren See-
schlacht genossen y und sie verdankten höchst wahrscheinlich nur ihm das
damalige Zurückweichen der Athener. Zu einem vollständigen Siege gehörte
aber mehr; die feindlichen Schiffe mussten vernichtet werden. Das wurde
hier nun freilich ebenfalls durch die Oertlichkeit den Syrakusanern erleich-
tert. Denn der bei weitem grösste Theil der Uferstrecke gehörte jetzt wieder
ihnen, alle athenischen Schiffe, die an diese Strecken getrieben wurden, waren
verloren. Aber um sie zum Weichen zu bringen, mussten sie sie stark be-
schädigen, und da kein Platz zum Herumfahren oder Zwischenschieben da
war, am Vordertheilc , wozu jedoch die bisherige Stärke des eigenen Vor-
dertheiles nicht ausreichte. Der Korinther Ariston gab das Mittel dazu an.
Die Vordertheile selbst wurden kürzer und dadurch fester gemacht, und
die Epotiden, zwei Seitenbalken, die rechts und links vom Schiffsschna-
bel abstanden, und an welche man die Anker aufzuhängen pflegte, so ver-
ändert, dasssie ebenfalls mehr nach vom standen und. also bei einem Stosse
des Schiffes mit dem Vordertbeil die Gewalt desselben vermehrten. Diese
Sturmbalken wurden noch durch untergelegte kräftige Stützen, die sechs
Ellen lang waren , und sich zum Theil innerhalb , zum Theil ausserhalb des
Schiffes auf seinem Boden ruhend befanden, verstärkt, so dass, bei einem
Zusammenstoss eines syrakusanischen und eines athenischen Schiffes mit den
Vorderlheilen , das leichter gebaute athenische Vordei1.heil von dem festeren
des syrakusanischen Schiffes zertrümmert werden musste. Dieselben Vor-
richtungen hatten sich bereits den Korinthern in einer vor kurzem an der
Küste Achaia^s gelieferten Seeschlacht als nützlich bewährt. Ueberdies scheint
noch die weitere Veränderung mit dem Schiffsschnabel vorgenommen zu sein,
Holm, Qeseh. BioaliMi. II. 4
. I
50 Viertes Buch. VII. Wachsendes üebergewichl der Syrakusaner.
das man ihn liefer am Schiffte als zuvor anbrachte, so dass das Wasser leicbler
in die gemachte Oeffnung eindringen und das Schiff auf den Grund ziehen
konnte. Mit dem Seekampfe sollte aber auch diesmal wieder ein Angriff auf
die Mauern der Athener verbunden werden. Als alle Vorbereitungen beendigt
waren, führte Gylippos das syrakusanische Heer aus der Stadt gegen die öst-
liche Mauer der Athener, während zugleich vom Olympieion die dort befind-
lichen Hopliten, Reiter und Leichtbewaffneten der Syrakusaner gegen die
westliche Mauer anrückten und die Flotte sich der athenischen Station näherte.
Die Athener hatten 75 Trieren, die Syrakusaner 80. Es wurde einen grossen
Theil des Tages hindurch ohne besondern Erfolg gekämpft. Allerdings bew iik-
ten die neuen Einrichtungen an den syrakusanischen Trieren , dass ein paar
athenische Schiffe, versanken, im Ganzen aber blieb der Kampf unentschieden,
und die syrakusanische Flotte zog sich endlich zurück. Das Landheer, das vor
den Mauern stehen geblieben war, um dort einen Theil der Athener festzuhal-
ten, verliess ebenfalls den Kampfplatz. Am folgenden Tage verhielten sich die
Syrakusaner mhig, und die Athener konnten keine Vorbereitunjgen zu einem
neuen Angriffe bemerken. Trotzdem hielt Nikias einige Vorsichtsmassregeln
für angemessen. Er nöthigte die Trierarchen , die gern für ihre Leute einen
vollständigen Ruhetag gehabt hätten, die Beschädigungen der Schiffe aus-
zubessern und Hess seine Station noch mehr gegen einen Angriff befe-
stigen. Sie war durch eingerammte Pfähle geschützt, nun liöss Nikias
vor dieser Pfahlreihe, in einer Entfernung von 200 Fuss von einander,
grosse Lastschiffe vor Anker legen, die eine Maschfnerie zur Beschädigung der
feindlichen Schiffe trugen, an langen Stangen befestigte schwere Metallstücke,
sogenannte Delphine, die man auf das angreifende Schiff niederfallen Hess,
um es zu zerschmettern. Diese Schiffe sollten ausserdem den Athenern das
sichere Ein- und Auslaufen erleichtern. Am folgenden Tage begann der von
Nikias erwartete Angriff der Syrakusaner zu einer ooch fillheren Stunde als
das erste Mal , übrigens aber auf dieselbe Weise. Die Landtruppen rückl<'n
gegen die Mauern, und die Flotte bot eine Seeschlacht an. Doch kam es wie-
derum anfangs zu keinem ernstlichen Gefechte, und der grösste Theil des Tages
verging unter unbedeutenden Plänkeleien. Denn die Athener, welche wuss-
ten, dass Demosthenes und Eurymedon bald eintreffen raussten , hatten kein
besonderes Interesse daran , gegen eine überlegene Streitmacht zu kämpfen ;
die Syrakusaner aber waren trotz ihrer vortrefflichen Zurüstungen ihres Er-
folges nicht recht sicher und auch wohl ein wenig durch die neuen Vertheidi-
gungsanstalten ihrer Feinde unruhig gemacht. Da gab ihnen der schon
erwähnte Ariston eine List an. Die Befehlshaber schickten Boten an die Be-
hörden der Stadt mit der dringenden Bitte, schnell in Syrakus anzusagen, dass
Alle, welche Lebensmittel zum Verkauf besässen, sie unverzüglich an den
Strand des grossen Hafens bringen und dort feilbieten mochten , damit die
Flottenmannschaft, ohne sich allzuweit von ihren Schiffen zu entfernen, ein
Mittagsmahl einnehmen und sich dann wieder ohne Verzug zur Erneuerung
des Kampfes an Bord begeben könnte. Dies geschah. Die Flotte brach den
Kampf ab y ruderte rückwärts dahin, wo der Verkauf stattfand, und die Be-
satzung stieg an's Land, um zu essen. Nun glaubten die Athener, die Syraku-
Seesieg der Syrakusancr. 51
saner verzichteten auf den weiteren Kampf an diesem Tage. Sie zogen sich in
ihren Hafen zurück, gingen an^s Land und begannen ebenfalls, aber mit
grösserer Langsamkeit, ihr Mittagsmahl einzunehmen. Plötzlich sahen sie,
wie die Syrakusaner wieder zu Schiffe stiegen und von neuem auf sie zufuh-
ren. Nun mussten sie schnell den Feinden entgegen fahren, aber die Ein-
schiffung geschah tumultuarisch, und die Meisten hatten noch nicht gegessen.
Die Syrakusaner enthielten sich klüglich jedes Angriffes, indem sie darauf
rechneten , dass die Athener*, unwillig über die unangenehme Störung, selbst
dazu schreiten und sich in ihrem Eifer willkommene Blossen geben würden.
So geschah es. Die Athener, die auf den Gedanken kamen, dass die Feinde
sie durch fortwSihrende Angriffe ermüden wollten , begannen unter Kriegsge-
schrei die Schlacht. Nun zeigte sich die lieber legen hei t der Syrakusaner. Mit
den starken Schnäbeln ihrer Schiffe fuhren sie gegen die Yorderlhcile der
athenischen Trieren und zerbrachen sie ; auf ihren Verdecken standen Massen
von Speerwerfern , welche den Feinden ihre besten Leute tödteten, und end-
lich griffen die allmählich schon ganz keck gewordenen Syrakusaner zu einem
Mittel, von dem kaum zu begreifen ist, wie es überhaupt angewandt werden
konnte, wenn nicht die Athener ganz verwirrt und eingeschüchtert waren.
Eine Anzahl entschlossener Manner warf sich in kleine Boote, ruderte an die
athenischen Schiffe und beschädigte die Ruder; einige glitten sogar an den
Seiten der Schiffe entlang und schössen aus ihren Nachen auf die Ruderer.
Zuletzt, nachdem die Athener vielen Schaden gelitten hatten, gaben sie die
Schlacht verloren und zogen sich zwischen den Lastschiffen hindurch in ihren
Hafen zurück. Die Syrakusaner hatten 7 feindliche Schiffe in den Grund ge-
bohrt und eine Menge Menschen getödtet oder zu Gefangenen gemacht. In der
Freude über ihren Sieg verfolgten sie die Athener bis an die bewaffneten Last-
schiffe, verloren aber durch die oben erwähnten Delphine zwei Trieren, von
denen die eine mit der Mannschaft in die Hände der Athener gerieth. Sie
errichteten für beide Seeschlachten Siegeszeichen. Ihr Zweck, die Athener zu
vernichten , war freilich nicht erreicht, aber sie waren nun von ihrer üeber-
legenheit zur See vollkommen überzeugt und beabsichtigten, ihre Angriffe in
der allernächsten Zeit zu wiederholen.
Da kam Demosthenes mit der neuen athenischen Flotte, und für einen
Augenblick war die ganze Sachlage vollkommen umgewandelt.
Achtes Kapitel.
Ankunft des Demosthenes. ToUsti&ndlge Niederlage der Athener.
Die Flotte , welche Demosthenes und Eurymedon nun im Augenblick der
höchsten Bedrängniss des Nikias in den grossen Hafen von Syrakus führten,
bestand aus 73 Kriegsschiffen , athenischen und fremden , mit 5000 Schwer-
bewaffneten , und einer grossen , besonders durch Demosthenes , der sich als
4»
52 Viertes Buch/ VUI. Ankunft des Demosthenes. VoUständige Niederlage der Athener.
Fuhrer leichter Truppen auszeichnete, herbeigezogenen Anzahl von griechi-
schen und fremden Speerwerfern y Schleuderero und Bogenschützen, und mit
Vorräthen und Material aller Art. Der Zuwachs an leichten Truppen mussle
den Athenern von besonderem Werthe erscheinen ; freilich war der Fortgang
der Belagerung so eigenthUmlich, dass sie wenig zur Geltung kamen. Für den
Augenblick verbreitete die Ankunft dieser gewaltigen Streitmacht grosse Be-
stürzung bei den Syrakusanern. Sie hatten sich die Flotte so bedeutend nicht
gedacht. Was war hiergegen alle die Hülfe, die sie langsam und nur mit Mühe
aus den sicilischen Städten erhalten hatten , ja der vom Peloponnes geleistete
Beistand? Sie verloren die Zuversicht, die sie so lange aufrecht erhalten hatie.
Ihre Landtruppen zogen sich hinter die Mauern, ihre Flotte in die Häfen zu-
rück. Diese Stimmung konnte den Athenern nicht unbekannt bleiben, und
Demosthenes baute darauf seine Pläne. Noch, sagte er sich, war er den Syra-
kusanern ein Gegenstand der Furcht, deshalb musste ohne Zeitverlust ein
Angriff gemacht werden. Natürlich konnte dieser mit Aussicht auf Erfolg nur
von der Landseite , und zwar von Epipolae , Statt finden. Hier war aber der
Stand der Sache folgender. Gylippos hatte die von ihm begonnene , von der
Stadt aus durch Eptpolae nach Westen laufende Gegenmauer so weit geführt,
dass sie den Abhang, wahrscheinlich nördlich von der Westspitze des Euryelos,
erreichte. Die Athener stabden südlich von derselben und konnten so die fort-
währende Gommunication der Syrakusaner mit dem Innern der Insel nicht ver-
hindern. Sollte die Stadt durch eine vollständige Einschliessung genommen wer-
den, so mussten die Athener sich in den Besitz dieser Mauer setzen, und zwar
so schnell als möglich. Weno es gelang, war die Belagerung fortzusetzen und
endigte ohne Zweifel mit der Eroberung der Stadt ; misslang es aber, so hatte
man unverzüglich den Rückzug anzutreten. Dieser Vorschlag fand den Beifall
der übrigen Feldherren, und nachdem man sich zuerst in den Besitz des offe-
nen Landes um den Anapos gesetzt hatte, wobei nur die Besatzung des Olym-
pieion die Athener zu stören versuchte, fing Demosthenes an, die Kraft seiner
Belagerungsmaschinen an der syrakusanischen Mauer zu erproben. Doch
hiermit richtete er nichts aus. So beschloss er denn, die Mauer zu umgehen.
Dies war aber, da sie bis an den steilen Abhang reichte, nur dadurch möglich,
dass man im Flussthale des Anapos aufwärts zog, dann nördlich ablenkte, die
hohe Westspitze von Epipolae umging, und ganz nahe bei derselben, also an
demselben Punkte , wo die Athener zuerst und später Gylippos hinaufgekom-
men waren , Epipolae erstieg. Wenn es dann gelang, die Syrakusaner in die
Stadt zurückzutreiben , konnte man sich der Mauer leicht bemächtigen. Wie
sollte es aber möglich sein , die steilen von den Syrakusanern bewachten Ab-
hänge zu erstürmen? Demosthenes kam auf den Gedanken eines nächtlichen
Ueberfalls, und seine Mitfeldherren billigten sein Vorhaben. Er übernahm
selbst mit Eurymedon und Menandros die Führung der stürmenden Abtiiei-
lung , während Nikias mit dem übrigen Theil des Heeres in der alten Stellung
zwischen den Mauern verweilte. Die Stürmenden nahmen Nahrungsmittel auf
fünf Tage mit sich und Alles, was nöthig war, um eine Mauer zu errichten,
deren Bau gleich nach der Eroberung von Epipolae begonnen werden sollte ;
alle Maurer und Zimmerleute begleiteten sie. So brachen sie in den ersten
Nächtlicher Angriff des Demosthenes auf Epipolae und Niederlage. 53
Nachtstunden aus dem Lager auf, kamen unbemerkt am Fusse des Euryelos
an, erkletterten den Abhang, und stiessen oben auf eine syrakusaniscße Ver-
schanzung, die sie nahmen. Zum Glück für die Syrakusaner entging ein Theil
der Besatzung dem Tode. Die Entflohenen warnten die Ihrigen. Die Syraku-
saner waren auf einen Angriff von dieser Seite nicht unvorbereitet ; sie hatten
ausserhalb der Stadt in Epipolae drei befestigte Lager, eins für Syrakusaner
allein , das zweite für die übrigen sicilischen Griechen , das dritte endlich für
die sonstigen Bundesgenossen. Diese, denen dies Lager als Quartier diente,
w*aren in der Nacht stets da. Ausserdem hatten die Syrakusaner die früher
erwähnte Einrichtung beibehalten, dass 600 ausgewählte Männer aus allen
Phylen sich fortwährend bereit halten mussten , und diese hatten ihren Posten
jetzt wieder, da Epipolae von Neuem bedroht w^ar, in dem dortigen syrakusa-
nischen Lager. Sobald der Ueberfall der Athener gemeldet war, sammelten
sich die 600 und warfen sich den Angreifern entgegen. Die Athener schlugen
sie in die Flucht und drangen, ihren Erfolg benutzend , vorwärts. Zugleich
aber eilten einige von ihnen nach der grossen Gegenmauer, um deren Erobe-^
rung und Yertheidigung es sich besonders handelte, erkletterten den west-
lichen Theil derselben und vertrieben die Besatzung. Sogleich begannen sie
die Zerstörung der Mauer mit dem Abbrechen der Zinnen. Nun hatte sich aber
auch die ganze syrakusanische Macht, die auf Epipolae war, gesammelt und
rückte unter Anführung des Gylippos den Athenern entgegen. Der unerwar-
tete Ueberfall der Feinde und das Ungewohnte eines nächtlichen Kampfes
machte sie anfangs vefwiiTt, und sie wichen eine Weile vor den ungestüm an-
dringenden Athenern zurück. Je länger sie aber kämpften ,• desto mehr ge-
wannen sie ihre Fassung wieder und schlössen sich auf dem bekannten Boden
fester an einander, während die Athener, die an nichts dachten^ als sobald als
möglich durch das ganze syrakusanische Heer hindurchzudringen und ihm
keine Zeit zur Besinnung zu lassen , eben durch ihre Hast in Unordnung ge-
riethen. Bald hörte das Weichen der Syrakusaner auf. Die Böoter, vor kur-
zem erst angelangt, hatten den Buhm, zuerst die Athener zum Stehen zu
bringen, dann sahen sich die Angreifer genöthigt, den Bückzug anzutreten,
und aus dem Bückzug wurde nach kurzer Zeit Flucht. Die vollständigste und
furchtbarste Niederlage der Athener war entschieden. Der Mond schien hell,
vermehrte aber durch sein ungewisses Licht , das wohl die Umrisse der Kör-
per, nicht aber die Gesichtszüge erkennen Hess und es unmöglich machte,
die Befehle der Feldherren genau aufzufassen und richtig zu befolgen, die
Verwirrung und Bathlosigkeit unter den Athenern. Jeder war sich selbst
überlassen. Während ein Theil sich schon auf der Flucht vor den Böotem
befand , waren Andere noch im Vorrücken begriffen , und als auch diese zu-
rückgetrieben wurden und Alle, die bereits auf der Höhe angelangt waren,
sich den steilen Pfaden , auf denen sie heraufgeklommen waren , zudrängten,
da kamen ihnen neue Abtheilungen der Ihrigen entgegen , die noch an einem
Siege theilzunehmen gedachten und nun die Verwirrung nur vermehrten.
Viele kamen hier um , indem sie an ungangbaren Stellen sich durch Hinab-
springen zu retten suchten. Selbst von den unten Angelangten wurden nicht
alle gerettet. Manche der vor kurzem erst mit Demosthenes eingetroffenen
^-■f-
54 Viertes Buch. VIII. Ankunft des Demosthenes. Vollständige Niederlage der Athener.
• «
Soldaten kannten die Gegend noch so wenig , dass sie sich verirrten und am
nächsten Morgen von den syrakusanischen Reitern aufgejagt und getödtet
wurden. Noch grösser als die Zahl der Todten auf athenischer Seite (angeb-
lich 2500) war die der erbeuteten Schilde. Die Syrakusaner errichteten zwei
Siegeszeichen, eins da, wo die Athener zuerst von den Böotern zum Weichen
gebracht worden waren , das zweite am Abhänge von Epipolae. Sie hatten
einen ebenso raschen wie entscheidenden Erfolg errungen und gingen schnell
von Muthlosigkeit zur aussersten Zuversicht über. Es schien ihnen jetzt, trotz
der vermehrten Anzahl der Feinde, wiederum nicht unmöglich, sie vollständig
zu veiiiichten, und sie machten zu diesem Zwecke auf der Stelle, um ihre
Streitkräfte entsprechend zu vermehren, weit aussehende Vorbereitungen.
Gylippos reis'te von neuem nach den siciliscben Städten, und nach Akragas
fuhr sogar eine Flotte von \ 5 Schiffen unter Sikanos. Man hatte nSimlich erfah-
ren , dass dort Unruhen ausgebrochen waren , und da bis jetzt die Stadt sich
durchaus neutral gehalten hatte, so war es möglich, dass, wenn die herr-
schende Partei gestürzt wurde, die neue Regierung einen engen Freund-
Schaftsbund mit Syrakus schloss.
Die athenischen Befehlshaber hatten indessen zu erwägen, welche Mass-
regeln nach ihrer Niederlage auf Epipolae zu ergreifen seien. Demosthenes
hatte den Sturm mit dem festen Vorsatz unternommen , wenn er misslänge,
auf schleunige Rückkehr nach Athen zu dringen. Die Gründe dafür waren
einleuchtend. Syrakus war nicht mehr zu erobern , und im Heere herrschte
nicht nur Muthlosigkeit, sondern in Folge der Hitze und des Aufenthaltes in
der sumpfigen Gegend zwischen den Mauern bösartige Fieber. Noch erlaubte
die Ueberlegenheit zur See die Rückkehr. Hiergegen hatte Nikias Vieles ein-
zuwenden. Er war zwar auch der Meinung , dass die Sachen schlecht stän-
den, aber er hielt es für unpassend , dies einzugestehen. Eine solche Erklä-
rung, meinte er, könne den Syrakusanern nicht verborgen bleiben, und wenn
dann der Beschluss ausgeführt werden sollte, würde die Hauptbedingung des
Erfolges, die Heimlichkeit, nicht mehr vorhanden sein. Dies waren leere
Worte, denn wenn man im Kriegsrathe nicht den Abzug beschliessen durfte,
kam man überhaupt nie fort, und was Nikias ausserdem, vorbrachte, war
ebenso wenig zutreffend. Er legte grosses Gewicht auf die Anklagen und
Verleumdungen, denen man sich in Athen aussetzen würde, wenn man zu-
rückkehrte, ohne dass das athenische Volk es ausdrücklich befohlen habe;
wenn er sterben solle , so wolle er lieber von der Hand der Feinde den Tod
erleiden. Diese Erhebung der öffentlichen Meinung über die Vernunft, w^o es
sich um das Leben vieler Tausende von Bürgern handelte , verrieth ebenso
sehr einen krankhaft aufgeregten Geist, wie der letzte Theil seiner Rede eine
fast unglaubliche Verblendung. W^enn es mit ihnen nicht gut stehe , so stehe
es noch schlimmer mit den Syrakusanern. Er wisse es durch seine Verbin-
dungen in der Stadt. Die Syrakusaner hätten zur Besoldung der fremden
Truppen, zum Unterhalt der von ihnen ausgesandten Posten, und für ihre
Seemacht schon gewaltige Summen aufgewandt. 2000 Talente seien bereits aus-
gegeben, und ausserdem hätten sie bedeutende Schulden gemacht. Die Athener
beherrschten die See und hätten mehr Geld als die Syrakusaner ; sie könnten es
Nikias widerselzl sich der Abfahrt. Mondflnsteroiss. 55
deshalb länger aushalten als diese/ und wären die Syrakusaner erst von ihren
Bundesgenossen im Stiche gelassen , so wdren sie verloren; Allerdings war
dem Niki^s durch sdne Freunde in Syrakus der Geldmangel der Syrakusaner
gemeldet worden , ja man hatte ihn sogar von dort aufgefordert, nicht von der
Belagerung abzulassen, aber konnte er bei der traurigen Lage der Athener
auf so ungewisse Nachrichten Werlh legen ? Als nun Demosthenes, w^elchem
Eurymedon durchaus beistimmte, einsah» dass die Gründe des Nikias, der
nach dem Fehlschlagen des Planes des Demosthenes seinen alten Einfluss im
Feldherrnrathe wiedergewonnen hatte, besonders gegen die sofortige Rückkehr
nach Hause gerichlet* seien , machte er in der festen Ueberzeugung, dass ein
längeres Verweilen im grossen Hafen nur das Verderben beschleunigen könne,
den Vorschl^g, das Lager wenigstens nach Tbapsos oder Katane zu verlegen,
wodurch mehrfache Vortheile erwachsen würden. Man könne von da aus
besser aus dem feindlichen Lande seinen Unterhalt ziehen , fUr die Flotte aber
sei es ein ausserordentlicher Gewinn^ nicht in dem engbegrenzten Räume des
syrakusanischen Hafens , sondern auf dem offenen Meere zu kämpfen, wo die
athenischen Seeleute ihre reichen Erfahrungen verwerthen würden. Auch
diesem Vorschlage widersprach Nikias, wenn er ihn gleich nicht so unbedingt
abwies wie den ersten. So blieb Alles, wie es war , und das Verderben zog
sich über den Athenern enger zusammen. Die Sendung des Sikanos nach
Akragas erwies sich zwar als erfolglos; in Gela erfuhr er, dass die Unruhen
in Akragas, auf die man gerechnet, bereits mit der Vertreibung der syrakusa-
nischen Partei geendigt hatten, und er kehrte nach Hause zurück« aber Gylip-
pos brachte eine Anzahl Truppen aus den sicilischen Städten und ausserdem
noch den grössten Theil der Schwerbewaffneten , die im Frühjahre vom Pelo-
ponnes auf Kauffahrteischiffen in See gegangen waren und, um den Athenern
auszuweichen , den ungewöhnlichen Umweg über Afrika und Selinus einge-
schlagen hatten. Als nun auf diese Weise die Syrakusaner sich wiederum
verstärkt sahen, rüsteten sie sich zu einem entscheidenden Land- und Seean-
griff auf die Feinde.
Da Krankheiten und Mutblosigkeit im athenischen Heere immer mebr um
sich griffen, war nun endlich auch Nikias bereit, seinen Widerstand gegen den
Abzug aufzugeben , unter der Bedingung, dass die Vorbereitungen dazu im
Stillen geschähen, und das athenische Heer wäre gerettet worden, wenn nicht,
als eben die Abfahrt stattfinden sollte, am 27. August 413, um iO Uhr Abends,
eine Mondfinsterniss eingetreten wäre. Nun waren die Athener nicht bloss
fromm , sondern abergläubisch. Die grosse Mehrzahl der Soldaten sah in der
Verfinsterung des Mondes ein böses Omen , und Nikias, der sehr viel Gewicht
auf Vorzeichen legte und auch nach Sicilien berühmte Zeichendeuter mitge-
nommen hatte, erklärte, dass man unbedingt erst dreimal 9 Tage warten
müsse, ehe man auch nur an eine Berathung über die Abfahrt denken dürfe.
So überlieferte der Aberglaube die Athener dem Verderben. Die Syrakusaner
erfuhren bald den Entscbluss der Feinde , und hielten es eben deswegen für
nothwendig , sie noch im Hafen zur Seeschlacht zu zwingen. Als Vorspiel
diente ein Landangriff auf die athenischen Mauern, bei dem sie einen unter
den gegenwärtigen Umständen für die Athener sehr schmerzlichen Vortlieil
56 Viertes Buch. VIII. Ankunft des Demosth«ne8. VoUständrge Niederloge der Athener.
errangen : 70 athenische Reiter kamen bei einem Ausfalle uro. Am folgenden
Tage griffen die Syrakusaner zu Wasser an. Wahrend das Landheer wieder
gegen die Mauern rückte, fuhr die Flotte, aus 76. Schiffen bestehend , auf die
86 Segel starke Flotte der Athener zu. Die Uebermacht war also diesmal auf
athenischer Seite, und dennoch siegten die Syrakusaner. Zuerst wich das Cen-
trum der Athener. Ihr rechter Flügel stand unter dem Befehle des Euryme-
don, der trotz der ungünstigen Oertlichkeit dennoch das beliebte ManOver der
Umgehung der Feinde versuchen wollte. Aber er kam dem Lande zu nahe,
Tind als die Syrakusaner das athenische Gentrum besiegt hatten, drängten sie
ihn in den innersten Winkel der Hafenbucht und vernichteten seine Schiffs-
abtheilung, wobei er selbst umkam. Nun war die Seeschlacht für die Athener
verloren. Alle athenischen Schiffe, welche nicht vernichtet wurden, mussten
sich an's Land zurückziehen, wo sie gerade waren. Die meisten konnten nicht
die schmale üferstrecke zwischen den athenischen Mauern eireichen, sondern
wurden ausserhalb derselben an's Land getrieben, und dieser Umstand schien
Gylippos das Mittel zu gewahren, sie vollständig zu vernichten. Er eilte mit
einem Theile seines Heeres an's Ufer , da wo ein schmaler Streifen festen Bo-
dens sich zwischen dem Meere und dem Sumpfe Lysimeleia hinzog , und wo
ein grosser Theil der athenischen Flotte sich befand. Aber das ziemlich un-
ordentliche Ueranstürmen der Syrakusaner machte den Etruskem, die als
Hulfstruppen der Athener an dieser Seite der Mauer (nach dem Flusse Anapos
zu) die Wache hatten , Muth , herauszukommen und sich auf sie zU werfen.
Sie trieben die Vordersten zurück und jagten sie theilweise in den Sumpf.
Bald war der Kampf hier allgemein; Syrakusaner wie Athener eilten in grösse-
rer Anzahl herbei, und die Athener, deren Kräfte die Gefahr verdoppelte, be-
siegten das syrakusanische Heer und retteten den grössten Theil ihrer Flotte,
den sie glücklich in den Hafen schafften. Das Geschwader des Eurymedon
war und blieb verloren, 18 Schiffe mit der ganzen Besatzung. Die Syrakusa-
ner machten noch einen Versuch, die Flotte zu vernichten. Sie richteten ein
alles Lastschiff durch eine Masse von trockenen Zweigen und Kienholz zu
einem Brander ein, zündeten es an und Hessen es vom Winde gegen die athe-
nische Flotte treiben. Aber die Athener wussten den Brander N'on ihren Schif-
fen abzuhalten. Sie konnten sich die schwache Genugthuung verschaffen,
wegen ihres Sieges am Sumpfe ein Tropaion zu errichten; mit mehr Grund
thaten es die Syrakusaner für den Erfolg des vorhergehenden Tages über die
athenische Reiterei, und besonders wegen des Seesieges, der auf Athener wie
auf Syrakusaner den allergrössten Eindruck hervorgebracht hatte.
Die Athener wurden immer muthloser und fingen jetzt endlich an , den
ganzen Zug als das, was er war, als das unbesonnenste und thörichtste Unter-
nehmen zu betrachten. Es kam ihnen in den Sinn , dass sie ja von einem
Kriege gegen Syrakus schon deswegen keine grossen Erwartungen hätten
hegen dürfen, weil diese Stadt eine demokratische Verfassung hatte, wie
Athen selbst, und also keine Partei gefunden werden konnte, von der von
vornherein Sympathie mit den Angreifern zu erwarten war, weil diese Stadt
ferner, gerade wie Athen, nicht bloss zu Lande stark war, sondern, wenigstens
in früherer Zeit, eine grosse Seemacht besessen hatte. Die Syrakusaner da-
Zusammensetzung der beiden Heere. 57
gegen stellten sich mit der mehr und mehr wachsenden Aussicht, ihre Feinde
vollsldndig zu vernichten , den Vorlheil und die Ehre , die ihnen dadurch er-
wachsen würden, immer deutlicher vor Augen. Sie mussten durch die Ueber-
-windung der Athener einen gewaltigen Einfluss auf Griechenlands Geschicke
ausüben. Das Uebergewicht Athen's war gebrochen; die Unterthanen konnten
sich befreien und die Feinde es ohne Bedenken angreifen ; es unterlag viel-
leicht den Doriern, und als die eigentliche Veranlassung seines Sturzes musste
Mit- und Nachwelt die Syrakusaner betrachten. Syrakus trat durch einen so
grossen Sieg mit einem Schlage in die Reihe der leitenden dorischen Staaten,
und stand den Korinthern ,' ja den Spartanern gleich. Wenn die Syrakusaner
sich einen hohen Begriff von der Bedeutung des um ihre Stadt geführten
Kampfes machten, so gab schon ein kurzer Ueberblick über die bunte Zusam-
mensetzung des beiderseitigen Heeres ihnen das vollkommenste Recht dazu.
Es schien , als hätte ganz Griechenland seine Vertreter nach Sicilien gesandt,
^Is sollte hier der grosse Kampf zwischen Athen und Sparta entschieden wer-
den. Blind genug hatte das Schicksal die Kämpfenden durch einander gewür-
felt, und wer von den Völkerschaften nur die Herkunft und Stammverwandt-
^chaft wusste , hcitte oftmals falsch gerathen, wenn er sie darnach den beiden
kämpfenden Parteien hätte zuweisen wollen. Im athenischen Heere befanden
sich als lonier und Kolonisten Athen's Einwohner der Inseln Lemnos und Im-
bros im Norden des ägäischen Meeres , von Aegina , das seit geraumer Zeit
schon Athener statt der ursprünglichen Dorier zu Bewohnern hatte und He-
stiäer von Euboea. Als tributpflichtige Unterthanen folgten den Athenern
Eretrier , Chalkidier , Styrer uud Karystier von EubOa , Bewohner der Inseln
Keos, Andres, Tenos und aus dem asiatischen lonien Milesier und Samier.
Die Ghier waren selbständig; sie hatten Schiffe gestellt und zahlten keinen
Tribut. Von allen diesen w-aren nur die Karystier keine lonier, sondern Dryo-
per ; die übrigen kämpften als lonier gegen Dorier, aber nur von den Athe-
nern gezwungen. Aeolischen Stammes waren: Melhymnäer, die mit eigenen
Schiffen da waren , Männer von Tenedos und Aenos als tributpflichtige Unter-
thanen , endlich Platäer, die von gerechtem Hass gegen ihre bOotiscben Stam-
mesgenossen erfüllt, ihm auch hier Luft zu machen Gelegenheit hatten, da sie
Böoter unter den Bundesgenossen der Syrakusaner fanden. Von Dörfern wa-
ren auf athenischer Seite Bewohner von Kythera, Kolonisten von Sparta,
Rhodier, denen auf syrakusanischer Seit>e Männer aus Gela, der Kolonie von
Rhodos, gegenübei*standen , Bewohner von Kephallenia und Zakynthos, die
nicht tributpflichtig waren , aber als Inselbewohner dem meerbeherrschenden
Athen ihre Hülfe nicht versagen konnten ; ferner Kerkyräer, die als Kolonisten
von Korinth zwar den Schein annehmen mussten , als machten sie den auch
gegen ihre Mutterstadt gerichteten Krieg gezwungen mit, die aber in Wirk-
lichkeit gern die Gelegenheit benutzten , dem verhassten Korinth zu schaden.
Femer waren da: Messenier aus Naupaktos und Pylos, eine Anzahl megari-
scher Flüchtlinge , die Selinuntieni, Kolonisten von Megara , gegenüberstan-
den; Argiver, von Hass gegen die Lakedämonier erfüllt, Mantineef und
sonstige A'rkadier , die als Söldner der Athener gegen andere, mit den Korin-
them gekommene Arkadier kämpften , Kreter und Aetoler als SOldner, und
58 Viertes Buch. V[II. Ankunft des Demosthenes. Vollständige Niederlage der Athener.
Akarnanen , die thoils durch Sold angelockt, theils aus Anhänglichkeit an De-
mosthenes mitgezogen waren. Aus Italien waren Thurier und Metapontiner
dabei, von Sicilien Naxier und Katanüer, und eine Masse von Sikelern, end~
lieh noch einige Etrusker, alte Feinde von Syrakus, und gemiethete lapygier
und Messapier. Welche Menge von verschiedenartigen Elementen im atheni-
schen Heere ! Wie schwer musste es selbst erfiihrenen Fekiherren werden, im
Unglücke sie zusammenzuhalten ! Wie schwer besonders, die gezwungen Die-
nenden zu thfitigen Streitern für eine fast schon aufgegebene Sache zu machen!
Anders stand es auf syrakusanischer Seite. Waren bei den Athenern die Mei-
sten aus Zwang oder um des Geldgewinnes wegen da, so hatten die Syraku-
saner grösstentheils nur Stammesgenossen in ihrem Heere. Aus Sicilien waren
es Bewohner von Kamarina, Gela, Selinus, Himera ; die Spartaner hatten nur
Heloten und Neodamoden geschickt, aber der eine Spartaner Gyiippos wog ein
Heer auf; Korinther waren mit Schiffen Und Landtruppen gekommen und
hatten Leute aus ihren Kolonien Leukas und Amprakia mitgebracht; die Böo-
ter hatte der alte Hass gegen Athen getrieben, Truppen zu schicken, nur die
wenigen Sikyonier waren gezwungen mitgezogen, und als Miethstruppen stan-
den nur einige Arkadier bei den Korinthern , dazu kam endlich noch eine
Anzahl von Sikelern. Im Vergleich zu den aus Griechenland gekommenen
Verbündeten der Syrakusaner war die Anzahl der sicilischen Griechen , die
aus nahe gelegenen volkreichen Städten nach Syrakus gezogen waren, gross;
alle Hulfstruppen übertraf aber an Zahl das Gontingent der Syrakusaner
selbst. Zwischen diesen Gegnern sollte es nun zum entscheidenden Kample
kommen.
Die Syrakusaner wollten jetzt dem Kriege ein Ende machen ; die athe-
nische Flotte sollte den Hafen ihrer Stadt nicht wieder verlassen. Sie versperr-
ten deshalb den wenig über 1000 Meter breiten Eingang desselben zwischen
Ortygia und Plemmyrion durch quer vor Anker gelegte grössere und kleinere
Schiffe und rüsteten sich zu einer neuen Seeschlacht. In dem engen Räume
dos Hafens, wo die feindlichen Flotten nahe bei einander Ingen, konnte nichts,
was der Eine vorbereitete, dem Anderen verborgen bleiben. So waren die
Athener auch bald im Klaren über die Absichten der Syrakusaner, und die
Feldherren sahen ein, dass schnell ein Entschluss, womöglich mit allgemeiner
Zustimmung der Officiere, gefasst werden müsse. Sic hielten deshalb einen
Kriegsrath, dem auch die Taxiarchen [Unterbefehlshaber) beiwohnten, und in
dem die traurige Lage des athenischen Heeres endlich unverhohlen eingestan*
den wurde. Ein sehr schlimmer Umstand kam hier zur Sprache. Ais vor
einigen Tagen die Athener sich zu der nachher durch die Mondfinsterniss ge-
störten Abfahrt gerüstet hatten . war nach Katane der seitdem auffallender-
weise nicht zurückgenommene Befehl geschickt worden, keine Lebensmittel
mehr zu senden , und so fehlte es daran jetzt schon ; die Absperrung des Ha-
fens aber machte alle neuen Sendungen unmöglich. Eine Schlacht, ohne Ver-
zug geliefert, war also das Einzige, was die Athener noch retten konnte. Man
boschloss , auf der Stelle den ganzen oberen Theil der Doppelmauer aufzuge-
ben, nur den unmittelbar am Hafen gelegenen beizubehalten, den Raum zwi-
schen-beiden Mauern durch eilig errichtete Querwerke nach dem Lande hin
VorbercituDgen zur Schlacht. 59
zu schützen, und auf diesem Platze die Kranken und alle Vorrätbe zu bergen,
alle irgend entbehrliche Mannschaft aber auf die noch brauchbaren Schiffe zu
bringen und mit diesen eine Seeschlacht zu liefern. Siegte man , so wollte
man schnell das ganze Heer nach Katane bringen ; verlor man aber die
Schlacht, so sollten die Schiffe verbrannt werden und das Heer auf dem Land-
wege eine befreundete hellenische oder barbarische Stadt zu erreichen suchen.
Der Beschluss wurde ausgeführt, 110 noch brauchbare Schiffe fanden sich,
und alle irgend waffenfclhigen Leute wurden eingeschifft, besonders setzten
die Feldherren auf die Masse von Bogenschützen und Speerwerfern, Akamanen
und Andere, viel Vertrauen. Der Versuch, den die Athener so im Drange der
Noth machten, die gewohnte Seeschlacht durch die Aufnahme einer Menge von
Landtruppen in eine Landschlacht zu verwandeln, war sehr gewagt, dennoch
zeigte sich bei den athenischen Truppen durchgängig Bereitwilligkeit, da Alle
den gegenwärtigen Zustand unertrilglich fanden. Nikias hielt vor der Schlacht
eine Anrede an sein Heer, das nun den Entscheidungskampf kämpfen sollte.
£r wies darauf hin, dass nur ein Sieg ihnen die Möglichkeit geben könne, ihre
Heimath wieder zu erreichen; um ihn sicherer zu erringen, sei die Masse von
Landtruppen auf die Schiffe genommen. Der Wiederholung gefährlicher An-
fahrten mit den starken Vordertheilen der syrakusanischen Schiffe solle durch
eiserne Haken begegnet werden, mit denen man die feindlichen Schiffe fest-
halten werde , worauf dann die an Bord befindlichen Landtruppen die feind-
liche Besatzung vernichten müssten. Die Vorbereitungen der Athener waren
sogleich von den Syrakusanern bemerkt worden, die auch Eenntniss von den
eisernen Haken bekommen hatten , und nun als Schutz dagegen die Spitzen
und Ränder der Schiffe mit Feilen bekleideten, an denen die Haken nicht
leicht fassen konnten. Die Anreden der Feldherren wiesen die Syrakusaner
besonders darauf hin, dass sie die seemächtigen Athener ja schon überwunden
hätten nnd sie sicher auch wieder besiegen würden, da die Feinde durch die
unerwartete Niederlage ganz muthlos gew^orden seien. Dann fuhren sie hinaus
zur Schlacht.
Als Nikias sah, dass der letzte Kampf beginnen sollte, fürchtete er, in
seiner Anrede noch nicht alles Nöthige gesagt zu haben. Er ging noch einmal
zu jedem einzehien Trierarchen und stellte ihm auf das eindringlichste und
beweglichste vor, was er von ihm erwarte, nannte einen Jeden in der feier-
lichsten Weise zugleich bei seinem Vaternamen und seiner Phyie und be-
schwor die, welche sich persönlich ausgezeichnet hatten, ihren erworbe-
nen Ruhm nicht zu verdunkeln, die aber, welche von berühmten Vor-
fahren herstammten, den Glanz und die Ehre ihrer Familie aufrecht zu
halten, und bat Alle, an ihre Vaterstadt Athen zudenken, mit ihrer unbe-
dingten politischen und persönlichen Freiheit, und an die Weiber und Kinder,
die sie dort zurückgelassen hätten. Dann übernahm er selbst den Oberbefehl
über die am Lande zurückbleibenden Truppen , die er am Meere, so weit es
irgend möglich war, aufstellte, während Demosthenes, Menandros und Euthy-
demos den Befehl über die Flotte erhielten und sogleich die athenischen Schiffe
zur Schlacht hinausführten. Sie wollten so schnell als möglich den Ausgang
aus dem Hafen erzwingen. Hiergegen waren die Massregeln der Syrakusaner
60 Viertes Buch. VIII. Ankunft des Demo^thenes. Vollständige Niederlage der Athener.
getroffen. Die Anznhl ihrer Schiffe betrag wieder 76, wie in der vorigen
Schlacht, und von diesen waren einige am Eingang aufgestellt, um ihn zu
bewachen. Die übrigen hatten ihre Stellung ringsum im Hafen in der Nähe
des Ufers genommen, um, wenn die Athener ihre geschuttte Stellung verlas-
sen hätten, von allen Seiten über sie herzufallen. Zugleich war rings um den
Hafen das syrakusanische Landheer aufgestellt worden. Die Flotte befehligten
im Centrum Pythen der Korinther, der seine Landsleute um sich hatte, auf
den beiden Flügeln die Syrakusaner Sikanos und Agatharchos.
Die Athener fuhren an den durch Ketten bewerkstelligten Verschluss des
Hafeneingangs, überwältigten im ersten Anlauf die dort aufgestellten Schiffe
und machten sich daran, die Ketten zu lösen, um die offene See zu gewinnen,
als sie auf allen Seiten von den Syrakusanern angegriffen wurden. Natürlich
konnte nicht die ganze athenische Flotte zu gleicher Zeit an der Hafenmündung
sein ; während die ersten sich dort bemühten , die Sperre zu durchbrechen,
war die Mehrzahl der athenischen Schiffe noch mitten im Hafen , und indem
jene sich nun genöthigt sahen, den Uebrigen zu Hülfe zu eilen, zog sich bald
der ganze Kampf in das Innere des Hafens , wo die Athener auch selbst vor-
ausgesetzt hatten , ihn führen zu müssen. Es war eine der merkwürdigsten
und gewaltigsten Seeschlachten, die im Alterthum geliefert worden sind.
Gegen 200 Schiffe, auf einen verhältnissmässig geringen Raum zusammenge-
drängt, und nicht im Stande, sich frei zu bewegen, kämpften einen Kampf von
äiisserster Erbitterung. Regelrechte Angriffe kamen wenige vor; die Schiffe
stiessen zusammen, wie gerade der Zufall und das Gedränge es mit sich
brachte. So waren denn auch nicht überall , "^'ie sonst in Seeschlachten , je
zwei Schiffe mit einander im Kampf begriffen , sondern oftmals hatte sich eins
gegen zwei oder mehrere feindliche zu vertheidigen, und die Steuerleute hat-
ten die grOsste Schwierigkeit, ihre Pflicht zu erfüllen und ihre Schiffe so zum
Angriff zu lenken , dass sie nicht zugleich selbst von allen Seiten angegriffen
wurden. Wenn sich zwei Schiffe einander näherten , wurde mit Pfeilen und
Wurfspiessen geschossen und mit Steinen geworfen , und wenn sie dicht an
einander waren, begannen die Schwerbewaffneten auf den Verdecken den
Kampf und suchten sich des feindlichen Schiffes zu bemächtigen. Der Lärm
war entsetzlich. Zu den Kommandorufen, die bei der Verwirrung, in der die
Schiffe sich befanden, häufiger erschollen als sonst, traten noch die Zurufe,
die der Wetteifer und die Nothwendigkeit, die Mannschaft zu ermuntern, ver-
anlassten. Den Athenern riefen ihre Refehlshaber zu, sie sollten die Abfahrt
erzwingen , es gelle die Rettung in die Heimath , den Syrakusanern die ihri-
gen, sie möchten den Feinden die Flucht versperren. Ja die Feldherren selbst
wandten sich mitten im Kampfesgetümmel, wenn sie irgendwo eins der Schiffe
zurückweichen sahen, mit vorwurfsvollem Ton an den Trierarchen, den sie mit
Namen nannten. Eine geraume Zeit hielt sich bei grosser Anstrengung von
beiden Seiten die Schlacht in der Schwebe. Während dessen bedeckten die
Weiber und Kinder der Syrakusaner die Mauern und Dächer der Stadt, und
standen die Landheere am Ufer und schauten dem Kampfe zu in einer ausser-
ordentlichen Spannung , und einer besonders bei den Athenern sehr natür-
lichen , gewaltigen Aufregung. Diese befanden sich aber nicht auf einem
Die Athener werden völlig besiegt. 61
Punkte, von wo die ganze Schlacht hätte übersehen werden können, und so
waren die Eindrücke , welche zu derselben Zeit Verschiedene von dem Gange
derselben empfingen , ebenso mannigfaltig wie die Wechselfälle des Kampfes
selbst. Einige sahen siegreiche athenische Schiffe vor sich und begannen
Math zu fassen und laut die Götter anzurufen , dass sie sie doch nicht zuletzt
noch zu Grunde richten möchten ; Andere hatten Niederlagen der Ihrigen vor
Augen, und diese jammerten laut und geberdeten sich muthloser als die be-
siegten Kämpfer selbst; noch Andere endlich schauten einem unentschiede-
nen Kampfe zu und machten abwechselnd die verschiedensten GemUthsstim-
mungen durch. So bot denn, so lange der Kampf unentschieden war, das
athenische Heer ein eigenthUmliches~ Schauspiel. Triumphgeschrei und Weh-
klagen , Schlachtrufe und Laute der Verzweiflung , Alles erscholl zu gleicher
Zeit. Endlich siegten die Syrakusaner. Sie siegten zuerst an der Stadtseite
des Hafens, wo die am Ufer aufgestellten Btlrger thätig in den Gang der
Schlacht eingriffen , und als erst einmal hier die Niederlage der Athener ent-
schieden war, da ward der ungestüme Andrang der Syrakusaner überall un-
widerstehlich für die Feinde , und jedes weichende Schiff mehr vergrösserte
die Verwirrung der Besiegten. Mit Triumphgeschrei jagten die Sieger die
Schiffe, welche sich nicht mehr zu vertheidigen wagten, an^s Land. Viele
wurden nun noch vernichtet oder genommen. Die Männer, welche sich an's
Land retten konnten, eilten in's Lager, und das ganze athenische Heer gab sich
der wildesten Verzweiflung hin. Manche mochten sich daran erinnern, dass
sie sich jetzt in einer ähnlichen Lage befanden , wie vor einigen Jahren die
Lakedämonier auf der Insel Sphakteria ; denn mit der Vernichtung der Flotte
war alle Aussicht auf Rettung verschwunden.
Nach der Beendigung der Schlacht sammelten die Syrakusaner die Schifls-
trümmer und die Leichen ^und fuhren nach der Stadt, um dort ein Siegeszei-
chen zu errichten. Sie wagten nicht, die athenische Verschanzung anzugreifen.
Sie waren ebenfalls von dem langen und hartnäckigen Kampfe erschöpft, wenn
auch bei weitem nicht so sehr wie ihre Feinde, die so niedergeschlagen waren,
dass sie die ihnen obliegende Pflicht, die Auslieferung der Todten von den
Siegern zu erbitten , versäumten. Die Athener dachten nur an schleunigsten
Abzug. Demoslhenes versuchte, eine rühmlichere Art des Abzugs, als die von
dem Heere beabsichtigte, durchzusetzen. Während man allgemein die Flotte
als durchaus unbrauchbar geworden betrachtete und den Abzug zu Lande ohne
Zögern antreten wollte, machte er geltend, dass sie recht wohl mit allen ihnen
gebliebenen Schiffen noch einmal mit Tagesanbruch den Versuch wagen könn-
ten, die Ausfahrt zu erzwingen; sie hätten, wie er mit Recht bemerkte, noch
mehr brauchbare Schiffe als die Syrakusaner, denen keine 50 geblieben waren,
während sie gegen 60 hatten, und ein günstiger Erfolg sei durchaus nicht un-
wahrscheinlich. Nikias gab seine Zustimmung, aber die Ausführung des Planes
scheiterte an dem Widerstand der Seeleute , die nicht noch eine Seeschlacht
bestehen wollten. So blieb denn nichts übrig, als die Schiffe preiszugeben
und zu Lande abzuziehen , und zwar sobald als möglich , wenn es geschehen
konnte, noch in derselben Nacht.
62 Viertes Buch. IX. Rückzug und Untergang der Atbeoer.
Neuntes Kapitel.
Bfiekzug and Untergang der Athener.
Der Gedanke, dass die Athener am beslen thun würden , wenn sie' so-
gleich das Lager verliessen , kam auch dem Hennokrales , und er bescfaloss,
die Ausführung desselben , falls sie wirklich versucht werden sollle, zu ver-
hindern. Er forderte die Feldherren auf, sofort mit dem ganzen Heere auszu-
marschiren. Diese sahen vollkommen die Zweckmiissigkeit einer solchen Mass-
regel ein,' aber sie hielten es für unmöglich, sie beim Volke durchzusetzen.
Man wollte Ruhe nach der Schlacht; man wollte die Freuden des unmiUelbar
bevorstehenden Heraklesfestes nicht opfern. So versuchte denn Hermokrates,
den gefUrchteten Abzug durch eine List hinauszuschieben. Er wusste , dass
Nikias Ein verstund niss mit Leuten in Syrakus unterhalten hatte, vorzugsweise
mit ehemaligen Leonlinern ; er Hess deshalb einige ihm ergebene Männer bei
einbrechender Dunkelheit nach dem athenischen Lager sprengen und den dort
aufgestellten Posten zurufen , sie seien Freunde der Athener, man möge nicht
in der Nacht abziehen , denn jetzt seien alle Wege von den-Syrakusanern be-
setzt. Eine so plumpe List hi^tte nicht gelingen sollen. VVUre es nicht wenig-
stens der Mühe werth gewesen, sich durch Späher von d^r Richtigkeit der
Mittheilung zu überzeugen? Aber die athenischen Feldherren hielten gerade
das Unerwünschteste eben deswegen für das Wahrscheinlichste. Sie thaten
noch mehr, als ihnen gerathen war; sie beschlossen, noch einen ganzen Tag
im Lager zu bleiben , um sich auf den Abzug vorzubereiten. Natürlich be-
nutzten die Syrakusaner diese Frist besser als sie. Das Landheer besetzte und
verschanzte die Wege , auf denen dec Abzug der Athener zu erwarten war,
während zu derselben Zeit die syrakusanische Flotte sich der am Ufer zurück-
gelassenen feindlichen Schiffe bemächtigte und sie im Schlepptau in die Stadt
führte. Einige wenige nur hatten die Athener verbrannt.
Am zweiten Tage nach der Seeschlacht begannen die Athener endlich den
Rückzug landeinwärts, nicht nach Katane, wohin man nicht direct gelangen
konnte, da gerade die dahin führenden Wege von den Syrakusanern besetzt
waren, sondern ohne ganz bestimmtes Ziel in westlicher oder südwestlicher
Richtung, wo man sikelische Städte oder Heere zu finden hofile, und beson-
ders die Möglichkeit im Auge hatte, Motyke oder H}bla Heraes^ zu erreichen.
Dieser Rückzug hat in der Geschichte wenige seines Gleichen. Es war noch
immer eine Masse von 40000 Menschen, welche die feste Stellung verliess, die
ihnen so lange sichern Schutz gewährt hatte. Sie waren gekommen , um eine
fremde Stadt zu unterjochen, auf zwei Flotten, die das Erstaunen ihrer Gegner
erregten, und nun waren alle Schiffe verloren, und sie konnten nicht ^^issen,
ob sie auch nur das nackte Leben retten würden. Sie Hessen alles zurück,
was die Schnelligkeit der Bewegung hemmen musste, und trotzdem waren sie
belastet genug. Es fehlten nicht nur Transportmittel, wie Heere sie brauchen,
Wagen, Maulthiere — die zu Schiffe angekommenen Athei.er hatten dergleichen
nicht — es war auch die Zahl der einem griechischen Krieger nothwendigen
Zog zum akräischcn Felsen. 63
Gepäckträger durchaus ungenügend. So mussten die Athener zur Last der
Waffen auch noch die der unentbehrlichsten Vorräthe auf sich nehmen , und
wurden hierdurch um so weniger geeignet, während des Marsches zu kämpfen.
Noch trauriger wurde der Abschied vom Lager dadurch, dass sie hülflose
Kranke und Verwundete zurückliessen , deren ein trauriges Loos von den
Händen eines erbitterten Feindes harrte. Diese klammerten sich wehklagend
an die Fortgehenden und schleppten sich mit, bis sie endlich, von ihren
Klüften verlassen, jammernd zusammenbrachen. Unter solchen Umständi&n
thaten ermunternde Zureden noth, und Nikias, der selbst an schwerer Krank-
heit litt, raffle sich auf, um in dieser trostlosen Lage einige Hoffnung bei
den Soldaten wach zu halten. Bei den Seinigen hergehend, rief er ihnen zu,
schon aus schlimmerer Lage seien Heere gerettet worden. Die Götter wtlrden
sie jetzt hinlänglich gedemUthigt glauben; sie wären noch immer zahlreich
genug, sie möchten nur Ordnung halten , dann würden sie eine befreundete
sikelische Stadt erreichen. Eitler Trost!
Das Heer war in zwei, von Nikias und Demosthenes geführte Theile ge-
sondert, die in Vierecken, das Gepäck in der Mitte, marschiiten. Uro das
von Nikias angedeutete Endziel zu erreichen, gab es zwei Wege, einen directen
kürzeren und einen indirecten längeren. Jener führte sogleich nach Westen,
dieser zuerst nach Süden und dann erst nach Westen. Die Feldherren zogen
den ersteren vor. Unter diesen Umständen lag das nächste Ziel des Marsches
jenseits der Berge, deren blaue Linien am Horizonte schimmerten. Hatten die
Athener ihren oberen Rand erreicht, so waren sie auf dem Plateau des süd-
östlichen Siciliens, und es mussle den Syrakusanern schwer werden, ihren
weiteren Zug zu verhindern. Aber den ersehnten Punkt zu gewinnen, war
nicht leicht. Die Ersteigung des Plateaus konnte nur in einer der Schluchten
geschehen; welche zugleich als Wege für die Menschen und als Bett den Berg-
wassern dienten ; und bis zu diesen Schluchten und in denselben , wie viele
Gefahren warteten ihrer I Schon ehe man den Anapos erreichte, musste Nikias
seine Autorität anwenden, um Ordnung zu halten. Am Anapos traf man zu-
erst auf die Syrakusaner. Noch reichte die fiische Kraft der Athener hin, die
Gegner aus einander zu treiben, sie erzwangen den Uebergang. Nun begannen
aber die eigentlichen Leiden des Rückzugs. Selbst fast ohne Reiterei, wurden
sie von den Reitern und den laichten Truppen der Syrakusaner umschwärmt,
und nicht weniger als der Feind quälte sie die Hitze. Am Abend lagerten sie
auf einem Hügel , östlich von dem heutigen Floridia. Fortwährend zum Kampfe
genöthigt, hatten sie an diesem Tage nicht mehr als 40 Stadien — 4 deutsche
Meile — zurückgelegt. Am nächsten Tage wurde es noch schlimmer. Die
Athener brachen früh auf, zogen $0 Stadien weit, stets mit den Feinden
kämpfend, und lagerten dann in einer ebenen Gegend, wo einige Häuser
standen, um sich hier mit Lebensmitteln und besonders mit Wasser zu ver-
seifen, das sie auf den nun zu ersteigenden Höhen nicht so bald wiederzufin-
den erwarteten. Das nächste Ziel, nach dessen Erreichung sie sich sehnten,
war der akräische Fels, der, am Westende einer Schlucht gelegen, und selbst
von Schluchten eingefasst, den Anfang des Plateaus bezeichnete. Hatten sie
ihn hinter sich, so war unendlich viel gewonnen. Er war von den Syrakusa-
Q4 Viertes Buch. IX. Rückzug und Untergang der Athener.
nern besetzt. Als nun , um ihn zu erreichen , am andern Morgen — so mati
waren die Athener schon , dass sie sich am zweiten Tage mit einem Marsche
von einer halben deutschen Meile begnügen mussten*— als am andern Morgen,
also am dritten Marschtage, die Athener weiter zogen, da wurden sie auf
dem durch die Schlucht, welche jetzt Cava di Gulatrello heisst, nach dem
akräischen Felsen führenden Wege so heftig angegriffen , dass sie nach einem
langen Kampfe an der Möglichkeit, für jetzt hier vorwärts zu kommen, ver-
zagten und nach dem Lagerplatze, den sie in der vorigen Nacht inne gehabt
hatten, zurückkehrten. Hier befanden sie sich aber in einer noch schlimmerei»
Lage als zuvor. Sie konnten nicht einmal die nahen Wohnungen erreichei>
und begannen schon im Lager Noth zu leiden. Dennoch wiederholten sie den
so unglücklich abgelaufenen Versuch, zum akräiscben Felsen vorzudringen,
am vierten Marschtage noch einmal, und sie gelangten wirklich durch die
Schlucht bis an den Fuss des Berges, der den Anfang des rettenden Plateaus
bezeichnete. Aber auch nur bis an den Fuss. Vor sich sahen sie eine Ver—
schanzung, die, von einer Schlucht bis zur andern gebaut , den ganzen Weg
abschnitt, und hinter derselben das syrakusanische Heer, Massen von Schwer-
bewaffneten , mehrere Glieder tief aufgestellt. Sie konnten die Verschanzung
nicht erstürmen, Hessen ab vom Kampfe und zogen sich langsam zurück. Da
brach ein heftiges Gewitter aus, das den Athenern als ein Beweis des Zornes
der Gotter erschien. Wie sie nun still .standen, ohne recht zu wissen, was sie
thun 'Sollten , begann sich auch auf dem von Felswänden eingefassten Wege^
den sie herangezogen waren, eine Verschanzung zu erheben und es drohte
EinSchliessung von allen Seiten. Doch gelang es, diese Schanzen zu zerstören ;
sie erreichten die Ebene und schlugen hier ein Lager auf. Am nächsten Tage
— es war der fünfte ihres Marsches — rückten sie wieder vorwärts, nicht
auf demselben Wege, den sie zwei Tage umsonst eingeschlagen hatten, und
nicht wieder auf den akräischen Felsen zu , sondern in einer benachbarten
Schlucht, etwas weiter südlich. Aber die Syrakusaner umringten sie auch
hier und bedrängten sie so, dass sie nur 5 — 6 Stadien an dem ganzen Tage
vorwärts kamen. Dann mussten sie schon Halt machen und sich ausruhen^
worauf auch die Syrakusaner ein Lager aufschlugen. In der Nacht beriethen
Nikias und Demosthenes, was zu thun sei. Die Zahl der Verwundelen war
gross, und der Mangel an Lebensmitteln wurde immer empfindlicher. Die Ret-
tung musßte bald kommen, wenn sie überhaupt kommen sollte. Landeinwärt«
zu gelangen, war hier offenbar unmöglich, indess konnte man vielleicht auf
einem andern Wege doch noch den Syrakusanern entgehen. Diese bewachten
die auf das Bergland führenden Wege, aber mit bedeutenden Streitkräften
doch nur die nördlichsten. Wenn man aber jetzt wieder zum Meere zurück—
kehrte , eine Strecke weit an demselben nach Süden zog und dann in einem
von den Thälem der hier nach Osten strömenden Bäche hinanstieg, so konnte
man hoffen, einen weniger stark besetzten Punkt zu treffen und glücklich auf
das Plateau zu gelangen. Die Feldherren beschlossen, diesen Plan noch in
derselben Nacht auszuführen , und Hessen eine grosse Menge von Wachfeuem
anzünden, um die Syrakusaner glauben zu machen, dass sie an Ort und Stelle
geblieben seien. Doch gerieth bei diesem nächtlichen Abzüge das athenische
(jefangennahme der Abtbeitung des Demosthene^. 65
Heer in leicht erklärliche Verwirrung. Nikias, der voranzog, hielt noch einiger-
messen die Seinigen zusammen, aber die zweite, von Demosthene» geführte
Abtheilung löste sich in dem peinlichen Gefühl , dass sie die ersten seien, die
der Feind erreichen würde, fast gänzlich auf. Dennoch kam das athenische
Heer mit Tagesanbruch zum helorinischen Wege und marschirte hier nach
Süden weiter; es war der sechste Tag des Rückzugs. Man wollte an dem
nächsten grosseren Bache, dem Kakyparis, aufwärts ziehen; man dachte hier
die Sikeler, zu denen man geschickt hatte, zu treffen. Als man aber den Ka-
kyparis erreichte, fand man ihn von einer Abtheilung Syrakusaner besetzt und
die Furt verschanzt. Nikias besiegte sie und hätte nun im Thale emporklim-
men sollen; aber'er that es nicht, wie Thukydides sagt, auf den Rath der
wegekundigen Führer, die noch weiter in. der Ebene, nach dem nächsten
Flusse, dem Erineos, zu ziehen vorschlugen. Das Gefecht am Kakyparis war
nur vom Nikias geliefert worden, der dem Demosthenes und seiner Abtheilung
immer weiter vorauskam. Diese letztere hatte deshalb auch ganz allein den
ersten Angriff des syrakusanischen Hauptheeres zu bestehen , das die Athener
um Mittag einholte. Demosthenes, von Nikias durch eine Strecke von mehr als
einer deutschen Meile — 50 Stadien — getrennt, wurde bald vollständig von
Feinden eingeschlossen , und die syrakusanische Reiterei trieb Alle in einen
unordentlichen Haufen zusammen. An Weiterziehen war fttr's erste nicht zu
denken; man musste Stand halten und sich vertheidigen. Es entstand ein
verwirrter Kampf^ und da ganz in der Nähe ein ummauerter Baumgarten war,
das polyzelische Gehöft genannt, so stürzten die Truppen des Demosthenes,
ohne auf den Feldherrn zu hören, da hinein. Es war ihr Verderben. Sie
waren in einer Falle, aus der es kein Entrinnen gab. Die Syrakusaner hüteten
sich wohl, in den Garten einzudringen; sie beschränkten sich darauf, die
Feinde von allen Seiten mit Wurfgeschossen zu überschütten. Am Abend
riefen sie ihnen zu , die Bundesgenossen A^on den Inseln dürften den Garten
verlassen; sie sollten frei sein, wenn sie zu ihnen übergehen wollten. Nur
wenige Contingente machten sich diese Aufforderung zu Nutzen. Die meisten
blieben zurück, wahrscheinlich in der Ueberzeugung, dass eine gemeinschaft-
liche Capitulation vorzuziehen sei und noch erreicht werden könne. Bald
machten denn auch die Syrakusaner Vorschläge an alle in dem Garten Einge-
schlossenen, die bereitwillig angenommen wurden. Sie ergaben sich unter
der Bedingung, dass sie weder durch offene Gewalt, noch durch quälende
Fesseln, noch durch Entziehung der Lebensmittel getödtet werden sollten. Es
waren 6000 Mann, und das Geld, welches sie ablieferten, füllte vier Schilde.
Demosthenes selbst wollte sich nicht ergeben; er war im Begriff, sich zu
tödten , als die Syrakusaner sich seiner bemächtigten und ihn entwaffneten.
So fand das Versprechen der Schonung auf den Feldherrn keine Anwendung.
Die Gefangenen wurden sogleich nach der Stadt gebracht.
Diese Katastrophe, die nördlich vom Kakyparis stattfand, halte dem Nikias
gestattet, an diesem Tage weiter zu kommen, als ihm sonst möglich gewesen
wäre. Er gelangte bis über den Erineos und schlug jenseits desselben ein
Lager auf. Er hätte an ihm in die Höhe ziehen sollen. Er that es nicht.
Warum ? Das vermögen wir nicht zu entscheiden. Sollen wir annehmen, dass
Holm, Goech. Siciliens. II.
■••' 1
^ Viertes Buch. IX. Rückzog «nd Untergang der Athener.
es in der erusUich erwogenen Absicht geschah , slaU direoi auf das Hateau zu
klimmen, vielmehr möglichst weit nach Süden zuziehen und dano erst in's
Innere abzubiegen? Diese Erkllii^ung ist möglich, dennoch glaube ich nicbl an
sie. Ich glaube, dass die Athener, und vor allen Nikias selbst, durch die un-
säglichen Leiden des Marsches und des Kampfes in der liiUie schon so erschöpft
waren, dass sie, zu vernünftiger Ueberlegung unfähig, wie Trunkene vorwärts
taumelten, zufrieden, wenn sie nur weiter kamen, einerlei wohin. Wer ver-
mochte am Ende zu entscheiden , ob sie nicht ebenso gut gerettet wurden,
wenn sie nach Süden statt nach Westen weiter zogen, denn wer kannte so
genau das fremde Land? In der That werden wir sogleich sehen, dass auch
in dieser Richtung es nicht unmöglich war, sich zu retteif. Auch an diesem
Ta^ war die Strecke , die man zurücklegte , eine höchst unbedeutende, vom
Millas^ an kaum eine halbe deutsche Meile. Alle waren aufs äusserste er-
'schöpft. Am folgenden Moi^n, dem Morgen des siebenten Tages, erreich-
ten auch diese Schaar die Syrakusaner. Sie theilten dem Nikias mit, dass das
Heer <les Demosthenes sich ergeben habe , und forderten ihn auf, das Gleiche
zu thun. Nikias argwöhnte zunächst eine Täuschung und verlangte, sich von
der Wahrheit der Nachricht zu überzeugen. «Man bewilligte ihm einen Waffen-
stillstand , und ein athenischer Reiter, den er zurücksandte, brachte die Be-
stätigung der Unglücksbotschaft. Nun machte er den Syrakusanern den An-
ti'ag, die noch übrigen Athener nach Hause zurückkehren zu lassen, dafür
sollte dann Athen den Syrakusanern die Kriegskosten ersetzen, und-für jedes
Talent sollte, bis es bezahlt wäre, ein Athener als Geisel dienen. Die Syraku-
saner lehnten den Vorschlag ab und erneuerten den Angriff. So wuixle bis
zum Abend gekämpft. In der Nacht dachte Nikias aubsubreclien, um wieder
einen kleinen Vorsprung zu gewinnen, und die Athener hatten schon die Waf-
fen nufgenommen , da gfierkten die unfern lagetTKlen Syrakusaner ihre Absicht
und stimmten als Zeichen, dass sie auf der Hut seien, einen Kriegsgesang an.
Nun verloren die Athener den Muth und legten die Waffen ab ; nur 300 von
ihnen brachen sich Bahn durch die feindlichen Posten und entkamen in's Ge-
birge, wo sie aufs Gerathewohl umherirrten. Sobald es Tag wurde — der
achte des Marsches — zogen die Athener weiter, wie zuvor von den Syraku-
sanern umringt und angegriffen. Ihre Kräfte waren gänzlich aufgerieben.
Schon seit einigen Tagen hatten sie ihren Hunger nur unvollkommen stil-
len können. Die Hitze erzeugte den entsetzlichsten Durst, der nicht zu
löschen war; in der Nacht war an Schlaf nicht zu denken, und dabei waren
die meisten verwundet. Dennoch schleppten sie sich kämpfend vorwärts. Als
sie aber den nächsten Fluss, den Assinaros, vor sich sahen, da war ihr ganzes
Dichten und Trachten nur dahin gerichtet, ihn zu erreichen, um den martern-
den Durst zu stillen. Sie redeten sich ein, dass sie jenseits des Flusses weniger
von den syrakusanischen Reitern zu leiden haben würden. Sie stürzten sich
in der wildesten Unordnung in das Wasser. Von den Feinden bedrängt, ward
das Heer zu einem verworrenen Knäuel von Menschen , die sich satt trinken
und möglichst schnell an das andere Ufer kommen wollten. So wurden Viele
von ihren eigenen Gefährten niedergetreten; Viele verwickelten sich in die
Geräthschaften, die sie trugen und wurden vom Wasser hinweggerissen. Die
i>}iederlage des Nikias am AdsLnaros. Grösse der Niederlage der Athener. .^t
Syrakusaner waren vor ihnen am steilen jeAseiiigen Ufer und schössen von
da «,uf .die verwirrte fiCeuge ioi Fluss , und als sie gesehen hatten , dass die
Athener .niobt mehr im Stande waren, den Aufgang zu erzwingen, da stiegen
sie selbst in den Fluss hinab und mordeten dort die vor (Erschöpfung fast
wehrlosen Feinde , die vor ttbergrossem Durste sich an dem durch die Ken-
scheiunasse getrübten uud durch die Verwundeten und GeUklteten blutig gc-
wiopdenen Wasser nicht satt trinken konnten. Wer aber an^s Ufer gelangte,
wurde von den Reitern .niedergemacht. Da liess Nikias, der alles verloren sah,
sieh sum Gylippos führen , dem er als einem I^keditmonier sich lieber anver-
traute als den %rakusan6i*n , und ergab sich ihm auf Gnade .und Ungnade
unter der .einzigen Bedingung, dass dem Morden Einhalt gelhan wjerde. Gy-
lippos gab sogleich Befehl, die noch Uebrigen zu Gefangenen zu machen, aber
die Zahl derer, die so zusammenkamen, war nicht gross, da Viele gefallen
waren und Manche Zufluchtsörter gefunden hatten, von wo aus sie später be-
freundete Städte erreichten. Nach der,Gapitnlation des >iikia$ schickte Gylip-
pos eiqe Abtheilung der SeioigQn .zur Verfolgung der in der ^[aebt entkomme-
nen 300 Athener au^; sie wurden bald als Gefa^ngene eingebracht. Die
Ges^mmtzahl der Gefangenen betriig, vyie sich später herausstellte, ungefähr
7000 , und da mit Demosthenes sich 6000 Mßnn ergeben hatten , so sind mil
Nikias kaum 1000 gelangen genommen woj;den. Soweit waren in 8 Tagen
die ,40,000 Mann zusammengeschmolzen, die das Lager vor Syrakus verlassen
hatten ! Täglich sind Taus^nde gefallen , aus Mattigkeit liegen geblieben oder
einzeln entlaufen; zuletzt auch noch Manche der gemeinsamen Beule ent-
zogen worden. Wer die Gegend kannte, musste übrigens sagen, dass das
Verderben die Athener nicht gar weit von dem Punkte erreichte , wo sie ge-
rettet werden. konnten. .Kamen sie ein paar Meilen weiter, so überschritten sie
den Heloros, und dann waren sie im Gebiete der südlichen .Sikeler; es war
nicht unmügUcb, dass sie Motyke erreichten. Ja, hätten sie gleich anfangs
diesen Weg. eingeschlagen, statt an den akräischen Felsen Zeit und Kraft zu
verschwenden, so wären wohl noch Tausende von ihnen dem Verderben ent-
ronnen. So wurden fast nur die wenigen Reiter gerettet, die nach'Katane ent-
kamen. Aber ihr Anführer Kallistratos hielt solche Rettung für eine Schande;
er ki^hrte, nachdem er seine Schaar in Sicherheit gebracht, selbst nach dem
athenischen Lager bei Syrakus zurück .und fiel dort im Kampfe. Das war der
Ausgang des ungeheuren Unternehmens des atbeniscben Volkes. Es hat über
SOO Kriegsschiffe und m^hr als 60,000 Mann in die ferne Insel geschickt, und
kein Schiff nnd wenige Menschen kehrten ip die Heimath zurück.
Das Unglück der Athener in Sicilien steht fast beispiellos in der Geschichte
da. in dem Feldzuge der Franzosen moh ;Rus8li(nd betrug die Anzahl der
SQldßt^n d^j^nigen Corps, die die Hauptarmee bildeten, etwa 500,000 Mann;
von diesen fanden $ich im Januar 4843 etwa 20,000 hinter der Weichsel zu-
sammen. Das ist ungefähr dasselbe Verhältniss des Verlustes wie bei den
Athenern in Sicjlien. Wenn wir jedoch nur den Rückzug in fietra^cbt ziehen,
der überdies in dem einen wichtigen Punkte dem der Athener analog ist, dass
bei beiden der ursprüngliche Plan geändert werden muss •— was für JNikias
der akri^ische Fels , das ist für Napoleon Malojarosiawetz — so gestaltet sich
5*
68 Viertes Bach. IX. Rückzug und Gntergang der Athener.
der Vergleich viel ungünstiger fOr die Athener. Als die Franzosen am
48. Oktober Moskau verliessen, waren sie kaum 400,000 Mann stark; Anfang
December waren die geringen Ueberreste in Sicherheil. Der Rücksug dauerte
etwa 6 Wochen und kostete vier Fünftel des Heeres; in Sicilien wurden
40,000 Mann in 8 Tagen vollständig aufgerieben. Das verhältnissmSssig
grössere Unglück in Sidlten war bei den ungefähr gleich anzuschlagenden
klimatischen Einflüssen eine Folge erstens der ungleichartigeren Zusam-
mensetzung des athenischen Heeres, in welchem überdies die athenischen
Bürger , wenngleich tapfer, dennoch nicht dieselbe Fähigkeit im Ertragen von
Strapazen hatten , wie Berufssoldaten , sodann der Untüchtigkeit des obersten
Feldherm , der bei dem Rückzug zwar persönlich seine Schuldigkeit that, wie
ein gewöhnlicher Krieger, aber die Möglichkeiten, in's Innere zu kommen,
nicht gehörig benutzt bat, endlich aber auch der besseren Dispositionen der
Syrakusaner im Vergleich mit denen der Russen. Denn es hat doch nur an den
russischen Feldherren gelegen, dass die Beresina kein Assinaros wurde.
Es kam in Syrakus zu stürmischen Verbandlungen über das Schicksal der
beidon Feldherren, die lebend in die Hände ihrer Feinde gefallen waren, und
gegen die die Syrakusaner keinerlei Verpflichtungen hatten. Wir folgen der
Naohricht' des Thukydides, welcher berichtet, dass Gylippos sie gerne ver-
schont hatte , um sie nach Sparta zu bringen , dass aber die Wuth der Syra-
kusaner ihren Tod verlangte und durchsetzte. Wohl wäre es für Spartaks
Bürger eine grosse Freude gewesen , den Athener, der vor Allen ihr Unglück
in Pylps und Sphakteria verursacht hatte, als Gefangenen in ihrer Mitte zu
sehen, wogegen die Rettung des Nikias einem Spartaner deswegen am Herzen
liegen konnte , weil dieser Mann sich immer , so weit es für einen Athener
möglich war , als Freund Sparta's gezeigt hatte. Aber bei den Syrakusanern
und ihren Verbündeten mussten ganz andere Rücksichten überwiegen. Unter
den ersteren betrieben gerade die , welche während des Krieges mit Nikias in
Verbindung gewesen waren, mit besonderem Eifer seine Hinrichtung, aus
Furcht, er möchte durch seine Angaben auch sie in's Verderben reissen,
während unter den griechischen Verbündeten, zumal den Korinthem, die Be-
sorgniss herrschte, er könne durch seinen Reichthum Mittel und Wege finden,
aus der Gefangenschaft zu entkommen , und so drangen auch sie auf den Tod
dei' beiden Feldherren. Hermokrates dagegen hat sich bemüht, sie zu retten:
als er sah , dass sie nicht zu retten seien , hat er ihnen Nachricht von dem
über sie Beschlossenen gegeben und zugleich die Mittel, durch eigene Hand
zu sterben. Ihre Leichname wurden vor den Thoren der Stadt zur Schau
gestellt.
Der Masse des athenischen Heeres harrte ein noch traurigeres Loos. Die
Syrakusaner durften sie weder durch ofFene Gewalt, noch durch qualende
Fesseln, noch durch Hunger tödten; das hatten sie versprochen. Aber es
sollte ihnen darum nicht besser gehen. Sie brachten sie in die Latomien, jene
Steinbrüche , die jetzt mit ihrer üppigen Vegetation dem Wanderer wie eine
erfrischende Oase erscheinen, damals aber als kahle Abgründe für so viele
Tausende monatelang ein schauerlicher Aufenthalt waren. Hier mussten die
Armen leben, allen Unbilden der Witterung ohne den geringsten Schutz aus-
Grausame Behandlung der Gefangenen. 69
gesetzt. Anfangs quälte sie der Sonnenbrand und die erstickende Hitze des
Tages, und später, bei vorgerückterer Jahreszeit , ebenso sehr die Kälte der
Nacht. Das geringe Mass der Nabrungsuiittel , das ihnen die wenig grossmU-
thigen Syrakusaner bew illigten — täglich eine Kotyle Wasser und zwei Koty-
len Weizenbrod, etwa der vierte Theil dessen, was die Gefangenen auf
Spbakteria erhalten hatten — uiussle auch dazu beitragen, ihnen die Kräfte
zu rauben. Der Raum war so eng für die dort zusammengedrängten Tau-
sende, dass für die Verrichtung der not h wendigsten Bedürfnisse kein geson-
derter Platz sich finden liess und in der Hitze des Herbstes bald der uner-
träglichste Gestank die Steinbrüche erfüllte. Ja, die Syrakusaner trugen nicht
einmal Sorge, die Todten zu entfernen, und doch starben Viele, theils an ihren
Wunden, Iheils an Seuchen, die der Ort erzeugte. Die Leichen wurden über
einander gehäuft und verpesteten die Luft. Ungefähr 70 Tage Hessen die Sy-
rakusaner die ganze Masse der Gefangenen in den Steinbrüchen, und das Volk
ging häufig hin, um sich am Anblick der wie wilde Thierc in eine Grube ge-
sperrten Feinde zu weiden. Endlich wurde das Elend selbst ihnen unerträg-
lich; vielleicht fürchteten sie auch, dass diese Todeshöhlen Pestquellen für
ihre Stadt werden möchten. Sie entfernten die, gegen welche sie am wenig-
sten Hass hegten, d. h. Alle, ausser den Athenern und den wenigen Italiolen
und Sikelioten, und verkauften sie als Sklaven an Privatleute. Die Athener
aber und die aus italischen und sicilischen Städten Gebürtigen behielten sie
noch fast sechs Monate in den Steinbrüchen; was dann aus ihnen wurde, ist
nicht berichtet; natürlich haben sie die Gefangenschaft mit der Sklaverei ver-
tauscht. Die zu Sklaven gewordenen erhielten das Zeichen eines Pferdes auf
die Stirn gebrannt. Später aber hatten Manche von ihnen ein besseres
Schicksal. Das Mitleid mit ihrem Unglück und die Achtung vor der den Athe-
nern ganz besonders eigenen Bildung verschaßte ihnen eine bessere Behand-
lung und Einigen Siogar die Freiheit. Manche, von den Familien , in deren
Dienst sie getreten waren , freundlich aufgenommen, entschlossen sich dazu,
für immer in Sicilien zu bleiben. Vor allem soll die Kenntniss der Dichtungen
des Euripides manchem Athener Rettung gebracht haben. Er war bei den
sicilischen Griechen ausserordentlich beliebt, und es heisst, dass Athener die
Freiheit erhielten zum Dank dafür, dass sie ihre Herren eunpideische Chor-
gesänge lehrten, und dass andere auf der Flucht, im Begriff zu verschmach-
ten , von den Bewohnern der Häuser, in denen sie vorsprachen, für den Vor-
trag solcher Gesänge mit Speise und Trank erquickt wurden. Eutipidcs selbst
ward später in Athen von den so Geretteten als Retter begrüsst. Man hat diese
Nachricht angezweifelt; wir sehen nicht ein, weshalb. Uneigennützige Be-
geisterung für Kunst und Poesie ist im Alterthum nicht selten gewesen, und
wenn der Geschichtschreiber Siciliens so viele Härte, so viele von Griechen
gegen Griechen verübte Grausamkeiten erzählen muss, warum soll er den
kleinen Beweis von Humanität, der keineswegs unglaublich ist, als unwahr-
scheinlich verwerfen? Wenn wir noch hinzufügen, dass nach der bald in
Athen von denen , welche an der sicilischen Expedition Theil genommen hat-
ten, und über deren Schicksal keine bestimmten Nachrichten nach Hause ge-
langt waren, gebräuchlich gewordenen Redensart: Er ist todt oder Lehrer in
70 Viertes Buch. IX. RUckzbg und Untergang der Athener.
SiciJicn, die athenische Bildung in ausgedehhler Weise den unglttcklicbeh
Opfern des Krieges , die mit dem Leben davongekommen waren , iht hartes
Loos erleichterte, so haben wir alles milgethöilt, was von den Schicksalen der
Ueberbleibsel dieses Zuges bekannt ist.
Der Jubel der Syrakusaner war gross und durfte es sein. Was sie gethaii
hatten , war nicht gering anzuschlagen. Die erste Seemacht der bekaünton
Welt hatten sie auf ihrem Elemente besiegt; sie hatten die Unabhängigkeit
ihrer Stadt und damit der ganzen Insel gerettet. Allerdings w^ai^ es nicht ohne
Gylippos Erreicht , aber mit einem feigen und kraftlosen Volke hätte auch ein
Gylippos nicht die Athener überwunden. Gleich bei der Niederlage des Nikias
hatten die Syrakusaner die Bäume am Flusse Assinaros mit Rustungeh der
gefangenen Athener behängt, nun wurde beschlossen , dass der tag, an wel-
chem dieser Sieg erfochten war, der zwanzigste des Monats Kameios, nach
gewöhnlicher Annahme der fC, richtiger: ein Tag zwischen dem 4S. und
it. September 413 v. Chr., als Siegesfest unter dem Naiven Assinaria jähr-
lich gefeiert werden sollte.
Es ist ein nutzloses und verfehltes Bemühen, beim Misslingen einer
grossen geschichtlichen Unternehmung sich in Betrachtungen darüber zu er-
gehen, was geschehen wäre, wenn sie Erfolg gehabt hätte. So wollen Wir es
denn unbesprochen lassen, wie viel von ihren phantastischen PHtn^n die
Athener nach der Eroberung von Syrakus hätten verwirklichen köhn^M , i!ind
nur drei Punkte hervorheben , die sich auf Syrakus , auf deh Westen und auf
die Griechenwclt Überhaupt böziehen. Zunächst dürfen Wir mit ßestimmiheit
aussprechen, dass der Sieg der Athener Niemandehi, v^^dfer Siege^h noch Be-
siegten , Segen gebracht haben wür^ä , und dass ihre Niederlagö e'ink wohl-
verdiente war. Wer konnte Sympathien für den Versuch einer Demok^ati6
hegen, die hicht etwa eine Aristokratie oder Despotie, sondern eine andere
Demokratie in stürzcti und zu unterwerfen bemüht ist, blossi um einer tinter-
thänigeh Stadt tnehr zu gebieten. Später hat Bom überall das durchgeführt,
was Athen nicht gelang, aber wir brauchen hiei* nicht auselnanderzusötien,
wie viel geeigneter der conservative Charakter der römischen Politik ^ar, eine
Weltherrschaft vorzubereiten, als der ewig unruhige der athenischen. Freilich
hatte die syrakusanische Freiheit trotzdem keine lange Dauer, &s ist aber nicht
zu bezweifeln , dass selbst die Tyrannei der Dionyse den Bewohnfem von Sy-
rakus als eine einheimische Herrschaft lieber war, als die Zwingherrschdfl
Athien's. Zweitens ist klar, dasiä die Eroberung von Syrakus durch die Athener
in alleti interhationalen Beziehungen des Westens eine ungeheure Veränderung
hervorgebracht haben würde. Etrusker und Karlhager auf der einten Seile-,
Syrakusaner auf der andern, das war, wie wir gesehen haben, die Grüppi-
rung der Seemächte. Der Kampf Athen's gegen Syrakus fand nicht ohtae eine,
wenngleich schwache Theilnabme Etrurichs und mit halber Billigung Kartha-
gers statt. Das siegreiche At&en hätte anfangs Etrurien und Karthago Mi
Freunden gehabt, aber wie lange? Bald hätte die Mächt dei' Verhälthiäse den
Wettstreit dieser Mächte mit Svrakus auf die neue Besitzerin der Stadt über-
tragen. Und wer wird glauben, dnss Syrakus und Sicllien als athetii&ches üb-
tehhanenland besser den Karthagern widerstanden habeü wtirden ^Is Diohyi?
Bedeutung der Niederlage. Fassung der Athener. 71
Aber noch zu einer anderen Betrachtung giebt die sicilische Expedition
und ihr Ausgang Veranlassung, einer Beiraohtung, die wenigstens kurz ange-
deutet werden soll. Es sind zwei grosse Kreise, in welche die gesammte
Griechenwelt zerfällt: Ostgriech^nland und Westgriechenland. Jenes ist das
eigentliche Griechenland, das, um das agäische Meer gelagert, der Geschichte
die erhabenen Gestalien eines Homer und Sophokles , eines Phidias und Ue-
rodol , das politische Kunstwerk der spartanischen Verfassung und das lehr-
reiche Getreibe des athenischen Demos geliefert hat. Hinter ihm sieht West-
griechenland mit seinen herrlichen Handelsstädten, mit seinen Philosophen und
Gesetzgebern und seinen Tyrannen, mit den ehrwürdigen Denkmälern einer
grossariigen Architeciur und den Meisterwerken in manch anderer Kunst-
Ubung. In jedem der beiden Kreise herrschen enge Beziehungen bald freund-
lieber, bald feindlicher Art. Jedes bildet ein Ganzes für sich. Aber zu einem
einzigen Ganzen haben sich die beiden nie verschmolzen, auch nicht fUr einen
Augenblick. Der athenische Feldzug ist der einzige Versuch dazu, und sein
Misslingen entscheidet die Sonderung der beiden Kreise. Nur damals, wenn
überhaupt, konnte diese Vereinigung gelingen. Athen allein war durch seine
Anlage fähig, sie zu vollziehen , und Athen war damals auf der Höhe seiner
Macht. So ist das Scheitern der athenischen Expedition nach Sicilieu ein
weltgeschichtliches Factum von der allergrössten Bedeutung.
Dass in der besiegten Stadt die ungeheuerste Bestürzung über das
schreckliche Unglück ausbrach, versteht sich von selbst. Wie hatten die
Athener auch ahnen können, dass von einer Flotte von mehr als 100 Schiffen
und einem Heere von 40,000 Mann in einer einzigen Woche nichts mehr übrig
sein ^"ürde? Den ersten, die die Niederlage meldeten, glaubte man nicht; als
an der Wahrheit der Berichte nicht mehr zu zweifeln war, zeigte das Volk
Fassung und ehrte die in Sicilien gefallenen Bürger , neben denen auch die
mit Athen stets eng verbundenen Platäer nicht vergessen wurden, durch eine
Denksäule, auf der jedoch der Name des Nikias fehlte, wie es heisst, weil er
durch seine freivvillige Ergebung eine eines Soldaten unwürdige Handlung be-
gangen habe. Aber er hatte ja dadurch einer grossen Anzahl von Athenern
das Leben gerettet, und so müssen wir sagen, dass er vielmehr wegen seiner
gesammten Leitung des Unternehmens, besonders seit der Rückzug nothwen-
dig geworden war, diese Schande erlitten hat, als wegen seiner Capitulation.
Wenn die Athener nach dem verfehlten Angriff des Demosthenes auf Epipolae,
wie dieser Feldherr wollte, den Rückzug angetreten hätten, so wäre der Stadt
Athen ein Heer und eine Flotte erhalten worden, die sie nun schmerzlich
vermisste.
.^^jr^T
72 Viertes Buch. X. Die Sikelioten in Asien.
Zehntes Kapitel.
Die Sikelioten in Asien.
Mit der voUsiändigen Niederlage des athenischen Heeres auf Sicilien war
der Krieg zwischen den beiden Städten nicht beendigt. In ganz Griechenland
herrschte die Ansicht, dass dieser Schlag Athen vernichten müsse, und als
nun alle Feinde der bis dahin so mächtigen Stadt die Gelegenheit benutzten,
ihr mit vereinten Kräften den Todesstoss zu versetzen , da durfte Syrakus am
wenigsten zurückbleiben. Es musste zeigen, dass, wenn Athen umsonst ver-
sucht hatte, auf Sicilien Einfluss zu gewinnen, die Sicilier ihrerseits Griedien-
lands Geschicke bestimmen konnten. Der Schauplatz des erneuerten Kampfes
war hauptsächlich die kleinasiatische Küste und die dieser Küste zunächst
liegenden Inseln. Hier waren reiche und mächtige Städte, die der athenischen
Bundesgenossenschaft angehörten , und die zum Abfall zu bringen von höch-
ster Wichtigkeit war. Alkibiades war es, der den Lakedämoniem diesen Weg
wies. Nun fiel das Interesse der Lakedämonier hier mit dem der Perser zu-
sammen, die nach dem Besitz der ionischen Städte tracliteten. Deshalb war
schnell ein Einverständniss zwischen Sparta und den persischen Satrapen des
nordwestlichen Kleinasiens, Tissaphernes und Pharnabazos, angeknüpft, wobei
Alkibiades eine wichtige Rolle spielte. Es folgten Schlag auf Schlag Ereignisse,
welche die Hoffnungen der Spartaner vollständig zu erfüllen schienen. Ghios,
die wichtigste Verbündete Athen's im Osten, fiel ab, und schnell folgten Ery-
thrae, Klazomenae, Milet, Lesbos. Athen aber war nicht unthätig. Lesbosward
wieder genommen (412 v. Chr.), Samos blieb der Mittelpunkt der athenischen
Macht, und als eine neue Flotte von 48 Schiffen unter Phrynichos, Onomakles
und Skironides an der asiatischen Küste erschien, wurde von der Besatzung der-
selben sogar ein Versuch auf Milet gemacht, und die Athener drangen siegreich
bis zu den Mauern dieser Stadt vor. Da traf am Abend des Tages, an wel-
ehern die Schlacht vor Milet stattgefunden hatte , die Nachricht ein , dass eine
neue dorische Flotte, 55 Segel stark, nahe sei, und die Athener verliessen
noch in derselben Nacht ihre Stellungen. In dieser dorischen Flotte befanden
sich ausser 33 peloponnesischen Schiffen auch 22 sicilische, von denen Syra-
kus 20, Selinus 2 gestellt hatte und deren Anführer Hermokrates war, auf
dessen dringendes Betreiben sich die Syrak usaner zu dieser fernen Expedition
entschlossen halten. Wenn die Verbündelen nicht so viel ausrichteten, als sie
erwartet haben mochten, so lag die Schuld theil weise an der lakedämonischen
i'ührung, die durch eigene Unfähigkeil und durch die Intriguen des Alkibiades
und Tissaphernes nicht im Stande war, etwas Gedeihliches für die dorischen
Interessen zu ieislen. Uebrigens that das sicilische Conlingent seine Schuldig-
keit und seine Anführer mehr als das. Darin liegt für uns das Hauptinteresse
dieses Krieges, den wir nur ganz kurz besprechen können, da er Sicilien selbst
wenig angeht.
Zunächst wurde lasos erobert, wobei sich die Syrakusaner besonders
auszeichneten; dann trat schon ein Stillstand ein. Tissaphernes, der ver>
1
Hermokrates und Tissapharnes. 73
heissen hatte, j^dem von dem Schiffsvolk taglich eine attische Drachme
auszahlen zu lassen , that dies nur einen Monat lang und erklärte dann,
von nun an nur die Hälfte , 3 Obole , geben« zu können , bis nicht der per-
sische König selbst in die Auszahlung einer Drachme gewilligt habe. Dies
war ein Vertragsbruch, zu welchem Alkibiades die Veranlassung gegeben
hatte, der den Spartanern verdächtig geworden , sich nun desto enger an den •
persischen Satrapen anschloss. Er gab ihm den Rath, sich durch Bestechung des
Einverständnisses der verschiedenen Befehlshaber der dorischen Contingenle
zu versichern, und es heisst, dass es ihm bei allen gelang , mit einziger Aus-
nahme des Hermokrates, der die Sache sämmtlicher Bundesgenossen oSen zur
seinigen machte. Er sprach, wie der Lakedämonier hätte sprechen sollen,
und setzte wenigstens soviel durch , dass Tissaphernes sich zur Zahlung von
3 Talenten monatlichen Soldes an je 5 Schiffe verstand, was immer noch
nicht i Obole für den Mann ausmachte. Astyochos, der bald als Oberbe-
fehlshaber eintraf, trat ebenso wenig kräftig gegen Tissaphernes auf; es
hiess, dass auch er bestochen sei. So geschah denn auch nichts bedeutendes,
obgleich den Peloponnesiern nach einiger Zeit noch eine Hülfsflotte aus Westen
zukam, 10 Kriegsschiffe aus Thurii unter der Anführung des Rhodiers Dorieus^
ein lakonisches Schiff und ein syrakusanisches, im Ganzen \2 Schiffe, von de-. ,
nen aber bald die Athener die Hälfte genommen hatten. Offenbar war wirklich
die nach einigen glänzenden Erfolgen — auch Rhodos wurde genommen —
bei der peloponnesischen Flotte eintretende Thatlosigkeit der Verrätherei der
obersten Feldherren zuzuschreiben. Auch im Jahre 414 geschah zuerst wenig.
Während in Athen die oligarchische Faction der Vierhundert sich der Herr-
schaft bemächtigte und in Samos eine demokratische Gegenrevolution zum
Ausbruch kam, an welche sich auch Alkibiades anschloss, war die peloponne-
sische Flotte unthätig. Tissaphernes verzögerte fortwährend die Ausführung
seines Versprechens, eine phönicische Hülfsflotte berbeizuziehen, und Astyo-
chos wurde von seinem eigenen Heere beschuldigt, stets den rechten Augen-
blick zur Seeschlacht zu versäumen. Am unwilligsten über die UnU)ätigkeit
waren die Syrakusaner, die freilich auch aus der grössten Entfernung herbei-
gekommen waren. Endlich ging Astyochos nach Samos, kehrte aber, als er
hörte , dass eine athenische Flotte vom Hellespont angelangt sei , mit seinen
112 Schiffen wieder nach Milet zurück. Nun fuhren die Athener mit 108
Schiffen nach Milet, und der Spartaner wagte auch hier nicht, den Kampf an-
zunehmen. In Folge davon kam es auf der lakedämonischen Flotte zu einem
Aufruhr. Am unruhigsten waren die Thurier und Syrakusaner, grösstentheils
freie Männer , während sich auf den peloponnesischen Schiffen viele Sklaven
iKifanden. Sie forderten den rückständigen Lohn. Astyochos antwortete hoch-
fahrend, und als Dorieus sich der Sache seiner Leute annahm, erhob er gegen
ihn den Stock. Das war mehr, als die Seeleute ertragen konnten, sie fielen
über den Oberbefehlshaber her und hätten ihn erschlagen, wenn er sich nicht
an einen Altar gerettet hätte. Ebenso waren die Syrakusaner unter der Op-
position gegen die spartanische Führung, als die Milesier ein Kastell des Tis-
saphernes in ihrer Stadt erobert hatten und deswegen von den Spartanern
getadelt wurden.
* 74 Viertes Buch. X. Die Sikelioten in Asien.
Bei diesem für die Peioponnesier wenig erfreulichen Stand der Dinge kam
von Sparta Mmdaros an Stelle des Astyochos. Nun gingen milesische Gesandte
nach Sparta, um sich über Tissaphernes zw beklagen, und Hermokrates schloss
sich ihnen an. Er wollte den Spartanern vorstellen, dass Tissaphernes es sei,
der durch sein verrUtherisches , von Alkibtades eingegebenes Schwanken zwi-
« schon Sparta und Athen alte Schuld des bisherigen geringen Erfolges in Klein-
asien trage. Dem entgegen schickte auch Tissaphernes einen besonderen
Gesandten nach Sparta , den Karier Gauiites. Wie viel Hermokrates ausrich-
tete, wissen wir nicht; Thatsache ist, dass die peloponnesische Flotte sich
bald darauf aus dem Gebiete des Tissaphernes nach dem des Phamabazos
begab, um dort den Krieg kräftiger zu führen. Es ist möglich, dass die Vor-
stellungen des Hermokrates nicht ganz ohne Einfluss bJerauC geblieben sind;
wenigstens fasste Tissaphernes einen dauernden Hass gegen den Syrakusaner
tind verfolgte ihn auch später, als Hermokrates aus seiner Vaterstadt verbannt
war, mit der offenbar lügnerischen Beschuldigung, seine Feindschaft gegen
ihn rühre daher, dass er Geld von ihm verlangt, aber nicht erhalten habe.
Im Juli des Jahres 41 i vor Chr. ging Mindaros nach dem Hellespont, ver-
einigte seine Flotte mit dem kleinen dort befindlichen peloponnesischen Ge-
schwader und entschtoss sich, mit seinen 88 Schiffen eine Seeschlacht gegen
die 76 Segel starke athenische Flotte des Thrasylos und Thrasybulos zu lie-
fern. Bei Kynossema, an der europäischen Küste, siegten die Athener. Der
. Sieg war von Bedeutung für sie als der erste Erfolg nach der grossen sicili-
liscben Niederlage, ihr materieller Gewinn aber war sehr gering. Sie verloren
selbst 1 5 Schiffe und nahmen nur 24 feindliche , unter ihnen auch eins der
Syrakusaner, die sich tapfer geschlagen hatten. Sie brachten sie nach dem
Orte Elaeus, wo die unbrauchbar gewordenen von den Einwohnern verbrannt
wurden ; die übrigen erbeuteten die Peloponnesier nach kurzer Zeit wieder.
Gegen Ende des Jahres 411 ward in derselben Gegend, bei Dardanos, noch
eine Schlacht geliefert, in welcher die Peloponnesier ebenfalls besiegt wur-
den; die Hauptentscheidung für die nächste Zeit gab aber erst im Jahr 440
die Seeschlacht von Kyzikos, Jn der Mindaros ßel und die ganze peloponne-
sische Flotte genommen ward , mit einziger Ausnahme der syrakusanlschen
Schiffe, die von ihren Befehlshabern verbrannt wurden. Nun geriethen zwar Ky-
zikos und einige andere Orte in die Gewalt der Athener, denen der glänzende
' Sieg grosse Zuversicht verlieh, da aber die Mannschaft der Schiffe und das Heer
gerettet waren, so war der Nutzen, den der Sieg brachte, nicht so bedeutend,
zumal da Phamabazos sein Möglichstes that, um den Peloponnesiem zu helfm.
Er unterstützte sie mit Geld und Kleidern, forderte die Befehlshaber der Gon-
tir^gente auf, sich neue Kriegsschiffe durch die Mannschaft in Antandros bauen
zu lassen und gab ihnen Geld dazu und Holz vom Ida. Auch bei dieser Gele-
genheit zeichneten sich die Syrakusaner aus; sie wussten sich mit den Bür-
gern von Antandros in das beste Einvernehmen zu setzen und halfen ihnen
bei dem Bau ihrer Stadtmauern, und da Phamabazos alle Contingente nun als
Besatzung der Küste und der Küstenstädte gebrauchte , erwarben sieb auch
hierbei die Syrakusaner die meiste Anerkennung, so dass die Antandrier
ihnen das Bürgerrecht verliehen. So hatten die Syrakusaner überall Ehre ein-
Absetzung und Verbannung des Hernookrates. 75
{gelegt und tfermokrales selbst sich als einen Mann von grosser Rechtlichkeit
bewiesen. Dennoch fandet) er und seine Milfeldberren keine Anerkennung in
Syrakus. Seine Partei wurde in seiner Abwesenheit gestürzt und er und seine
Collegen verbanfti. Beim Empfange dieser Nachricht riefen die Feldherren ihre
Mannschaft zusammen, theilten ihnen den Beschluss mit und forderten sie auf,
sich andere Anführer für die 2{eit bis zur Ankunft der aus Syrakus eintreffen-
den zu erwählen. Die ^Versammlung rief einstimmig, sie selbst sollteh den
Oberbefehl fortführen. Hermokrates erwiderte, man solle sich ja vor Unge-
horsam gegen die Befehle der Stadt hüten , und bat Alle, welche eine Anklage
gegen sie vorzubringen wüsstefi , hervorzutreten ; sie wollten sich rechtferti-
gen. Niemand erhob sich; Alle wiederholten ihre Bitte; Hermokrates und
seine Collegen behielten deshalb den Befehl, bis die neuernannten Feldherren,
Dcmarchos, Myskon und Potamis, angelangt waren. Sie benutzten die kura^e
Frist, um sich besonders mit den Trierarchen im besten Einvernehmen zu
erhalten , von denen die meisten ihnen versprachen, in Syrakus nach Kräften
für ihre Zurückberufung zu wirken. Hermokrates war schon bisher im Lager
wegen seiner Leutseligkeit beliebt ge weisen. Er pflegte die angesehensten
unter den Trierarchen , Steuerleuten und Soldaten jeden Morgen und joden
Abend um sich zu versammeln und ihnen im Voraus mitzutheilen, was er zu
t^un und zu sagen gedachte, wobei er ihnen anzugeben pflegte, was er von
ihnen erwarte, und es ist natürlich, dass er auf diese Weise stets die Mehr-
zahl für sich hatte. In Milet fand die Uebergabe des Oberbefehls an die drei
neuen Feldherren statt. Hermokrates selbst traf nicht mehr mit ihnen zusam-
men; er begab sich kurz vor ihrer Ankunft zum Pharnabazos, der ihn freund-
lich aufnahm und mit Geld unterstützte , wofür er Schiffe kaufte und Söldner
miethete, um mit ihnen, wenn andere Miltel nicht ausreichten ^ seine Rück-
kehr nach Syrakus zu erzwingen.
Der Krieg wurde indessen von den Athenern und Peloponnesiern eifrig
fortgesetzt. An der Spitze einer bedeutenden Flotte ging Thrasylos nach
Asien ab. Nach einem kurzen Aufenthalte in Samos bemächtigte er sich
Kolophon's und wandte sich von da gegen Ephesos, zu dessen Schutz das
sicilische Gontingent kräftig mitwirkte, welches aus den neugebauten 22 Schiflen
und 5 neu hinzugekommenen syrakusanischen, unter Eukles und Herakleides,
bestand. Thrasylos wurde geschlagen und musste sich mit Verlust einschiffen.
Ganz besonders hatten sich auch diesmal wieder die Syrakusaner und Seli-
nuntier ausgezeichnet, die deshalb von den Ephesern vorzugsweise geehrt
wurden. Sie begnügten sich nicht damit, ihnen Geschenke zu machen, sie
bewilligten denen unter ihnen, die sich in Ephesos niederlassen wollten,
Steuerfreiheit, und als sie später hörten, dass die Selinuntier durch die Kar-
thager hei mathlos geworden waren, beschenkten sie sie mit dem ephesischen
Bürgerrechte. Auf ihrer Fahrt nach dem Hellespont gelang den Athenern in-
dess ein nicht unbedeutender Fang. Als sie in Methymna vor Anker lagen,
sahen sie die 25 syrakusanischen Schiffe in nördlicher Richtung vorbeifahren.
Schnell verfolgten sie sie und nahmen vier mit der darauf befindlichen Mann-
schaft; die übrigen kehrten noch zeitig genug um, um Ephesos zu erreichen.
Auf einem dieser Schiffe befand sich der gleichnamige Vetler des beiilhmten
1
76 Viertes Bach. X. Die Sikelioten in Asien.
Alkibiades, der mit ihm in die Verbannung gegangen und den Peloponnesiern
treu geblieben war; ihn licss Thrasylos steinigen. Die Syrakusaner aber
wurden als Gefangene nach Athen geschickt; man sperrte sie, zur Vergeltung
fUrdas, was den Athenern in Syrakus widerfahren war, in , die Steinbrüche
des Piraeus, von wo es ihnen indcss im nächsten Winter gelang, sich zu be-
freien. Sie gruben sich einen unterirdischen Weg, durch den sie zur Nachtzeit
in's Freie kamen. Einige von ihnen erreichten Dekeleia, Andere Megara.
Später hören wir nur noch einmal von einer Theilnahme der sicilischen
Griechen an dem Kriege gegen die Athener : 5 si?^ili$che Schiffe waren bei der
von den Spartanern im Jahre 409 glücklich durchgeführten Wiedereroberung von
Pylos. Die wichtigen Begebenheiten , deren Schauplatz um diese Zeit SiciJien
wurde, und die wir sogleich erzüblen werden, waren die Ursache, dass Syra-
kus sein Gontingent zurückrief; die Tapferkeit der Bürger Siciliens sollte dem
Vaterlande zu gute kommen. Der letzte Syrakusaner, den wir in diesen
fernen Gegenden antreffen , ist wiederum Hermokrates , der Abgesetzte und
Verbannte, der 408 mit seinem Bruder Proxenos sich einer Gesellschaft von
athenischen, argivischen und spartanischen Gesandten anschloss, die zuerst
nach Kyzikos und von da weiter zum persischen Könige wollten. Bald werden
wir auch ihn in Sicilien wiederfinden.
Fünftes Buch.
Erstes Kapitel.
Einbruch der Karthager. Fall yon Seiinas nnd Himera.
Der ungeheuren Anstrengung, welche Syrakus im Kriege mit Athen
gemacht hatte, sollte keine Zeit der Ruhe folgen. Wir sprechen hier nur von
Syrakus, denn die übrigen SUidte der Insel hatten keine irgendwie ausser-
gewöhnliche Kraftentwickelung gezeigt. Die Ghalkidier untersttltzten Athen
nur lau ; Akragas blieb neutral ; Gela , Kamarina , Himera und selbst Selinus
Hessen die Hauptlast des Krieges auf den Schultern der Syrakusaner ruhen.
Wenn diesen nun das Loos der Athener nach den Perserkriegen beschieden
gewesen wäre, die keinen übermächtigen Feind mehr zu fürchten hatten und
deshalb mit frischer Lust am Ausbau ihrer Verfassung , an der Verschönerung
ihi'er Stadt und an der Entwickelung der Künste und Wissenschaften arbeiten
konnten, so hätte Syrakus nach dem Jahre 413 eine ähnliche Periode der
Blüthe erlebt, wie Athen nach 480. Dass es an einer guten Grundlage, einem
tüchtigen Volkscharakter, nicht fehlte, beweist der Krieg gegen Athen, und
ganz besonders die Art und Weise , wie sich die Sicilier in Asien benommen
hatten. Aber der furchtbare Einbruch der Karthager verdarb Alles; er hat
das von dem soeben- erst beendigten Kriege noch erschöpfte Syrakus und in
weiterer Folge die ganze Insel in die Arme eines Tyrannen geworfen.
Wir haben im vorigen Buche erzählt, wie lebhaft sich gleich nach dem
Siege die Freude der Syrakusaner äusserte. Dass sie die Verbündeten , und
besonders die mit Gylippos Gekommenen reich beschenkt entliessen , versteht
sich von selbst; gegen diesen selbst aber, dem sie doch vor allen ihre Be-
freiung verdankten, wurden bald viele Stimmen laut, die ihn der Habsucht
beschuldigten, und die Syrakusaner, spottsüchtig wie alle Sikelioten, erinner-
ten sich boshaft des Eindrucks, den er zuerst mit seinem kurzen spartanischen
Mantel und langem Haare auf sie gemacht hatte, und sie konnten ihm nicht*
einmal seine heilsame Strenge verzeihen. Ebenso natürlich wie die Beschen-
kung der Verbündeten ist die reiche Ausstattung der Tempel mit Beutestücken
78 Fünftes Buch. T. Einbruch der Karthager. Fall von Selinus und Himerd.
und die Belohnung derer, die sich im Kriege hervorgetfaan hatten. Dann
schritten die Syrakusaner, nachdem Hermokrates, das Haupt und die Stütze
der Optima tenpartei, nach Kleinasien gegangen war, zu einer Befestigung der
demokratischen Verfassung , die ihnen der Krieg nur noch werther gemacht
hatte, da sie es gewesen war, welche die ebenfalls demokratischen Athener
hindeiie, sich eine Partei von wirklicher Bedeutung in der belagerten Stadt zu
schaffen. Sie erwählten einen Gesetzgebungsausschuss , in- welchem Diokles ^
der hervorragendste war, ein Mann, der schon während des Krieges sich eines
grossen Ansehens erfreut und einen entscheidenden Einfluss auf das endliche
Schicksal der gefangenen Feldherren ausgetlbt hatte. Leider ist von den ihm
zugeschriebenen Gesetzen so gut wie nichts bekannt. Wir erfahren nur, dass
von jetzt an die öffentlichen Aemter (natürlich nicht alle) durch's Loos besetzt
wurden, dass die Gesetze sehr strenge t^aren, und dass sich in der Sorgfalt,
mit welcher für alle Verbrechen eine angemessene Strafe festgesetzt ward,
grosse Gerechtigkeitsliebe und Menschenkenntniss des Gesetzgebers kund ihat.
Obgleich Diokles bald in wenig glücklicher Weise in die ParteikUmpfe seiner
Vaterstadt eingriff, wird dennoch behauptet, dass ihm nach seinem Tode
heroische Ehren 01: wiesen uod ein Tempel erri<ihtet .wor^^n ^, ^fiAionysios
l)ei seinem Mauerbau zerstörte. Als zur Zeit des Timoleon Kephalos und zu
liieron^s,Z^.t Polydoros den Syrakusanern Gesetze .gaben, hallte man im Gegen-
sätze zu Diokles diese Münncr nur Auslegqr der Gesetze genannt, da iiiese, in
der alten Sprache geschrieben , schwer verständlich gewesen seien. Sowoit
Diodor. Doch ist es sehr zweifelhaft, ob der Gesetzgeber Diokles eine uqd
dieselbe Person ist mit dem Volksführer dieses Namens. Der sagenhafte^ oiit
dem des Charondas übereinstimmend berichtete Tod des ersteran , 4ie in alt^r
Sprache geschriebenen Gesetze und ihr strenger Charakter passen weder in
die Zeil nach dem athenischen Kriege , noch zu der Person 'des Voik^ftthrers
Diokles; ich glaube deshalb, dass es ausser derp DQmpKr;Eiten dje^es Nßoiens,
der um 410 v. Chr. ;lc^te,und die Demokratie. durch die EinfUhcuQg.des Aus-
loosens der öffentliqhen Aemter befestigte, schon früher einen Diokles in Sy-
rakus gegeben hat, der sich durch die Zusammenstellung von Gesetzen einen
Namen machte und als Heros verehrt wurde.
Ausser durch diese Verfassungsänderung, welche die Verbannung des
Heiimokrates zur Folge hatte , waren die Syrakusaper in der Zeit nach dem
athenischen Kriege durch eine Fehde mit den.chalkidischen Städten, d. b. mit
Kalane und Naxos, in Anspruch genommen, eine Fehde, in welcher die weni-
gen nach Katane geOüohteten AVhener zur Vertbeidigung der Slaät.miA wirkten,
und schliesslich nichts Bedeutendes erzielt wßrd. Denn als deriKampf drei
Jahre ohne sondj^rlichen Erfolg gedauert hatte , roussten die Syrakusaner ihn
aufgeben, weil die in Sicilien eingedrungenen Karthager auch sie bedrohten.
Der Einbruch der .Karthager hatte dieselbe Veranlassung, wie der der
Athener^ den fortwährenden Streit zwischen Segesta und Selinus über Grenz-
gebiete. Der athenisahe Krieg hatte die Aufmeijisamkeit der Seliouniier von
diesem Gegenstände abgezogen; nachdem die Athener besi^t wßiF90, ging ihr
Strel>cn wieder dahin , das streitige Land zu gewinnen. Die Egestäer wollten
jed^ Vorwand zu einem Kriege mit Selinus vermeiden, uip njjobt d^n Doriern
Die Karthe^r besch Hessen den Egesti^rn zu helfen. ' 79
der Insel eine erwünschte Gelegenheit zu geben , vereint über sie herzufallen
und an ihnen wegen des Einbruches der Atheuer Boche xu nehmen ; sie Uber-
Itessen das streitige Land ihren Gegnern. Die SeUnuntier aber, sich des Vortheils
ihrer jetzigen Lage wohl bewusst, verbeerten auch das anslossende, ohne alle
Frage Segesta gehörige Gebiet. Nun begriffen die Egestder, dass sie durch ihre
Nachgiebigkeit die Feinde nur noch kecker gemacht hatten ; sie glaubten die
Zeit gekommen , Widerstand zu leisten , und da sie zu erfolgreichem Kampfe
gegen Selinus, das leicht bei Syrakus Unterstützung finden konnte, zu schwach
waren, so wandten sie sich mit der Bitte um Hülfe an das althefreundete
Karthago.
Was sollten die Karthager thun? Seit dem unglücklichen Kriege, der
ihnen Himera's Namen zum Gegenstande des Entsetzens gemacht , hatten sie
sich nicht ernstlich um die siciMschen Angelegenheiten bekümmert, und noch
vor kurzem hatten sie, obschon von mehreren Seiten und gerade von Segesta
aufgefordert, sich am Kriege zu betheiligen, die Neutralität vorgezogen. Nun
stand als Siegerin über Athen Syrakus, mit dem ein den EgestHeru geleisteter
Beistand Karthago ebenfalls in Krieg verwickeln musste, noch gefUrohteter da
als zuvor. Das sprach für Enthaltung vom Kriege. Aber für Theilnahme an
demselben sprachen triftigere Gründe. Es handelte sich darum , ob Karthago
zugeben, sollte, dass Segesta in die Hände der Griechen fiel. Die Folgen davon
w^ren für Karthago bedenklich gewesen. Das Land der Elymer lag zwischen
den. Gebieten von Motye und Panormos, den Hauptstädten des phönicischen
Sicitien. Ward es hellenisch, so konnten diese beiden Städte nur noch zur See
mit einander verkehren und fielen leicht selbst den Griechen in die Hände.
Und für Segesta war seit Athen's Niederlage keine Rettung, wenn nicht Kar-
thago eintrat. Es handelte sich aber auch darum, ob Karthago gestatten sollte,
dass Syrakus sich in der durch den Sieg über Athen gewonnenen Stellung
befestigte und so allmählich zu einer Höhe der Macht gelangte, die es den Kar-
thagern äusserst gefährlich machen musste. Hätten die Athener gesiegt, so
wären sie Karthagers Feinde geworden ; jetzt blieben es die Syrakusaner, und
in noch höherem Grade als je zuvor. Dies alles sprach für den Krieg, und wer
ihn befürwortete , konnte hinzufügen , dass der Kampf mit Athen doch sicher
auch Syrakus heftig angespannt und dadurch für den Augenblick erschöpft
habe, und dass deshalb die Gelegenheit, in Sicilien kräftig aufzutreten, für
Karthago keineswegs ungünstig sei.
Im Rathe der Karthager siegte die Kriegspartei. Siebenzig Jahre lang
hatten die reichen Kaufmannsfamilien mit der ihnen natürlichen Friedenspo-
litik die Oberhand gehabt; nunmehr überwog der Einfluss des mächtigen
Hauses Magon^s, das dem Staate schon manchen bedeutenden Feldherm ge-
schenkt hatte, und an dessen Spitze der eine der damaligen Könige, Hannibal,
stand , der natürliche Führer der Partei , die den Staat und sich selbst durch
Kriege gefürchtet und reich machen wollte. Der karthagische Senat gab den
Gesandten Segesta^s den Bescheid , dass ihrer Stadt Hülfe werden solle , und
übertrug dem Hannibal die Leitung der Sache. Der Entschluss war von un-
geheurer Bedeutung. Er leitete eine Aera von Kriegen em , die Sicilien un-
glücklich machten und zuletzt Karthago selbst den Untergang bereiteten.
80 Fünftes Buch. 1. Einbruch der Karthager. Fall von Selinus und Himera.
Uannibal hatte persönliche Gründe , den Krieg gegen die Griechen Sici-
lien^s eifrig zu betreiben. Sein Grossvater Hamilkar, dessen Bruder Hasdrubal
in Sardinien umgekommen war, hatte die gewaltige Niederlage bei Himera
durch Geion erlitten, und während Hasdrubal's Nachkommen in Karthago
mächtig und angesehen geblieben waren , hatte sich HaDailkar's Sohn, Hanno,
nur kurze Zeit eines grossen Einflusses in seiner Vaterstadt erfreut und war
dann gestürzt und verbannt worden , und sein Loos hatte sein Bruder Gisgon,
Hannibals Vater, getheilt. Gisgon hatte sein Leben in Selinus beschlossen.
So war es natürlich, dass HannibaFs Streben dahin gerichtet war, durch Siege
über die Griechen die Schande seines Grossvaters auszulöschen. Doch dem
Kriege mussten Verhandlungen vorausgehen. Die Selinuntier, das sah man
bald, waren auch den Karthagern gegenüber nicht geneigt, den streitigen
Landstrich aufzugeben; es handelte sich nur noch darum, welche Stellung
Syrakus, das man für den Augenblick noch nicht zum Feinde zu haben
wünschte, zu der Sache einnehmen würde. Da nun die Egestäer Gesandte
nach Syrakus schickten, um diese Stadt von der Gerechtigkeit ihrer Forderun-
gen zu überzeugen , that Hannibal im Namen Karthagers dasselbe und liess
den Syrakusanem die Entscheidung über den Streit zwischen Segesta und
Selinus antragen. Diese Anerkennung der Bedeutung ihrer Stadt schmeichelte
den Syrakusanern und verletzte die Selinuntier, und während diese dadurch
Karthago noch feindlicher gesinnt wurden, Hessen die Syrakusaner sich zu
dem ebenso nichtssagenden als lächerlichen Beschluss herbei, es solle bei dem
BUndniss mit den Selinuntiern und bei dem Frieden mit Karthago bleiben. So
hatte Hannibal seinen Zweck, Selinus für^s erste zu isoliren, erreicht.
Zunächst begnügten sich die Karthager damit, den Egestäern eine massige
Hülfe zu leisten, die Segesta schützte und Syrakus keinen besondem Argwohn
einfldsste. Sie sandten aus Afrika 5000 Libyer und warben in Sicilien 800
Kampaner, die von den chalkidischen Städten zur Vergrösserung des atheni-
schen Heeres gemiethet, aber zu spät eingetroffen und nun ohne Beschäftigung
waren. Die Karthager kauften ihnen Pferde und sandten sie als Reiterei nach
Segesta. Die Selinuntier kümmerten sieh nicht viel um diese Vorbereitungen;
sie setzten die Verheerungen des egestäischen Gebietes fort, anfangs plan-
massig unter Zusammenbaltung der Truppen , bald aber nachlässig und ohne
die erforderliche Wachsamkeit. Das benutzten die egestäischen Feldherren ;
sie fielen mit ihrem verstärkten Heere über die Selinuntier her und brachten
ihnen eine vollständige Niederlage bei. Sie nahmen ihnen die schon gemachte
Beute ab und tödteten ungefähr 1000. In Selinus überwog nach dieser Nie-
derlage das Gefühl , es müsse der Krieg fortgesetzt und Rache an den Ege-
stäern genommen werden, obwohl es an Stimmen nicht fehlte, die davor
warnten, die Karthager zu sehr zu reizen. Man war der Ansicht, mit Syra-
kusens Beistand allen Feinden gewachsen zu sein , und die Syrakusaner ver-
sprachen Hülfe, ohne eine Ahnung vom Ernste der Sache zu haben. In Kar-
thago rüstete man zu einem grossen Feldzuge für das nächste Jahr, einem
Feldzuge unter karthagischer Leitung. Hannibal sammelte in Spanien Söldner,
hob in den afrikanischen , Karthago unterworfenen Städten die beste Mann-
schaft aus und veranlasste den Eintritt einer nicht geringen Zahl karthagischer
AngrifT auf Selinus. g |
Bttrger in das Heer. Die afrikanischen Städte mussten^ach ihren Mitteln Schiffe
steilen. Im Frühjahr 409 v. Chr. war die gewaltige Rüstung vollendet. 60 Kriegs-
schiffe begleiteten die Transportflotte von 1500 Segeln, auf der nach Ephoros
200,000 Mann zu Fuss und 4000 Reiter, nach Timaios wenig mehr als \ 00,000
Mann, nebst Kriegsmaterial und Beiagerungsmaschinen nach Sicilien fuhren.
Die Karthager begannen den Krieg mit mehr Aussicht auf Erfolg als die
Athener vor 6 Jahren. Hannibal landete am Vorgebirge Lilybaion und schlug
bei dem berühmten Brunnen daselbst sein Lager auf. Einige selinuntinische
Reiter, die der Annäherung der ungeheuren Flotte mit Entsetzen zugesehen
hatten , meldeten die Landung ihren Mitbürgern , die sogleich nach Syrakus
um schnelle Hülfe sandten. Hannibars erster Schritt war darauf berechnet,
den Syrakusanern den Gedanken zu nehmen , als ob der Osten der Insel sein
Ziel sei; er zog die Schiffe in der Bucht von Motye an^s Land. Dann ging er,
verstärkt durch das egestäische Contingent und einige andere sicilische Bun-
desgenossen, schnell vorwärts, nahm Mazara, die selinuntinische Grenzfestung,
und stand bald vor Selinus, das er einschloss. Einen Theil des Heeres stellte
er , dem damaligen ks^rthagischen Kriegsgebrauche entsprechend , als Reserve
gesondert auf. Die übrige Mannschaft rückte vor die Stadt , die mit ganz an-
derer Energie und ganz anderen Mitteln angegriffen wurde, als Syrakus von
Nikias. Der Angriff fand besonders im Norden statt, wo die Höhe, auf der Se-
linus liegt , sich an die Hügel des Innern anschliesst und also die Mauern am
bequemsten zu erreichen waren. Sechs eisenbeschlagene Widder erschütterten
die Mauern ; sechs hohe Thürme , die die Mauern überragten , wurden an sie
hinangeschoben ; Schleuderer und Bogenschützen trieben die Vertheidiger von
den Zinnen. Leider waren die Mauern der volkreichen Stadt, deren Einwoh-
nerzahl über 60,000 betragen haben muss, in schlechtem Zustande; man
hatte einen so gewaltigen Angriff, vielleicht überhaupt einen Krieg mit den
Karthagern, denen man ja bei Himera beigestanden, nicht für möglich gehal-
ten. Doch verlor man den Muth nicht; es musste ja Hülfe aus Syrakus kom-
men, und bis dahin hoffte man mit Aufgebot aller Kräfte die Stadt zu halten.
Die Jüngeren besetzten die Mauern ; die Aelteren sorgten für die Instandhal-
tung der Waffen; die Frauen trugen den Vertheidigem Speise und frische
Geschosse zu. Seinerseits sah Hannibal, dass er Selinus möglichst schnell
nehmen müsse. Er versprach seinen Soldaten die Plünderung der eroberten
Stadt. Seine besten Truppen lösten sich unter rauschender Musik und Kriegs-
geschrei ab ; die Sturmböcke erschütterten die Mauern. Bald stürzte ein Stück
derselben, und die kampanischen Söldlinge drangen in die Bresche. Aber am
ersten Tage sollte Selinus nicht fallen. Immer zahlreichere Schaaren warfen
sich ihnen entgegen , und sie mussten sich nach grossen Verlusten zurück-
ziehen. Beim Beginn der Nacht brach Hannibal den Sturm* ab. Sogleich
schickten die Selinuntier neue Eilboten, die besten Reiter, nach Akragas, Gela
und Syrakus. Noch hätte Selinus gerettet werden können, aber die Griechen
Zögerlen statt zu handeln. In Akragas und Gela waren Hülfsmannschaften be-
reit, aber bei der Grösse des karthagischen Heeres wollte man sie nur mit den
syrakusanischen Truppen zusammen abschicken; die Syrakusaner sammelten,
IT Ol m , Oescb. Sicilidns. n. Q
82 Fünftes Buch. I. Einbrach der Karthager. Fall von Selinus und Himera.
wie sie meinten schnell genug , eine bedeutende Streitmacht , und diese ging
eben nach Selinus ab, als die Stadt fiel. Wären die Syrakusaner gleich nach
Empfang der Nachricht aufgebrochen , sie hätten noch zur rechten Zeit in
Selinus sein können.
Hier hatte Hannibal den Kampf kräftigst fortgesetzt. Gleich am zweiten
Morgen war die Bresche nach Eroberung der nächsten Mauerstücke erweitert,
gereinigt und so stark besetzt worden , dass die Karthager nicht mehr daraus
zu vertreiben waren. Dennoch gelang es der mit der Gefahr steigenden
Tapferkeit der Selinuntier, das weitere Vordringen der Feinde auch jetzt noch
zu vertiindern. Tag für Tag ward weiter gekämpft, und der Verlust war auch
auf karthagischer Seite gross. Mit welch ängstlicher Sehnsucht schauten in-
dess die Selinuntier nach den Bergen des Ostens , ob nicht endlich sich auf
ihrer Höhe die Waffen der griechischen Bundesgenossen zeigten ! Aber ver-
gebens I Am neunten Tage drangen die Iberer über die Bresche vor, und die
Selinuntier zogen sich unter lautem Wehklagen der Frauen in die Strassen der
Stadt zurück. Auch hier noch versuchten sie den Kampf fortzusetzen. Die
Strassen wurden durch Barrikaden versperrt , die Masse der Kampfunfähigen,
Frauen und Kinder eilten auf die Dächer und schleuderten Steine auf die an-
dringenden Karthager. So hielten die Selinuntier sich bis zum Abend, da
gingen ihnen die Geschosse aus, und nun überflutheten die Feinde die ganze
Stadt. Eine grosse Zahl von Kriegern ward kämpfend auf den Markt gedrängt
und hier niedergemacht. Die Sieger mishandelten die Bewohner, drangen in die
Häuser, raubten, was Werth volles darin war, und zündeten die ausgeplünder-
ten, mit Unglücklichen gefüllten an ; was sich auf die Strassen zu retten suchte,
ward dort niedergemacht. Karthagische Soldaten sah man Köpfe auf Speeren
umhertragen, behängt mit auf Schnüren gezogenen Reihen von abgeschnittenen
Händen. Verschont vnirden nur die Weiber und Kinder, die sich in die Tempel
geflüchtet hatten; denn die Karthager fürchteten, sie möchten, von Verzweiflung
getrieben, sie anzünden und so die reiche Beute vernichten. Es heisst, dass
16,000 Menschen von der Hand der Karthager fielen, mehr als 5000 als Ge-
fangene hinweggeführt wurden; nur 2600 sollen sich nach Akragas gerettet
haben. Hier wurden sie freundlich aufgenommen , aus Staatsmitteln gespeist,
und alle Bürger kamen der öffentlich erlassenen Aufforderung, den Flüchtigen
beizustehen, mit dem grössten Eifer nach.
Um diese Zeit kamen endlich 3000 Mann auserlesener syrakusanischer
Truppen in Akragas an. Sie schickten Gesandte an Hannibal mit der Auffor-
derung, die Gefangenen gegen Lösegeld freizugeben und die Tempel von Seli-
nus zu verschonen. Der Karthager antwortete barsch , da die Selinuntier ihre
Freiheit nicht hätten vertheidigen können , so müssten sie jetzt die Sklaverei
kennen lernen, und was die Tempel beträfe, so hätten die Götter sie und die
Stadt Selinus verlassen. Etwas mehr Erfolg hatte eine Gesandtschaft der ge-
flüchteten Selinuntier selbst , für die Empedion das Wort führte , ein Mann,
der als Freund der Karthager noch in der letzten Zeit seine Mitbürger vor dem
Kriege gewarnt hatte. Ihm selbst gab Hannibal sein Vermögen zurück ; seine
Verwandten unter den Gefangenen liess er frei und gestattete allen Flücht-
lingen, sich in Selinus wieder anzusiedeln, unter der Bedingung einer jähr-
Angriff auf Himera. 83
liehen Abgabe an Karthago. Die Mauern der Stadt fielen, die Tempel wurden
nicht zerstört^ wenigstens nicht gänzlich.
Nach der Ueberwäitigung von Selinus wandte sich Hannibal mit der
grössten Schnelligkeit gegen das reiche und blühende Himera , dessen Ein-
wohnerzahl ebenfalls wenigstens 60,000 betrug. Himera war nicht, soviel
uns bekannt ist, im Kriege mit Karthago, und Hannibal scheint vom Senate
keinen Auftrag gehabt zu haben , es anzugreifen ; aber die Niederlage seines
Grossvaters vor Himera war für ihn Grund genug zum Angriff auf dasselbe,
und er konnte überzeugt sein, d^ss ein Sieg seine Verantwortlichkeit deckte.
Er errichtete sein Lager in einiger Entfernung von der Stadt auf einem hohen
Punkte und liess 40,000 Mann darin; mit dem übrigen, grösseren Theil des
Heeres, das noch durch einen Zuzug von 20,000 Sikanem und Sikelern ver-
mehrt wurde, griff er die Stadt an. Ein Hauptmittel der Belagerung, das er
bei Himera anwandte, war folgendes : Man unterwühlte die Mauer, die man
mit Balken stützte, zündete hierauf die Balken an, und nun musste die Mauer
einstürzen. So fiel ein Stück derselben, aber als die Karthager hier einzudrin-
gen versuchten, wurden sie von den Himertteru, welche durch das für Selinus
bestimmte syrakusanische Contingent und einige andere Bundesgenossen , zu-
sammen 4000 Mann unter Diokles, verstärkt waren, in kräftigem Andrang
wieder zurückgeworfen. Man konnte das zerstörte Mauerstück wieder auf-
bauen , und die Himeräer machten sogar am nächsten Tage den Versuch, das
Belagerungsheer zu überrumpeln. Eine Schaar von 40,000 Mann warf sich
auf die Karthager, und diese flohen|; 6000, nach Ephoros gar 20,000 fielen.
Aber aus dem karthagischen Lager brach Hannibal mit seiner Reserve hervor,
und nun unterlagen die Griechen; 3000, die nicht mit den übrigen in die
Stadt fliehen wollten, wurden niedergemacht. In diesem Augenblicke kam
im Hafen von Himera die nach Diodor's Angabe 35 Segel starke Flotte an, welche
die Syrakusaner in den asiatischen Gewässern gehabt hatten, und die, nach
Hause berufen, nunmehr Himera zu Hülfe geschickt war. Aber die Freude
der Himeräer sollte nicht lange dauern. Es verbreitete sich in der Stadt ein
Gerücht, das Anhänger Karthago's ausgestreut hatten. Die ganze syrakusanische
Mannschaft , biess es , sei ausgezogen um Himera zu helfen , und nun wolle
Hannibal sich mit der Elite seines Heeres in Motye einschiffen , um das von
Yertheidigern entblösste Syrakus zu überfallen. In Folge davon beschloss
Diokles, nach Hause zurückzukehren und gab dem Flottenführer den Rath,
das Gleiche zu thun. Die Himeräer sahen in dem Abzug der Bundesgenossen,
den sie nicht verhindern konnten, das Signal ihres Untei^anges, und gingen
mit schwerem Herzen auf den Rath ein, den ihnen nunmehr Diokles gab,
ebenfalls ihre Stadt zu verlassen. So ward Himera freiwillig aufgegeben , ein
solches Grauen hatten die Schauerscenen der Eroberung von Selinus in Sici-
lien verbreitet. Die Schiffe nahmen so viele Menschen an Bord, als sie fassen
konnten, und fuhren ostwärts, um sie ausserhalb des Bereiches der Karthager
zum weiteren Zuge nach Messana an^s Land zu setzen und dann schnell nach
Himera zurückzukehren , wo sie die Uebrigen aufnehmen sollten, und in der-
selben Nacht verliess Diokles die Stadt , ebenfalls von einer Schaar Himeräer
begleitet. Was zu fürchten war, traf ein. Am nächsten Tag zwar behaupteten
6*
g4 Fünftes Buch. I. Einbruch der Karlbager. Fall von Selious und Himera.
die zurückgelassenen himeräischen Krieger noch ihre Stellungen, aber die
Schiffe blieben aus, und am zweiten Tage, als die Schiffe in Sicht kamen,
wurde die Stadt erstürmt. Ein Stück der Mauer fiel , und die Iberer drangen
zuerst ein. Nun begann das Horden, das so lange währte, bis Hannibal befahl,
Gefangene zu machen. Auch die in den Tempeln Zuflucht gesucht hatten,
wurden gefangen genommen. Alle Gefangenen aber wurden in zwei Tbeile
gesondert ; die Weiber und Kinder wurden in^s Lager geführt, um als Sklaven
nach Afrika geschafft zu werden ; die Männer aber, ungefähr 3000, Hess Han-
nibal nach dem Orte bringen, wo sein Grossvater gefallen war, und schlachtete
sie dort nach schimpflichei* Züchtigung den Manen Hamilkar's. Dann Hess er
die Tempel verbrennen und die Stadt dem Boden gleich machen ; sie sollte
nicht einmal als abhängiger Ort fortbestehen.
So war der Zweck seines Peldzugs, ja seines Lebens erreicht; er war alt
und wollte einen Krieg nicht weiter führen, der ihm höhere Triumphe zu bieten
nicht vermochte. Er entliess die sicilischen Bundesgenossen und die Kampa-
ner, sorgte für Besatzungen in den unterworfenen Städten und fuhr mit den
übrigen Truppen nach Afrika zurück. Bei seiner Ankunft wurde er von seinen
Mitbürgern feierlich begrüsst; hatte doch in so kurzer Zeit keiner der früheren
grossen Feldherren Karthago's gleich Bedeutendes geleistet.
In den Verhältnissen des phönicischen Siciliens tritt von diesem Jahre an
gegen früher eine bedeutende Veränderung ein. Es giebt von jetzt an eine
karthagische Provinz auf Sicilien, und die phönicischen Städte treten in grössere
Abhängigkeit zu Karthago als bisher. Es ist bezeichnend, dass nunmehr Motye
Kolonie von Karthago heisst, was es, wie wir wissen , ursprünglich durchaus
nicht war. Dennoch behalten diese altphönioischen Städte, und besonders
Motye und Panormos, noch immer eine relative Freiheit. Fühlbar machte sich
die karthagische Herrschaft besonders auf dem flachen Lande , das mit jenen
Städten zusammen nun die karthagische Epikratie , wie man in Sicilien diese
Provinz nannte, bildete. Die Verfassung dieser Provinz, deren Grenzen wech-
sehen, ist uns unbekannt. Die Verschiedenheit dieses Zustandes von dem
früheren tritt für uns besonders klar in den Münzverhältnissen hervor , über
die wir, da sie nicht so schnell neugeordnet sein können, erst später, bei
Dionysios und dessen Münzwesen sprechen werden. Hier nur so viel davon^
dass die autonomen Münzen von Motye und Panormos verschwinden, und dass
eine karthagisch -sicilische Landesmünze eingeführt wird, die sich in ihrem
ganzen Wesen dem syrakusanischen Münzwesen anschliesst.
Sehr bemerkenswert!! ist noch die Parteinahme der Sikaner und Sikeler
für Karthago , die unmöglich eine rein erzwungene war. Es muss bei ihnen
der Gedanke obgewaltet haben, durch die Karthager die Autonomie wieder
erreichen zu können, welche die Griechen ihnen entrissen hatten. Die Kar-
thager verlangten Steuern; im Uebrigen Hessen sie die Unterthanen nach
ihrer Weise leben. Unfer diesen Verhältnissen mochte eine Veränderung der
Herrschaft den Sikelem wie eine Art von Befreiung erscheinen, freilich nur für
kurze Zeit.
So war denn nun Sicilien wieder in den unseligen Kreis der karthagi-
schen Kriegspolitik gezogen, die mit ihrer erdrückenden Wucht alle Kräfte des
Die karthagische Epikratie. ^ Hermokraies' Rückkehr. 85
Landes in Anspruch nahm. Wie ganz verschieden halte sich die punische
Kriegführung von der athenischen gezeigt ! Hier freie Bürger, langsam unter
möglichster Schonung der Menschenleben kämpfend , dort Söldnerhaufen, die
2U Tausenden geopfert werden , um in schrecklichem Sturme zu siegen. Die
Athener kamen nie wieder , um Sicilien zu beunruhigen ; für die Karthager
war der kurze und glänzende Feldzug HannibaFs nur der Anfang von vielen
gewaltigen Kämpfen , die glücklicherweise allmählich den Charakter schauer-
licher Grausamkeit verloren, der den Kampf gegen Selinus und Himera zu
«inem so entsetzlichen macht.
Zweites EapiteL
Fall von Akragas.
Bald nachdem Himera gefallen war, wahrscheinlich im Jahre 408 v. Chr.,
kehrte Hermokrates nach Sicilien zurück. Pharnabazos hatte den Verbannten
gut aufgenommen und ihm bedeutende Geldsummen geschenkt. Mit ihnen
begab er sich nach Messana , liess sich dort 5 Kriegsschiffe bauen und warb
eine Schaar von 4000 Kriegern. Er trat auf wie ein beleidigter Parteiführer,
<ler nichts dagegen hat, im Liebte eines künftigen Herrschers seiner Vaterstadt
zu erscheinen. Ungefähr 4 000 der geflüchteten Himeräer stiessen zu ihm. Er
hatte gehofft, seine Rückberufung nach Syrakns schnell durchsetzen zu können;
4seine Partei war jedoch nicht im Stande , sie zu bewirken, und so beschloss
«r, durch eine rasch zu erringende bedeutende Machtstellung und grosse Ver-
dienste um die griechische Sache das ihm noch Verweigerte zu erzwingen.
Die dainalige Lage der Insel bot einem unternehmenden Manne günstige
Aussichten. Das karthagische Heer war abgezogen, und die Griechen im
Westen athmeten auf. Aber es war kein Führer vorhanden, kein Mann, der
.gross und kühn genug gewesen wäre, für die griechische Sache alles zu
wagen. Diokles insbesondere hatte sich als Feldherr in einem traurigen
Lichte gezeigt. Nun erschien Hermokrates , der schon im athenischen Kriege
bewiesen hatte, dass er ein Mann von Einsicht und Energie war. War es ein
Wunder, wenn man ihm zufiel? Er zog nach Selinus und ummauerte einen
Tbeil davon. Es war der Burghügel , der so wieder eine hellenische Festung
wurde; noch jetzt erkennt man die von Hermokrates errichteten Mauertheile
<laran , dass sie in den in sie aufgenommenen Gebäudefragmenten die deut-
lichen Spuren der Eile tragen, womit der Bau betrieben werden musste.
Manche SelinunUer und andere Griechen Hessen sich hier nieder. Dann brach
«r mit seinem jetzt auf 6000 Mann angewachsenen Heere in das altpunische
Gebiet, schlug die Motyener und Panormitaner und verwüstete das Land.
Das war schon viel; hatte er doch eine hellenische Stadt wiederhergestellt
gg Fünftes Bach. IL Fall vod Akragas.
und den Krieg in feindliches Gebiet getragen I Aber diese Erfolge bewogen
die Syrakusaner noch nicht, ihn zurückzurufen. Um seinen Zweck zu er-
reichen , setzte er eine That in's Werk , deren Pathos, wie er meinte, auf das
Volk im gewünschten Sinne wirken musste. Diokles hatte Himera so schnell
verlassen, dass er nicht einmal die dort gefallenen Syrakusaner bestatten
Hess. Hermokrates zog dahin, sammelte die Ueberreste der Gefallenen, und
sandte sie , von wenigen der Seinen geleitet, nach Syrakus. Nun entstand in
der Stadt ein heftiger Streit. Die aristokratische Partei ^verlangte ihre Bestat-
tung; Diokles sagte, es sei Betrug, denn woher habe Hermokrates wissen
können, dass die Gebeine Syrakusanern angehörten? Aber Hermokrates hatte
das Volk richtig beurtheilt ; die Syrakusaner fühlten ähnlich wie die Athener
zwei Jahre später , nach der Schlacht bei den Arginusen ; sie bestatteten die
Körper feierlich und verbannten Diokles ; — aber den Hermokrates riefen sie
darum doch nicht zurück.
Das wiederholte Fehlschlagen seiner theuersten Hoffnungen machte den
ehrgeizigen Mann ungeduldig und unbesonnen ; er , den sonst nie die Leiden-
schaft überwältigt hatte , unternahm auf den Wunsch seiner Anhänger einen
Handstreich. Mit 3000 Soldaten brach er von Selinus auf und zog gen
Osten. In seiner Ungeduld Hess er die grosse Masse der Seinigen zurück und
kam, nur von Wenigen begleitet, Nachts an dem bestimmten Versammlungs-
orte, am Thore der Achradina an. Seine Freunde erwarteten ihn, aber es
schien unmöglich , etwas auszurichten , bis nicht noch mehrere von seinen
Soldaten angelangt wären. Inzwischen verbreitete sich aber in Syrakus die
Nachricht, dass Hermokrates mit Bewaffneten in die Stadt gedrungen sei. Es
entstand grosse Aufregung; die Tyrannis schien bevorzustehen. Das Volk
sammelte sich auf dem Markte und warf sich auf die kleine Schaar, von der
die meisten, auch Hermokrates selbst, den Tod fanden.
So endigte ein Mann von edlem Sinne,* einer der merkwürdigsten Cha-
raktere Siciliens. Er war ein rechter Hüter der Macht und Unabhängigkeit Si-
ciliens gewesen ; tapfer, rechtschaffen, angesehen, stets zur That bereit; auch
wenn ihm kein öffentliches Amt es zur Pflicht machte, für Syrakusens Sicher-
heit besorgt. Ohne ihn wären die Athener nicht so vollständig besiegt worden ;
vielleicht hätten sie, wenn er nicht gewesen wäre, trotz des Gylippos gesiegt;
denn Gylippos gab die Disciplin , den Geist konnte er nicht geben, der musste
aus Syrakus selbst kommen; ihn hat vor allen Hermokrates den Bürgern ein-
geflösst. Und wie Syrakus ihm viel verdankte, so würde es ihm wahr-
scheinlich noch mehr verdankt haben , wenn er nicht einen vorzeitigen Tod
gefunden hätte. Es ist freilich klar, dass er sich in Syrakus jetzt nicht anders
halten konnte, als wenn er sich zum Tyrannen machte; aber der TjTann
Hermokrates wäre ein zweiter Gelon, niemals ein Dionys geworden. Hermo-
krates erinnert in mancher Beziehung an Dion. Beide waren von Haus aus
Aristokraten, beide wurden durch die Umstände dazu gedrängt, ihren Willen
der Stadt aufzuzwingen ; beide kamen bei diesem Versuche um. Doch war
Hermokrates unendlich thatkräftiger als Dion ; Dion war mehr Diplomat, Her-
mokrates Feldherr durch und durch. So starb er denn auch den Tod eines
Soldaten. Die von seinen Begleitern, welche die Niederlage überlebten, wurden
Tod des Hennokrates. Hamibal zam zweiten Mal nach SiciHen. g7
verbannt. Unter ihnen hatte sich auch der künftige Herrscher der Stadt,
Dionysios, der Sohn eines andern Uermokrates, befunden. Er war schwer
verwundet, und seine Freunde gaben ihn fürtodt aus; so kam eS; dass er
nicht im Verbanoungsdecrete benannt ward.
Der von Hermokrates bewirkte Umschwung in den gegenseitigen Bezie-
hungen der Karthager und Griechen auf Sicilien war von kurzer Dauer. Bald
kamen Nachrichten, dass jene von neuem rüsteten, und die Syrakusaner
schickten Gesandte nach Karthago , die deswegen Vorstellungen machen und
Aufklärungen verlangen sollten. Die Karthager gaben ausweichende Ant-
worten, fuhren in ihren Rüstungen fort und gründeten als festen Punkt auf
der Insel mit Leuten aus Afrika bei den warmen Quellen, unweit des zerstör-
ten Himera, die Stadt Therma, das jetzige Termini , 407 vor Chr. auf und an
einem in das Meer vorspringenden Felsen, an einem Punkte , der ein grosses
Stück der Küste beherrscht und seitdem nicht wieder verlassen worden ist.
Doch ist die Stadt bald aus den Händen der Afrikaner in die der Griechen
übergegangen. Im folgenden Jahre (406 v. Chr.) kam das über Sicilien schwe-
bende Unwetter zum Ausbruch. Die Erfolge gegen Selinus und Himera hatten
den Karthagern Zuversicht gegeben, und ihr Sinn stand jetzt auf die Erobe-
rung der ganzen Insel. Hannibalj der Sieger im vorigen Feldzug, nahm den
Oberbefehl diesmal nur unter der Bedingung an , dass ihm sein Vetter Himil-
kon, Hannon's Sohn, zur Seite gestellt wurde. Den Kern des Heeres bildeten
Karthager und Libyer, dazu kamen Mauretanier und Numidier, endlich ibe-
rische, balearische und kampanische Söldner; letztere nicht dieselben , vne
vor drei Jahren ; diese waren , unzufrieden mit dem empfangenen Lohn , in
griechische Dienste getreten. Es waren im Ganzen nach Ephoros 300,000
Mann, nach Timaios 420,000, die auf mehr als 4000 Transportschiffen nach
Sicilien hinüber fuhren. Die zur Erleichterung der Landung vorausgeschickten
40 Kriegsschiffe wurden von einer gleichen Zahl syrakusanischer beim Eryx
geschlagen; 45 gingen zu Grunde, die übrigen entkamen bei einbrechender
Nacht. Nun fuhr Hannibal mit 50 Schiffen nach Sicilien, und die Syrakusaner,
voii der Gewaltigkeit der karthagischen Macht betroffen, wagten keinen weiteren
Widerstand zur See. Sie schickten um Hülfe zu den Hellenen in Italien und im
Peloponnes. Hier sieht man , wie inconsequent man in Syrakus in Bezug auf
die Marine war. Wo waren die syrakusanischen Flotten geblieben, die gegen
die Athener , fast 4 00 Segel stark , gefochten hatten ? Aber die Syrakusaner
waren gar nicht die zuerst bedrohten, das waren die Akragantiner, und Akra-
gas hatte überU^upt keine Flotte I
Akragas hatte nicht, wie Syrakus^ in der letzten Zeit grosse Kriege zu
führen gehabt; ja, man muss gestehen, dass es seit seiner Gründung nicht
viele kriegerische Zeiten gesehen hat , wie denn auch seine Theilnahralosigkeit
am athenischen Kriege von entschiedenem Mangel an kriegerischem Sinn her-
rührt, der sich nunmehr schwer rächen sollte. Die Hauptbeschäftigungen
seiner Bürger waren Landbau und Handel. Das Gebiet von Akragas war,
ausser an Korn , besonders reich an Wein und Oel , welche Erzeugnisse die
Akragantiner nach Afrika , besonders nach Karthago , ausführten, und wofür
sie die afrikanischen Waaren, d. h. namentlich Gold und Elfenbein, ein-
. 1
88 Fünftes Buch. II. Fall von Akragas.
tauschten. Der Reichtbum von Akragas zeigte sich vor allen Dingen in den
früher beschriebenen prachtvollen Tempeln und dem grossen Fischteiche von
*7 Stadien Umfang und 20 Ellen Tiefe. Dazu kam noch die grosse Zahl anderer
Denkmäler , unter denen den Fremden am meisten Monumente auffielen , die
Thieren errichtet waren. So hatten Pferde, die in Wettkämpfen gesiegt hatten,
eigene Denkmäler , andere w aren von Mädchen zur Erinnerung an Lieblings-
Vögel erbaut ; Werke, die Timaios sah, und die also die Einnahme von Akra-
gas durch die Karthager überdauert haben. Viele kunstvoll gearbeitete Bild-
säulen zierten die Stadt, auch an Gemälden war sie reich, worunter eins von
Zeuxis' Hand am bertlhmtesten war, eine Alkmene, die der Künstler als un-
bezahlbar den Akragantinern geschenkt hatte. Viele in Akragas gefundene
Vasen wurden wahrscheinlich in dieser Zeit als Gräberschmuck benutzt, und
sicher gehören dem 5. Jahrhundert die schönsten akragantinischen Münzen
an , unter denen die Serien mit den zwei Adlern hervorragen , und wo auch
Magistratsnamen: Silanos und Straten , vorkommen. Die Fabrikthätigkeit der
Weberei scheint geblüht zu haben ; von den bleiernen Webestempeln , die
man in Sicilien gefunden hat, und die zum Theil offenbar dem 5. Jahrh. v. Chr.
angehören, weisen einzelne in ihren Symbolen auf Akragas hin. Höchst glanz-
voll und üppig war das ganze Leben der Bürger. Vor wenigen Jahren war
der Akragantiner Exainetos als Sieger im Stadion von Olympia zurückgekehrt:
er wurde von seinen Mitbürgern in einem feierlichen Zuge eingeholt , in wel-
chem sich 300 Gespanne von je zwei weissen Pferden, alle Akragantinern
gehörig , befanden , wie denn gerade die Pferdezucht von Akragas berühmt
war. Schmuck, besonders goldenen, U*ugen sie mehr als sonst die Griechen ;
sie bedienten sich sogar goldener und silberner Striegeln und Oelgefässe
in den Gymnasien. Der wahre Repräsentant des akragantinischen Luxus
war der reiche Gellias oder Tellias, von Person unansehnlich, aber geist-
reich und von königlicher Munificenz. In seinem Hause waren zahlreiche
Fremdengemächer , und an seiner Thür standen Sklaven , die alle des Weges
kommenden Fremden zu ihm einluden. Zur Winterszeit kamen einmal 500
Reiter aus Gela nach Akragas ; Gellias nahm sie alle in sein Haus und Hess
auf der Stelle an jeden ein Ober- und Uniergewand, die in seinen Kisten
bereit lagen, austheiien. Seine Weinkeller, die der Schriftsteller Polyklei-
tos als Soldat in Sicilien sah, enthielten 300 in den Fels gehauene Fässer,
von denen jedes 100 Amphoren fasste (4 Ämph. = 7« Ohm), und eine grosse
Kufe, die 1000 Amphoren hielt, woraus der Wein in die Fässer floss. Dass
in einer Stadt, die so sehr auf einen reichgefullten Weinkeller hielt, ein massi-
ges Leben nicht an der Tagesordnung war, versteht sich von selbst ; dass aber
den Trinkern viel nachgesehen wurde, zeigt die folgende Geschichte. Eine
Gesellschaft von Jünglingen zechte so viel , dass , als der Boden unter ihren
Füssen zu wanken begann, sie sich wie Leute auf einem schwankenden
Schiffe geberdeten, die, um das Fahrzeug vor dem Untergang zu retten, alles
Schwere über Bord werfen. So flog denn ein Stück des Hausgeräths nach dem
andern zum Fenster hinaus , und man kann sich denken , mit welchem Jubel
der unten versammelte Pö))el eines nach dem andern aufraffte und davontrug.
Das fast Unglaubliche bei der Geschichte ist aber, dass, als am folgenden Tage
Belagerung von Akragas. S9
die Strategen es für passend hielten , den Unfug zu untersuchen, und sich zu
diesem Zwecke in das Haus begaben, die Junglinge den Spass fortsetzten , die
ehrwürdigen Männer als Seegölter anredeten und ihr Benehmen mit der Ge-
walt des Sturmes entschuldigten; auch wenn sie erst sicher an's Land ge-
kommen wären, sie als Retter zu verehren versprachen. Es scheint, dass die
würdigen Herren den Studentenstreich nicht übel nahmen. Von diesem Vor-
falle hiess seitdem das Haus : das Schiff. Man sieht, dass das Wort des Em-
pcdokles von den Akragantinern : sie bauten , als ob sie ewig leben , und
assen, als ob sie morgen sterben sollten, nicht unverdient war. Ein anderer
durch seine Pracht berühmter Akragantiner war Antisthenes mit dem Bei-
namen Rhodos. Bei der Hochzeit seiner Tochter bevdrtbete er seine Mitbürger
auf den Strassen , jeden vor seinem Hause ; mehr als 800 Wagen begleiteten
die Braut, und von Reitern eine ungeheure Anzahl , zu der sich auch aus den
benachbarten Städten viele zusammengefunden hatten. Das Glänzendste bei
dieser Feier war aber folgendes : Auf alle Altäre , in den Heiligthümern und
auf den Strassen , liess Antisthenes grosse Haufen Holz legen und gab ausge-
wählten Sklaven den Befehl, in dem Augenblicke, wo auf der Burg die Flamme
aufleuchten würde, das Holz anzuzünden. So wurde denn, als der Brautzug
begann , die ganze Stadt mit einem Male auf das prächtigste beleuchtet. Dass
eine so prachtliebende Stadt, die übrigens auf ihre Volkszahl — 20,000 waf-
fenfähige Bürger, mit Weibern, Kindern, Fremden und Sklaven 200,000 Men-
schen — stolz war , in ihrem w^eichlichen Leben es auch im Kriege nicht für
nöthig hielt, dem Luxus zu entsagen, ist begreiflich. Doch ist es arg, wenn
selbst im karthagischen Kriege das Verbot erlassen werden musste , dass Nie-
mand auf die Wache mehr als ein Unterbett, ein Oberbett, eine Decke und
zwei Kopfkissen mitbringen dürfe. Der Schlag, der die Akragantiner nun
treffen sollte, fiel doch nicht unverdient, wenn anders ernstes Streben mehr
Anspruch auf Glück verleiht^ als üppiges Nichtsthun.
Die Karthager gelangten ungehindert nach Sicilien und zogen sogleich
gegen Akragas , dessen Bewohner schnell die Feldfrüchte und alle bewegliche
Habe in die Stadt brachten. Der Feind nahm eine teste Stellung ein, der klei-
nere Theil des Heeres, die Iberer und einige Afrikaner , im Ganzen ungefähr
40,900, schlugen ^»auf einigen Hügeln«, d. h. im Osten der Stadt, ein festes
Lager auf, während der grössere Theil näher der Stadt, westlich von dersel-
ben , ein mit W>11 und tiefem Graben umgebenes Lager errichtete. Nun liess
Hannibal der Form wegen die Akragantiner auffordern , stob den Karthagern
anzuscbliessen oder wenigstens neutral zu bleiben ; sie lehnten es ab, und der
Kampf begann.
Akragas war nicht so schlecht gertlstet wie Himera und besonders Seli-
nus es vor drei Jahren gewesen waren. Die waffenfähige Mannschaft theilte
sich in zwei Corps, das active Heer und die Reserve. Dazu kam der Lakedä-
monier Dexippos mit 1500 Soldaten, den die Akragantiner aus Gela, wo er
lebte, berufen hatten, und die oben erwähnten kampanischen Söldner. Die
Lage der Stadt , deren Kenntniss vorausgesetzt werden muss , will man die
Belagerung derselben verstehen, ist im vorigen Bande geschildert worden. Ich
erinnere hier besonders an zwei wichtige Punkte, die beide durch den Plan
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90 Fünftes Euch. II. Fall von Akragas.
der Umgegend, welcher diesem Bande beigegeben ist, veranschaulicht werden.
Akragas war aus zwei Gründen eine äusserst feste Stadt. Es nahm erstens
eine isolirte Höhe von grosser Ausdehnung ein , und sodann überragte diese
Höhe weit die ganze Umgegend. Nur ari einem einzigen Punkte, nur da , wo
die Stadt an die Nekropolis stiess , beim sogenannten Ponte de' Morti, standen
die Mauern nicht auf höherem Boden , sondern auf gleichem Niveau mit der
Vorstadt. Diesen Theil der Mauer, und wahrscheinlich zunächst das Stück am
Ponte de' Morti, beschlossen die karthagischen Feldherren anzugreifen. Zwei
gewaltige Belagerungslhürme wurden einen Tag lang benutzt; in der Nacht
brachen die Akragantiner hervor und zündeten die Thürme an. Nun schlug
Hannibai einen neuen Weg ein. Er liess die Erde aufgraben, um einen Danim
zu schütten, auf welchem man bequem auf die Höhe der Mauer gelangen
wollte. Unglücklicherweise mussten bei dieser Gelegenheit viele Gräber um-
gewühlt werden, und in Folge der Blosslegung der Leichen brachen Seuchen
im Heere aus. Natürlich sahen die Priester darin eine Wirkung des göttlichen
Zornes über die Entweihung der Gräber, und der Umstand, dass das in dieser
Gegend gelegene Grabmal Theron's um dieselbe Zeit [von einem [Blitzstrahl
erschüttert wurde, ward damit in Verbindung gebracht. Der Schrecken mehrte
sich noch , da Hannibai selbst starb und die Wachen allnächtlich von Geister-
erscheinungen gequält wurden. Aber Himilkon verstand es, den Zorn der Götter
zu besänftigen. Das Niederreissen der Gräber musste aufhören, dem Eronos
wurde ein Knabe geopfert und für Poseidon eine Menge von Sühnopfem in's
Meer versenkt. Als sich nun Furcht und Krankheit legten , ward die Belage-
rung mit um so grösserem Eifer fortgesetzt. Man fuhr mit Aufschüttungen,
vielleicht etwas weiter südlich , fort und brachte so Maschinen an die Stadt-
mauer. Indess bereiteten die Syrakusaner eine kräftige Diversion vor. Nach-
dem Verbündete aus Messana und Italien angelangt waren , zog eine ansehn-
liche Streitmacht unter Daphnaios aus und vereinigte sich unterwegs mit
Kamarinäern, Geloern und Sikelern. Es waren zuletzt 30,000 Mann zu Fuss
und 5000 Reiter. Eine Flotte von 30 Schiffen begleitete das Heer. Ihm
sandte Himilkon die Ibere« und Kampaner und ausserdem 40,000 Mann an-
derer Truppen entgegen. Nicht sehr weit von Akragas stiessen die Heere auf
einander. Die Griechen siegten ; 6000 des karthagischen Heeres fielen ; die
übrigen ergriffen die Flucht , von den Griechen verfolgt. Doch dachte Daph-
naios an das bei Himera Vorgefallene und dehnte die Verfolgung nicht zu weit
aus. Dagegen hätten die Akragantiner die Pflicht gehabt, als die geschlagenen
Feinde sich der Stadt näherten, sie zu überfallen. Die Soldaten baten dringend
darum , aber die Feldherren weigerten sich aus Sorge für die Stadt, die sonst
in diesem Augenblick von Himilkon genommen werden könnte. So brachten
sich die Karthager in dem grösseren wohlgeschützten Lager bei der Stadt in
Sicherheit, während Daphnaios das andere, von den Iberern verlassene mit
seinen -Truppen bezog. Hierher strömten schnell die bewaffneten Akragantiner,
und es bildete sich eine förmliche Volksversammlung, in der der grtfsste Un-
wille tlber die Feldherren laut wurde , die sie nicht zur rechten Zeit hinaus-
geführt hätten. Der Kamarinäer Menes machte sich zum Wortführer der Un-
zufriedenen ; die Feldherren versuchten vergebens, sich zu vertheidigen. Der
Fall von Akragas. 9 1
empörte Haufe griff zu dem herkömmlichen Mittel der Volks- und Soldaten-
justiz — zu Steinen , und vi^r von ihnen wurden getodtet. Den fünften, Ar-
geios, rettete seine Jugend. Dexippos, den man als Spartaner nicht anzutasten
wagte, musste die heftigsten Schmähungen hören. So viel ist klar: da die
Akragantiner in dieser Weise vor der Stadt tagten, htttten sie auch zum Kampf
herauskommen können.
Die Griechen , welche sich jetzt als die Stärkeren fühlten , beabsichtigten
anfangs noch einen Angriff auf das karthagische Lager , als es sich aber als zu
fest erwies, begnügten sie sich damit, den Feind mit ihrer Reiterei zu um-
schwärmen und ihm den Proviant abzuschneiden. Bald entstand bei den
Karthagern ein Gefühl der Unbehaglichkeit , das sich in Widerwillen gegen
Unternehmungen äusserte, und, was noch schlimmer war, Mangel an Lebens-
mitteln. Nachdem die Belagerung Monate gedauert hatte und der Winter vor
der Thür stand, kam es vor, dass karthagische Soldaten Hungers starben. Ein
solcher Zustand war für Söldner unerträglich. Viele von ihnen, die Kampaner
an der Spitze , drängten sich vor das Feldhermzelt und forderten ungestüm
den gebührenden Proviant, sonst würden sie zu den Griechen übergehen. In
dieser Verlegenheit entwarf Himilkon einen Plan , dessen glückliche Ausfüh-
rung alles mit einem Schlage änderte. Er hatte gehört, dass von Syrakus Ge-
treide nach Akragas geschidLt wurde , erlangte von den Söldnern durch Ver-
pfändung der goldenen und silbernen Becher der im Heere dienenden Karthager
einige Tage Aufschub und griff mit 40 schnell aus Panormos und Motye her-
beigeholten Kriegsschiffen die griechische Flotte an, die er vollständig besiegte.
Acht syrakusanische Schiffe sanken, die übrigen flüchteten an den Strand,
aber sämmtliche Komschiffe fielen in seine Hände. Nun herrschte im Lager
Jubel , in Akragas um so grössere Niedergeschlagenheil. Die Hülfsvölker be-
gannen zu glauben , dass die Stadt sich doch nicht werde halten können, und
rechtzeitig gespendetes karthagisches Gold bestärkte sie in dieser Ansicht.
Die Kampaner waren die ersten , die 45 Talente als einen angemessenen Preis
ihres Uebergangs ansahen, sie zogen in's karthagische Lager. Dann machte der
Spartaner Dexippos für andere 4 5 Talente — ein Spartaner war natürlich so viel
werth wie 800 Kampaner — die Entdeckung, die ersieh beeilte den Feldherren der
Italioten im Heere mitzutheilen, dass man an einem so schlecht verproviantirten
Platze keinen Krieg führen könne ; Alle fanden deshalb, dass die Zeit, für die
sie sich verpflichtet, abgelaufen sei, und verliessen mit ihren Truppen die
Stadt. Nun waren nur noch sicilische Hülfsvölker in Akragas. Sie forschten
ihrerseits dem Proviant nach, und es zeigte sich selbstverständlich, dass er
nicht ausreichte, woraus sich dann ebenso natürlich der Beschluss ergab,
gleichfalls abzuziehen. Der Abfall sämmtlicher Bundesgenossen brachte die
Akragantiner von Sinnen. Statt den Versuch zu machen , die nicht einge-
schlossene Stadt besser zu verproviantiren — es hätten ja Weiber und Kinder
abziehen können — ward das Unglaubliche beschlossen, Akragas, dessen
Mauern noch unerschüttert standen, zu verlassen. In einer Nacht zog fast
Alles, was noch gehen konnte, aus Akragas foK. Die Alten und Kranken liess
man zurück , man wäre ja sonst mit ihnen umgekommen, rechnete sich da-
gegen die Strapazen des Weges hoch an. Die Flüchtigen gelangten ohne Unfall
92 Fünftes Buch. HI. Dionys. Erster Krieg desselben mit den Karthagern.
nach Gela , von wo sie später nach dem ihnen von den Syrakusanern über-
iassenen Leontini übersiedelten. — Manche hatten es jedoch nicht über^s Herz
bringen können, so feige die Stadt zu verlassen; sie tödteten sich selbst.
Einige waren in die Tempel geflüchtet oder sonst zurückgeblieben. Als nun
bei Tagesanbruch Himilkon in die Stadt einzog, liess er Alle, die er fand, auch
in den Heiiigthümern, tödten. Gellias hatte sich in den Tempel der Athene zu-
rückgezogen, in der Erwartung, dass der heilige Ort ihn schützen werde;
als er sah, wie die Feinde hausten, verbrannte er sich mit dem Tempel und
seinen Schätzen.
Die Beute , welche die Karthager in Akragas machten , war ungeheuer ;
Akragas war damals wohl die reichste aller hellenischen Städte. Der grösste
Theil des Erbeuteten ward an Ort und Stelle verkauft , das Werthvollste aber
schickte Himilkon nach Karthago, darunter auch den Stier des Phalaris.
Drittes Kapitel.
Dionys. Erster Krieg desselben mit den Karthagern.
So war denn nun schon die dritte grosse Stadt Siciliens in die Hände der
Karthager gefallen. Der Feind trat immer gewaltiger auf, die Vertheidigung
der Griechen ward immer schlaffer. Das nur von seinen Bürgern veitheidigte
Selinus hatten die Karthager in neunUigigem Sturme genommen ; in Himera
gaben Hülfstruppen das Beispiel der Desertion , und die der Hälfte ihrer Ver-
theidiger entblösste Stadt ward erstürmt; in Akragas endlich waren Alle, die
Hülfstruppen wieder an der Spitze, schimpflich geflohen. Die noch freien
Griechen auf Sicilien mussten ausser sich sein vor Entsetzen. Dass man Muib
hatte , dessen war man sich bewusst. Woher denn die schimpfliche Nieder-
lage, und wie war ähnliches in Zukunft zu vermeiden? Solche Gedanken er-
füllten besonders die Syrakusaner, die sich mit Recht als die Vorkämpfer Sici«^
liens betrachteten und jetzt die letzte Hofi'nung der Sikelioten waren. Der
Schrecken in Sicilien war so gross, dass Manche sogar über die Meerenge
nach Italien flohen; Andere aber suchten ihre Zuflucht in Syrakus. Hier
sprachen besonders die geflüchteten Akragantiner ihre Meinung dahin aus,
dass die Unfähigkeit der von den Syrakusanern ausgesandten Feldherren die
Schuld des ganzen Unglücks trage. Den Syrakusanern kam diese Anklage
nicht ganz unerwartet, und sie waren nicht abgeneigt, den Anklägern zu
glauben. Es lag sogar in diesen Anklagen etwas ihnen Wohlgefälliges: das
Eingeständniss , dass Syrakus die erste Stadt der Insel sei , der die Verant-
wortlichkeit für Glück und Unglück derselben zufalle. So war denn in der
syrakusanischen Volksversammlung, als man zu Verhandlungen über diesen
Gegenstand schritt , die Stimmung eine ganz eigenthümliche. Die Schuld der
Feldherren lag nicht klar vor, andererseits aber war das Gefühl allgemein,
Auftreten des Dionys. 93
dass, wenn -man auch nichts Einzelnes zu tadeln wisse , doch Alles nicht so
gehe, wie es sollte, und Alles besser werden müsse. Aber wo war zu ändern?
Niemand , der es aufrichtig meinte , hätte es auf der Stelle sagen können, er
hätte denn die richtige , aber entweder überflüssige oder bedenkliche Bemer-
kung machen wollen , dass für die schwierige Lage der rechte Mann zu finden
sei. Und dies war jedenfalls das Gefühl des Volkes , welches das Bedürfnis»
empfand, einem Führer zu folgen, ;dem es sein volles Vertrauen schenken
konnte.
Diese Lage der Dinge verstand Dionysios zu benutzen, dem wir schon als
Begleiter des Hermokrates begegnet sind. Er war von guter, jedoch keines-
wegs vornehmer Herkunft und bekleidete das Amt eines Schreibers einer
Behörde , noch jung , von ausserordentlicher Begabung und grosser Keckheit.
Er hatte es verstanden , sich bei der Partei des Hermokrates in Ansehen zu
setzen, und diese unterstützte ihn bei seinem ersteo Auftreten , da sie hoffen
mochte, selbst an^s Ruder zu kommen, wenn erst durch sein ungestümes An-
drängen die Demokraten gestürzt wären. Als nun in der Volksversammlung
Niemand das peinliche Schweigen der Verlegenheit brechen wollte, erhob sich
Dionys und klagte laut die Feldherren an. Im Verlaufe der Rede wurde er
immer heftiger und schloss nlit der Aufforderung, nicht die vorgeschriebene Zeit
der Untersuchung abzuwarten, sondern auf der Stelle ihnen eine Strafe aufzu-
legen. Eine solche Aufforderung, die Gesetze zu verletzen , konnten die Vor-
sitzenden nicht ungerügt lassen : sie belegten Dionys mit der für diese Fälle
festgesetzten Geldstrafe. Hier zeigte sich nun die Unvollkommenheit einer Ge-
setzgebung, die durch solche Mittel den Parteigeist bannen zu können meinte ;
ein reicher junger Mann , Philistos , der spätere Historiker , erhob sich und
erklärte laut, er werde diese Strafe für Dionysios zahlen, und ebenso alle an-
deren, die er sich an diesem Tage noch etwa für seine Reden zuziehen könne.
Das mehr als kecke Auftreten des Philistos erfüllte seinen Zweck vollkommen,
und Dionys konnte in seinen Anklagen fortfahren. Die Feldherren hätten, be-
stochen von den Karthagern, Akragas zu Grunde geben lassen; es seien aber
überhaupt die herrschenden Parteiführer in Syrakus anzuklagen , die nur nach
der Errichtung einer Oligarchie strebten. So wurde von der Partei des Her-
mokrates den Gegnern derselbe Vorwurf zurückgegeben, den diese im An-
fange des athenischen Krieges gegen ihn erhoben hatten. Dionys schlug nun
vor, in Zukunft nicht, wie bisher, die Angesehensten und Reichsten zu Feld-
herren zu wählen, sondern die dem Volke Wohlgesinnten, wenn sie auch arm
wären. So wäre man am sichersten, treue Diener des Staates zu haben. Man
that, was Dionys beantragte, wenigstens zum Theile : die Feldherren wurden
abgesetzt und neue gewählt, unter ihnen Dionys selbst; die andern neuge-
wählten gehörten jedoch derselben Partei an wie die alten.
Für Dionys war diese Würde nur eine Stufe zu Höherem. Er hielt sich
von seinen Mitfeldherren durchaus fern und verkehrte nicht einmal in Dienst-
angelegenheiten mit ihnen, weil sie, wie er sagte, mit den Karthagern Ver-
handtungen trieben, die er nicht billigen könne. Seine zurückgezogene Haltung
erregte unter einem Theile der Bürgerschaft gerechten Argwohn , der grosse
Haufe dagegen jubelte, als sei nun endlich der rechte Führer des Staates
V-.-
94 Fünftes Buch. III. Dionys. Erster Krieg desselben mit den Karthagern.
gefundeq. Sein nächster Schritt war sehr klug, da er durch ihn zugleich seine
Verpflichtungen gegen die Partei des Hermokrates erfüllte und seine persön- ^
liehen Pläne förderte. Er machte dem Volke den Vorschlag, alle Verbannten
zurückzurufen. Er sagte mit vollkommenem Rechte, es sei sonderbar, dass
man in der gefährlichen Lage, in welcher jetzt Syrakus und ganz Sicilien sich
befänden, aus dem Peloponne's und Italien Fremde zu Hülfe hole und sich
nicht der eigenen Mitbürger bediene , die, aus der Heimat verbannt und aller
Lebensfreuden beraubt, dennoch vorzögen , auf fremder Erde umherzuirren,
statt den Lockungen der Feinde zu folgen und gegen grossen Lohn in ihre
Reihen zu treten. Sie würden ihren Dank für die Rückberufung dadurch ab-
tragen, dass sie die Vaterstadt vertheidigten. Das Volk nahm den Vorschlag,
dem die übrigen Feldherren nicht entgegenzutreten wagten, an, und es kamen
Leute wieder nach Syrakus zurtlck, die bereit waren , zum Umstürze der Ver-
fassung die Hand zu bieten.
Nach diesem ersten Schritte machten es die auswärtigen Verhältnisse dem
Dionys bald möglich , einen zweiten zu thun. Die Stadt Gela , die nach der
Einnahme von Akragas durch die Karthager der erste Gegenstand ihrer An-
griffe sein musste, bat dringend um besseren Schutz. Dexippos war allerdings
dort, von Syrakus, das als die Führerin Siciliens handelte, zum Gommandan-
ten der im übrigen unabhängigen Stadt ernannt , aber konnte der Verräther
von Akragas Gela schützen? Dionys wurde mit 2000 Mann zu Fuss und 400
Reitern dahin geschickt. Er traf die Geloer durch innere Streitigkeiten heftig
aufgeregt. Es herrschte auch hier Hass zwischen den Reichen und dem ärme-
ren Volke, und Dionys, seinen Vortheil auch hier wahrnehmend, spielte
schnell dieselbe Rolle wie in Syrakus , nur mit grösserer Rücksichtslosigkeit
und vollständiger Hintansetzung der aristokratischen Partei. Er trat als Be-
schützer des Volkes auf, klagte die Reichen öffentlich des verrätherischen Ein-
verständnisses mit den Karthagern an, betrieb ihre Verurtheiiung und Hess sie
rasch tödten und ihre Güter einziehen. Mit dem so gewonnenen Gelde zahlte
er den Truppen des Dexippos ihren rückständigen Sold. Zugleich versprach
er den mit ihm selbst Gekommenen für die Zukunft das Doppelte der von Sy-
rakus ausgesetzten Löhnung. So wurden die Soldaten ihm gänzlich ergeben,
aber auch bei den Geloern ward er so beliebt, dass sie ihm aus Staatsmitteln
werthvolle Ehrengeschenke zuerkannten und Gesandte nach Syrakus schick-
ten , um dem Volke dieser Stadt die Wohlthaten , die sie von Dionys empfan-
gen, und die Art, wie sie ihn dafür geehrt, mitzutheilen. Es scheint, dass
Dionys anfangs den Plan hatte , sich in Gela eine Herrschaft zu gründen, und
nur durch den Widerspruch des Dexippos, der sich weigerte, dazu mitzuwirken,
an der Ausführung seines Planes verhindert wurde. Genug, nach einiger Zeit
hatte er in Gela keine Ruhe mehr, er benachrichtigte die Geloer von seiner
Absicht, mit seinen Truppen wieder nach Syrakus zu gehen, und als sie, das
Schicksal der Akragantiner fürchtend , ihn dringend baten, sie nicht im Stiche
zu lassen, versprach er ihnen, bald mit grösserer Macht wiederzukommen
und ging nach Syrakus. Als er hier ankam, war gerade Theater gewesen und
die Volksmenge auf dem Wege nach Hause. So wie man ihn erblickte , fragte
man ihn, was es Neues von den Karthagern gäbe. Dionys erwiderte, sie
Dtonys einziger Feldherr. 951
schienen zu glauben, die Karthager seien ihre gefährlichsten Feinde. Dem sei
nicht so; ihre schlimmsten Feinde wären in Syrakus selbst: ihre Fe1dheri*en,
die das Geld der Stadt in die Tasche steckten und die Truppen unbezahlt
liessen, und die, während die Karthager die gewaltigsten Vorbereitungen
gegen Syrakus machten, selbst alle Rüstungen vernachlässigten. Das habe er
alles auch schon früher eingesehen , jetzt sei er aber der Veranlassung auf die
Spur gekommen. Denn Himilkon habe einen Herold zu ihm gesandt, dem An-
schein nach wegen der Auswechselung der Gefangenen , in Wirklichkeit aber,
um ihm sagen zu lassen , er möge, wenn er nicht für ihn sein wolle , wenig-
stens nicht gegen ihn handeln , und sich nicht zu viel um das, was vorfiele,
kümmern. Da nun so die Feldherren ihr Vaterland verkauften, wolle er nicht
länger ihr Amtsgenosse bleiben. Die durch seine Worte Aufgeregten verbrei-
teten überall in der Stadt Angst über die drohende Zukunft. Am folgenden
Tage wurde eine Volksversammlung gehalten, und in dieser brachte Dionys
dieselben Beschwerden gegen die Mitfeldherren vor. Sie waren nicht ganz
unbegründet; die Thatsache wenigstens, dass Dionys erst die Truppen in
Gela mit ganz ausserordentlichen Mitteln hatte bezahlen müssen , sprach ent-
schieden gegen ihre Fähigkeit, wenn nicht gegen ihre Redlichkeit, auch war es
wenigstens seltsam , dass man Dexippos als Commandanten in Gela gelassen
hatte. Als die Anhänger des Dionys, der damals noch unter den angesehensten
Männern Freunde hatte , — es wird besonders eia gewisser Hipparinos ge-
nannt, von dem man sogar behauptete, er habe ursprünglich den Dfonys nur
vorgeschoben, um seine eigenen Absichten zu erreichen — sahen, dass das
Volk seinen Reden Beifall schenkte , wagten sie sich mit dem Antrage her-
vor, die gesammte Vollmacht des Feldherrencollegiums auf ihn allein zu über-
tragen, den einzigen, der die Stadt retten könne ; so sei einst das ungeheure
Heer der Karthager bei Himera von Gelon allein geschlagen worden. Das
Volk stimmte bei, und Dionys war einziger Feldherr der Syrakusaner mit un-
beschränkter Vollmacht in Allem , was sich auf den Krieg bezog. Er trat sein
Amt mit dem gern bewilligten Vorschlage an, den Kriegern doppelten Sold zu
zahlen; so erfüllte er sein in Gela gegebenes Versprechen.
So war denn auch der zweite Schritt geschehen ; Dionys hatte keine Gol-
legen mehr; ihm fehlte zur Tyrannis nur noch die Leibwache. Diese ver-
schaffte er sich durch dieselbe List, die einst Peisistratos angewandt hatte. Er
gebot allen waffenfähigen Syrakusanern unter 40 Jahren, mit Lebensmit-
teln für 30 Tage und ihren Waffen nach Leontini zu kommen, wo damals
viele Verbannte sich aufhielten, unter denen ^er leicht Anhänger zu finden
hoffte. Hier entstand in der Nacht in dem im Freien dicht bei der Stadt auf-
geschlagenen Lager ein grosser Tumult. Dionys stürzte aus seinem Zelt her-
vor, rief, man habe ihn ermorden wollen und floh auf die Akropolis, wo er
Feuer anzünden liess und die besten seiner Soldaten um sich sammelte. Am
nächsten Morgen strömten Alle , die in der Nähe w*aren (von dem syrakusa-
nischen Auijgebote fehlten Manche ) , nach Leontini zusammen ; Dionys wie-
derholte seine Erzählung von dem Mordversuche und brachte die Menge
— Syrakusaner, Fremde, die Leontini bewohnten, endlich Gesindel aller
Art — dazu, ihm eine Leibwache von 600 Mann anzubieten, die er sich selbst
96 Fünftes Buch. III. Dionys. Erster Krieg desselben mit den Karthagern.
auswählen könne. Er wählte über 4000, bewaffnete sie gut und verhiess
ihnen ein glänzendes Loos ; die Miethstruppen gewann er ebenfalls durch leut-
seliges Betragen und glänzende Versprechungen. Nachdem er seinen Zweck er-
reicht hatte, blieb er noch eine Zeitlang in Leontini ; dann ging er nach Syrakus
(405 y. Chr.). Warum aber duldete Syrakus seine Usurpation^ Die Nachricht,
dass er eine Leibwache habe, dass also die Tyrannis fertig sei, musste bald in
der Stadt verbreitet sein ; wenn man ihn zum Herrscher nicht wollte, warum
verschloss man nicht die Thore? Wir müssen es eingestehen: dass Dionys
Alleinherrscher von Syrakus wurde , geschah nach dem Willen der Mehrzahl
der Syrakusaner, die in ihm den Retter der Vaterstadt erblickten. Und wenn
das bisherige System zum Verluste von Selinus , Himera und Akragas geführt
hatte, konnte man es den Syrakusanern verdenken, dass sie es mit einem an-
dern versuchen wollten? Dionys war noch jung, und sehr fähig und ener-
gisch, warum sollte er nicht ein neuer Geion werden'?
Es darf hier die allgemeine Bemerkung gemacht werden , dass in so
aussergewöhnlichen Lagen, wie die war, in der sich Siciiien damals befand,
die unbeschränkte Demokratie sich noch stets unfähig gezeigt hat. Selbst eine
Aristokratie wie die römische , die doch mehr Zähigkeit und Tradition besass^
wählte dann einen Diktator. Frankreich hatte seinen Wohlfahrtsausschuss und
seinen Bonaparte. Siciiien, von den Karthagern mit dem Untergange bedroht,
konnte nur zur Tyrannis seine Zuflucht nehmen. Dass überdies der sicilische
Charakter die Tyrannis einigermassen begünstigte , kann nicht geläugnet wer-
den. Die Tyrannis verhält sich zum Königthum, vWie die Sophistik zur Philo-
sophie, und beide sind in gewisser Weise in Siciiien heimisch. Endlich ist
noch ein Umstand nicht zu übersehen , der die an sich für einen Nothfall we-
nigstens vorübergehend nothwendige und ausserdem in Siciiien sehr natür-
liche Tyrannis im vorliegenden Falle noch begreiflicher macht. Bei dem Kriege
der Griechen gegen die Karthager musste eine centrale Leitung auf giiechischer
Seite vorhanden sein* Sollten verschiedene unabhängige Staaten, die Ja da-
mals in Siciiien noch existirten, einen Bund so bilden, dass eine Stadt an der
Spitze stand? Das war unpraktisch; nur wenn die Leitung einer einzelnen
Person übertragen wurde, konnte sie die nöthige Kraft entwickeln. Es liegt
also die Nothwendigkeit der Tyrannis in diesem Falle wesentlich in dem wich-
tigen Umstände , dass es nicht eine Tyrannis von Syrakus, sondern von Sici-
iien war, das für einen wichtigen Zweck geeinigt werden musste, und doch
keine gemeinsame Verfassung besass. Für die Gründung der dionysischen
Tyrannis muss man den Siciliern Absolution ertheilen.
Noch von Leontini aus hatte Dionys einige wichtige Massregeln getroflen,
zu denen ausser der Zusammenberufung aller erreichbaren Söldner auch die
Entlassung des Dexippos gehörte, der seinen Plänen auch jetzt nicht dienen
wollte und es vorzog, nach seiner Heimath zurückzukehren. In Syrakus schlug
er — ein Zeichen der ergriffenen Tyrannis — seinen Wohnsitz in dem wohl
befestigten Arsenal auf. Er empfand das Bedürfhiss, sich mit einer angesehe-
nen Familie zu verbinden, und heiratbete deshalb die Tochter des berühmten
Hermokrates , während Polyxenos , der Schwager des Hermokrates , sich mit
seiner Schwester vermählte. Zugleich wurden, nach Beschluss der Volks-
Die Karlhager vor Gela. 97
Versammlung, Daphnaios und Demarchos*, seine Hauptgegner, hingerichtet,
405 V, Chr.
Inzwischen war Himilkon noch in Äkragas geblieben , dessen Häuser er
einstweilen verschönt hatte, damit sie seinen Soldaten als Winterquartiere
dienten. Als aber der Frühling des nächsten Jahres (405 v. Chr.) anbrach,
liess er die Tempel und Häuser der Stadt niederreissen und verbrennen und
alle heiligen Kunstwerke; die das Feuer verschonte, vei*stUmme]n und rückte
dann mit seiner ganzen Macht gegen Gela und Kamarina. Dieser Landstrich
war noch unverheert und bot den Karthagern reichlichen Unterhalt. .Sein
Lager schlug er, weit er es zuerst auf das näher gelegene Gela abgesehen
hatte, an dein gleichnamigen Flusse nahe bei der Stadt auf. Hier stand ausser-
halb Gela's auf dem jetzigen Mte Longo ein Tempel des Apollon mit einer
prächtigen ehernen Bildsäule des Gottes. Die Karthager entfernten sie aus
dem Heiligthum und schickten sie als Zeichen ihrer Anhänglichkeit an die
Mutterstadt nach Tyros. Ihr Lager umgaben sie mit einem Graben und einer
starken Verschanzung, da sie einem Angrifife des Dionys entgegensahen. Auch
die Geloer rechneten fest darauf, dass Dionys sein Versprechen halten würde,
und machten sich auf einen harten Kampf bis zu seiner Ankunft gefasst. Sie
entschlossen sich dazu, alle Weiber und Kinder nach Syrakus in Sicherheit
zu bringen, aber die Weiber Qüchteten, als man den Beschluss ausführen
wollte, an die Altäre des Marktes und setzten es durch, dass sie das Schicksal
der Männer theilen durften. Nun begann der Kampf. Die Geloer schickten
Abtheilungen aus, welche die ausserhalb des Lagers umherschweifenden Kar^
thager abfingen, .Himilkon aber griff Hiß Mauern der Stadt mit seinen Belage-
rungsmaschinen an. Sie hielten nicht gut Stand, aber die Tapferkeit und
Ausdauer der Geloer ersetzte Alles ; was am Tage niedergeworfen war, wurde
in der Nacht wieder aufgebaut, und Weiber und Kinder halfen dabei. End-
lich kam Dionys. Sein Heer bestand aus der Auswahl d^r syrakusanischen
Jugend» sicilischen Bundesgenossen, Hülfstruppen, welche die italischen Gi'ie-
chen geschickt hatten, endlich aus einer Schaar von Söldnern. Nach Ephoros
waren es im Ganzen 50,000, nach Timaios 30,000 Mann zu Fuss und 4000 Rei-
ter ; das Heer begleiteten 50 Kriegsschiffe. Er schlug sein Lager in der Nähe von
Gela am Meere auf und bemilht« sich eine Zeitlang, mit seinen leichten Trup-
pen und seinen Schiffen den Feinden durch Abschneiden der Zufuhr Schaden
zu thun ; nach Verlauf von 20 Tagen aber, als er sah , dass ihn diese Art der
Kriegführung nicht wesentlich förderte, beschloss er, zum Sturm auf das
feindliche Lager zu schreiten. Der mit grosser Ueberlegung entworfene Plan
war folgender: Er theilte sein Heer in drei Theilo : Sicilier, Italier .und
Miethstruppen. Die ersten sollten Gela nördlich umgehen und von da die
karthagische Verschanzung angreifen ; die Haiischen Verbündeten , die Stadt
rechts lassend, am Meere entlang gegen die Karthager marschiren; an der
Spitze der Miethstruppen endlich wollte er selbst die Stadt durchziehen und
die Mitte der feindlichen Stellung da , wo die Karthager ihre Belagerungsma-
schinen hatten, angreifen. Dieser dreifache Angriff sollte endlich noch durch
Reiterei im Norden und die Flotte im Süden unterstützt werden. Leider
pflegen Schlachtpläne, bei deren Ausfühi*ung es auf das gleichzeitige Eintreffen
Holm, a eseli. Siciliens II. 7
98 Fünftes Buch. IIT. Dionys. Erster Krieg desselben mit den Karthagern.
•
verschiedener Truppentheile ankommt, nicht selten zu scheitern. Das war
auch hier der Fall. Die Angriffe erfolgten nach einander, statt zu gleicher Zeit.
Zuerst waren die Schiffe an Ort und Stelle. Sie (O^iffeo an ; die hei der Ge-
gen wehr beschäftigten Karthager überraschle die Nachricht, dass die Italier
die Verschanzungen zu erstürmen begönnen. Die meisten wandten sich gegen
diesen neuen Feind, und nach einem hartnäckigen Kampfe wurden die schon
in das Lager Eingedrungenen wieder daraus vertrieben. Viel zu spät kamen
die Sikelioten nach dem längeren Wege um die Stadt am Lager an, und als
sie ihren Angriff kaum begonnen hatten , waren die Karthager schon mit den
Ilaliorn fertig geworden , von denen sie etwa 4000 niedermachten, wnhrend
die grössere Z^ahl, durch die Geschosse der Schiffsbesatzung geschützt, sich
zurückzog, und dieselben Truppen , Iberer und Kampaner, welche gegen die
Italier mit Erfolg gekämpft hatten, standen nun den Uebrigen gegen die Sike-
lioten bei und trieben sie nach Gela. Der Verlust der Sikelioten betrug 600.
Die Reiterei und die Geloer konnten unter solchen ümstiinden wenig leisten.
Wo] war aber während dieser Zeit Dionys mit seinen Miethstruppen ? Sie
waren angeblich nicht so schnell, als sie erwartet hatten, durch die Strassen
der Stadt gekommen , fanden, als sie in\s Freie gelangten , die Sohlacht schon
zu Ungunsten der Griechen entschieden und wurden von Dionys wieder in's
Lager zurückgeführt. So war denn der Erfolg des Tyrannen kein besserer, als
der der früheren , von ihm so schwer getadelten Feldherren. Man warf ihm
Verrätherei vor, doch ist es unglaublich, dass er, wenn es ihm m.öglich gewe-
sen wUre, den Ruhm eines Gelon zu erlangen, darauf verzichtet 4iabeD sollte.
Wir müssen annehmen, dass er sich absichtlich die beste und leichteste Rolle
vorbehalten hatte . die des Feldherrn , der mit frischen Kräften die schwan-
kende Schlacht zu seinen Gunsten entscheidet, und dass er aus übertriebener
Vorsicht den rechten Augenblick versäumte, denn dass er, durch die Stadt
marschirend, nicht, wenn er es gewollt, früher hätte auf dem Platze sein
können, ist unglaublich. Er beschloss Gela aufzugeben, aber die Geloer soll-
ten nicht in die Hände der Feinde fallen. Deshalb durften diese nichts davon
wissen, dass er fort wollte. Er schickte Boten zu ihnen, um für den morgen-
den Tag die Aufsammlung der Todten anzusagen , Hess dann aber bei Beginn
der Nacht die ganze Bevölkerung von Gela nach Syrakus aufbrechen und
folgte einige Stunden später mit dem grössten Theile seines Heeres. Nur etwa
SOOO Mann, leichte Truppen blieben bis zum Morgen iii der Stadt, um durch
grosse Feuer und Lärm den Karthagern jeden Gedanken daran zu nehmen,
dass Heer und Volk schon abgezogen seien, und ihnen so eine wirksame Ver-
folgung unmöglich zu machen. Bei Tagesanbruch, als auch die letzten grie-
chischen Truppen abgezogen waren , drangen die Karthager in Gela ein und
plünderten es.
Dionys zog zunächst nach Kamarina, dessen Bewohner ebenfalls nach
Syrakus wandern mussten. Die Massregel rechtfertigte -sich aus verschiedenen
Gründen. Es konnte nicht zweckmässig erscheinen, vor Kamarina einen
Kampf zu wiederholen, der vor Gela unglücklich abgelaufen war. Dann durf-
ten aber die Kamarinäer nicht den Karthagern überlassen werden. Ausserdem
war es vernünftig, in Syrakus, auf dem ja besonders die Rettung Siciliens
Bückzug des Dionys. 99.
beruhte, eine möglichst grosse Kriegerzahl zu sammeln, denn nur durch
Goncentration aller Kräfte konnte man hoffen , den furchtBaren Gegner zu be-
siegen. Endlich war die Massregel im speciellen Interesse des Dionys, der
erwarten durfte, umso mehr Anbänger zu haben, je mehr Fremde er nach
Syrakus brachte, die nur durch ihn eine neue Heimath erhalten hatten. Und
in der Massregel an sich lag für Sicilien nichts Befremdendes. War doch auch
unter Gelon und Hioron das Verpflanzen ganzer Stadtgemeinden etwas Ge-
wöhnliches gewesen. Freilich waren im Uebrigen die Verhältnisse nicht die-
selben. Jetzt geschah die Uebersiedelung in drängender Eile, fast unter den
Augen des Feindes, und welches Feindes! Niemand verschonten .die Kartha-
ger; scheussliche Misshandlung, Kreuzigung der Gefangenen war das Ge-
wöhnliche. Daher denn auch eine fast wahnsinnige Verwirrung, mit der man
die Heimath verliess. Manche Messen Hab und Gut im Stich , um nur die
Eltern und Kinder zu retten ; Andere dachten im Gegentheil an nichts als an.
ihre Schätze, schleppten Massen von Gold und Silber mit sich und Hessen in
der Furcht vor den Karthagern ihre kranken Verwandten in der verödeten
Stadt zurück. Wie nun im syrakusanischen Heere die, welche schon immer
gegen Dionys Widerwillen empfunden hatten, die Bevölkerung von zwei
grossen Städten in dem jammervollsten Zustande auf dem Wege nach Syrakus
erblickten, wurden sie von Wutb über ihn, dem sie das ganze Unglück Schuld
gaben, ergriffen. Vor allen waren die Reiter, Jünglinge aus den angesehenen
und wohlhabenden syrakusanischen Familien , heftig gegen Dionys erbittert.
Aber auch das übrige Heer, mit Ausnahme der Söldner, wollte von einem
Führer nichts mehr wissen,' den man als Verräther betrachtete, was man be-
sonders dadurch erwiesen fand, dass der Feind ihn nicht verfolgt hatte. Die
italischen Hülfstruppen verliessen Dionys und zogen der Meerenge zu, die
syrakusanischen Reiter aber lauerten auf eine Gelegenheit, den Tyrannen un-
terwegs anzufallen. Als sie aber sahen, dass seine Söldner ihn zu gut schütz-
ten , eilten sie nach Syrakus voraus , um dort mit einem Schlage seine Herr-
schaft zu stürzen. Sie kamen des Abends an. Man wusste noch nicht, was
bei Gela geschehen war; so konnten sie in die Schiffswerfte und in das feste
Haus des Dionys eindringen , wo sie sich seiner Schätze bemächtigten und
aus Wuth darüber, dass ihnen der Tyrann entgangen war, seine Frau so
furchtbar misshandelten, dass sie bald darauf starb. Sobald Dionys die Ent-
fernung der Reiter bemerkte, beschloss er durch die grösste Schnelligkeit ihre
Pläne wo möglich noch zu vereiteln. Mit einer kleinen Schaar von Getreuen,
400 Reitern und 600 Fussgängern , langte er um Mitternacht vor dem Thore
der Achradina an, das er verschlossen fand. Aber seine Feinde hatten es
nicht für nöthlg gehalten. Wache zu tbun , weil sie sich einbildeten , dass die
auf dem Marsche durch die Auflösung des Heeres entstehenden Verlegenheiten
dem Dionys nicht erlauben würden , es zu verlassen. Es handelte sich also
nur darum, das Thor zu öCfncn. Man fand Haufen Rohr liegen, welches die
Syrakusaner bei Bauten gebrauchten, und zündete sie an. So stürzte das Thor
zusammen; inzwischen waren aber auch noch mehr von seinen Soldaten
nachgekommen. Jetzt erst eilten die Reiter herbei, aber in zu geringer Zahl ;
es entspann sich ein Kampf auf dem Markte, der mit einem vollständigen Siege
100 FünTles Buch. III. Dionys. Erster Krieg desselben mit den Karlbagern.
des Dionys endigte. Die Söldner umzingelten die Reiter und machten sie
nieder. So sicherte* sich Dionys an demselben Platze seine Herrschaft, wo
er drei Jahre vorher in einer ähnlichen Nacht als Theilnehmer an einer ähn-
lichen Unternehmung verwundet unter den Todten liegen geblieben war. Er
nahm schwere Rache an seinen Feinden. Die Wenigen, die aus ihren Häusern
heraus ihn anfielen, wurden getödtet, noch in derselben Nacht Haussuchung
gehalten und seine Gegner theils umgebracht , theils aus der -Stadt entfernt.
Eine nicht unbedeutende Anzahl der ihm feindlichen Reiter zog nach der Stadt
Aetna. Am nächsten Morgen kam der Rest des Heeres in Syrakus an und fand
den Tyrannen ebenso mächtig wie zuvor; die Geloer und Kamarinäer aber
wollten ihn nicht zum Herrn haben und zogen nach Leontini zu den Akra-
gantinern.
Dies ist der Wendepunkt in der Geschichte des Dionys , ein Wendepunkt
.in seiner Parteistcllung und in seiner Handlungsweise überhaupt. Die Reiter,
die ihm feindlich gegenübertreten, sind Mitglieder der aristokratischen Partei,
der Dionys anfangs als Anhänger des Hermokrates angehört hatte. Aber er
war ihr nicht lange treu geblieben. In Gela hatte er den Umschwung begon-
nen , indem er die Reichen der Stadt vernichtete. Dass er einziger Feldherr
wurde und sich eine Leibwache gab, Hess ihn vollends als einen Abtrünnigen
und zwar der gefährlichsten Art den Aristokraten erscheinen, die ihn eben
deswegen um so mehr hassten, weil sie anfangs auf ihn gezählt hatten. Daher
die Wutb, mit der sie, als die Gelegenheit günstig scheint, über sein Haus
herfallen und seine Frau misshandeln. Dieser Wuthausbruch bringt dann
wieder als natürliche Reaction die Grausamkeit des Dionys gegen seine ehe-
maligen Freunde hervor. Als Renegat gehasst , wird er von den Aristokraten
empfindlich verletzt ; seitdem verfährt er ebenso gegen sie und wird der Ty-
rann, den die Geschichte kennt.
In Folge seines Sieges bei Gela und der Auflösung des grossen Heeres des
Dionysios konnte Himilkon über Kamarina bis gegen Syrakus vordringen.
Ohne Zweifel ging er mit dem Plane um , auch diese Stadt zu belagern und
einen neuen Triumph seinen früheren hinzuzufügen; aber eine Pest brach in
seinem Heere aus^ die es ihm wünschenswerth machte, zu einem Friedens-
schlüsse zu kommen. Dionys ging gern darauf ein, und der Friede wurde
unter folgenden Redingungen abgeschlossen : Die Karthager behalten ihr und
ihrer Kolonisten ursprüngliches Gebiet auf Sicilien; ihnen gehorchen ferner
die Sikaner; die Selinuntier aber, die Himeräer, Akragantiner, Geloer und
Kamarinäer können in ihre Städte zurückkehren , die sie jedoch nicht befesti-
gen dürfen, und für welche sie den Karthagern Tribut zu zahlen haben;
selbständig sind die Leon tiner, Messenier und alleSikeler; Syrakus endlich
wird als dem Dionys unterthänig anerkannt. Eroberte Schiffe und Gefangene
sollen von beiden Seiten herausgegeben werden. Uebrigens scheinen die Kar-
thager im Norden der Insel doch ihr Gebiet ein wenig ausgedehnt zu haben,
wie wir alsbald sehen werden , wenn von Halaisa die Rede sein wird. Der
Punkt von der Freiheit der Sikeler ist dagegen ein Reweis der Klugheit des
Dionys, der gerade in ihnen sich eine feste Stütze seiner Herrschaft schaffen
wollte. — Nunmehr fuhren die Karthager nach Afrika zurück, nachdem sie
Befestigung der Macht des Dionys. 101
durch die Pest mehr als die Hälfte ihrer Truppen verloren hatten ; aber auch
in Afrika wülhete die Seuche noch unter dem Heere fort. Dies war das Ende
des ersten Krieges des Dionys mit den Karthagern, aus dem er zwar nicht mit
dem Ruhm eines Gelon , wohl aber mit der Sicherung seiner Herrschaft in
Syrakus und der Anerkennung derselben durch die Karthager hervorging.
(Ol. 94,1 -404 vor Chr.)
Viertes Kapitel.
Befestigung der Macht des Dionys. Seine Rfistnngen.
Zunächst handelte es sich für Dionys darum, sich in Syrakus gegen jeden
Handstreich seiner Feinde, der Aristokraten, zu sichern, und er erreichte dies
durch eben so rücksichtslos wie zweckmiissig gewählte Mittel. Er machte Or-
tygia zum Centrum seiner Macht. Er sonderte es nach der Landseite durch eine
hohe und starke, mit vielen festen ThUrmen versehene Mauer ab, vor der er
geräumige Hallen errichtete, um die Verproviantirung der Insel zu ermög-
lichen, ohne dass die Verkäufer bis in ihr Inneres zu kommen brauchten. Die
Mauer umfasste auch das nördliche Ufer des kleinen Hafens , wo sich das Ar-
senal mit 60 Kriegsschiffen befand, und der durch von beiden Seiten her
gezogene Dämme, welche nur eme schmale Oeffnung Hessen, vollkommen ge-
schützt war. Hier sind noch die Spuren der Schißshäuser des Dionys, recht-
eckige Fundamente von der Breite einer Triere, sichtbar. Unmittelbar an
diesen Kriegshafen stiess das eigentliche Residenzschloss , das also besonders
den Isthmus eingenommen bat — eine Verbindung von Schloss und Arsenal,
welche die Communication nach aussen offen hielt und unter ähnlichen poli-
tischen Verhältnissen in dem modernen Neapel ihre Nachahmung gefunden
hat. Aber es sollte auf der Insel auch Niemand anders wohnen als seine An-
hänger. Die bisherigen Einwohner wurden entfernt und ihre Häuser seinen
Söldnern und sonstigen Getreuen gegeben, die also nur durch die Vorhöfe
und Gänge der Burg mit der übrigen Stadt in Verbindung waren. Indessen
genügte es dem Dionys nicht, ein riesiges, gut ausgerüstetes Schloss zu haben,
die Bürgerschaft der Stadt musste ihm ergeben sein, und da das jetzt nur zum
Theil der Fall war, musste sie reorganisirt werden. Sie ward zunächst durch
ihm ergebene Söldner und freigelassene Sklaven vermehrt und dann eine Neu-
vertheilung alier Grundstücke vorgenommen , wobei natürlich die ihm Erge-
benen das Beste erhielten. So waren die feindlichen Aristokraten , soweit er
' sie nicht hatte tödten oder entfernen können , wenigstens arm gemacht. Das
Verfahren widerstritt nicht dem Staatsrecht des Alterthums, welches die Om-
nipotenz des Staates allerdings selten so weit getrieben hat.
Als Dionys so seine Macht in Syrakus selbst befestigt hatte , wandte er
sich zu neuen Unternehmungen. Er wollte das nichtkarthagische Sicilien in
» , - i-
102 Fünrtes Buch. IV. Befestigung der Macht des Dionys. Seine Rüstungen.
seine Gewalt bringen , um dann gelegentlich wieder die Karthager angreifen
zu können. Welches im Einzelnen seine wohlerwogenen Pläne waren, lehrte
später die That, für's erste ward er in ihrer Verwirklichung unangenehm ge-
stört. Er zog gegen die Sikeierstadt ilerbessos. Nun waren unter seinen Trup-
pen syrakusaniscbe Bürger, bei denen manch scharfes Wort gegen den Tyran-
nen fiel. Der ünterfeldherr Dorichos suchte anfangs durch Scheltworte die
Tumultuanten zur Ruhe zu bringen, und als er noch schärfere Antworten
hören musste , drohte er mit Schlägen. Da wallte der Zorn der Beleidigten
auf; sie erschlugen Dorichos, erklärten Syrakus für frei und schickten um
Hülfe zu den Reitern in Aetna. Dionys erschrak über diesen Aufstand und
kehrte schnt^U , wie er es immer in Zeiten der Noth zu thun pflegte, mit den
ihm treu gebliebenen Truppen in den Sitz und die Quelle seiner Macht, die
Burg von Syrakus, zurück. Die Empörer wählten die Mörder des Dorichos
zu Feldherren und errichteten in Gemeinschaft mit dei^ Reitern aus Aetna ihr
Lager in Epipolae, von wo sie Dionys, der auf seiner Insel eingeschlossen war,
alle Verbindung mit dem Lande abschnitten. Dann schickten sie nach Messana
und Rhegion, die gerade damals eine Flotte von 80 Kriegsschiffen unterhielten,
und erlangten es, dass ihnen diese zu Hülfe geschickt wurden. Sie begannen
die Belagerung der Insel, setzten einen Preis auf den Kopf des Tyrannen und
verhiessen allen Söldnern, die von Dionys abfallen würden, das Bürgerrecht.
Wirklich begann unter diesen der Abfall einzüreissen , und Dionys, muthlos
geworden, soü seinen Vertrauten erklärt haben, er habe nur noch den Wunsch,
mit Ehren zu sterben. Da erklärte Heloris , nach Einigen sein Adoptivvater,
das beste Sterbekleid sei die Tyrannis, und Polyxenos schlug vor, Dionys
möge schnell in^s karthagische Gebiet eilen, wo noch die Kampaner seien, die
iiimilkon als Besatzung in Sicilien zurückgelassen habe, worauf aber Philistos
bemerkte, für einen Tyrannen passe es nicht, auf flüchtigem Rosse zu fliehen,
sondern, wenn man ihn verdrängen wolle, sich mit aller Macht dagegen zu
sträuben. So beschloss Dionys denn, auszuharren. Er Hess den Feinden sagen,
er wolle die Insel räumen, wenn man ihn mit den Seinen unbehindert ab-
ziehen Hesse ; zugleich aber machte er den Kampanern , deren Wohnsitz das
später nach Archonides benannte Halaisa gewesen zu sein scheint, den Antrag,
zu ihm zu stossen; sie sollten den Lohn für ihre Hülfe selbst bestimmen. Die
Syrakusaner erklärten sich wirklich bereit, den Tyrannen mit fünf Schiffen
abziehen zu lassen , schickten die Reiter fort und lockerten alsbald ihre Disci-
plin gänzlich, gleich als ob schon Alles vorbei sei. Die Kampaner waren in-
dess auf die Vorschläge des Dionys eingegangen. Sie zogen zuerst nach Agy-
rion, mit dessen Herrscher Agyris sie freundschaftliche Beziehungen un-
terhielten und Hessen ihr Gepäck dort. Dann eilten sie — es waren 1200
Reiter — schleunigst nach Syrakus. ünvermuthet überfielen sie die Syraku-
saner, durchbrachen ihre Werke und gelangten zu Dionys, bei dem um
dieselbe Zeit auch 300 Söldner zu Schiffe eintrafen. Nun ehtstand unter den
Syrakusanem Uneinigkeit; Einige wollten die Belagerung aufheben, Andere
sie fortsetzen. Das benutzte Dionys, führte seine Schaaren heraus und schlug
die Syrakusaner in Neapolis. Es kamen nicht viele seiner Gegner um, da
Dionys , um sie zu gewinnen , selbst umherritt und dem Morden Einhalt that.
Büodoiss des Dionys mit Sparta. 103
So war Syrakus wieder in seioer Gewalt. Die Geschlageneu zerstreuten sich
anfangs über das Land, bald aber sammelten sie sich^ etwa 7000, bei den
Reitern. Dionys liess seine gefallenen Feinde bestatten und die Flüchtlinge in
Aetna unter dem Versprechen der Schonung zur Rückkehr auffordern. Einige,
die in Syrakus ihre Familie zurückgelassen hatten , folgten der Aufforderung,
die Uebrigen aber weigerten sich und gaben auf die Erwähnung der von
Dionys den Gefallenen erwiesenen Ehre die höhnische Antwort, er sei derselben
Ehre würdig, und sie wünschten , dass sie ihm recht bald zu Theil werde.
Uebrigens behandelte der Tyrann die nach Syrakus Zurückkehrenden gut.
Die Kampaner entliess er reich beschenkt. Diese zogen nach Enteila. Freund-
lich aufgenommen, überfielen sie plötzlich in der Nacht die Einwohner, er-
mordeten die jüngeren Männer und bemächtigten sich der Frauen und Jung-
frauen, die sie heiratheten. So gründeten sie sich, ohne viele Umstände, eine
neue Heimath. Dies ist das erste Beispiel gewaltsamer Niederlassung italischer
Männer auf Sicilien , seitdein Griechen dort wohnten; das erste Zeichen eines
Umschwungs in den Bevölkerungsverhältnissen der Insel und der Machtstel-
lung ihrer Bewohner. Aehnlicbes wird uns bald wieder begegnen , und die
Bevölkeningsverhältnisse der Insel werden noch mehrfach der Gegenstand
unserer Aufmerksamkeit sein ; hier muss nur noch bemerkt werden, dass die
Art und Weise, wie diese Italiker sich in der fremden Stadt eine Heitnath
bereiten, bei ihnen herkömmlich war. So hatten sie es in Kyme gemacht, und
Enteila war picht die letzte Stadt, die so behandelt wurde.
Seinen neubefestiglen Thron sicherte Dionys besonders durch ein enges
Bündniss mit den Spartanern. Es ist bekannt, wie sehr Sparta früher allen
Tyrannen feind war, damals aber befolgte es eine ganz verschiedene Politik.
Es war ihm, statt um freie Bundesgenossen, vielmehr um Unterthanen zu
thun , und wenn die Städte , die es sich zu unterwerfen strebte , bis dahin
demokratisch regiert gewesen waren, so setzte es ihnen oligarchische Gebieter
ein, aus denen leicht Tyrannen wurden. Sparta war entartet und beförderte
die Entartung bei andern Staaten. So tyrannisirten die Dreissig im Sinne
der Spartaner Athen ; so unterdrückten später die despotischen Oligarchen^
welche Pelopidas stürzte, im Einverständniss mit Sparta Theben, und so be-
günstigten auch jetzt die Spartaner, wenngleich nicht offen, aber darum nicht
weniger kräftig, den Tyrannen Dionys, an dem sie einen treueren Freund und
unter Umständen einen ergebeneren Diener zu haben erwarteten , als an der
syrakusaniscben Demokratie. Es war die Politik des Lysander, die jetzt auch
im Westen zur Anwendung kam, und Lysander selbst bat, wenn auch viel-
leicht nicht das Bündniss mit dem Tyrannen von f^yrakus geschlossen, so doch
bald darauf als Gesandter in Syrakus wesentlich für seine Befestigung gesorgt.
Wir hören von persönlichen Beziehungen privater Art zwischen beiden Männern.
Einmal machte Dionys dem Spartaner prächtige Gewänder für seine Töchter zum
Geschenk, aber Lysander nahm sie nicht an ; ein anderes Mal aber, als Lysander
in Syrakus als spartanischer Gesandter zwei Gewänder zur Auswahl für seine
Tochter vorgelegt erhielt, nahm er sie beide; die Tochter werde selbst am
besten wählen. Wie es auch um die Authenticität solcher Geschichten stehen
mag, von denen die eine ofiTenbar nur eine Variation der anderen ist, die
104 Fünftes Buch. IV. Befestigung der Macht des Dionys. Seine Rüstungen.
engen Beziehnngen zwischen Dionys und Sparta sind ein wichtiges Factum.
Wir werden spdter sehen, inwiefern Sparta daraus Nutzen zog ; zunächst hatte
Dionys Vortheil davon, einmal, indem er so im Peloponnes leichter Söldner
werben konnte, und sodann in Syrakus selbst, wo Sparta's Einfluss das wi~
derstrebende Volk in Schranken hielt. Durch die Verfolgung einer solchen
Politik trat übrigens Sparta der Mutterstadt von Syrakus , Korinth , das stets
ein lebhaftes und uneigennütziges Interesse am Gedeihen seiner mächtigsten
Kolonie bewies, feindlich gegenüber, obschon diese Feindschaft von spartani-
scher Seite sorgfältig versteckt wurde. Es kam sogar in Syrakus selbst zwi-
schen beiden zu einem Conflict , der aber in aller Heimlichkeit verlief. Der
spartanische Gesandte Aristos musste scheinbar auf alle Plane der Syrakusa-
ner, ihre Freiheit wieder zu erlangen, eingehen, im Stillen aber ihnen um so
kräftiger entgegenarbeiten und die Einwohner an den Tyrannen verrathen,
und als der Korinther Nikoteies im Gegensatze zu ihm gar zu sehr die republi-
kanische Partei in Syrakus ermuthigte, sorgte Aristos dafür , dass der unbe-
queme Freiheit^freund ermordet wurde. Die schmählichste Rolle war diesmal
nicht die, welche der Tyrann von Syrakus spielte , welcher um dieselbe Zeit,
eifrig beschäftigt, durch eine neue Mauer um seine Burg, durch Herbeiziehung
von Söldnern und Ausrüstung von Kriegsschiffen seine Macht zu vermehren,
die Erntezeit, wo die Bürger auf dem Lande waren, benutzte, um ihnen die
noch in den Häusern versteckten Waffen wegzunehmen. Sparta hat seine
Rolle als offener Freund von Syrakus und heimlicher Gönner de^ Tyrannis
daselbst so lange fortgeführt, als es mächtig genug war , um überhaupt nach
aussen wirken zu können , und als es Dionyse in Syrakus gab. Ebenso treu
ist aber auch Korinth der selbstgewählten Aufgabe geblieben , diö syrakusa-
nische Freiheit zu schützen , und es hat zuletzt noch seiner Pflanzstadt den
grössten Dienst geleistet^ indem es ihr Timoleon sandte. Wir werden auf die
interessanten Beziehungen zwischen den syrakusanischen und hellenischen
Verhältnissen mehrfach zurückkommen und wenden uns jetzt wieder zu
Dionys.
Dieser dachte im nächsten Jahre (403 v. Chr. Ol. 94,2) wieder an seine
durch den Aufstand der Syrakusaner unterbrochenen Kriegspläne.. Diesmal zog
er zuerst gegen Aetna , das sich ihm ergeben musste. Dann wandte er sich
gegen Leontini , das uns bei dieser Gelegenheit wieder als chalkidische Stadt
bezeichnet wird, und wohin also, entweder in Folge des Friedens mit den
Karthagern oder schon vorher einige von den alten Bewohnern zurückgekehrt
waren. Er schlug sein Lager am Terias auf und forderte von den Leontinern,
sich ihm zu ergeben. Sie weigerten sich, und da Dionys keine Maschinen mit-
genommen hatte , so begnügte er sich mit der Verwüstung des Gebietes und
zog dann gegen die Sikeler, wobei seine eigentliche Absicht war, die Katanäer
und Naxier sicher zu machen , um bei günstiger Gelegenheit über sie herzu-
fallen. Er kam in die Gegend von Henna und machte mit Aeimnestos, einem
angesehenen Hennäer, einen geheimen Vertrag über die Herrschaft dieser
Stadt, die Aeimnestos sich erringen und mit Dionysios theilen sollte. Aeimne-
stos führte seinen Anschlag aus , war aber dumm genug zu meinen, er könne
Dionys betrügen, und wollte ihn nicht in die Stadt lassen. Nun reizte Dionys
Katane und Naxos unterworfen. Halaisa gegründet. J05
die Hennäer gegen ihren Herrscher. Es entstand ein Zusammenlauf auf dem
Markt, und diesen Augenblick benutzte Dionys, um in Henna einzudrin-
gen; er bemächtigte sich des Aeimnestos und überlieferte ihn seinen Feinden.
Dann verliess er die Stadt , zufrieden , sie zu beeinflussen , ohne sie direct
zu beherrschen ; er wollte den sikelischen Städten Lust machen , sich ihm
anzuvertrauen. Nach einem vergeblichen Versuche gegen Uerbita zog er so-
dann gegen Katane, dessen Feldherr Arkesilaos ihn in der Nacht in die Stadt
führte y worauf Dionys den Bürgern die Waffen nahm und eine hinreichende
Besatzung zurückliess. Ebenso erwarb er durch Verrath des Prokies Naxos.
Die Stadt wurde geplündert, die Mauern und Häuser niedergerissen, die Ein-
wohner zu Sklaven gemacht. Das.Gebiet bekamen die Sikeler. Die Stadt ist
seitdem nicht wieder bewohnt worden. Aehnlich verfuhr er nachträglich auch
mit Katane, nur Hess er die Häuser stehen, die er Kampanern als Wohnsitz
anwies: zweites Beispiel der Niederlassung von Italikern in Sicilien, bald
nach der Besetzung von Entella. Nun kehrte Dionys wieder nach Leontini zu-
rück und fordeite die Einwohner von neuem zur Uebergabe auf ; er wolle
ihnen gestatten, in Syrakus als Bürger zu wohnen. Die Leontiner bedachten,
dass, wenn ihre Stadt erobert würde ^ sie dem Schicksal der Katanäer. und
Naxier nicht entgehen könnten , und nahmen die Bedingungen des Dionys an,
der sein gegebenes Wort hielt. Wir müssen gleich hier bemerken, dass er im
Jahre 404 v. Chr. um den Tempel des Hadranos am Aetna die Stadt Hadranon
gründete, die einerseits verhindern sollte, dass in dem nahen Aetna sich wie-
der Feinde niederliessen , und sodann bestimmt war, den Sikelern einen Be-
weis zu geben, wie sehr der Tyrann ihre Religion und ihre Eigen thümlich-
keiten zu achten verstand. So zeigte er sich denn auch schon im Jahre 403
bereit, mit der sikelischen Stadt Herbita, dW er hatte erobern wollen, einen
Frieden abzuschliessen. Sie war unter der Regierung des Archonides — wohl
eines Enkels des früher (S. 39) erwähnten Fürsten dieses Namens — mächtig
und volkreich. Nun hatte Archonides auch Mielhstruppen in Sold genommen,
und ausserdem war aus Furcht vor Dionys eine Menge Volkes in die Stadt gezo-
gen, die eine sichere Zufluchtsstätte gegen den Tyrannen von Syrakus zu bieten
schien. All dieses Volk wurde nach geschlossenem Frieden der Stadt zur Last,
und Archonides beschloss, mit ihm eine Kolonie zu gründen. Er wählte einen
nur acht Stadien vom Meere an der Nordküste unfern von dem von seinem
Grossvater mitterbaulen Kaiakte (Bd. 1. S. 260) gelegenen Hügel, auf welchem
bereits vor zwei Jahren jene kampauischen Söldner, die Himi Ikon beim Frie-
densschlüsse mit Dionys in Sicilien zurückgelassen hatte, eine Stadt unter
dem Namen Halaisa gegründet hatten. Sie waren nach geleistetem Dienste
Herren von Entella geworden , und so halte der Ort , der nur ein Jahr volk-
reich gewesen war , jetzt keine oder wenige Einwohner. Archonides nannte
seine Kolonie nach seinem Namen Halaisa Archonideios, wie Diodor sagt, um
sie von andern sicilischen Orten desselben Namens zu unterscheiden, in
Wirklichkeit wohl vielmehr, um sie als in eine ganz neue Epoche eingetreten
zu bezeichnen. Später wurde Halaisa wegen der günstigen Lage am Meere und
der von den Römern gegebenen Steuerfreiheit bedeutender als die Mutterstadt,
weshalb die Halaisiner ihre Abstammung von den Herbitensem zu verläugncn
106 KüDftes Buch. IV. Befestigung der Macht des Dionys. Seine Rüstungen.
pflegieD y obwohl die häufigen Familien Verbindungen , die zwischen beiden
Städten auch in späterer Zeit vorkamen, und die Gleichartigkeit der Riten
beim apollinischen Gultus die Verwandtschaft bewiesen. Noch sind auf einer
Anhöhe, östlidi von der Stadt Tusa, geringfügige Ueberreste des alten Halaisa
vorhanden, das nach den Mauerresten einen Umfang von etwa zwei Millien hatte.
. Wir sind nun im Stande , das Princip, nach dem Dionys seit der Befesti-
gung seiner Macht auf Ortygia in seinen Beziehungen zur Osthälfte von Sici-
lien verfuhr, 'zuerkennen und zu würdigen. Er vernichtet die hellenischen
Gemeinwesen , er schont die sikeiischen , er grttndet italische. Wir können
seine Tendenz kurz so ausdrücken : er will nicht sowohl Grieche sein, als Si-
cilier. Deshalb hat er nichts dagegen , das in Sicilien aufstrebende italische
Element dadurch zu stärken , dass er die alte Griechenstadt Katane an Kam-
paner gieht, deshalb gründet er beim sikeiischen Tempel des Hadranos eine
Stadt, wie einst Duketios eine solche am See dei* Paliken gegründet hatte.
Man verstehe uns nicht falsch. Er will nicht aufhören , Grieche zu sein ; aber
er hat eingesehen, dass zwischen den Hellenen und den hellenisiiten Sikelern
kein Rangunterschied mehr sein darf, und dass die Sikeler ebenso gut auf
seinen Schutz Anspruch haben , wie die Griechen ; er hat gefunden, dass die
Kampaner sehr gut zu den stammverwandten Sikelern stimmen und deshalb
ebenso gut wie diese in das grosse sicilische Reich passen, dessen Herrscher
er sein will. So hatte einst Phalaris sich den Sikanern gegen die Karthager als
Führer angeboten. Natürlich spielte Dionys seine Rolle nicht so, dass ihm die
Griechen und speciell die Syrakusaner wegen außallender Bevorzugung der
Barbaren hätten gram werden können. Syrakus blieb hellenisch , und die
Syrakusaner hatten seit den letzten Kriegen sich als die einzig bedeutenden
Hellenen Siciliens belraciiten gelernt. ,
So war und blieb denn auch Dionys der von den Syrakusanern aner-
kannte Führer. Sie begriffen mehr und mehr seinen wahren Werth, sie sahen
auch, dass er nicht grausam war, bloss aus Lust am ßlutvergiessen ; hatte er
doch zu rechter Zeit auch Milde walten zu lassen verstanden. Er blieb trotz
dem, was im Kriege mit den Puniern vorgefallen war, immer noch der geeig-
netste Feldherr gegen Karthago, und da der Kampf gegen/ die Punier allgemein
als eine unvermeidliche Sache angesehen wurde, der Mann der Situation.
Aber auch seine eigenen Gedanken w^iren unaufhörlich gerade auf diesen
Punkt gerichtet. Es lag ihm daran, die Scharte von Gela auszuwetzen, zu
zeigen, dass er kein Verräther gewesen war, dass in ihm noch das Zeug zu
einem Gelon stecke. Zunächst jedoch war ihm klar, dass, um mit den Kartha-
gern erfolgreich kämpfen zu können, noch ganz andere Vorbereitungen nötbig
seien. Vor allen Dingen war Syrakus selbst noch nicht hinlänglich geschützt.
Hier hatte schon der athenische Krieg werthvolle Fingerzeige gegeben. Da-
mals wäre es beinahe durch eine Mauer von der Verbindung mit dem Lande
abgeschnitten worden , und zwar nur deswegen, weil die Höhe von Epipolae
ausserhalb der städtischen Befestigungen lag. Und welchen Schaden hatte
nicht ihm selbst noch vor kurzem Epipolae zugefügt! Dagegen wai^ die Stadt
fast uneinnehmbar, wenn Epipolae mit in den Bereich der Festungswerke ge-
zogen wurde, die sich in den Händen des Gebieters von Syrakus befanden.
Befestigung von Syrakus. 107
Dies durchzuführen , war das Ziel des Dionys ; die Schwierigkeiten der Auf-
gabe aber waren gross. Der Gipfelpunkt von Epipolae ist nicht weniger als
^4 einer deutseben Meile von dem Meere, wo die Mauer anzufangen hatte,
entfernt ; welche Arbeit, welche Kosten erforderte nicht ein solcher Bau ! Wie
wahrscheinlich war es, dass er, in gewöhnlicher Weise geführt, durch unvor-
hergesehene Hindernisse unterbrochen und schliesslich aufgegeben werden
musste ! Dionys beschloss deshalb, zunächst den Nordabhang zu befestigen,
und zwar mit der grössten Schnelligkeit, 409, Ol. 94,3. Sein Gebot trieb die
ärmeren Freien des syrakusanischcn Gebiets zusammen, unter denen er 60,000
der kräftigsten für die Arbeit auswählte. Die ganze zu bauende Strecke vom
Meere bis auf die Höhe betrug 30 Stadien, 18,000 Fuss. Sie wurde in 180
Abschnitte getheilt, jeder ein Plelhron — 400 Fuss »lang, und für jeden dieser
Abschnitte wurden 200 Arbeiter, über die ein Maurermeister die Aufsicht
führte, angestellt; den Bau von je 6 Abschnitten leitete ein Architekt. So
waren 36,000 Menschen beim Errichten der Mauer beschäftigt, die Uebrigen
hatten die Steine zu brechen und sie auf 6000 Wagen nach den Orten, wo sie
gebraucht werden sollten, zu schaffen. Das Schauspiel eines von so viel Men-
schen ausgeführten Baues zog natürlich alle Syrakusaner als Zuschauer herbei,
um so mehr, da Dionys durch sein eigenes Beispiel die Arbeitenden anfeuerte.
Er^ar den ganzen Tag, von seinen Vertrauten umgeben , bei dem Baue an-
wesend, und legte selbst Hand an, wenn es galt, einen Ermatteten abzulösen.
Der Sold war ungewöhnlich hoch. Daher war auch der Eifer so gross, dass
Manche noch in der Nacht weiter arbeiteten. Die Mauer wurde in 20 Tagen
vollendet. Sie bestand aus Quadersteinen und trug in abgemessenen Zwi-
schenräumen hohe ThUrme. So war denn wenigstens eine Hälfte der nölhigen
Bauten fertig ; das Uebrige behielt der Tyrann sich fUr eine gelegenere Zeit
vor. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass die Steine zu diesem Bau in Syra-
kus selbst gebrochen wurden ; die Latomie BufTalaro in Epipolae kann damals
angelegt sein. Die Mauer selbst ist noch in ihren unteren Lagen vorhanden,
von denen zu wünschen wäre, dass sie sorgfältig erhalten würden, und dass
man durch einen daneben angelegten , wenn auch nur schmalen Weg es dem
forschenden wie dem geniessenden Reisenden möglich macht«, ohne allzu
grosse Beschwerden auf den Spuren der Arbeit des Dionys zu wandern und
die herrliche Aussicht zu geniessen , die sich von hier auf die sicilische Küste
und den Aetna darbietet.
Nachdem Dionys dies Vertheidigungswerk beendigt und im Jahr 404
seine Söldnerschaar durch eine Anzahl aus Naupaktos und Kephallenia von
den Spartanern vertriebener Messenier vermehrt hatte , begann er zwei Jahre
darauf, 399, Ol. 95,2, die grossartigsten Vorbereitungen zu einem Offensiv-
kriege gegen die Karthager, die gerade damals durch eine in Afrika herr-
schende Pest schwer bedrängt waren. Ausserdem war ein auswärtiger Krieg
die beste Ableitung für die Unzufriedenheit im Innern seines Reiches , die in
einzelnen Kreisen der Bevölkerung so gross war , dass manche Griechen das
Exil der Knechtschaft vorzogen , und mit Hab und Gut in die Städte des pa-
nischen Gebietes auswanderten. Grossartig mussten aber die Vorbereitungen
besonders in einer Beziehung sein. Die Karthager überwogen in den Kriegen
108 Fünftes Buch. IV. Befestigung der Macht des Dionys. Seine Rüstungen.
weniger durch die Tapferkeit der gr()ssienlheils gemietbeten Soldaten , als
durch die Vortrefflichkeit des Materials und die Zahl der Truppen. In beiden
Rucksichten machte Dionys die grössten Ansti*engungen. Die erfahrensten
Techniker, durch die Verheissung glänzender Belohnungen angelockt, ström-
ten aus Italien , Griechenland , ja sogar aus dem karthagischen Gebiet nach
Syrakus zusammen. Bei dieser Verfertigung der Waffen ^und Kriegsmaschinen
ging es ebenso wie einige Jahre zuvor heim Bau der Mauern. Die Idee des
Dionys , in ihrer Nützlichkeit begriffen , wurde populär, und die Syrakusaner
verfolgten ihre Ausführung mit Theilnahme und förderten sie nach Kräften.
Ueberall in der Stadt sah man Waffen schmieden; die Vorräume der Tempel
fassten die Zahl der Arbeiter nicht; die Markthallen, die Gymnasien mussten
dazu verwandt werden, j« die angesehensten Bürger Hessen in ihren Häusern
arbeiten. Der Ehrgeiz der Techniker wurde durch alle Mittel geweckt; hohe
Belohnungen erwarteten die Tüchtigsten. Wie beim Mauerbau ging Dionys
täglich überall, wo gearbeitet wurde , aufmunternd umher; die Ausgezeich-
netsten wurden in seinen Palast geladen und zu seiner Tafel gezogen. Die zu
lösenden Aufgaben waren äusserst mannigfaltig. In der Verfertigung von
Handwaffen und Panzern musste darauf gesehen werden , dass für die ver-
schiedenen unter seinen Miethstruppen vertretenen Nationen die ihnen eigenen
und bekannten Waffen beschafft wurden. Die Erfindungsgabe der Ingenieure
wurde besonders in der Construclion der grösseren Kriegsmaschinen und der
Kriegsschiffe auf die Probe gestellt, und das Resultat war dem Wunsche des
Herrschers entsprechend. Aus den Berathungen der in Syrakus im Jahre 399
versammelten Techniker ging die Katapulte — das weitschleudernde Geschütz —
und das fünfrudrigc Schiff hervor. Es heisst, dass, als man dem Dionys mit-
theilte , dass in Korinth zuerst die Triere gebaut worden sei , er aussprach,
dass OS der wichtigsten Pflanzstadt Korinth's zukomme, wesentliche Fort-
schritte im Bau der Kriegsschiffe zu machen. Das Holz zum Schiffbau bezog
er theils vom Aetna, theils aus'Italien, wo es mit Thieren ans Meeresufer ge-
schafft und 9U Flössen zusammengebunden wurde, um dann nach Syrakus
gebracht zu werden. Als das Holz hier angekommen war, liess er zu gleicher
Zeit mehr als 200 Schiffe bauen und 410 alte in Stand setzen. 450 Schiffs-
bäuser gab es schon; Dionys liess 460 neue errichten, von denen die meisten
je zwei Schiffe fassten. Es giebl eine Vorstellung von der gewaltigen Thätig-
keit, welche damals in Syrakus herrschte, wenn man hört, dass 440,000
Schilde, ebenso viele Schwerler und Helme verfertigt wurden, und über
4i,000 vollständige Panzer von verschiedenartigem Muster, theils für die
Reiter, theils für die Oßiciere des Fussvolkes, theils für das Corps seiner
Leibwächter. Die Flotte ward zur Hälfte mit Syrakusanern bemannt, znr Hälfte
mit Fremden.
Um gegen Karthago mit vollem Nachdrucke auftreten zu können , musste
Dionys , wenn nicht der Beihülfe , so doch der Neutralität der nächsten un-
abhängigen Staaten sicher sein. Dies waren, seitdem Selinus, Himera
(Therma), Akragas, Gela und Kamarina nur noch als offene Orte exislirten
und Dionys selbst die chalkidischen Städte Leontini , Katane und Naxos ver-
nichtet hatte , Messana und Rhegion. Diese hatten ihm noch in demselben
Beziehungen des Dionys zuldessana und Rhegion. 109
Jahre, wo er die eben beschriebenen gro3sen BUslungen begann, ernste Be-
sorgnisse durch ihre Hallung erregt, ja, es fehlte wenig, dass es zum Kriege
gekommen wUre. Der Anstoss ging von Rhegion aus, das durch die sich dort
in grosser Zahl aufhaltenden syrakusanischen Flüchtlinge sehr feindlich gegen
Dionys gestimmt war. Es war so weit gekommen, dass die Rheginer ihre
Feldherren mit 6000 Mann zu Fuss und 600 Reitern auf 50 Trieren gegen
Dionys ausschickten. Sie fuhren zuerst nach Messana, um des Beistandes
dieser Stadt sicher zu sein. Die Feldherren Messana^s vereinigten aus rein
persönlichem Antriebe ihre Streitmacht, 4000 Mann zu Fuss, 400 Reiter und
30 Trieren, mit der der Rheginer. Aber noch war das Heer nicht weit gekom-
men , als die Messaner über den ohne Volksbeschluss begonnenen Krieg be-
denklich wurden und auf die Vorstellungen eines unt^r ihnen, des Laomedon,
nach Hause zurückkehrten. Di^ Rheginer, die sich allein zu schwach fühlten,
musslen dem Beispiele der Messaner folgen, und so führte auch Dionys seine
Truppen, die schon an der Grenze seines Gebietes standen , wieder nach Sy-
rakus. £r ging gern auf den von beiden Städten ihm nunmehr angebotenen
Frieden ein, da er bei seinen Planen gegen Karthago nach dieser Seite hin ge-
sichert sein musste ; ja er that noch mehr ; im Jahre 398 trat er an Messana
eine Strecke Grenzland ab, Rhegion aber machte er das Anerbieten, der Stadt
eine bedeutende Erweiterung ihrer Grenzen zu verschaffen , und bat sich da-
gegen eine ihrer Bürgertöchter als Gattin aus. Aber in Rhegion waren die
syrakusanischen Ausgewanderten immer noch zu mächtig. Die Volksversamm-
lung lehnte sein Gesuch ab: die einzige für Dionys passende Frau sei die
Tochter des Henkers. Seinen Hauptzweck, die Neutralität Rhegion^s, erreichte
indess Dionys. Wenn er sich in Rhegion eine Frau gesucht hatte, so war dies
geschehen , weil er seine Wiedervermahlung zu einem Mittel der Verbindung
mit einem auswärtigen Staate machen wollte. Hier abgewiesen , wandte er
sich an Lokri , welches er hatte berauben wollen , als er den Rheginern eine
Gebietserweiterung verhiess. Hier gab man ihm einen günstigen Bescheid, und
Dionys erhielt die Doris, die Tochter des Xenelos, des angesehensten Lokrers,
zur Gattin. Zu gleicher Zeit heirathete er noch eine zweite Frau, die Syraku-
sanerin Aristomache, die Tochter seines Freundes Hipparinos. Um die Lokrerin
nach Syrakus zu bringen , diente das erste eben fertig gewordene fünfrudrige
Schiff, das mit Silber und Gold reich verziert war; die Syrakusanerin wurde
mit einem Viergespann weisser Pferde in sein Haus geholt. Die sonderbare
Doppelhochzeit war für seine Soldaten, ja für einen grossen Theil der Bürger
eine Festzeit, denn damals kam ihm das Volk freundlicher entgegen, als je
zuvor oder nachher. Die Gedanken aller waren auf den bevorstehenden Krieg
mit Karthago gerichtet, und die grossartigen Vorbereitungen zu demselben
mussten Syrakus einen glänzenden Namen und so auch ihrem Urheber Ach-
tung und Gunst bei den Bürgern der Stadt verschaffen. Einige Tage nach der
Hochzeit machte Dionys endlich der syrakusanischen Volksversammlung eine
förmliche Mittheilung über seine seit längerer Zeit schon offenkundigen Pläne.
Die Karthager, die Erbfeinde der Griechen, und besondei*s der Syrakusaner, ver-
hielten sich, sagte er, jetzt nur deswegen so ruhig, weil sie in Afrika entsetzlich
von der Pest litten; sobald sie aber wieder zu Kräften gekommen wären,
^ •
110 Fünftes Buch. V. Eroberung von Mo tye. Belagerung von Syraku9.
würden sie sich auf Sicilien werfen. Deshalb sei es zweckmässig , jetzt den
Kampf gegen sie zu beginnen , wo man auch noch die von ihnen unterjochten
griechischen Städte zu Rundesgenossen habe. Das Volk war über die Mittbei-
lung höchlich erfreut, zum Tbeil aus Gründen, die mit dem Ziele des Kampfes
nichts zu tbun hatten, wie denn manche dachten, dass die Herrschaft des
Tyrannen durch einen solchen Krieg milder werden würde, und andere sich
einbildeten, dass sie, einmal bewaffnet, ihn stürzen könnten, ganz besonders
doch aber aus Hass gegen die Karthager. Dieser Hass äusserte sich sogleich in
Gewaltthütigkeiten gegen die in Syrakus wohnenden karthagischen Kaufleute,
ihr Hab und Gut wurde vom Volk geplündert. Das Beispiel fand Nachahmung
in den übrigen SUidten des griechischen Siciliens , und diese Vorfjflle wurden
den unter karthagischer Herrschaft schmachtenden Hellenenstädten das Signal
zu einer allgemeinen Erhebung. Der lange verhaltene Grimm brach auf die
schrecklichste Weise aus. Hier, wie z. B. in Akragas, in Selinus, wo die Er-
innerung an alle von den Karthagern verübten Greuel noch lebendig war,
begnügte man sich nicht mit der Plünderung des Vermögens der Punier, man
ermordete sie unter denselben Martern , idie sie fiilher die Griechen hatten
erleiden lassen. Es war eine eirste sictiianische Vesper, vielleicht noch gräss-
licher als die , in der die Franzosen umkamen. Noch war aber der Krieg an
Karthago nicht erklifrt. Das geschah im Anfang des nächsten Jahres, 397
v. Chr., Ol. 95,4, durch eine Gesandtschaft, welche Dionys im Namen derSy-
rakusaner nach Karthago schickte. Sie legte dem Rathe der Stadt die Forde-
rung vor, die griechischen Stitdte auf Sicilien freizugeben, wo nicht, solle
Krieg sein. Dem Rathe wie dem Volke von Karthago kam der Krieg sehr un-
gelegen. Man litt in Afrika schrecklich an der Pest und hatte aus diesem
Grunde gegen die offenkundigen Pläne des Dionys keine kriegerischen Vorbe-
reitungen treffen können. Doch blieb nichts übrig, als den Krieg zu führen,
so gut es möglich war. Es wurden angesehene Männer ausgeschickt, um Söld-
ner in Europa zu sammeln.
Fünftes Kapitel.
Eroberung ron Motye. Belagemng von Syrakus.
Gleich nach der Rückkehr der Gesandten begann Dionys den Krieg. Es
galt den Karthagern zuvorzukommen und ihre Positionen auf Sicilien zu neh-
men, ehe sie mit ihren Rüstungen fertig waren. Sein Heer bestand aus aus-
gewählten S>Takusanern und anderen sicilischen Griechen , sowie aus einer
grossen Masse von Söldnern der verschiedensten Nationen, worunter in Folge
seiner Freundschaft mit den Spartanern viele Lakonier waren. Die Zahl seiner
Truppen wird auf 80,000 zu Fuss und über 3000 zu Pferde angegeben»
Dionys vor Motye. 111
worin die MannschafteD aus den den Karthagern unterworfenen ü;riechischen
Stildten, die er auf seinem Marsche nach dem Westen mitnahm, einbegriffen
zu sein scheinen. Sein Zug ging durch das Gebiet von Kamarina, Gela, Akra-
gas und Selinus — die Himeräer von Therma (diese Stadt hatte seit 7 Jah-
ren griechische £inwohner) iiess er durch Boten auffordern, zu ihm zu
stossen — nach dem eigentlich karthagischen Gebiete. Eitie Flotte von fast
200 Kriegs- und 500 Lastschiffen, die auch die gewaltigen Maschinen trugen,
begleitete seinen Marsch. Seine Zielpunkte waren Eryx und Motye, die beiden
fesU?sien Hauptsitze der karthagischen Macht. Die Eryciner ergaben sich , die
Motyener dagegen nahmen eine kleine , aus Karthago eilig zu Hülfe geschickte
Besatzung auf und verweigerten die üebergabe.
Die Lage von Motye halte eine grosse Aehnlichkeit mit der von Neutyros,
und Dionys wie Alexander führten die Eroberung auf ähnliche Weise aus.
Die Entfernung Motye's vom Lande betrug 6 Stadien ; die Stadt vs^ar voll hoher
Hüuser, die Einwohner reich durch Handel. Den schmalen Damm, der die
Insel mit dem Festlande verband , zerstörten die Motyener noch vor der An-
kunft des Dionys. Dieser bescbloss nach einer Beraihung mit seinen Ingenieu-
ren , die Siadl durch einen neuen Damm zu erobern. Die Mannschaft der
Flotte, die einstweilen keine andere Verwendung finden konnte, genügte zu
diesem Zwecke. Dionys Hess deshalb die Schiffe in den Hafen von Motye ein-
laufen und legte die Lastschiffe vor Anker , während er die Kriegsschiffe am
Eingang des inneren Hafens, im Norden von Motye, ans Land zog. Während
nun die Schiffsmannsdhaft unter der Aufsieht seines Admirals Leptines an dem
Damme arbeitete, zog er selbst mit dem Landheere gegen die übrigen auf kar-
thagischer Seite stehenden Städte und Völkerschaften. Doch war sein Erfolg
nicht vollständig. Die Sikaner zwar unterwarfen sich ihm sämmtiich, die
grössten Städte aber, d. h. also die elymischen und punischen, blieben feind-
lich ; es waren Halikyai, Solus, Segesta, Panormos, Enteila. Es wollten also
auch die Kampaner ihre Unabhängigkeit behaupten. Segesta und Entella be-
rannte Dionys mit seinem Heei:e , jedoch vergeblich , voj) den übrigen Städten
verwüstete er nur das Gebiet und kehrte bald wieder nach Motye zur Belage-
rung zurück. Inzwischen waren die Karthager nicht ganz müssig gewesen.
Himilkon, der die Leitung der sicilischen Angelegenheiten behalten hatte,
schickte, selbst noch. mit der Zusammenbringung der Streitkräfte beschäftigt,
seinen Flottenführer mit 40 Kriegsschiffen nach Syrakus, um so Dionys von
Motye abzuziehen. Der karthagische Admiral überfiel in der Nacht den syra-
kusaniscben Hafen und vernichtete die dort liegenden Fahrzeuge; auf den
Gang des Krieges aber hatte diese That keinen Einfluss, da Dionys Motye nicht
verliess. Nun dachte Himilko einen ähnlichen Ueberfall in grösserem Mass-
stabe bei Motye auszuführen, wo ja die Kriegsschiffe an's Land gezogen waren.
Er örschien plötzlich mit iOO seiner besten Schiffe bei Tagesanbruch vor
Motye, zum grössten Schrecken der Griechen. Die draussen liegenden Schiffe
wurden schnell überwältigt, und Himilkon stellte seine Flotte dicht vor dem
Hafen auf. Nun war die Gefahr der Griechen gross. Wenn die Schiffe auf
dem Lande blieben, nützten sie nichts, Iiess man sie aber im Hafen in's Meer,
so konaten sie im engen Wasser, im Angesicht und in der unmittelbaren Nähe
■i'V
112
Fünftes Bach. V. Eroberung von Motye. Belagerung von Syrakus.
des Feindes nicht vortheflhaft manövriren. Dionys fasste ieinen kühnen Ent-
schluss. Den Ausgang des Hafens bewachte die karthagische Flotte ; aber nur
eine 12000 Fuss breite, niedrige Ländzunge trennte den inneren Theil des Ha-
fens, wo die Flotte lag, vom Meere. Hier wurden schnell unter Leitung der
Ingenieure hölzerne Bahnen gebaut und auf ihnen die gewaltigen syrakusani-
sehen Schiffe aus dem Hafen in^s Meer gezogen , an einem Tage 80 Schiffe.
Dionys selbst stellte sich mit dem Landheer neben der Hafenmttndung auf.
Während die Karthager dies mit Staunen ansahen, wurden sie zugleich vom
Lande durch die neu erfundenen schweren Geschütze in einer Entfernung, die
sie für unerreichbar hielten , mit einer Masse von Geschossen überschüttet,
so dass sie nicht einmal die ihnen zunächst liegenden Schiffe kräftig angreifen
konnten. So sah Himilkon, wie sich draussen im Meere eine Flotte zu sammeln
begann , die ihm endlich sogar den Rückweg nach Afrika abschneiden konnte,
und er fuhr nach Hause , Motye seinem Schicksale überlassend. Bald darauf
hatte Dionys den Damm vollendet.
Nun begann die eigentliche Belagerung, bei der die Maschinen: Kata-
pulte, Widder, auf Rädern laufende Thürme von sechs Stockwerken, ihre
Dienste thaten. Die Bewohner von Motye wetteiferten ungebeugten Muthes
mit Dionys in der Erfindung kriegerischer Hülfsmittel. So hoben sie auf d^n
Mauern an der Spitze hoher Mastbäume wohlgeschützte Männer empor, die
Feuer auf die Thürme und Maschinen der Syrakusaner warfen. Doch gelang
es den Griechen, den Brand zu löschen, und endlich machten die Widder
Bresche. Nun glaubte Dionys die Stadt erobert, aber er hatte sich getäuscht ;
die Verzweiflung gab den Einwohnern neue Kräfte, und sie hatten bald die
nächsten Strassen so vollständig verbaut und die in der Nähe der Bresche
stehenden Häuser so gut verschanzt, dass nun ein neuer, noch hartnäckigerer
Kampf entbrannte, demjenigen ähnlich, der im Jahre 409 in Selinus getobt
hatte. Die Griechen schoben die Thürme an die Häuser und drangen auf die
Dächer, die von den verzweifelten Motyenern mit der grössten Tapferkeit ver-
theidigt wurden. Dionys sah indess voraus, dass Motye bald fallen müsse, und
liess deshalb jeden Abend durch Trompetensignale seine Leute vom Kampfe
abrufen, damit sie der mühsamen Belagerung nicht müde würden. Auch die
Motyener hatten Ruhe nöthig, und so hörte mehrere Tage mit Sonnenunter-
gang der Kampf auf. Zugleich hatte aber Dionys durch das Abbrechen des
Kampfes die Motyener sicher machen wollen, um für einen nächtlichen Ueber-
fall mehr Aussicht auf Erfolg zu haben. Sein Plan gelang. Der Thurier Ar-
chylos erkletterte in einer Nacht mit den Auserwählten des Heeres die vorder-
sten Häuser und andere folgten ihm. Zwar eilten die Motyener zum Widerstand
herbei , aber ihre besten Stellungen waren verloren , und nach schwerem
Kampfe ward Dionys Meister der Stadt. Die erbitterten Griechen nahmen
Rache für die von den Karthagern in den griechischen Städten verübten
Grausamkeiten. Alle, die ihnen in die Hände fielen, Alt und Jung, Weiber
und Kinder, fielen unter ihrem Schwerte. Dionys hätte lieber zahlreiche Ge-
fangene gemacht, aber sein Befehl, mit dem Morden einzuhalten, ward nicht
beachtet, und er musste sich damit begnügen, durch Herolde die Motyener
aufzufordern, sich in die ihnen bezeichneten Tempel zu flüchten. Nun hatte
Grosse karthagische Rüstung. 113
«
das Morden ein Ende und das Plündern begann. Die Beute war gross. Als
die erste Aufregung des Sieges vorüber war , übte Dionys sein Feldherrnrecht
und belohnte die Tapfersten, vor allen den Archylos, der iOO Minen empfing.
Die gefangenen Barbaren wurden verkauft ; die Griechen aber , die man in
der. Stadt im Dienste der Karthager gefunden hatte, mit ihrem Anführer Dai-
menes nach grausamer karthagischer Sitte an^s Kreuz geschlagen. Dann ver-
Hess er Motye , wo er nur eine fast ganz aus Sikelern bestehende Besatzung
unter dem Syrakusaner Biton zurückliess. Eine Flotte von ISO Schiffen unter
Leptines sollte ebenfalls hier verweilen, um die Karthager zu beobachten, und
einige Truppen blieben im Gebiete von Segesta und Enteila zur Belagerung
dieser Städte; mit den übrigen zog Dionys, als das Jahr zu Ende ging, nach
Syrakus. Dodi war er gleich im Anfange des nächsten Frühjahres, 396 v. Chr.
Ol. 96,1 schon wieder im karthagischen Gebiete. Diesmal unterwarf sich auch
Halikyai, sodass noch Segesta, Enteila, Solus und Panormos zu erobern waren,
wenn er sein Werk vollenden wollte. Er griff zuerst Segesta an , erlitt aber
vor dieser Stadt durch die Wachsamkeit der Einwohner eine grosse Nieder-
läge. Sie machten bei Nacht einen Ausfall , griffen das griechische Lager an
und, steckten die Zelte in Brand, wobei die meisten Pferde umkamen. Das so
glänzend begonnene Werk kam in^s Stocken.
In Karthago hatte man indessen die Rüstungen vollendet. Wenn die Partie
in Folge der Uebernimpelung schlecht für sie geendigt hatte, so sollte die Re-
vanche lim so glänzender werden. Das Heer, wie gewöhnlich hauptsächlich
aus Afrikanern und spanischen Söldnern zusammengesetzt, soll nach Ephoros
300,000 Mann zu Fuss und 4000 Reiter^ nebst 400 Streitwagen ~ zum ersten
Male in Siciiien genannt — enthalten haben, sowie 400 Kriegsschiffe und über
600 Last- und Transportschiffe. Timaios freilich lässt nur 400,000 Mann aus
Afrika herüberkommen, zu denen noch 30,000 in Siciiien gekommen seien»
Dionys hatte Spione in Karthago, das wusste Himilkon, und deshalb gab er den
Kapitänen der einzelnen Schiffe versiegelte , erst beim Auslaufen zu öffnende
Befehle über den Ort, an welchen sie das Heer bringen sollten. Die Trans-
portflotte hatte die Anweisung, sich bei'^der Fahrt nach Panormos von
der Küste fern zu halten, damit bei diesen schwer zu vertheidigenden
Schiffen die Gefahr einer Begegnung mit der Flotte des Dionys geringer wäre ;
die Kriegsscliiffe dagegen sollten bei Lilybaion Siciiien berühren und von d»
längs der Küste fahren. Dionys verweilte gerade in der Nähe von Panormos^
als die Transportflotte in Sicht kam. Er schickte Leptines mit 30 Kriegsschiffen
ihr entgegen , aber es gelang nur 50 Schiffe mit 5000 Soldaten in Grund zu
bohren; die übrigen entkamen in den Hafen, und Dionys zog nach Segesta*
Nun marschirte Himilkon nach Westen , von seiner Flotte begleitet. Schnell
waren die Erfolge des Dionys zu nichte gemacht; Himilkon nahm durch Ver-
rath Eryx, durch eine kurze Belagerung Motye, Halikyai ging zu ihm über.
Dionys, den die Seinigen zu einer Schiacht zu bewegen suchten, wollte sich,,
angeblich wegen zu grosser Entfernung von allen befreundeten Städten und
wegen Mangel an Zufuhr nicht darauf einlassen, in Wirklichkeit, weil er kei-
nen Grund hatte , einen Sieg für wahrscheinlich zu halten , eine Niederlage
aber, so fem von Syrakus, ihm leicht verderblich werden konnte, wenn es
Holm, Gesell. Siciliens. II. 3
'■I . .«
114 Fünftes Buch. V. Eroberung von Motye. Belagerung von Syrakus.
ihm nach derselben nicht gelang, diesen Sitz seiner Macht zu erreichen. Er
kehrte nach Hause zurück und nöthigte, um den Karthagern möglichst viele
Bundesgenossen zu entziehen, eine Anzahl von Sikanern,.ihr Land zu ver-
lassen und ihm zu folgen. Er versprach ihnen ebenso viel und besseres Land
im Osten der Insel und Wiedereinsetzung in ihr früheres Gebiet nach Beendi-
gung des Krieges. Unterv^egs verwüstete er die Felder. Himilkon schlug dies-
mal einen neuen Weg zur Eroberung der Insel ein. Er occupirte zunächst die
Nordküste und wandte sich gegen Messana , wohin ihm Verträge mit Thenna
und Kephaloidion den Weg bahnten. Messana schien ihm mit Recht ein
äusserst wichtiger Punkt. Der schöne Hafen konnte die ganze karthagische
Flotte fassen, und die Stadt lag überdies sehr günstig, um Syrakus auswärtige
Hülfe abzuschneiden. Himilkon's Flotte bemächtigte sich unterwegs der Insei
Lipara, deren Bewohner 30 Talente zahlen mussten, und Landheer wie Flotte
erschienen bald darauf am Vorgebirge Peloris, wo die Karthager ein Lager
bezogen. In Messana verbreitete sich die grösste Bestürzung. Es fehlte an
Mannschaft, da die Reiterei der Stadt sich bei Dionys befand, und die Mauern
waren in einem traurigen Zustande. Wenn sich die Messaner aber auf die
Vertheidigung beschränkt hätten, so würden sie sich dennoch eine Zeitlang
haben halten können; aber die Zuversicht auf die zweifelhafte Auslegung
eines alten Orakelspruches: »Karthager würden in Messana Wasser tragen^,
was nach der Meinung 'einiger Sanguiniker bedeuten musste, sie würden dort
Sklaven sein , bewog das Volk von Messana , den jüngeren Leuten einen thö-
richten Ausfall gegen die Feinde zu gestatten. Kaum zeigten sie sich vor den
Mauern, als die karthagische Flotte , die günstige Gelegenheit benutzend, in
den Hafen einlief und sogleich die Belagerung der Stadt begann. Das kartha-
gische Landheer vollendete die Einschliessung , und die schwachen Mauern
brachen zusammen. Die Stadt fiel in die Hände der Karthager; die Einwoh-
ner aber hatten nicht alle das traurige Schicksal der Himeräer und Selinuntier.
Weiber und Kinder und die werthvollste Habe war von den meisten schon
vorher in die benachbarten Städte in Sicherheit gebracht worden, und bei der
Eroberung der Stadt gelang es wiederum manchen, theiis in eben diese
Städte, theiis in die auf dem Lande zerstreut liegenden Kastelle zu ent-
kommen. Mehr als 200 sprangen in^s Meer und versuchten nach Italien zu
schwimmen. Von diesen riss die meisten die Strömung hinweg, ungefähr 50
gelangten glücklich an's jenseitige Ufer. Gleich nach der Eroberung von Mes-
sana machte Himilkon den Versuch, die Kastelle um die Stadt zu nehmen. Sie
wurden aber von ihren Besatzungen so gut vertheidigt , dass die Karthager,
um Zeitverlust zu vermeiden, von der Belagerung abliessen. Wenn aber diese
Burgen in den Händen der Griechen blieben , war die Stadt schwer zu halten.
Himilkon beschloss deshalb, Messana zu zerstören.
Mit der Macht des Dionys war indessen eine grosse Veränderung^ voi^e-
gangen. Sein freiwilliger Rückzug hatte die schlimmen Folgen einer Nieder-
lage gehabt. Die Sikeier verliessen ihn, mit Ausnahme der Assoriner, wahr-
scheinlich auch viele Hellenen , wenigstens hielt er es für nöthig, in Syrakus
die Sklaven freizulassen und zu bewaffnen, und mit ihnen 60 Schiffe zu
bemannen. Es wird seine damalige Macht auf 30,000 Mann zu Fuss, über
Messana erobert. Marsch der Karthager nach Süden. Seeschlacht bei Katane. 1 1 5
3000 Reiter und 180 Schiffe, von denen aber nur wenige Dreiruderer waren,
angegeben ; wo der Rest seiner Flotte geblieben war, sieht man nicht. Trotz-
dem Hess er in der Sorge für den Schutz der Stadt und des Gebietes nicht
nach. Die Kastelle versorgte er mit Lebensmitteln und Geld und befestigte
besonders Leontini;, die in Katane wohnenden Kampaner siedelte er nach dem
festeren Aetna Ober; dann schlug er in einer Entfernung von 160 Stadien voa
Syrakus, also am Cap S. Groce, sein Lager auf. Himilkon führte, nachdem er
die Zerstörung von Messana vollendet hatte, sein Landheer und die unter dem
Befehl' des Magon stehende Flotte gegen die Griechen. Bis zum Berge Tauros
konnten Heer und Flotte neben einander ziehen ; hier aber sah sich Himilkon
durch einen frischen Lavastrom, der sich südlich von Naxos in*s Meer ergossen
hatte , am Weitermarsch verhindert. Er musste den Umweg um den ganzen
Aetna machen und die Flotte ohne den Schutz des- Landheeres nach Katane
schicken, wo er mit ihr wieder zusammentreffen wollte. Diesen Umstand
dachte Dionys zu benutzen. Er rückte mit seinem Heer nach Katane und Hess
seine Schiffe unter Leptines die karthagische Flotte angreifen. Die Karthager
halten, alle kleinen, aber durch eiserne Spitzen zum Kampfe tauglichen Fahr-
zeuge mitgerechnet, etwa 500 Kriegsschiffe, und deshalb erinnerte Dionys den
Leptines ausdrücklich daran, seine geringe Macht unter allen Umständen zu-
sammen zu halten. Aber Leptines beachtete die Warnung nicht und griff mit
den dreissig besten seiner Schiffe die feindliche Flotte an. Bald waren sie von
den Karthagern umringt, und als die übrigen ihnen zu Hülfe kamen, war es
zu spät; sie wurden mit in's Verderben gezogen. Das Gedränge war so dicht,
dass an Manövriren nicht zu denken war, sondern man auf den hart an ein-
ander liegenden Verdecken wie auf festem Lande kämpfte. Die Griechen un-
terlagen; Leptines selbst entkam mit seinem Schiffe, die meisten andern
griechischen Fahrzeuge wurden aber genommm und vernichtet. Dionys verlor
über 400 Schiffe, mit mehr als SO, 000 Menschen. Das Meer war mit Leichen
und Trümmern bedeckt. Nach der Schlacht zogen die Karthager die erbeu-
teten Fahrzeuge an's Land und besserten sie vor den Augen der Katanäer
aus, was sie ruhig Ihun konnten, da das griechische Landheer nicht lange bei
Katane geblieben war. Dionys führte es nach Syrakus zurück. Während des
Marsches erneuerten die Soldaten ihr altes Andringen, zur Schlacht geführt zu
werden. Noch wisse Himilkon nichts von dem Siege seiner Flotte und sei
leichter zu überwinden. Dionys zeigte sich persönlich nicht abgeneigt, einen
Kampf zu wagen; die Vorstellungen seiner Vertrauten aber, er laufe Gefahr,
durch eine schnelle Fahrt des Magon Syrakus mit einem Schlage zu Verlieren,
überwogen, und er begab sich zurück in seine Burg, wo er immer, wie An-
taeus in der Berührung der Erde, die erschöpfte Kraft zu erneuern pflegte.
Nun erklärten fast alle Sikelioten , die noch bei ihm ausgehaiten hatten , dass
sie sich nicht in Syrakus einschliessen lassen wollten, und verliessen den Ty-
rannen. Zwei Tage darauf kam Himilkon am Strande bei Katane an. Er liess
• die Schiffe an's Land ziehen und gönnte seinem Heere einige Ruhetage. Er
^benutzte diese Zeit auch zu einem Versuche, die Kanipaner in Aetna zum Ab-
fall von Dionys zu bewegen, indem er ihnen Land und Antheil an der Kriegs-
beute verhiess und sie daran erinnerte, dass ihre Landsleut« in Entella bereits
8*
1
I
116 Fünftes Buch V. Eroberung von Motye. Belagerung von Syrakus.
ZU ihm übergegangen seien. Dies lockte die Beatelusligen wohl, aber ihre
Anführe» waren als Geiseln bei Dionys, und so mussten sie auf griechischer
Seite verharren. Nun rückte Himilkon mit seiner ganzen Macht vor Syrakus.
Die Syrakusaner sahen , wie zuerst 208 Kriegsschifife, griechische Beutestücke
zur Schau tragend, prächtig geschmückt, in schönster Ordnung in den grossen
Hafen einliefen und ihnen dann eine ungeheure Masse von Lastschiffen folgte^
80 dass fast das ganze grosse Hafenbecken mit Schiffen gefüllt war, deren
Zahl man auf nahe an 2000 schätzte. Von der anderen Seite kam Himilkon
selbst an der Spitze des Landheeres, das nach Ephoros 300,000 Mann zu Fuss
und 3000 Reiter zählte, und mi| dem er nur 12 Stadien von der Stadt ntU'dlich
vom Tempel des olympischen Zeus das Lager aufschlug. Mit Herausforderun-
gen zur Schlacht begann er die Belagerung. Aber weder lockte der Anmarsch
der Landtruppen gegen die Mauern, noch die Fahrt einer Flotte von 400
Schiffen gegen die syrakusanischen Schiffshäuser die Griechen hervor, und so
beschäftigte sich Himilkon einen ganzen Monat mit nichts als der Verwüstung
des Landes.
Die Belagerung von Syrakus durch die Karthager nahm einen ganz an-
dern Charakter an, als die der übrigen grossen Städte, die wir erzählt haben.
Bei diesen waren die Feinde schnell zum Sturm geschritten, bei Syrakus ver-
suchten sie es mit einer Blokade. Diese Verschiedenheit hatte mehrere Gründe.
Syrakus war an und für sich durch Lage und Grösse sicherer als Akragas,
Selinus und Himera, es war aber auch^ und hierin lag der Hauptgrund, durch
Dionys aufs voraUglichste in Vertheidigungszustand gesetzt worden. Die nach
Epipolae hinauf gebaute Mauer erlaubte den Karthagern nicht, eine domini-
rende Stellung bei der Stadt einzunehmen, und von der Gegend aus, wo sie
lagerten , Thürme und Widder schon jetzt vorrücken zu lassen , das verbot
ihnen die Furcht vor den gewaltigen Maschinen und dem schweren Geschütz
des Tyrannen , dessen Wirkung sie bei Motye erfahren hatten. So war denn
auch, wenn nur die Verproviantirung der gewaltigen Stadt sich bewerkstelli-
gen Hess, zu hoffen, dass Syrakus nicht fallen werde ; und es war auch nicht
ein so grosses Unglück, dass die Neapolis von den Karthagern besetzt wurde.
Was sie dort und sonst um Syrakus thaten, war zu ihrem eigenen NachtheiL
Himilkon Hess die hier belegenen Tempel der Demeter und Kora plündern, und
als zum Behufe der Errichtung einer Mauer um sein Lager die Erde umge-
wühlt wurde, mussten auch die vielen Gräber, die dort waren, verschwinden,
unter andern das prachtvolle Denkmal des Gelon und der Demarete. Was die
Folge sein musste, ist klar. Die Anordnungen Himilkon^s waren im übrigen
den Umständen angemessen. Er Hess drei feste Burgen errichten, die das
Ufer des grossen Hafens vollständig beherrschten : die erste beim Tempel des
Zeus, in der Vorstadt Polichne, die zweite an der Spitze, welche die beiden
Hafenbuchten trennt, die dritte auf dem Plemmyrion, und barg in ihnen die
Vorräthe, die er noch durch Zufuhr aus Sardinien und Afrika vermehrte.
Während so die Feinde sich ruhig auf eine längere Belagerung vorberei-
teten , erholten sich die Syrakusaner von ihrer anfänglichen Bestürzung und
ßogen an, sich mit den Truppen Himilkon ^s in einzelnen Scharmützeln zu mes-
sen , welche meistens für die Griechen günstig ausfielen. Dionysios selbst
Belagerung von Syrakus. Freiheitsgelüste der Syrakusaner. 117
tiatte schon vor dem Beginne der Belagerung seinen Schwager Polyxenos nach
Italien und Griechenland, besonders zu den Korinihern und Spartanern, mit
der Bitte um Hülfe geschickt und Werbern den Auftrag gegeben , im Pelopon-
nes unter dem Schutze Spartaks Söldner zu sammeln. Jetzt kam Polyxenos
mit 30 Kriegsschiffen, die der Lakedämonier Pharakidas befehligte, zurtick,
und durch diese Hülfe hob sich der Muth der Syrakusaner so sehr, dass sie,
als Dionys mit Leptines ausgefahren war, um eine Transportflotte zu geleiten,
•es wagten, mit fünf Kriegsschiffen über einige Proviantschiffe ^ die den Kar-
thagern Zufuhr brachten, herzufallen. Der Streich gelang und führte zu wei-
teren Siegen. Denn 40 karthagische Kriegsschiffe suchten ihnen ihren Raub
abzujagen; aber die Syrakusaner bemannten schnell alle Schiffe, die sie
hatten, und schlugen die Karthager, nahmen das Admiralschiff und machten
24 Fahrzeuge kampfunfähig. Die übrigen verfolgten sie nach der Flottensta-
tion und forderten, keck genug, die karthagische Flotte zum Kampf heraus.
Die bestürzten Karthager rührten sich nicht, und so fuhren die Syrakusaner,
die erbeuteten Schiffe im Schlepptau, im Triumph nach Hause. Der Umstand,
dass dieser Sieg in Abwesenheit des Tyrannen errungen war, gab ihm in den
Augen der Syrakusaner doppelten Werth. Sie bedachten , dass ihnen unter
der Anführung des Dionys noch nie ein Sieg über die Feinde gelungen war
— denn die Eroberung von Motye rechneten sie nicht als eine Schlacht —
«ind während sie sonst den Tyrannen zwar gehasst, aber für unentbehrlich
gegen die Karthager gehalten hatten, sahen sie nun zu ihrer freudigen lieber-
raschung , dass sie ohne ihn noch stärker waren als mit ihm. Der Gedanke,
sich seiner zu entledigen, trat kräftiger als je in ihnen hervor. Lebhaft wur-
den alle Klagen, die man gegen Dionys vorbringen konnte, besprochen, und
als er nach seiner Rückkehr dem Volke zu dem über die Karthager' erfochtenen
Seesiege Glück wünschte und es zur Ausdauer ermuntern wollte, fand er
höchst unerwarteterweise eine wenig gefügige Versammlung. Einer von den
Rittern , Theodoros , hatte ^en Muth , was gegen ihn gesagt werden konnte,
offen vorzubringen. Er schioss seinen Angriff mit der Behauptung, dass die
Bürger , wenn sie ihn stürzen wollten , jetzt an den Korinthern und Lakedä-
moniern hülfsbereite Bundesgenossen hätten. Es werde nicht an Syrakusa-
nern fehlen , denen das Kommando gegen die Karthager übertragen werden
könne , wenn man es nicht etwa einem Bürger der Mutterstadt Korinth oder
Sparta's, der ersten Stadt in ganz Hellas, anvertrauen wolle. Wenn Theodoros
gedacht hatte, mit solchen Worten die Gesinnung der Griechen des Mutterlan-
des, welche in Syrakus anwesend waren , auszusprechen oder dieselben we-
nigstens dadurch für seine Pläne zu gewinnen, so hatte er sich in betreff
der wichtigsten unter ihnen getäuscht. Die Korinther allerdings hätten wohl
gerne der republikanischen Partei in Syrakus beigestanden ; sie hatten schon
früher derartige Absichten gehegt , und wenn sie bis jetzt durch ihre Abhän-
gigkeit von Sparta verhindert gewesen waren , ihren Neigungen zu folgen , so
war das jetzt anders geworden. Seit dem Jahre 395 beginnen die Versuche
der Korinther, sich der spartanischen Obmacht zu entziehen. Aber hier in
Syrakus war der korinthische Einfluss unbedeutend im Vergleich mit dem
spartanischen. Hier galt das Wort eines Spartaners alles. Und Spartaks Politik.
118 Fünftes Buch. V. Eroberung von Motyc. Belagerung von Syrakus.
in Syrakus war durch die Niederlage des Dionys nichl geändert worden.
Gleich nach Theodoros Irat Pharakidas, der lakedamoniscfae Admiral, auf und
niil dürren Worten, er sei abgeschickt, um Syrakus und Dionys gegen
lager zu helfen, aber nichl, um Dionys zu stürzen. Diese Erklärung
schnell den Eifer der Gegner des Tyrannen. Doch hielt dieser es
n gegenwartigen Umständen fUr passend, die milde Seite zu zeigen,
e die Hassen durch Leulseligkeii zu gewinnen und durch Geschenke
adungen eiuflussreiche Bui^er auf seine Seile zu ziehen,
brend so In Syrakus die Zuversicht wuchs, gerieth das karthagische
)iae höchst traurige Lage. Es brach eine furchtbare Seuche aus, deren
in der Sumpflufi der Gegend, wo es lagerte , und wo auch die Ätbe-
h Krankheit in derselben Jahreszeil gelitten halten, und in der Um-
; der Grüber gcsuchl werden muss. Die schreckliche Wirkung soldier
in den karlhagischen Heeren, die wir im Verlaufe dieser Geschichte
1 zu beobachten Gelegenheit haben , im Verhaltniss zu der viel gerin—
irchtbarkeil, mil welcher die Krankheiten an denselben Orlen bei den
1 auftraten, erkliirl sich am beslen durch den Unistand, dass da»
he Heer grOssleutheils aus Bürgern und Bundesgenossen , das kartha-
ast nur aus Söldnern zusammengeseUt war. Auf Gesundheit und
on Säldnem ward nicht viel gesehen, tnan schonte sie nichl im
und man kUmmerie sich nichl um sie, wenn sie krank waren. So-
Krankheilskeime, die in einem BUrgerheere unlerdrUcki wurden, in
Sldnerbeere zu so furchtbaren Seuchen fUhi-en, wie die war, die nun
Dungen Himilkon's zuscbanden machte. Sie befiel zuei'sl die Libyer,
gepflegt und, wenn sie starben, begraben wurden. Als aber alle, die
nken in Berührung kamen, ebenfalls erlagen, wollte Niemand sich
ur Krankenpflege noch zum Begraben der Todten hergeben , und der
der unbegrabeoen Leichen, deren Anzahl bald alle Begrifle ubei-stieg,
die Seudie auf eine so fürchterliche Hohe, dass t>ei manchen die
it in fbrmliche Baserei ausartete. Diesen Zustand des karlhagischen
lenutzle Dionys zu einem klug angelegten Ueberfall. Heer und Flotte
sich in einer dunkelen Nacht bereit halten , und wührend die Flotte
iruch des Tages abwartete , um dann sogleich ihren AngrilT zu begin—
hrle er selbst das Heer noch in der Nacht auf einem Umwege ttber
npel der Kyane gegen die Kastelle am Ufer und das mehr landein-
;elegene karthagische Lager. Man konnte annehmeD, dass er die
impfgegend der Kyane umgangen und so von SUden her die kartha-
osilion angegriffen habe. Ich glaube das nichl. Er hat offenbar den
inen Streich versucht, zwischen dem Sumpf und dem Hauptarme d^
nttrdlich von welchem das Lager der Feinde war, vorzudringen und
Keil mitten in die feindliehe Macht hineinzutreiben , der sie aus ein-
irengen konnte. Gelang es ihm nichl, sich da zu halten, so warerals-
retlbar verloren , konnte er aber dort seine Truppen zum Angriff for-
so bestand seine Aufgabe darin , das Lager nur zum Schein aniugrei-
ne ganze Macht aber gegen das Polichnefort zu werfen. Denn das
lar so ohne weiteres nicht zu nehmen, wohl aber, wenn man an
Vollständige Niederlage der Karthager. 119
passender Stelle angriff, das Polichnefort. Und diese Stelle war offenbar nur
hier, wo das Fort sich durch das gegenüberliegende Lager gesichert halten
musste, nicht im Süden, wo die Vertheidiger der Polichne offenes, feindliches
Land vor sich halten. Dionys schickte also , während er selbst über den Ab-
fluss der Ryane setzte uild sich gegen das Polichnefort wandte , die Reiter mit
4 006 Söldnern gegen das Lager. Er gab aber den Reitern den Befehl, gleich
beim Herausstürmen der Karthager die Flucht zu ergreifen und die Söldner
im Stiche zu lassen , die er wegen ihrer zweifelhalten Treue eigens zu diesem
Dienste ausersehen hatte. So wurden die Reiter für einen andern Angriff frei,
und die Karthager waren indessen durch den Kamfif mit den Söldnern , die
alle ßelen , beschäftigt. In dieser Zeit warf sich Dionys schnell auf das Fort
am Olympieion und eroberte es; die Reiter, von einem Theile der Flotte un-
terstützt, griffen das zweite, bei Daskon gelegene an und hatten denselben
Erfolg. Dies war der Augenblick, wo die gesammte griechische Flotte, freilich
nur 80 Segel stark , unter Pharakidas und Leptines am Kampfe Theil nehmen
sollte. Das Vorhergehende war mit der grössten Schnelligkeit noch im Mor-
gengrauen ausgeführt worden und hatte die Aufmerksamkeit des Lagers nicht
auf sich gezogen. Jetzt, wie der Tag anbrach, rief das Siegesgeschrei der
Griechen , die sich im Besitze zweier Festungen sahen , die Karthager aus den
Zelten. Ehe sie noch die Grösse ihrer Verluste überblickt hatten, gewahrten
sie die heranrudernde griechische Flotte. Blinde Kampflust siegt über ver-
nünftige Ueberiegung; sie bemannen schnell die Schiffe und nehmen die
Seeschlacht an. Aber es fehlt ihnen an aller Ordnung, und die griechische
Flotte wird schnell über sie Herr. Die Griechen verfolgen ihren Sieg, springen
auf die weniger beschädigten feindlichen Schiffe und tödten die Mannschaft.
Das Ufer bedeckt sich mit Trümmern und Leichen. Der Erfolg der Flotte be-
geistert das Landheer zu neuen Anstrengungen. Dionys dringt in der Gegend
von Daskon weiter vor und erblickt in einem wohl verschanzten Schiffslager
40 fünfzigrudrige Schiffe. Das Lager zu erstürmen ist zeitraubend, aber man
wirft Feuer hinein, und schnell stehen die 40 Schiffe in Brand. Neben diesen
liegen aber Lastschiffe und weiterhin Trieren. Ein heftiger Wind treibt die
Flammen zu den Lastschiffen ; die Mannschaft ist nicht im Stande, des Feuers
Herr zu werden , und sucht nur das eigene Leben zu retten. Nun wilthen
Sturm und Feuer in der von den Menschen verlassenen Flotte; die Schiffe
werden gegen einander geworfen und zerschmettert, und die Flammen greifen
immer weiter um sich , laufen an den Masten in die Höhe und an den Raen
entlang und bilden bald ein grosses wogendes Flammenmeer. Himilkon's Heer
und die Syrakusaner sehen dem Schauspiel mit den verschiedensten Gefühlen
zu. Aber Himilkon kann nichts unternehmen, er muss die am Ufer aufgestellte
Heeresabtheilung sich selber überlassen , denn er muss fürchten, dass, wenn
er mit seinem geschwächten Heere in der Richtung nach dem Meere zu aus
dem Lager hervorbricht, die Griechen vom Olympieion her, das Dionys jetzt
zum Centrum seiner eigenen Aufstellung gemacht hat , in sein Lager eindrin-
gen und sich desselben bemächtigen ; während aus Syrakus selbst die, wel-
chen ihr hohes Alter oder ihre zu grosse Jugend nicht am Kampfe Theil zu
nehmen erlaubte, Fährkähne besteigen , in den Hafen hinausrudern , aus den
120 Fiioftes Buch. V. Eroberung von Motye. Belagerung von Syrakus.
unbrauchbar als Wrack umherschwimmenden Schifien alles WerUivoUe weg-
nehmen und die noch brauchbaren am Schlepptau nach Syrakus ziehen. Alle
aber, die in Syrakus zurückbleiben müssen, Kinder und Frauen und alle, die
keine Boote mehr finden kennen, um hinauszufahren, besteigen die Dächer der
Häuser und betrachten unter Dankgebeten das gewaltige Schauspiel , das mit
dem ungeheuren, noch lange fortgltthenden Feuermeer uAd dem Sieges- und
Jammergeschrei der Kämpfenden eher einer Götter- als einer Menscbenschlacfal
gleicht. Indess wird am Lande weiter gekämpft, denn ausser dem Lager
haben die Kailhager noch immer das Fort auf dem Plemmyrion und eine An-
zahl unverletzter Schiffe , «lis wir uns in der Nähe des Lagers , nördlich vom
Anapos, zu denken haben ; aber endlich bricht die Nacht herein, und Dionys
giebt den Kampf auf, um am Tempel des olympischen Zeus sein Lager aufzu-
schlagen.
Nach dieser Niederlage, deren Verdienst wir dem genialen Feldherren-
blicke des Dionys vor allen Dingen beizumessen haben , konnte der vollstän-
dige Untergang der Karthager, die die Abfahrt nicht mehr erzwingen konnten,
und auch zu Lande abzuziehen nicht wagen durften, da sie weit und breit
keine befreundete Stadt hatten, nicht lange mehr ausbleiben. Das wusste Hi-
milkon, und deshalb knüpfte er noch in derselben Nacht Unterhandlungen mit
Dionys an. Er forderte viel, um doch etwas zu erlangen. Er bot dem Dionys
300 Talente, wenn er ihn mit seinem noch übrigen Heere nach Kartiiago
zurückkehren Hesse. Dies konnte Dionys nicht bewilligen , wenn er es auch
gewollt hätte ; weder die Syrakusaner, noch die verbündeten Griechen wür-
den es gestattete haben. Er bot aber dem Himilkon an, ihn heimlich mit allen
karthagischen Bürgern im Heere zu Schiffe nach Hause zurückkehren zu
lassen. Er hätte, wie die Syrakusaner 443 die Athener, so das ganze kar-
thagische Heer tödten oder gefangen nehmen können; dennoch bewog ihn
zur Schonung nicht etwa blosse Geldgier, auch nicht der Gedanke allein,
wenn die Karthager nicht vollständig besiegt seien, in ihrer immer noch
furchtbaren Macht ein Schreckmittel für die Syrakusaner und so eine Stütze
seiner Tyrani^s zu haben, sondern eben so sehr die Erwartung, die Karthager
durch einen so wichtigen Act der Milde für die Zukunft wenigstens in so weit
sich zu Freunden zu machen , dass sie lieber den Mann , der ihre Bürger ge-
rettet , an der Spitze von Syrakus sähen , als republikanische Behörden , mit
denen solche Verhandlungen unmöglich waren. Wer weiss, ob er sich nicht
für den Fall , dass er aus Syrakus vertrieben werden sollte, einen Zufluchtsort
bei den Karthagern zu sichern gedachte , wie Themistokles ihn bei den Per-
sern fand? Unter dem Yorwande, dass man sich von den Anstrengungen des
Kampfes erholen müsse, führte er das Heer in die Stadt zurück, nachdem er
auf die vierte Nacht den Abzug der Karthager bestimmt hatte. Die 300 Talente
würden nach Ortygia gebracht, und zur verabredeten Zeit floh Himilkon mit
allen karthagischen Bürgern im Heere auf 40 Kriegsschiffen. Die Abfahrt
konnte jedoch nicht so heimlich geschehen, dass nichts davon in Syrakus be-
merkt worden wäre. Einige Korinther wurden es gewahr und meldeten es
dem Dionys, der, um die Karthager zu retten, Feldherren und Soldaten ziem-
lich lässig zusammenrief^. Die ungeduldigen Korinther fuhren, ohne auf Dionys
Himilkon's Abfahrt. Noth der Karthager. 121
zu warten, allein den Karthagern nach, konnten aber nur wenige Schiffe
erreichen und vernichten. Als nun Dionys mit seinem Heere ausgertickt war,
hatten sich schon die Sikeler aus dem karthagischen Lager entfernt. Bei ihrer
Kenntniss des Landes gelangten sie in ihre Städte. Nun schickte aber Dionys
auf alle Wege , die vom karthagischen Lager wegführten , Soldaten , und die
Jetzt noch flohen, Überdies der Gegend unkundig, wurden ergriffen und zu-
rückgebracht. Die im Lager gebliebenen warfen die Waffen weg und baten
um ihr Leben, mit einziger Ausnahme der Iberer, die eine zu hohe Meinung
von sich hatten, um sich so zu deroüthigen. Sie boten, unter Waffen stehend,
dem Tyrannen ihre Bundesgenossenschaft, d. h. ihren Dienst an, und Dionys
nahm sie unter seine Söldner auf. Als die Griechen zum Plündern in^s kar-
thagische Lager drangen, fanden sie darin nach Ephoros gegen 150,000 unbe-
stattete Leichen.
Dies Ende nahm die gewaltige karthagische Expedition , die die Erobe-
rung von ganz Sicilien zur Folge haben sollte. Himiikon beschloss bald sein
Leben. Nur die freiwillige Busse, welche er sich auferlegte, rettete ihn vor
harter Strafe. In schlechtem Gewände ging er in Karthago von einem Tempel
zum andern , sich anklagend , dass er durch seine Gottlosigkeit und Tempel-
schändung den Untergang des Heeres verursacht habe. Dann zog er sich in
sein Haus zurück und tödtete sich durch Enthaltung von aller Nahrung. Na-
türlich hatte die Niederlage für Karthago noch weitere traurige Folgen. Es
entstand , wie gewöhnlich in solchem Falle , eine allgemeine Gährung unter
den abhängigen Völkerschaften Afrika's. Die Empörer vereinigten sich zu
einem grossen Heere, das zuletzt^ aus Freien und Sklaven zusammengesetzt,
wohl 9100,000 Mann stark war und Tunes besetzte. Die Karthager, in einigen
Schlachten besiegt, mussten sich auf die Mauern ihrer Stadt beschränken. In
ihrer Verzweiflung gelobten sie, zur Versöhnung der in Sicilien beleidigten
Gottheiten , der Demeter und Kora , die sie früher noch nicht verehrt hatten,
Tempel, deren Dienst sie den angesehensten der unter ihnen wohnenden
Griechen anvertrauten. Bald nahm der Krieg eine bessere Wendung. Die
Karthager litten in ihrer eingeschlossenen Stadt keine Noth , weil die Verbin-
dung mit Sardinien frei war; bei den Empörern in Tunes aber, die keine
Flotte zur Verfügung hatten, stellte sich bald Mangel ein. Nun brach Zwie-
tracht unter dem bunt zusammengewürfelten Haufen , dem es an tüchtigen
Führern fehlte, aus. Einige gingen gegen Geld zu den Karthagern über,
zuletzt hörte alle Ordnung unter ihnen auf. Schnell hatte das ganze, so
eben noch furchtbare Heer sich aufgelöst und Karthago konnte wieder auf-
athmen.
122 Fünftes Buch. -VI. Dionys und Italien. Die Lukaner. Rhegion's Fall.
Sechstes Kapitel.
Dionys und Italien. Die Lnkaner. Rhegion's Fall.
Durch die gewaltige Niederlage der Karthager war faclisch das erreicht,
was Dionys im Jahre 397 verlangt hatte : .die Befreiung der Griechen Siciliens
von Karthago. Nach Selinus , Akragas u. s. w. kehrten die Geflüchteten zu-
rück , um wieder als freie Bürger in ihrer Heimath zu leben. Wenn es nun
Dionys wirklich darum zu thun gewesen wäre, die griechische Herrschaft über
ganz Sicilien auszudehnen, so musste es ihm leicht werden, einen neuen
Kreuzzug gegen Panormos, Segesta und was sonst noch von griechen-
feindlichen Städten auf der Insel war , zu Stande 'zu bningen. Er that es
nicht. So hatte auch Gelon seinen Sieg bei Himera nicht dazu benutzt , um
die punische Hälfte der Insel zu unterwerfen. Aber Gelon war schon älter,
und es lag ihm nichts an einem ausgedehnteren Reiche. Dionys aber, der
noch jung war ,' wollte noch mächtiger werden. Warum wandte er sich, statt
die ganze Insel zu erobern , nach Osten und trachtete nach der Herrschaft
über die Griechen in Italien und dem überwiegenden Einfluss in den west-
griechischen Gegenden überhaupt? Der Grund lag in der vorsichtigen Politik,
die Dionys eigen war. Er hielt es für unklug, die Karthager zu sehr zu reizen,
was durch den kräftig wiederholten Versuch , sie ganz aus Sicilien zu ver-
treiben, ge'schehen musste, und vor allem passte es ihm damals nicht, sich auf
einen solchen Kampf einzulassen, und zwar deswegen, weil er noch zu viele
Feinde im Rücken hatte : die syrakusanischen Emigranten, deren Hauptquar-
tier Rhegion war. Sie waren hier, in Siciliens unmittelbarer Nähe, gegen ihn
thätig, und sammelten um sich alle übrigen Gegner des Tyrannen. So musste
Dionys als seine nächste Aufgabe die Beseitigung der Unabhängigkeit Rhe-
gion's betrachten, die Karthager konnten einstweilen unberücksichtigt bleiben.
Rhegion's Verbindung mit den anderen Griechenstädten Italiens führte ihn dann
auch gegen diese, und so kam es , dass Dionys Karthago mehr und mehr aus
den Augen verlor und seine Kraft auf die Besiegung von Grossgriechenland
wandte.
Zunächst fand er jedoch noch mancherlei in Sicilien uud speciell in Sy-
rakus zu ordnen. Unter seinen Söldnern war ein widerspenstiger Geist herr-
schend geworden, der durch ihren Führer, den Lakedämonier Aristoteles, ge-
nährt wurde. Er entschloss sich rasch, andere anzuwerben, liess Aristoteles
verhaften, theilte den unwillig zusammenströmenden Soldaten seine Absicht
mit , ihn nach Sparta zu schicken , damit seine Mitbürger über ihn richteten,
und versöhnte sie selbst mit ihrer plötzlichen Entlassung dadurch, dass er
ihnen Stadt und Gebiet von Leontini als Eigenthum verlieh, eine neue Ansied-
lung von Fremden in Sicilien. Es waren 10,000 altgediente Soldaten, die die
längere Dienstzeit mit einem lästigen Selbstgefühl erfüllt hatte , und die nun
für den glänzenden Abschiedslohn wieder seine ergebenen Freunde und Ver-
bündeten wurden. Unter das neue Söldnerheer wurden viele Freigelassene
Gründung von Tyndaris. Angriff auf Tauromenion. 123
und Sklaven aufgenommen. Jelzt konnte er auch Messana zu einer vollkommen
abhängigen Stadt machen. Die herrliche Lage gebot eine Wiederherstellung;
auch mag wohl die Zerstörung durch die Karthager nicht so vollständig gewe-
sen sein, wie sie geschildert wird. Er nahm dort 1000 Lokrer, 4000 Medmäer,
endlich 600 Messenier, die nach der Niederlage Athen's Zakynthos und Nau-
paktos hatten verlassen müssen, auf. Die Aufnahme ihrer Feinde in eine so
wichtige Stadt verletzte aber die Spartaner, und er musste sie wieder aus
Messana entfernen. Nun Uberliess er ihnen im Gebiet von Abakainon einen
Punkt an der Ktlste, wo sie die Stadt Tyndaris gründeten , welche sich durch
gute Verwaltung und zweckmässige Aufnahme neuer Bürger bald so sehr hob,
dass sie in kurzer Zeit 5000 Einwohner zählte. Tyndaris, nach den in Mes-
senien hochverehrten Dioskuren benannt, lag auf einem Vorsprunge der Küste,
der noch manche Ueberreste der alten Stadt trägt, obschon zur Zeit des Pli-
nius bereits ein Stüek des Berges in's Meer gestürzt war. Die Aussicht ist
überaus herrlich : auf der einen Seite erblickt man die aeolischen Inseln, dann
die Küste bis zum Cap Rasiculmo, weiter rechts das neptunische Gebilde, end-
lich im Süden hinter den Bergen , die das alte Abakainon trugen , die Spitze
des Aetna, des Beherrschers von ganz Sicilien.
Dionys verbesserte indess seine Stellung durch die Unterwerfung einiger
wichtiger, mit einer Ausnahme sikelischer Städte: Kephaloidion , Solus und
Henna wurden durch Verrätherei, Smeneon und Morgantine durch Eroberung
sein; zu Herbessos trat er in freundschaftliche Beziehungen, ebenso zu Her-
bita und Assoros, sowie endlich zu Agyrion und Kentoripa, zwei Städten, die
von Fürsten Namens Agyris und Dämon beherrscht wurden. Die Wie-
derherstellung von Messana durch Parteigänger des Dionys brachte übri-
gens bald die Feindseligkeiten zwischen dem Tyrannen und Rhegion zi/m
Ausbruch. Die Rheginer sahen darin eine dauernde Gefahr für ihre Unabhän-
gigkeit und bewirkten , um ein Gegengewicht gegen Messana auf der Insel zu
haben , dass die noch übrigen der ursprünglichen Bewohner von Naxos und
Katane, welche durch den Tyrannen ihre Heimath verloren hatten, Mylai be-
setzten, von wo Angriffe auf Messana mit Leichtigkeit zu machen waren.
Dann sammelten sie ein Heer, zu dessen Anführer sie Heloris^ den ehemaligen
Freund des Tyrannen, der aus uns unbekannten Gründen von ihm abgefallen
war, machten, und rückten vor Messana. Aber die Messaner, mit Söldnern
des Dionys vereinigt, überwanden sie und tOdteten ihrer mehr als 500. Hierauf
zogen sie selbst gegen Mylai und eroberten es , entliessen aber die dort woh-
nenden Naxier ungeschädigt. Diese zerstreuten sich in verschiedene sicilische
Orte. Nun beschloss Dionys Rhegion anzugreifen. Doch war ihm noch die
sikelische Gemeinde im Wege, der er selbst das Gebiet von Naxos eingeräumt
und die sich dann auf dem Berge Tauros die Stadt Tauromenion gegründet
hatte. Sie hatte sich im karthagischen Kriege an die Feinde der Griechen an-
geschlossen und war auch jetzt nicht zu einem Bündnisse mit dem Tyrannen
zu bewegen. Dionys lagerte mit seinen Truppen südlich von Tauromenion,
nach der Seite des alten Naxos zu. Er hatte erwartet, dass die Sikeler, ohne
es auf eine lange Belagerung ankommen zu lassen, den Ort, den sie ja noch
nicht lange besassen , verlassen würden. Aber gerade an dieser Gegend war
•VT
t
124 Sechstes Buch. VI. Dtonys und Italien. Die Lukaner. RhegioD*^Fall.
ihnen viel gelegen, denn sie hatten von ihren Vätern gehört, wie hier zuerst
die Griechen sich auf Sicilien niedergelassen und die Sikeler vertrieben hätten.
Die Belagerung zog sich in die Länge, und man war nicht mehr weit von Neu-
jahr entfernt, als Dionys durch einen Sturm der Sache ein Ende zu machen
beschloss. In einer dunkeln, scbarfkalten Nacht erkletterte er mit seinen
Soldaten mit ausserordentlicher Anstrengung die mit Schnee bedeckten Ab-
hänge der von der Besatzung nur lässig bewachten Burg, des heutigen Ca-
stelle di Taormina, das die Stadt überragt. Er eroberte sie und drang, seinen
Vortheil rasch verfolgend, auch in die eigentliche Stadt, konnte sich hier
aber gegen die kräftigen Anstrengungen der Tauromenier nicht behaupten
und musste einen eiligen Rückzug antreten , auf welchem 600 der Seinigen
den Tod fanden. Er selbst iiel auf der Flucht zu Boden und entging nur mit
genauer Noth der Gefangenschaft. Fast alle seine Soldaten mussten die Waffen
wegwerfen, um nicht eingeholt zu werden ; er selbst rettete nur seinen Pan-
zer. Diese Niederlage des Tyrannen machte seinen Feinden neuen Muth.
Akragas und Kamarina, wo seine Anhänger vertrieben wurden, fielen von ihm
ab; sogar die Karlhager machten unter Magon einen Versuch, in Sicilien
wieder mächtig zu werden. Sie fielen in das Gebiet von Messana, verwüste-
ten es und zogen sich dann in die Nähe von Abakainon zurück, welches auf
ihre Seite getreten war. Dionys verfolgte sie, entschloss sich zu einer Sdilacht
— wahrscheinlich waren die Aussichten auf den Gewinn derselben glän-
zend — und gewann sie wirklich. Magon ging nach einem Verlust von 800
Mann in die Stadt Abakainon. Nun hätte man erwarten sollen, dass Dionys
seinen Vortheil verfolgt hätte ; er begab sich aber nach Syrakus , und als er
es wieder verliess, geschah es mit einer Flotte von 400 Trieren und einer ent-
sprechenden Landmacht, womit er ^unvermuthet Rhegion überfiel, indem er
ganz richtig voraussetzte, dass man dort seinen Angriff nicht erwarte. Es war
Nacht, als er vor der Stadt erschien und den Eingang, wie einst in Syrakus,
durch Anzünden der Tbore zu erzwingen gedachte. Anfangs versuchte man
das Feuer zu löschen, aber Helens gab einen andern Ausweg an. Schnell
wurde aus den nächsten Häusern eine ungeheure Masse Holz herbeigeschafft
und in's Feuer geworfen, so dass die gewaltige Gluth es den Syrakusanern un~
m(^lich machte , einzudringen. So ward Dionys aufgehalten , bis sich eine
hinreichende Zahl von Vertheidigern gesammelt hatte. Nun begnügte er sich
damit, die Umgegend zu verheeren, und kehrte dann nach Syrakus zurück.
Der plötzliche Angriff auf Rhegion hatte ein engeres BUndniss der grie-
chischen Städte Italiens zur Folge. Wir müssen bei dieser Gelegenheit die
Verhältnisse Grossgriechenlands, wie sie sich etwa um das Jahr 400 gestaltet
hatten , kurz darstellen und dabei ihre historische Entwickelung berücksich-
tigen. Es ist im ersten Bande der Ursprung und die Lage der Städte geschil-
dert. Daraus ergiebt sich ein wichtiger Punkt, der eine Eigenthümlichkeit der
Verhältnisse dieser Städte im Gegensatze zu Siciliens Griechenstädten er-
klärt. Die Hellenenstädte Italiens lagen erstens weiter zerstreut als die sici-
lischen und zweitens nur am Saume eines ausgedehnten, ihnen nicht gehöri-
gen Landes, das sie zu unterjochen weder hoffen konnten, noch versucht
haben, während den sicilischen Griechen der Besitz der ganzen, von der
GrossgriechenJaDd. 125
Natur abgeschlossenen Insel erreichbar dünken musste und wirklich erreich-
bar schien. So waren erstens ihre Beziehungen unter einander nicht so enge,
wie die der Hellenen Siciliens , und zweitens war ihre Existenz eine prekäre,
in ganz anderer Weise als die der Sikelioten. Es ist deshalb eine gemeinsame
Geschichte der Hellenen Grossgriechenlands kaum zu schreiben, und die ein-
zelnen Städte bleiben vielmehr auf sich selbst angewiesen. Doch lassen sich
gewisse Gruppen unterscheiden. Eine wird gebildet durch die Sicilien näch-
sten Städte Lokri und Rhegion, deren Schicksale mit denen der Insel eng ver-
knüpft sind; eine zweite bilden die Städte der Mitte des tarentinischen Golfes :
in älterer Zeit Kroton und Sybaris, später Kroton, Thurii, Herakleia und Me-
tapont ; eine dritte Tarent mit den messapischen Städten ; eine vierte, da die
südlichen Kolonien des tyrrhenischen Meeres, wie wir im ersten Bande gezeigt
haben, bis nach Pyxus hinauf von Lokri, Kroton und Sybaris abhängig waren,
Elea und Poseidonia, eine fünfte und letzte endlich die chalkidischen Kolonien
am Fusse des Vesuv : Kyme und Neapolis. Je weiter nördlich und von Sici*
lien entfernt , desto wichtiger werden die Beziehungen zu den barbarischen
Völkern, wie denn Tarent viel mit lapygiern und Messapiern zu schaffen bat^
Kyme aber gar in die römischen Angelegenheiten verwickelt wird.
Das Ende des sechsten Jahrh. v. Chr. bezeichnet einen Abschnitt in der
Geschichte der Hellenen Italiens. Sybaris fällt, aber es reisst auch die Siegerin
Kroton mit sich , die seitdem nie wieder so bedeutend und berühmt war wie
zuvor. Und Sybaris verschwindet nicht ganz : 58 Jahre nach der Zerstörung
der Stadt versuchen die Sybariten eine Neugründung , wie Diodor ausdrück-
lich überKefert hat (Ol. 81, 4], aber auch schon 20 Jahre früher kommt sie in
der Geschichte des Hieron und Polyzelos vor (Bd. I, S. 213). Endlich veran-
lassen die Sybariten, wie wir sogleich sehen werden, die Gründung von
Thurii nach derMitte des 5. Jahrh. v. Chr. Aus der ersten Hälfte dieses Jahrhun-
derts sind nur wenige, besonders auf Tarent bezügliche Thatsachen bekannt:
der Krieg der Tarentiner und Rheginer gegen die lapygier zur Zeit des Miky-
thos, wobei nach Diodor die lapygier sogar in Rhegion eindrangen, und
Kriege derselben Tarentiner gegen die Messapier und Peuketier, welche in
Delphi Weihgeschenke von der Hand des Ageladas und des Onatas veranlass-
ten. Am Perserkriege nahm mit einem einzigen Schiffe nur Kroton Theil.
Nach der Mitte des Jahrhunderts concentrirt sich das politische Interesse, das
die grossgriechischen Städte erregen , um die Mündungen der Flüsse, die von
den lucaiiischen Bergen herab sich in den tarentinischen Golf eiigiessen, und
wo mehr als eine Hellenenstadt schon in älterer Zeit zerstört und wieder auf-
gebaut war. Zu diesen gehörten Siris und Metapont, deren Geschichte noch
manche dunkle Stellen zeigt. Siris bestand nicht, als Metapont, auf Veranlas-
sung der Sybariten , von Achäern neu colonisirt wurde, und es bestand wie-
derum nicht zur Zeit der Perserkriege, wo die Athener einen Augenblick daran
dachten, sich hier niederzulassen. Als Metapont von Achäern unter Leukip-
pos besetzt wurde , war es von Samnitern zerstört. Das achäische Metapont
kann aber nicht aus dem 5. Jahrh. stammen, wie manche gemeint haben;
nach den incusen Münzen zu urtheilen, war es älter. Sollten dann aber, etwa
im 6. Jahrh. v. Chr. bereits Samniter so weit vorgedrungen sein? Man kann
126 Fünftes Buch. VI. Dionys and Italien. Die Lukaner. Rhegion's Fall.
/
deshalb annehmlBD, dass stall der Samniler an Choner zu denken sei. Wichti-
ger aber als Siris und Metapont wurde für diese Gegenden die Stadt Thurii,
milderen Anlage die Sybarilen endlich zur Ruhe zu kommen hofften und doch
nicht zur Ruhe kamen. Wir können hier natürlich nicht auf die chronologi-
schen Fragen in Retreff dieser Gründung eingehen , wir haben nur auf den
Charakter von Thurii aufmerksam zu machen. Thurii war eine Kolonie nicht
der lonier oder der Dorier, sondern der Hellenen überhaupt, und seine Phylen
bekundeten in ihren Namen die bunte Zusammensetzung der Rürgerschaft.
Thurii war ferner eine regelmässig , nach modemer Weise des Milesiers Hip-
podamos angelegte Stadt, wie Mannheim oder Neu- York. Es wurde eine Zeit-
lang der geistige Mittelpunkt von Grossgriechenland, zumal da eine Menge be-
deutender Männer von Osten und von Westen dahin kamen. Es nahm die
sicilische Rhetorik in der Person des Tisias und die östliche Geschichtschrei-
bung in Herodol und Thukydides bei sich auf, und jene lernte dort Lysias
der Athener kennen, dessen Vater aus Syrakus stammte. Aus dem Osten
kam ferner Protagoras, aus dem Westen Empedokles nach Thurii, um dort
eine Zeitlang zu leben. Wenn es möglich war, dass Griechen die Slam-
meseifersuchl ablegten , so mussten in einer Stadt wie Thurii sich die ersten
Spuren einer milderen Gesinnung zeigen. Aber Thurii griff auch krSfUg in
die politischen Verhältnisse Italiens ein. Es kam in Conflict mit Tarenl über
das Gebiet von Siris. Dieser Krieg ward gleich nach Thurii's Gründung geführt
(Ol. 84, 1 — 443 V. Chr.) und hatte zum Resultat, dass Siris, unter dem Titel
einer tarenlinischen Kolonie, Thurii und Tarenl als gemeinsamer Besitz zugespro-
chen wurde. Damals war Anführer der Thurier der Vater des Gylippos, Klean-
dridas, der, angeblich von Perikles bestochen, aus Sparta verbannt war. Ol.
86, 4 gründeten dann die Tarentiner Herakleia, d. h. sie verlegten Siris etwas
landeinwärts, und das alte Siris diente von nun an nur als Hafenplatz. Bald
folgte der peloponnesische Krieg und die athenischen Züge nach Sicilien ; wir
haben oben gesehen, wie sich die verschiedenen italischen Städte hierzu
stellten. . Gegen das Ende der grossen Expedition der Athener hatte in Thurii
die athenische Partei gesiegt ; mit der Niederlage der Athener unterlagen auch
ihre Freunde in Thurii. Um dieselbe Zeit aber, wo die südlichen und östlichen
hellen]sch(en Städte Italiens ihre Augen auf Athen und Sparta , Syrakus und
Korinth gerichtet hielten, zog sich im Norden, von der Mitte der Halbinsel
her, das Ungewilter zusammen, das mancher griechischen Stadt den Unter-
gang bereiten sollte, und die nordwestlichen Städte, wie Neapel und Kyme.
begannen schon den Kampf um ihre Existenz.
Samniler, Bewohner eines Theils der Apenninen südlich vom Sagrus und
Liris, ein Volk echt italischen Charakters, Sprösslinge der Sabiner, setzten die
uralten Völkerwanderungen, die sie wie andere Völker desselben Stammes
von Osten her nach Italien geführt hatten, in südlicher Richtung fort. Ich
habe im ersten Bande dieser Geschichte, als ich die Gründung der hellenischen
Kolonien in Sicilien erzählte, darauf hingewiesen , wie das Volk der Hellenen
eben in diesen Kolonien seinen uralten Wandertrieb zum letzten Male helhätigt
hat. Es kann nicht genug darauf aufmerksam gemacht werden, dass die helle-
nischen Kolonien nicht blosse Ergebnisse augenblicklicher politischer oder öko-
Die Lukaner. 127
Domischer Verhältnisse der Mutterstädte sind; diese boten nur die äussere Ver-
anlassung: sie sind ein Product der inneren Natur des hellenischen Stammes.
In entsprechender, wenngleich natürlich in Folge des verschiedenen National-
Charakters etwas abweichender Weise (die Verschiedenheit zeigt sich besonders
darin, dass die italischen Auswanderungen nur zu Lande erfolgten), fin-
den wir die Wanderungen unter den italischen Völkerschaften an der Ta-
gesordnung. Wie bei den Griechen wurden sie mit der Religion in Verbin-
dung gebracht. Die Ausgesandten, die ausserhalb des zu eng werdenden
Vaterlandes sich eine neue Heimath suchen sollten, waren ein heiliger Früh-
ling— versacrum. Solch eine Schaar streitfähiger Jugend war es, die um
das Jahr 438 in besonders grosser Anzahl und mit besonderer Energie aus
ihren Bergthälern hervorbrach und die Eroberung der näher und femer gele-
genen schönen Ebenen und reichen Städte unternahm. Sie wandten sich nach
Südwesten, wo die fruchtbaren Gefilde um den Vesuv sie lockten. Zuerst, um
das Jahr 420, fiel Gapua in ihre Hände und in kurzer Zeit waren sie im Besitz
des ganzen Landes Kampanien, dessen tuscische Herrscher ihrer jüngeren
Kraft weichen mussten. Sie nahmen den Landesnamen an und nannten sich
selbst Kampaner, und solche samnitische Kampaner waren es, die, noch nicht
zufrieden mit den dort gemachten Erwerbungen, wie wir 6s in der Geschichte
der Karthagerkriege sahen , in die Dienste der verschiedenen , auf Sicilien
Krieg führenden Mächte traten. Die Folge der Eroberung Kampaniens war,
dass sie auch die Hellenenstädte der Küste angriffen , und da ward die älteste
Griecbenstadt Kyme ihre erste Beute. Strabon tbeilt uns mit, dass sie die
Frauen der Stadt für sich nahmen , ganz in derselben Weise verfuhren später
ihre Stammesgenossen in Entella (s. oben S. \ 03) , und noch ein anderes auf-
fallendes Beispiel desselben Verfassers wird uns im Verlaufe dieser Geschichte
begegnen. Nach Kyme kamen andere hellenische Kolonien des tyrrheni-
schen Meeres in die Hände der Samniter , die in verhältnissmässig kurzer Zeit
das gesammte Innere von Süd -Italien bis in seine beiden Spitzen über-
schwemmten. Hier aber nahmen sie einen andern Namen an; sie nannten
sich Lukaner, und nachdem sie die alten Italer, Oenotrer und Choner unter-
worfen hatten , hörten die Namen Italia und Oenotria auf, diese Gegenden zu
bezeichnen, und man sprach hinfort von Lukanien und den Lukanem als von
einem grossen Lande und einem mächtigen Volke. In der Blüthe ihrer Macht
besassen die Lukaner ebensowohl die westliche wie die östliche Halbinsel, und
jene ist erst in der Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. durch einen Aufstand der Bret-
tier, ihrer hier wohnenden Leibeignen, ihnen entrissen worden. Diese Lu-
kaner nun waren es, welche die griechischen Städte bedrängten, und gegen
welche ebenso sehr wie gegen Dionys der Bund der Italioten gerichtet war.
Dionys und die Lukaner wurden Freunde , ein neuer Beweis der guten Be-
ziehungen, die der Tyrann von Syrakus zu den Völkerschaften italischen
Stammes unterhielt. Freilich genügte der wohlverstandene Vorlheil beider,
um das Einvernehmen zu erklären.
Die verbündeten Griechen hatten übrigens Zeit, sich zu rüsten, da der
Tyrann 392 v. Chr. Ol. 97, 4 noch einmal durch den karthagischen Feld-
herrn Magon mit einer bedeutenden, wenn auch den Heeren Hannibal's und
Fünftes Buch. VI. Dionys und Ilalien. Die Lukaner. Rhegion's Fell.
i's keineswegs gleiuhkommeDden Macht angegriffen wurde. Das Heer,
kaoern, Sarden und italischen Barbaren bestehend, war etwa 80,000
ark. Während nun die Ksrlbager anfangs an der SeekUste entlang
ten marscbirt witren, dann Himilkon den Weg längs der Nordktlsle
halte , schlug diesmal Magon ein ganz abweichendes Verfahren ein.
ie NordkUste waren offenbar ausges<^en , der karthagische Feldbeir
jhalb von der wohlbegrUndeten Gewohnheit seines Volkes , die Koste
zu marscbiren, ab; er zog durch's Innere, und wir finden ihn, als
[nil 20,000 Mann heranrückte, bei Agynon am Ghrysas unfern des
i^ntion fuhrenden Weges gelagert. Die Entfernung von der Proviant-
jrd sein Verderben. Dionys verband sich mit Agyris , dem reichen
n von Agynon, einer damals höchst volkreichen Stadt von 20,000
, wenn anders Diodor's LocalpatrioUsniua nicht Übertreibt. Die leich-
ipen der Verbündeten hatten bald in allen Gefechten über die zer-
, zum Fouragiren ausgeschickten karthagischen Abtheilungen das
wicht, und nach kurzer Zeit gab sich im feindlichen Heere ein emp-
r Hangel an Lebensmitteln kund. Der Plan des Dionys war nun
keine Schlacht liefern, sondern die Karthager durch Hangel zu
gehen lassen. Er fand aber nicht den Beifall der Syrakusaner, welche
inter Weise eine Schlacht verlangten und endlich aus Zorn über die
te Verrütherei des Dionys das Heer vcriiessen. Dieser war anfangs
! Zukunft in Sor^e und ordnete sogar wieder eine Freilassung von
an, um, wenn der Krieg fortdauern sollte, eine Stütze zu haben.
Karthager befanden sich wirklich in einer so schlimmen Lage, dass
'rieden baten, und Dionys bewilligte ihn gern, besonders da die für
leilbafte Bedingung in denselben aufgenommen wurde, dass die Si-
I als Herrn anerkennen und Tauromenion ihm gehären solle. Das war
ys ein grosser Fortschritt gegen den Frieden des Jahres tOi. Dsnoats
lessaner, Leontiner und Sikeler unabhängig erklärt worden; jetzt
eonüner und Messaner schon lange dem Dionys unterworfen, und die
wurden eigens als seine Unterthanen anerkannt. Jetzt gab Dionys
soelien befreiten Sklaven ihren Herren zurUck und eroberte Tauro-
Er entfernte aus der Stadt die meisten der sie bewohnenden Sikeler
;te dafür eine Anzahl der ihm ergebensten Söldner ein. Wir ddrfen
in, dass diese Eroberung, obwohl Diodor es nicht sagt, erstin'sfol-
hr (391 V. Chr. Ol. 97, i) m\i. Wir haben hier wieder die richtige
des Dionys anzuerkennen , der die Orte seiner NeugrUndungen treff-
ilte. Tyndaris und Tauromenion legte er an hohen und sicheren,
« Nahe des Heeres geschützten Punkten an ; Hadranon hatte er an
rte von grosser politischer Bedeutung erbaut.
lahre darauf [390 v. Chr. Ol. 97, 3) glaubte er im Stande zu sein,
1er mit Erfolg gegen Rhegion zu wenden. Er hatte 80,000 Hann lu
00 Reiter und 100 Schiffe. Im Gebiete des befreundeten Lokri landete
Uckle mit Heer und Flotte vor Rh^on, das Land unterwegs verwu-
Nach ihrem vor drei Jahren geschlossenen Bunde waren die italischen
zum Beistände Rhegion's vei^flichtel , und es lief von Kroton, der
Fetdzüge des Dtonys tn Grossgriechenland. 129
mächiigsteo grossgriechischen Stadt , eine Flotte von 60 Schiffen aus. In der
Nähe Rhegion^s wurde sie von Dionys mit 50 der seinigen angegriffen. Die
Italioten steuerten erschrocken dem Lande zu ; Dionys aber , die Furcht der
Feinde benutzend, folgte ihnen, bemächtigte sich der von der Mannschaft
verlassenen Fahrzeuge und war schon im Begriff, sie am Schlepptau wegzu-
führen, als die Rheginer in grossen Schaaren aus der Stadt hervorbrachen und
Dionys zurücktrieben. Um dieselbe Zeit erhob sich ein heftiger Sturm. Die
Rheginer konnten die Schiffe an's Land ziehen; Dionys musste seine Flotte
anderswo in Sicherheit zu bringen suchen. Sieben seiner Schiffe scheiterten
an der italischen Küste, und von den 1500 Menschen, die sich auf ihnen be-
fanden, wurden viele von den Rheginern gefangen genommen, andere kamen
im Meere um. Dionys selbst, der sich auf einem grossen Schiffe mit fünf Ru-
derreihen befand, kam erst um Mitternacht im Hafen von Messana an. Dieser
Unfall verleidete ihm für dieses Jahr den Krieg ; er kehrte nach Syrakus zu-
rück, nachdem er noch mit den Lukanern ein förmliches Bündniss abgeschlossen
hatte. Diese benutzten den Rest des Jahres zu einem Angriffe auf Thurii. Die
Thuner nahmen Bundeshülfe in Anspruch, die bereitwillig gewährt wurde,
denn noch war die vor kurzer Zeit getroffene Bestimmung in aller Andenken,
wonach die Feldherren der Stadt, welche Hülfe zu leisten versäumte, mit dem
Tode bestraft werden sollten. Aber die Thurier begingen die Unvorsichtigkeit,
die Ankunfl der Bundesgenossen nicht abzuwarten ; sie rückten allein gegen
die Lukaner, freilich mit der bedeutenden Macht von 14,000 Mann zu Fuss und
etwa iOOO Reitern. Die Lukaner zogen sich bei ihrer Annäherung in das
bereits früher erbbei*te Gebiet am tyrrhenischen Meere zurück. Eine luka-
nische Burg nahmen die Thurier ; als sie aber gegen Laos , das ebenfalls den
Lukanern gehörte, vorrückten, fielen sie in einen Hinterhalt und wurden voll-
stündig geschlagen. Die Lukaner machten keine Gefangene, und so karnen
über 10,000 Thurier um. Einige flohen auf einen Rerg am Meere, wo sie
sich vertheidigten ; andere schwammen nach gerade vorbeifahrenden Schiffen,
die sie für rheginische hielten. Es waren aber syrakusanische unter Leptines.
Den Leptines dauerten die Griechen; er nahm die Schwimmer freundlich auf,
brachte sie an's Land und übergab sie den Lukanern unter der Bedingung,
dass sie nun für jeden der Tausend, die noch auf dem Berge und in den
Schiffen waren, eine Mine als Lösegeld annehmen sollten. Soweit handelte
Leptines zugleich menschlich und klug. Er vermittelte aber auch einen Frie-
den zwischen den Italioten und den Lukanern, und das war gegen den Vor-
theil des Tyrannen , der auf die Bedrängniss der Griechen seine Pläne gebaut
hatte. Daher entsetzte dieser den Leptines seines Amtes und gab es seinem
zweiten Bruder Thearides.
Das Jahr darauf (389 v. Chr. Ol. 97, 4) setzte er den Krieg in Italien fort
mit SO, 000 Mann zu Fuss, 3000 Reitern, 40 Kriegs- und ungefähr 300 Trans-
portschiffen. Fünf Tage brauchteer, um nach Messana zukommen, wo er
seinen Truppen einige Erholung gönnte. Thearides wurde mit 30 Schiffen
nach Lipara geschickt, wo iO rheginische Fahrzeuge verweilen sollten. Er
bemächtigte sich der Flotille mit der Mannschaft, die in Messana gefangen
gesetzt ward. Dann ging der Tyrann nach Italien. Hier suchte er zuerst einige
Holm, Qescli. SieilienB. n. 9
130 Fünftes Buch. VI. Dtonys und lUlien. Die Laksner. Rbegion*s Fall.
benachbarte SUIdle zu unterwerfen , um das isoHrte Rhegion desto sidierer
zu besiegen. Er griff Kaulonia an. Alsbald waren aber auch die italischen
Griechen uir Bundeshttife bei der Hand. Kroton ttbernahm die Führung, als
die grösste und durch die Menge der dort wohnenden syrakusanischen Flücht-
linge (die sich, wie man sieht , aus dem schwer bedrohten Rhegion weiter
nach Osten in Sicherheit gebracht hatten) dem Tyrannen feindlichste Stadt.
Die Krotoniaten wählten zum Feldherren den schon erwähnten Heloris, den
früheren Freund und jetzigen Feind des Tyrannen , einen in militärischen
Dingen sehr erfahrenen Mann. Heloris rückte mit 25,000 Mann zu Fuss und
2000 Reitern zum Schutze von Kaulonia aus, Dionys zog ihm entgegen. In
der Nähe des Flusses Elleporos kam es durch die Unvorsichtigkeit des Heloris
zu einer für die Italioten verderblichen Schlacht. Dionys hatte, ohne dass
seine Feinde es wussten , sein Lager ungefähr eine Meile von Heloris aufge-
schlagen. Nun unternahm dieser noch vor Tagesanbruch mit 500 Mann eine
Recognoscirung. Dionys aber , von den Bewegungen der Feinde unterrichiet,
führte seine ganze Macht dem Heloris entgegen, der in eine schlimme Lage
gerieth. Statt sich zurückzuziehen, liess er sein Heer nachkommen. Es war
aber schon zu spät, er ßel mit den meisten seiner Abiheilung. Das italische
Heer, welches in grösster Hast herbeieilte , vermochte ebenfalls den wohlge-
ordneten Truppen des Tyrannen nicht lange Widerstand zu leisten, es wandte
sich zur Flucht und konnte sich für den Augenblick nur dadurch retten,
dass es eine schwer zu erstürmende Höhe besetzte. Der Ort bot aber kein
Trinkwasser; Dionys, des endlichen Erfolges sicher, begnügte sich deshalb
mit seiner Bewachung. In der Thal mussten die Italioten, von Hitze und
Durst gequält, sich um die achte Stunde des folgenden Tages auf Gnade und
Ungnade ergeben. Sie waren auf das Schlimmste gefasst. Dionys stand am
. Abbange und zählte die bei ihm vorbeiziehenden Feinde wie eine Vieh- oder
Sklavenheerde, indem er jeden mit seinem Stocke berührte; es waren mehr
als 40,000. Wie überrascht waren sie, als er sie plötzlich ohne Lösegeld ent-
liess, nur den Wunsch aussprechend, mit ihren Städten, die er gerne als un-
abhängig anerkennen wolle, in Frieden zu leben ! Die meisten , wahrschein-
lich auch Kroton, nahmen sein Anerbieten an, zum Tbeil wirklich durch seine
Grossmuth gewonnen, die doch nur Klugheit war. Wenn die Klugheit ihn
immer zu solchen Handlungen getrieben hätte , so würde Mit - und Nachwelt
wenig Tadel für ihn gehabt haben. Aber leider verdiente er es nicht oft, wie
diesmal, dass von ihm Gerettete ihn mit goldenen Kränzen ehrten, und
die vereinzelte That der Milde hat auf das Urtheil über ihn keinen Einfluss
gehabt. Der Hauptvortbeil, den ihm seine Grossmuth brachte, bestand in der
Isolirung der Rheginer. Diese dachten nun durch Demüthigung vor dem Ty-
rannen seinen Zorn zu entwaffnen. Ihm aber war es um zwei Dinge zu thun:
um Rache für die Beleidigung, die Rhegion ihm angethaa, als er »eh dort eine
Gattin suchte, ganz besonders aber um den Besitz der für Siciliens Sicherheit
wichtigen Stadt. Deshalb stellte er sich , als ob er den Bitten dar Rheginer
nicht widerstehen könne. Er gewährte ihnen Frieden unter der Bedingung,
dass sie 300 Talente zahlen, ihre ganze aus 70 Segeln bestehende Flotte ihm
ausliefern und 100 Geiseln stellen sollten. Die Rheginer gingen darauf ein,
isolirung der ftheginer. Eroberang von Rhegion. ' 131
ohne zu bedenkeo, dass sie nun gitnKlieh in der Hand des Tyrannen waren.
Es war das Verfahren der Römer gegen Karthago, aber Knrlhago ging besiegt
solche Bedingungen ein, wie Rhegion ohne Kampf. Jetzt zog Dionys von
neuem gegen Kaulonia , das keinen Widerstand mehr wagte. Die Stadt ward
zersU^rt und das Gebiet den Lokrern gegeben ; die Einwohner mussten nach
Syrakus übersiedeln, wo sie das Bürgerrecht und fünf Jahre Steuerfreiheit
erhielten. Ebenso machte er es im nächsten Jahre (388 v. Chr. Ol. 98, \] imX
der am nördlichen Meere gelegenen Stadt Hipponion.
Nun war Rhegion von aller Hülfe entblösst und von syrakusaniscfaem
und lokrischem Gebiet rings umschlossen. Es war die Zeit gekommen, wo es
fallen musste, und es handelte sich nur um einen Vorwand zum Angriffe.
Dionys führte seine Truppen nach der Mterenge, als sollten sie nach Sieilien
übersetzen. Dann forderte er von den Bheginern Lebensmittel unter dem
Vorgeben, er werde ihnen bald andere zum Ersätze aus Syrakus senden. An-
fangs gaben sie das Verlangte , als er aber seine Forderungen wiederholte und
unter allerlei Vorwänden die Ueberfahrt verzögerte, sahen die Rheginer, dass
der Tyrann es darauf abgesehen habe, sie auszuhungern, und sie verweigerten
fernere Lieferangen. Jetzt spielte Dionys den Beleidigten ; er schickte ihnen
ihre Geiseln zurück und belagerte die Stadt. Trotz täglicher Angriffe aber,
trotzdem dass die besten und gewaltigsten Maschinen die Mauern erschütter-
ten, hatte die Belagerung keinen Fortgang. Es handelte sieh für die Rheginer
um Freiheit und Leben , und sie vertheidigten sich unter der Führung des
Phyton mit der grössten Tapferkeit. Alle, die die Waffen tragen konnten,
kämpften, und es wurden Ausfälle gemacht, wobei die Belagerungsmaschinen
litte!^ und einmal Dionys selbst verwundet wurde. Es war ihm nicht möglich,
die Stadt zu erobern, aber ebenso w^nig konaten die Rheginer sich von dem
ehernen Ringe, der sie einsohloss, befreien, und so musste schliesslich doch
die Zähigkeit des Tyrannen den Sieg davon tragen. In Rhegion trat Mangel an
Lebensmitteln ein. Bald kam es so weit, dass ein Scheffel Weizen fünf Minen
galt; dann musste man die Pferde und was sonst an Thieren in der Stadt
war, schlachten, und als alles Fleisch aufgezehrt war, kochte man die Häute
nnd'ass sie. Endlich waren die Rheginer so weit gekommen, dass sie scbaa-
renweise aus den Thoren sohiiahen und sich auf das Gras warfen, das am
Fusse der Mauern wuchs, um ihren Hunger zu stillen. Aber Dionys liess es
unter dem Schutze seiner Soldaten von Thieren abweiden. Endlich erreichte
er seinen Zweck ; Rhegion engab sich auf Gnade und Ungnade, 387 v. Chr., Ol.
98, 2. Als er in die überwundene Sladt einzog, fand er Haufen von Leichen.
Tausende waren Hungers gestorben, und die Ueberlebenden waren Todten
ähnlich. Es waren nur ^OaO, die in soine Häi^le fielen. Er gestattete jedem,
sich für eine Mine Silbers zm befreien; die es nicht zahlen konnten, wurden
verkauft. Während so die Ma^se der unglücklichen Rheginer kein schlimmeres
Loos zu erdulden haAte, als Knegsgefengene überhai^t bei den Griechen,
richtete sich der ganze Zorn des Tyrannen gegen den Feldherrn Pliyton.
Zuerst liess «r ihn an eiae der höchsten Maschinen binden, als sollte eine
ganz besonders grausaime Strafe a» ihm vollzogen werden. Dann verkündete
man dem Unglücklichen, driss Dionys am vorigen Tage seinen Sohn habe
9*
132 Fünftes Buch. VI. Dionys und Italien. Die Lukaner. fthegion's Fall.
ersäufen lassen. Der Feldherr antwortete: »Desto besser, so ist er am. einen
Tag glücklicher als sein Vater.« Als Dionys sah, dass Phyton kein Zeichen der
Schwäche gab, Hess er ihn herabnehmen und mit Geisseihieben durch die
Stadt tnnben. Ein Herold verkündete, dass Dionys ihn so strafe, weil er seine
Vaterstadt zum Kriege verleitet habe. Phyton aber rief, er werde so gequält,
weil er die Stadt nicht habe an Dionys verrathen wollen, aber bald werde den
Tyrannen die Rache der Götter treffen. Die ganz ungriechische Art, Gefan-
gene zu beschimpfen, erregte den Unwillen der eigenen Soldaten des Dionys.
Er musste befürchten , dass ein Versuch gemacht werden würde , Phyton zu
befreien, und Hess ihn schnell mit seiner ganzen Familie ersäufen. Aligemein
wurde das Schicksal des Mannes bedauert, und später besangen Dichter seine
Tugenden und sein Unglück. So kaih Dionys in don Besitz der Stadt Rhegion.
Er zerstörte sie und gab das Land wahrscheinlich theilweise an die Lokrer,
denen so die Herrschaft über fast die ganze Südwestspitze Italiens vom hippo-
niatischen und skylietischen Meerbusen an zu6el ; die Lokrer aber hingen in
Wirklichkeit von Dionys ab.
Nunmehr ist die Macht des Dionys gesichert. Wir werden allerdings
sehen, dass sie sich noch etwas weiter ausgedehnt hat, aber die wesentliche
Grundlage , der eigentliche feste Kern ist doch bereits vorhanden. Das Jahr
387 bezeichnet somit das Ende der ersten grossen Periode der Regierung des
Tyrannen von Syrakus. Und wenn seine Macht sich auch räumlich noch etwas
erweiterte, wenn sein Ruhm auch noch wuchs, celativ waren beide damals
am grössten, d. b. wenn man auf die augenblicklichen Verhältnisse der Mit-
telmeerstaaten Rücksicht nimmt. Das Jahr 387, in welchem Dionys durch
Rhegion *s Fall sein Reich sicherte, ist nämlich noch durch eine andere, viel
berühmtere Begebenheit merkwürdig, durch den Frieden des Antalkldas, und
kurz vorher hatten die Gallier Rom erobert und standen noch gefürchtet und
mächtig in Mittelitalien. Wenn im allgemeinen als die Feinde der klassischen
Kulturvölker diese drei bezeichnet werden müssen : die Perser, die Karthager
und die nordischen Völkei^schaften, und unter den letztgenannten zunächst die
Gallier, so stand es im Jahre 387 v. Chr. folgendermassen mit ihnen und
ihrer Macht. Die Griechen des eigentlichen Hellas opferten den Persern ihre
asiatischen Stammesbrüder ; die Gallier waren kaum aus Rom abgezogen und
noch furchtbar genug ; nur die Karthager wurden von ihren speciellen Gegnern,
den sicilischen Griechen, vollkommen in Schranken gehalten. Mit anderen
Worten : die Römer hatten kaum eine Demüthigung überwunden ; die Spar>
taner, die Führer von Hellas, hatten selbst Griechenland beschimpft und ge-
demüthigt; nur Dionys hielt den Kriegsruhm der Griechen aufrecht, und Sy*
rakus war am Mittelmeer für den Augenblick der einzige wirklich mächtige
Staat. Das Jahr 387 bezeichnet somit den Gipfelpunkt der sicilischen Macht
im ganzen Alterthum. Und einen Beleg dafür geben die Beziehungen, in denen
Dionys zu den übrigen Mächten der Zeit stand. Er ging mit den Galliern
freundschaftliche Verbindungen ein und hat, wie wir alsbald sehen werden,
das Seine dazu beigetragen, dass die Hellenen den Frieden des Antalkidas
annehmen mussten. Er war also nicht nur im directen Bereiche seiner Wafien
gefürchtet; sein Einfluss reichte fast bis an die Grenzen der civilisirten Welt,
Macht des Dionys. 133
und man erkadnie ihn als eine Grossmachi ersten Ranges an. Er nahm
eine Stellung ein, wie in Sicilien in späterer Zeit nur König Wilhelm IL, der
Zeitgenosse Friedrich Barbarossa's. Wenn er nun so in seinen Beziehungen
zum Osten des Miltelmeeres und zum centralen Italien wohl als ein höchst
mächtiger Fürst, aber keineswegs als ein Hort der Givilisation dasteht, die er
vielmehr durch sein BUndniss mit den Galliern und, wenn wir dieses bei sei-
nem bald zu erwähnenden Charakter hier weniger anführen dürfen , jeden-
falls durch das mit Sparta indirect schädigt, ist er dagegen durch die einfache
Thatsache seiner Macht, die die Karthager in Schranken hält, die wichtigste,
ja fast die einzige Stütze des Hellenenthums und somit der Bildung in jener
denkwürdigen Epoche gewesen. Denn was wäre geschehen, wenn es im Jahre
387 nicht ein starkes Syrakus gegeben hätte? Die Karthager wären von Westen
hervorgedrungen wie die Perser von Osten , und wer kann sagen , welches
Schicksal dann das Hellenen thum gehabt hätte?
Siebentes Kapitel.
Des Dionys Macht in Italien. Seine Tlieilnalinie an den Angelegen-
heiten Griechenlands.
In Sicilien hat die Macht des Tyrannen von Syrakus sich nach dem Jahre
387 nicht wesentlich ausgebreitet. Hin und wieder, wenn gerade seine Blicke
nach Osten gerichtet waren , mochte ihm eine grössere Ausbreitung derselben
auf der Insel auch gar nicht nOthig erscheinen. Wenngleich nicht alleiniger, war
er doch der mächtigste Fürst Siciliens. Das Gebiet der Karthager war wenig
ausgedehnt, und fast alle anderen Bewohner der Insel, Sikaner, Sikeler und
Griechen, mussten ihn mittelbar oder unmittelbar als Herrscher anerkennen. So
konnte man ihn als Tyrannen Siciliens betrachten und Syrakus als die Haupt-
stadt der Insel. Syrakus verdankte ihm unendlich viel. Er hatte Epipolae an
dpr Nordseite ummauert, jetzt ward auch der Südabhang durch eine Mauer
eingefasst und so ein Ganzes geschaffen, das fünf grosse Städte umschliessend
an Umfang alle Stadtanlagen von Hellas übertraf und auch an Einwohnerzahl
alle weit hinter sich gelassen haben wird. An Schönheit der Denkmäler konnte
Syrakus natürlich nicht mit Athen wetteifern, aber auch in dieser Hinsicht
that Dionys sein Möglichstes, und es wird berichtet, dass er am Anapos Gymna-
sien baute und Tempel und andere öffentliche Gebäude in der Stadt errich-
tete, l^irklich unabhängig von ihm waren auf^der Insel nur die karthagischen
Städte, von denen Solus unbedeutend blieb, wie immer, während seit Motye's
Fall Panormos den ersten Platz einnahm und ausserdem eine neue Stadt auf-
zublühen begann, Lilybaion, welches die Karthager kurze Zeit nach dem Falle
Motye^s als Ersatz dafür am westlichen Vorgebirge der Insel angelegt hatten,
das heutige Marsala.
134 Fünffes Buch. VII. Des Dionys Macht in Italien und Griechenland.
Wahrend so die Karthager ihre Stellungen zähe festtuhalten wussten,
gelang dem Tyrantien die Erweiterung seiner Macht im Nordosten vortrefflich.
Er hatte nach seinem Siege am Helleporos die italioten durch Milde beschwich-
tigt, weil er es vorzog, nur mit einem Feinde zur Zeit zu thun zu haben;
nachdem er aber seinen Zweck erreicht und Rhegion erobert hatte , Hess er
nicht lange die übrigen Griechen Italiens unbelästigt. Er griff Kroton an —
wahrscheinlich im Jahre 379 v. Chr. — und bemächtigte sich der Burg, die, auf
einem steilen Felsen am Meere gelegen, ftlr so sicher galt, dass man kei^e
starke Befestigung nothwendig glaubte. So war die zweite Stadt ra seine
Hände gefallen, die den syrakusanischen Verbannten als Zufluchtsort und
Operationsbasis gegen ihn gedient hatte, und die Flüchtigen mussten ihren
Wanderstab weiter nach Osten setzen : wir werden alsbald sehen , wohin sie
gingen. Kroton war indess der Endpunkt der Eroberungen des Tyrannen.
Ein Angriff auf Thurii misslang durch einen heftigen Nordsturm , der die aus
300 Segeln bestehende syrakusanische Flotte vernichtete, weshalb die Thurier
den Boreas mit dem Bürgerrecht ihrer Stadt, sowie mit einem Hause und
einem Acker beschenkten und ihn von dieser Zeit an besonders verehrten.
Für diesen Verlust suchte sich indessen Dionys durch einen Besuch , den er
der Here in ihrem Tempel auf dem Vorgebirge Lakinion, südlich von Kroton,
abstattete, schadlos zu halten. Er nahm der reichen Göttin ihre werthvollsten
Kostbarkeiten, darunter ein Gewand, das einst der Sybarit Alkisthenes ihr ge-
schenkt hatte, und das von solcher Pracht war, dass Dionys von den Karthagern
120 Talente dafür erhielt. Uebrigens wurde auch bei diesen Eroberungen Lokri
bedacht, welches das sonst den Krotoniaten gehörige Skylletion bekam. Tarent
war ausser Lokri die einzige grossgriechische Stadt, mit der Dionys in dauernd
guten Beziehungen stand. Die Tüchtigkeit und Klugheit ihres ausgezeichnet-
sten Bürgers, des Archytas, flösste ihm Achtung ein, und er machte keinen
Versuch, Tarent zu überwinden. Das hinderte ihn jedoch nicht, directen Ein-
fluss im adriatischen Meere zu erstreben und wirklich zu erreichen. Ein
mächtiges Tarent hätte das nicht geduldet ; man sieht, dass Tarent zu Syrakus
in einem ähnlichen Verhältnisse stand , wie später so viele Königreiche des
Orients zu den Römern.
Gegen die Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr. erwachte bei den Grie-
chen ein allgemeines Interesse für das adriatische Meer, das allerdings d^
Vorzug geringerer Entfernung für diejenigen bot, denen es um neue Wohnsitze
und um gewinnbringende Handelsbeziehungen zu thun war. Von den ver-
schiedensten Seiten strömten die Griechen damals dahin zusammen. Parier
gründeten mit Hülfe des Dionys eine Kolonie auf der Insel Pharos, jetzt Lesina ;
Syrakusaner, die der Herrschaft des Tyrannen zu entfliehen suchten, und
denen die schon vorhandenen griechischen Städte Italiens nach dem Falle von
Rhegion und der Unterwerfung Kroton's keine genügende Sicherheit mehr
boten, legten Ankon, das spätere Ancona, an ; einige scheinen auch gegenüber
nach der Insel Issa (jetzt Ltssa) gegangen zu sein. Dionys ging noch nördlicher,
wenn er, wie wir annehmen müssen, die Stadt Hatria an den Pomündungen,
von denen die eine noch lange nachher fossa Phiiistina hiess, kolonisirt hat ; die
Besetzung dieses Punktes war ihm wegen des von hier betriebenen Bernstein-
Kolonien im adriatiscben Meere. Dionys in Etrurien. -^ 135
handeis von besonderem Werihe. Hauptsächlich aber richtete er sein Augen-
merk auf die Ostküste des adriatischen Meeres, wozu ihn sein Verhältniss zum
Alketas, einem Fürsten der Molosser, der als Verbannter in Syrakus lebte,
besonders bewog. Dionys sah bei einer Einmischung in die epirotischen An-
gelegenheiten die Möglichkeit einer Besetzung und Plünderung des Tempels
von Dodona^ und die Aussicht, hier reiche Schätze zu gewinnen, trug gewiss
das ihrige daxu bei, ihm die Unterstützung des Alkctas als zweckmässig
erscheinen zu lassen. Um einen festen Punkt an der Küste zu haben, grün-
dete er die Stadt Lissbs — jetzt Aiessio — an der Mündung des Drin und
schickte , als ein Krieg der lUyrier mit den Moiossern ihm Gelegenheit zum
Vordringen nach Dodona zu geben schien, jenen ein Hülfscorps von SOOO Sol-
daten und 500 vollständige hellenische Rüstungen. Diese erhielten die besten
unter den illyrischen Kriegern, und die 2000 Syrakusaner wurden unter das
illyrische He^ vertheilt. So vorbereitet machten die Illyrier ihren Einfall in
Epiros, von Alketas begleitet; sie siegten in einer Sdilaeht, in der über
45,000 Molosser fielen. Dennoch erreichte Dionys nicht alle seine Zwecke.
Als die Lakedflmonier von dem in Epiros Vorgefallenen hörten, sandten sie
den Moiossern Hülfe; so ward durch das Gewicht des lakedämonischen
Namens eine Plünderung des dodonäischen Tempels verhindert, und Alke-
tas auf einen kleinen Theil von Epiros beschränkt.
Gleich im nächsten Jahre (384 v. Chr. OL 99, 4) blatten die Syrakusaner
Gelegenheit, in Illyrien eine edlere Rolle zu spielen: sie halfen griechischen
Landsleuten gegen Barbaren. Die Parier auf Pharos hatten die ursprünglichen
Bewohner der Insel in ihren ausserordentlich festen Wohnsitzen gelassen und
selbsl am Meeresufer eine neue Stadt gegründet. Anfangs verhielten jene sich
ruhig; allmählich aber stieg ihre Zuversicht wieder; sie fanden bei den Illy-
riern Beistand, und plötzlich ergossen sich unzählige Massen von Barbaren, die
auf kleinen Booten vom Festlande herübergekommen waren, über die Insel und
beunruhigten die Parier aufs äusserste. Da kam der Befehlshaber der syra-
kusanischen Flottenstation in Lissos den Bedrängten zu Hülfe und vernichtete
mit seinen grossen Kriegsschiffen die kleinen Fahrzeuge der Illyrier, von denen
mehr als 5000 getodtet, SOOO gefangen genommen wui*den.
Eine solche, Griechen in barbarischen Ländern geleistete Hülfe machte
zwar dem Tyrannen von Syrakus einen guten Namen, aber darum war es ihm
weniger zu thun als um reiche Beute, und da der Anschlag auf Dodona einmal
misslungen war, wünschte Dionys sich anderswo dafür zu entschädigen. Die
Etrusker konnten, wenn auch ihre Macht seit einiger Zeit durch die Samniter
und neuerdings durch die Gallier einen schlimmen Stoss erlitten hatte , doch
immer noch für eine mächtige und durch ihre Seeräubereien gefährliche und
reiche Nation gelten. Ueberdies war der Kampf gegen sie eine alte syraku-
sanische Tradition , die Hieron wie die Bepublik mit Glanz aufrecht gehalten
hatten. Deshalb glaubte Dionys in einem Feldzuge gegen Etrurien am leichte-
sten Ehre und Beute gewinnen zu können ; besonders wenn er es, wie ge-
wöhnlich, mit der Achtung'joi' der Beligion nicht genau nahm. Er fuhr noch im
Jahre 384 v. Chr. mit 60 Trieren aus und verheerte die Küsten von Etrurien
und Gorsica. Seine beste Beute machte er in Pyrgoi, dem Hafenorte der alten
136 FünfleB Buch. VII. Df^s Dionys Macht in Italien und Griecbeoland.
Sladl Caere oder Agylla. Hier stand ein reicher Tempel der Eileithyia. Dionys
überfiel ihn in der Nacht und plünderte ihn. Am andern Morgen kaineD die
Bewohner von Caere in Massen herbei , um die Räuber zu züchtigen ; aber
Dionys schlug sie und machte viele Gefangene. Dann kehrte er, nach WuDsch
b<>reichert, nach Syrakus zurück. Die im Tempel erbeuteten Schatze hatten
einen Werth von 1000 Talenten; der Verkauf der Gefangenen und der son-
stigen Kriegsbeute brachte ihm noch 500 Talente dazu. Der Erfolg des Dionys
in Etrurien hatte übrigens eine grössere Bedeutung als ein gewöhnlicher
glücklicher Raubzug ; es war ein Schlag für die etruskischen Küstenstädte, der
im Verein mit den Schlägen, die die Etrusker damals zu Lande durch die Gallier
erlitten, das Seine zum vollständigen Untergang der etruskischen Macht über-
haupt beitrug. So hatte einst Hieron durch seinen Sieg bei Kyme Einfluss auf
Etruriens Schicksal für längere Zeit ausgeübt (Band I, S. 215).
Dionys war nun so mächtig geworden , dass die Gallier, die Feinde der
Etrusker und Römer, ihm ihr Bündniss anboten. Er lehnte es nicht ab, da es
ihn nicht dazu verpflichtete , ihnen beizustehen , sondern im Gegentheil nur
den Sinn hatte, dass der Tyrann von ihnen HülTstruppen , die er besolden
musste, erhielt ; ein Verhältniss, ähnlich dem, welches zwischen dem franzö-
sischen Könige und den Schweizern bestand.
Es dehnte sich also der Kreis der Herrschaft und des Einflusses des Ty-
rannen von Syrakus über Sicilien, über die Sttdspitze von Italien und die
Küsten des tyrrh'enischen Meeres , besonders aber über die des adriatischen
Meeres aus , so dass er im Grunde genommen Herr des gesammten Hellenen-
thums von Sicilien und Italien war. Denn wenn auch Tarent dem Namen
nach unabhängig dastand, so haben wir doch schon darauf hingewiesen, *dass
es in Wirklichkeit nur ein etwas selbständigerer Trabant des grossen Gestirnes
von Syrakus war, dessen Einfluss sich noch unter dem jüngeren Dionys so
mächtig erwies , dass es die Gründung syrakusanischer Kolonien in Apulien
dulden musste. Nur im Nordwesten Grossgriechenlands gebot nicht Dionys,
sondern die Samniter, denen sich Neapel, ehe es seinen Vertrag -mit den Rö-
mern schloss (326 V. Chr.), factiscb unterworfen hatte, wenn es auch den
Schein der Freiheit bewahrte. So war in Wirklichkeit Dionys Herr der Helle-
nen Italiens, bis auf den kleinen Bezirk am Fusse des Vesuv und Thurii. Aber
auch in die Angelegenheiten des hellenischen Mutterlandes griff er in kräftiger
Weise als Verbündeter Spartaks ein , so dass man wohl behaupten darf , das
Machtverhällniss zwischen Sicilien und Hellas habe sich im Vergleich mit den
Zeiten des peloponnesischen Krieges umgekehrt. Damals schickten Athen und
Sparta Feldherren und Heere nach Sicilien, jetzt war es Dionys, der sie nach
Griechenland sandte. Und er hatte gegründete Veranlassung, sich den Spar-
tanern dienstwillig zu zeigen ; da Sparta seinen Einfluss aufbot, um Dionys in
Syrakus zu halten , da es ihm verstattete, im Peloponnes Söldner zu werben,
war es billig, dass er gelegentlich den Spartanern Hülfscorps sandte, obschon
bereits darin ein nicht zu unterschätzender Gewinn für die Spartaner lag, dass
Syrakus, die Tochterstadt von Korinth, in den griechischen Wirren der ersten
Hälfte des 4. Jahrh. v. Chr. nicht auf korinthischer Seite stand und den Fein-
den^ Sparla's nicht seinen mächtigen Arm lieh.
Dionys als Buhdesgenosse Sparta's. ] 37
Allerdings ist der Versuch gemacht worden, Dionys von Sparta abwendig
zu machen. Konen und sein Freund Cuagoras, der Herrscher von Salamis auf
Kypros schickten zu Dionys eine aus drei Personen , Lysias, Aristokrates und
Eunomos, bestehende Gesandtschaft, um ihn für Athen zu gewinnen, und Eua-
goras bot dem Tyrannen von Syrakus seine Schwester zur Frau an, 393. v. Chr.
Aber es war umsonst. Dionys bh'eb auf spartanischer Seite, freilich heisst es,
dass er den Zuzug zurückhielt, den er schon für Sparta bereit hatte, aber er
war damals im Kiieg mit Karthago und in seinen Handlungen nicht frei ; so wird
er die Hülfe wohl in seinem eigenen Interesse unterlassen haben. Das erste
Beispiel einer von Dionys den Spartanern wirklich geleisteten Hülfe fällt in
das Jahr 387, und diese Hülfe war eine höchst gelegene für Sparta. Seit 399
waren die Spartaner in Asien mit den Persern in Krieg begriffen, den beson-
ders Agesilaos mit Energie und Glück führte. Aber der spartanische Ueber-
niuth brachte eine Goalition aller hellenischen Mittelstdaten gegeh das tyran-
nische Haupt der Dorier zuwege. Athen und Theben, Argos und Korinth
erhoben sich ; Lysander fand seinen Tod bei Haliartos, und Agesilaos musste
aus Asien zurückkehren. Wahrend er aber in Hellas mit wenig Erfolg
kämpfte , gewannen die Perser durch den Athener Konon eine Macht zur See,
die den Spartanern sehr gefährlich zu werden drohte (sie erhielten die erste
Nachricht davon durch den Syrakusaner Herodas, der auf seinen Handels-
reisen in Phünicien von dem Vorgefallenen hörte) ; und Iphikrates und Gha-
brias kämpften im Osten mit grossem Erfolg gegen Sparta. Da sahen die
Spartaner ein, dass sie, um ihre Stellung in Hellas zu retten, Kleinasien den
Persoi*n opfern mussten, die sie nicht anders den Athenern abwendig machen
konnten, und Antalkidas ging nach Susa zum König. Er kam im Frühjahr 387
mit persischem Golde und dem persischen Bündniss zurück. Als er an der
Küste eintraf, kamen dort 20 syrakusanische und italische KriegsschiQe unter
Polyxenos an , von Dionys den Spartanern zu Hülfe gesandt. Dionys hatte
ihnen seine Dankbarkeit, sobald er konnte, bewiesen, und er vermochte es im
Jahre 887, da er damals durch die Niederwerfung Rhegion^s seine eigenen
Angelegenheiten zu einem befriedigenden Abschlüsse gebracht hatte. Dies
Zusammentreffen östlicher und westlicher Hülfe für Sparta entschied die
Sache; Athen und die andern kriegführenden StaaÜn willigten ein, nach
Sardes Gesandte zur Anhörung der zwischen Antalkidas und dem Könige ver-
abredeten Bedingungen zu schicken. So hat Dionys zur Annahme des antalki-
dischen Friedens, d. h. zur Sicherung Spartaks, nicht wenig beigetragen.
Zum zweiten Male wurde die Hülfe des Dionys von den. Spartanern in
einer nicht weniger kritischen Epoche in Anspruch genommen : im Jahre 373
V. Ghr. Die Athener, die nach den Bestimmungen des antalkidischen Friedens
nur Imbros^ Skyros und Lemnos besetzen , sonst aber keine Bundesgenossen-
schaft' haben sollten , hatten , nachdem durch Theben's Energie zuerst das
spartanische Uebergewicht in Hellas gebrochen war, angefangen, sich wieder
eine solche zu gründen, und Timotheos hatte es gewagt^ was seit vielen Jahren
nicht geschehen war, mit einer athenischen Flotte im ionischen Meere zu er-
scheinen. Die Folge davon war der Beilritt Kerkyra's zur athenischen Bun-
desgenossenschaft. Es war ein Friede zwischen Sparta und Athen gefolgt, den
138 Fiioftes Buch. VIl. Des Dionys Macht in Italien und Griecheoiand.
afaier die Spartaner wegen einer angeblichen Einmischung des Timolheos in
die Angelegenheiten von Zakynthos schnell wieder aufhoben. Sie fassten den
En(«ch1uss, Kerkyra, das ihnen für ihre Verbindung mit Sicilien von höchster
Bedeutung war, zu erobern, und brachten eu diesem Zwecke eine Flotte zu-
sammen j zu der sie sich auch von Dionys ein Gontingent erbaten. Ehe dies
aber angekommen war, war schon Kerkyra angegriffen, beinahe erobert und
durch eine rechtzeitig über Land gekommene athenische Hülfe vollständig für
die Lakedämonier verloren , so dass der athenische Feldherr Iphikrates bei
seiner Ankunft mit der Flotte Kerkyra schon befreit fand. Aber er kam noch
zur rechten Zeit, um das syrakusanische Geschwader von 40 Schiffen, welches
eben anlangte und von der Flucht der Lakedämonier nichts wusste, zu über-
fallen. Er überraschte die Syrakusaner an der Nordküste Kerkyra's bei einer
etwas zu langen Rast, die sie sich nach der Fahrt über's Meer gönnen zu
dürfen glaubten, trotz der Warnungen eines unter den Kapitänen, des Rhodiers
Melanippos, der seine Leute schnell wieder an Bord gehen liess. So gelang es
nur diesem, sein Schiff zu retten ; die andern neun wurden mit der gesamm-
ten Mannschaft eine Beute der Athener. Iphikrates führte die eiroberten Schiffe
in den Hafen von Kerkyra und gewann an Lösegeld von der Mannschaft 60
Talente. Das vom Admiral Anippos erwartete Lösegeld entging ihm aber, da
dieser sich aus Gram selbst tödtete. Es scheint , dass bei dieser Gelegenheit
auch einige Gegenstände, die, für zwei griechische Tempel bestimmt, sich auf
der syrakusanischen Flotte befanden, dem Iphikrates in die Hände fielen, der
dann zwischen ihnen und der übrigen Beute keinen Unterschied machte.
Wenn dies aber auch nur eine unbegründete Behauptung gewesen sein sollte,
so gab sie jedenfalls zu einem nicht Übeln Scherze Veranlassung. Man erdich-
tete nämlich einen Brief, den Dionys wegen dieses Vorfalls an die Athener
geschrieben habe, und worin er, der so manche Heiligthümer geplttnderl
hatte, den Athenern ihre Gottlosigkeit pathetisch vorwarf. Diesmal hatte also
des, Dionys Hülfe den Spartanern wenig genützt.
Zum dritten Male half der Tyrann von Syrakus seinen spartanischen
Freunden im Jahre 369. Damals war wieder einmal ein Wechsel in den poli-
tischen Beziehungen der hellenischen Staaten zu einander eingetreten. Athen,
über die glänzenden Erfbige des Epaminondas und der Thebaner stutzig ge-
worden, hatte sich mit Sparta verbündet und Korinth sich ebenfalls dem
Bündnisse angeschlossen. Epaminondas drang in den Peloponnes ein. Korinth
war von dem Athener Chabrias besetzt, und als die Thebaner in der Nähe
Korinth's angekommen waren, versuchten sie sich der wichtigen Stadt zu
bemächtigen, aber Chabrias schlug sie zurück. Um dieselbe Zeit kamen im
Hafen von Korinth die von Dionys erbetenen Hülfstruppen auf mehr als 20
Schiffen an ; es waren 2000 Kelten und Iberer und etwa 50 Reiter. Es ge-
schah nichts wichtiges, da die Athener und Korinther die feste thebanische
Stellung nicht anzugreifen, wagten; desto mehr Gelegenheit hatten die von
Dionys geschickten Reiter, sich in Scharmützeln auszuzeichnen. Es gewährte
den Griechen ein anziehendes und ungewohntes Schauspiel , ihre Geschick-
lichkeit zu beobachten. Während die schwerfälligere griechische Reiterei
ruhig im Lager blieb, neckten sie die Thebaner, zerstreuten sich, schössen,
Dionys als Bundesgenosse Sparta's. - 139
«
wichen vor den Feinden zurück, und kehrten sich plötzlich wieder um und
schössen wieder. Dann sprangen sie im Angesicht der Feinde von den Pferden
und ruhten sich aus ; so wie man aber Miene *machte, sie anzugreifen, waren
sie schnell wieder im Sattel. Die sich ihnen entgegen aus dem Lager heraus
wagten , wurden mit solcher Schnelligkeit angegriffen und so heftig bedrängt,
dasfi fast das ganze feindliche Heer herauskam, um die Seinigen zu schützen.
Nach kurzer Zeit entfernten sich die Thebaner aus dem Peioponnes. Die Sol-
daten des Dionys beendigten ihren Feldzug damit, dass sie in das Gebiet von
Sikyon einfielen , die Sikyonier, welche 70 Mann verloren, schlugen und die
Burg (Jeras eroberten. Dann kehrten sie nach Sicilien zurück ; sie hatten Sold
auf 5 Monate bekommen , waren aber wahrscheinlich nicht so lange Zeit von
Hause entfernt gewesen. Auch noch im folgenden Jahre, 368 v. Chr., schickte
Dionys den Spartanern Hülfe. Sparta war damals von den Arkadiern be-
drängt, welche die spartanischen Besatzungen aus einem grossen Theile von
Messenien vertrieben, und die Spartaner setzten es auf dem Congresse der
Verbündeten zu Korinth durch, dass diese Httlfstruppen nicht, wie Athen
vi^llte, in Thessalien gegen Pelopidas verwandt, sondern Sparta gegen die
Arkadier zur Verfügung gestellt wurden. Archidamos zog mit spartanischen
und diesen fremden Truppen, welche wiederum theilweise aus Kelten be-
standen, nach Arkadien und eroberte unterwegs Karyae, dessen Besatzung
getodtet wurde. Von da fiel er in das Gebiet der Parrhasier ein ; als aber
arkadische und argiviscfae Truppen heranzogen, lagerte er auf den Hügeln bei
Midea. Hier erklärte Kissides, der Feldherr des Dionys, dem Archidamos, dass
seine Zeit abgelaufen sei , und er begann sogleich seinen Rückmarsch ^nach
Sparta. Kaum war er aber eine kurze Strecke marschirt, so wurde er in
einem Engpasse von Messeniern angegriffen, und er schickte nach Archidamos
um Hülfe. Zu gleicher Zeit verlegten aber auch die Arkadier und Argiver den
Spartanern den Rückweg nach Lakonien, und so beschloss Archidamos , mit
den siciliscfaen Hülfstruppen schnell die Feinde anzugreifen. Das Feuer, mit
dem alle sich auf dieselben stürzten, war so gross, dass sie gleich beim ersten
Anprall siegten und von den Feinden eine ungeheure Masse fiel, während von
den Spartanern keiner das Leben verlor. So hatten Truppen des Dionys zu
einem Siege beigetragen, der das Volk von Sparta nach den bisherigen Nieder-
lagen so sehr ergriff, dass die versammelte Menge, als sie die Nachricht empfing,
in Thränen der Freude ausbrach. Wegen solcher Hülfe musste der Tyrann bei
den Spartanern in gutem Andenken stehen , und auch die gerade mit Sparta
verbündeten Athener ehrten ihn wegen dieser Bundesgenossenschaft im
Jahre 368. Wir haben eine mangelhaft erhaltene Inschrift, welche ihn und
seine beiden Söhne als Wohlthäter Athens verewigt, und wir wissen, dass die
Athener dem Dionys und seinen Söhnen das Bürgerrecht bewilligten. Ja man
ging noch weiter in Athen. Man schloss ein förmliches Bündniss mit Dionys
(Ol. 103, i — 368/7 V. Chr.), dessen Beistand den Athenern gegen etwaige An-
griffe der Böoter gar nicht unerwünscht sein musste ; athenische Gesandte sind
zu diesem Zwecke seit 369 in Syrakus gewesen. Es ist nach den vorhandenen
Spuren höchst wahrscheinlich, dass Dionys in diesen Urkunden den Titel eines
Königs von Sicilien erhielt.
r-st:^
140 Fünftes Burh. VII. Des Dionys Macht in Italien und Griechenland.
Aber Dionys wurde von den Griechen ausserhalb Spartaks nur da an-
erkannt, wo man seiner bedurfte; im übrigen fand der Vemichter der syra-
kusaniscbcn Freiheit nur Hass und Verachtung. Dies zeigte sich am auffallend-
sten noch vor dem ersten Sparta geleisteten Beistande , bei den olympischen
Spielen des Jahres 388 v. Chr., Ol. 118. Dionys geizte nach dem Ruhme Hie-
ron^s, der zu Olympia gesiegt hatte und von den grössten Dichtern dafür
verherrlicht worden war; oder vielmehr, er wollte den Ruhm des Siegers
und den des Dichters vereinigen, und in Olympia zugleich im Wettfahren
siegen und durch seine Gedichte, auf die er stolz war, die Menge entzücken.
Er schickte eine Festgesandtschaft, die durch ihre Pracht alle andern übertraf.
Die Zelte bestanden aus golddurchwirktem Zeuge, die Viergespanne waren
von vorzüglicher Schönheit. Die besten Rhapsoden waren mitgesandt, um die
Gedichte vorzutragen. An die Spitze 'der Gesandtschaft hatte er seinen Bru-
der Thcarides gestellt. Aber statt des gehoSten Ruhmes ward dem Ty-
rannen nur Schimpf zu Theil. Seine Gedichte wurden anfangs wegen des
vortrefflichen Vortrags mit Wohlgefallen angehört; bald aber brachte der ge-
ringe Werth derselben, der mit den für ihre Vorführung aufgewandten Miilein
in entschiedenem MissverhdHnisse stand, in Verbindung mit dem. allgemeinen
Hass gegen den Tyrannen , die umgekehrte Wirkung hervor. Man verlachte
sie. • Die zweite Kränkung wurde ihm von Lysias bereitet, der in hohem Alter
stehend (er war 72 Jahre alt) und in ganz Griechenland wegen seines Talentes
und seines Charakters geachtet , in einer Festrede das Volk zum Zorne gegen
ihn aufregte. Lysias hatte persönliche Veranlassung, die syrakusanischen An-
gelegenheiten aufmerksam zu verfolgen. Er war der Sohn eines Syrakusaners
Kephalos, der sich nach Athen begeben hatte. Lysias hatte sich, 4 5 Jahre alt,
den Gründern von Thurii angeschlossen und in dieser Stadt 32 Jahre gelebt,
auch den Unterricht des Syrakusaners Tisias in der Redekunst genossen. Der
mit dem Scheitern der athenischen Expedition gegen Syrakus verbundene
Umschwung in den Verhältnissen Thurii's bewog ihn, diese Stadt zu ver-
lassen und er lebte seitdem , mit kurzen Unterbrechunjgen , in Athen. Lysias
wies in seiner Rede auf die bedenklichen Fortschritte hin , welche im Osten
und Westen Griechenlands zwei absolute Herrscher, der König von Persien
und der Tyrann von Syrakus, in der Unterjochung der Griechen machten.
Jener, sagte er , hat schon viele griechische Städte unterworfen , dieser viele
wüst gelegt. ))Warum ahmt ihr nicht,« so rief er den Griechen zu, i^euren Vor-
fahren nach , welche die Barbaren in ihrem eigenen Lande überwunden und
die Tyrannen vertrieben haben? Besonders über euch wundere ich mich, ihr
Lakedämonier, dass ihr, die Führer Griechenlands, Hellas so ruhig vom Brande
verzehren seht. Wir dürfen nicht länger warten, nicht länger den Kampf auf-
schieben. Wir müssen jetzt dem Uebermiithe des Königs und des Tyrannen
ein Ende machen, damit nicht nach den Andern endlich die Reihe an uns
komme und wir ihnen zur Beute werden.« So forderte Lysias die Griechen
zum Sturze des Tyrannen und zur Befreiung Siciliens auf; es war im Jahne
vor dem Frieden des Antalkidas, bei dem allerdings der Perserkönig und Dio-
nys, aber auch die Spartaner als Verbündete erschienen. Mit solchen Reden,
wie die des Lysias, war freilich nichts ausgerichtet; die reale Politik roble
Des Tyrannen Niederlage in Olympia. 141
auf andern Grundlagen und ward damals ebenso wenig wie zu andern Zeiten
durch das Publikum gymnastischer Feste bestimmt. Dionys und die Perser
waren nicht durch Worte von Yolksrednem zu Überwinden, und im Jahre 3HS
konnte Ubeixlies Lysias seinen Tadel , wenigstens in Betreff der Perser , nicht
an die Spartaner richten; damals waren es noch die Athener, die des Königs
Freunde waren. Von der Bedeutung des Dionys den Karthagern gegenüber
hatte Lysias offenbar keine Ähnung. Uebrigens war es ihm auch wohl mehr
um das nun folgende zu thun , wozu der bisherige Theii der Rede nur eine
Einleitung sein mochte. Für den Augenblick, fUgte er nämlich mit einer dem
Volkshaufen sehr angenehmen Wendung hinzu , müsse man seinen Abscheu
vor Dionys dadurch kundgeben, dass man seine prilchtigen Zelte niederreisse^
die nicht verdienten, auf dem heiligen Boden von Olympia zu stehen. Dieser
Vorschlag war praktischer; wirklich machte das Volk Miene, dem Rathe des
Lysias zu folgen und wurde nur mit Mühe von den Festordnern zurückgehal-
ten. Endlich gab Lysias noch den Rath, die Gespanne des gottlosen Tyrannen
keinenfalls zur Miibewerbung um den Preis zuzulassen. Er fand aber auch
hiermit kein Gehör. Wenn nun Dionys wenigstens, wie eitisl Hieron, gesiegt
hätte ! Aber er hatte hier das sonderbarste Unglück. Seine schönen Wagen
mit den so schnellen Rossen geriethen theils aus der Bahn, theils zerschellten
sie an einander, ,und der Preis entging ihm. Als nun noch das Schiff, welches
die Gesandtschaft wieder nach Sicilien zurückbringen sollte, bei Tarent schei-
terte, war das Mass des Unglücks für den Tyrannen voll, und da nach dem
Sprichwort es jetzt nur noch an Spott fehlte , so sorgten die aus dem Schiff-
bruche geretteten Seeleute dafür , indem sie behaupteten , an allem seien die
schlechten Verse des Tyrannen. schuld, an welchen nicht bloss die Kunst der
Rhapsoden, sondern auch Wagen und Schiff gescheitelt seien.
Uebrigens befestigte sich im griechischen Volke die von Lysias ausge-
sprochene Ueberzeugung , dass der Perserkönig und Dionys die beiden Ver-
derber Griechenlands seien, sosehr, dass man bald den Tyrannen beschul-
digte, er habe mit Artaxerxes einen Bund geschlossen, Griechenland zu erobern,
und als dann zu gleicher Zeit Iphikrates die syrakusaniscbe Flotie bei Kerkyra
und Timotheos die lakedämonische bei Leukas besiegle (s. o.j, da jubeilen die
Griechen : nun habe Athen Hellas gerettet.
Achtes KapiteL
Ende des Dionys. Charakter und Bedeutung seiner Regierung.
Wir haben zwei Perioden in Dionys' Regierung unterschieden, die Periode
der Gründung seines Reiches und die der Benutzung der errungenen Stel-
lung. Die erste geht, wie wir sahen, bis zum Jahre 387 und zerfäillt wie-
derum in zwei Abschnitte, im ersten, sich bis 395 erstreckenden, erkämpft er
142 Fünftes Buch. VIII. Bude des Dionys. Charakter und Bedeutung seiner Regierung.
seinen Platz in Sicilien gegen die Karthager; im zweiten unterwirft er sich
einen Theil von Italien. Das Jahr 387 bezeichnet den Gipfelpunkt seiner
Macht, zumal im Vergleich mit der gerade damals deutlich hervortretenden
Schwäche sowohl der übrigen Griechen , wie der Römer. Vom iahre 387 an
bis zu seinem Tode bat er seine Macht, wie gezeigt wurde, hia und wieder in
Griechenland zur Geltung gebracht. Doch verzichtete er dabei nicht auf die
Ueberwindung der Karthager, falls sich ihm dazu eine passende Geiegenheii
darbieten sollte, obschon man nicht verkennen kann, dass er sie nicht eifrig
suchte. In der That, nachdem er seine Macht im östlichen Sicilien uod süd-
lichen Italien fest gegründet hatte, konnte man es ihm kaum verdenken, wenn
er die Karthager nicht unnütz reizte. Sie aus Sicilien ganz vertreiben za
wollen, hiess ihren energischen Widerstand hervorrufen, und Dionys war
nicht sicher, ob er sie würde besi^en können. So werden die Kriege zwi-
schen Dionys und den Karthagern, die wir nun noch zu berichten haben, Dicht
als Ausfluss einer nationalen Idee des Dionys zu betrachten sein ; ihre Ursachen
waren mehr zufälliger Art.
Der erste (383 v.. Chr., Ol. 99, 2) hatte folgenden Ursprung. Dionys
wusste eine Anzahl Städte, welche den Karthagern unterworfen waren, zu sich
herüberzuziehen , wogegen diese sich mit den Feinden de^ Dionys unter den
italischen Griechen in Verbindung setzten und grosse Heeresmassen nach Sici-
lien und Italien warfen, um auf beiden Seiten Dionys anzugreifen. Aus Liebe
zur Freiheit verbanden sich also damals Hellenen mit den Karthagern, während
Dionys der Vorkämpfer der griechischen Nationalität gegen die Barbaren war.
Es ist nicht selten im Laufe der Geschichte vorgekommen, dass, wer den na-
tiionalen Forderungen gerecht werden wollte, dem Ideale der Freiheit unireu
werden musste. Andererseits ist höchst bemerkenswerth, dass die Karthager
durch ihre Gegnerschaft gegen Dionys jetzt dazu gebracht werden, sieh sogar
in Italien festzusetzen. So erweitern die Kriege mit d^n aicilischen Griechen
ihren politischen Horizont. 409 und 406 ist es der Süden und Westen Sict-
liens, den sie überschwemmen; 396 suehen sie den Syrakusanern von Mes-
sana her beizukommen ; 383 greifen sie bis nach Italien bmüber. Nicht Italien
selbst ist ihr Ziel , sie wollen nur von da Sizilien fassen. Uns ist aws dem
Kriege nur wenig bekannt geworden. Magon, der karthagische Fddherr, fiel
in einer grossen Schlacht, welche Dionys bei Kabala, einem Orte von unbe-
kannter Lage gewann, und in der 10,000 Karthager getödtet, 5000 gefangen
genommen wurden. Die Besiegten flohen auf einen leicht zu vertheidigenden,
aber wasserlosen Berg, vielleicht den M. Pellegrino bei Palermo. Hier hätten sie
ein ähnliches Schicksal haben können, wie die italischen Griechen am Elleporos,
aber sie retteten sich durch eine List. Sie \Mdi$ Frieden an, und als Dionys, sein
Glück ausbeutend, die Abtretung aller karthagischen Besitzungen auf der Insel
verlangte, hatten sie niohta dagegesk, meinten aber, das k^wH nur in Karthago
selbst entschieden werden ; er möge wenige Tage Frist geben, damit sie dahin
sendeten. Dionys ging wunderbarer Weise in die Falle, and die K^lhager ver-
wendeten die Frist dazu , sich zu stärken. Magon ward ehrenvoll beatailet und
sein Sohn , ein vielversprechender JtijngUng, an die Spitze des Heeres gestellt.
Nach Ablauf des WaflenstilLstandes kam es zu einer zweiten Schlacht bei Kix)-
Neue Kriege mit Karthago. 143
nion, das heisst doch wohl bei dem Berge, auf welchem sie sich gelagieri haUen.
Hier fiel Leptines, des Tyrannen Bruder, worauf seine Abtbeilung wich und die
von Dionys selbst geführte mit sich in's Verderben riss. Es fielen über 44,000
Griechen , da die Karthager keine Gefangenen machten ; die übrigen hielten
sich in dem nahen verschanzten Lager. Aber auch die Karthager bedurften
der Ruhe; sie zogen sich nach Panormos. zurück. Auf beiden Seiten war nun-
mehr grosse Bereitwilligkeit zum Frieden, der unter der Bedingung geschlossen
wurde, dass jetzt wieder Stadt und Gebiet von Selinus und das akraganti-
nische Gebiet westlich des Halykos den Karthagern gehören solle, denen Dionys
ausserdem 4000 Talente zu zahlen habe. Deshalb sagte man auf griechischer
Seite, dass Dionys den Karthagern zinspflichtig geworden sei, was einen
Schein der Wahrheit hatte , wenn, wie wir vermuthen müssen, Dionys die
Summe in Terminen bezahlte. Einige Jahre nachher (379 v. Chr. Ol. 100, 2)
erneuerten die Karthager ihren Versuch, sich in Italien festzusetzen, indem sie
die von Dionys zerstörte Stadt Hipponion wieder herstellten und die noch
lebenden Hipponiaten aufforderten, sich dort unter ihrem Schutze niederzu-
lassen. Aber eine Pest, die schon so oft die Karthager in ihren Siegeszttgen
aufgebalten .hatte , vereitelte nach einiger Zeit ihre Pläne. Sie mussten froh
sein, dass es ihnen gelang , in Afrika und Sardinien ausbrechende Aufstünde
zu unterdrücken.
In diese Zeit gehört wahrscheinlich ein gewaltiges Project des Dionys. Er
wollte ^ber die nur 20 Millien breite Landenge zwischen dem hipponiatischen
und skylletischen Meerbusen eine Mauer mit einem Graben ziehen, angeb-
lich um den Einfallen der Lukaner ein Ziel zu setzen, in Wirklichkeit aber,
um die südlich wohnenden Griechen von den jenseits wohnenden zu trennen
und jene desto leichter zu, beherrschen. Das Werk scheiterte an dem Wider-
stand der Hellenen, welche ausserhalb der Mauer geblieben wären.
Gegen das Ende seiner Laufbahn war ihm dagegen der Kampf mit Kar-
thago wieder wichtiger geworden, und der letzte Feldzug, den er' unternahm,
wurde gegen sie geführt. Es war im Jahre 368 v. Chr., Ol. 403, 1. Er
glaubte seine Feinde dui^ch Krankheiten und Aufstände hinlängUch geschwächt
und gab vor, dass er sich über Einteile aus dem karthagischen Gebiet zu be-
klagen habe. Mit 30,000 Mann zu Fuss, 3000 Reitern und 300 Kriegsschiffen
zog er aus, gewann Selinus, Entella und Eryx und wandte sich dann zur Be-
lagerung von Lilybdion. Aber diese feste Stadt konnte er nicht erobern. Nun
hörte er, dass die Schiffshäuser im karthagischen Kriegshafen durch eine
Feuersbrunst vernichtet seien, und glaubte, dass auch die Schiffe verbrannt
wären , er sandte deshalb den grössten Theil seiner Flotte nach Syrakus und
liess nur 130 der besten Schiffe im Hafen von Eryx. Die karthagische Flotte
war aber noch unversehrt, und die Karthager überfielen rasch mit SOO Schiffen
den Hafen und entführten die meisten der syrakusanischen Trieren. Kurze
Zeit nach dieser Niederlage, nachdem der Krieg durch den Eintritt der
schlechten Jahreszeit unterbrochen war, starb Dionys nach 38jähriger Herr-
schaft, 367 v.^Chr.
Er ist eine der merkwürdigsten Erscheinungen des Alterthums. Die bis-
herige Schilderung seiner kriegerischen Laufbahn hat nur eine Seite des
¥^:
■^i^'^
144 Fünftes Buch. VIII. Ende des Dionys. Charakter und Bedeutung seiner Begiernng.
Hannes hervorgehoben, aber sie wird schon das Unheil des Publ. Scipio als
wohibegrttndet erscheinen lassen , weicher Dionys zu den klügsten und kühn-
sten Männern rechnete, die er kannte. Wenn wir hier seine persönliche
Tapferkeit gar nicht in Anschlag bringen, die ihn zweimal, vor Tauromenion
und vor Rhegion, gefährlichen Verwundungen aussetzte , so zeigt sich seine
Kühnheit besonders in der Schnelligkeit , mit der er in bedenklichen Lagen
energische Entschlüsse durchzuführen verstand, wovon die Eroberung von
Syrakus nach der Schlacht bei (rela ein treffliches Beispiel giebt. Für seine
Klugheit und Umsicht legt die sorgfältige Vorbereitung für jeden Feldzug, und
überhaupt seine Organisation des Kriegswesens Zeugniss ab. Seine Ummaue-
rung von Syrakus, die 385 v. Chr. Ol. 98, 4 vollendet zu sein scheint, ist in
Anlage und Ausführung eines der grossartigsten Werke des Altertbums; die
von ihm veranlassten Verbesserungen im Flotten- und im Geschtttzwesen,
und die gewöhnlich nicht genug hervorgehobene, von ihm erreichte Vervoli-
komünnung der Reiterei machen ihn denkwürdig in der Geschichte der Kriegs-
kunst. Als Feldherrn von genialem Blick endlich haben wir ihn in der Schlacht
t>ei Syrakus, 396 v. Chr., kennen gelernt. Von seiner Klugheit und Umsicht
legt aber auch schon die einfache Thatsache das glänzendste Zeugniss ab, dass
er als ein Mann, der mit S5 Jahren, nach dem Ausdrucke des Isokrates, un—
vernünftiger, ja wahnsinniger Weise nach der Tyrannis strebte, sein Ziel nicht
allein schnell erreichte, sondern sich auch 38 Jahre lang, bis an seinen Tod,
behauptete und sich zuletzt rühmen konnte, seinem Sohne eine mit dem'antnea
Ketten befestigte Herrschaft zu hinterlassen.
Seine staatsmännische Wirksamkeit könnte indess nur dann vollkommen
gewürdigt werden , wenn es möglich wäre , einen genauen Einblick in seine
Finanzwirtbschaft zu thun. Das ist jedoch nur in äusserst beschränktem Masse
der Fall. Ueberhaupt ist uns von dem Haushall der sicilischen Staaten in der
vorrömischen Zeit sehr wenig bekannt, hauptsächlich wegen des Mangels an
öffentlichen Urkunden aus jener Zelt, und das ist der Grund, weshalb wir
nicht im Stande gewesen sind , diesem Gegenstande einen eigenen Abschnitt
zu widmen und uns begnügen müssen, bei Gelegenheit des Dionys einige
Worte darüber zu sagen. Ueber Weniges hierher gehörige finden sich gele-
gentliche Notizen bei den Schriftstellern ; von Dionys selbst sind allerdings
finanzielle Kunstgriffe und Aushülfsmittel überliefert. Der hauptsächlichste
Anhaltspunkt für die Kenntniss der Staatsfinanzen Siciliens in der griechischen
Zeit ist uns in den Steuerverhältnissen der sicilischen Städte zur Zeit der Rö-
merherrschaft gegeben, über die wir durch die Verrinen einigermassen unter-
richtet sind. Wir können nämlich sicher sein, dass die zur Römerzeit vorhan-
denen Einnahmequellen diejenigen umfassen, welche schon vorher vorhanden
waren, während allerdings nicht zu läugnen ist, dass mit der Herrschaft der
Römer neue hinzugekommen sein können. So wird mit einiger Vorsicht von
der späteren Zeit auf die frühere zu seh Hessen sein. *
Nun hatten unter der Römerherrschaft die Sicilier doppelt zu steuern, an
ihre Städte und an Rom. Es gab in den einzelnen Städten Censoren, und die
von diesen veranschlagte Vermögenssteuer floss in die Stadtkassen; wir dür-
fen annehmen, dass ähnliche directe Abgaben schon in vorrömischer Zeit
Finanzen des Dionys. 145
etisUrten. Den nach Syrakus verpflanzten Kauloniaten sichert Dionys für fünf
Jahre Atelie zu ; die übrigen Syrakusaner zahlten also Steuern. Andererseits
flössen Rom nicht unbedeutende Abgaben zu: Weidegeld, Hafenzölle und vor
allen Dingen der Zehnte vom Kornertrage. Von dem Zehnten l^sst sich nach-
weisen, dass er schon vor den Römern bestand; von den Zöllen und dem
Weidegeld hindert nichts, dasselbe anzunehmen. InSyrakus, das so lange
Zeit von Tyrannen regiert war, sind die Zehnten jedenfalls dem Herrscher
direci gezahlt worden, und es ist überhaupt die Annahme unabweisbar, dass
alle Abgaben in seine Kasse flössen , mit andern Worten , dass es keinen Un-
terschied zwischen Stadtkasse und Staatskasse gab. In den übrigen von ihm
abhangigen Städten wird Dionys wahrscheinlich nur directe Vermögenssteuern
den Kassen derselben gelassen haben ; Zölle und Zehnten hat er sich sicher-
lich selbst voii>ehdlten.
Aber die ordentlichen Einnahmen reichten selten bei Dionys für die Be-
streitung seiner Bedürfnisse aus, er nahm seine Zuflucht zu ausserordentlichen,
und eben über die in dieser Beziehung von ihm angewandten Mittel sind einzelne
Berichte aus dem Alterthum erhalten , die deswegen von den Schriftstellern
mitgetheilt sind, weil sie Dionys in dem Lieble eines besonders schlauen Geld-
eintreibers zeigen. Das einfachste Mittel in der Noth waren ausserordentliche
directe Auflagen. So forderte er bei einem beabsichtigten Kriegsschiflsbau von
a.llen Bürgern eine specielle Abgabe, so führte er eine Viehsteuer ein, und als
nun mehr Vieh geschlachtet wurde als sonst, hob er sie auf, um sie bei wie-
der steigendem Viehstande von neuem einzuführen, wobei er zugleich das
Verbot erliess, weibliche Thiere zu schlachten. Etwas sonderbar klingt schon
folgende Geschichte. Als er einmal eine ausserordentliche Kriegssteuer forderte
und die Bürger erklärten, dass sie kein Geld mehr hätten, um sie zu zahlen,
nahm er die Erklärung ruhig hin, und liess, angeblich um selbst das nöthige
Geld herbeizuschaffen, sein Uausgeräth versteigern. Die Bürger gingen in die
Falle, kauften und zahlten, erhielten aber das Hausgeräth nicht, mit dem er nur
das vorhandene Geld hatte herauslocken wollen. Die Syrakusaner werden hier
allzu dumm geschildert, und die Geschichte ist nur dann möglich, wenn man
einen längeren Zeitraum zwischen der Geldforderung und dem Ausbieten des
Geräthes ansetzt. Femer hat Aristoteles uns die Nachricht aufbewahrt, dass
man ihm in fünf Jahren das ganze Vermögen habe einzahlen müssen ; er ver-
langte also jährlich ^0 Procent. Dergleichen wäre in unsem heutigen Verhält-
nissen unmöglich; im Alterthum war die Macht des Kapitals, mit dem man 12
bis 48 Procent jährlicher Zinsen zu machen pflegte, grösser als jetzt, und
wenn es mehr einbrachte, konnten auch grössere Abgaben davon bezahlt
werden. Offenbar kann hier nur vom haaren Gelde die Rede sein, auf wel-
chem im Alterthum tiur zum geringsten Theile die Existenz der Menschen be-
ruhte, und es leidet überdies keinen Zweifel, dass die Geschichte sich nur auf
ausserordentliche Fälle bezieht. Dionys wird in einzelnen Kriegsjahren 20 Pro-
cent des beweglichen Vermögens von seinen Unterthanen verlangt haben. In
Nothfällen half er sich mit Münzen aus Zinn statt Silber, denen er vierfachen
Werth gab) oder mit Verdoppelung des Werthes der vorhandenen Silbermttn-
zen. Ueber eine andere, ihm jetzt gewöhnlich zugeschriebene dauernde Erbö-
Holm, GeBcb. Sieiliens. 11. 10
146 Fünftes Buch. VlII. Ende des Dionys. Charakter und Bedeutung seiner Regierung^
huDg des Geldwerthes spreche ich in der Anmerkang. Endlich nahm er auch
zu Anleihen seine Zuflucht, die in Syrakus nichts unerhörtes waren, da sie
schon im athenischen Kriege vorkommen, und zwar, dem Charakter seiner
Regierung gemäss, zu Zwangsanleihen. Diese werden mehrfach von Aristo-
teles in seiner Uebersicht der finanziellen Schlauheiten des Dionys erwähnt.
Eine specieüe Art der Anleihe war es nur, wenn er einmal alles Waisengeld
einfordene, mit dem Versprechen, es bei der Mündigkeit der Kinder zurück-
zuzahlen. So geniessen bei uns Staatsanleihen pupillarische Sicherheit; frei-
lich zwingt man in der Regel Niemand, Mündelgelder darin anzulegen.
Wenn solche finanziellen Auskunftsmittel von zweifelhaftem Werthe sind,
so hat er dagegen in volkswirthschaftlicher Beziehung einen wirklich bedeu-
tenden Gedanken realisirt, der bisher noch nicht erkannt worden ist. Er liess
fUr sein ganzes sicilisches Herrschaftsgebiet nur eine grosse Münze bestehen :
das syrakusanische Tetradrachmon mit dem vveiblichen Kopf auf der einen
und dem Gespann auf der anderen Seite. Es war das nur ein genauer Aus-
druck der factischen Verhältnisse. Wo sollte in der That ausserhalb Syraku-
sens geprägt werden ? Leontini war an Söldner gegeben , Katane seiner allen
Einwohner beraubt, Naxos zerstört, Messana ihm unterworfen, Akragas, Gela
und Kamarina sehr schwach und von ihm durchaus abhängig. Allerdings
haben die Kampaner eine selbständige Prägung; ob dieselbe aber unter Dio-
nys 1. fällt, ist nicht sicher, obschon z. B. für Enteila demselben nichts im
Wege steht. Dem Beispiel des Dionys folgten die Karthager, indem sie in Fa-
normos die schönen Tetradrachmen mit den Legenden Kart Chadasat, Macha-
nat, Mechasbim ausprägten, die dem 4. Jahrh. v. Chr. angehören, und die so
gut im griechischen Theile von Sicilien genommen werden konnten , wie die
syrakusanischen Tetradrachmen im karthagischen. Vorher hatten die Kartha-
ger hauptsächlich in Motye geprägt, das ja auch ihre wichtigste Stadt war, und
sie hatten sich ausserdem für ihren Verkehr in Sicilien der mit der Inschrift
aja bezeichneten Münzen bedient, bei denen sie den Gesichtspunkt im Auge
hatten, denselben durch die auf ihnen befindlichen, höchst mannigfaltigen
Typen in allen den St^idten Zugang zu verschafien , welche diese Typen zu
gebrauchen pflegten. Doch mussten sie bald einsehen, dass dies ein unprakti-
sches Verfahren war, und sie schritten deshalb zur Ausprägung der oben er-
wähnten Tetradrachmen. Doch scheinen in die letzte Zeit der Prägung mit aja
die Tetradrachmen mit dieser Inschrift zu gehören , die ganz den syrakusani*-
sehen Münzen entsprechen, mit dem weiblichen Kopf einer- und dem Gespann
andererseits, von denen einige an Schönheit den Tetradrachmen von Syrakus
wenig nachstehen.
Bei aller Rücksichtslosigkeit in finanziellen wie in politischen Dingen be-
obachtete Dionys dennoch gewisse Formen. Mehrfach werden Volksversamtn-
lungen in Syrakus erwähnt, denen er seine Gedanken und Absichten vortrug.
Kr wusste dafür zu sorgen, dass man ihm nicht widersprach.
Wenn wir nun den leitenden Gedanken, das treibende Element in Diony-
sens Wesen suchen, so haben wir es in dem energischen Streben nach Erhal-
tung und Befestigung seiner Herrschaft zu finden. Zu diesem Zwecke scheute
er kein Mittel. In dieser Hinsicht ist zunächst die oben (S. 404) geschilderte
Argwohn des Dionys. 147
Art und Weise, wie er Ortygia zu einer grossen Festung machte, merkwtlrdig.
Aus demselben Streben gingen aber auch die Eigenschaften hervor, deren
excentrische Aeusserung ihn so berüchtigt gemacht hat: Argwohn und Grau-
samkeit. Wir müssen, wie sehr wir auch das Anekdotenhafte scheuen , doch
das von den Alten in dieser Hinsicht berichtete Charakteristische anführen. Er
wusste, dass seine Feinde jeden Augenblick zu benutzen suchten, ihn zu'
tödten, und dass er Feinde selbst in denen haben konnte , die er als seine
Freunde betrachtete, daher die übertiiebenen Veranstaltungen, sein Leben zu
schützen, daher die Verfolgung nicht bloss des Verdachtes , sondern sogar der
blossen Möglichkeit der Nachstellung gegen sein Leben. Er richtete die Stein-
brüche in Epipolae zu Gefängnissen ein, und wenn erzählt wird, dass Men-
schen dort so lange gefangen gehalten wurden , dass sie sich verheiratheten
und Kinder bekamen, welchen später, als sie in Freiheit gesetzt wurden, der
Anblick von Pferden Schrecken erregte , so können wir diese Geschichte, die
an sich nicht unglaublich ist, nur auf die Zeit des älteren Dionys beziehen.
Wenn wir aber annehmen, dass diese Gefängnisse in Epipolae waren, so be-
finden wir uns im Widerspruche mit der Tradition, welche in den weitläufigen
Steinbrüchen an der Grenze der Achradina c^ie Gefängnisse des Dionysios sieht.
Hier ist die gewundene Höhle, auf deren Aehnlichkeit mit dem Gange des
Ohres der Maler Michel Angelo von Caravaggio den syrakusanischen Antiquar
Mirabella aufmerksam machte und welche seitdem den Namen »das Ohr des
Dionystt erhalten hat. Es wird am Ende dieses Bandes von ihr die Rede sein.
Die Zahl der auf seinen Befehl Getödteten war ungeheuer, und der geringste
Verdacht genügte dem Dionys, ein Todesurtbeil auszusprechen. Marsyas, einer
seiner bevorzugten Leibwächter, träumte, dass er den Tyrannen tödte und
war so unvorsichtig, diesen Traum zu erzählen; Dionys liess ihn hinrichten,
weil er, um dergleichen zu träumen, oft daran gedacht haben müsse. Als sein
Bruder Leptines einmal , um ihm die Lage eines Ortes durch eine Zeichnung
im Sande deutlich zu machen, einem der dabeistehenden Leibwächter seinen
Speer nahm , wurde Dionys auf seinen Bruder heftig erzürnt und liess den
Wächter, der die Lanze hergegeben hatte, tödten. Ein ander Mal wollte er,
was er gerne that , Ball spielen , legte sein Gewand ab und gab einem Jüng-
ling, den er liebte, sein Schwert zur Aufbewahrung. Da sagte einer der An-
wesenden : Diesem vertraust du also doch dein Leben an , und der Jüngling
lächelte bei diesen Worten. Da liess Dionys beide tödten, jenen, weil er den
Weg angegeben , ihn zu morden , diesen , weil er die Andeutung durch sein
Lächeln gebilligt. Als charakteristische Beweise seiner Furcht vor Nachstel-
lungen werden folgende Geschichten erzählt. Natürlich vertraute er sich kei-
nem Barbier an. Anfangs liess er sich von seinen Töchtern scheeren, als diese
aber herangewachsen waren, liess er sich von ihnen mit glühenden Wallnuss-
schalen den Bart absengen. In der Volksversammlung sprach er nicht von der
gewöhnlichen Rednerbühne herab; er hatte sich zu diesem Zweck einen
besondem Thurm bauen lassen. Endlich hatte er sein Bett mit einem Graben
umgeben lassen , über welchem als Zugbrücke ein Brett lag , das er am
Abend wegnahm. Man sieht in diesen Geschichten die Thätigkeit der Sagen-
bildung, und überdies ist bei den Erzählungen von seinen übertriebenen Vor-
10*
14g Fünftes Buch VlII. Ende des Dionys. Charakter und Bedeutung seiner Regierung.
Sichtsmassregeln der eine wichtige Punkt nicht zu übersehen , dass es Zeiten
gab, wo er gar nicht argwöhnisch sein, wenigstens nicht scheinen konnte.
Wenn er die Waffenschmiede vor dem Foldzuge nach Motye besuchte , wer
schützte ihn da vor einem meuchlerischen Anfalle? Also beziehen sich die
Geschichten von seiner Vorsicht, soweit sie überhaupt wahr sind , auf gewisse
Perioden seiner Regierung , wo er sich vom Volke besonders gehasst wusste.
Er verliess sich dann zu seinem Schutze ausser auf seine eigene Kraft und
seine Waffen , die er selten ablegte , wie er denn stets einen .eisernen Panzer
trug, auf seine Leibwache, die, aus Fremden und Sklaven — Leuten, die kein
anderes Interesse kannten , als ihn zu vertheidigen — bestehend ^ blindlings
seine Befehle ausführte. Um die Stimmung unter der Bevölkerung der Stadt
zu beobachten und etwaige Verschwörungen aufzuspüren , hatte er nach Hie-
ron's Beispiel eine Schaar von Spionen, Prosagogeis genannt; auch Weiber,
Potagogides, waren, wie bei Hieron, darunter. Sein Verdacht verschonte Ver-
wandte und Freunde nicht. Phiiistos, dessen Hülfe er seine Herrschaft ver-
dankte, bekleidete bei Dionys das wichtige Amt eines Commandanten seiner
Burg und Leibwache, und es hiess, dass er mit stillschwe^ender Duldung des
Tyrannen, der Liebhaber der Mutter desselben war. Als dieser aber, ohne
Wissen des Herrschers, die Tochter des Leptines geheirathet hatte , verbannte
Dionys beide aus seinem Reiche. Sie gingen anfangs nach Thurii, von wo
Leptines, der ihm unentbehrlich war, bald zurückkehren durfte und die
Tochter des Dionys heirathete,, während PhUistos noch weiter nach Hatria
ging , wo er den grössten Theil seines Geschichtswerkes schrieb. Ein Kanal
an der Pomündung ward nach ihm benannt. Polyxenos, der Gemahl der
Schwester des Dionys, Theste, floh aus Furcht vor seinem Schwager nach
Syrakus. Weder Brüder noch Söhne durften zu ihm kommen, ohne sich vor den
Wachen vollständig entkleidet und andere Gewänder angelegt zu haben, damit
sie keine verboi^enen Waffen mitbringen könnten, und wenn er zu seinen
Frauen ging, musste alles vorher genau durchsucht werden. Den schlimmsten
und für den Bestand seiner Dynastie verderblichsten Argwohn bewies er aber
bei der Erziehung seines ältesten Sohnes, der sein Nachfolger wurde. Dieser
wurde im Palaste eingeschlossen gehalten und von seinem Vater nicht nur
nicht in den Ötaatsgeschäften unterrichtet, sondern so sehr aller Gelegenheit
zu würdiger Beschäftigung beraubt, dass er sich in seiner Einsamkeit mit
Tischler- und Stellmacherarbeit beschäftigte. Vielleicht war übrigens Dionys
nicht einmal fest entschlossen , ihn zu seinem Nachfolger zu ernennen ; we-
nigstens lassen die mit seinem Tode verbundenen näheren Umstände etwas
derartiges ahnen. Gegen die mütterliche Familie dieses Sohnes hatte sich sein
Argwohn schon in anderer Weise heftig geäussert. Dieser Sohn war von der
Lokrerin geboren. Seine syrakusanische Frau dagegen blieb längere Zeit un-
fruchtbar, und die Mutter der Lokrerin, deren Veranstaltung er dies zuschrieb,
musste dafür sterben. Wie sehr der Tyrann sich der steten Gefahr seiner
Lage bewusst war und wie geistreich er dieselbe darzustellen verstand, liegt
in der bekannten Geschichte von Damokles ausgedrückt. Dagegen stimmt die
andere, ebenso bekannte Geschichte von der Bürgschaft, die ein Freund für
den andern übernahm, der sterben sollte, und der sich wirklich zu rechter Zeit
Gottlosigkeit des Dionys. 149
dem Tyrannen stellte, worauf dieser sie l>at, ihn als Dritten in ihre Freund-
schaft aufzunehmen, nur dann mit dem Charakter des Tyrannen überein,
wenn die Anklage gegen den Einen, dass er Dionys nach dem Leben getrachtet
habe, eine absichtlich erdichtete war, um die Freundschaft der beiden Pytha-
goreer zu prüfen, und auch dann hat die Angabe, 'dass der Tyrann Dionys II.
gewesen sei , bei einem Vergleiche der Charaktere des Vaters und des Sohnes
grössere Wahrscheinlichkeit.
Aber Argwohn und Grausamkeit gingen nicht aus einem furchtsamen,
ängstlichen Gemüthe hervor; sie waren Folge eines einmal angenommenen
Systems. Das sieht man aus einer andern Eigenschaft, die für ihn charakteri-
stisch ist, aus seiner Freiheit von aller religiösen Scheu, besonders, wo es sich
um Geld handelte, und dem gotteslästerlichen Humor, mit dem er seine Tem-
pelräubereien zu betreiben pflegte. Er behauptete , von Demeter den Befehl
an alle Frauen erhalten zu hdben , ihren sämmtlichen Schmuck in ihren Tem-
pel zu bringen ; als er dort war, Hess er ihn auf der Stelle einschmelzen. Der
Statue des Zeus nahm er einen goldenen , 85 Talente schweren Mantel, den
sie von Gelon erhalten hatte, weil er doch im Winter zu kalt^ im Sommer zu
faeiss sei und Hess ihr einen wollenen umhängen, der sie besser schützen
werde. Als die Arbeiter sich scheuten, zuzugreifen , legte er selbst Hand an.
Ein Aeskulapbild beraubte er des goldenen Bartes , denn es schicke sich nicht
für den Sohn , einen Bart zu tragen , da doch der Vater (Apoll) unbärtig sei. •
Die silbernen und goldenen Tische, welche in den Tempeln standen, wusste
er unter verschiedenen Vorwänden sich anzueignen. Es war Gebrauch, das
Mahl mit einem kleinen Trunk ungemischten Weines zu beschliessen, welcher
der Trunk des Guten Gottes ganannt wurde. Dann wurden die Tische ent-
fernt. So trank Dionys auch dem Asklepios diesen Trunk des Guten Gottes zu
und Hess dann den goldenen Tisch entfernen. Ein ander Mal, wenn solche
Tische den Guten Göttern geweiht waren , nahm er sie im Vertrauen, wie er
sagte, auf ihre Güte an sich. Goldene und silberne Victorien , Schalen und
Kränze , welche die Gottheiten auf den ausgestreckten Händen trugen, nahm
er regelmässig in Besitz; er empfange, sagte er, nur das Gegebene, denn
wozu streckten die Gottheiten diese Gegenstände hin, als um sie den Menschen
zu schenken? Oder er Hess Eigenthum der Tempel verkaufen, nahm das Geld
und befahl dann, dass jeder das, was er an Tempeleigenthum im Hause habe,
an den Tempel wieder zurückliefern solle. Er plünderte in Lokri den Tempel
der Proserpina , und als er dann bei günstigem Winde mit den Schätzen nach
Syrakus zurückfuhr , sagte er zu seinen Begleitern : Seht ihr , eine wie gün-
stige Fahrt die Götter dem Tempelschänder geben?
Die Herrschsucht war aber auch seine einzige Leidenschaft. Er war
massig in allen Genüssen , denn auch Trunksucht ist ihm wegen der noch zu
erwähnenden angeblichen Veranlassung seines Todes nicht zuzuschreiben.
Ein besonderes Lob verdient sein Familienleben; wir hören nicht von Un-
einigkeiten, die zvnschen ihm und seinen beiden Frauen ausgebrochen wären,
und es ist gewiss ein ausreichender Beweis seiner Charakterstärke , dass er
die sonderbare Doppelehe so gut zu führen wusste. Er speis'te regelmässig
mit beiden Frauen zusammen, die in seinem Palaste abgesonderte Wohnungen
150 Fünfies Buch. VIII. Ende des Dionys. Cfaaratler und Bedeutuag seiner Regierang.
hatteD. Dionys halte sieben Kinder, zwei Sohoe und eine Tochter von der
Lokrerin , zwei Sohne und zwei Tochter von d^r Arislomache. Die letzteren
nannte er in eigenthUmlidier Laune Sophrosyne und Arete — MässiguDg und
Tugend. Jene verheirathele er mit ihrem Halbbruder Dionysios , diese xu-
ersi mit seinem eigenen (Bruder Thearidcs, und nach dessen Tode mit
Dion, dem Bruder der Aristomache. Die Namen der leiblichen Geschwister
des jüngeren Dionys waren Hermokritos und Dikaiosyne. Die beiden Stihne
der Aristomache hiessen Hipparinos und Nysaios. Aus lauter Kraft war aber
doch der Charakter des Tyrannen nicht zusammengesetzt. Er hatte eine
Schwäche and iwar eine bei einem Griechen sehr verzeihliche ; er hielt sich
wie der Kardinal HicheÜeu, dessen Charakter überhaupt mit dem des Dio-
nys eine grosse Aehnlichkeit bat, für einen Dichter und beschäftigte sich , seit
die Karthager ihm nicht mehr so viel Sorge bereiteten, gern mit Versemachen.
Er sorgte dafür, dass Männer, die sich auf die Kritik dichterischer Werke ver-
standen, an seinem Hofe waren, und benutzte, wie Richelieu, ihr Urtheil ; aber
der Despot kam , gerade wie bei dem französischen Kardinal , darin wieder
zum Vorschein, dass er eine unbedingte Verwerfung seiner Gedlchl« nicht
ertragen konnte; er ahndete sie mit seinen gewöhnlichen schweren Strafen.
An seinem Hofe hielt sich der Dilhyrambendicbter Philoxenos auf, der, als bei
einem Trinkgelage Gedichte des Tyrannen vorgelesen wurden , auf die Frage
. des Dionys, wie er sie finde, eine Antwort gab, welche mehr den FreimuÜi
des Mannes als seine Zufriedenheit mit dem Vorgetragenen bewies. Dionys,
der auf seine Verse stolzer war, als auf seine Eroberungen , liess den Frechen
sogleich in die Steinbrüche bringen. Am andern Tage ind^ss versöhnte er
sich, von seinen Freunden beredet , wieder mit ihm. Aber dem armen Phi-
loxenos blieb eine zweite Probe, unter ahnlichen Umständen wie die erste,
nicht erspart. Bei einem neuen Trinkgelage kamen wieder Verse des Tyran-
nen vor, und dieser fragte wieder: Wie findest du die Gedichte? Philoxcnos
antwortete dem Tyrannen nichts, wandte sich zur Leibwache und sagte:
Bringt mich wieder in die Steinbrüche. Dionys selbst musste über diese
Wendung lachen. Indess drangen die Freunde des Tyrannen, die auch die
des Philoxenos waren, in ihn, den Dionys doch auch einmal durch eine gele-
gentliche Anerkennung seines Dichtertalentes zu erfreuen , und Philoxenos
versprach es unter der Versicherung, dass er dabei der Wahrheit nichts ver-
geben werde. Als nun Dionys ihm Gedichte von sich vorlesen liess, die eine
Schilderung kläglicher Leiden enthielten, antwortete er auf die Frage, wie ihm
die Verse vorkamen : Traurig. So musste der kluge Dionys sich verspotten
lassen. Der Tragiker Antiphon soll sich übrigens durch allzu herben Tadel der
Gedichte des Tyrannen den Tod zugezogen haben. Es fehlte ihm nicht an
Schmeichlern , welche ihm vorstellten , dass alles Schöne anfangs Gegenstand
des Neides sei, und ihn so auch über die in Olympia mit seinen Gedichten
erlittene Niederlage trösteten; er fuhr also fort zu dichten. Er schrieb be-
sonders Tragödien , z. B. einen Adonis, eine Leda. Er galt als ein Feind des
Lachens, weshalb man die Angabe, dass er auch Komödien geschrieben habe,
in Zweifel zieht; bei dem Humor, den er, wie wir sahen, unter Umsl^inden
entwickeln konnte, ist es indess nicht unbedingt als wahr aniunebmen, dass er
Dionys als Dichter. 151
ein Feind des Lachens war. Er erwarb die Scbreibtafel des Aescbylos , viel-
leicht um dadurch auch etwas vom Geiste dieses grossen Dichters in sich
übergehen zu lassen. Wir haben bei Athenaios aus Athanis eine Anzahl von
Wörtern, die Dionys, offenbar der ältere, erfunden haben soll, und es ist na-
türlich, dass er sie in seinen Schriften angewandt hat. Sie zeichnen sich
grOsstentheils durch eine, hoffentlich nicht unfreiwillige Komik aus, und es ist
schwer zu glauben , dass er in einer Tragödie die Mauselöcher Mysterien ge-
nannt haben sollte, weil ein Mauseloch mys terei; d. h. Mäuse enthält. Man
fühlt sich versucht, auch in solchen Witzen einen Anklang des ihm eigenthüm-
liehen, gotteslästerlichen Humors wiederzufinden. Mochten die Tragödien und
sonstigen Gedichte des Dionys aber auch wenig vorzüglich sein, so wusste sich
sein Sohn und Nachfolger später im Gespräche mit Philipp von Macedonien
beim Weine auf den richtigen Standpunkt ihrer Beurtheilung zu stellen, in-
dem er auf die spöttische Frage, wie denn sein Vater Zeit gehabt habe, so viel
zu schreiben, antwortete: Es war die Zeit, die du und ich und alle soge-
nannten glücklichen Menschen beim Weine zubringen. Er handelte nach dem
von ihm selbst aufgestellten Grundsatz : Eine Bogensehne reisst , wenn sie zu
viel gespannt wird, die menschliche Seele aber geht zu Grunde, wenn sie un-
gespannt bleibt , wie er denn auch versicherte, dass er niemals müssig sei.
Wenn er aber in einer seiner Tragödien den Vers anbrachte : Die Tyrannis ist
Mutter jeder Ungerechtigkeit , so ist das nur ein Beweis seiner grenzenlosen
Verachtung der Menschen. Mit seinen Stücken , die er nach Athen zur Preis-
bewerbung zu schicken pflegte, erhielt er lange Zeit nur zweite und dritte
Preise, und ein unerwarteter Sieg an den Lenäen des Jahres 367 soll sogar die
Ursache seines Todes geworden sein. Dass dieser Sieg übrigens nicht die
Folge der Vortrefilichkeit des Stückes, »die Auslösung Hektor's« war, sondern
dass politische Gründe ihn veranlassten , lässt die kräftige Unterstützung , die
er 369 und 368 den verbündeten Athenern und Spartanern hatte angedeihen
lassen, errathen. Als nun die Richter dem Dionys den ersten Preis zuerkann-
ten, kam einem, der im Chore mitgesungen hatte, der gescheidte Einfall, dem
Tyrannen die Nachricht von seinem Siege zuerst zu überbringen. Er fuhr
schnell nach Korinth, hatte das Glück, dort [ein Schiff zu treffen, welches
gerade nach Syrakus unter Segel ging , und brachte so wirklich Dionys die
erwünschte Botschaft, die ihm reichen Lohn eintrug. Dionys aber veranstal-
tete zur Feier seines Sieges grosse Festlichkeiten , bei denen er so unmässig
trank, dass er in ein hitziges Fieber fiel, an welchem er starb. Die boshaften
Syrakusaner erzählten sich nun , dies $ei die Erfüllung eines Orakelspruchs,
dem der Tyrann immer zu entgehen gesucht habe. Es sei ihm prophezeit
worden , er werde sterben , wenn er einen überlegenen Gegner besiegt habe.
Er habe selbst diesen Orakelspruch auf die Karthager bezogen und deshalb
stets seine Siege über sie schlecht verfolgt und sich sogar freiwillig von ihnen
besiegen lassen. Nun zeige sich aber der wahre Sinn des Orakels. Denn er,
der schlechte Dichter, habe die besseren überwunden, und so habe er sterben
müssen. Dass diese ganze Geschichte mehr Dichtung als Wahrheit enthält,
leidet keinen Zweifel.
So wie er sich selbst Dichter zu sein dünkte , liebte er es auch , Dichter
1 52 Fünftes Buch. VIII. Ende des Dionys. Charakter und Bedeutung seiner Regierung.
und Philosophen an seinem Hofe zu haben. Philoxenos ist schon erwähnt
worden, der in dem Steinbruchgefängniss seinen Kyklopen gedichtet und darin
den Tyrannen unter der Gestalt des Kykiopen dargestellt haben soll. Ein
anderer Dichter seines Hofes war der jüngere Karkinos, der Enkel des
alleren Dichters dieses Namens, der aus Agrigent stammte, sich aber in Athen
niedergelassen hatte. Der Freund des Dionys war seines Beschützers wUrdig,
denn wir hören, dass er 460 Stücke schrieb und ein eiuEiges Mal siegte.
Ae seh in es, der Sokratiker , verweilte längere Zeit bei Dionys in Syrakus,
ein armer Mann, der aber vielleicht vom Tyrannen ebenso hoch gehalten
wurde, .wie der berühmte Aristippos, der Gründer der kyrenäisdien
Schule, der sich das üppige Leben am syrakusanischen Hofe schmecken Hess,
und das Unangenehme, das dabei vorfiel, mit dem grössten Gynismus ertrug.
Die Diener des Tyrannen bespritzten ihn einmal mit Wasser, und er Hess es
sich ruhig gefallen. Antiphon , dem seine Unklugheit später das Leben ko-
stete, verspottete ihn darüber. Aristipp aber erwiderte ruhig: Soll ein
Fischer sein Geweii>e aufgeben, weil er dabei nass wird? Der Mimendichter
Xcnarchos, Sophron^s Sohn, liess sich von Dionys zu politischen Zwecken
gebrauchen.
Es ist übrigens nicht ganz leicht , sich von dem Leben und Treiben am
Hofe des Dionys eine klare Vorstellung zu machen. Dass seine eigenen Sitten
rein waren, sahen wir schon; trotzdem liebte er es, verworfene und lieder-
liche Menschen um sich zu haben, und dies hoben sowohl der Geschichtschrei-
ber Theopompos , als auch der komische Dichter Eubulos , der den Tyrannen
in einem besonderen, Dionysios genannten Stücke verspottete, hervor. Es
passte allerdings in eine Tyrannenherrschaft, die über verworfene Menschen
am besten regiert. Dem Tyrannen konnte unmöglich daran liegen, Tugend
und Sittlichkeit bei seinen Unterthanen zu befördern. Dies müssen wir im
Auge behalten, wenn wir folgende zwei Geschichten, die von ihm erzählt
werden , richtig verstehen wollen. Er hörte, dass ein Syrakusaner Geld ver-
maben habe und liess es sich ausliefern. Der Mann hatte aber etwas davon an
die Seite zu bringen gewusst, entfernte sich aus Syrakus und kaufte mit dem
Geborgenen ein Gut. Nun liess Dionys ihn zu sich kommen und gab ihm auch
das, was er ihm genommen hatte, zurück. Ich sehe mit Vergnügen, sagte er,
dass du gelernt hast, das Geld zu gebrauchen, wie es gebraucht werden soll.
Ferner war er sonst streng in der Bestrafung von Missethätern , nur eine Gat-
tung von Dieben schonte er auffallend, die, welche den Leuten in der Dun-
kelheit die Mäntel auf der Strasse stahlen, eine im Alterthum sehr verbreitete
Galtung von Spitzbuben. Die Syrakusaner, sagte er, sollen von ihnen lernen,
dass es sich nicht schickt, spät im Rausche nach Hause zu kommen. Wir
würden sehr irren, wenn wir hier Dionys im Lichte eines Beförderers bürger-
licher Tugend sehen wollten. Die Lection über den Gebrauch des Geldes hatte
nur den Zweck, vom Vergraben abzuschrecken, womit dem Tyrannen am
allerwenigsten gedient war. Er wusste recht wohl, dass die meisten ihr Gdd
nicht zum Ankauf von Land, sondern zum Luxus anwenden würden. Die
Lection über den Nachtheil der Trunkenheit ist aber nichts als ein praktischer
Beweis seines übermüthigen Humors. Er war es , der durch die Entziehung
Menschenverachtiing des Dionys. Piaton in S^Takus. 153
■
der politischen Thätigkeit die Syrakusaner auf das Wohlleben hinwies, und
zum Danke dafür , dass sie ihm seinen Willen thaten und so ihöricht waren,
ihre Kraft in Schlemmereien zu vergeuden , Hess er den guten Betrunkenen
noch ihre Mäntel stehlen I Die Verachtung der inneren Bedeutung von Religion
und Moral ist von Niemandem weiter getrieben worden , als von Dionys, der
zugleich, wie kaum ein anderer , eingesehen hatte, welche Kraft die Beherr-
schung seiner selbst dem Menschen verleiht. Dionys beförderte bei seinen
Unterthanen ein ausschweifendes Leben , hielt sich selbst aber zu einem ar-
beitsamen und sittenstrengen an, und er handelte so, weil er wusste, dass er
auf diese Weise stark und zum Herrschen geeignet , sie schwach und fügsame
Sklaven wurden. Indem er die praktische Bedeutung der Tugend seiner Selbst-
sucht dienstbar machte, würdigte er sie mehr herab und dachte schlechter
von ihr, als wenn er selbst schlecht gelebt hfttte. Er wollte sein ganzes Volk
zu Heloten machen, und die Folge lehrte, dass es ihm nicbt ganz misslang.
Es ist klar, dass an den Hof eines Mannes wie Dionys, der mit der
'grössten Schärfe des Verstandes die entschiedenste Rücksichtslosigkeit ver-
bandj ein idealer Philosoph wie Piaton nicht passte , dessen kurzer erster Be-
such in Syrakus eine interessante Episode in der Geschichte des Dionys ist, eine
Episode, die freilich mit dem übrigen Leben des Tyrannen in keinem weiteren
Zusammenhange steht. Dass es bloss ein äusserer Anlass — der Wunsch, einen
Ausbruch des Aetna zu beobachten — gewesen sein sollte, der Piato nach Sici-
lien führte, ist sehr zu bezweifeln. Er scheint sich vorher in Italien aufgehalten
zu haben und mit den dortigen Pythagoreem in Verbindung getreten zu sein,
deren Haupt Archylas, der Tarentiner, ein nicht nur in seiner Vaterstadt, son-
dern in ganz Grossgriechenland ausserordentlich angesehener Mann war.
Archytas, der in nicht unfreundlichen Beziehungen zu Dionys stand, machte
ihn auf Piaton als auf einen Mann , der eine Zierde seines Hofes sein würde,
aufmerksam, offenbar in der Absicht, durch Plato dem Regierungssystem des
Tyrannen eine bessere Richtung zu geben. Dionys Hess wirklich Piaton auffor-
dern, nach Syrakus zu kommen, und wir dürfen annehmen, dass er nach dem
Frieden mit Karthago, 388 oder 387, wo der Tyrann einige Müsse hatte, sich
mit Philosophie zu beschäftigen , dahin gegangen ist. Er war von der Ueber-
zeugung durchdrungen, dass die gewöhnlichen griechischen Verfassungen, vor
allen die zügellose Demokratie, ebenso verderblich seien, wie die Tyrannis,
und sah nur darin Heil für die Menschheit, wenn entweder Philosophen an
die Spitze der Staaten träten oder die Herrscher zu Philosophen würden. An-
fangs fand Dionys an dem freimüthigen Wesen Platon's grosses Ge&Uen und
unterhielt sich gerne mit ihm ; als aber der Philosoph dem Tyrannen gegen-
über seine Grundsätze immer deutlicher aussprach und die Ungerechtigkeit
und Feigheit des tyrannischen Lebens auseinandersetzte , wurde Dionys ihm
bald entfremdet. Dagegen gewann Piaton einen der mächtigsten Verwandten
des Tyrannen, den Dion, ganz und gar für seine Ideen. Dion war Sohn des
Hipparinos , des Freundes von Dionys, und Bruder der Aristomache , der sy-
rakusanischen Gemahlin des Tyrannen. Schon in früher Jugend war der
Palast des Dionys seine Heimath ; er zeigte vielen natürlichen Verstand und
wurde deswegen vom Tyrannen mit grossem Wohlwollen behandelt. Er war
154 Fünftes Buch. VIII. Ende des Dlonys. Charakter und Bedeulang seiner Regierung.
von Hause und durch Geschenke des Dionys reich, von stattlichem Aeusseren
und von stolzem und männlichem Sinn. Er hatte noch nicht das zwanzigste
Lebensjahr erreicht, als Piaton nach Syrakus kam, und schloss sich mit
grossem Eifer dem berühmten Schüler des Sokrates an. Bei keinem andern
jungen Manne fand Piaton jemals neben grosser Lembegierde eine solche Fähig-
keit, das Gehörte richtig aufzufassen, wie bei Dion. Er, der bis dahin in den
Genüssen, die die weichliche sicilische Lebensweise und besonders der Hof
des Dionys darbot, das höchste Ziel seines Daseins gefunden hatte, strebte von
nun an nur nach Tugend und dachte in jugendlicher Begeisterung, dass es
möglich sein raüsste , auch Dionys durch Piaton für die Philosophie und die
Tugend zu gewinnen. Das war aber unmöglich. Auf die anf^nglidie Bewun-
derung Platon's folgte bei Dionys bald Zorn über die Anmassung des Mannes,
der ihn selbst für feig zu erklären wagte. Als er ihm auf seine Frage , wes-
halb er denn eigentlich nach Sicilien gekommen sei, die Antwort gab: einen
guten und tugendhaften Mann zu suchen, erwiderte er erzürnt: und bis jetzt
scheinst du noch keinen gefunden zu haben ! Und endlich suchte er sich des
lästigen Philosophen um jeden Preis zu entledigen. Nach einer Nachricht Hess
er ihn ergreifen und als Sklaven in Syrakus verkaufen ; die dortigen Philoso-
phen kauften ihn aber für SO Minen und schickten ihn mit der wohlgemeinten
Erinnerung nach Griechenland, ein Philosoph müsse mit Tyrannen so wenig
als möglich verkehren oder sich ihnen möglichst angenehm machen. Nac^
einer andern glaubwürdigeren Nachricht aber sorgte Dion dafür , dass Piaton
zur rechten Zeit auf einer Triere, welche den spartanischen Gesandten Pollis
nach Griechenland führte, mitgenommen wurde. Dionys aber bat Pollis, Piaton
unterwegs zu tödten, wo nicht , ihn als Sklaven zu verkaufen , mit seiner ge-
wöhnlichen Ironie hinzufügend, der Philosoph werde ja doch stets glücklich
sein, wenn er auch Sklave wäre. So soll denn Pollis den Piaton auf der Insel
Aegina, die sich damals mit Athen in Krieg befand, und wo das Volk be-
schlossen hatte, dass jeder Athener, dessen man habhaft würde, Sklave wer-
den solle, verkauft haben. Piaton soll in Sklaverei geblieben sein, bis ihn An-
nikeris von Kyrene freikaufte. Dion blieb nichtsdestoweniger in Gunst; der
Tyrann hörte die freimüthigen Bemerkungen seines jungen, stolzen Verwandten
ohne Zorn an, und liess es sich unter anderen gefallen, dass Dion ihm auf
einen unpassenden Spott über Gelon erwiderte : »Du solltest dich hüten, über
Gelon zu spotten , denn durch ihn bist du Tyrann und Herrscher : deinetwe-
gen aber wird man nie wieder Jemand zum Herrscher wollen, a Dionys wusste
seine grossen Talente besonders bei Gesandtschaften zu verwenden. Als er
auf dem Todbette lag, versuchte Dion, Zutritt zu ihm zu erlangen, um mit
ihm über das künftige Loos der Kinder der Arislomache zu sprechen. Das
verhinderten aber die Aerzte im Interesse des Sohnes der Lokrerin , der be-
fürchten mochte^ dass sein Vater sich einer Abänderung der Thronfolge ge-
neigt zeigte, ja, nach Timaios sollen sie durch einen Schlaftrunk den Tod des
Entkräfteten beschleunigt haben. Wir werden bald Dion's weitere Schicksale
erzählen. Für jetzt haben wir zur Schilderung des Charakters und des Lebens
des älteren Dionys nur noch wenige Züge nachzutragen. Er war, wie die
sicilischen Tyrannen vor ihm und besonders Gelon, Hieron und Theron, ein
Geschichtliche Stellung; des Dionys. 155
Freund der Rossezucht, begnügte sieb aber nicht mit der vortrefflichen sicili-
schen Race, sondern bevorzugte besonders die veneiische, die durch ihn auch
in Griechenland berühmt wurde. Ihm persönlich eigen war aber die Neigung
zur Medicin und Chirurgie, und wenn er, wie es heisst, selbst schnitt und
brannte, so mögen die von seinen Unterthanen, 'an denen er seine Kunst aus-
zuüben geruhte, nicht immer zu beneiden gewesen sein.
Es bleibt , nachdem wir den Charakter des Tyrannen dargestellt haben,
nur* noch übrig, ihn in seiner Bedeutung für die Geschichte seiner hei math*
liehen Insel und des griechischen Volkes, dem er angehörte, kurz zu würdigen.
Die einzelnen Punkte, auf die es hier ankommt, sind bereits im Verlaufe seiner
Geschichte zur Sprache gekommen ; es handelt sich hier darum, sie zusam-
menzufassen. Dionys erscheint vor allen Dingen als der Fortsetzer der Bestre-
bungen, die schon vor ihm in den wichtigsten Perioden der sicilischen Ge-
schichte zu Tage getreten waren. Seit dem Beginne der historischen Zeit hatte
sich auf der Insel das griechische Element gegen das semitische zu verthei-
digen , das mit stets wachsender Energie die Herrschaft an sich raffte. Von
Phalaris, dessen ähnliche Bestrebungen wir nachgewiesen haben, nicht zu
reden , hatte Gelon zum ersten Male die Karthager glänzend überwunden,
und dies. Werk der Abwehr der Punier ist es , das Dionys, wenn auch mit
geringerem Glück als Gelon , doch mit ausserordentlicher Ausdauer fortsetzt.
Und seine Leistungen, die ohne Zweifel ihm persönlich verdankt werden, sind
bei der grossen Macht Karthagers durchaus nicht unbedeutend. Als er die
Regierung antrat, waren Himera und Akragas in den Händen der Karthager;
als er starb, gehörten diese Landstriche wieder den Griechen. Er ist aber,
wie wir sahen, keineswegs bloss Fortsetzer der Geionischen Idee gewesen; er
hat einen neuen Gedanken in die sicilische Politik eingeführt. Vor ihm trat
der Gegensatz zwischen Hellenen und Sikelern auf der Insel scharf hervor.
Dieser Gegensatz hatte sich noch in Duketios besonders kräftig gezeigt. Dionys
sucht ihn zu verwischen, indem er auf Kosten des hellenischen Elementes das
altsikelische , sowohl durch Anlehnung an dasselbe^ als durch Begünstigung
der italischen Kampaner, Stammverwandten der Sikeler, zu stärken sucht.
Vor ihm gab es auf Sicilien drei feindliche Gruppen : Griechen, Sikeler, Kar-
thager. Dionys erkannte, dass als Fremde nur die Karthager zu betrachten
seien, und dass nur der Herrscher in vollem Sinne ein sicilischer Herrscher sei,
der Griechen und Sikeler zu vereinigen wüsste. So nimmt er seinen Vorgängern
gegenüber bei aller Aehnlichkeit mit ihnen doch , auch wieder eine durchaus
eigenthümliche Stellung ein; er ist der Gründer eines hellenistischen, d. h.
hellenisch -barbarisjchen Staates im Westen, und er muss als Vorläufer der
Bestrebungen betrachtet werden, welche nach ihm in grösserem Massstabe
von Alexander durchgeführt worden sind. Diese Priorität des hellenistischen
Gedankens, der für den Orient so fruchtbar werden sollte, im Westen und
zwar durch den ersten Dionys ist ein merkwürdiges , bisher nicht erkanntes
Factum. Blicken wir dagegen auf die Mittel , die er anwendete, so sehen wir
ihn durchaus seine Vorgänger nachahmen. Die gewaltsame Umwerfung aller
Bevölkerungsverhältnisse, das Wüstelegen von ganzen Städten, das Verpflan-
zen ganzer Einwohnerschaften nach Syrakus, das Wegschenken kleinerer
iatlM Buch. IX. Diony-s U. Piaton in Syrakus. Dion's Verbannung und Rückkehr.
mit ibren Feldmacken an Söldner konnte er von Gelon und Hieron
die er in der Sorge für die Befestigung und Verscböoerung von Svra-
h übertraf. Die systematische Unterdrückung der Freiheit des Volkes,
Qtsittlichung durch ein ausgebreitetes Spionirsj'stem stammt auch be-
n Hieron her. Neu ist in Betreff seines persönlichen Verhaltens gegen
ntertbanen und gegen Fremde nur seine Gottlosigkeit , mit der er im
3 und spateren Hellenenthum fast einzig dasteht, in volkswirthscbaft-
«ziebung aber die der syrakusanischen HUnze eingerüumle Herrschaft,
r Charakter hervorragender Menschen wurzelt in ihrer Zeit. Die Rolle,
Dionys im Westen spielte, konnte in seiner Zeit im Osten Niemand
hren; das erlaubten die Umstände nicht. Aber die Grundsätze, nach
Tim einzelnen verfuhr, konnten auch Anderen als Bicht^chnor vor-
an. Und in diesem Sinne und mit solcher Einschränkung ist es eriaubt,
mys den Lysander zu vei^leichen. Für beide ist besonders der Hanget
irklich idealen Momentes charakteristisch. Als rein praktische Staats-
wenden sie jegliches Mitlei an , um ihre Zwecke zu erreichen, die bei
;r allerdings in der Herrschaft seines Staates, nicht seiner eigenen, be-
Aber auch der Spartaner hatte eine Tyrannis nicht verschmäht, wenn
;lich gewesen wäre. Jedenfalls war der lakedämonische Einfluss in
Dland da , wo er gewaltsam überwog , nicht besser als der des Dionys
kus.
! acbtunddreissigjährige Tyrannis des Dionys bat die Syrakusaner, die
lern Auftreten ebenso gut wie andere Griechen einer Bepublik föbig
gründlich verdorben und dadurch in Sicilien's Hauptstadt eine freie
ing fast unmt^lich gemacht. Dass dem sovtar, wird die Geschichte
bsten 150 Jahre lehren. Hah halte uns nicht Timoleon entgegen. Als
usserordentliche Mann gestorben war, bestand die von ihm gegründete
k nicht lange mehr. Andererseits ist jedoch nicht zu verkennen, dass,
en Karthagern ein dauernder und für die ganze hellenische Welt heil-
^'iderstand entgegengesetzt werden sollte, diesen nicht eine Republik
: organisiren konnte. Es war ein Dionys nödiig, dessen ungemeine
iten wahrlich keinen Augenblick geschlummert haben. Und so müssen
enngleich mit Bedauern zugeben, dass diese Tyrannis ein wesent-
nicbt auf andere Weise zu ersetzendes Moment in der Geschichte des
Neuntes EapiteL .
s n. Platon in Syrakns. Dion's TerlMmnnDg and BBekkehr.
Besitz der Burg und einer grossen Zahl ei^ebener Söldner folgte Dionys
;ere seinem Vater in der Regierung eines Reiches, das sich über einen
Theil von Sicilien und die Sudwestspitze von Italien erstreckte, ohne
Dionys 11. und Dion. I57
dass sich irgendwo Widerstand gegen ihn erhob. Wenn sein Vater^ von der
Natur mit Herrschergeist ausgestattet) durch eigene Arbeit die Tyrannis errun-
gen und sich erhalten hatte , so fiel sie dem Sohne von selber zu, und doch
war er weniger als irgend Jemand im Stande, ihre Last zu tragen. Wir sahen
schon, dass der Argwohn des Vaters , der vielleicht noch nicht mit sich voll-
kommen einig war, ob er den ältesten Sohn oder einen der anderen zum
Nachfolgeri bestimmen solle, ihm keine eines künftigen Herrschers wUrdige
Erziehung zu Theil werden liess ; wir werden an das Verfahren Ferdinand's II.
von Neapel gegen seinen Sohn Franz erinnert, welches diesem denselben Aus-
gang bereitete, wie der war, welcher Dionys erwartete. Der lebhafte Geist
des Jünglings blieb unbeschäftigt, und der Sohn des mächtigen Fürsten
brachte die langen Tage mit Handarbeiten hin und zerstreute sich durch Aus-
schweifungen, wie sie das üppige sicilische Leben bot. Freilich liess der Vater
es an Warnungen nicht fehlen. Als er einmal erfuhr, dass der Jüngling ein Lie-
besverhältniss mit der Frau eines Bürgers unterhielt, fragte er ihn zornig, ob
er dergleichen von ihm je gehört habe. Der Jüngling erwiderte keck : Dein
Vater war auch kein Herrscher. Und dein Sohn, versetzte der Alte, wird es
ebenso wenig sein, wenn du so fortfährst. Aber solche W^arnungen fruchteten
wenig. Der junge Dionys war etwa 28 Jahre alt, als er die Regierung antrat.
Es eröffnete sich ihm plötzlich eine neue Welt. Er hatte nun die Mittel, sein
Leben nach den Begriffen, die er sich vom Glücke machte, einzurichten ; aber
er hatte andererseits die grosse Sorge für die Erhaltung seiner Herrschaft, der,
wie er sich selbst sagen musste, es an Feinden und Neidern nicht fehlte.
Weder Erfahrung, noch Erziehung hatten ihn mit Grundsätzen ausgerüstet;
er hatte keine Abneigung gegen das Gute und keine Vorliebe für das Schlechte ;
aber er wollte geniessen , und doch verlangte seine Stellung von ihm Arbeit.
Was konnte ihm lieber sein, als wenn sich Jemand fand, der ihm die letztere,
soweit es möglieh war, abnahm? Daher empfand er eine lebhafte Freude über
das Auftreten Dion's gleich nach dem Tode seines Vaters. Der Mann, dem es
nicht gelungen war, seine Pläne zu Gunsten seiner Neffen durchzusetzen, hielt
sich nicht etwa von dem neuen Herrscher fern, sondern gewährte ihm im Ge-
gentheil die voUe Unterstützung seiner reichen Erfahrung und seines grossen
Ansehens. Dionys I. war in einer kritischen Zeit, mitten im Kriege mit Karthago
gestorben. Es war also die erste Aufgabe des neuen Herrschers, sich über die
Sachlage möglichste Klarheit zu verschaffen , einen Entschluss zu fassen und
den gefassten kräftig durchzuführen. Während nun die übrigen Käthe über
dem Bemühen, den noch unbekannten Neigungen des Fürsten zu schmeicheln,
ganz und g^r versäumten bestimmte Rathschläge zu ertheilen, und so Dionys
noch unsicherer machten , spielte Dion unerwartet die Rolle eines einsichts-
vollen und doch bescheidenen Rathgebers. Indem er die Entscheidung über
Krieg und Frieden der Einsicht des Tyrannen überliess, beschränkte er sich
darauf anzugeben, was Dionys in dem einen oder andern Falle zu thun habe.
Falls er Frieden sdiliessen wolle j erklärte er sich bereit, nach Karthago als
Gesandter zu gehen, ^und stellte durch seine dortigen Beziehungen nicht un-
günstige Bedingungen in Aussiebt; ziehe er aber die Fortsetzung des Krie-
ges vor, so versprach er, ihn mit 50 auf eigene Kosten ausgerüsteten Trieren
:»•» i-/
15S Fünftes Buc}i. IX. Dionys 11. Platon in Syrakus. Dion's Verbannung und 'Rückkehr.
zu unterstülzen. Von dem Verlangen erfüllt, sich seiner Macht^und seines
Reichthums zu erfreuen, Wählte Dionys den Frieden. Die Bedingungen werden
Aufrechthaltung des Status quo gewesen sein. Indem so Dionys II. im Grunde
nur dieselbe Stellung zu den Karthagern einnahm , die sein Vater die längste
Zeit hindurch behauptet hatte , setzte er auch dessen hellenische Politik w^e-
nigstens insoweit fort, als er die Macht von Syrakus am adriatischen Meere
nach Beendigung eines Krieges gegen die Lukaner durch die Gründung zweier
Kolonien in ApuHen befestigte. Dies Factum ist in mancher Beziehung von
Wichtigkeit und weniger beachtet worden, als es verdient.. Wir finden gegen
das Ende des 4. Jahrh. v. Chr. Apulien in die hellenische Kultur in auffallen-
der Weise hineingezogen. Es wird ein ganz hellenistisches Land, wie Münzen
und Vasen zeigen. Die Veranlassung dieser Umwandlung ist bisher nicht
erkannt worden, und doch kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Ko-
lonien Dionys^ des jüngeren den grOssten Antheil daran haben. Dupch sie ist
zuerst der Grund zu der hellenischen Kultur Apulien^s gelegt worden, die
dann ihre Nahrung allerdings nicht sowohl aus Syrakus, als \ielmehr aus dem
näheren Tarent gezogen hat.
Für die Friedensvermittlung war Dionys dem Dion Dank schuldig, und er
bemühte sich wirklich, ihn abzustatten. Seine für alle Eindrücke äusserst em-
pfängliche Natur Hess ihn eine grosse Vorliebe für den Mann fassen , der ihm
die ersten und schwierigsten Zeiten der Herrschaft so sehr erleichterl hatte.
Er schenkte ihm sein Vertrauen , hörte nicht auf Verleumder, die sich bald
gegen Dion fanden, und freute sich , dass er Zeit hatte , nach Herzenslust in
allen Genüssen zu schwelgen. Er liess viel von der Strenge seines Vaters nach
und machte sich so eine kurze Zeit beim Volke beliebter, als dieser je gewesen
war, aber so lange nur, bis man eingesehen hatte, dass es hauptsächlich Sorg-
losigkeit und Unerfahrenheit war, was den Herrscher zur Milde bewog. Er
soll sich einmal neunzig Tage nach einander betrunken haben, und auch sonst
war an dem früher viel ernsthafteren Tyrannenhofe nur der Lärm lustiger
Lieder und der Jubel von Tanzenden und Zechenden zu hören.
Von diesem Treiben hielt Dion sich fern. Ihm schwebte das Ideal des
sokratischen Weisen vor, der, frei von Leidenschaften, nur für das Wohl
seiner Mitmenschen lebt ; aber er gab diesem Ideal einen Zusatz von vorneh-
mer Abgeschlossenheit, den es weder in Sokrate$\ noch in Platon*s Sinne
hatte. Er verzweifelte sogar noch nicht ganz an der Möglichkeit, aus dem
Dionys einen guten Menschen zu machen, und hörte deshalb nicht auf, ihn auf
die Nothwendigkeit eines anderen Lebens hinzuweisen. Und hierbei kannte er
keine Rücksicht auf die etwaigen Folgen solcher Freimüthigkeit. Er sah aber
auch nichts Böses darin, dem Tyrannen zu dienen, eben weil er seine Stellung
so kräftig zu Ermahnungen benutzte, imd weil er in der Gewinnung eines
Tyrannen für die Tugend ein besseres Mittel zur Herstellung einer vernünf-
tigen Staatsverfassung erblickte, als in dem Sturze desselben. Und als die
Aufgabe, Dionys zu bessern, endlich doch ihm selber unlösbar erscheinen
wollte, hielt er es noch für möglich , dass ihre Lösung dem Platon gelingen
könne. Platon aber, das wusste Dion , würde nicht zum zweiten Male nach
Syrakus kommen, wenn ihn nicht Dionys selbst einlud. Er musste deshalb in
Dion'a Einfluss auf Dionys. 159
Dionys eine lebhafte Begierde entzünden , den Philosophen , den er als Knabe
bei seinem ersten Auftreten in Sicilien gesehen hatte, wiederzusehen. Er
wusste geschickt gerade die Punkte zu berühren , an denen ein Eindruck auf
Dionys möglich war. Er stellte dem jungen Manne , dessen Gedanken auf ein
glückliches Leben gerichtet waren , vor, dass er das wahre Glück nur durch
ein tieferes Eindnngen in die philosophischen Lehren erreichen künne ; dass
aber ein Leben nach den Vorschriften der Philosophie nicht nur ihn selbst
glücklich machen, sondern auch das Regieren ihm ausserordentlich erleichtern
würde, da die Unterthanen dem vollkommenen Herrscher am freudigsten ge~
horchten. So werde er aus einem Tyrannen ein König werden. Sein Vater, sagte
er weiter, habe von demantnen Fesseln gesprochen, mit denen er die Syrakusa-
ner unterworfen, halte und er habe damit die Furcht der Unterthanen gemeint;
diese Fesseln seien aber lange nicht so stark, wie die Liebe des Volkes, hervor-
gerufen durch die Tugend des Königs. Endlich stellte er ihm vor, wie schimpf-
lich es sei, wenn sich ein Fürst nur seiner Macht und nicht auch seiner Bil-
dung rühmen könne; wenn er aber auch hierdurch alle zu übertreffen
wünsche, so müsse er Piaton ersuchen, zu ihm zu kommen. Dion hatte seine
Gründe in sehr gut gewählter Steigerung vorgebracht. Ob die Tugend ihn
selbst glücklicher machen würde als der Genuss, erschien vielleicht dem
Djonys kaum einer Probe werth; oh sie ein Mittel war, die Herrschaft noch
mehr zu sichern, als die von seinem Vater angewandten, konnte dem Tyraa-
nen schon eher der Mühe werth scheinen , untersucht zu werden , besonders
da er sich schwerlich die militärischen Fähigkeiten zutraute, welche sein Vater
besessen hatte; dass es ihm aber grosse Ehre bringea musste, wenn er an
Bildung seine ganze Umgebung übertraf, das leuchtete dem jungen Manne ein,
dem es nicht verborgen bleiben konnte, wie vieler Hülfsquellen ihn seine ver-
nachlässigte Erziehung beraubte , und der vor bedeutenden und durch Bil-*
düng ausgezeichneten Männern eineix natürlichen Respect hatte. So wurde
•der Wunsch, Piaton in Syrakus zu sehen, bei ihm bald ebenso lebhaft wie
bei Dion selbst. Er schrieb an Piaton und ersuchte ihn , zu ihm zu kommen,
weil er seiner Belehrung bedürfe, und seine Bitte ward durch Briefe des Dion
und der Pythagoreer in Italien dringend unterstützt , welche den Philosophen
auf die einzige Gelegenheit aufmerksam machten, durch die Rettung eines
Menschen ein ganzes Land zu retten.
Piaton, der sich ein Bild eines unausführbaren Idealstaates gemacht hatte,
war doch auf den Gedanken gekommen, die Grundzüge eines Staates zu ent-
werfen, der sich dem Ideal nähere und dennoch möglich sein sollte, und er
hatte auch die Frage über die Einführung eines solchen Musterstaates in die
Wirklichkeit, d. h. die Verwandlung eines bestehenden, schlecht organisirten
Staates in einen gut geordneten erwogen. Er beantwortete sie dahin: Je
grösser die Zahl der Machthaber in einem schlecht geordneten Staate ist, desto
schwerer ist seine Reorganisation. Sie ist am leichtesten möglich in einer Ty-
rannis. Wenn der Tyrann jung und von gutem Naturell ist und ihm ein
wahrer Gesetzgeber zur Seite tritt , so kann ein den Anforderungen der Phi-
losophie entsprechender Staat hergestellt werden. Als nun Piaton der Ruf aus
Sicilien zu Ohren kam, musste er sich sagen , da3s die von ihm gewünschten
160 Fünftes Buch. IX. Dionys II. Platon in Syrakus. Dion's Verbannung und Räckkebr.
BediDgUDgen hier vorhanden seien. Jang war Dionys, wie es schien lernbe-
gierig und lenksam; er selbst oder durch ihn Dion konnte als Gesetzgeber
auftreten. Wäre es nicht tadelnswerth gewesen, diese Gelegenheit, seine Phi-
losophie an der Wirklichkeit zu erproben, vorübergehen zu lassen? PiatoD
ging also auf die Einladung ein und fuhr auf einer, ihm von Dionys gesandten
Triere nach Syrakus, wo ihn am Landungsplätze ein königlicher Wagen
erwartete. Die Begeisterung des Dionys für Piaton zeigte sich in unzweideu-
tiger Weise. Gleich nach seiner Ankunft liess der Fürst ein Dankopfer bringen,
dann begann der Unterricht. Der Hof des Tyrannen erhielt ein verändertes
Aussehen; die Schenktische und Trinkbecher verschwanden, und die Ge-
mächer wurden mit Sand bestreut, in den der Tyrann und sein Gefolge geo-
metrische Figuren zeichneten, um unter der Anleitung Platon*s durch die
Pforte der Geometrie in die Hallen der Philosophie einzutreten. Die Herrschaft
des Dionys wurde immer milder, und es konnte sogar einen Augenblick schei-
nen, als beabsichtige er, sie ganz niederzulegen. Es war am Hofe des Tyran-
nen ein Familienfest, an welchem dem Herkommen gemäss ein Herold das
Gebet aussprach, dass die Tyrannis noch viele Jahre unerschtlttert fortbestehen
möge. Als dies Fest einige Zeit nach der Ankunft Platon's in Syrakus gefeiert
wurde und der Herold dieses Gebet sprach, rief Dionys: Höre auf uns zu
fluchen! Bald aber erlahmte der Eifer des Tyrannen. Es gab genug Mänoer
an seinem Hofe, die in der Herrschaft der Philosophie nichts weiter erblickten^
als das kürzeste Mittel, die Tyrannis auf schmähliche Weise zu verlieren , und
die den jungen Fürsten um jeden Preis in die Traditionen seines Vaters zu-
rückzubringen suchten. Diese Partei hatte ihr Haupt in Philistos, der vom
älteren Dionys verbannt, vom Sohne aber bald nach seinem Regierungsantritt
zurückgerufen war. Den Philistos wussten die Anhänger der Tyrannis jetzt
durch die nicht ungeschickte Wendung bei dem jungen Dionys in Gunst zu
setzen , dass sie ihn als einen gelehrten und redekundigen Mann, der er auch
war, rühmten, von dem der Tyrann deswegen viel mehr lernen könne als von
Platon, da er ein erfahrener Staatsmann, Platon ein unpraktischer Schwärmer
sei. Sobald die Gegner der beiden Freunde wieder Gehör bei Dionys fanden^
wussten sie den Tyrannen besonders gegen Dion einzunehmen, als dessen
Werkzeug sie Platon , der an und für sich unschädlich sei, darzustellen such-
ten. Vor mehr als 50 Jahren, hiess es, wollten die Athener Syrakus erobern;
aber es gelang ihnen nicht , und alle Schiffe und Soldaten gingen zu Grunde,
und nun schicken sie einen einzigen Sophisten, und der sollte es durchsetzen,
dass Dionys seine unzähligen Söldner und seine Kri^sschiffe verlässt, um io
der Akademie dem zweifelhaften höchsten Gut nachzujagen und im Studium
der Geometrie sein Glück zu finden? Die Herrschaft würde natürlich Dion
übernehmen, der mit seinen Neffen schon zu regieren wissen werde. Dion, so
hiess es weiter, habe sich schon mit Theodotes und Herakleides (Feldherren
des Dionys) über den Sturz des Tyrannen verständigt. Er habe nur deshalb
dem Dionys gleich zuerst 50 Trieren angeboten , um eine Gelegenheit zu
haben , die Herrschaft auf der See an sich zu reissen und dann Dionys ganz
zu verdi*ängen. Die fortgesetzten Einflüsterungen verfehlten ihr Ziel nicht.
Dionys wurde mehr und mehr von dem Gedanken durchdrungen , dass von
Dion verbannt. 161 \
allen politischen Veränderungen der Vortheil schliesslich nur Dion zufallen
würde. Dabei gewann er jedoch zu Platon^s edler Persönlichkeit eine stets
wachsende Zuneigung. Er kam auf den mehr schlauen als wirklich gescheidten
Gedanken — oder sollen wir annehmen , dass er ihm von der Partei des Phi-
listosy der Camarilla, wie wir sagen würden, eingegeben worden sei? — sich
des Dion zu entledigen, den Piaton aber, dessen Bleiben als ein gutes Zeugniss
für den Tyrannen gelten konnte, bei sich zu behalten. Ein Vorwand war bald
gefunden. Er war schon über mancherlei Angelegenheiten mit Dion in Hader
gerathen, als er durch seine Spione einen von ihm an die karthagischen Ge-
sandten in Syrakus geschriebenen Brief erhielt, worin Dion sie ersuchte, nicht
ohne ihn mit Dionys zu verhandeln, da er die Angelegenheiten am best^i und
sichersten zu Ende bringen würde. Diesen Brief zeigte der Tyrann dem Phi-
listos und einigle sich mit ihm über das zu beobachtende Verfahren. Er liess
Dion zu sich kommen und sprach mit ihm über Gegenstände, die ihn angeb-
lich beschäftigten. Im Laufe des Gespräches führte er ihn an's Ufer des Heeres
und dort, als sie allein waren, hielt er ihm den Brief vor und beschuldigte ihn,
sich mit den Eartbagem gegen ihn verschworen zu haben. Dion wollte sich
vertheidigen, der Tyrann aber rief einen Schiffer, der mit einem Fahrzeuge auf
den Befehl des Dionys in der Nähe war, liess Dion an Bord bringen und nach
Italien schaffen.
Dies Verfahren brachte die verschiedenartigsten Wirkungen hervor. Im
Palast herrschte Bestürzung und Trauer, denn Dion war ja der Gemahl der
Schwester des Dionys; das Volk von Syrakus aber war nicht unzufrieden,
denn es hoffte , dass solche Zwistigkeiten in der Familie des Tyrannen bald
weitere für die Freiheit günstige Folgen nach sich ziehen würden. Dionys
erwiderte den sich beschwerenden Freunden Dion's, er sei nicht verbannt,
sondern nur in seinem eigenen Interesse eine Zeitlang aus Sicilien entfernt
worden, damit er nicht in den Fall komme, eines Tages wegen seines hoch-
müthigen Benehmens bestraft zu werden. Er stellte, um zu beweisen, dass
er ihn nicht als seinen Feind betrachte , den Freunden Dion's zwei Schiffe zur
Verfügung, auf denen sie so viel von seiner Habe und seinen Sklaven, als sie
wollten, ihm nach dem Peloponnes, wohin er von Italien gegangen war, nach-
schicken durften. Dion besass ein bedeutendes Vermögen und hatte stets .
grosse Pracht entfaltet, und da ihm nun alles irgend Fortzuschaffende nachge-
schickt wurde, auch die Frauen aus der fürstlichen Familie und seine Freunde
ihm aus eigenen Mitteln vieles zusandten , so konnte er im Peloponnes mit
nicht weniger grossem Glänze auftreten als zu Hause, und er lebte dort wie
der Vertreter eines grossen Fürsten, der dessen Macht im Auslande durch
seinen Aufwand zeigen soll. Alles dieses war von Dionys und seinen Rath-
gebern klug angeordnet. Wenn Dion im Peloponnes in glänzehden Verhält-
nissen lebte, so erschien er nicht wie ein unglücklicher Flüchtling, der das
Mitleid der Menschep erweckt , und überdies hatte Dionys dadurch , dass er
die Frau und die Rinder des Dion zufückbehielt, Geiseln in Händen, die ihm
für des Verbannten Treue bürgten.
Piaton musste indess in Syrakus zurückbleiben. Dionys liess ihn in der
Burg wohnen, damit er nicht entkomme und in Griechenland ungUnslii^e
Holm, Gesch. Siciliena II. \l
eh. IX. Dionys 11. PlatoD In Syrokus. Dion's Verbannung u. Rtickkehr.
ihn verbreite. Der TyraDn wollte aber auch wirUicb den l'm-
lopben noch langer geniessen, und zwar allein. Er stellte ihm
t der Tyrannis zur Verfügung, wenn er ihn dem Dion venire,
doch, dass es damit nicht so stand, wie er wünschte, und dass
reundschaft nicht eifrig genug entgegen kam, und Hess ihn des-
Zora empfinden , aber nur, um stcii bald wieder mit ihm lu
rld war er stolz darauf, Platon's Schüler zu sein, bald , wenn
SS er deswegen verspottet werden konnte, schämte er sich, sich
bekennen. Dieser für Piaton unerfreuliche Zustand dauerte
da musste Dionys wegen eines Krieges, von dem uns nichts
U ist, Syrakus verlassen und es war daher nicht möglich, Platon
ubalten. Er entliess ihn mit dem Versprechen , in einer be-
Dion wieder zurüdczurufen. Als aber die Zeit gekommen war,
Erfüllung desselben bis auf den Frieden auf, und bat Plston
•.n Einfluss auf Dion inzwischen dahin gellend zu machen, dass
ihn unternehme. Piaton bemühte sich wirklich, Dion zu be-
s gelang ihm. Dion hielt sich eine Zeitlang in Athen auf, wo er
iallippos wohnte. Er kaufte sich ein Landgut, das er spater dem
enkte, einem Schiller Platon's, mit dem er am liebsten umging,
h sein Benehmen , welches von Stolz wie von Sucht nach Po-
;leich weit entfernt war, in Athen beliebt, und man sab es gern,
n einmal die Aufgabe zugefallen war , 'einen Chor von Knabeo
Dion die Mühe und alle Kosten für Piaton übernahm. Er he-
1e andere griechische Städte und soll damals von den Sparta-
i mit Dionys befreundet waren , das seltene Geschenk ihres
srbalten haben. Allmählich aber cinderte sich das Verhatten des
gestattete nicht mehr, dass ihm seine Einkünfte nachgescbicki
telegte seine Güter mit Sequester. Nach Piaton dagegen wurde
it wieder rege. Dazu trug besonders der Umstand bei, dass er
ran Philosophen und Dichtem, den er von seinem Vater her an
Btte und den er zu vergrOssem bestrebt war, als Plaloniker
und doch noch oft genug seine Unwissenheit in der Hiilosophie
iegeobeit fand. Andererseits war die Rücksicht auf Dion ein
die diesem Hanne befreundet waren , dem Plalon zuzureden,
ingenden Einladungen des Dionys , nach Syrakus zum drillen
tn, annehmen mochte, und ein Grund für Ptaton selbst, daraof
imal da Dionys in seiner Einladung bemerkte , die Erfüllung
es sei das einzige Mittel für Piaton, alles, was er wolle, für
tn. Dazu kamen die wiedertiollen Bitten der Schwester Dion's
•tin, und Botschaften von Arcfaytas und den Pythagoreern in
1 Dionys aufgefordert waren , ihren Einfluss auf Piaton gellend
oss sich denn Piaton, detn sein Aller und das Fehlschlagen der
tiseu triftige Gründe für die Ablehnung eioer dritten an die
Italien, noch einmal, wie Odysseus, »die verderbliche Charybdis
i.a Speusippos begleitete ihn. Der Empfang in Syrakus war
Dritter Aufenthalt Platon's ir Svrakus.
163
ebenso glänzend wie das vorige Mal. Piaton genoss das Vorrecht, undurch-
sucht zum Tyrannen gehen zu dürfen, er wurde mit Geschenken, die er nicht
annehmen wollte, überhäuft, so dass Aristipp spöttisch bemerkte, die Gross-
muth des Tyrannen sei woh)bef*echnet , da er ihm nicht so viel gebe als er
wünsche, Pia ton dagegen, der nichts nehmen wolle, fortwährend etwas an-
biete. Es war aber alles nur Schein, und die Syrakusaner hatten sich umsonst
auf die Aussicht gefreut, dass Piaton den Philistos, und die Philosophie die
Tyrannis überwinden werde. Sobald Piaton von Dion sprechen wollte, wurde
anfangs das Gespräch darüber auf eine andere Zeit vertagt, später führte es zu
heftigen Erörterungen. Eine Zeitlang dachten beide noch, ihren Zweck zu er-
reichen, und der Tyrann bemühte sich, durch Aufmerksamkeiten aller Art
Piaton von der Freundschaft mit Dion abzuziehen, während der Philosoph
unermüdlich für seinen Freund wirkte, ohne gegen andere sich über {las
Sinken seiner Hoffnungen auszusprechen. Endlich aber musste das unhaltbare
Verhältniss sich auflösen. Aristipp merkte die wahre Sachlage und sprach sie
in seiner Weise aus. Helikon aus Kyzikos , einer der Schüler Piaton^s , hatte
eine Sonnenfinsterniss vorausgesagt, und als sie eingetroffen war, von dem
Tyrannen zum Lohn ein Talent Silbers als Geschenk erhalten. Aristipp be-
hauptete nun, er wisse auch etwas merkwürdiges vorauszusagen und das sei,
dass binnen Kurzem Dionvs und Platon Feinde sein würden. Dazu kam es
bald. Dionys zog das Vermögen Dion's ein und liess Platon, der bis dahin in
dem Garten, welcher den Palast umgab, gewohnt hatte, an einen von demselben
etwas ferneren Ort unter die Aufsicht der Söldner bringen , w^elche ihm schon
lange nach dem Leben trachteten, weil er bemüht war, Dionys zur Abschaf-
fung seiner Leibwache zu bewegen. Die Nachricht von dem veränderten Be-
nehmen des Tyrannen gegen Platon drang bald zu den Ohren des Archytas,
der ja auf des Dionys Wunsch Platon zur Reise nach Syrakus bewogen hatte
und also Bürge dafür war, dass dem Philosophen kein Leid widerfuhr. Er
schickte ein dreissigrudriges Schiff mit der Forderung, sogleich Platon auf dem-
selben abreisen zu lassen. Dionys war auf der Stelle bereit dazu und suchte
durch Feste und Freundlichkeiten aller Art Platon wie den Gesandten jeden
Gedanken zu nehmen, als habe er es auf das Verderben des Philosophen ab-
gesehen gehabt. Vor der Abreise fragte er Platon : Du wirst nun wohl bei
denen, die mit dir philosopbiren , mich sehr herabsetzen? worauf Platon
lächelnd erwiderte: Ich will nicht hoffen, dass es uns in der Akademie so sehr
an Gegenständen der Unterhaltung fehlen wird, dass wir auf dich zu sprechen
komknen. So scheiterte der merkwürdige Versuch Platon's, eine Stätte für
seinen idealen Staat zu finden.
Zugleich war nun auch alle Hoffnung auf Versöhnung zwischen Dionys
und Dion geschwunden, und der Tyrann zeigte bald durch einen neuen Schritt,
dass er Dion auch nicht mehr fürchtete. Er gab seine Schwester Arete, die
Gemahlin Dionys , die mit ihrem und Dion's jungem Sohne in Syrakus zurück-
geblieben war , einem seiner Günstlinge, Timokrates, gegen ihren Willen zur
Frau. Er handelte hier schlechter als sein Vater in einem ähnlichen Falle, an
den man nun allgemein in Syrakus erinnerte. Als nämlich' Pol yxenos, der
164 Fünftes Buch. IX. Dionys II. Plalon in Syrakus. Dion's Verbannung u. Rückkehr.
Gemahl der Theste , - der Schwester des alleren Dionys , vor dem Zorn des
Tyrannen aus Sicilien geflohen war, liess dieser seine Schwester* zu sich kom-
men und schalt sie , dass sie ihm die beabsichtigte Flucht ihres Mannes nicht
vorher mitgetheilt habe. Sie aber erwiderte unerschrocken : Hältst du mich
für eine so schlechte Frau , dass ich, wenn ich von der Flucht meinem Man-
nes Kenntniss gehabt hätte, nicht mit ihm geflohen wäre? Es ist doch ein
besserer Name für mich, die Gattin des verbannten Polyxenos als die Schwe-
ster des Tyrannen zu heissen. Dionys bewunderte den Freimuth seiner
Schwester und liess sie ihrem Gatten treu bleiben, und es heisst, dass auch
die Syrakusaner die Theste wegen ihres Huthes so hoch schätzten , dass sie
sie nach dem Umstürze der Tyrannis in gewohnter königlicher Weise leben
Hessen und ihre Leiche später in grossartigem Zuge zu Grabe geleiteten. Das
andere Verfahren des jüngeren Dionys gegen seinen Schwager trug nicht
wenig dazu bei, dass dieser sich endlich zu offenem Kampfe entschlos^.
Von nicht geringem Einfluss auf seine Entschlüsse waren die Berichte,
die er von Speusippos nach dessen Rückkehr aus Syrakus erhielt. Dieser hatte
weniger mit dem Tyrannen und mehr mit den Syrakusanem verkehrt, als Pia-
ton, und stets die Stimmung derselben gegen Dionys undDion erforscht. Anfangs
war man ihm gegenüber zurückhaltend gewesen, weil man in dem unbekannten
Fremden einen Spion des Tyrannen fürchtete ; dann aber , als man ihm ver-
trauen lernte, hatte man ihm überall den Wunsch ausgesprochen , Dion möge
zurückkommen, allein, ohne Kriegsschiffe, ohne Soldaten; alle Sikelioten
würden ihm zufliegen und unter seiner Führung mit leichter Mühe den Ty-
rannen vertreiben. Speusippos selbst und die meisten Freunde Dion's redeten
ihm deshalb zu , das Unternehmen zu wagen ; Piaton, der nach seiner Rück-
kehr aus Sicilien in Olympia mit Dion zusammengetroffen war (360 v. Chr.],
stimmte nicht in solche Rathschläge ein; er, der die Gastfreundschaft des
Tyrannen in so reichem Masse genossen hatte und von ihm nie verletzt wor-
den war, konnte nicht an einer Verschwörung zu seinem Sturze Theil nehmen.
Dion dagegen, der schon immer Syrakus eine vernünftige Regierung hatte
geben wollen , der seit der zweiten Rückkehr Platon's jede Möglichkeit abge-
schnitten sah, dieses Ziel durch Dionys zu erreichen, der von Dionys schwer
gekränkt war, bereitete nunmehr alles zum Angriffe auf den Tyrannen vor.
Er wollte aber doch nicht kommen, wie die allzu sanguinischen Syrakusaner
es gemeint hatten, allein, ohne Waffen und ohne Kriegsschiffe. Er hätte wohl
gerne von Korinth Hülfe gehabt (dass er wenigstens auf Korinth rechnete,
sieht man daraus, dass er nach seinem Siege Gesetzgeber aus dieser Stadt
kommen lassen wollte), aber in den Zeiten nach der Schlacht bei Mantineia
und dem Tode des Epaminondas herrschte überall in Griechenland eine gewisse
Abspannung, und er musste auf Korinth's Thei Inahme verzichten. So be-
schloss er denn, Söldner zu sammeln. Einige Philosophen, besonders der
Kyprier Eudemos, ein Freund des Aristoteles, Timonides aus Leukas, endlich
der Thessalier Miltas , der als Seher und Weissager, ein in Krieg und Frieden
unentbehrliches Amt, den Zug begleitete, waren ausser seinem Bruder Me-
gakles und dem schon oben genannten Athener Kallippos, seine hauptsäch-
i
Rüstungen und Abfahrt Dion's. 165
liebsten Begleiter. Er hätte gerne recht viele von den übrigen durch Dionys
aus Sicilien Verbannten bei sich gehabt; aber von 1000, die er auffordern
Hess, fanden sich nur 25^ die den Math hatten, ihm zu folgen.
Er sammelte in aller Stille in Zakynthos Söldner , nicht persönlich , son-
dern durch Vermittlung anderer, und diesen Söldnern, die zu den besten und
erfahrensten ihrer Klasse gehörten, tvurde der Zweck des Unternehmens sorg-
fältig verborgen gehalten , damit nicht Dionys davon höre und es im Keime
ersticke. Die Zahl der Söldner betrug nicht ganz 800. Als diese hörten, dass
die Expedition den Sturz des Dionys zum Ziele habe, waren sie heftig erzürnt,
da sie es für unmöglich hielten, mit einer so kleinen Schaar eine so grosse und
seit vielen Jahren so fest gesicherte Macht zu stürzen. Dion stellte ihnen jedoch
vor , dass es sich in Wirklichkeit für sie nur darum handele, die Führer der
Sikelioten abzugeben , die vor Begierde brennten, das Joch des Dionys abzu-
schütteln , und er wurde aufs kräftigste von einem unter den Söldnern sehr
geachteten Manne, Alkimenes aus Achaja, unterstützt. Der Abschied von
Griechenland war feierlich. Dion zog an der Spitze seiner im vollsten Waffen-
schmuck prangenden Söldnerschaar nach dem Tempel Apollon^s und brachte
dem Gotte ein prächtiges Opfer, dann gab er allen im Stadium der Zakynthier
ein glänzendes Mahl , bei welchem die Menge der silbernen und goldenen
Becher und Tische das Erstaunen der Soldaten erregte , welche auf den na-
türlichen Gedanken kamen, dass, wenn ein so über alle gewöhnlichen Begriffe
reicher und übrigens besonnener und nicht mehr junger Mann sich auf eine
scheinbar so gewagte Unternehmung einlasse, dieselbe doch sichere Aussichten
auf günstigen Erfolg darbieten müsse. Das Fest hatte einen eigen thümlichen
Schluss. Es war schon Nacht geworden (am 9. August 357 v. Chr.) und so
eben die üblichen Spenden und Gebete an die Götter beendigt ; Alle waren
noch versammelt, als der klare Vollmond sich verfinsterte. Für Dion und seine
philosophischen Freunde war dies Naturereigniss kein Gegenstand der Ueber-
raschung und der Besorgniss, wohl aber für die Soldaten , welche darin, wie
die Athener vor Syrakus, ein Zeichen sehen konnten, dass die Götter das Un-
ternehmen missbilligten. Aber der Seher Hiltas, der sogleich auftrat, um zu
den Soldaten zu sprechen , wusste ihre aufkeimende Besorgniss in Zuversicht
umzuwandeln. Es sei allerdings ein göttliches Zeichen, aber es bedeute, was
es vorstelle , das Verschwinden von etwas glänzendem. Nun gebe es nichts
glänzenderes, als die Tyrannis des Dionys; diese werde also fallen. Man hätte
ihm erwidern können, der Mond komme ja aber wieder hervor, um von neuem
zu glänzen, und wirklich scheint der Seher dem Dion selbst und seinen Freun-
den eine ganz andere Prophezeiung als der Menge gegeben zu haben: er
fürchte, dass das Unternehmen zwar eine Zeitlang Erfolg haben, zuletzt aber
doch misslingen werde. Wir müssen zur Charakteristik der Zeit auch die
schlimmen Zeichen berichten, welche um dieselbe Zeit der Tyrann erhielt.
Ein Adler entriss einem der Trabanten' die Lanze und warf sie in^s Wasser;
das bedeutete, dass Jupiter dem Tyrannen die Herrschaft nahm. Das die
Mauern der Burg bespülende Meer war einen Tag lang süss und trinkbar, das
war für die Syrakusaner ein Zeichen, dass auf die bitteren Zeiten der Tyran-
nis die süssen der Freiheit folgen würden. Endlich warfen in den Ställen des
166 Fünftes Buch. IX. Dionys II. Piaton in Syrakus. Dion's Verbannung u. Rückkehr.
Tyrannen die Säue Ferkel ohne Ohren ; das hiess ^ die Ünierlhanen würden
nicht mehr den bisherigen Gehorsam beobachten.
Die Soldaten Dion's nahmen zwei grössere und ein kleineres Lastschiff
auf, zwei Dreissigruderer folgten zum Schutze. Ein bedeutender Yorralh von
Lebensmitteln und Waffen, worunter 2000 Schilde, wurde mitgenommen.
Ein angesehener Syrakusaner, einst Feldherr des Diony3, aber nun verbannt,
Herakleides, war unter denen, welche sich an Dlon angeschlossen hatten; er
wollte aber eine gesonderte Fahrt nach Siciiien unternehmen und blieb noch
etwas länger im Peloponnes zurück.' Dion schlug nicht den gewöhnlichen Weg
längs der italischen Küste ein , um nicht Kriegsschiffen des Dionys zu begeg-
nen, die in dieser Gegend gewöhnlich kreuzten. Wirklich war Philistos mit
einer Flotte an der iapygischen Küste. Er fuhr deshalb quer über das offene
Meer und befand sich am dreizehnten Tage nach der Abfahrt im Angesichte
des Vorgebirges Pachynos. Der Führer der kleinen Flotte erklärte nun, dass
man so schnell als möglich an*s Land gehen müsse , denn wenn man sich erst
vom Vorgebirge wegtreiben Hesse , werde man sobald nicht wieder die Küste
der Insel erreichen, da in der Sommerszeit der Südwind hier selten sei. Dion
aber hielt es für unzweckmässig, so nahe bei Syrakus zu landen und Hess
seine Schiffe das Vorgebirge Pachynos umfahren. Da erhob sich ein mit
stari^em Gewitter verbundener Nordsturm , welcher die Flottille nach Süden
trieb. Kaum konnten die Seeleute verhindern , dass die Schiffe gegen die bei
Afrika liegende Insel Kerkina geworfen wurden; mit grosser Anstrengung
hielten sie sich mit Stangen von dem felsigen Ufer fem. Als der Sturm sich
gelegt hatte, erfuhr man, dass man in der Nähe der grossen Syrte war. Hier
hatte man durch l^indstille einigen Aufenthalt, bis sich endlich ein schwacher,
allmählich aber zunehmender Südwind erhob , der die Schiffe in fünf Tagen
nach der Stadt Minoa in SidHen brachte. Sie war im Besitz der Karthager und
Synalos oder Paralos, ein Grieche von Herkunft und Dion's Gastfreund, war dort
Befehlshaber. Er versuchte, wie es seine Schuldigkeit war, die Landung der
Fremden zu hindern ; aber Dion's Soldaten trieben schnell die Karthager in
die Flucht und eroberten, ohne Jemand zu tödten, wie Dion es ihnen vorge-
schrieben hatte, die Stadt. Nun trat eine Verständigung ein. Der Karthager
erhielt seine Stadt wieder, nahm aber dafür die Soldaten freundlich auf und
versorgte sie mit allem, was ihnen für ihren weiteren Marsch von Nutzen war.
Es konnte nur dem karthagischen Interesse entsprechen, wenn Dionys gestürzt
wurde. In Minoa erfuhr man, dass der Tyrann sich für den Augenblick mit
einer Flotte von 90 Schiffen in den italischen Gewässern befinde. Die Soldaten
Dion's wollten deshalb nichts von Ausruhen nach der beschwerlichen Meerfahrt
wissen, sondern bestanden darauf, sogleich nach Syrakus geführt zu werden.
Dion gab Synalos die ,von ihm mitgebrachten, für die Syrakusaner bestimmten
Waffen, die er ihm nachfahren zu lassen versprach ; dann brach er nach Sy-
rakus auf und fand schon auf seinem Wege durch das Gebiet von Akragas
und Gela vielen Zuzug; unter anderen aus der Gegend am Berge Eknomos
200 Reiter. Je mehr er sich Syrakus näherte, desto grösser wurde sein Heer.
Sikaner und Sikeler kamen zu ihm, auch viele aus Kamarina. Nach Me&sana,
welches wieder frei gewesen zu sein scheint, und nach Italien wurde um Bei-
Marsch nach Syrakus. 1 67
Stand geschickt, und auch von hier kam Hülfe. Dion's Beer soll sich, ßls er die
Grenze des syrakusanischeh Gebietes erreichte, schon auf S0,000 Bewaffnete
belaufen haben. Das war freilich wenig im Vergleiche mit der Macht, die man
dem Tyrannen zuschrieb: gegen 400,000 Mann zu Fuss, 10,000 Reiter, 400
Kriegsschiffe ; aber die Unfähigkeil des Dionys zum Kriegfuhren und der Hass
der Syrakusaner^ gegen ihn ersetzten dem Dion reichlich , was ihm an Krie-
gern fehlte. Auch der Umstand, dass Dionys sich nicht in Syrakus befand,
war dem Unternehmen günstig. Ueberdies verzögerte sich des Tyrannen
Rückkehr mehr, als nOthig gewesen 'wäre. Timokrates, der neue Schwager
des Dionys, der des Tyrannen Stelle in seiner Abwesenheit vertrat, schickte,
sobald er von der Landung des Dion hörte , einen Boten nach Kaulonia , wo
Dionys sich gerade aufhielt. In der Nähe dieser Stadt begegnete er einem Be-
kannten, der Opferfleisch trug, und dieser schenkte ihm etwas davon. In der
Nacht ruhte er ein wenig im Walde nahe dem Wege , da kam ein Wolf und
entriss ihm das Fleisch, das in dem Ranzen steckte, in welchem auch der Brief
aufbewahrt war, und Ranzen und Brief dazu. Der Mensch wagte nicht ohne
Brief zum Tyrannen zu kommen und lief davon. Es ist freilich ebeqso wahr-
scheinlich, dass TioK)krates seine Saumseligkeit, Dionys von der Landung
Dion's zu unterrichten , durch eine von ihm erfundene Geschichte bemäntelt
hat. Timokrates war nicht im Stande, zu verhindern , dass die kampanischen
Söldner, welche die Städte Leontini und Aetna zu Wohnsitzen hatten, auf das
von Dion absichtlich ausgesprengte falsche Gerücht, dass er sich zuerst gegen
diese Orte wenden werde, ihre Posten in der Burg von Syrakus verliessen und
sich zum Schutze ihrer Häuser und Familien entfernten. Dion hörte^ den Er-
folg seiner Kriegslist in Akrai, mitten in der Nacht. Schnell liess er sein Heer
sich versammeln und zog eilig nach Syrakus. Am Morgen machte er am Ana-
pos, 40 Stadien von der Stadt, Halt. Beim Sonnenaufgang opferte er, sprach
ein feierliches Gebet, und Hess durch seine Weissager dem Unternehmen einen
glücklichen Ausgang verkündigen. Das Feierliche der Scene, im Angesichte
der von der Morgensonne beschienenen Stadt , die zu befreien sie gekommen
waren , ergriff Alle ; sie bekränzten sich , wie sie den Feldherm des Opfers
wegen bekränzt sahen, und eilten unter Jubelgeschrei der Stadt zu. Von Sy-
rakus aas hatte man schon gesehen, dass Dion mit den Seinigen da war, und
alle Syrakusaner erfasste die grösste Aufregung. Die ganze Stadt erhob sich
gegen ihren Tyrannen, und wie es immer in solchen Fällen, besonders in Si-
cilien gebt, wandte sich der erste Grimm des aufgebrachten Volkes gegen die
gemeinsten Werkzeuge der Tyranner, die Polizeispione, die auf grausame
Weise getödtet wurden. Timokrates, der nicht in der Burg, sondern vielleicht
in dem weniger starken Fort auf Epipolae war, wurde durch den plötzlichen
Aufruhr der Weg nach der Akropolis abgeschnitten , und statt auf einem Um-
wege hinein zu gelangeti , was ihm nicht schwer fallen konnte , warf er sich
auf ein Pferd und fioh, indem er überall, um seine eigene Feigheit zu verber-
gen, die MaAt Dionys noch grösser darstellte, als sie war. Indessen hatten die
angesehensten Syrakusaner sich festlich gekleidet und gingen Dion entgegen,
der, da die Partei des Tyrannen^ ihrer Führer beraubt, nichts zu unternehmen
wagte, einen triumphirenden Einzug in Syrakus halten konnte. Voran
v-^-
16S Fünftes Buch. IX. Dionys II. Piaton in Syrakus. Dion's Verbannung u. Räckkehr
schritten Dion, sein Bruder Megakles und der Athener Kallippos, alle drei be-
kränzt, und von 100 auserwählten Söldnern, einer Art von Leibwache,
begleitet. Dann folgten die tlbrigen Soldaten, festlich geschmückt. Innerhalb
des temenitischen Thores angekommen , liess er durch Trompetenstösse Stille
gebieten und feierlich verkündigen, dass er und sein Bruder Megakles gekom-
men seien , um die Syrakusaner und die übrigen Griechen auf der Insel von
dem Tyrannen zu befreien. Dann zog er weiter durch Achradina. Schnell
errichteten die begeisterten Syrakusaner an beiden Seiten des Weges, durch
welchen er ziehen musste, Altäre, stellten Opfertische und Mischkrtige auf
und opferten ihm unter Gebeten wie einem Gotte. Er h^tte die Absicht, selbst
noch zu den Syrakusanem zu sprechen , und um zu gleicher Zeit dex Be-
satzung in der Burg zu zeigen, dass er sie nicht fürchte , wählte er zum Orte
der Volksversammlung einen freien Platz immittelbar neben der Burg und
dem Thore derselben, welches Pentapyla hiess, wo ein Sonnenzeiger auf einer
grossen steinernen Basis angebracht war. Aiif diese trat Dion, ermahnte die
Syrakusaner, tapfer die Freiheil zu schützen, und forderte sie auf, sich Feld-
herren zu wählen. Sie erwählten ihn und Megakles , fügten aber auf Dion s
ausdrückliche Bitte noch SO andere hinzu , von denen die Hälfte zu den mit
Dion aus der Verbannung Zurückgekehrten gehörte. Auch diese erste Hand-
lung Dion's in Syrakus gab den Weissagern Gelegenheit zu guten und bösen
Vorhersagungen. Dass er auf dem vom Tyrannen errichteten Monument bei
seiner Anrede an das Volk gestanden , sei ein gutes Omen , dass dies Monu-
ment aber gerade eine Sonnenuhr gewesen, ein bedenkliches ; es deute einen
Wechsel des Glückes an.
Die erste Waffenthat Dion's war die Eroberung des Forts von Epipolae,
wo die Gefangenen befreit wurden. Nach einigen Tagen kamen auch die Rü-
stungen an, welche Synalos seinem Versprechen gemäss auf Wagen nach
Syrakus geschafft hatte. Sieben Tage nach Dion's Ankunft kehrte Dionys nach
seiner Hauptstadt zurück. Er fand, dass die Sachen für ihn nicht günstig
standen, dass aber noch kein Grund sei, zu verzweifeln. War doch sein Vater
in noch schlimmeren Lagen gewesen. Er dachte wieder List und Gewalt zu
verbinden. Zuerst versuchte er, Dion durch grosse Versprechungen von der
Sache der Syrakusaner abwendig zu machen , und als dies nicht gelang und
Dion den Tyrannen auffordern liess , mit den Syrakusanern , welche jetzt frei
wären, zu verhandeln, liess er diesen die natürlich mit Verachtung zurückge-
wiesene Zumuthung machen , sich ihm unter der Bedingung wieder zu unter-
werfen, dass sie geringere Steuern zu zahlen hätten und eine freie Verfassung
erhielten. Es wurde den Boten des Dionys von Dion eröffnet, dass man nur
auf der Grundlage seiner Abdankung mit ihm unterhandeln könne ; wenn
diese zugestanden wäre, werde er ihm als Verwandter möglichst gute Bedin-
gungen zu verschaffen suchen. Dionys liess erwidern, er willige in alles; es
möchten sich Bevollmächtigte bei ihm einfinden ^ um das Weitere zu bespre-
chen. Als diese gekommen waren, liess Dionys sie gefangen *setzen und
machte mit einer grossen Soldatenschaar einen Ausfall aus der Burg. Dion
hatte gleich nach der Eroberung von Epipolae durch eine vom grossen nach
dem kleinen Hafen, d. h. an die Werften, welche ja noch in die Befestigung
Kampf in S>rakus. ~ Sicilien's Cultur. 169
von Ort ygia eingeschlossen waren, gezogene Mauer die Burg abgesperrt und
die Sladt geschützt ; gegen dieses Werk richtete Dionys seine Anstrengungen.
Seine Soldaten, durch ungemischten Wein angefeuert, warfen sich mit Tages-
anbruch auf die syrakusanische Yerschanzung, die sie im ersten Anlauf er-
oberten. Die Syrakusaner flohen grOsstentheils , aber Dion's Söldner hielten
Stand, und es entspann sich ein hitziger Kampf, den Dion durch seine eigene,
fast tollkühne Tapferkeit entschied. Er warf sich mitten unter die Feinde, und
wurde im heftigen Kampfe an der Hand verwundet und zu Boden geworfen.
Aber die Seinigen retteten ihn und nun überliess er den Oberbefehl in der
Schlacht; die durch sein kräftiges Vordringen eine bessere Wendung erhalten
hatte, seinem Freunde Timonides und ritt selbst in die Stadt, um die Syra-
kusaner wieder zu sammeln und zum Kampfe zu führen. Auch einige von
seinen Söldnern, die sich in der Achradina befanden, eilten noch herbei, und
die Truppen des Dionys zogen sich schnell in die Burg zuiilck. In diesem
Kampfe waren auf Dion's Seite 74 gefallen; von den Soldnern des Tyrannen
aber auch eine grosse Anzahl. Die erfreuten Syrakusaner errichteten ein Sie-
geszeichen, ehrten Dion mit einem goldenen Kranze und schenkten seinen
tapferen Soldaten 400 Minen Silbers als Belohnung. '
Zehntes Kapitel.
Sicilien's Caltnr anter der Dionysischen Dynastie.
Wir haben den ersten Sieg Dion's über Dionys erzählt, und unsere Ge-
schichte wird bald den völligen Sturz der Dionysischen Dynastie zu berichten
haben. Die Zeit, die ihr noch beschieden ist, bringt sie in unruhigen Kämpfen
hin. Wenn sie noch regiert, so ist doch ihr Glanz getrübt, und sie muss alle
Kräfte auf die Yertheidigung werfen. Es ist daher angemessen, jetzt den Gang
der Erzählung zu unterbrechen und sich zu fragen , was aus den 48 Jahren
des Bestehens der Dynastie sich für die Culturgeschichte Siciliens gewinnen
lässt. Es ist wenig genug, und auch hier zeigt sich die Dionysische Tyrannis
in einem weniger günstigen Lichte als die der Deinomeniden. Damals ein
glänzender Hof, aber auch geistiges Leben ausserhalb des Hofes, neue Wege
werden in Poesie und Prosa gebahnt; jetzt ein Hof, dem der argwöhnische
Charakter des Despoten einen nur zw^eifelhaften , unsichem Glanz gestattet,
und ausserhalb des Hofes 4eine bedeutenden Fortschritte in Kunst und Lite-
ratur, von denen wir Nachricht hätten. Einiges davon haben wohl die furcht-
baren Kriege mit den Karthagern verschuldet^ aber bei weitem nicht alles.
Mehr Schuld ist den ungeheuren Veränderungen beizumessen , die die vielen
Verpflanzungen ganzer Einwohnerschaften und die dauernde Verleihung von
früher selbständigen Städten an Söldnerschaaren zur Folge hatten ; denn wenn
f nr
170 Fünftes Buch. X. Sictlien's CuUur unter der Dionysischen Dynastie.
auch unter Gelon und Hieron schon dasselbe geschehen war, so war doch die
Zahl der fremden . nach Sicilien gezogenen Söldner unter der Dionysischen
Dynastie eine weit grössere, und durch ihr Eindringen mussten alle Verhältnisse
gründlich verwirrt werden. Die Hauptschuld trägt aber die Tyrannis selbst.
Es fehlt nicht an Namen von Schriftstellern, die dieser Zeit angehören. Wir
wollen hier an das schon oben erwähnte nur vorübergehend erinnern, wie
Dionys der ältere selbst Trauerspieldichter war, wie Xenarchos nach dem
Vorbilde seines Vaters Mimen dichtete , und wie die Familie des Karkinos,
eines aus Akragas eingewanderten Tragikers sich in Athen und in Sicilien ohne
Glück in der Tragödie versuchte. Karkinos hatte vier Söhne, die als schlechte
Dichter und. lächerliche Persönlichkeiten auPs äusserste von den Komikern
verspottet wurden, Xenotimus, Xenarchos, Datis und den namhaftesten, Xe-
nokles, der Ol. 91 mit einer Tetralogie über Euripides siegte. Sein Sohn war
der jüngere Karkinos , den wir schon erwähnten, und der auch am Hofe des
jüngeren Dionys verweilte. Auch Philo xenos, der Ditbyrambendichter, ist
schon genannt worden , und wir würden ihn hier nicht wieder zu erwähnen
haben , da er als Kytherier Sicilien nur durch seinen Aufenthalt i^ Syrakus
angehörte , wenn uns nicht in seinen Dichtungen Spuren siciliscber Einflüsse
entgegenträten. Er soll 24 Dithyramben verfasst haben, von denen der schon
erwähnte Kyklop der berühmteste war. Der Dithyrambus ist ein bakchisches
Gedicht; aber wir haben den älteren Dithyrambus, der von Arion ausging und
seine Bedeutung im Wesentlichen einbüsste , als aus seinem kyklischen Chore
die Tragödie hervorgegangen war, von dem jüngeren Dithyrambus zu unter-
scheiden, der anfangs nur ein phantastisches musikalisches Spiel war, bis ihm
gerade Philoxenos eine neue festere Richtung gab. Durch ihn wurde der Di-
thyrambus selbst zu einem dramatischen Gemälde. Philoxenos, der Sohn des
Eulytidas, war um die 86. Olympiade in Kythera geboren. Er gerieth früh in
Sklaverei, entweder in athenische, als Nikias 424 v. Chr. Kythera eroberte,
oder in spartanische, wenn die Spartaner vielleicht nach dem Frieden des
T^ikias Rache an der Gegenpartei in Kythera genommen haben sollten. Er
kam in den Besitz des Ditbyrambendichters Melanippides , der die Fähigkeiten
des Jünglings bemerkte und ihn zur lyrischen Poesie hingeführt haben wird.
Später hielt er sich an den verschiedensten Oi*ten auf; am berühmtesten ist
aber sein Aufenthalt in Sicilien am Hofe des älteren Dionysios. Wir sahen, dass
er wegen seiner unbequemen Freimüthigkeit in die Steinbrüche geworfen
wurde , wo er sein Gedicht , d^r Kyklop, verfasst haben solU Es war ein
Scbäferspiel , in welchem aber Dionys persifflirt wurde. Es handelte sich
darum, dass dem Polyphem durch Odysseus die Galateia , seine Geliebte , ge-
raubt wurde, und wir hören, dass Polyphem den Dionys bedeuten solle, den
Philoxenos um seine Geliebte, welche Galateia hiess, betrogen hatte. Es wird
hinzugefügt, dass der Zorn des Tyrannen über diese Kränkung eine Haupt-
veranlassung war, dass Philoxenos in's Gefängniss wanderte. Der Kyklop war
offenbar eine Art von Oper; während sonst der Dithyramtbus nur aus einem
gesungenen Chore bestand , legte Philoxenos von einzelnen Sängern vorgetra-
gene Arien hinein, welche sicherlich die Hauptsache wurden. Das Stück trägt
in mehreren Beziehungen die Zeichen seines sicilischen Ursprungßs zur Schau.
PhiloxeDos. 171
Einerseits war schon das Hirtengedicht eine der Insel recht eigentlich ange-
hörende Gattung, wovon später noch ausführlich die Rede sein wird, sodann
ist aber die humoristische Wendung, welche der Mythe gegeben wird , voll-
kommen dem munteren Charakter der Sikelioten- angemessen. Schon Epichar-
mos hatte ja zu ihrer Freude seine mythologischen KomOdien gedichtet, unter
denen sich ^ wie wir wissen , ebenfalls ein Ryklop befand. Noch deutlicher
aber zeigt sich der Einfluss Siciliens auf Philoxenos in seinem zweiten be-
, rühmten Werke, dem Gastmahl. Es ist die Schilderung eines prächtigen
Schmauses, in welchem die schönstea und ungewöhnlichsten Erzeugnisse des
Luxus und der Rochkunst auf die Tafel kommen, ein Werk, welches die ein-
zige Leetüre eines grossen Theiles des müssigen , gemeinen Publikums war.
Wir brauchen uns hier nur an einige Stücke des Epicharmos zu erinnern , an
die »Hochzeit der Hebe,« an »Land und Meer^a um einzusehen, nach welchen
durchaus nationalen Vorbildern Pbiloxenos den Ton seines , freilich in eine
andere Dichtungsart gehörigen und durchaus von Musik begleiteten Werkes
wählte. Die bisher beobachtete Aehnlichkeit zwischen Epicharmos und Phi-
loxenos wird es gestatten , dass wir ein anderes Stück , den Komastes oder
bakchiscben Schwärmer, in welchem, wie es scheint, Antigenides, ein Schüler
des Philoxenos auftrat, mit Erinnerung an die Komasten des Epicharmos für
ein Philoxenisches Stück erklären. Sollten wir endlich nicht auch den Muth-
willen des Dichters in kühnen Zusammensetzungen und Wortbildnerei , die
wir bei Empedokles und Gorgias fanden , auf sicilischen Einfluss zui'ückfüh-
ren dürfen ? Es ist schwer, für die Gestalt des Philoxenos die richtigen Züge
aus den Nachrichten des Alterthums herauszulesen , weil eine Verwechselung
mit gleichnamigen Parasiten ausserordentlich nahe liegt, besonders wegen des
von dem Dithyrambiker verfassten Gastmahls. Es werden von einem Philoxe-
nos manche Geschichten erzählt, die ihn als einen grobsinnlichen Spassmacber
darstellen , und man könnte wegen der behaglichen Hervorhebung des guten
Essens und Trinkens > die im Gastmahl des Dichters herrschte, leicht ihn für
einen Menschen erklären, der nur für solchen Genuss Sinn gehabt. Dass der
Dichter aber ein unabhängiger Charakter war, zeigt sowohl seine Differenz mit
Dionys, als auch die Nachricht, dass er das Landgut, welches er in Sicilien
besass, nicht behielt, sondern die Insel verliess, weil ihm der Mangel an Bil-
dung und die Ueppigkeit der Bewohner nicht zusagte. Da es nun keinem
Zweifel unterworfen sein kann , dass Philoxenos ein gutes Leben nicht ver-
schmähte , so können wir diese Nachricht Über den Charakter des sicilischen
Wesens nur so verstehen^ dass den dortigen Griechen nach seiner Ansicht
über dem Wohlleben der Sinn für geistige Genüsse fast gänzlich abhanden
gekommen war, und wir haben dies als die Ansicht eines Mannes, der von
sittlichem Rigorismus sehr weit entfernt sein musste — Dionys, schenkte ihm
die Buhlerin LaYs, die er mit sich nach Korinth nahm — wohl zu beachten.
Die Werke des Philoxenos standen bei den Alten in grossem Ansehen, obwohl
die Musik etwas bunt und von der Einfachheit der früheren fern gewesen zu
sein scheint. Seine Dithyramben waren unter den Dichterwerken, welche sich
Alexander der Grosse nach Asien nachsenden Hess. — Es ist eigenthümlich,
dass ein anderer, ungefähr gleichzeitiger, aus Sicilien selbst gebürtiger Dithy-
172 Fünftes Buch. X. Sicilien's CuUur unter der Dionysischen Dynastie.
rambendichter, der Selinunlier Telestes, das Komische mehr als PhiloxcDos
vermieden und sich enger an den Mythos angeschlossen zu haben scheint. Er
blühte um die 95. Olympiade, und gewann im Jahre 401 v. Chr. in Athen
den Preis. Als Titel seiner Werke werden Argo, Asklepios, Hymenaios ange-
geben. Der Komiker Theopompos soll ihn in einem Stucke Althaia verspottet
haben. Auch seine Schriften wurden dem Alexander nach Asien zugeschickt.
Dagegen gehört Sicilien auch durch den von ihm behandelten Gegenstand an
Archestratos aus Gela, der in der Dionysischen Zeit lebte und in Hexame-
tern einen gastronomischen Cursus unter dem Titel Hedypatheia schrieb. Es
war dies eine Art von culinarischer Geographie , eine Reise um die Welt, mit
alleiniger Rücksicht auf die guten Gerichte, die Land und Meer überall boten,
im feinen und geistreichen Tone des Weltmannes geschrieben. Es ist also der
Beitrag, den die Dionysische Periode zur poetischen Literatur der Griechen
liefert , keineswegs ein besonders reichlicher ; das materielle Leben erstickte
das geistige und Hess nur Weniges emporkommen, was nicht in jenem seinen
eigentlichen Grund gehabt hätte. Nicht viel besser stand es um die Prosa, wo
ein Schriftsteller, freilich als ein bedeutender Meister in seiner Gatiung aner-
kannt, fast allein genannt werden kann. Es ist Phiiistos, der Freund des
Tyrannen , von dem wir schon manches berichtet haben, und dessen Tod im
Verlauf der Geschichtserztthlung seine Stelle finden wird.
Phiiistos war der Sohn des Archomenides oder Archonides, ein geborener
Syrakusaner. Er muss um Ol. 86 oder 87, circa 434 v. Chr. geboren sein
und konnte als Augenzeuge von der Wirksamkeit des Gylippos bei der Be-
freiung der Stadt Syrakus Zeugniss ablegen. Als er im Jahre 406 v. Chr. die
Gründung der Dionysischen Tyrannis auf so originelle Weise durch sein Auf-
treten beförderte, handelte er wie ein Mann, der noch jung genug ist, um mit
beispielloser Keckheit in die Geschicke des Staates einzugreifen, und doch
schon alt genug, um nicht von seinen Gegnern verlacht zu werden. Seitdem
gehörte er lange Zeit hindurch zu den vertrautesten Freunden und Bathgebern
des Tyrannen, und nach der gewöhnlichen Annahme wird ihm das warnende
Wort über die Pflichten eines Tyrannen zugesehrieben , welches dem Dionys
in schlimmer Lage neuen Muth einflösste (S. 10S). Wir haben ferner schon
berichtet, dass und aus welchen Gründen der vielleicht auch durch das Durch-
fallen seiner Gedichte in Olympia gereizte Tyrann Phiiistos verbannte, und
dass dieser grösstentheils in der Verbannung sein Geschichtswerk , die Stütze
seines Nachruhms, schrieb, über dessen Inhalt und Charakter bereits im An-
hange des 4 . Bandes (S. 308) gehandelt worden ist. Sonst hat Sicilien in dieser
Zeit keinen namhaften Schriftsteller hervorgebracht. Am Hofe des jüngeren
Dionys waren viele Sophisten, unter denen auch ein Polyxenos genannt
wird , der natürlich nicht mit dem Schwager des älteren Dionys zu verwech-
seln ist. Unter den Philosophen der damaligen Zeit waren einige Sikelioten ; es
ist wohl nicht zufällig, dass zwei derselben der megarischen Schule angehörten.
Wenn wir so über die Literatur der Dionysischen Zeit nicht im Stande
sind, viel zu berichten, so können wir über die gleichzeitige Kunst noch we-
niger sagen. Zu Ol. 98, 4 giebt Diodor an, dass der ältere Dionys Schiffs-
häuser für 200 Trieren, Gymnasien am Anapos und Tempel baute. Von allen
Telestes. Philistos. BefesUgungsmauer. Münzen. Pylhagoreer. 173
diesen Bauten ist nichts mehr erhalten , doch möchten wir besonders auf die
Gymnasien am Anapos als Mwas, das der Stadt zur Zierde gereichen musste,
hinweisen. Gymnasien waren nicht selten ausserhalb der Stadtlhore , an
Flüssen wie hier, und dann immer, und das ist auch hier zu vermuthen , von
anmuthigen Baumgruppen umgeben. Zu demselben Jahre bemerkt Diodor
aber auch , dass Dionys die Stadt mit einer so grossen Mauer umgab, dass sie
dadurch die grösste alier griechischen Städte wurde. Da wir nun wissen,
dass Dionys im Jahre 402, Ol. 94, 3 die Nordseite des Felsabhanges von
Tyche und Epipolae befestigt hat, so müssen die um Ol. 98, 4—385 v. Chr.
— denn dass nicht alles in dem Jahre gemacht ist , wo Diodor es angiebt,
versteht sich von selbst — errichteten Mauern den Südabhang nach dem
Anapos zu geschützt haben. Von dem Standpunkt, welchen. die bildende
Kunst in Syrakus damals einnahm, haben wir nur eine sichere Spur , da der
berühmte syrakusanische Widder in Palermo ohne Grund in die Dionysische Zeit
gesetzt wird: die herrlichen Münzen, von denen die schönsten gerade dieser Zeit
— specieli dem ersten Viertel des vierten Jahrhunderts v. Chr. — angehören.
Es ist eigen thüm lieh, dass gerade sie, was sonst so selten im Aiterthum ist,
Künstlernamen tragen. Man sieht, dass die berühmtesten und ausgezeichnet-
sten syrakusanischen Stempelschneider Kimon und Euainetos, die Schöpfer
der Dekadrachmen, waren , von denen dieser auch für Katane gearbeitet hat.
Femer zeichneten sich aus: Eükleidas, Euthymos, Eumenos, Phrygillos,
Soson ; in Kamarina finden wir Exakestidas und wiederum Eumenos ; in Ka-
tane Herakleidas, Choirion und Prokies; letzteren auch in Naxos. Aus dem
Umstände, dass dieselben Künstler, die für Syrakus so herrliche Werke schu-
fen, auch für Naxos und Katane gearbeitet haben, ergiebt sich, dass im
Wesentlichen bereits um 440 — 400 die Stempelschneidekunst in Sicilien ihre
höchste Höhe erreicht hat. Es wäre lohnend, hier auch eine Betrachtung ihres
Emporsteigens zu dieser Höhe, wie es im Laufe des fünften Jahrhunderts statt-
fand, anzuknüpfen, aber eine solche ist ohne Beigabe der betreffenden Abbil-
dungen unthunlich. Dagegen ist es ebenso belehrend wie genussreich , die
Reihe der syrakusanischen Tetradrachmen in reichen Sammlungen zu durch-
mustern, und auch von den übrigen Städten bieten manche, wie z. B. Kalane
und Akragas, Stoff zu interessanten kunsthistorischen Betrachtungen.
Ueber den allgemeinen Bildungsstand der Sikelioten in der Dionysischen
Zeit haben wir bereits aus der Geschichte des Philoxenos ein sehr ungünstiges
Zeugniss gehört. Damit stimmen die Nachrichten in den dem Piaton zuge-
schriebenen Briefen vollkommen überein , wo geschildert wird, wie dem Phi-
losophen das nur auf sinnliche Genüsse gerichtete italische und siciiiscbe
Leben zuwider war und er es für unmöglich hielt, dass dabei Jemand tugend-
haft und weise werden könne. Das Leben in diesen westlichen griechischen
Städten bot aber die grössten Gegensätze dar. Wenn der allgemeine Charakter
desselben der soeben angegebene war, so gab es doch Menschen, die das
Treiben der Welt nicht befriedigte, und die nach Höherem trachteten. Dies
waren die Pythagoreer, die einen fest geschlossenen Bund bildeten, der, ohne
sich absichtlich in politische Angelegenheiten zu mischen, und ohne insbeson-
dere irgendwie nach dem gewaltsamen Sturze des Tyrannen zu trachten,
174 Fünftes Bach. X. Sicilien's Coltar unter der Dionysischen IXynastie.
dennoch ira Sinne der Freiheit wirkte. Von dem Tarenliner Archytas' sahen
i?iir schon , dass er seine freundschafUicben Beziehungen zu dem syrakusani-
sehen Tyrannen zu einer friedlichen Umwandlung der Verfassung Yon Syra-
kus zu benutzen suchte. £ine von Jamblichos ausNeantbes, einem Schrift-
steller, der etwa um 250 v. Gbr. blühte, erhaltene Geschiebte zeigt recht
deutlich den eigenthUmlichen Contrast, in welchem die pythagoreische Sekte
zu dem Leben der damaligen Zeit stand. Es soll nämlich Dionys der ältere
fortwährend von dem entschiedenen Wunsche beseelt gewesen sein, mit
ii^end einem Pythagoreer Freundschaft zu schliessen: aber afle seine Be-
mühungen waren umsonst, mit dem Tyrannen wollte keiner etwas zu schaffen
haben. Um nun seine Absicht mit Gewalt durchzusetzen , schickte er Enr^-
menes, den Bruder Dion^s, mit 30 Soldaten aus, um in der Gegend zwischen
Tarent und Metapont zu lauem. Er kannte nSmlich die Gewohnheit der Py-
thagoreer, nicht das ganze Jahr an demselben Orte zu bleiben, sondern den
Jahreszeiten angemessen ihre Wohnsitze zu wechseln. Als nun eine kleine
Anzahl von Pythagoreern (etwa 40), nahe bei den im Hinterhalte liegenden
Soldaten des Dtonys auf dem Wege nach Metapont vorbeikamen , fielen diese
schnell über sie her. Die Pythagoreer, welche sahen, dass sie den Bewaffneten
nicht Widerstand leisten könnten , flohen, und wären den durch ihre Waffen
im Laufen behinderten Soldaten entkommen , wenn ihr Weg sie nicht an ein
mit blühenden Bohnen bepQanztes Feld geführt hatte. Es war ein Gebot des
Pythagoras, Bohnen nie zu berühren; und da sie deswegen nicht weiter fliehen
konnten, so ergriffen sie, was sie fanden, Stangen und Steine, und setzten
sich damit zur Wehr. Sie kamen in dem hitzigen Kampfe sammtUch um aod
Eurymenes liess sie durch seine Leute begraben, als er noch zwei Pythagoreer
gewahr wurde , die den andern nicht hatten folgen können, den Rrotoniaten
Myllias und seine Frau, die Lakedämonierin Timycha. Er liess sie greifen und
dem Dionys bringen, der ihnen glanzende Anerbietungen machte, wenn sie
ihm ihr^ Freundschaft schenken wollten. Sie schlugen es aber ab, und Dionys
verlangte, wenigstens Eines zu wissen, nSmlieh, weshalb seine Freunde lieber
gestorben wären, als die Bohnen berührt hatten. Myllias erwiderte: Ich will
lieber Bohnen anrühren, als es dir sagen, lieber diese Antwort erschrak
Dionys, und da er überzeugt war, dass er von Myllias nichts erfahren würde,
so liess er ihn entfernen und seine schwangere Frau foltern, von der er leichter
etwas zu erfahren hoffte. Sie aber biss sich die Zunge ab, um, wenn sie durch
die Folterqualen dazu gebracht werden sollte , den Muth zu verlieren, nicht
mehr im Stande zu sein, das Geheimniss zu verrathen. Wenn nun diese Cha-
rakterfestigkeit, die immerhin, wenn auch die Geschichte selbst nur theilweise
wahr sein sollte, die Eigenthümlichkeit des pythagoreischen Bundes zeichnel,
schon zum Wesen des alteren Dionys im Gegensatze stand, wie vielmehr zu dem
des jüngeren, dessen Streben nur auf Genuss gerichtet war! Hierüber haben
wir eine interessante Nachricht in einem Fragniente des Aristoxenos, wo
der Lüstling Polyarchos , der als Gesandter des jüngeren Dionys nach Tarent
an Archytas und die Pythagoreer geschickt worden ist, seine Ansicht über
natürliches und' unnatürliches Leben auseinandersetzt und im Gegensatz zu
dem Streben der Pythagoreer nach Tugend das Streben nach Genuss als das
Luxus in Syrakus. Materielles Gedeihen.
175
allein natttriiche bezeichnet. Da scheint ihm das Ideal das Leben des persi-
schen K(^nigs zu sein, dem alle Reich thttmer Asiens zu Gebote stehen. Dann
kommt, wie er meint, als zweiter auf der Stufenleiter der Glückseligkeit, aber
freilich in grosser Entfernung, sein Herr, der Tyrann Dionysios. So kommen
auch hier wieder Perserkönig und Tyrann von Sicilien zusammen. Unter den
Lastern des jüngeren Dionys ist besonders seine Trunksucht bertichtigt gewe-
sen , und es wird als ein besonderer Beweis • von Gemeinheit der Gesinnung
seiner Schmeichler angeführt, dass sie sich alle ebenso kurzsichtig stellten, wie
er es durch das viele Trinken geworden, war. Dieselbe Geschichte wird übri-
gens auch von Hieron's Schmeichlern erzählt.
Das Uel^erhandnehmen der sinnlichen Richtung unter der Dionysischen
Herrschaft fand seinen Ausdruck in dem Aufschwünge, welchen der Cultus
des Dionys und der weiblichen Gottheiten in dieser Zeit in den der Familie
unterworfenen Landschaften nahm. Was über das Verfahren des Dionys in
Lokri erzählt wird, erklart sich nur dadurch, dass der Tyrann die im Cultus
der Stadt vorhandenen sinnlichen Elemente, die lange Zeit zurückgedrängt
gewesen wai'en, betonte und wieder hervorhob. Auf eine von oben herab be-
günstigte Verbreitung des orgiastischen Cultus der Gottesmutter deutet der
Umstand, dass Dionys sowohl Piaton wie Aristipp mit weiblichen Kleidern
beschenkt haben soll ; in seinem Alter soll dann Dionys bei seinem Aufenthalt
in Korinth selbst als Priester der Gottesmutter im Lande herumgezogen sein,
was durchaus nicht unglaublich ist. Wir haben endlich eine Nachricht, dass
es eine Statue des Dionys, natürlich des jüngeren, als Dionysos gab.
Wenn wir uns nun daran erinnern , wie in der letzten Periode des pelö-
ponnesischen Krieges die Sikelioten in Asien durch ihre Rechtschaffeuheit und
Uneigennützigkeit sich unter allen Hellenen auszeichneten, so müssen wir
\vieder und wieder die traurigen Folgen der Dionysischen Tyrannis beklagen,
die das geistige und das sittliche Leben Siciliens in gleicher Weise geschä-
digt hat.
Der materielle Wohlstand der Insel litt nicht durch das Sinken des geisti-
gen Niveau's, er scheint vielmehr unter den Tyrannen, soweit nicht die Kriege
mit den Karthagern es verhinderten, ziemlich erfreulich gewesen zu sein, ins-
besondere dürfen wir die Handelsbeziehungen von Syrakus als im Aufschwung
begriffen ansehen , was schon durch die Unternehmungen des älteren Dionys
im adriatischen Meere, zu denen er sicherlich auch durch die dorthin gerich-
tete ?ahrt syrakusanischer Schiffe veranlasst wurde, bewiesen wird. Wir
sahen , dass es hier ganz im Norden dem Bemsteinhandel galt, der bis dahin
mehr von tarentinischen Schiffen betrieben worden zu sein scheint. Noch
deutlicher geht die Lebhaftigkeit des adriatischen Handels von Syrakus aber
aus dem hervor, was über die ersten Regierungsjahre Dionys des jüngeren
erzählt wird^ in denen er in Apulien zwei Städte gründete, um auf dem ioni-
schen und adriatischen Meere den Schiffen Sicherheit gegen die seeräuberi-
schen Barbaren zu verschaffen. Diese StHdte werden auch den Landverkehr
in Apulien selbst, und diesen ganz besonders, zu vermitteln gehabt haben.
Ferner ist uns durch eine Demosthenische Rede Verkehr zwischen Syrakus
und Massalia bezeugt, der auch vielleicht in den massaliotischen Münzen sich
176 Fünftes Buch. Xi. Dion'9 weitere Theten und s«in Ende.
kuod Ihul, so wie Export von Gelreide von Syrakus nach AUien. Haodelsver-
bindungen Ewischen Sicilieo, specieil Syrakus und Spanien, insbesondere Em-
poriae, möchten wir wegen Aebnllchkeit der Münzen annehmen, die allerdings
besonders zur Zeit des Timoleon hervortritt, und sodann, weil in Rosas ia
Spanien kleine syrakusanische MUnien in grosser Zahl gefunden worden sind.
Man darf sagen, dass unter der Dionysischen Tyrannis Syrakus das ma-
terielle Centrum der Weslhetlenen war, das nach eilen Seilen seine müchtigeo
Arme ausstreckte und auch durch manche KunstUbung überall imponirle.
An Grösse und an Glanz scheint aber in der Periode zwischen dem Sluiie
Akragas' und demjenigen Athen's einerseits und dem Aufkommen Alexandria's
andererseits die Stadt Syrakus alle anderen Städte nicht nur von Hellas, son-
dern der Länder des Mitte Imeeres überhaupt tibertroffen zu haben. Was Athen
im fünften Jalirhundert v. Chr., was Alexandria im dritten, zweiten und ersten,
was Rom seit Augustus, das war Syrakus im vierten Jahrhundert v. Chr., die
Stadt, auf die man von allen Seiten mit Bewunderung blickte. Dass freilich
derj Glanz einer Weltstadt, insofern er vorzugsweise einem Fürsten verdankl
wird, kein reiner ist und von den Einwohnern selbst mit den grttsslen Opfern
erkauft werden muss, das bat in neuester Zeil Paris gezeigt.
Elftes Kapitel.
Biony's weit«r« Thsten tuid Min Ende.
Die Tyrannei des Dionys war von den Bürgern nicht durch eigene Krall
gestürzt worden ; fremde Söldner hatten das beste gelhan. Freilich waren es
keine Barbaren, wie die meisten derer, welche dem Tyrannen dienten, aber
sie hatten darum kein grösseres Interesse fUr die Freiheit der Stadt, ja nicfai
einmal dauernde AnhaDglichkeit anDion, dem sie nur dienten, weil er gut
zahlte. Dion selbst befand sich von vornherein in einer falscbeu Stellung. Er
hatte die Syrakusaner aufgefordert, die Freiheit zu gründen , aber er. den sie
zu ihrem Feldherrn erwählt halten , war einer der nächsten Verwandten des
Tyrannen, ehemals wegen seines Stolzes bekannt, und jetzt, trotzdem dass
er den Tyrannen bekämpfte, selbst von einer Leibwache umgeben. Wares
den Syrakusanem zu verargen , wenn sie kein unbedingtes Vertrauen zu ihm
fassen konnteji? Wer vermochte überdies zu sagen, in welchem Sinne Dion
das Wort: Befreiung von Syrakus, verstand'? Allerdings handelte es sich zu-
nächst Docb um den Sturz des Dionys, aber was sollte geschehen, wenn
Dionys gestürzt war? Dion sprach sieb darüber noch nicht aus, und man war
auf Vermuthungen angewiesen. Wollte Dion den Syrakusanern allein die
Ordnung [ihrer Angelegenheiten überlassen? Des war kaum anzunehmen.
Und wenn er selbst Einfluss auf dieselben behielt , hatte da nicht Syrakus,
statt frei zu werden, einfach den Herren gewechselt?
Dion und seine Gegner. 177
Dionys sah das Zweideutige in der Stellung seines Schwagers, und suchte
es für seine Zwecke zu benutzen. Wahrend er seine gefallenen Söldner pracht-
voll, mit Purpurgewändern und goldenen Kränzen geschmückt, bestalten Hess
und an die übrigen grosse Belohnungen vertheiite, Hess er unter Briefen, die
von den Frauen seiner Familie geschrieben waren, auch. einen an Dion gelan-
gen, der der Aufschrift nach von Dion's Sohn, Hipparinos (nach Timaios Are-
taios) war. Die andern Briefe wurden sogleich Öffentlich verlesen, den Brief
des Sohnes wollte das Volk anfangs nicht hören , aber Dion bestand darauf,
dass er erbrochen und öffentlich verlesen werden sollte, und da zeigte sich,
dass er von Dionys selber war und darauf berechnet, Dion beim Volke zu
verdächtigen. Dionys erinnerte seinen Schwager darin an alles, was er früher
zur Yertheidigung der Tyrannis gethan hatte , drohte , er werde sich an der
Familie Dion's , die in seinen Händen war , für das , was er gegen ihn unter-
nehme, rächen, und stellte ihm endlich in Aussicht, wenn er sich mit ihm
gegen das Volk verbinden wolle , Theilnehmer seiner Herrschaft zu werden ;
es sei ein undankbares (Geschäft, Menschen zu befreien, von denen man doch
nur gehasst werde. Die List des Dionys verfehlte ihren Zweck nicht ganz.
Das Volk begann zu fürchten, dass Dion es nicht ehrlich meine, und von die-
sem Augenblick beginnt der bald offene, bald stille Kampf zwischen Dion und
der Majorität der Syrakusaner, der Dion das Leben und Syrakus die Freiheit
gekostet hat. Das Volk sah sich , noch im Beginne des grossen Kampfes mit
dem Tyrannen, nach andern Führern um. Da bot sich ihm Herakleides dar,
der sich im Peloponnes an Dion angeschlossen , ihn aber dann hatte voraus-
fahren lassen , um , wenn Dion erst sein Glück versucht haben würde , mit
besserer Aussicht auf Erfolg als selbständiger Helfer zu erscheinen. Herakleides
war, wenn wir uns auf die im siebenten platonischen Briefe gegebenen Nach-
richten verlassen können , seiner Feldherrnstelle im Dienste des Dionysios zur
Zeit des zweiten Aufenthaltes Platon^s beim jüngeren Dionys dadurch verlustig
geworden, dass er, als eine Anzahl von Söldnern sich wegen einer von dem
Tyrannen beabsichtigten Herabsetzung des Soldes empört hatte , in den Ver-
dacht gekommen war, diese Empörung angestiftet zu haben. Er kam kurze
Zeit nach dem Siege Dion's über die Truppen des Tyrannen mit 7 Trieren
und 3 Transportschiffen nach Plularch, mit 20 Trieren und 4500 Soldaten
nach Diodor, in Syrakus an, wusste sich bald beim Volke durch dieselben
Künste, die ihn zu einem guten Tyrannendiener gemacht hatten , beliebt zu
machen und blieb anfangs mit Dion in gutem Einvernehmen.
Der Krieg mit Dionys wurde das Jahr 357 hindurch weiter durch keine
merkwürdigen Vorfälle bezeichnet. Die Syrakusaner verschafften sich eine
Flotte, während Dionys zur See allerdings noch mächtig war, aber dennoch
nicht viel ausrichtete. Freilich war der grösste Tbeil seiner Flotte mit Philistos
in Italien ; es ist aber schwer einzusehen, weshalb sie] nicht eher zurückkam,
oder wenn sie dort zur Verhinderung der vielleicht noch aus Griechenland zu
erwartenden Hülfe für die Syrakusaner nicht entbehrt werden konnte , wes-
halb Dionys nicht auf eine andere Weise für eine Flotte in der Nähe seiner
Hauptstadt sorgte. Die Syrakusaner erwählten Herakleides zum Befehlshaber
ihrer allmählich anwachsenden Seemacht, von der sie grosse Erwartungen
H 0 1 n , Gesch. Sicilien«. 11. 1 2
178 Klinnes Buch. XI. Dion's weiten Thateo und sein Ende.
b^ten, und diese Wahl legte den ersten Grund 2u den traurigen Zwistigkeilen
zwischen Dion uod Herakleides. Dion beklagte sieb tlber die Wahl als über
einen Eingriff in die ihm übertragenen Reofate und nOlhigte das Volk, sie
wieder zurückzunehmen. Dann liess er Herakleides in sein Haus kommen,
machte ihm Treundschaftliche Vorwürfe, dass er sieb von seinem Ehi^eize
habe verleiten lassen , auf die WUnscbe des Volkes, die nur seiner volistBndi-
gen Befreiung hinderlich sein konnten, eintugehen, und ernannte ihn scbltess-
lieb selbst in einer neuen, eigens zusammenberufenen Versammlung cum Ad-
miral, veranlasste auch das Volk, ihm eine ähnliche Leibwache zu bewilligen,
wie er selber sie balle. Ohne Zweifel war Dion im Rechte, wenn er die Ein-
heit des Oberbefehls aufrecht hielt, aber sein Verfahren musste Herakleides
beleidigen. Von nun an stellte sieb dieser zwar, als ob er dem Dioa durchaus
ergeben sei, insgeheim aber verleumdete er ihn, und madite den Argwohn,
der im Volke einmal erweckt war, durch seine Uqilriebe immer von neuem
wieder rege. Bald fanden sich auch andere , die einen Vortbeil darin sahen,
Dion anzufeinden und seine Beseitigung zu versuchen. Ein gewisser Sosis
trat eines Tages in der Volksversammlung auf', wies mit hfibnischen Worten
darauf hin, dass die Syrakusaner, nicht zufrieden mit einem trunkenen und
schläfrigen Tyrannen, im Begriffe wären, sieb einen wachen und sehr beson-
Qenen zu geben , und bezeichnete endlich mit dürren Worten Dion als den
Feind des Volkes. Am andern Tage stürzte er mit blutendem Kopfe auf den
Harkt und schrie, dass ihn einige von den Stfidnern Dion's so zugericblel
hätten. Schon begann das Volk aufgeregt zu werden, als Dion in der Ver-
sammlung erschien und durch einige wohl überlegte Worte die Menge be-
ruhigle. Sosis, sagte er, sei der Bruder eines der Leibwächter des Tyranneo,
und es sei das Ganze off'enbar nur darauf angelegt, das Volk seines Fahrers
zu berauben und so die Tyrannen wieder einzusetzen. Nun fanden sich auch
andere Beweise des Betruges. Aerzte untersuchten die Wunde und fanden sie
viel zu oberflächlich, als dass sie von einem Schwertbiebe herrühren konnte.
Es war eine Wunde , die Jemand sich selber beibringt, der vor Schmerz auf-
bort und wieder ansetzt und doch nicht tief schneidet. Endlich kamen auch
Leute mit einem Scheermesser , das sie da unter einem Felsen gefunden, wo
Sosis nach seiner eigenen Behauptung von den Soldaten überfallen war. Nun
' sagten auch einige seiner Sklaven aus, dass er mit dem Scheermesser in der
Nacht aus dem Hause gegangen sei ; und das Volk sah ein , dass es gelauscht
war. Sosis wurde zum Tode verurtheilt. Dennoch blieb die Stimmung gegen
die Sttldner eine feindliche, und da inzwischen, besonders seil dem Anfange
des Jahres 336 v. Chr., die Hauptentscheidung vom Lande auf die See ttbei^
gegangen zu sein schien , so begann man , die Söldner als eine überflüssige
Last zu betrachten.
Und allerdings wurde das Schicksal des Dionys zur See entschieden.
Philistos rüstete 60 Kriegsschiffe ans und lieferte mit ihnen einer gleichen
Zahl syrakusanischer Schiffe, welche Herakleides befehligte, eine Seeschlacht.
Anfangs war Philistos im Vortheil , endlich aber siegten die Syrakusaner, und
Philistos fand seinen Tod. Nach Ephoros tadtete er sich mit eigener Hand, um
nicht seinen Feindeo in die Hände zu fallen, nach Timonides, dem Begleiter
Tod des Pbilistos. Dion nach Leontini. 179
Dion's, der dem Speusipp einen Bericht über die Begebenheiten in Sicilien
abstattete, wurde das Schiff, auf welchem sich Philistos befand, an^s Land
getrieben und er selbst gefangen genommen. Da sollen Ihn die Feinde zuerst
verhöhnt, dann ihn getödtet und seinen Leichnam Knaben gegeben haben, die
ihn durch die Achradina/ schleiften und in die Latomien warfen. Nach Timaios
schleiften sie die Leiche bei dem lahmen Fusse durch die Stadt , im Andenken
an das Wort, das er zum älteren Dionys gesprochen haben soll, ein Tyrann
müsse den Fuss nachschleifen , wenn man ihn aus der Herrschaft verdrängen
wolle. Nach dem Tode des alten Philistos hatte Dionys keinen Feldherrn mehr,
auf den er sich verlassen konnte , und er ftthlte sich selbst nicht im Stande,
den Krieg weiter zu, führen. Er machte deshalb dem Dion das Anerbieten,
ihm die Burg unter gewissen Bedingungen« zu denen ausser freiem Abzüge
besonders der Genuss eines am Meere gelegenen , Gyas genannten Landgutes
gehörte, zu überliefern. Dion wies ihn an die Syrakusaner, welche in der
Hoffnung, den Tyrannen gefangen nehmen zu können, von keinen Bedingun-
gen hören wollten. Da entfernte sich der Tyrann heimlich mit einigen Be-
gleitern und seinen Schätzen aus der Burg, wo er die Söldner und seinen
Sohn Apollokrates zurückliess, und entkam zu Schiff nach Italien. Nun ent-
stand in Syrakus grosse Verwirrung. Viele tadelten Herakleides heftig, dass
er seine Pflicht als FlottenfUhrer versäumt und den Tyrannen habe entkommen
lassen, und Herakleides wusste wieder das Volk gegen Dion aufzustacheln. In
seinem Auftrage musste ein Volksführer , Namens Hippon , die alte Massregel
der Neuvertheilung sämmtlicher Ländereien unter alle Büi^er beantragen.
Dion widersprach, aber das Volk stimmte bei, und da es einmal den Math ge-
habt, gegen Dion's Willen eine Massregel zu beschliessen , so ging es gleich
einen Schritt weiter und enthob Dion seines Amtes als Feldherm. Man glaubte
seiner nicht mehr zu bedürfen. Den Söldnern wurde der Sold verweigert und
eine Versammlung berufen , in welcher an Dion's Stelle S5 neue Feldherrn
erwählt werden sollten. Wir erfahren, dass keine bösen Omina, die fortwäh-
rend eintraten, wie z. B. Ungewitter, ein wüthender Ochse, der die Volksver-
sammlung im Theater aus einander trieb, das Volk von seinem Entschluss ab-
bringen konnte. Unter den 25 neuen Feldherren war auch Herakleides. Jetzt
wurden sogar Versuche gemacht, die Söldner unter dem Versprechen der
Theilnahme an den bürgerlichen Rechten von Dion abzuziehen , und als sie
ohne Erfolg blieben und die Söldner, unter Dionys Führung, nach Leontini
abzogen, schaarte sich der Pöbel zusammen und machte Miene, über sie her-
zufallen. Bitten und Beschwörungen Dion's, der darauf hinwies, wie die Sol-
daten des Tyrannen auf den Mauern der Burg ständen und sich über die Un-
einigkeit ihrer Feinde von Herzen freuten, fruchteten nichts; als aber die
Söldner, ohne die Waffen zu brauchen, mit Geschrei sich gegen die tumultua-
rische Menge wandten^ zerstreuten sich die Volkshaufen, und Dion konnte mit
den Seinen ungehindert die Stadt verlassen. Statt sich zu schämen, dass sie
Dion angegriffen , schämten sich die Syrakusaner vielmehr, dass der Angriff
nicht gelungen war, und sie erneuerten ihn, ohne dass die Feldherm es zu
verhindern suchten. Beim Uebergang über einen Fluss fielen sie mit grosser
Uebermacht Dion an, aber ein kräftiger Angriff der Söldner genügte, um sie
12*
180 Füaftes Buch. XI. Dion's weitere Thatea und sein Ende.
zum zweiten Male in die Flucht zu jagen. Manche fielen , viele wussten sieb
durch das Voi^eben, dass sie eigentlich für Dion seien , dem Tode zu ent-
ziehen, und endlich gab Dion alle Gefangenen ohne Lösegeld frei.
Wahrend Dion in Leontini gute Aufnahme fand und die Stimmung in den
übrigen griechischen Städten der Insel ebenfalls ihm günstig war, stieg in Sy-
rakus die Zuversicht immer höher. Das Volk meinte schon alles erreicht za
haben , und doch sollte es seine Schw&che bald genug bitter empfinden. Es
war Nypsios aus Neapel von Dionys mit Schiffen, Geld und Lebensmitteln der
Besatzung der Burg zu Hülfe geschickt worden, und die Syrakusaner hatten das
Glück gehabt, ihn in einer Seeschlacht zu besiegen, in der er vier Schiffe ver-
lor. Nun dachten sie an nichts als an Festlichkeiten , und über Jubel und
Trinkgelagen versäumten sie die Bewachung der Posten , ohne dass die Feld-
herren, die nur die Bolle von Dienern, des Pöbels spielten , etwas dagegen zu
thun vermochten. Diesen Zustand der Dinge benutzte Nypsios zu einem
Ueberfalle. Mit den Soldaten, die in der Burg waren, und deren Zahl 40,000
überstieg , bemächtigte er sich in einer Nacht , wahrscheinlich gegen Tages-
anbruch , der von Dion angelegten Mauer , und nun drangen seine Banden in
die Stadt, wo die überraschten Bürger nur schlecht Widerstand leisteten. Die
Feldherren waren vollkommen rathios. Die Soldaten überwanden die einzeln
sich gegen sie Vertheidigenden , brachen in die Häuser und raubten und
plünderten dort. Fast die ganze Stadt fiel in die Hände der Söldner,
nur das Plateau von Achradina hielt sich noch. In dieser Lage überkam die
Syrakusaner das Gefühl ihrer Hülflosigkeit, und zuerst von wenigen, dann
von immer mehreren wurde der Name Dion's ausgesprochen , als des einzigen
Betters aus der Noth. Es blieb nichts anderes übrig, als ihn um Hülfe zu
ersuchen, und es wurden zu diesem Zwecke von den syrakusanischen Reitern
Hellanikos mit vier andern , von den Verbündeten Archonides und Telesides
nach Leontini geschickt, wo sie gegen Abend ankamen. Unter Tbränen er-
zählten sie dem Dion das Vorgefallene, und als nun auf die Nachricht, dass
aus Syrakus wichtige Botschaften angelangt seien, viele von den Söldnern und
eine grosse Zahl Leontiner in Dion's Hause zusammenströmten , beschworen
sie auch die Söldner, das ihnen angethane Unrecht zu vergessen, da die Syra-
kusaner ja schon härter dafür bestraft worden seien , als sie es selbst ge-
wünscht haben würden. Alle blickten auf Dion und erwarteten gespannt
seine Entscheidung ; als er dann heftig ergriffen erklärte, dass er es für seine
Pflicht halte, seinen Mitbürgern beizustehen, waren sie ebenfalls dazu be-
reit, und Dion be^chloss, noch in der Nacht mit ihnen nach Syrakus aufzu-
brechen.
Um dieselbe Zeit, wo Dion sich zum Marsche rüstete, zogen sich die Sol-
daten des Tyrannen wieder zur Nachtruhe in die Burg zurück, und die Volks-
führer hielten die Gelegenheit für passend, um die Berufung Dion's rückgängig
zu machen. Das Volk scheint auch hierzu seine Zustimmung gegeben zu
haben. Aber während die Feldherren Dion Boten entgegensandton , um ihn
zur Umkehr aufzufordern , sandten die Beiter und die übrigen angesehenen
Bürger zu ihm, er möchte doch jedenfalls nach Syrakus kommen. Da indess
die Gegner Dion's die Thore besetzt hielten , so würde er nicht in die Stadt
Schlacht in Syrakus. Dion wieder Feldherr. Igl
gelangt sein, wenn nicht Nypsios gegen Morgen wieder mit seinen Soldaten
aus der Burg hervorgebrochen wäre ubd nunmehr auch den Versuch gemacht
hätte, Syrakus in Brand zu stecken. Pion war langsamer marschirt, sobald er
die Nachricht empfangen hatt^ , dass die Soldaten wieder in die Burg zurück-
gekehrt seien. Bald aber kamen Boten mit der Meldung, dass es noch schlim-
mer stehe als am vorigen Tage , und endlich , als Dion noch 60 Stadien vom
Thore entfernt war, kam der Bruder des Herakleides mit seinem Oheim Theo-
dotes, von Herakleides geschickt, Dion entgegen, flehentlich bittend, möglichst
schnell zu kommen , da Herakleides selbst verwundet sei und Niemand mehr
den Feinden Widerstand leisten könne. Nun liess Dion die Seinen so schnell
als möglich vorwärts eilen und erreichte die Stadt bei dem Thore , welches
von den sechs auf einander folgenden Oeffnungen Hexapyla genannt wurde.
Hier fand er Tausende von Greisen, Weibern und Rindern ihn erwartend, die
ihn auf die rührendste Weise beschworen, die Stadt zu retten. Nahe dem
Thore lag ein Raum , welcher den Namen Hekatompedos führte ; hier ordnete
er seine Truppen, reihte die zu ihm gestossenen Syrakusaner ein und sandte
die leichten Truppen voraus, um den Bedrängten Muth zu machen. Dann zog
er unter grossem Jubel des Volkes durch die Stadt vorwärts gegen die Feinde.
Es war aber schwer sich einen Weg zu ihnen zu |>ahnen , da überall Häuser
in Flammen standen und brennende Trümmer auf die Strasse stürzten. End-
lich gelang es ihm, durch Rauch und Flammen zu ihnen vorzudringen, und
nun bedurfte es keiner grossen Anstrengung mehr. Die Dionysischen Söldner^
die ja schon durch das Anzünden der Stadt gezeigt hatten , dass sie sie nicht
zu behaupten gedachten, zogen sich in die Burg zurück.
Die erste Sorge der Syrakusaner war , die weitere Verbreitung der Flam-
men zu verhindern, aber welchen Anblick bot nun die Stadt dar! Ueberall
Trümmer und Leichen, kaum war das grosse und prachtvolle Syrakus wieder-
zuerkennen. Als der Schutt einigermassen aufgeräumt war und man anfing,
sich wieder wohnlich einzurichten, bedachte man die politische Lage. Die
Syrakusaner sahen den Beweis ihrer Unfähigkeit , sich aus eigener Kraft zu
befreien , vor Augen ; es war allen klar geworden , dass sie ohne Dion nichts
vermochten. Dion musste ihr Feldherr bleiben; aber er war durch die Ret-
tung der Stadt mehr geworden als das, er war jetzt ihr Herrscher. Mit Be-
sorgniss erwarteten seine bisherigen Gegner seine Entschlüsse. Wie würde er
wohl mit den Volksführern verfahren? Die übrigen entflohen aus Furcht vor
seiner Rache , Herakleides und Theodotes aber , die auf die Nachsicht Dion^s
rechneten , überlieferten sich ihm freiwillig. Lebhaft wurde ihm von seinen
Freunden vorgestellt, er möchte diese Gelegenheit benutzen, die Soldaten
durch die Auslieferung des Herakleides zu befriedigen und die Stadt von
einem schlimmen Demagogen zu befreien. Dion aber wollte solchen Rath
nicht befolgen. Ich habe, sagte er, von Piaton gelernt, dass der schwerste und
ruhmvollste Kampf der gegen die eigene Leidenschaft ist, und dass der Sieg
über dieselbe sich dadurch zu beweisen hat, dass man gegen seine Feinde mild
und versöhnlich verfährt. Wenn Herakleides aus Neid treulos und schlecht ge-
worden ist, soll Dion aus Zorn ebenso schlecht werden ? Wie sollte ein Mensch
so roh sein , dass er nicht gegen den , der ihn fortwährend mit Wohlthaten
1S2 Fünftes Buch. XI. Dion's weitere Thatea ttod seio Ende.
überhäuft, endlich seinen Hass ablegte? So entging Herakleides der drohenden
Gefahr, weil Dion sich nicht dazu entschliessen konnte, öfifentiiche Verbältnisse
nach andern Gesichtspunkten zu bebandeln, als denen der abstracten Moral.
Dion sah, dass die erste Arbeit die sein musste, die grt^sstenlheils von
den Soldaten des Nypsios zerstt^rte syrakusanische Verschanzung wieder her-
zustellen. Weil aber ein Mauerbau geraume Zeit in Anspruch nahm, ^iess er
sämmtliche Syrakusaner, jeden einen Pfahl zuhauen und dahin tragen, wo die
Verschanzung stehen sollte, und seine Söldner errichteten sie dann unter
seiner Aufsicht in einer einzigen Nacht, so dass Syrakusaner wie Feinde die
Schnelligkeit der Ausführung bewunderten. Nach dem feierlichen Begräbnisse
der Gefallenen und der Auslosung der ungefiihr 2000 in die Burg geschlepp-
ten Bürger^ berief er eine Volksversammlung, in welcher Herakleides ihn
als unumschränkten Befehlshaber zu Wasser und zu Lande vorschlug. Der
bessere Theil der Syrakusaner stimmte zu , die Seeleute aber, entschiedene
Demokraten, denen Dion zu vornehm war, und die von Uerakleides ihre Lo-
sung empfangen hatten , schrieen , dass Herakleides den Oberbefehl zur See
haben müsse. Dion gab in diesem Punkte nach, widerstand aber dem Willen
der Syrakusaner in einer andern Angelegenheit. Als das Volk zur Vertheilung
der Ländereien und Häuser schreiten wollte , brachte er es dahin , dass der
früher gefasste Beschluss wieder aufgehoben wurde. Er ward dadurch so-
gleich wieder bei dem niederen Volke uxibeliebt, und Herakleides wusste dies
zu benutzen. Er ging mit der Flotte nach Messana und hielt dort Volksver-
sammlungen, in denen er die Seeleute gegen Dion, der nach der Tyrannis
strebe, aufreizte, während er zu gleicher Zeit selbst durcS den Spartaner
Pharax ein heimliches Einverständniss mit Dionys anknüpfte. Durch diese
Umtriebe entstanden so heftige Streitigkeiten im Heere, dass sogar die Ver-
proviantirung von Syrakus litt und Dion von seinen Freunden die schärfsten
Vorwürfe hören musste , dass er nichts thue , um einen so unruhigen Kopf,
wie Herakleides, unschädlich «zu machen.
Pharax scheint für Dionys ein Heer in Sicilien selbst geworben zu haben,
mit welchem er in der Nähe der akragantinischen Stadt Nea ein Lager auf-
schlug. Dion führte die Syrakusaner gegen ihn , schob aber eine Schlacht
längere Zeit auf. Darüber erhob sich grosses Geschrei von Herakleides und
den Seeleuten, welche mit der Flotte die Operationen des Landheeres unter-
stützten und nunmehr behaupteten, Dion ziehe nur deshalb den Krieg in die
Länge, um desto länger Oberbefehlshaber zu sein. Dion hielt es für eine
Ehrensache, nun schnell eine Schlacht zu liefern. Er unterlag jedoch , weil
die Truppen seine. Anordnungen nicht unbedingt befolgten. Indess war die
Niederlage unbedeutend, und er hatte schon wieder alles auf den nächsten
Tag zu einer neuen Schlacht bereit gemacht, als er um Sonnenuntei^ang die
Nachricht empfing, dass die Flotte nach Syrakus abgefahren sei. Er sah, dass
Herakleides es darauf abgesehen hatte , ihn aus der Stadt aüszuschliessen,
versammelte, schnell entschlossen, seine tüchtigsten Leute, und ritt mit ihnen
in solcher Eile nach Syrakus, dass er die 700 Stadien, die ihn von dieser Stadt
trennten, eher zurückgelegt hatte, als die Flotte dort angekommen war.
Was aus dem Kriege mit Pharax wurde , wissen wir nicht ; wahrschein-
Auflösung der Flotte. 183
lieb lief sein Heer aus einander. Herakleides fuhr mit der Flotte ab und fand
einen andern Spartaner, der sich eine Zeitlang zu seinem Werkzeuge hergab.
Es war Gaisylos, welcher vorgab , aus Lakedämon gekommen zu sein, um,
wie einst Gylippos, die Syrakusaner zu oommandiren. Dion Hess sich jedoch
durch den Spartaner, der von einem Herolde des Herakleides angemeldet
wurde, nicht irre machen. Es gebe genug Syrakusaner, welche im Stande
seien, den Befehl zu führen, und wenn durchaus ein Spartaner nOthig sei, so
sei er selber ein solcher. Er hatte bekanntlich das spartanische Bürgerrecht.
Gaisylos war vernünftig genug, einzusehen, dass hier nichts auszurichten sei.
Er glaubte^ Herakleides einen bessern Dienst zu leisten, wenn er ihn mit Dion
versöhnte. Herakleides schwur die höchsten Eide, dass er dem Dion treu
bleiben werde, und Gaisylos verbürgte sich für ihn. Zugleich wurde , wohl
auf Antrieb Dion's, der sehr vernünftige Beschluss gefasst, die Seemacht,
welche unter den gegenwärtigen Umständen von keinem .Nutzen mehr sein
konnte, wohl aber bedeutende Kosten machte und detn Herakleides fortwäh-
rend Gelegenheit zu Umtrieben gab, aufzulösen. Wir müssen bei dieser Gele-
genheit darauf hinweisen, wie im Alterthum die Marine eine weit weniger
beständige Macht war als heutzutage. Ein Kriegsschiff war ein im Ganzen
recht unbequemes Werkzeug, mit welchem man sich so wenig wie möglich zu
thun machte. Schiff und Mannschaft waren öfter auf dem Lande, als in ihrem
Elemente. Wenn die Schiffe an der Küste entlang fuhren, was sie fast immer
thaten, so stieg die Mannschaft, wo es nur irgend thun lieh war, allnächtlich
an^s Ufer, um dort zu schlafen. Die Schiffe wurden so viel wie möglich an's
Land gezogen , damit sie nicht fapiten. Kurz , von einer Anhänglichkeit der
Seeleute an ihr Schiff, von einer erprobten Seetüchtigkeit der Fahrzeuge war
wenig die Rede. Ausserdem gab es keine festen Gadres, in welche die See-
leute eingestellt wurden, und die einen Kern Erfahrener bilden konnten. Die
Mannschaft wurde für die gerade beabsichtigte Expedition ausgehoben , und
wenn sie beendigt war, wieder entlassen. Daher die plötzliche Veränderung
in der Stärke der Flotten mitten im Kriege , die wir in der Geschichte der
athenischen Unternehmung gegen Syrakus und in der der Kriege des älteren
Dionysios gefunden haben. So erklärt sich denn auch eine Massregel, wie die
vorliegende, die Auflösung einer ganzen Seemacht, eine Massregel, die nach
unsem modernen Begriffen einer Entsagung auf maritimen Einfluss für lange
Zeit gleich kommen würde. Wenn nur Geld da war, konnte jede Seestadt in
kürzester Zeit sich eine Flotte neu schaffen.
Die Syrakusaner betrieben mit desto grösserem Eifer die Belagerung der
Burg von der Landseite. Den Eingeschlossenen kam keine Hülfe ; Nahrung3-
mittel fingen an spärlich zu werden; die Söldner wurden unruhig, und so
entschloss sich endlich ApoUokrates, der Sohn des Dionys, dem Dion die Burg
mit allen Kriegsvorräthen zu überliefern , und selbst mit seiner Mutter und
seinen Schwestern und soviel Schätzen, als er auf fünf Schiffen bergen konnte,
zu seinem Vater zu flüchten. Die Zeiten hatten sich geändert : Dion nahm die
Capitulation an, ohne dass das Volk, das nun nicht mehr mit demselben
Uebermuthe wie früher unbedingte Uebergabe verlangte, sich zu widersetzen
* wagte. Und es war im Grunde genommen froh genug, dass es so weit
Ig4 Füoftes Buch. XI. Dioo's weitere Tbaten und sein Ende.
gekommen war. Es betrachtete mit Recht den Tag der Abfahrt des Apollo-
krates als einen Festtag , und nannte diejenigen unglücklich, die ihn nicht
hatten erleben können. Wohl hatte das Volk Ursache sich zu freuen, dass die
furchtbarste und mächtigste aller Tyrannenherrschaften Griechenlands in so
kurzer Zeit vernichtet worden war. Dies geschah im J. 355 v. Chr., Ol. 406,2.
Es war ein eigenthümiiches Wiedersehen , das zwischen Dion und seiner
Gattin. Als er in die Burg kam, traten ihm seine Schwester Aristomache, die
Wittwe des alteren Dionys , mit Dion s Sohn an der Hand , und hinter ihnen
seine Gattin Arete, ihre Tochter, entgegen. Er umarmte zuerst seine Schwester
und seinen Sohn, dann nahm Aristomache ihre Tochter bei der Hand und
sprach zu ihm : Wir waren unglücklich, so lange du dich in der Verbannung
befandest, nun, da du wiedergekommen bist, sind wir froh ; nur diese Arme
nicht, die ich Unglückliche gegen ihren Willen mit einem andern Manne habe
vermählen sehen. Nun weiss sie nicht, ob sie dich noch ihren Mann nennen
darf. Dion umarmte unter Thränen seine Gattin, übergab ihr ihren Sohn und
w*ohnte mit ihnen in seinem früheren Hause in der Stadt. In' der Burg wollte
er nicht wohnen, um den Syrakusanern keine Veranlassung zum Argwohn
zu geben.
Mit der Beseitigung der Tyrannis war der Boden gesäubert, auf dem sich
Neuschöpfungen zu erheben hatten. Ueber ein halbes Jahrhundert hindurch
hatten Tyrannen Syrakus regiert; jetzt sollte die Stadt eine freie Verfassung
erhalten. Wie sollten die Grundzüge derselben sein? Wenn man einfach zu
der Verfassung vor 405 zurückkehrte, war die Sache nicht schwierig, aber das
schien nicht thunlich, wenigstens dachte Dion, der hauptsächlichste Inhaber
der Macht in Syrakus , nicht daran. Der Freund Platon^s musste den Ehrgeiz
besitzen , eine den Forderungen der Philosophie entsprechende Verfassung für
seine Vaterstadt zu entwerfen. Und dennoch war die ihm so zufallende Auf-
gabe, die an sich nicht leicht war, ganz besonders schwer für einen Mann von
seiner Vergangenheit. Als nächster Verwandter des Tyrannen an seinem Hofe
aufgewachsen , war er nur durch ideale Begriffe von menschlichem Glück und
durch selbsterlittene Kränkungen zu der Absicht gebracht, den Tyrannen zu
stürzen. Nicht die Demokratie, sondern eine nahe an Oligarchie, vielleicht an
Monarchie streifende Aristokratie wünschte er für Syrakus. Aber wie sollte er
seinen Wunsch realisiren ? Er war nicht bewandert genug in dem Leben und
Treiben eines freien Staates , um die Mittel zu kennen , eine Partei für seine
Absichten zu gewinnen und mit ihrer Unterstützung als Gesetzgeber seine
Pläne durchzuführen. Und wenn er es gekonnt und ausgeführt hätte, hätte er
dann nicht selbst auf die höchste Macht verzichten müssen ? Das wusste er,
und gerade dies war es , was ihn schwankend machte. Er traute dem Volke
nicht die Kraft zu , sich dauernd selbst zu regieren , und glaubte sich stark
genug, es zu beherrschen. Die Folge davon war, dass er ein Definitivum einzu-
führen zauderte, dass er eine geregelte Verfassung für seine Vaterstadt wollte,
und doch seine ausserordentliche Macht nicht nur auf unbestimmte Zeit bei-
behielt, sondern sogar unmerklich noch vermehrte. Er hatte seinen Blick so
sehr auf das Ideale gerichtet, dass er in den gewöhnlichen Verhältnissen des
öffentlichen Lebens einer freien Stadt vollkommen unpraktisch war. -Das
Dion and Herakleides. Ermordung des Herakleides. 185
zeigte sich besonders in seinen Beziehungen zu Herakleides und vor allem in
der letzten Katastrophe derselben.
Herakleides setzte, sobald durch den Abzug des Apollokrates die Tyrannis
vollständig gebrochen war, seine alte Opposition gegen Dion fort, die er jetzt
unter dem Anschein der Vertheidigung des Volkswohles verbarg. Dion , der
wohl wusste , dess die Augen der ganzen hellenischen Welt auf den Befreier
von Syrakus gerichtet waren, und der sich bemühte, des Beifalls der Akade-
mie würdig zu handeln, suchte durch sein ganzes Auftreten den leichtfertigen
und veränderlichen Bewohnern von Syrakus zu imponiren , und hielt sich so
zurückgezogen, dass er durch sein vornehmes Wesen die Anhänglichkeit ver-
lor, die er sich durch seine Thaten erworben hatte. Er widersetzte sich allen
Massregeln, durch welche das Volk aufgeregt werden konnte. Das Volk
wünschte, das Grabmal des älteren Dionys zu zerstören, Dion litt es nicht; es
wünschte , dass die Bürg abgebrochen werden möchte , Dion gab auch dies
nicht zu. Mochten seine Absichten auch die allerbesten sein, so wusste er so
gut wie das Volk, dass die Burg, statt die Sicherheil der Stadt gegen äussere
Feinde zu vermehren, nur ein Mittel zur Unterjochung der Bürger war. Wenn
er sie also besetzt hielt, auch ohne selbst darin zu wohnen, yvas konnte das
Volk anderes argwöhnen , als dass er sich die Möglichkeit, mit Gewalt über
Syrakus zu herrschen, vorbehalten wolle? Es musste also der Widerstand
des kerakleides gegen ein solches Verfahren Dion's vollkommen berechtigt
erscheinen. Wenn er sich wenig freundlich gegen Dion zeigte, und z. B. auf
seine Aufforderung , sich seinem geheimen Rathe anzuschliessen, die Antwort
gab, er beanspruche nichts weiter als das Recht, wie die übrigen Bürger seine
Meinung in der Volksversammlung auszusprechen , eine Antwort , in welcher
der Vorwurf lag, dass Dion sich zu wenig um den Willen des Volkes küm-
mere, so durfte Dion als Philosoph sich hierdurch am allerwenigsten verletzt
fühlen. Er widersetzte sich aber auch mit aller ELraft den Plänen, welche Dion
die theuer'sten waren. Dieser dachte immer ernstlicher an die Einführung
einer monarchisch -aristokratischen Verfassung, und setzte sich zu diesem
Zwecke mit dem aristokratisch regierten Korinth in Verbindung , von wo er
angesehene Männer nach Syrakus ziehen wollte, die dann mit Ausschluss der
Syrakusaner ihm in der Ordnung der syrakusanischen Angelegenheiten zur
Seite gestanden hätten. Der Widerstand des Herakleides gegen die Ausfüh-
rung dieser Pläne entschied sein Schicksal. Als Herakleides sich vor einiger
Zeit freiwillig seinen Gegnern überliefert hatte, war die allgemeine Ansicht
von Dion's Freunden dahin gegangen, dass er sterben müsse. Dion aber hatte
ihm das Leben geschenkt. Seitdem hatte er sich wiederholt als seinen Feind
gezeigt, und auch nach der durch Gaisylos vermittelten Versöhnung war er
gegen ihn aufgetreten. Dass .Dion's Freunde ihre Rathschläge wiederholten,
ist nicht zu verwundem , aber ebenso wunderbar wie betrübend ist es, dass
Dion jetzt, wo am wenigsten Veranlassung dazu vorlag, ihrem Drängen nach-
gab. Er Hess es zu , dass Herakleides durch Meuchelmörder getödtet wurde.
Man kann sich die Bestürzung der Syrakusaner denken. Es war nicht die
Person des Herakleides, die ihnen Mitleid einflösste ; sie standen der schreck-
lichen, nicht wegzuläugnenden Thatsache gegenüber , dass auch Dion in die
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Fünftes Bach. XI. Dion's weitere Thaten und sein Ende.
Fusstapfen des Dionysios treten wollte. Wenn Widerstand gegen die Pläne
sl}.;; Dion's genttgte, um den Tod zu verdienen , wer war dann noch seines Lebeos
r^.K sicher? Und was Dion nach der Ermordung des Herakleides that, beweist
wieder seinen wunderbaren Mangel an Einsicht in die Bedingungen des prak-
tischen Lebens. Er veranstaltete dem Manne, den er hatte ermorden lassen,
ein feierliches Begräbniss, wobei er mit seinem ganzen Heere folgte, und hielt
dann eine R^de an's Volk Ober seine Zwistigkeiten mit dem Ermordeten, aus
der dasselbe ersehen musste , dass eine Verständigung zwischen beiden un-
r^s|. ' . möglich gewesen war. Wenn uns nicht das ganze Leben Dion's die Ueberzeu-
gilng gewahrte, dass er in allem, was er that, aufrichtig war, so würde dieser
eine Zug genügen , um uns einen dauernden Widerwillen gegen ihn einzu-
^r.^ ' flössen. Welcher Hohn konnte grosser sein, als den, den man hat ermorden
lassen, mit den Zeichen des Bedauerns zu Grabe zu geleiten^ wenn dieses
Bedauern kein aufrichtiges ist? Und was wäre eines rechtschaffenen Menschen
unwürdiger, als solcher Hohn? Dion muss also, da er dem Herakleides ein so
feierliches Leichenbegängniss veranstaltete, ihn für keinen schlechten Men-
schen gehalten haben. Wenn dies aber so ist, wie konnte er ihn ermorden
lassen ? Herakleides ist sein Nebenbuhler , sein Feind , er sucht ihn zu ver-
derben: Dion überwindet ihn und verschont ihn; er föhrt fort, gegen ihn zu
intriguiren: Dion versöhnt sich mit ihm; er widersetzt sich seinen Verfas-
\sungspUlnen und vertheidigt die Demokratie, und Dion lässt ihn ermorden
und erkennt dann seinen Werth durch ein prächtiges Leichenbegängniss an!
Diese That steht in einem so entschiedenen Widersprudi mit dem sonst
so edlen Verfahren Dion^s, dass sie nur durch die äusserste Verlegenheit, in
der er sich über den in Zukunft einzuschlagenden Weg befand, und durch
eine jetzt hervortretende Charakterschwäche erklärt werden kann. Er war so
rathlos, dass der schlechteste Bath seiner Freunde bei ihm Eingang fand, und
hatte so sehr allen inneren Halt verloren , dass er einen Augenblick glauben
konnte, kein Tyrann zu sein, wenn er einen politischen Gegner ermorden Hess.
Es gab offenbar keinen Menschen , der weniger zum Herrchen geeignet war,
als Dion , und es ist zu bedauern, dass er die Stellung eines diplomatischen
und militärischen Bathgebers, für die er geschaffen war, nicht bei einem tüch-
tigen Herrscher hat einnehmen können. Er hat sich durch den Mord des Hera-
kleides sein eigenes Todesurtheil gesprochen.
Doch überraschte ihn das Verderben nicht plötzlich. Das Verbrechen
that langsam seine Wirkung« Seine Kraft, die schon gebrochen war, als er es
beging, sank in Folge der That, die nur Beue zurücklassen konnte, immer mehr.
Eine seiner ersten Massregeln war die gewesen, dass er alle seine Freunde und
Anhänger, alle seine Soldaten glänzend belohnt hatte ; nur ihnen zeigte er sich
hinfort von der freundlichen Seite, gegen die Bürger war er streng. Seine An-
hänger, von denen die besseren im Kriege gefallen waren, erkannten bald die
Lage Dion's, wie sie war. Ohne wirklichen Halt in den Herzen der Syrakusaner,
hielt er sich trotz aller der Stadt geleisteten Dienste nur durch die Will&hrigkeit
und den Gehorsam seiner Söldner. Und diese fürchteten ihn nicht einmal, weil
er gegen sie nicht strenge war, und liebten ihn noch weniger, weil er nach einer
Tugend strebte, deren Werth sie nicht begriffen. Sie mussten ihn schwach und
Dion und Kallippös. 187
incoDsequent finden, und waren nur so lange für ihn, als er sie gut besoldete.
Aber Dion's Mittel waren nicht die des Dionys. Da er zu gewissenhaft war, um,
wie der Tyrann, durch Raub sich das Geld zur Bezahlung seiner Söldner zu ver-
schaffen, so musste er sein eigenes Vermögen, endlich auch das seiner Freunde
erschöpfen, die nicht einmal die Genugthuung haben konnten, sich zu sagen,
dass sie mit diesen Opfern irgend Jemand nützten. So entstand unter seinen
eigenen Anhängern das unbehagliche Gefühl, dass sie für einen Mann wirkten,
der nichts mehr zu erreichen im Stande war. Beim Volke nicht beliebt, yon
seinen Söldnern weder verehrt noch gefürchtet, seinen Freunden fast zur Last,
gab er, sowie er mehr und mehr zum Bewusstsein seiner Lage kam, endlich
selber den Math auf und verschlimmerte seine Lage dadurch noch mehr. Er
wurde argwöhnisch, wie Dionys es gewesen war, aber der Argwohn hatte nur
die Wirkung, ihn niedergeschlagen zu machen.
Diese Stimmung benutzte der Athener Kallippös , der mit ihm nach Sici-
lien gekommen war, zu einer ebenso schlau angelegten, wie abscheulichen
Intrigue. Der Mann war, wie Dion, ein Schüler Platon^s, aber Piaton verwahrte
sich nach seiner Unthat dagegen, dass in der Akademie die Freundschaft zwi-
schen beiden geschlossen sei; er schrieb sie gemeinschaftlicher Theilnahme
an Mysterien und anderen geheimen Verbindungen zu. Wie dem auch sein
mag, er genoss das Vertrauen des Dion und baute darauf seinen Plan. Er
wusste, dass, wenn Dion einmal aus dem Wege geräumt war, Niemand sich
rühren würde, ihn zu rächen, und dass er dann mit leichter Mühe sich. zum
Herrn von Syrakus machen könne. Die Herrschsucht wird genügt haben, ihn
zu seiner That anzuspornen, ohne dass wir zu der Vermuthung unsere Zuflucht
zu nehmen brauchen, dass er von den Feinden Dion's dazu bestochen worden
sei. Doch kann er immerhin sich bereits vor der That mit ihnen in Einver-
nehmen gesetzt und von ihnen die zur Ausführung seines Vorhabens unent-
behrlichen Geldmittel (man sagte 20 Talente) empfangen haben. Es gelang
ihm, das seit dem Morde des Herakleides unruhige und mit sich selbst zer-
fallene Gemüth Dionys mit Argwohn gegen eine Menge seiner Soldaten zu er-
füllen. Er hatte stets etwas zu berichten, was dieser oder jener Söldner über
ihn gesagt haben sollte, und wusste sich dadurch bei Dion den Anschein be-
sonderer Treue zu verschaffen. Er überredete ihn, dass es dringend noth-
wendig sei, zu erfahren, auf wen er rechnen könne, auf wen nicht; dies könne
aber nicht anders geschehen, als wenn Jemand sich stelle, als ob er eine Ver-
schwörung gegen ihn unternehmen wolle. Er bot sich selbst zu diesem
Freundschaftsdienste an , und Dion war schon so tief gesunken , dass er das
Anerbieten annahm. Hatte er durch den Mord des Herakleides sich in die Bahn
der Tyrannei begeben, die er zu stürzen gekommen war, so schritt er nun auf
derselben fort, indem er das Spionirsystem der Tyrannen in die Beziehungen
zu seinen Söldnern übertrug. Nun hatte Kallippös leichtes Spiel. Er setzte
sich mit allen Unzufriedenen in Verbindung und organisirte die Verschwörung
unter den [Augen Dion's, der von mehreren ihm treu gebliebenen gewarnt
wurde , aber in der Ueberzeugung, dass Kallippös nur das mit ihm Verab-
redete ausführe, nichts gegen ihn unternahm.
Dionys Stimmung wurde indess immer trüber, wozu ein grosser Unglücks-
1S8 Fünftes Buch. XI. Dion's weitere Thaten und sein Ende,
fall viel beitrug. Sein Sohn , der nach einigen von Dionys vor der Zeit zum
Theilnehmer seiner Ausschweifungen gemacht worden war und sich dem
Trünke ergeben hatte , starb durch einen pl&tzlichen Sturz vom Dache seines
bauses. Kallippos wusste auch diesen Vorfall zu benutzen. Er streute in Sy-
rakus das Gerücht aus, Dion habe die Absicht, da er nun kinderlos geworden
sei, Apollokrates, den ISohn des Dionys, zu adoptiren. Dionys Seelenzustand
wurde ein so düsterer, dass ihm die Aeusserung entfuhr, er werde froh sein,
den Tod zu finden, denn er sei es müde, nicht bloss vor seinen Feinden, son-
dern jetzt auch vor seinen Freunden fortwahi*end auf der Hut sein zu müssen.
Er wurde von schrecklichen Visionen gequält; Als er eines Abends allein in der
Halle seines Hauses in Nachdenken versunken sass , sah er plötzlich am ent-
gegengesetzten Ende derselben , im ungewissen Dämmerlichte eine gewaltige
Frauengestalt, den Erinnyen der Tragödie ähnlich, erscbeipen, welche mit
einem Besen das Haus auskehrte. In seiner Aufregung rief er schnell seine
Hausgenossen herbei und beschwor sie, ihn nicht allein zu lassen, damit nicht
die Erscheinung wiederkehre.
Wachsamer als Dion waren seine Schwester und seine Frau. Schon
langst war Kallippos ihnen verdächtig , und sie beobachteten alle seine Hand-
lungen. Kallippos aber betheuerte ihnen unter Thränen, dass er nichts Böses
gegen Dion vorhabe, und erbot sich zuxien höchsten Eiden. Sie verlangten
den Eid bei der Demeter, der geleistet wurde, indem der Schwörende im
Tempel der Göttinnen (der sogenannten Thesmophoren ) mit dem Purpurge-
wand bekleidet, eine brennende Fackel in der Hand hielt. Kallippos leistete
den verlangten Eid und fürchtete die Folgen desselben so ^enig, dass er die
Kureen, ein Fest der Demeter und Persephone, zur Vollführung seiner Unihat
auserwählte, er, der noch dazu in Athen als Mystagog den fremden Dion in die
eleusinischen Mysterien eingeweiht hatte. Die Mörder suchten Dion in seinem
Hause auf; er befand sich in einem Gemache desselben mit einigen Freunden.
Die Verschworenen theilten sich ; die Hälfte bewachte die Thüren von aussen,
die übrigen drangen, jedoch unbewaffnet, um aUen Argwohn zu vermeiden,
hinein und tiberfielen Dion. Von den bei ihm befindlichen versuchte Niemand
ihm zu helfen , jeder dachte durch Theilnahmlosigkeit sein eigenes Leben zu
retten. Die Mörder, zakynthische Söldner, hatten ihn mit den Händen zu er-
drosseln gedacht; aber es wollte ihnen nicht gelingen. Keiner wagte aber
auch die Thür des Gemaches zu öffnen und ein Schwert zu holen, weil sie
fürchteten , dass dann die im Zimmer befindlichen Freunde Dion's entlaufen
und Lärm machen möchten ; so hielten sie eine Zeitlang Dion fest, wie ein
Opferthier, das geschlachtet werden soll, bis der Syrakusaner Lykon einem
der Zakynthier durch ein Fenster einen Dolch hineinreichte, mit weichem Dion
gelödtet wurde.
Das Unternehmen hatte vollständigen Erfolg; Niemand rächte den Tod
Dion's. Wenn es wahr ist, dass ihm ein prächtiges Leichenbegängniss veran-
staltet wurde, dem das Volk in grosser Anzahl beiwohnte, so war die Vergel-
tung für den Tod des Herakleides vollkommen. Aristomache und Arete, Dion's
Schwester und Gattin, wurden in ein Gefängniss geworfen, in welchem die
letztere von einem Sohne entbunden wurde.
Ermordung Dion^s. Stellang und Charakter desselben. 1S9
So kam Dion um , ein Mann von au^ezeichnetem Charakter, aber luv
Begrtindung der Freiheit in Syrakus aus verschiedenen Gründen wenig ge-
eignet. Er war erstens Anbänger einer unpraktischen Philosophie und zwei-
tens durch sein früheres Leben nicht an die Formen eines freien Staates ge^
wohnt. Sein Ideal war ein falsches , und er^ymsste Überdies nicht die Mittel
zu finden, es in's Leben zu rufen. An der Wahiiieit des ersten Satzes kann
unmi^glich gezweifelt werden. Wenn eine vernünftige Aristokratie das Ziel
war, worauf er hinarbeitete, bedachte er dann wohl , dass es in einer Stadt,,
die wie Syrakus seit Jahrzehnten beständige Veränderungen in ihrer Ein-
wohnerschaft erlitten hatte, an allen Elementen einer wahren Aristokratie
fehlte, und dass man eine Aristokratie nicht schaffen kann, wie man einen
Senat oder ein Ephorenkolleg schafft? Und wäre sie möglich gewesen, so ver-
stand Dion nicht, sie zu organisiren. Er hatte nicht einmal die Pläne fertig, als
es Zeit war, sie anzuwenden, und verstand, an einem Tyrannenhofe aufgewach-
sen, noch weniger, einem freien Volke seine Ideen annehmbar zu machen,
obschon er sich so lange in Griechenland aufgehalten hatte. Aber nicht nur
seine politische Richtung und sein ganzer Bildungsgang machten ihn ungeeig-
net zum Begründer der Freiheit von Syrakus , die Thatsache seiner Herkunft
genügte dazu. Er war der Oheim des letzten Tyrannen und langjähriger Mi-
nister beider Dionyse. Nun war er allerdings das Haupt der Truppen, welche
den jüngeren Dionys gestürzt hatten, aber das reichte nicht aus, um dem
Volke von Syrakus Vertrauen zu ihip einzuflössen. Welche Garantien hatte er
denn gegeben , um demselben die Ueberzeugung beizubringen , dass es ihm
wirklich nicht um seinen eigenen Vortheil, sondern nur um das Beate der
Stadt zu thun war? So musste, auch^ohne den Conflict mit Herakleides, sein
Versuch scheitern, wie in unserer Zeit Versuche ganz ähnlicher Art gescheitert
sind, Versuche, in Ländern, welche lange absolut regiert waren , dadurch der
Einführung der Republik auszuweichen , dass man einer liberaleren Seiten-
linie des vertriebenen Hauses den Thron verschaffte. Dion's Herrschaft in Sy-
rakus entspricht der Idee nach etwa der Herrschaft der Orleans in Frankreich.
So wie Dion die entschiedene Demokratie nicht wollte und sich zuletzt nicht
anders halten konnte , als indem er zu Massregeln der Tyrannis seine Zuflucht
nahm, so sollte Louis Philippe^s Regierung Autorität und Freiheit vereinigen,
und sie fiel, weil sie auf künstliche Weise den ihr entschlüpfenden Einfluss
wieder zu gewinnen suchte. Die Franzosen wussten nicht recht, ob Louis Phi-
lippe, weil öder obgleich Bourbon, Frankreich beherrsche, und so vfar es auch
den Syrakusanem nicht klar, ob sie in Dion ein Mitglied des Hauses der Dio-
nyse oder einen Gegner desselben zum Herrscher hatten. Dion musste an dem
Conflict seiner Rolle mit seiner Herkunft zu Grunde gehen.
Aber der Versuch Dion's ist denüoch von grosser Bedeutung für Syrakus
gewesen, insofern er den Anfang einer Reaction gegen das Dionysische System
nach innen und nach aussen bezeichnet. Nach innen durch die von Dion den
Syrakusanem gewährte grössere Freiheit, nach aussen dadurch, dass an Stelle
von Sparta Korinth wieder als massgebende hellenische Stadt betrachtet
ward. Didn w^oUte Gesetzgeber aus Korinth kommen lassen. Aber es war
eben nur ein Anfang in beiden Beziehungen. Im Innern waren die freiheit-
190 Fünftes Bucb. XH. Neae Bedrttngnisse von Syrakus. Timoleon nach Sicilien.
liehen Anwandlungen Dion's nicht überall zum Vollzag gekommen , und Ko-
rinth's Einfluss war mehr gewünscht als erreicht worden. Auf andere Weise
musste Syrakus befreit werden. ' Statt der halben Freiheit musste der Stadt
die ganze geboten werden, statt einer künstlichen Aristokratie die Demokratie.
Aber auch der Befreier musste ein anderer Mann sein , ein Mann , der nicht
bloss wirklich uneigennüUig war, sondern auch über jeden Verdacht des
Eigennutzes erhaben, ein Mann , der schon Proben hoher Uneigennützigkeit
gegeben hatte. Das so lange gektiechtete Syrakus konnte nur ein Rorinther
befreien.
Zwölftes Kapitel.
Nene BedräBgnisse yon Syrakus. Timoleon nach Sicilien«
Die Begierung eines kräftigen Despoten kann einem Staate manchen
momentanen Nutzen bringen; die schlimmen Folgen treten später um so
deutlicher hervor. Wehe dem Reiche , in welchem beim Erloschen oder dem
Sturze eines Despotenhauses keine hervorragenden Staatsmänner vorhanden
sind ; es fällt der schlimmsten aller Despotien , der wechselnden Herrschaft
militärischer Führer, anheim. So ging es in England nach dem Tode Crom-
welFs, so in den spanischen Kolonien ,. nachdem die Herrschaft des Mutter-
landes aufgehört hatte. In Sicilien führte der Sturz des Dionys ähnliche Zu-
stände herbei. Er war nicht von den Syrakusanern , sondern durch fremde
Söldner besiegt worden , und daher herrschten diese durch ihre Feldherren.
Der erste war Dion gewesen, aber Dion war weder zum Tyrannen, noch
zum freien Bürger geschaffen. Er wollte, ohne die Kraft zur Durchführung
seiner Pläne zu besitzen, das Nützliche der Monarchie mit dem Edlen der
republikanischen Freiheit verbinden und wurde von seinen Söldnern getödtet;
sein Nachfolger wurde sein Mörder Kallippos.
Dieser hielt es anfangs für zweckmässig, den Schein anzunehmen, als ob
er aus Liebe zur Freiheit gehandelt habe, und schrieb in diesem Sinne einen
Brief an seine Vaterstadt Athen , in welchem er den angeblichen Tyrannen-
mord seinen Mitbürgern frech genug selbst anzeigte. Wenn er zuerst in
Syrakus wegen seiner anerkannten Tapferkeit bei manchen beliebt gewesen
war, so zeigte er sich bald in seiner wahren Gestalt als Militärdespot und
machte sich so bei Allen verhasst. Seine Herrschaft dauerte nur 43 Monate
(354—53 V. Chr., Ol. 406, 3 und 4). Er verlor Syrakus bei dem Versuch,
sich anderer sicilischer Städte zu bemächtigen. Als er Katane angriff, brach
ein Aufstand in Syrakus aus, und diesen benutzte Hipparinos, der Bruder des
jüngeren Dionys und Sohn der Aristomache , um sich von Leontini aus der
Stadt zu bemächtigen. Wie lange Kallippos Katane besessen hat, die Käsereibe,
wie er es spöttisch nannte, ist nicht klar. Später machte er einen vergeblichen
RegierungswQohsel in Syxakus. '191
Versuch, Messana zu erobern, und endlich, als er in Sicilien keinen Ort mehr
fand, der ihn aufnehmen wollte, gelang es ihm noch, Rhegion zu überrumpeln
(Ol. 407, 2 — 351 V. Chr.). Hier traf ihn dann endlich die Nemesis; er wurde
von seinen Genossen Leptines uud Polysperchon ermordet, wahrscheinlich
nach 350 und, wie man sagte, mit demselben Messer, mit dem Dion getddtet
^'orden war, und das man an seiner eigenthümlichen Verzierung erkannte.
Diese Schicksale des Kallippos geben schon einen Begriff davon, welche
Zustande in dem ehemaligen Reiche des Dionysios seit seinem Sturze herrsch-
ten. Es zerfiel in seine Bestandtbeile, wie das Reicb Alexander^s des Grossen,
nur mit dem Unterschiede^ dass nicht ganze Königreiche, sondern nur einzelne
Städte der Schauplatz der Usurpationen ehrgeiziger Generale waren.
Aber das Dionysische Haus bestand noch und suchte , wenn auch das
grosse Reich unwiederbringlich verloren war , wenigstens die Stadt Syrakus
sich zu erhalten. Hipparinos herrschte zwei Jahre (353 — 54 v. Chr., Ol.
4 06, 4 — 407, 2); er kam um, wie er gelebt hatte , im Rausche. Nach ihm
führte sein Bruder Nysaios in derselben Weise die Herrschaft in Syrakus, bis
er von Dionys II. vertrieben wurde, der nach zehnjähriger Abwesenheit sich
346 wieder zum Herrn der Stadt machte. Die ganze Familie, die Sohne der
Aristomache, wie die Söhne der Doris, hatten, ohne die geringsten Herrscher-
talente zu besitzen, sich das Verfahren von Räubern zum Vorbild genommen,
die eine eroberte Stadt nach Kräften und in möglichster Eile ausplündern,
weil sie wissen, dass sie sie nicht lange besitzen werden. Sie führten alle ein
so viehisches Leben, dass wir die unglücklichen Opfer ihrer Herrschaft nicht
genug bedauern können. Dionysios selbst hatte es in der Fremde noch ärger
getrieben als in Syrakus. Er besass hauptsächlich Rhegion und Lokri. Zuerst
und so lange er noch einige Aussicht zu haben glaubte, bald wieder nach Sy-
rakus zurückzukehron, wohnte er in dem von seinem Vater zerstörten Rhe-
gion , wovon er einen Theii unter dem Namen Phoibia wieder herstellte. Im
Jdhre 352 muss er von da nach Lokri sich begeben haben, worauf 354 Rhegion
durch Kallippos seine Selbständigkeit wieder erhielt, d. h. aus den Händen
eines Tyrannen in die eines andern überging. Lokri, woher ja die Mutter des
jüngeren Dionys stammte, war bis dahin verhältnissmässig selbständig ge-
blieben , freilich unter überwiegendem Einfluss der Verwandten der Doris.
Von diesen wurde der Tyrann gastlich aufgenommen, und er lohnte die
Freundlichkeit der Lokrer damit, dass er durch Ueberfall der Burg sich zum
Herrn der Stadt machte, und dort den scheusslichsten Uebermuth beging, »dem
später, als er nach Syrakus zurückkehrte, eine eben so unmenschliche Rache
folgte. Dionys hatte von seiner Familie nur- seinen älteren Sohn ApoUokrates
mitgenommen, seine^Frau aber, zwei Töchter und einen jüngeren Sohn in
Lokri zurückgelassen. Die Lokrer vertrieben die Besatzung des Dionys , be-
mächtigten sich der Familie des Tyrannen und tödteten sie unter den grau-
samsten Martern , von denen sie durch keine Anerbietungen des Dionys und
keine Fürsprache der Tarentiner zurückgehalten werden konnten.
Auch in Syrakus wüthete Dionys noch schlimmer als während seiner
ersten Herrschaft, und die zur Verzweiflung getriebenen Bürger, besonders
die aristokratische Partei, wandte sich mit der Bitte um Hülfe an Hiketas, den
Fönfles Bocb. Xll. Neue Bedrängnisse von Syrakus. TimoleoD nicb Sicilien.
scher von Leontiai. Diese Stadt war schoD im Jabre 356 v. Chr. von
I abgefallen , und damals voa Pliilistos mit einer betrachtlicbeii Streit-
, SOOO Fiisssoldaten uod über 1000 Reitern, jedoch vergeblidt aoge-
wordeD. Dann batte sich , wie wir wissen , Dion von Syrekus dabin
:gezogen, auch Dion's Anhänger, die sich nach seinem Tode g^en Kal-
erboben, waren, besiegt, dahin geflohen, und endlich war Leontini in
wall des Hikctas gekommen , der ein geborener Syraknsaner und ehe-
r Freund Dion's war. Dass er aber ebenso schlecht war wie alle
inber dieser Zeit, beweist das, was er an der Familie seines Freundes
Ms, wohl schon vor dem Sturze des Katlippos, Dion's Gattin, Schwester
Dhn aus dem Geföngniss entlassen wurden, nahm Hiketas ^e unter sei-
cbutz, und behandelte sie anfangs gut. Dann mussten sie ein Schiff
jen, das sie nach dem Pelt^nnes in "Sicherheit bringen sollte, und nn-
ts wurden sie auf seinen Befehl in's Meer geworfen. Zu ihm nahm
IS seine Zuflucht, um der Tyrannei des Dionys zu entgehen, und es
en sogar viele Vornehme nach Leontini tlber.
Var die Lage von Syrakus höchst traurig , so war die der Übrigen sicili-
Stadte nicht viel besser. In Katane herrschte als Tyrann Hanaerkos, ein
von italischer Herkunft, aber gracisirt, da er Tragttdien und andere Ge-
schrieb; in Apollonia und Engyion Leptines, von dem schon bei Bbe-
lie Rede war, in Kentoripa Nikodemos, in Agyrion Apolloniades , alles
therrscher. Der einzige tüchtige und gute Mann unler den damaligen
;hen Dynasten war Andromacbos von Tauromenion , der Valer des Ge-
tscbreibers Timaios, welcher um Ol. 105, 3 — 358 vor Chr., kura
;m Sturze des jüngeren Dionys, mit den Uefoerblei bsein der Bew(^ner
llen Nasos die Stadt Tauromenion auf dem Berge Tauros gegrtmdet
.ielmehr neu gegründet hatte, denn auf demselben Berge hatten vor
chon Sikeler und Söldner gewohnt. Alle Schrecknisse des Krieges
en die Insel, auslandische Miethstnippen, die, als die Dionyse ihr grosses
noch beherrschten, doch wenigstens in strenger Zucht gehalten wurden,
pltlndemd umher, und verwüstete Aecker, verSdete Städte zeigten, wie
las Land in diesen Zeiten zurückgekommen war. Tapfere und unler-
;Dde Menschen, denen endlich das Land nicht genug Beule mehr darbot,
i zu Schiffe und fuhren an der Küste Italiens auf Raub entlang. Das
les Unglücks wurde voll durch einen neuen Einfall der Karthager. Diese
sich seit dem Tode des alteren Dionys ruhig verhalten , theils in deib
le , dass sie der syrakusanischen Macht nicht gewachsen seien , Iheiis
ie abwarten wollten , ob nicht die Griechen sich unter einander aurrie-
Das schien allmählich einzutreten. Dazu kam, dass ein im Jahre 3tS
r. mit den Römern abgeschlossener Handelsvertrag ihre Beziehungen
nittleren Italien regelte und sie so fähiger machte , ihre Aufmerksamkeil
n wieder zuzuwenden. Die Auflösung des Dionysischen Reiches balle
t grossen Bofl'nungen erfüllt, und als nat^ einander alle Beherrscher von
US gestürzt wurden und in ganz Sicilien die Anarchie immer mehr zu-
, da glaubten sie die Zeil gekommen , die Eroberung der ganzen Insel
assicht auf Erfolg wieder zu versuchen , und sie rüsteten sich zu einem
Die Sytakosaner bitten Korintii um Hülfe. 193
gewaltigen Feldzuge. Unter Magon^s Oberbefehl (Diodor nennt Hannon] stell-
ten sie 150 Kriegsschiffe, 50,000 oder 60,000 Soldaten, 800 Wagen; über
2000 MaaleseTgespanne waren dazu bestimmt, die Masse der Lebensmittel
und Kriegs vorräthe fortzuschaffen. Mit richtiger Ueberlegung knüpften sie
mit den Tyrannen der Insel freundschaftliche Beziehungen an , nur iiicht mit
Dionys, auf dessen Besitz, die Burg von Syrakus, sie es besonders abgesehen
hatten. Dagegen schloss Hiketas sich ihnen an, den die Syrakusaner so eben
zu ihrem Feldherm gegen Dionys erwählt hatten. Wenn die Pläne der Kar-
thager sich verwirklichten, so war es um die Griechen auf Sicilien geschehen ;
Punier und italische Söldner, jene oft genannte Verstärkung des einheimischen
Elementes der Sikeler, wurden die Herren der Insel, und die Weissagung, die
der Verfasser des achten Platonischen Briefes, gewiss nach dem Vorgange
At)derer, ausspricht, dass bald die griechische Sprache auf Sicilien verstum-
men werde, musste in ErfüHung geben.
In dieser Noth erinnerten sich die Syrakusaner, welche noch nicht wuss-
ten , das» ihr Beschützer Hiketas sich mit den Karthagern verbunden hatte,
daran, dass es noch ein Korinth gab, dass ihre Mutterstadt stets ein warmes
Herz für ihr Interesse gehabt hatte, und dass , wenn irgendwo , stets bei ihr
Theilnahme zu finden gewesen war, und sie beschlossen, die Korinther um
Hülfe zu bitten, die sich mit ziemlichem Glücke durch eine gemässigte Oligar-
chie von Tyrannenberr^chaft frei %u halten gewusst hatten. Hiketas konnte
nicht umhin , das Hülfsgesuch Öffentlich zu billigen , in der stillen Hoffnung,
dass die Korinther nicht im Stande sein würden, darauf einzugehen.
In Griechenland war soeben der heilige Krieg durch den plötzlichen Ein-
bruch des Königs Philipp von Makedonien und die Deberwindung der Phokier
beendigt worden, und es war ein Friede hergestellt (Ol. 408, 3 — 346 v. Chr.),
den nicht einmal die Athener zu brechen wagten. Korinth bedrängte kein
Feind, und deshalb konnte es dem Wunsche der Syrakusaner willfahren.
Freilich wai* die Hülfe, welche es leisten konnte, eine recht beschränkte. Es
vermochte nicht, Tausend© von Kriegern nach Sicilien zu werfen, durch
welche der Masse der karthagischen Soldaten em Gleichgewicht geschaffen
wäre ; es konnte im besten Falle einen guten Feldherm mit wenigen Kern-
truppen senden. Das war aber in Wirklichkeit die beste Hülfe. In den Heeren
des Alterthums, wo Muth, Kraft und Gewandtheit des Einzelnen, zusammen-
gehalten durch eine gute Führung, über den Erfolg entschieden, konnte durch
einen ausgezeichneten Feldherrn, der einige ausgewählte Krieger bei sich
hatte, das Wunderbarste geleistet werden. Wenn noch dazu der Feldherr
durch seine Herkunft Achtung gebot , so konnte er auf einen fast sicheren Er-
folg rechnen. Hieraus erklärt sich die Bedeutung, welche einzelne Spartaner
im Auslande erlangten, bei denen der ihnen vorangehende Ruf der lakedämo-
nischen Tapferkeit und Kriegserfahrung die individuellen Leistungen wesent-
lich erhöhte. So war Syrakus einst durch Gylippos gerettet worden. Dass die
Syrakusaner sich aber jetzt nicht an Sparta wandten, war sehr natürlich.
Sparta war ein ganz anderes geworden, und die Syrakusaner hatten das zu
ihrem Schaden erfahren. Es hatte den älteren Dionys fortwährend gestützt,
und die Spartaner, welche seit dem Ende des peloponnesischen Krieges nach
Holm, Gesell. Siciliens. II. 13
194 FUnfies Buch. XII. Nene Bedraogoisse von Syrakas. Timoleon nach Sicilien.
"' '" i gekommen waren, hatten sich tlieils als unbedeutend, wie Gaisy-
leils als grundschlecht gexeigt, wie Pharax. Die meisten Spartaner,
der ersten Halfle des i. Jahrhunderle v. Chr. im Auslände eine Rolle
1 , waren Menschen vom Schlage Lysander's, nur ohne seine tüditlgen
chaften. Es war viel eher in Eorinlh als in Sparta ein Mann zu finden,
t militärischer Begabung und Erfahrung die nOthige Selbstverläi^ung
d, um Syrakus zu retten, ohne sich selbst auf Kosten der Stadt gross
:hen.
Is die Korinlher darüber herietben, wem der Oberbefehl anvertraut
1 solle , nannte eine Stimme aus dem Volke den Namen des Timoleoo,
gleich stimmten alle in den Ruf ein. Timoleon war der Sohn des Timo-
oder Timainetos und der Demarista , aus einer angesehenen koriothi-
^n Familie. Er war etwa um das Jahr Hi v. Chr., Ol. 92, S geboren.
: ebenso besonnen wie tapfer und galt schon fiilh viel bei seinen Hil-
n. Der HauptzUg seines Charakters war seine Liebe zum Vaterlande
ir Freiheit, ein Gefühl, aus dem eine ebenso erhabene wie schreckliche
ervoi^ing. Er hatte einen alteren Bruder Timopbanes, der von Ebrgeii
len nach der Tyrannis strebte. Trotzdem gab Timoleon ihn nicht auf;
e ihm in einer Sdilacht gegen Argos und Kleonai, in welcher Timophanes
inem scheu gewordenen Pferde mitten unter die Feinde geschleudert
las Leben gerettet und bemUhte sich farlwtthrend, sowohl ihn von Usar-
der Herrschaft zurückzuhalten , als sein oft verdachtiges Benehmen bei
olke zu entschuldigen. Endlich fand sich für Timophanes eine Gelegeo-
■einen Plan auszuführen. Seine Partei, die besonders aus Leuten der
n Volksschicht bestand , welche er durch Freigebigkeit an sich gefesselt
setzte es durch, dass im Jabre 366, als die Thebaner ihren dritten Feld-
den Peloponnes unternahmen, aus Hisstrauen gegen die verbandelen
!r iftO Söldner angeworben und Timophanes zum Anführer derselben
It wurde. Er hatte nun eine Leibwache und war thatsachlicb Tyraoa
ndt, Vei^eblich waren Timoleon's Bemühungen, ihn zu bestimmen, die
ais niederzulegen. Als er sah, dass seine Mahnungen nichts fruchteten,
«dete er sich mit Aischylos, dem Bruder der Frau des Timophanes, uod
eher Satyros oder Orthagoras, und sie gingen zusammen auf die Bui^.
«schworen sie Timophanes noch einmal , der Stadt die Freiheit wteder-
m ; aber er verlachte sie, und als sie weiter in ihn drangen , gerietb er
n. Da trat Timoleon bei Seite und verhüllte weinend sein Antlitz: die
I andern aber zogen ihre Schwerter nnd stiessen Timophanes nieder,
ie That, von vielen und angesehenen Bürgern gebilligt , halle das ver-
enartigste Urtheil über Timoleon zur Folge. Wahrend die einen die
itsliebe des Mannes, die alle anderen Gefühle zurückgedrängt hatte, be-
irten, sahen andere, die die Tyrannenherrschaft der Aristokratie voro-
n ihm nur einen BrudermQrder , und zum Unglück für Timoleon war
eigene Mutler von diesem Gefühle so gSnzlich beherrscht, dass sieibn
!ss und verfluchte. Dies machte auf Timoleon einen furchtbaren Eio-
. Er wollte sich aller Nahrung enthalten und so seinem Leben ein Ende
n und konnte nur durch die dringenden Zureden seiner Freunde von
RüstuBgen TimoleoD's. 195
diesem Entschlüsse abgebracht werden. Aber er war nicht dazu zu bewegen,
an dem öffentlichen Leben der Stadt Tbeil zu nehmen ; er lebte einsam auf
dem Lande und vermied den Umgang mit Menschen. £s bedurfte eines grossen
Ereignisses, um ihn wieder aufzurichten.
Timoleon hatte gegen zwanzig Jahre in der ZurUckgezogenheit gelebt, als
das Bittgesuch der Syrakusaner in Rorinth eintraf. Das Volk erwählte ihn zum
Feldherm, und der angesehenste Mann der Stadt, Telekleides, der ein Gegner
seines Bruders gewesen war, wusste ihn durch geschickte Hinweisung auf den
Mord des Timophanes zur Annahme des Auftrages zu bewegen. Wenn du in
diesem Streite tapfer kämpfest, sagte er ihm, wird man sagen, dass du damals
einen Tyrannen , nicht einen Bruder getödtet hast. Timoleon nahm das Amt
an; die Aufgabe, Syrakus zu retten, verdiente das Opfer seiner Trauer, ja
seines Lebens. Er war eifrig damit beschäftigt, Soldaten zu sammeln und
alles sonst zur Expedition Nöthige zu beschaffen, als ein Schreiben von Hiketas
eintraf, das mit seiner klar ausgesprochenen Absicht, die korinthische Hülfe-
leistung zu verhindern, den Eifer dafür noch steigerte. Er hatte sich in seiner
Erwartung, das Gesuch der Syrakusaner werde unberücksichtigt bleiben, ge**
täuscht gesehen und schrieb deshalb , man möge sich nicht mehr die Mühe
und die Kosten machen, Truppen nach Sidlien zu schicken,''da er schon genö-
tbigt gewesen sei, beim Ausbleiben der korinthischen Hülfe sich an die Kar-
tbager zu wenden, und diese es nicht dulden wollten, dass korinthische Schiffe
nach Syrakus kämen. Während dieses Schreiben die Korinther noch mehr
anfeuerte, gaben 'günstige Vorzeichen die besten Aussichten auf das Gelingeu
des Unternehmens. Den Priesterinnen der Köre erschienen Demeter und Per-
sephone im Traume , zur Reise gerüstet und mit den Worten , dass sie mit
Timoleon nach Sicilien fahren wollten. Deshalb wurde eine von den Trieren
Timoleon^s den beiden Göttinnen geweiht. Timoleon selbst ging nach Delphi
und opferte dem Apollo, und als er hier in das Heiligthum hinabstieg, fiel eine
unter den Weihgeschenken aufgehängte Binde, auf welcher Kränze und Sie-
gesgöttinnen eingewebt waren , herab und .auf das Haupt Timoleon's , der so
vom Gotte selbst bekränzt zu seinem Unternehmen entlassen wurde. Und als
die Vorbereitungen beendigt waren und er mit seiner kleinen Flotte von 7 ko-
rinthischen, 2 kerkyräischen und einem leukadischen Schiffe zur Nachtzeit mit
günstigem Winde in See stach (334 v. Chr.), da öffnete sich über den Schiffen
der Himmel und goss eine Masse Feuers aus, und eine Fackel, den in den My-
sterien der Demeter gebräuchlichen ähnlich , sphwebte vor den Schiffen her
und zeigte ihnen den Weg nach Italien. Es wurde ilen Wahrsagern nicht
schwer, dies Wunder so zu erklären, dass die Göttinnen wirklich, wie sie . im
Traum den Priesterinnen in Korinth mitgetheilt, Timoleon nach Sicilien, ihrer
heiligen Insel, geleiteten.
Hier war indessen Hiketas offen zu den Karthagern übergegangen, welche
mit ihrer grossen, vorhin näher angegebenen Macht allmählich nach dem Osten
der Insel vorrückten. Sie wandten sich zuerst gegen Enteila, das, wie wir
wissen, Kampaner bewohnten. Diese, der karthagischen Macht nicht gewach-
sen, hielten sich in ihren Mauern, und sandten um Hülfe in befreundete Städte.
Die Furcht vor den Karthagern war aber so gross, dass nur Galeria 1000 Sol-
13*
196 FiinftesBuch. Xl[. Neue Bcdroogoiwe von Syrakus. Timoleon nacb Sicillea.
daten schickte, und diese überfielen die Karthager Dniarwegs mit po^er
Uebermacht und hieben sie sfimmtlieh nieder. Hierdurch wurden auc^ die
Kflmpaner in Aetna , die als Landsfeule der Bewohner von Enteila daran ge-
dacht hatten, ihnen Beistand zu leisten, davon at^esdtrackt, und Entella blieb
eingeschlossen. Hikelas selbst fahrte den Krieg g^en Diooys mit Glttcfc. Er
cog gegen Syrakus und verschanzte sicä beim Tempel des olympischen Zeus,
in der Nahe des grossen Hafens. Hock gingen ihm bei der Bel^erung, die
sich in die Lange zog, die Von^he aus, und er entst^loss sich , wieder nach
Leontini lurtlck zukehren. Dionys verfolgte ihn und griff den Nachtrab des
Heeres an, ward aber vollständig geschlagen. 3000 seiner Söldner fielen ; die
Ulwigen Qohen, und Uiketas drang zugleich mit den GesohlBgeneo in Syrakos
ein und bemächtigte sich der Stadt, mit Ausnahme der Burg auf der lus^.
Ehe er noch diesen Erfolg errungen halte, schickte er schon ein karthagisches
Kriegsschiff dem Timoleon entgegen, welebes diesen in Metapont traf, und
dessen Befehlshaber sieb vergebens bemühten , Timoleon von der Fortseliung
seiner Fahrt abzubringen. Er fahr vielmehr so schMell als mSglicfa nach Kbe-
. ^on , dessen Bürger ihn gerufen hatten , und kam dort drei Tage nach der
Einnahme von Syrakus sn. Von hier war er bereits im Begriff, nach Sicilien
hinüberzugehen, als neue Hessr^eln der Karthager und des Hiketas ihn idid
Verweilen ntithigten. Es kamen Boten von Hiketas auf karthagischen Schißea,
mit der Aufforderung an Timoleon , allein zum Hiketas za kommen und ibei
mit Bath und That bei der Vertreibung des Dionys beizustehen ; das grie-
chische Heer sei erstens überflüssig, weil Dionys doch bald Überwunden sein
werde, und zweitens kttnne es nicht auf die Insel gelangen , da die Karthsger
sich ntfthigenfalla mit Gewalt seinem Uebergang widersetzen würden. SO kar-
thagische Trieren lagen unweit Rbegion's, und die Befehlshaber des Gesobwa-
ders bestätigten die Worte der Bolen des Hiketas. Gross wie der Unwille Ober
die VerräÜierei des Despoten von Leontini und das Mitieid mit den verrathe-
nen und verkauften Syrakusanern war, so befanden sich Timoleon und die
Seinen dennoch nicht in der Lage, ihren Uebergang nach Sieilien erzwingen
tu können. Han musste seine Zuflucht zu einer List nehmen.
Timoleon erwiderte, es bleibe ihm dann freilich nidits anderes übrig, ab
sich zu fügen and nach Hause zurückzukehren. Da es sich hier aber ganz be-
sonders um das Schicksal der Stadt Syrakus handele, für die Hiketas sorgen
zu wollen vorgebe , so sei es angemessen , dass die Verhandlungen hierüber,
nach deren Beendigung die Korinlher sich erst zurückziehen könnten , in der
Versammlung des Volkes von Rhegion, als eines vollgültigen Zeugen, siattlün-
den. Man ging auf den Vorschlag ein, und als die Versammlang beginn«!
sollte, verschlossen die Rheginer die Thore, angeblich, damit die Berathungen
durchaus ungestört blieben, io Wirklichkeit, damit nur diejenigen die Stadt
veriassen kSnnlen, denen sie es erlaubten. Sie waren mit Timoleon im Ein-
verstündoiss ; auch Bhegion hatte ein Interesse daran, dass nicht die Karthager
ihre Nadibarn würden. Als nun alle Betheiligten versammelt waren, eröffneten
die Feldherren von Bhegion die Berathungen und redeten, einer nach dem
andern, mit mdglichster WeitläufigkeR über die Sache. Timoleon stand neben
der RednerhUbne, und es schien jeden Augenblick, als werde er nun selbst
Timoleon nach Tauromenion. Timoleon bei Hadranon. 197
duftreien. Unterdessen aber verliess ein korintbiscbes Schiff nach dem andern
den Hafen, und die karthagischen Schiffe, deren Leute grösstentheils am Lande
waren, konnten nichts dagegen unternehmen. Als nur noch das Admiralschiff
Timoleon's übrig war, welches zur Abfahrt bereit, auf seinen Feldherm war*-
tete , gab man Timoleon ein Zeichen und er entfernte sich unbemerkt. Bald
darauf, als es zu spät war, die Flotte noch einzuholen, wurde die List entdeckt,
und die Rheginer, äusserst erfreut, dass alles so wohl gelungen war, verspet-
ten die aufgebrachten Karthager mit den Worten , sie mttssten sich als Punier
doch gerade über gelungene Listen freuen.
Timoleon fuhr nach Tauromenion , wo er von Andromachos mit offenen
Armen empfangen wurde. Er war sein e^rster Verbündeter auf Sicilien , und
Hess sich durch die Drohungen der Karthager nicht von seinem Entschlüsse
abbringen, Timoleon zu unterstützen. Ein karthagischer Gesandter sagte ihm
unter anderm, wenn er liicht aufs schleunigste die Korintber entferne, so solle
seine Stadt umgestürzt werden, wie er die Hand jetzt vor seinen Augen um-
kehre. Andromachos streckte als Antwort ebenfalls die Hand aus und sagte,
indem er sie umkehrte , wenn er nijcht auf der Stelle sich mit seinem Schiffe
entferne, so werde er es mit ihm ebenso machen.
£ip war denn Timoleon in Sicilien, aber es schien den Griechen auf der
Insel, als hinge er nur so am Rande, während Hiketas , der die Stadt Syrakus
mit Ausnahme der Insel beherrschte , eine karthagische Flotte in den grossen
Hafen rief und also die Feinde der Freiheit der Griechen eine viel vortheilhaf-
tere Stellung einnahmen , als ihre Yertheidiger. Ausserdem war man anfangs
wenig geneigt, dem Timoleon bessere Absichten zuzutrauen, als* die anderen
aus Griechenland herübergekommenen Führer gezagt hatten. Deshalb dauerte
es eine geraume Zeit, ehe sich eine zweite sicilische Stadt an Timoleon an-
schloss, während einst Dion alles sogleich zugefallen war.
Endlich gaben die Verhältnisse der kleinen Stadt Hadranon ihm Gelegen-
heit , seine Stellung zu verbessep und von seinem Charakter und seinen
Talenten eine Probe zu geben. Es bildeten sich in diesem durch den CuHus
des Hadranos in ganz Sicilien bekannten Orte zwei Parteien, von denen die
eine Hiketas, die andere Timoleon herbeirief. Beide kamen, aber Hiketas mit
5000, Timoleon mit nur 1200 Mann. Die Entfernung von Tauromenion nach
Hadranen betrug «340 Stadien , von denen Timoleon am ersten Tage den kiei-
neren Theil zurücklegte. Am zweiten Tage marschirte ec angesirengter und war
gegen Abend der Stadt nahe^ als er vernahm, dass Hiketas ihm bereits zuvor-
gekommen sei und in grösserer Nähe der Stadt lagere. Seine Unterbefehls-
haber Hessen sogleich die Vordersten Halt machen, und schlugen Timoleon
vor, die Soldaten ihre Mahlzeit einnehmen zu lassen, damit sie, hierdurch
gdiräftigt, die Feinde angreifen könnten. Timoleon aber stellte den Soldaten
lebhaft vor, wie vortheilhaft es sei, wenn sie die Feinde ganz unvermuthet bei
der Bereitung der Mahlzeit und dem Aufschlagen des Lagers überfiden, nahm
den Schild und schritt ihnen, yne zum sicheren Siege, voran. Freudig folgten
alle , legten die etwa 30 Stadien , die sie noch von den Feinden trennten,
schnell zurück, und überfielen sie so unerwaitet, dass das Heer des Hiketas
segleieb die Flucht ergriff. Nur etwa 300 der Feinde fielen, nngeßihr die dop-
\. . .
v^:»"
r. • >
198 FÜQftes Buch. XII. Neue Bedr&ngnisse von Syrakus. Ttmoleon nach Stcilien.
pelte Zahl wurde zu Gefangenen gemacht , das ganze Lager fiel in Timoleon's
Hände. Nach dem Siege öffneten die Hadraniten ihre Thore, begrüssten Timo-
leon und meldeten ihm , dass während der Schlacht sich die Pforten des Ha-
dranostempels geöffnet hätten, und dass die Lanze des Gottes gebebt habe und
sein Antlitz mit vielem Schweisse bedeckt gewesen sei.
Der Sieg bei Hadranon änderte die Lage Timoleon's vollständig. Zunächst
fand er Bundesgenossen , an denen es ihm vorher fast gänzlich gefehlt hatte.
Ausser den Hadraniten schlössen sich ihm die Bewohner einiger anderer Städte,
besonders von Tyndaris , an und — ein Zeichen , dass er anfing , für mächtig
und bedeutend zu gelten — Mamerkos , der Tyrann von Katane, der mit Sol-
daten und Geld wohl versehen war. Er zog nun gegen Syrakus, in dessen
Besitz sich Dionys und Hiketas theilten. Hier bewirkte die kräftige Kriegfüh-
rung und die edle Persönlichkeit Timoleon's etwas, das einem Wunder ähnlich
sah. Dionys, gegen den sich alles gewandt hatte, der unter den Sicilien be-
herrschenden Mächten keinen Freund fand , ergab sich Timoleon und über-
lieferte ihm die Burg. Er hatte offenbar darauf gewartet, mit Anstand und
Sicherheit von der politischen Bühne abtreten zu können , und erst die Anwe-
senheit eines Vertreters der Mutterstadt, der als solcher über den Parteien
stand , und zwar eines klüftigen und humanen Mannes , gab ihm die Mög-
lichkeit, seinen Wunsch zu erfüllen. Auch hier tritt wieder die in den hel-
lenischen Dingen nicht selten sich überraschend offenbarende grosse mora-
lische Macht der Mutterstädte hervor, die , zur rechten Zeit geltend gemacht,
eine ungemeine Wirkung ausübte. Aber die Uebergabe musste heimlich ge-
schehen, denn Hiketas und die Karthager waren noch stark genug, um zu
Lande und zu Wasser eine offene Communication zwischen der Burg und Ti-
moleon zu verhindern. Viertiundert Soldaten Timoleon^s, unter der Anführung
der Korinther Eukleides und Telemachos , wurden in kleinen Abtheilungen in
die Burg gebracht. Hier fanden sich die werth vollsten Yorräthe. Maschinen
und Geschosse in grosser Menge lagen aufgespeichert, Waffen für 70,000 Mann;
eine Anzahl Pferde und 2000 Söldner wurden von Dionys ebenfalls an Timo-
leon abgetreten. Dionys selbst nahm die Schätze, die ihm noch geblieben
waren, ging mit einigen Freunden zu Schiff und gelangte trotz der Wachsam-
keit des Hiketas in Timoleon's Lager. Dieser hatte dem Tyrannen für die
Ueberlieferung der Burg mit ihren Vorräthen gerne zugestanden, dass er sein
Leben in Ruhe in Korinth beschliessen dürfe , das hundert Jahre früher auch
Duketios aufgenommen hatte. Er ging dahin auf einem Kriegsschiffe. Er ist
nicht wieder nach Sicilien zurückgekehrt und hat keine politische Rolle mehr
gespielt.
Dies war das Ende der Dionysischen Dynastie., die von 405 — 344, also
61 Jahre hindurch die Geschicke Siciliens geleitet oder doch wesentlich beein-
flusst hatte. Der jüngere Dionys selbst hatte die von seinem Vater ererbte
Herrschaft zuerst über 40 Jahre, von 367 — 356 behauptet, war dann, von
Dion vertrieben, 4 0 Jahre lang, bis 346 in italischen Städten Tyrann gewesen,
und hatte endlich noch 2 Jahre lang, bis 344, die Burg von Syrakus iiine ge-
habt. Sein Leben war schle<^ht gewesen , aber er hatte durch das , was in
Lokri seiner Familie widerfuhr, furchtbar für seine Sünden gebüsst. Man kann
Dionys in Korinlb. 199
nicht sagen, dass er seine früheren Tbaten bereute ; die Yeriiältnisse nöthigten
ihn, auf den Glanz und die Ueppigkeit der Tyrannis zu verzichten, und das
einzige Lob , das man ihm spenden kann , besteht darin , dass er diese Ver-
hältnisse zu rechter Zeit zu erkennen und sie besser zu benutzen verstanden
hat, als die Zeit seiner Macht und seines Glückes. Er ist eine eigenthtlmlichere
Figur in der Verbannung in Korinth , als auf dem Herrscherthrone in Syrakus
oder in Lokri. Von Würde , wie sie ein ehemaliger Tyrann vielleicht hatte
zeigen können , war wenig in seinem Betragen zu spüren. Man sah ihn auf
dem Markte mit einer Gemüsehändlerin um ihre Waaren feilschen , im Bar-
bieriaden mit anderen Bürgern sitzen, in den Schenken, in denen das niedere
Volk zusammen kam , trinken , Sängerinnen Unterweisungen über ihre Kunst
ertheilen oder mit ihnen über musikalische Fragen sich in Streit einlassen,
und auf öffentlicher Strasse gemeinen Weibspersonen zunicken. Das ent-
sprach alles seiner Natur, die nur nach Vergnügen trachte, und in der Aus-'
wähl desselben nicht eben wählerisch war ; es ist aber klar^ dass er auch aus
Gründen der Klugheit so lebte. Denn er musste sicherer sein , sein Leben
ruhig hinbringen zu können , wenn er den Korinthem möglichst wenig Ver-
dacht einflösste. Er war nicht ohne natürlichen Verstand, und es sind einige
Worte von ihm erhalten, die nicht ungeschickt gewandt sind. So äusserte er,
als er auf seiner Fahrt nach Korinth zuerst nach Leukas , einer korinthischen
Kolonie kam : Es gehe ihm wie Jünglingen , die ein leichtsinniges Leben ge-
führt hätten ; wie diese gern mit ihren Altersgenossen umgingen , aber sich
scheuten, ihren Eltern vor die Augen zu treten, so schäme er sich, nach Ko-
rinth zu gehen, und er würde es vorziehen, in Leukas zu leben. Er w^ar eine
der Merkwürdigkeiten von Korinth , die Fremde nicht leicht zu sehen ver-
säumten. Wenn einer oder der andere derselben glaubte, ihn mit leichter
Mühe verspotten zu können , so fand er in der Regel an ihm seinen Meister.
Jemand fragte ihn höhnisch : Was hat dir denn nun das Philosophiren mit
Piaton genützt? Und er antwortete: Rechnest du das für nichts, dass ich den
Wechsel des Glücks so gleichmüthig ertrage ? Dem Musiker Aristoxenos und
andern erwiderte er auf ihre Frage, wie es denn gekommen sei , dass er sich
mit Piaton entzweit habe. Das ist eben das Unglück der Tyrannen, dass keiner
ihrer sogenannten Freunde ihnen die Wahrheit sagt ; durch falsche Freunde
habe ich Platon's Freundschaft verloren. Als einer, der sich für witzig hielt,
beim Eintritt in die Wohnung des Dionys sein Gewand ausschüttete, als käme
er zum Tyrannen, der verborgene Waffen fürchtet, sagte ihm Dionys: Du
thätest besser, es beim Fortgehen auszuschütten, damit ich sehe, dass du
nichts von meinen Sachen mitgenommen hast. Es heisst, dass er in Korinth
in Armuth verfiel. Das kann sich , wenn es wahr ist, nur auf die letzte Zeit
seines Lebens beziehen. Als er nach Korinth kam, besass er Vermögen. Da-
mals verkaufte er sein kostbares Mobiliar an Dionysios. den Tyrannen von
HeraUeia in Pontus, und da dies Mobiliar so prachtvoll war, dass seine Er-
werbung der Dynastie von HeraUeia besondem Glanz verlieh , so dürfen wir
annehmen, dass auch die Summe, welche er dafür empfing, eine sehr bedeu-
tende war. Ob er seine Reichthümer durch fortgesetzte Verschwendung ver-
lor , oder ob er sich arm stellte, um sicherer zu sein ? wir wissen es nidit.
200 Fünftes Buch. XIII. Timoieon befreit Syrakus, siegt am Krimisos. Seine letzten Jahre.
Mancherlei ist uns aber benchtet von den Beschäftigungen , die er in Korinih
aus Armutb habe übernehmen müssen. Elearchos aus SoJi, ein Schüler. des
Aristoteles, erzahlt, dass Dionys Metragyrt wurde. Dies war eine Art von Bet-
telmönchen, Priester der grossen Göttermutter, die unter den Tönen des Tym-
panons im Lande umherzogen , sich scheusslich verstümmelten und für die
Göttermutter bettelten. Diese Menschen waren gegen Belohnungen zu allem,
Sühnungen wie Mordthaten, bereit und gehörten zum Abschaum der Mensch-
heit. Eine andere Sage lässt ihn Schulmeister werden. Er soll auf öffentlichen
Plätzen Kinder unterrichtet haben ; wie Cicero meint , um noch Jemand zu
haben , den er quälen könne. Dionys kann das Geschäft eines Schulmeisters
wie das eines Metragyrten ebenso wohl zu seiner Unterhaltung, wie aus Noth
betrieben haben ; dass er es aber gethan , ist an und für sich nicht unwahr-
scheinlich. Ein Mensch wie er, der in seinem Leben so viele Freuden und
•Leiden 4urchgekostet hatte, und der sich aus dem Urtheile d^r Menschen so
wenig machte, konnte sich in alle Berufe finden. War doch gerade die Philo-
sophie des Aristipp , die Dionys in der Praxis immer der Platonischen vorge-
zogen hatte, dazu geeignet, ihn nöthigenfalls zu einem ebenso guten Beltel-
priester zu machen, wie er ein schlechter Tyrann gewesen war.
Im Jahre 337 v. Chr. [OL 110, 4), wo Philipp, Macedoniens König, sich
in Korinth befand, würdigte er, wie wir früher sahen, Dionys seines Umgan-
ges. Wie lange der ehemalige Tyrann Siciliens , den Alten das schlagendste
Beispiel der Veränderlichkeit des Glückes , noch gelebt hat, wissen wir nicbt
Dreizelmtes KapiteL
Timoleoa befreit ganz Syrakns, siegt ftm Krimisos. Seine letztes
Jalire.
Die glücklichen Auspicien, unter denen Timoieon seinen Zug beganD^
hatten nicht getäuscht. Er war wirklich von den Göttern begünstigt. Fünfzig
Tage nach seiner Landung auf der Insel war er im Besitz der Burg von Syra-
kus und Dionys auf dem Wege nach Korinth. Die unerwartete Nachricht von
diesem glänzenden Erfolge bewog die Korinther, ihm ein zweites Heer, 2000
Mann zu Fuss und 200 Reiter, nachzuschicken. Diese Verstärkung wurde aber
durch die kartiiagische Flotte in Thurii zurüdigehalten, wo sie indessen; wenn
auch nicht den Syrakusanern gegen die Punier, so doch Griechen gogen Bar-
baren sich hülfreich erwies.
In Unteritalien hörte die Bedrängniss der Griechen nicht auf ^Wir sahen,
wie seit dem Jahre 430 die tapferen Lukaner das alte Oenotrien eroberten.
Kaum hatte sich der kriegerische Ungestüm dieses Volkes ein wenig gelqgt, als
-sich um die 406te Ol., 356 v. Chr. ein s^nd^res, anfangs noch roheres erhob,
ilas LuKanem und Griechen gleich feindlich gegenübertrat. Es waren die Bret-
Der Mordversuch auf Timoleon vereitelt. 201
tler oder Bruttier , ein Misch volk aus den von den Lukanern zu Leibeigenen
gemachten Ureinwohnern des Landes und fremden Sklaven, {die sich in die
Dickichte des Siiawaldes geflüchtet hatten; der Name Brettii bezeicbnete in
der Sprache der Ureinwohner flüchtige Sklaven. Dies Volk hatte bereits Terina
erobert und geplündert und bedrohte wiederholt Hipponion» und Thurü. Da--
roals ermöglichten die Korinther es , dass die Thurier mit ihrer ganzen Macht
gegen die Bruttier ausziehen konnten, indem sie selbst so lange die Bewachung
der Stadt übernahmen.
Während so die Timoleon zugedachte Hülfe unterwegs zurückgehalten
wurde, schwebte der Feldherr selbst in Lebensgefahr, aus der nur ein wun-
derbarer Zufall ihn rettete. Der grösste Theii von Syrakus befand sich noch
immer in den Händen von Hiketas, der mit karthagischen Schiffen die Burg,
in welcher der Korinther Neon commandirte , eng blöckirt hielt, aber trotzdem
in Timoleon einen so gefährlichen Gegner sah , dass er sich seiner um jeden *
Preis entledigen wollte. Er schickte zwei Meuchelmörder nach Hadranon, wo
Timoleon sich gerade aufhielt. Diese brachten in Erfahrung, dass Timoleon an
einem gewissen Tage dem Gotte ein Opfer bringen werde , und begaben sich
zur bestimmten Zeit in den Tempel. Sie wussten allmählich durch die Menge
zum Altar und in die Nähe des Feldherrn vorzudringen und waren schon im
Begriff, sich das verabredete Zeichen zu geben und über Timoleon herzufal-
len, als plötzlich ein Mann aus der Volksmenge sich auf einen der Beiden warf
und ihn durqh einen Schwertstreich tödtete. Es entstand ein grosser Tumult ;
der Thäter wie der Begleiter des Entschlagenen entflohen, und jener sprang
auf einen hohen, in der Nähe des Tejgapels befindlichen Stein , dieser erfasste
den Altar und bat flehentlich Timoleon um Gnade ; er wolle alles gestehen.
Man sicherte ihm Straflosigkeit zu, und er bekannte das Verbrechen, zu dessen
Ausfuhrung er und der Getödtete geschickt waren. Nun wurde auch der Mör-
der herbeigebracht, welcher betheuerte, dass er nur gerechte Rache an dem
Menschen genommen , der einst in Leontini seinen Vater ermordet habe. Es
fanden sich Leute in Hadranon^ die die Wahrheit dieser Behauptung bezeugen
konnten. Man bewunderte die göttliche Fügung, und der Mann, durch den
der beabsichtigte Frevel entdeckt war , erhielt von den korinthischen Soldaten
ein Geschenk von 10 Minen.
Indess entschloss sich Hiketas dazu, die karthagische Macht, die bis dabin
noch zum grösseren Theile fem von Syrakus sich aufgehalten hatte , zu seiner
Hülfe ganz herbeizuziehen, i 50 karthagische Kriegsschiffe liefen in den Hafen
ein, und 60,000 Mann karthagischer Landtruppen öffnete Hiketas die Thore
der in seiner Gewalt befindlichen Stadttheile. So war Syrakus fast gänzlich
eine Beute der Barbaren geworden. Trotzdem war noch nicht alles verloren,
und weder Neon, der in der Burg commandirte, noch Timoleon, der sich
meistens in Katane aufhielt, gaben die Hoffnung auf, obwohl die karthagische
Flotte die Verproviantiruixg der Burg sehr erschwerte , ^und die korinthische
Besatzung die äusserste Wachsamkeit gegen die fortwährenden Angriffe nöthig
batte. Timoleon wusste die stürmische Jahreszeit des Winters vortreSlicb zu
benutzen , um Proviant in die belagerte Inselstadt zu schaffen. Er belud in
Katane sehr kleine Fahrsteuge mit den nöthigen Vorräthen, und diese gellingten
r
>- 1
r-
302 Fünftes Buch. XIII. Timoleon befreit Syrakus, siegt am Kriroisos. Seine letzten Jahre.
zwischen den grossen karthagischen Schiffen hindurch, welche durch die
Stttrme häufig aus ihren Stellungen getrieben wurden, eu den Belagerten.
^> Diese Störung ihrer Anordnungen gab Magon und Hiketas den Gedanken ein,
^^[ Timoleon den Ort, von dem aus er der Burg von Syrakus Zufuhr schickte, zu
f^i:f.[ , entreissen, und sie zogen mit dem besten Theil ihrer Streitmacht, dem Rem
W^l. des Landheeres und ausgewählten Schiffen j nach Katane.
/; ^ Nun ging es Hiketas ähnlich wie Kallippos früher^ mit dem Unterschiede,
dass er auch die »Käsereibe« nicht bekam. Kaum waren die Truppen aus Sy-
rakus abgezogen, als Neon mit den Seinigen die Zurückgebliebenen überfiel
^ ;; , und sich Achradina's bemächtigte. Er erbeutete hier viele Vorräthe und be-
'^Z': schloss, den eroberten Theil von Syrakus zu halten. Schnell verstärkte er, so
s; gut es gehen wollte, die Mauern von Achradina, und verband durch eilig
;^ errichtete Werke diesen festen Platz mit der Inselfestung. Das Heer des Hike-
,,^ i * tas warde, als es Katane nahe war, von dem unterdess in Syrakus Vorgefalle-
:♦ ; ■ ; nen unterrichtet und kehrte eilig nach der Stadt zurück.
pA ■ Ein karthagisches Geschwader bewachte , wie wir uns erinnern , die
'KV italische Küste, um die dem Timoleon nachgesandten Schiffe an der Ueberfahrt
r r'7 nach Sicilien zu verhindei*n. Dies und die Winterstürme Hessen es den Ro-
rinthern rathsam erscheinen , auf die Seefahrt von Thurii aus zu verzichten,
: i ' und lieber den Marsch zu Lande nach Rhegion zu wagen. Sie durchzogen,
L^ ' wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten aller Art, das feindliche bruttiscbe Ge-
biet und gelangten nach Rhegion. Der karthagische Flottenbefehlshaber ward
des fortwährenden Wartens auf die griechischen Schiffe überdrüssig und
dachte einen geschickten Streich auszuführen , wenn er unter dem Vorgeben,
er habe die korinthische Flotte besiegt, mit geschmückten Schiffen, die Mann-
schaft bekränzt, bei der Burg von Syrakus vorbeifuhr und den die Mauern
bewachenden Soldaten die Nachricht von seinem angeblichen Siege zurufen
Hess. Er wusste nicht , dass in demselben Augenblick das korinthische Heer
von Rhegion auf kleinen Fahrzeugen und Fährbooten nach Sicilien übersetzte
bei so günstiger und stiller Witterung, dass die Pferde neben den Booten her-
schwammen.
Die so gewonnene Verstärkung erlaubte Timoleon im Jahre 343 wieder
die Offensive zu ergreifen. Zuerst gewann er Messana, dann zog er nach Sy-
rakus, dem Hiketas und Magon entgegen. Sein Heer war nur etwa 4000 Mann
stark , aber er hatte sich bis jetzt schon eines so beständigen Glückes erfreut,
dass seine Zuversicht gewachsen war und er die Feinde gering achtete. Er
wurde durch Uneinigkeit unter den letzteren für seine Zuversicht belohnt.
Magon war kein den Umständen gewachsener Feldherr. Es fehlte ihm an dem
Vertrauen zu sich selbst und seiner Sache, welches Timoleon's Stärke war, er
fühlte sich in der Verbindung mit Hiketas unbehaglich , besonders da durch
das Zusammenleben seiner eigenen Truppen mit denen des Hiketas ihr Corps-
geist geschwächt wurde. Er benutzte seine Uebermacht nicht zu einem kräf-
tigen Angriff auf die in den Händen der Korinther befindlichen Theile von
Syrakus — seine und des Hiketas zweideutige Stellung, da sie doch ursprüng-
lich zur Befreiung , nicht zur Eroberung der Stadt gekommen waren , scheint
es verhindert zu haben — und so wurde das Heer unlustig und lässig. Häufig
Abzug der Karthdger. Syrakns genommeo. 203
war Waffenstillstand, und die freundschaftliche Berührung, die dann zwischen
den beiden Heeren staltfänd, dämpfte die kriegerische Stimmung der Leute
des Magon und Hiketas noch mehr. Die unbeschäftigten Sc^ldaten , besonders
die Griechen beider Heere , kamen in solchen Tagen häufig an den Teichen in
der Nähe von Syrakus zusammen und vertrieben sich die Zeit mit Fischfang.
Sie hatten keinen Grund, sich einander ausserhalb des Schlachtfeldes als
Feinde zu betrachten, und unterhielten sich über die Lage der Djnge und die
Ansprüche und Aussichten der Parteien, denen sie dienten. Timoleon^s Leute,
wenn auch Söldner wie die andern, hatten den Vorlheil, dass sie fttr die
edlere Sache kämpften, und machten das, was sie häufig von ihren Anführern
hatten sagen hOren , und was sie unter sich oftmals besprochen hatten, ihren
Gegnern gegenüber geltend. Da liegt nun, sagten sie, das grosse und
schöne Syrakus, und diese prächtige Stadt wollt ihr den Barbaren in die
Hände liefern? Da kaum Sicilien genügt hat, um Griechenland vor ihnen zu'
schützen, wollt ihr unserem Yaterlande auch diese Schutzwehr gegen sie rau-
ben? Oder joieiiit ihr etwa, dass es den Karthagern nicht ernst damit ist,
Syrakus zu erobern, und dass sie von den Säulen des Herakles und dem
atlantischen Meere bloss deshalb hierher gekommen sind, um Hiketas zu
helfen? Hiketas würde vernünftiger handeln, wenn er sich auf die Karthager
nicht verliesse, sondern sich lieber an die Korinther und an Timoleon an-
schlösse. Die Söldner des Hiketas, welche solche Reden hörten, theilten sie
ihren Kameraden mit, und hiervon zu dem Gerüchte, dass Hiketas im Begriff
sei , die Partei zu wechseln , war kein grosser Schritt. Alles dies kam Magon
zu Ohren und machte ihn am Erfolge verzagen. Er fasste den vom Stande
punkte eines karthagischen Feldherm dut*chaus unverantwortlichen Entschluss,
seine Stellung aufzugeben , und entweder in das karthagische Gebiet in Sici-
lien oder gar nach Karthago zurückzukehren. Der Schritt Magon's ist an sich
so unerklärlich, dass noch besondere Gründe für ihn vorgelegen haben müssen.
Man wird sie nur in den innem Verhältnissen Karthago's in dieser Zeit suchen
können. Es'war die Zeit, wo Hannen den Versuch machte, Tyrann von Karthago
zu werden. Zu ihm muss Magon in Beziehung gestanden haben. Wahrschein-
lich wollte er an seiner Usurpation Theil nehmen und verpasste den rechten Mo-
ment. Ohne eine solche Voraussetzung ist jedenfalls Magon's Verfahren völlig
unbegreiflich. Kurze Zeit, wie es heisst, schon am folgenden Tage nach dem
Abzug der Karthager, war Timoleon in Syrakus und zur Schlacht bereit. Die
Nachricht von der plötzlichen Flucht Magon's erregte mit Recht den Spott der Ko-
rinther, die durch Ausrufer demjenigen eine Belohnung zusicherten, der ihnen
den Versteck der Karthager nachweisen würde. Hiketas gab dessen ungeachtet
sein Spiel noch nicht verloren, er liess es auf einen Kampf ankommen. Timo-
leon hatte die Aufgabe, drei Tbeile der fünffachen Stadt Syrakus, Neapolis,
Tyche und Epipolae zu erobern, und er löste sie mit seinem gewohnten Glück.
Dem Korinther Isias ward der Befehl , von Achradina aus Tyche zu nehmen ;
die beiden Anführer der zuletzt angelangten Hülfstruppen , Deinarchos und
Dematetos sollten Epipolae von Norden her erstürmen, während Timoleon
sich selbst die schwierigste Aufgabe vorbehielt , vom Anapos her Neapolis an-
zugreifen. Der Sturm geschah gleichzeitig auf allen Punkten, und die Feinde
•' • .'^'W-
204 Fünftes Buch. Xlll. Timoleon befreit Syrakus, siegt am Krimisos. Seine letzten Jahre.
flohen alsbald. Tiradeon mag wohK dem Hiketas ein Thor freigelassen haben,
durch das er nach Leantini entkommen konnte. Sollen wir aber glauben, was
Plutarch nicht unglaublich schien, dass Timoleon bei diesem siegreicbeD
Sturme keine Todten, nicht einmal einen Verwundeten hatte? Die Sage hat
das Glück, das fttr Timoleon charakteristisch war, in einzelnen Fällen über-
trieben.
So war denn schnell genug ganz Syrakus befreit worden, und die Korio-
ther erfuhren fast zu gleicher Zeit die Ankunft der von ihnen nachgesandten
Verstärkung und die glänzende Vollendung des Werkes, das sie unternommen
hatten.
Für Timoleon selbst aber begann der schwierigste Theil seiner, Aufgabe.
Syrakus war befreit, aber die Freiheit war noch zu organisiren. Timoleon's
Benehmen , mit dem Dion's in derselben Lage verglichen , zeigte deutlich den
Unterschied zwischen dem der Freiheit gewohnten Bürger einer Republik und
einem an einem Tyrannenhofe aufgewachsenen Manne. Dien hatte Syrakus
selbst beherrsdien wollen, in der besten Absicht der Welt; Timoleon wollte
die Syrakusaner wieder daran gewöhnen, sich selber zu regieren. Dion hatte
die von den Tyrannen erbaute und befestigte Burg fortbestehen lassen, und
dadurch den Verdacht erregt, dass er sich ihrer zur Bezwingung der Bürger
bedienen wollte; Timoleon^s erste That, seit er Herr der ganzen Stadt war,
bestand darin, dass er diese Burg niederreissen liess. Er liess eine Aufforde-
rung an alle ergehen , welche bei dieser Arbeit mitwirken wollten , sich an
einem bestimmten Tage mit eisernen Werkzeugen in der Burg einzufinden,
und die Syrakusaner mögen mit ebenso freudiger Aufregung an der Vernich-
tung ihrer Zwingburg gearbeitet haben, wie in unseren Tagen die P^ermüaner
an der Zerstörung des Gasteils am Meere. Die W(Anhäuser und Grabdenk-
mäler der Tyrannen hatten dasselbe Schicksal wie ihre Burg. Sehr zweck-
mässig liess Timoleon auf dem geebneten Platze, welcher die Burg getragen
hatte, die Gerichtshäuser der neuen Republik errichten: das Werkzeug und
Sinnbild der Gerechtigkeit an der Stelle des Werkzeuges der Tyrannei.
Tirooleon^s nächste Sorge war die Ordnung und Vervollständigung der
bestehenden Gesetze. Er erbat sich zu diesem Zwecke kundige Leute aus
Korinth, und es kamen Kephalos luid Dionysios, die unter seiner Aufsicht die
alte Gesetzgebung des Diokles im Sinne der Demokratie weiter ausbildeten.
Zur ewigen Erinnerung an die durch die Gunst der Götter bewirkte Befreiung
von Syrakus stiftete er ein neues Ehrenamt, welches seit dieser Zeit das an-
gesehenste der Stadt blieb, das Amt eines Amphipobs oder Keners des
olympischen Zeus, unter dessen erhabenem Schutze die Syrakusaner ihre
Freiheit errungen hatten. Nach diesen Amphipolen benannten hiofort die
Syrakusaner, wie die Athener nach dem ersten Archen, das Jahr. Der erste,
der die jährliche Amphipolie bekleidete, war Kallimenes. lieber 300 Jabre
bestand das Amt in ungeschwäohtem Glänze ; erst als Rom Syrakus lu einer
Kolonie machte, zu den Zeiten des Kaisers Augustus, verlor es seine Be-
deutung. Im übrigen wissen wir nichts von den Einrichtungen, welche
Timoleon traf; nichts von dem gesetzgeberischen Apparat, nichts von der
Organisation der executiven Gewalt. Dass dem Volke möglichst viel über-
Zerstörung der Burg. Gesetzgebung. Griechische Kolonisten nach Syrakus. 205
lassen warde, ist klar; aber manches musste doch den Beamten übertragen
werden, und wie deren Collegien zusammengesetzt waren, ist unbekannt.
Feste repuUikaniscbe Einrichtungen waren aber nicht das einzige , was
Syrakus und den anderen siciliscben Städten noth tbat. Die schredLlichen
Bürgerkriege hatten ihre gewt)bnliche traurige Folge nach sich gezogen , die
Entvölkerung. Wenn auch die Naehrichten, die uns in dieser Beziehung über
Sicilien gegeben werden, übertrieben sind— ^ es heisst , dass auf dem Markte
von Syrakus hohes Gras gewachsen war , dass die meisten Städte, statt mit
Menschen, mit Hirschen und.wildon Schweinen bevölkert waren, dass man
an den Mauern und in den Vorstädten zu jagen pflegte — so ist doch sicher,
dass eine sehr grosse Verminderung der griechischen Bevölkerung stattgefun-
den hatte. Msmche hatten überdies den Aufenthalt in festen Schlössern auf
dem Lande sicherer gefunden, als den in Städten, welche bald diesem,
bald jenem Herrn zufielen, und es hatte viele ein Widerwille gegen das
stadtische Leben überhaupt ergriffen, dem sie mit seinem politischen Getreibe
das ganze Unheil Siciliens zuschrieben. Timoleon sah keine andere Möglich**
keit, dies alles zu ändern, als wenn er neue Bürger aus Griechenland herbei-*
zog, die überdies im Falle eines neu^n Krieges mit Karthago, der un vermeid-^
lieh war, von dem grössten Nutzen sein mussten.
Er schrieb deshalb nach Korinth, wohin auch syrakusanische Gesandte
abgingen, die die dringende Bitte aussprachen, dass Korinth zum zweiten Male
durch Aussendung von Kolonisten die Mutterstadt von Syrakus werden möchte.
Die Korinther überaahmoi gern die Sorge, ihrer berühmtesten Pflanzstadt
neue Bürger zu verschaffen. Sie liessen zuerst bei allen grossen Festver-
sammlungen und überall, wo viele Griechen zusammenkamen, bis nach Asien
bin durch Herolde verkündigen , dass , nachdem sie in Syrakus die Tyrannis
aufgehoben und den Tyrannen vertrieben hätten , jetzt alle Syrakusaner und
sonstigen Sikelioten, die aus der Heimath geflüchtet wären, aufgefordert wür-
den , nach Hause zurückzukehren , wo sie Antfaeil am Grundbesitz erhalten
und unter dem Schutze gerechter Gesetze leben sollten. Alle, die darauf ein-^
gehen wollten, möchten sich in Korinth einfinden ; die Korinther würden sie
auf ihre Kosten nach Syrakus befördern. Die Anzahl der in Korinth zusam-
menkommenden Sikelioten erschien noch nicht ausreichend, und die Aufforde-
rung , an der Kolonisation von Syrakus Theil zu nehmen , wurde nun an alle
Griechen gerichtet. So wurden es 10,000, die von Korinth nach Syrakus hin-
überfuhren. Hier hatte sich auf Timoleon's Ruf schon eine noch grössere
Anzahl aus Sicilien und Italien versammelt, so dass Syrakus, alle zusammen-
gerechnet, 60,000 Bürger erhielt. Die jVertheilung der Güter und Häuser
unter diese Neiibürger war nicht ohne Schwierigkeit; Timoleon wusste sie
aber zugleich zu einer Quelle der Einnahme für die Stadt zu machen. Er
theilte die vorhandenen Ländereien gleichmässig unter Alle, alte wie neue
Bürger; die Häuser in der Stadt aber gab er nicht unentgeltlich her. Er
setzte fest, dass sie eine Summe von 1000 Talenten einbringen müssten. Diese
Summe ward über die einzelnen Häuser vertheilt und auf diese Weise der
Betrag ermittelt, der für jedes Haus zu entrichten war. Selbst diejenigen,
weiche schon Häuser besassen, mussten die auf dieselben fallenden Raten
206 Fünftes Buch. Xlll. Timoleon befreit Syrakus, siegt am Krimisos. Seine letzteo Jahr«'
bezahlen, wena sie Eigenthttmer bleiben wollten. Diese scheinbar harte Mass-
regel wurde im Interesse der Staatskasse gern ertragen. Mit dieser Standes
so schlecht, dass die Syrakusaner^ um sich für einen mit den Karthagen zu
erwartenden Krieg die Mittel zu schaffen, viel öffentliches Eigenthum, und
unter andern die Bildsäulen , welche ihre öffentlichen Platze zierten, verkauf
ten , nachdem ttber jede derselben eine Art von Gericht gehalten war. Von
allen wurde nur die des Gelon, dessen Sieg über die Karthager noch immer in
der dankbaren Erinnerung der Bewohner Siciliens lebte, begnadigt. Die
engere Verbindung , in welche nunmehr Syrakus mit seiner Mutterstadt trat,
erhielt aber ihren deutlichen Ausdruck dadurch , dass jetst auc^ Syrakus sieh
an das korinthische Mttnzwesen anschloss und Didrachmen prägte , die einer-
seits das Bild der Pallas — richtiger Aphrodite — andererseits den Pegasos
tragen. Syrakus fühlte sich wieder als korinthische Kolonie und liess seine
Pegasosmtlnzen in die lange Reihe der ähnlichen Mttnzen treten , die damab
über die hellenische Welt verbreitet waren. Und wie die Stadt in dieser WeL<e
durch das Mttnzwesen sich als eine durchaus erneuerte kund gab , so solli^
auch in der Datirung nach den Amphipolen ein klares Zeichen davon liegeo.
dass für Syrakus eine neue Aera angefongen hatte, deren Schöpfer, der zveiie
Gründer der Stadt, Timoleon, es verschmäht hatte, äussere Ehre für sich selber
zu beanspruchen.
Die so eben geschilderte Ordnung der syrakusanischen Verhältnisse wank
nicht in einem Jahre vollendet. Timoleon verwandte alle die Zeit darauf, die
er nicht der Fortsetzung des Krieges gegen Hiketas und der Beseitigung der
Tyrannen in den übrigen sicilischen Städten zu widmen hatte. Hiketas ham
sich nach Leontini zurückgezogen, und Timoleon verfolgte ihn dahin. Er griff
zuerst die Neustadt von Leontini an, musste sich aber bei der guten Verlbei-
digung der mit Soldaten wohlbesetzten Mauern wieder zurückziehen. Er z(^
nach Engyon, das vom Tyrannen Leptines beherrscht wurde. Hiketas glaubte
die günstige Gelegenheit benutzen zu können, Syrakus wieder anzügreilen.
er wurde aber von den Syrakusanem zurückgeschlagen , indess Timoleon des
Leptines zur Ergebung nöthigte. Dieser musste verspredben , im Peloponnes
als Privatmann zu leben ; Engyon und Apollonia, das ebenfalls unter seinem
Scepter gestanden hatte, wurden frei. Bald hielt auch Hiketas es für geratheo.
Frieden mit Timoleon zu machen ; er gab den Leontinem die Freiheit und
erhielt die Erlaubniss, in der Stadt, deren Burgen gebrochen wurden, »wi^
ferner seinen Wohnsitz zu nehmen.
Jetzt konnte Timoleon daran denken^ sein Augenmerk auf den karthagi-
schen Theil der Insel zu richten. Er schickte Deinarcbos und Demaretos mH
1000 Söldnern dahin, um so viel Städte als möglich den Karthagern zu eot-
reissen , und — was für ihn von grosser Bedeutung war — - möglichst viel
Beute zu machen, durch deren Verkauf der Staatskasse die Bezahlung der
vielen Söldner erleichtert werden konnte. Beide Zwecke wurden erreicb^-
Unter den Städten , welche von der karthagischen Herrschaft befreit wurden,
war die wichtigste Entella, welches (s. S. 195) von den Karthagern eine Zeil-
lang belagert worden war, und dessen kampanische Bevölkerung sich sp^^*^
durch einige einflussreiche Männer in ihrer Mitte zum Anschluss an Karthago
Rüstungeo Karthagos. 207
hatten bestimmen lassen. Fünfzehn derselben wurden zur Strafe für ihren
Abfall hingerichtet.
Der Sieg des griechischen Elements und der Bürgerfreiheit über die Ty-
rannen und Karthago war so durch Timoleon erfochten , aber Karthago hatte
keineswegs eine entscheidende Niederlage erlitten , und es war daher jeden
Augenblick zu erwarten, dass es das Kriegsglück noch einmal versuchte.
Magon hatte seinen Verrath schwer gebüsst. Sobald er sah, dass sein Beneh-
men ihm in Karthago nicht verziehen werden würde, hatte er sich selbst ge-
tödtet, seine Leiche hatten die Karthager an's Kreuz geschlagen. Nun rüsteten
sie ein neues Heer und eine neue Flotte aus. Wie immer, bildeten fremde
Söldner, Iberer, Kelten und Ligurer die Masse des Heeres, zu der diesmal eine
besonders grosse Anzahl karthagischer Bürger als kostbarer Kern hinzukam.
Sie setzten, als die Vorbereitungen beendigt waren, nach Diodor erst Ol.
4 40, 4, 339 V. Chr., richtiger schon einige Jahre vorher, es ist nicht genau
zu entscheiden, wann, mit 70,000 Mann zuFusse, einer zahlreichen Reiter-
und Streilwagenschaar, 200 Trieren und 4 00 Transportschiffen nach Sicilien
über. Hasdrubal und Hamilkar waren die Oberbefehlshaber. Timoleon war,
so wie er .die Nachricht von der Landung der Karthager in Ulybaion empfing,
entschlossen, die Feinde nicht in der NHbe von Syrakus zu erwarten , sondern
ihnen in ihr eigenes Gebiet entgegenzugehen und dort eine Entscheidungs-
schlacht zu liefern. Jetzt zeigte sich aber die Schwäche des griechischen
Elementes auf Sicilien, eine Folge der Tyrannenherrschaft und der darauf
folgenden Bürgerkriege. Das gewaltige Heer der Karthager erregte den Syra-
kusanern eine solche Furcht, dass eine verhdltnissmassig äusserst geringfügige
Anzahl sich bereit erklärte, Timoleon zu folgen. Nach Plutarch hätte er nur
3000 freie Bürger und 4000 Söldner bei sich gehabt, nach Diodor hätte seine
gesammte Macht 4 2,000 Mann betragen. Dies als richtig angenommen — Diodor
rechnet offenbar Verbündete mit — ist es trotzdem wenig ehrenvoll für die von
Timoleon befreite Republik, dass sie ihren Retter mit einer so unbedeutenden
Macht gegen so starke Feinde ziehen liess — wenn wir nicht vielmehr anzuneh-
men haben, dass der Krieg über Syrakus und Sicilien hereinbrach, ehe noch
die Neuordnung der Bevdlkerungsverhältnisse vollendet war , so dass es dem
Hellenenthum Siciliens materiell unmöglich war, viel mehr zu leisten als es lei-
stete. Diese letzte Annahme hat bei einer früheren Ansetzung des Feldzuges,
als gewöhnlich geschieht, sehr viel für sich. Timoleon musste sich unter sol-
chen Umständen hauptsächlich auf seine Söldner , die allein im Heere erprobte
Krieger waren, verlassen, und auch unter diesen fand er nicht den Eifer, den
er erwartete. Ohne seine bedeutende Persönlichkeit wäre der Feldzug noch
vor der Schlacht verloren gewesen. Es befand sich unter den Söldnern, die
Timoleon gefolgt waren, ein gewisser Thrasios, einer von denen, welche mit
den Phokiem den delphischen Tempel geplündert hatten. Timoleon hatte ihn
und andere seines gleichen, tapfere, aber freche Menschen, angeworben, weil
ihm jeder Soldat, wenn er nur im Kriege brauchbar war, recht sein musste.
Dieser Mensch , dem der Feidzug bei einiger unsicherer Aussicht auf Beute
denn doch zu viele weit sicherere Aussichten auf Niederlage und Gefangen-
schaft zu bieten schien, erregte unter den Söldnern grosse Unruhe. Als
iDttesBucb. Xlll.TimoleoDberreitSyrafciu, siegt »niKriinisos. Seine l«Ulen Jahre.
iT schon im Gebiete vod Akragas war, stellte er seinen Kameraden vor,
i bei der mehr als sechsfachen Uebermachl des Feindes einem sicheren
ntgegengingen. Ueberdies sei man ihnen den Sold schoo seit langer
luldig. Sie mUssten sich weigern, weiter zu marscbiren und verlangen,
yrakus lurUckgeftthrt lu werden , um dort den rückstllndigen Sold zu
3. Nur durch viele Bitten und grosse Versprechungen gelang es Timo-
»inen ollgemeinen Abfall der Soldner zu verhindern. Ungefähr 1000
en sich jedoch dem Thrasios an, und kehrten nach Syrakus zurück, wo
b dem klugen Befehle Timoleon's freundlich aufgenommen wurden und
llckstüiidigen Sold erhiellen. Ihre Beslrafung konnte aufgeschoben vi-er-
unachsl galt es, die Karthager zu schlagen.
ese waren im Begrifi', gegen Bntella ztx marsefairen, das sie nehmen
I. Timoleon traf sie, noch ehe sie dahin gekommen waren. Sie waren
dlichen Ufer des Hypsas entlang marschirt, hatten den westlichen Quell-
isselben überschritten und schickten sich eben an, auch den (fstlit^en,
imisos lu Bberschreiten , welcher Fluss allein sie noch von Enteil»
>, als Timoleon sie erreichte. Dieser war in nordwestlicher Richtung
entgegen gezogen und wollte eben n\|t seinem Heere eineAnhohe erstei-
lie demselben den Anblick des Srimisostbales entzog , da begegneten
IdMen mit Eppich beladene Maulesel. Das schien ihnen ein bttses Vor-
1 , denn mit Eppichkr^nzen pflegte man die Grafomaler zu schmUckeo,
gab ein SprOchworl von schwer Erkrankten, ihnen thue Eppich noth.
on aber wandte mit seiner gewöhnlichen Geistesgegenwart das schlimme
:hen zum Guten, indem er seine Korintber dnran erinnerte, dass sie die
in den istbmischen Spielen mit Eppicb bekränzten; es seien also die
[ranze, die ihnen noch vor der Schlacht von den Göttern gesandt wiir-
!ugleich nahm er selbst von dem Eppich und bekränzte sich damit, und
Idaten folgten , wieder zuversichtlich geworden, seinem Beispiele. Ein
s gutes Omen zeigten die Wahrsager dem Heere : zwei Adler, die über
eere flogen, und von denen der eine eine Schlange in den Klanen hielt,
dere aber ein gewaltiges Geschrei anstimmte.
s war gegen das Ende des Monats Thargelion — Mitte Juni — und Mor-
>el bedeckten das Flussthal, so dass das Heer der Griechen, auf der
mgekommen , die Feinde nicht sehen konnte , sondern nur ein wirres
von ihnen empordrang. Allmahlich aber stiegen die Nebel anf, um-
I die Herzspitzen und Hessen das Thal frei, und die Griechen, die ihre
; abgelegt hatten und sich nach dem Marsche ausruhten, gewahrten die
, wie sie gerade dabei waren, den Fluss zu überschreiten. Es war ein
k, der einem weniger mnthigen Heere wohl hotte Furcht einjagen kbn-
Voran fuhren die Streitwagen. Dann kam eine unzahlige Schaar von
ig bewaffneten , mit glänzend weissen Schilden ausgerüsteten HopUleD.
iechen schätzten sie auf 10,000. Nach der schönen Rüstung, der ernsten
g und dem langsamen , stolzen Schritt der Männer musslen es ausge-
karthagische BUi^er sein. Hinter diesen drängten sich die tlbrigen
messen in unordentlichen Haufen an den Fluss. Timoleon erkannte so-
den Vortheil, den ein kraftiger Angriff ihm in diesem Augenblicke Ober
Schlacht am Krimfsos. 209
die Feinde bot, und setzte mit kurzen Worten seinen Soldaten aus einander,
dass sie jetzt mit einem durcb den Fluss in zwei Theile gesonderten Heere,
welches noch da2u noch nicht in guter Ordnung aufgestellt sei , zu kämpfen
hatten. Dann begann er die Schlacht. Voran schickte er Demaretos mit der
Reiteret , die sich bemtthen sollte, die Karthager an einer geordneten Aufstel-^
iung zu hindern; das Fussvolk theUte er m drei Haufen. Die an den beiden
Flügeln bildete er aus den übrigen Sikdioten und wenigen Söldnern, den
mittleren aus den Syrakusanem und dem Kern seiner Miethstruppen , und an
die Spitze dieses Haufens stellte er sich selbst. Eine Zeitlang wartete er noch
mit dem Angriffe des Fossvolks, ob vielleicht die Reiterei schon Erfolge gegen
die Karlhager erreichte ; aber diese vermochte wegen der Streitwagen kaum
bis zum Kern der feindlichen Schwerbewaffneten vorzudringen. Das Fussvolk
allein musste die Schiacht entscheiden. So nahm er denn seinen Schild in
die Hand und rief mit lauterer und kraftigerer Stimme als gewöhnlich, einer
Stimme, die den Soldaten wie die eines Gottes klang, dem Heere zu, ihm zu
folgen. Die Reiterei musste den Versuch aufgeben, die Front der-Feinde zu
durchbrechen, sie erhielt den Befehl, seine Flanken zu beunruhigen; er selbst
liess die ersten Reihen sich mit den Schilden fester an einander schliessen und
drang in das karthagische Heer ein.
Die Streitwagen konnten den griechischen Schwerbewaffneten keinen
ernstlichen Widerstand entgegensetzen; aber die ausgewählte karthagische
Hoplitenschaar mü ihren eisernen Panzern, ehernen Helmen und riesigen
Schilden war nicht im ersten Anlauf zu überwinden. Die Wurfspiesse prallten
kraftlos von der eisernen Mauer zurück , und die Griechen mussten zu den
Schwertern greilen. Mann kämpfte gegen Mann , und nur die grossere Ge-
wandtheit der Griechen gab ihnen einige Aussicht, über die* Feinde Herr zu
werden. Doch hätte ohne Zweifel die gewaltige Ueberzahl der Karlhager den
Griechen zuletzt alle Früchte ihrer Anstrengungen entrissen, wenn nicht plötz-
lich ein heftiges Gewitter ausgebrochen wäre , mit Regen und Hagel verbun-
den , der vom Sturmwinde den Karthagern in's Gesicht gejagt wurde. Dies
hinderte sie im Kämpfen, und ihre schwere Bewaffnung wurde ihnen in dem
Unwetter verderblich. Denn überall in ihren Rüstungen sammelte sich das
Wasser und machte sie zu einer diilckenden Last, während die leichter ge-
rüsteten Griechen , denen überdies der Regen den Rücken traf, weniger da-
durch litten. Die schwerfälligen Karthager fielen zahlreich unter den Hieben
der beweglicheren Griedien, und waren sie einmal gefallen, so konnten sie
sich nicht wieder erheben. Denn der furchtbare Regen hatte den Boden durch-
weicht und den Krimisos angeschwellt, der über seine Ufer trat und das
unebene, mit abwechselnden Erhöhungen und Vertiefungen übersäte Gefilde
durchströmte, sich hier und dort in eine Menge kleiner Giessbäche auflösend.
Eine Zeitlang widerstanden die Karlhager auch unter so ungünstigen Umstän-
den, aber die Griechen drangen siegreich vor, und als die erste Abiheilung der
Karthager, 400 Männer, niedergeworfen waren, da hielt keiner mehr der ver-
einigten Wuth.der Elemente und der Feinde Stand. Die Karthager flohen,
ober die Flucht wurde ihnen noch verderblicher als die Schlacht. Viele kamen
schon auf dem Wege nach dem Flusse um, Viele wurden beim Uebergang
Holm, Gesch. Sieilienf. IL 14
tfles Bucb, X11I. Timoleon befreilSyrakus, siegt am Krimisos. Seine lelzlen Jahr« .
□selben geUidtet oder ertranken; selbst auf die jenseits des Flusses
n Berge verfolgten die leichten griechischen Truppen die Karthager,
ihl der Todl«n und Gefangenen , welche die letzteren verloren , war
r&chtitch. Die ganze heilige Schaar der Karthager, 2500 der ange-
n und reichsten BUi^er, bedeckte das Schlachtfeld. Ausserdem sollen
,000 Mann auf karthagischer Seite gefallen sein. Gefangene wurden
Griechen 15,000 gemacht, von denen aber nur 5000 bei dem Feld-
s Staatsgut angemeldet wurden; die übrigen wussten die Soldaten,
lie erbeulet hatten, als ihr Etgenihum auf die Seite zu bringen. Die
^ar gross und kostbar. SOO Streitwagen und das ganze kartfaa-
ager Gel in die H3nde der Griechen, und die Verfolgung der Feinde
Beutemachen beschnftigten die Soldaten des Timoleon so sehr, dass
Ewei Tage nach der Schlacht dazu kamen, ein Siegeszeichen zu errich-
Griechen fanden so viel Gold und Silber im karthagischen Lager, dass
und £isen gering achteten. Die Menge der kostbaren Trinkbecher,
dort vorfanden , war ausserordentlich gross. Einen prachtigen An-
t das Zelt des Timoleon, um welches die Griechen die schönsten
icke aufhäuften. Es befanden sich darunter 1000 Panzer, sämmllich
ie Schfinbeit der Arbeit bemerk enswerth, und tO,000 Schilde. Diese
Ute benutzte Timoleon zum Schmuck der Tempel, ein Theil kam nach
, ein anderer in die übrigen griechischen oder verbündeten Städte
, die schönsten Stücke aber schickte er nach Korinth, wo sie die
besonders den des Poseidon , zierten. Er sah mit Recht eine grosse
' seine Vaterstadt darin , wenn sie Beutestücke in ihren Tempeln auf-
lonote, auf denen geschrieben stand : Dies haben die KorinUier und ihr
Timoletn, nachdem sie die Sicilien bewohnenden Hellenen von den
;rn befreit, zum Dank den Göttern gewidmet.
Sieg der Griechen erschien den Karthagern, die sieb gerettet hatten,
lerbar und gewaltig, dass sie, in Lilybaion angekommen, nicht wagten,
cuscbiffen, aus Furcht dem Zorn der Götter noch auf dem Meere anheim-
— 60 die Tradition der Freunde Timoleon's ; die einfache Tbatsache
Wesen sein, dass sie nicht nüthig hatten, weiter zu fliehen, da Niemand
ilybaion verfolgte. In Karthago selbst brachte die Niederlage, die durch
;sen Verlust an den edelsten Bürgern der Stadt eine der schmerzlichsten
e man jemals erlitten hatte, eine ungemeine Besitlrzung hervor. Eine
herrschte, wie schon fniherJ>ei ahnlichen Gelegenheiten , die Besorg-
mochte der Sieger den Schauplatz des Krieges nach Afrika verlegen,
Karthager erwählten Glsgon, Hannon's Sohn, der in Ungnade gefallen
l in der Verbannung lebte, aber als der obigste und tapferste Feldherr
in Oberbefehlshaber in Sicilien, wo sie in Zukunft nicht wieder andere
ethete Truppen zu verwenden sich vornahmen. Ihr Streben war fUr's
r dahin gerichtet, einen Frieden unter möglichst- ertraglichen Bedio-
zu erlangen,
: Schlacht am Krimisos ist eine der glänzendsten Thaten, welche von
1 ausgeführt worden sind. Sie hat eine gewisse Aehnlichkeit mit den
len Schlachten, in denen im H. und 15. Jahrhuitdert die Franzosen
Neue Kämpfe im Osten. 21t
den Engikndern unterlagen. Was in diesen Schlachten die französische Ritter-
schaft, das waren am Krimisos die schwerbewaffneten karthagischen Bürger.
Den leichter gerüsteten Engländern entsprechen die behenden Griechen.
Die zu schwere Rtlstung lieferte in beiden Fällen das zahlreichere Heer dem
schwächeren in die Hände, und ähnlich der heiligen Schaar Karthago's wer-
den die französischen Grafen und Barone, unfähig sich wieder zu erheben,
bei Crecy und bei Azincourt von den englischen Bürgern getödtet. Aber
die Schlacht am Krimisos hat nicht die welthistorische Bedeutung jener
Schlachten des Mittelalters, in denen eine grosse und glänzende Zeit begraben
wurde. Das französische Ritterthum war allmächtig gewesen, nun war es da-
hin und erhob sich nicht wieder; die Karthager hatten immer schon ihr Ver-
trauen besonders auf ihre Söldner gesetzt und wurden dui*ch die Niederlage
am Krimisos nur darauf hingewiesen , ihr altbegrUndetes System nicht ftlr
unpraktische Neuerungen aufzugeben. Die Schlacht am Krimisos hat keine
andere Wirkung gehabt, als alle Übrigen Siege der Griechen Siciliens tlber die
Karthager: den Karthagern eine Zeitlang Halt zu gebieten, nicht, ihre Macht
zu brechen.
Timoleon sandte nach der Schlacht einen Theil seiner Söldner im kartha-
gischen Gebiete auf der Insel zum Beutemachen umher und kehrte selbst
mit der Masse des Heeres nach Syrakus zurück. Hier war noch genug
für ihn zu thun. Seine erste That war, dass er die Söldner, welche dem
Thrasios gefolgt waren, entliess. Sie mussten unverzüglich Sicilien räumen,
besetzten ein Kastell an der bruttischen Küste, von wo aus sie das Land plün-
derten, und wurden von den erbitterten Bruttiern, denen das Kastell endlich
in die Hände fiel , sämmtlich niedergemacht. Timoleon hatte aber noch mit
gefährlicheren Feinden zu kämpfen. Trotz der Niederlage der Karthager fiel
Hiketas, der in Leontini mächtig geblieben war, von ihm ab und fand an dem
Tyrannen von Katane, Mamerkos, der, als noch wenige siciliscfae Städte sich
an Timoleon angeschlossen hatten, einer seiner ersten Verbündeten gewesen
war, einen Helfershelfer. Doch hatte er sein Vertrauen besonders auf Kar-
thago gesetzt, das alles aufbot, um die Folgen seiner Niederlage am Krimisos
zu verwischen, und den Gisgon mit 70 Schiffen nai^h Sicilien sandte. Der Mit-
telpunkt des neuen Krieges, über den wir nur sehr unvollkommen unter-
richtet sind, scheint Messana gewesen zu sein, dessen Tyrann Hippon ebenfalls
als Gegner Timoleon^s auftrat. Es ist nicht unwahrscheinlich , dass die drei
Tyrannen durch trügerische Vorspiegelungen der Karthager zum Kriege ver-
führt worden sind, der mit ihrem Verderben endigen sollte, und dass die Kar-
thager diesen Krieg als eine nUtzliehe Diversion betrachtet haben , die ihre
bedrohte Provinz wenigstens für den Augenblick aus dem Gesichtskreis Time-
leon^s entfernte. Soviel ist sicher, dass Gisgon den Krieg grösstentheils mit
Söldnern griechischer Herkimft führte — eine damals zuerst in diesem Um-
fange gesehene Erscheinung — und dass dieser Feidzug- der karthagischen
Sache wirklich nützte. Wir hören von zwei Niederlagen, welche von Timoleon
ausgesandte Söldnerabtheilungen erlitten. In der Gegend von Messana wurden
400 Soldaten Timoleon 's niedergemacht, und im karthagischen Gebiete ging
eine andere Söldnerabtheilung unter der Anführung des Leukadiers Euthymos
212 Füottes Bucb. X[1I. Timoleoa betaitSyraku«, siectamKrimisos. Sela«leU(«Dlabre.
linleriwlt bei lalai zu Grunde. Die Bewunderer TiDtoleoD's — wir
r seinen withusiasliscben Verehrer XimaioE als HouplqueUe Plutarcb'E,
18 folgende eotlebnt ist, annehoien — wussten in dieser Niederlage
deuüichefi Zeichen der Gunst der GWter geg«n ätn za finden, «ie
legen. Die Sflidner hatten — so hiess es — aD der PltlnderuDg des
I Tempels durch Pbilodemos und Onomarch«s Tbeil geoocDinen.
n Allen verachtet und gemieden, im Peloponnes U0)beru)gen, haue
ie, durch den Hangel anderer Soldaten dazu geoj}th^, angewortiea,
itten unter der persOalioben FUhnuig Timoleon's ubemit gesiegt,
aber nicht mehr unter dem Schutte seiaes GUlcies standen , ver-
lern Zorn der Gatter und befreilen Tüooleon ViQD bäsen Gefährten.
t einmal gewiss, (}ass diese Menschen überhaupt den delphischen
ilUndert hatten. Dasselbe wurde vom Thrasios versichert, und es
SB damals in Gfiechenland die Beschuldigung, bei jener Plünderung
^wesen zu sein , eine gegen SOldner , auf die umr ein schlechtes
in wojlte, gewtihnliche war, und dass die, welche von Tinaoleon
er, von ihm abgesandt, in auffallender Weise Unglück batlen, audi
>ren Grund , nur um Timoleon's GlUckselem ungetrübt teucblen zu
der Klasse dieser gottverlassenen Henscheo gerechnet wurden.
eitere Verlauf des Krieges lasst sich besonders der geo^phischen
wegen , die die Angaben des Plutarcfa zurücklassen , nur schwer
Uameritos, der als Dichter den Sieg der Verbündeten über Tim»-
aer in spffltiscben , nicht witzlosen Versen gefeiert hatte, scheint
icb den Zorn der Syrakusaner erregt zu haben , und Timoleon tog,
geringer Macht, gegen ihn und belagerte cUe Stadt Kalsuria. Indess
itas in das Syrakusaaische ein, richtete grosse Verwüstungen an,
it Beute beladen ab und , Timoleon zum Hobne, nahe bei Kalauria
imoleon liess ihn seinen Marsch eine Strecke weit ruhig forisetzea,
! er ihm mit Reiterei und leichten Truppen nach und holte ihn beim
lyrias ein. Hiketas hatte mit seinem Heer den Flusa bereits uber-
nd erwartete, im Vertrauen auf die Schwierigkeit des Ueberganges
:hte des Feindes auf dem steilen FeJsuler seinen Gegner. Unter den
imoleon's, und besonders unter den jungen Anführern derselben,
in grosser Eifer, sich mit dem Feinde zu messen, und jeder wollte
Scfaaar der erste beim Uebergange sein. Timoleon sah voraus, dass
fer sur Unordnung führen wurde. Er nahm deshalb die Binge
r Fuhrer und warf sie in den Helm, um das Loos über den Vorrang
Q zu lassen. Als sich aber fand, dass der Hing, den er zuerst her-
s Abzeichen ein Tropaion hatte , brachen die jungen HUnner in ein
rei aus und stürzten sich , ohne weiter das Ergebniss des Loosens
1, in den Ftuss. Das Heer folgte, und die Feinde flohen fast in dem-
;enblicke. Etwa 4000 fielen, und fast Alle warfen auf der eiligen
Waffen weg. ,
dieser ersten Niederlage ihrer VeibUndeten bemühten sich die Kar-
itlicb um Frieden, und sie scheinen ihn erlangt zu haben, ehe noch
len vollständig besiegt waren. Sgast waren die günstigen Bedin-
Friede mit Karthago Schicksal des Hiketas. 213
gungen, welche Karthago erhielt, schwer erklärlich. Diese selbst sind aber
nicht ganz klar ttberliefert. UebereinsttmmeiiK) wird berichtet, dass der FIims
Lykos oder Halykos die Ostgrenze des karthagischen Gebietes auf Sicilien sein
solle , damit scbernt aber die von Diodor mitgetbeilte Bestimmung im Wider-
spruch zu steheu , dass afle griechischen Städte frei sein sollten. Da nämlich
Selinus westlieh vom Hatykos lag, so wäre cRese griechische Stadt den Kar-
thagern unterworfen geblieben. Doch ist das nicht glaublich, und die Bedfngung
von dem Halykos als Grenze ist vielmehr so zu verstehen, dass für das Innere
der Insel dieser FIuss die Grenzlinie bezeichnete, jedoch griechische Gemeinden,
wenn auch westlich von ihm gelegen, frei waren. Ausserdem mussten die Kar-
lhager in diesem Frieden ausdrücklich auf jede Verbindung mit den Tyrannen,
die noch in Griechenstädten vorhanden waren, verzichten. Ein Friede wie die-
ser, der Karthago die Herrschaft Itber das westliehe Sicilien Hess, konnte auf
einen Sieg wie der am Rrimisos nur dann folgen, wenn dieser Sieg nicht der
Ausdruck einer wirkliehen Ueberlegenheit des griechischen Elementes auf der
Insel , sondern mtr die Folge günstiger, kurze Zeit dauernder Umstände — zu
denen auch die Anwesenheit eines Timoleon gehi^e — war, und wenn die
vollständige Benntzung des Sieges ausserdem noch durch nachträgliche Anstren-
gungen der Karthager und von anderer Seite drohende Feinde unmöglich gemacht
wurde. Dionys der Aeltere hat nach seiner Niederlage bei Kroni<m 383 v. Chr.
(S. 442), von der Freiheit der Griechenstädte abgesehen, ganz dieselben territo-
rialen Bedingungen von den Karthagern erlangt, wie Timoleon nach seinem Stege
am Krimisos. FreiMch kennen wir geradezu sagen, dass der Sieg am Krimisos
kein Sieg der siciliscbeix Griechen, sondern nur ein Sieg des Timoleon über die
Karthager war. Unter den Griechen der Insel war weder genug Tapferkeil,
noch genug Einigkeit, um einem so gewaltigen Feinde Widerstand zu leisten.
Timoleon hatte übrigens, trotz der Entschiedenheit seines Auftretens, viel
zu thun, um nicht für einen der gew6hnliehen Despoten gehalten zn werden,
wie sie damals so zahlreich waren. Ein tyrrheniscber Seeräuber, Posthumius,
hatte die Frechheit, mit 42 Schiffen, mit denen er schon vielfach Seeraub ge-
trieben hatte, in Syrakus wie in einen befreundeten Hafetf einzulaufen : Timo-
leon liess ihn ergreifen und hinrichten.
Von den Karthagern, die ihre Zwecke erreicht hatten, Jm Stiche gelassen,
hielten sich die Tyrannen nicht lange mehr. Zuerst erreichte das Geschick den
Hiketas, der mit seinem Sohn Eupotemos und seinem Anführer der Reiierei,
Euthymos, von den eigenen Soldaten gefangen genommen und Timoleon aus-
geliefert wurde. Alle drei wfR*den, wahrscheinlich auf TimoleonV Befehf, und
auf den Wunsch seiner Koriniher hineericbtet. Die letzteren sollen gegen
Euthymos , der sonst als tapferer Mann und erfahrener Feldherr bei den Sol-
daten Yertheidiger gefunden hätte, deswegen einen unversöhnlichen Groll
gehabt haben, weil er beim Beginn des Feldzugs der Korinther gegen Leontini
in der Yolksversammlnng der Stadt die spöttische Aevsserung getfaan hatte,
man brauche sieh nicht zu fürchten , wenn »Korinthische Weiber ihre Häuser
verlassen«, eine Stelle a\» der Eiiripideidchen Medaa benutzend. Auch die
Familie des Hiketas, seine Frau und seine Töchter, geriethen in Gefangen-*
Schaft und wurden nach Syrakus gebrael^ , wo das Volk sie hittrichten lless.
214 FüDrte^ Buch. Xlll. Ti moleon. befreit 5\Teku$, siegt am Krimisos. Seine lelitenJabr«.
Das galt ini Altertbum als die einzige nicht zu billigende Thal Timoleon's, denn
man war Uberzeugl, dass ohne seine Einwilligung die Hinrichtung der Frauen
nicht stallgefunden halle. Timoleon war ein Mann, der strenge seine Pflicht
erfullle und sich in die Angelegenbeil«n Änderer nicht mehr einmischte, als
unbedingt uOthig war. Heber die Frauen der Familie des Hiket«s zu beslim-
uien, war Sache der SyralLusaner , nicht die seinige. Dennoch hütte er in
diesem Falle eine Ausnahme machen können. Die Grausamkeit gegen die
.Frauen war ein Act der Rache fUr das, was Hikelas an Dion's Familie gethan
halte. Timoleon's Einspruch halte diese Rache verbindert. ^So zieht in Btlrger-
kriegen eine ßohheil die andere nach sich, und selbst edle Uänner vermö-
gen nicht immer sich den EinOussen der schlimmen Zeiten vollkommen zu
entziehen.
Nach Hiketas kam die Reihe an Mamerkos von Kalane. Dieser Tyrann
lieferte Timoleon eine Schlacht am Alabon und verlor sie, wobei SOOO seiner
Leute umkamen. Der Tyrann machte , da er einsah , dass er sich in Sicilien
nicht lilnger ballen könne, den Vorsuch, nach Italien tu gelangen, um die Ln-
kaner oder Bruttier zum Kriege gegen Timoleon und Syrakus zu bewegen;
Aber die, welche ihn nach Italien begleiten sollten, wurden ihm untreu,
kehrten um und überlieferten Timoleon Kalane. Nun nahm Mamerkos seine
Zuflucht zu Ibp{>on, dem Tyrannen von Hessana. Aber Timoleon rückte bald
darauf vor diese Stadt und scbloss sie von allen Seiten ein. Es war keine
Aussicht mehr, sich lu halten, und Üippon versuchte die Flucht. Er wurde
aber auf seinem Schiffe gefangen genommen und den Messeniern ausgeliefert,
welche ihren Gewaltberrn in's Theater führten, die Jugend aus den Scholen
zusammenriefen, damit sie sähe, wie ein Tyrann bestraft würde, ihn züch-
tigten und zuletzt hinrichteten. Mamerkos wollte die Flucht nicht versuchen,
er überlieferte sich freiwillig dem Timoleon und willigte ein, nach Syrakus
gebracht zu werden, wo das Volk über ihn richten sollte; Timoleon versprach
ihm dagegen, ihn nicht selbst anzuklagen. Die Verhandlung über ihn fand,
wie damals gewöhnlich in Syrakus die Volksversammlungen, im Theater statt.
Er begann eine Vertheidigungsrede vorzutragen , die er schon lange ausgear-
beitet halte, aber das Volk hörte nicht auf ihn und lärmte. Als er sah, dass alles
vergeblich war, warf er seinen Mantel ab, rannte mitten durch das Theater,
und slUrzte sich mit dem Kopfe gegen eine Mauer, um auf der Stelle zu
sterben. Aber man ergriff ihn noch lebend, und er erlitt den Tod der Slrassen-
räuber: er wurde an's Kreuz geschlagen.
Jetzt war nur noch wenig zu thun , um die Gewaltherrschaften auf der
Insel gänzlich zu vertilgen. Nikodemos, der Tyrann von Kenloripa , musste
fliehen, ApoUoniades, der Herrscher vonAgyrion, seine Herrschaft nieder-
legen; die Kampaner in der Stadt Aetna wurden 'gedemUlhigt. Hiermit war
der erste grosse Abschnitt der Thaiigkeit Timoleon's vollendet.
Die Karthager waren in Schranken gehalten, die Tyrannen gestürzt. Das
griechische Sicilien war von seinen Sussem und innem Feinden befreit. Wenn
es nun Timoleon noch gelang, die verödeten griechischen StSdte wieder aufzu-
bauen und lu bevölkern, und den Frieden zwischen den nunmehr selbständigen
Staaten der Insel zu begründen, so hatte er zu seiner ersten Wohlthat eine
Wirksamkeit Timoleon's. Seine letzten Jahre. 215
zweite hinzugeftlgt, die nicht minder gross war. Dann musste das Volk selbst
das seinige thun und im Geiste Timoleon^s fortfal^ren, und die Insel hatte noch
glückliche Jahre vor sich.
Wir sahen schon, was Timoleon fUr die Verfassung und die inneren Ein-
richtungen von Syrakus that. |Er hatte aber die Gründe nicht, welche Dionys
bewogen hatten, nach dem Vorbilde früherer Tyrannen Syrakus allein auf
Kosten der übrigen Stüdte gross zu machen. Er sorgte deshalb nach Kräften
dafür, dass die alten und berühmten Städte der Insel wieder aufblühten, und
vor allen wandte er sein Augenmerk den dorischen Städten zu. Er veran-
lasste eine VergrOsserung der Stadt Kamarina durch die Niederlassung neuer
Bürger, er beförderte es , dass nach Gela Kolonisten unter der Führung des
Gorgos aus Keos zogen und nach Akragas andere unter Megellos und Pheristos
aus Elea in Lukanien. So gab es seit Timoleon wieder ein Akragas, das einen
ehrenvollen Platz unter den sikeliotischen Städten einnehmen konnte. Aller-
dings haben wir in dem seit der Eroberung durch die Karthager (406) verflos-
senen Zeitraum Akragas bereits mehrmals als eine nicht selten sogar selbstän-
dig handelnde Stadtgemeinde gefunden. Aber dies Akragas war schwach und
ohne eigenthümlichen Charakter, eine ihres glänzenden Namens nicht würdige
Stadt. Durch Timoleon und die unter seinen Auspicien hingesandte Kolonie
wurde Akragas wieder eine Stadt von Bedeutung, die im Stande war, sich mit
eigener Macht kräftig gegen Feinde zu vertheidigen.
So ist die Wirksamkeit Timoleon's für ganz Sicilien von der grOssten Be-
deutung gewesen. Mit ihm beginnt in Wahrheit eine neue, leider nur kurze
Epoche der griechischen Geschichte der Insel. Es giebt wieder freie hellenische
Gemeinwesen auf Sicilien ausserhalb Syrakus. Timoleon* ist auch in dieser
Beziehung das klare Gegenbild von Dionys. Durch Timoleon war wieder ein
Zustand auf der Insel geschaffen, wie er dem Begriffe entsprach , den wir uns
von einer hellenischen Landschaft machen , deren Wesen gerade auf dem ge-
genseitigen Wetteifer verschiedener freier Städte beruht. Und Timoleon's
Werk ist nicht ganz ephemer gewesen. Agathokles hat seine ganze Regierung
hindurch mit den Schöpfungen des grossen Korintbers zu rechnen gehabt.
Timoleon genoss aber nicht bloss die Ehre, die ihm aus diesem Verhält-
nisse zu den griechischen Städten der Insel erwuchs, er übernahm damit
eine Menge von Arbeiten und Pflichten , deren er sich zum allgemeinen Wohle
entledigte. Nichts geschah in den griechischen Städten ohne seinen Rath
und seine Beistimmung. Wenn Fehden zu schlichten, Land zu vertheilen,
Verfassungen zu gründen, Gesetze zu geben waren, so wurde er befragt.
Aber mit entschiedener Vorliebe sorgte er doch für Syrakus, das er sogar noch,
ein wenig nach Tyrannenweise , durch die Bevölkerung anderer Städte , frei-
lich kleinerer, vergrösserte. Die Bewohner von Leontini mussten nach Syrakus
wandern , wo >sie das Bürgerrecht erhielten , w^ährend Agyrion (nach Diodor's
Bericht) 10,000 neue Bürger aus Hellas bekam.
Timoleon widmete den Rest seines Lebens Syrakus und Sicilien. Er hätte
nach Korinth zurückkehren können, und die Achtung, die ihm in seiner Vater-
stadt zu Theil geworden wäre, würde eine wohl verdiente Belohnung seiner
Wirksamkeit in Sicilien und eine sicherlich von Manchen erstrebte Entschädi-
216 Fünftes Buch. XIII. Timoleoo befreit Syrakas, siegt am Krim isos. Seine letzten Jahiv.
^ung für die zwanzig traurigen Jahre gewesen seiD, die er- dort nach dem
Morde seines Bruders verlebt hatte. Er zog es vor, in Syrakos zu bleiben.
aber ohne ein ößentliches Amt. Er wollte , anders als Dion , dass die Bürger
sich durch den Gebrauch der Freiheit an dieselbe gewöhnen sollten, und hielt
es deshalb fUr angemessen, dass er selbst mit seinem übermächtigen Einflösse
sich so wenig als möglich bei den Verhandlungen über öffentliche Angelegen-
heiten betheiligte. Zu dieser freiwilligen Zurückhaltung trug allerdings eine in
seiner Familie erbliche Augenschwäche viel bei, welche, ohne dass er, wie
t)ionys und Hieron, durch übermässigen Weingenuss sie befördert hätte , sich
in seinem Alter alkhählich einstellte und im Kriege gegen Hippen und Ha-
merkos bei der Belagerung von Mylai in völlige Blindheit übergegangen war.
Er bewohnte mit seiner Gattin und seinen Kindei*n, die er aus Korinth nach
Syrakus kommen Hess, ein Haus, welches ihm die Syrakuaaner geschenkt
hatten , und ein Landgut , das er ebenfalls von ihnen emfrfangen hatte , das
schönste , das es in dör Nähe der Stadt gab. Er kam nur dann in die Volks-
versammlung, wenn die Syrakusaner bei wichtigeren Angelegenheiten seinen
Rath wünschten. Dann fuhr er aaf seinem Wagen über den Markt ita das
Theatert Rauschender Beifall des Volkes begrüsste seinen Eintritt. Wenn der
Freudenrausch sich gelegt hatte, hörte er die Darlegung der Sache und tlieilte
seine Ansicht dem Volke mit, das sie schnell zum Beschlüsse erhob. Denn
führten die Diener den Wagen, auf welchem er sass, wieder dam Au^ang des
Theaters zu^ und der Beifallssturm, der ihn empfangen hatte, begleitete ihn
beim Abschied. Die übrigen Sachen , welche auf der Tagesordnung standen,
erledigte die Volksversammlung allein.
Bei der grossen Ehre , welche Timoleon von den Syrakusanem erwiesen
wurde , fehlte es doch auch nicht an Angriffen , denen er auf die würdigste
Weise begegnete. Ein Volksredner, Namens Laphysiios, klagte ihn wegen
einer unbedeutenden Sache an, und es erhoben sich viele Stimmen des Un-
willens im Volke über das Unrecht , das deni Retter der Sladt dureh eine
solche frivole Anklage geschehe. Timoleon aber beschwtefatigte selbst den Tu-
mult mit der ebenso klugen wie ehrenwerthen Aeusserung , er habe deswegen
so viele Lasten und Mühen gerne ertragen, damit jeder Syrakusaner die Ge-
setae zu seinemi Beistande anrufen könne. In ähnlicher Weise äusserte er auf
eine Anklage desDemainetos wegen seiner Kriegführung weiter nichts als: Ich
bin den Göttern Dank schuldig, dass sie mir das gewährt haben, warum ich
sie bat , dass in Syrakus wieder Redefreiheit herrschen möchte.. Wir hören '
nicht , dass das Volk jemals der Verläumdung gegen Timoleon Glauben ge-
schenkt hätte ; die Bürgertugend diieses Mannes war so gross ,, dass selbst der
Neid verstummen musste. Timoleon lebte nur noch wenige Jahre in der von ihm
befreiten Stadt, deren Bürger ihn wie ihren Vater ehrten. Er starb 336 v. Chr.
Sein Begräbniss wurde feierlich begangen. Durcfa'a Loos ausgewäbke H^nglinjTf
trugen die Bahre, auf der die Leiche ruhte, über den^ Plala, avf welchen die dyrdi
ihn zerstörte Tyrannenburg gestanden hatte, nach dem Markte. Fast die ganze
Bevökerung van Syraku», Männer und Frauen, folgten dbr Leiche, Bb&f nicht
in Trauerkleidem , sondern, als gälte es durch einen Festzug eine Gottheü zu
ehren, bekränzt uBd mit reinen Gewändern angeihan. Wohl klagfien Viele,
Tod Timoleon's. Bedeutung Timoleon's. 217
dass er ihnen entrissen sei, aber Andere priesen den Verstorbenen glOcklich,
dass ihm beschiedea gewesen, so grosse Thaten auszuführen. Als die Leiche
auf dem Markte auf den Scheiterhaufen gelegt war und alles Volk, so viel der
Raum fasste, sich versammelt hatte, da trat Demetrios, der von den Herolden
die krilftigste Stimme hatte, vor und rief: »Das Voikjvon Syrakus bestattet
Timoleon, den Sohn des Timodemos, den Korinther, der hier liegt, auf öffent-
liche Kosten zum Preise von 200 Minen und hat beschlossen, dass er auf
ewige Zeiten mit Wettktaipfen in der Musik, der Gymnastik und dem Wagen-
rennen geehrt werden soll, weil er die TyTannen gestürzt, die Barbaren be-
siegt, die grössten der verlassenen Städte wieder bevölkert, und den Griechen
auf Sicilien die gesetzliche Freiheit wiedergegeben hat.« Seine Asche wurde
auf dem Markte bestattet, und später am das Grabmal Hallen gebaut und Pa-
lästren angelegt und ein Gymnasien für die Jugend gegründet, das die Syra-
kusaner Timoleonteion nannten.
Timoleon's Gestalt ist eine ideale, und zwar nicht nur vom allgemein
menschlichen Standpunkt aus, sondern ganz besonders auch vom griechi'-^
sehen. Man würde sich sehr irren, wenn man ihn für ein Genie erklärte.
Selbst als Feldherr war er es kaum. Er hat im Kriege sein Bestes durch
furchtloses Darauflosgehen erreicht. Dionys I. und Agathokles sind genialer
gewesen als er. Aber er war mehr als ein Genie. Er war ein höchst talent-
voller Mann von der strengslen Rechtsdbaffenheit, dem gerade die Aufgabe
gestellt wurde, für die er am besten passte, undl der dabei von beständigem
Glucke begleitet war. In erster Beziehung ist zu beachten, dass nach dem
Abgrund von Sehlechtigkeirt, in dem Sicilien se tsele Jahre versunken gewesen
war, ein Führer von strenger Reebtschaffenheit und reiner Begeisterung für
die Freiheit eine wahre Erlösung für die Sikelieten war; man bedurfte eben
nicht sowohl eines genialen als eines rechtschaffenen und tapferen Mannes von
unbedingter Freiheitsliebe. In unseren Tagen hat Garibaldi, ein ähnlicher
Charakter, in einer ähnlichen Situatioo; elbe analoge Rolle spielen können. Zu
diesen persönKehefn Eigenaehaften kam nnn bei Timeieon, gerade iPiie bei Gari-
baldi, das Glück. Und eben diese VerbiDdung von Tugend und GtUck machte
ihn den Griechen so bewundernswürdig. Er, der seine persönlichen Gefühle
der Liebe zur Freiheit zum Opfer gebracht hatte, konnte im höheren Alter alles
das erreichen, was die Lehrer der Weisheit in Griechenland stets in ihren
öffentlichen Reden als das Ziel des Ehrgl^izes jedes patriotischen Griechen hin-
gestellt hatten, zu einer Zeit, wo eine edle, aufopfernde Thätigkei« durch den
Gegensatz des herrschenden Egoismus nur noch deutlicher hervortrat. Ttmo-
leon's Vorbild soll besonders Epaminondas gewesen sein, und er hat sein Vor-
bild, soweit es von ihm abhing, sicherlich erreicht. In einer Beziehung aber,
deren Auffassung dem frommen Sinne der Alten zur Ehre gereichte, stand
Timoleon fast noch Über Epaminondas. Der sichtliche Schutz der Götter hatte
über keinem tugendhaften Manne so gewaltet , wie über Timoleon in Sicilien ;
keiner hatte so grosse Dinge mit solcher Schnelligkeit, solcher anscheinenden
Leichtigkeit ^ausgeführt. Ihm hatte sich Dionys unerwartet ergeben , er war
durch ein Wunder vor Mördern bewahrt worden, er hatte das ungeheure kar-
thagische Heer fast im ersten Anlauf vernichtet. Timoleon selbst schrieb alles,
■/-.MJIIP-
ünfles Buch. XIII. Timoleon betreit Syrekus, siegt ein KrimlsoB. Seine leiden Jahn.
geleistet hatl«, den GOltem zu. In einem Briefe an die Seinigeo in
sagleer, er danke der GoUbeil dafür, dass sie zur Hcttung Siciliens
Ines Namens bedient habe. In seinem Hause errichtete er der Aulo-
der GlUcksgOltin, einen Altar, und er weihte das ganze Haus dem hei-
amon. FUr die Griechen trug ein in einer edeln Sache, wenngleich
lUhelos, so doch ohne gewaltsame Anslrengunii^eQ erreichter Erfolg vor-
ise den Charakter des G&tllichen, und der Mann, dem das Glück tu
^worden war, stand ihnen darum nicht tiefer, weil er weniger Schweiss
en hatte, als ein anderer. Wenn wir nun noch den friedlichen I^bens-
rimoleon's hinzunehmen, ungetrübt durch Launen des oft undankbaren
. so erscheint der Sieger »m Krimisos nicht nur in seinem Charakter,
1 auch in seinen persönlichen Schicksalen als eine ideale Gestalt, die die
»Ionischen Forderungen vom menschlichen Glltcke realisirt hat. Timoleon
Recht der Liebling der meisten Geschicbtsch reiber gewesen, und wenn
Der vielleicht hHher erhoben hat als Timaios, so genügt dies, uro dem
:holtenen Manne-einen guten Namen bei allen Billigdonkenden zu ver-
I, wie die Bemerkung des Polybios, Timoleon habe in seinem ganten
nichts Grosses ausgeführt noch unternommen, denn seine weiteste
rt sei die von Korinlh nach Syrakus gewesen, und seine Thaten in Si-
elen einem Sturm in einem Glase Wasser vergleichbar, genUgt, um den
r des jüngeren Scipio diesmal in entschiedenem Gegensalz nicht nur
Ionischen, sondern ebenso sehr zur rein menschlichen Auffassung des
eawerthes zu zeigen.
ISS er seine hauplsSchlichslen Siege an seinem Geburlstage erfochten
können wir für eine gerade bei Timoleon sehr natürliche mythische
iUDg seines vielbewunderten Glückes halten, obwohl ein ähnlicher Fall
n Leben Cromweirs — hier war es der Sterbetag — zeigt , dass die
in sich nichts Unwahrscheinliches hal.
enn in Sicilien noch wahre rej^ublikanische Freiheit auf die Dauer mög-
(vesen witre , so hstte sie durch Timoleon begründet werden müssen,
gende Buch wird zeigen, dass sie nicht möglich war. Das Volk war
lehr dazu fähig. Dass es Bürgerlugend zu schätzen wusste , beweis!
ShKurcht vor Timoleon, die den Syrakusanem selbst zur Ehre ge-
Aber es war in Folge der langen Tyrannis moralisch zu schwach,
! Freiheit tu behaupten; hall« es doch unter Timoleon nicht einmal
Llie Karthager geschlagen , sondern die schwerste Arbeit den SOldnem
Sechstes Bach.
ErstesKapitel.
Unrnkeii in Syrakns; Agathokles bemächtigt sich der Herrschaft.
Nach dem Tode Timoleon's begannen bald die^ Unruhen wieder, und
Städte geriethen mit Städten , Bürger mit Bürgern in Streit. Leider fehlt es
uns an zusammenhangenden Nachrichten über die Geschichte der Insel in den
nächsten i5 bis 20 Jahren ; was wir über diese Zeit sagen können, müssen wir
aus vereinzelten, in der Geschichte des Agathokles vorkommenden Andeutun-
gen schliessen, und dies beschränkt sich auf die nackte Thatsache , dass bald
in Syrakus nicht mehr Demokratie herrschte, sondern eine Oligarchie von 600
Männern. Wenn ein solcher Uebergang von der Herrschaft des Volkes zur
Herrschaft Weniger in gefährlichen Zeiten, wo grössere Concentration der
Kraft von Nutzen ist, entschuldigt werden kann, ist er im gewöhnlichen Ver-
lauf der Dinge ein Zeichen von bedenklicher Schwäche des Volksgeistes. In
Syrakus gab die Oligarchie den Anstoss zum Rückfall in die Tyrannis, und in
eine noch schlimmere, als die des älteren Dionys gewesen war. Wir haben
zuerst die sagenhafte Vorgeschichte des neuen Tyrannen , des Agathokles, zu
erzählen.
Sein Vater war Karkinos aus Rhegion, der, aus seiner Ileimath verbannt,
nach dem sicilischen Therma , einer damals unter der Botmässigkeit der Kar-
thager stehenden Stadt, gezogen war. Wir dürfen annehmen, dass Karkinos
ein Mann von angesehener Stellung gewesen war , wenn auch die Auswande-
rung seine Vermögensverhältnisse zerrüttet .haben mochte. Er schloss eine
Verbindung — ob eine förmliche Ehe , ist nicht klar — mit einer Thermita-
nenn. Während ihrer Schwangerschaft wurde er von bösen Träumen wieder-
holt gequält, und Karthager, die als Gesandte zum delphischen Gotte gingen,
befragten in seinem Auftrage das Orakel und. brachten die Antwort , dass
dieser Sohn den Karthagern und ganz Sicilien grosses Unglück bringen werde.
Deshalb setzte er ihn , sobald er geboren war, aus und stellte W^ächler auf.
220 Sechstes Buch. I. (JoruheD in Syrakus ; Agnthoktes benischilgl sich der HerrschaFi
die dafür sorgen sollten, dass Niemand das Kind retle. Es vei^ingen aber
Tage, und das Rind starb nicht. Endlich wurden die Wächter nachlässig in
ihrer Pflicht, und es gelang der Mutter, den Knaben zu entfernen. Aber in ihr
Haus nahm sie ibn nicht, aus Furcht vor ihrem Hanne; sie brachte ihn lu
ihrem Bruder Herakletdes und nannte ihn nach ihrem eigenen Vater Aga-
tbokles. Hier wuchs der Knabe auf und wurde scbOner und kraftiger ab die
meisten seines Alters. Als er sieben Jahr alt war, kam einmal Karkinos aul
die Einladung des Herakleides zu einem Opferfesl in sein Haus und bewun-
derte, als erAgatbokles mit seinen Altersgenossen spielen sah, seine Kraft unil
seine Schönheit. Da sagte ihm seine Frau , so alt wäre auch unser Sohn ge-
wesen , wenn wir ibn nicht ausgesetzt hinten , und es gereute ihn seine That
und er weinte bitterlich. Nun nagle die Frau es, dem Karkinos milzulfaeilen,
was sie getban hall«, und er erkannte seinen Sohn an und nahm ihn tu sieb.
Br liess ihn das Tüpferhand werk lernen, eins der wichtigsten Gewerl>e im
Altertbum. Längere Zeit blieb er noch in Tberma; als aber Syrakus Dach
seiner Befreiung sich wieder hob und Tiowlewi dort gern alle Griechen als
Bürger aufnahm , zog auch Karkinos mit seinem ganzen Hause nach Syrakus,
vielleicht auch aus Furcht, dass der alte Oraketsprucb wieder der Vergessenheit
entrissen würde and bei der Feindschaft, welche rwiscben Griechen nnd Kar-
thagern damals herrschte, ihm und seiner Familie zum Verderben gereichen
mächte. Hier starb er bald, und Agatfaokles lebte nun unter der Aufsicht
seiner Hutler, die noch durch ein besonderes Zeichen die Erwartmig, dass ihr
Sohn einst grosse Dinge leisten werde, bestätigt sab. Sie halte in einem hei-
Rgen Tempelbeiirke ein steinernes Abbild des Agathokles als Weifageschenk
errichten lassen, und an demselben baute ein Bienenschwarm seine Zellen,
was die Zeicbcndeuter einstimmig als eine Torbersagung grossen Ruhmes
eriLlaMen. Durch diese Sagen wird Agathokles in die Heihe der grossen Herr-
scher Siciliens, eines Gelon und Dionys eingeführt, und wenn er auch ifnrcb
keine wahrhaft grosse und nützliche Leistung eine solche Stehung verdient
hat, so werden wir doch sehen, dass er sie an Glanz der Thaten allerdings
errerciile , wo nicht Übertraf. Es war sein schönes und stattbdies Ausseben,
das ihn zuerst vorwärts brachte. Er wurde der Liebling eines der angesehen'
sten und reichsten Manner in Syrakus, des Damas, der alles that, um dem
Agathokles eine unabhängige Stellung zu verschaffea. Er wurde ihm behulflich,
sich ein bedeutendes Vermögen zu erwerben , und nahm ihn mit sich , als er
g^en Akragas ein syrakusanisches Heer befehligle. Agathokles war vorztlglich
zum Soldaten geeignet, von grosser Statur und nngemeüier KOrperkraft; er
setzte eine Ehre darin, eine Rtlstung zutragen, die durch ihr Gewicht jeden
anderen erdrückt hätte. Wahrend des Feldzuges starb ein Cbiliarch, und
Damas ernannte Agathokles zu dessen Nachfolger. Er zeigte sich diesem Amte
vollkommen gewachsen, und ebenso tapfer und umsichtig im Felde, wie be-
redt in den Versammtungen. Nach einiger Zeit starb I>amas und hinterliess
sein grosses Vermögen seiner Frau; Agathokles heiralhete sie und war nun
einer der reichsten Hanner von Syrakus. Er bekleidete das Amt eines Chi-
liarchen zum zweiten Haie bei dem Heere, welches die Syrakusaner den Kro-
tonialen gegen die Bmttier tu Hülfe schickten.
Ag»ti»okies in ItaÜeo. 22 t
In ItaJien hatten sich ndmlich die VerbäitBisse immer ungünstiger fttr die
Griechen gestaltei. Die Machet der Lukaner und Bruttier nahm fortwährend
zu, und in demselben VerlUdtniss die BedrSngniss von Städtaa wie Kroton
und Tarent. Sie waren nicht jm Stande, mU eigener Kraft ihren Feinden die
Spitze EU bieten, und mussten «ich deshalb fortwahrend nach fremder Hülfe
umsehen. So war um die Zeü der Schiacht bei Chaeronea (338) der sparla-
nisdie König Arcbidamos , des Agesilao^ Sohn , der von den Messapiern hart
bedi*ängten, übrigejas äui^serst reichen und blühenden Stadt Tarent zu Hülfe
gekommen , hatte aber im Kriege seinen Tod gefunden. Sechs Jahre spater,
332, riefen die Tarentiner gegen dieselben Feinde den König eines Landes,
welches seit dieser Zeit sich einen Namen in der Welt zu machen anfing,
Alexander, den llolosserfürsten in Epiros, den Bruder der Olympias, der
Mutter des grossen Eroberers von Asien, zu Hülfe. Er war anfangs glücklich,
vielleicht zu sehr für einen Fremden, der leicht in den Verdacht kam, die
Eolle seines berühmten Neffen im Westen spielen zu wollen. Er bildete ein
Heer aus mitgebrachten Soldaten, Griechen, Poediculern und verbannten Lu-
kapern, eroberte Consentia, drang bis nach PoßeidoniA (Paestum) vor, und
dachte an eine Umformung der griechischen Bundesverhaltnisse Italiens zu
seinem Vortheil , als sich alles änderte, die Tarentiner sich ihm entfremdeten
und er bei Pandosia, am Flusse Acheron, von der Hand eines lukanischen Ver-
bannten umkam. Aehnlich der Lage Tarent's war die von Kroton, das zu Sy-
r^kus seine Zuflucht nahm.
Oberfeldherrn waren auf syrakusani^cber Seite Herakleides und beson-
ders Soffistratos, die Führer der oligarchiscben Partei : Manner von schlechtem
und zu Gewaltthatigkeiten geneigtem Sinne. Unter ihnen war mit einem
hohen Amte Antandros , der Bruder des Agathokles , bekleidet. Wir wissen
nicht, ob Antandros jünger oder alter war als Agathokles, auch nicht, ob von
derselben Mutter; wir möchten aber daraus, dass Antandros ein höheres
Kommando bekleidete als Agathokles , den Schluss ziehen , dass es nicht des
künftigen Tyrannen Glück allein war, das die Familie gehoben hatte, dass
dieselbe vielmehr schon an und für sich in Ansehen stand. Antandros ist
später in einigen Beziehungen das für Agathokles gewesen, was Pbilistos für
Dionys war, sein Ralhgeber und Gescbichtschreiber. Der Ghiliarch Agathokles
zeichnete sich auch in diesem Kriege aus, fand sich aber am Schlüsse der
Expedition von Sosistratos zurückgesetzt, der ihm nicht die erwarteten Ehren-
bezeugungen zukommen Hess, und suchte sich dafür zu rächen, indem er ihn
vordem syrakusanischen Volke anklagte, dass er nach der Tyrannis strebe. Die
Partei des Sosistratos war aber die stärkere, und des Agathokles Anklage blieb
unbeachtet. So entfernte er sich mit einer Anzahl Gleichgesinnter aus der
Stadt und hielt sich , mit abenteuerlichen Planen beschäftigt , in Italien auf.
Er machte unter anderen einen vergeblichen Versuch , sich Kroton's zu be-
mächtigen, ging, als er sich kaum vor den ihn verfolgenden Krotoniaten ge-
rettet hatte, in tarentinische Dienste und ward hier als Anführer von Söldnern
berühmt, aber zu gleicher Zeit auch so verdächtig, dass er bald seinen Dienst
aufgeben musste. Nun wandte er sich mit einem Haufen zusammengelaufener
Leute nach Rhegion , und stand dieser Stadt gegen die syrakusanischen Oii-
*—r
222 Sechstes Bach. I. Uoruhen in Syrakus; Agathokles bemächtigt sich der HerrscbaR.
garchen bei, welche sie bekriegten. Nach einiger Zeit wurden Herakleidcs,
Sosistratos und ihr Anhang in Syrakus gestürzt, und Agathokles kehrte wieder
in seine Heimath zurück. Die gestürzte Partei verband sich aber mit den Kar-
thagern und begann Krieg gegen Syrakus , für Agathokles eine willkommene
Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Bald einfacher Soldat, bald Feldherr, bewies
er in diesem Kriege wieder seine ausserordentliche militärische Tüchtigkeit,
und seine Geistesgegenwart in schlimmen Lagen erregte die allgemeine Be-
wunderung. Einst befand er sich beim syrakusanischen Heere, welches in der
Nahe von Gela zu Felde lag, wie es scheint, als Anführer von 4000 Mann. Mit
diesen brach er Nachts in die von den Feinden besetzte Stadt. Aber Sosi-
stratos war auf der Hut gewesen ; er warf sich mit einer überlegenen Macht
auf die Eingedrungenen 4ind trieb sie zurück. Etwa 300 wurden niederge-
macht, die andern drängten sich durch die engen Strassen den Thoren zir.
ohne Hoffnung auf Rettung; Agathokles selbst empfing, tapfer kämpfend, sieben
Wunden, und war durch den Blutverlust schon ausser Stande, den Kampf
fortzusetzen. Da rettete er sich und die ganze Schaar durch eine gut ausge-
sonnene List. Er schickte Trompeter nach den beiden entgegengesetzten Seiten
der Stadt, die, dort angekommen, plötzlich zum Angriff bliesen. Nun glaubten
die siegreichen Feinde, es komme Hülfe vom syrakusanischen Heere, um die
schon Unterliegenden durch einen Doppelangriff auf Gela zu befreien, und sie
wandten sich eilig nach den Seiten hin , woher die Syrakusaner zu kommen
schienen. Als sie die Täuschung bemerkten, hatte sich Agathokles schon mit
den Seinigen in sein verschanztes Lager gerettet.
Das Auftreten des Agathokles war der Art, dass Niemand zweifeln konnte,
er strebe nach der Tyrannis und warte nur auf eine Gelegenheit , um seine
Anschläge auszuführen. Deshalb ward er auch nicht zum Feldherm erwählt,
wozu seine kriegerische Tüchtigkeit ihn vollkommen geeignet gemacht haben
würde; die Syrakusaner fanden vielmehr, dass jetzt der Fall eingetreten sei,
für welchen sie einen Korinther zum Feldherrn zu erheben beschlossen hatten,
und übertrugen dem Korinther Akestorides die Oberleitung des Krieges mit
allen hiermit gewöhnlich verbundenen Vollmachten, wie es scheint, sogar mit
darüber hinausgehenden Rechten , die den Fremden einem Dictator ziemlich
gleichstellten. Die Absicht des Akestorides ging alsbald dahin, Agathokles aus
dem Wege zu räumen, und da er es offen nicht zu thun wagte, wegen des
grossen Anhanges, den Agathokles unter dem niederen Volke hatte, so stellte
er ihm heimlich nach. Er gebot ihm, sich aus Syrakus zu entfernen, und
sandte Leute aus, die ihm in der Nacht auflauern sollten. Agathokles erfuhr,
was man gegen ihn vorbereitete, und liess einen von seinen Sklaven, der ihm
an Gestalt glich und sogar in den Gesichtszügen einige Aehnlichkeit mit ihm
hatte, seine Rüstung und sein Gewand anlegen, sein Pferd besteigen und auf
der Hauptstrasse reisen, während er selbst, in Lumpen gehüllt, einen abgele-
genen Fusspfad einschlug. Seine List gelang ; tier Sklave wurde für Agathokles
gehalten und getödtet, und dieser entkam.
Die Vertreibung des Agathokles war für Syrakus das Zeichen zu einem
neuen Wechsel der Regierung. Sosistratos kam wieder zurück und mit ihm
die Oligarchie. Nun hatte Syrakus auch wieder Frieden mit den Karthagern,
Agalhokles' Verbannung und Rückkehr. A^atbokles Feldherr. 223
und Agalhokles fand so in seiner Verbannung eine nicht zu verschmähende
Gelegenheil, seine Tapferkeit ausser gegen seine Mitbürger auch gegen den
Erbfeind der Griechen zu beweisen. Die Stadt Morgantion , die ihn zu ihrem
Feldherrn ernannte, wurde der Mittelpunkt seiner Macht, und es gelang ihm
sogar , sich Leontini's zu bemächtigen. Zweimal griff er , jedoch vergeblich,
Syrakus selbst an.
Agathokies machte wirklich durch sein kräftiges Auftreten in der Verban-
nung seine Rückkehr nach Syrakus möglich. Der karthagische Feldherr Ha-
milkar, der in Sicilien commandirte und keinen Vortheil bei den Schar-
mützeln mit ihm sah und vor allen Dingen ein Einverständniss mit Agathokles
in seinem eigenen Interesse zur Verfolgung ehrgeiziger Pläne fttr möglich hielt,
wandte seinen Einfluss auf die befreundete syrakusanische Oligarchie dazu
an , sie zur Wiederaufnahme des tapferen Mannes in die Stadt zu bewegen.
Es gelang, und die herrschende Partei verlangte nur, dass Agathokles einen
feierlichen Eid leisten solle, nichts gegen das Volk und seine Freiheit unter-
ternehmen zu wollen. Er leistete ihn, wie einst Kallippos (S. 188) im Tempel
der Demeter, und erwarb sich bald in der Stadt einen noch grossem Einfluss
als zuvor. Jetzt erlangte er endlich das, w^onach er so lange umsonst gestrebt
hatte, er wurde zum Feldherm gewählt und ihm die ausdrückliche Aufgabe
gestellt, in der Stadt selbst den Frieden aufrecht zu hallen: eine eigenthüm-
liebe Stellung für einen Mann, der selbst mitten im Parteigelriebe stand. An
ihn schloss sich alles an, was mit der immer noch übermächtigen, in der Be-
hörde der Sechshundert repräsentirten Oligarchie unzufrieden war, und Aga-
thokles stand in kurzer Zeit als das Haupt der demokratischen Partei da.
Der Zustand, in welchem Syrakus sich beßind, konnte nicht dauern.
Das Haupt der demokratischen Partei war Feldherr, also der erste und mäch-
tigste Beamte der Stadt, deren Regierung im übrigen in den Händen der
Oligarchie war. Das Volk hasste die Oligarchie und sah in ihr das Verderben
des Staates. Die Oligarchie selbst aber duldete Agathokles nur, weil sie
musste , und weil er beim Volke beliebt war. Eine Entscheidung war noth-
wendig. Es wäre nicht zu verwundern, wenn die Oligarchie Pläne gemacht
hätte, den Mann, der sich ihr nach wiederholter Abweisung endlich doch auf-
gedrängt hatte, aus dem Wege zu räumen, und ebenso natürlich ist es, dass
Agathokles seine Stellung dazu benutzte, um die Oligarchie zu stürzen. Ha-
milkar unterstützte ihn durch Soldaten.
Ein äusserer Anlass gab ihm die Mittel dazu an die Hand. So lange kein
auswärtiger Krieg da war, befehligte der Stra'teg nur syrakusanische Bürger,
die überdies im Frieden nicht unter Waffen standen und sich selten versam-
melten ; ein auswärtiger Krieg dagegen konnte die Herbeiziehung fremder
Truppen nöthig machen. Als die Nachricht kam, dass syrakusanische Partei-
gänger im Innern der Insel bei Herbita sich zusammenzögen, wurde Aga-
thokles autoft'tsirt , gegen sie ein Heer aus ihm passend scheinenden Bestand-
theilen zusammenzubringen. Er bildete den Kern desselben aus Einwohnern
von Morgantion und einigen andern Städten dieser Gegend, die ihm seit seinem
früheren Aufenthalte daselbst zugethan waren, und bei denen er eine gewisse
Abneigung gegen das übermächtige Syrakus voraussetzen durfte. Zu diesen
Obstes Bocti. I. Unruhen ia Syrakus: Agathoklei bemächtigt sieb der Herrschalt
'area 300O — nahm er noch eine Aozahl von SyrakusanerD der ärmereD
ßatUrticIie tiegner der Oligarchen, in s«in Heer auf (317 v. Chr.). Als
urAusfafariuig seines StaaUstreiches gehsrif; vorbereitet -war, liess er
olda(£D eines frühen Morgeas im Timoteonteion sich versamnieln und
e ebendahin Tisarcbos und Dioldes, die damaligen Leiter der Sechs-
t, unler dem Vorwande eiaer Besprechuog über Staatsangelegenheiten,
idea erscfaieoea, aber in Begleitung von 40 ihrer Freunde. Dies gah
liles einen Vorwand , sich Air das Opfer einer hinteriistigen Nächste)-
i erklären ; augenblicklich wurden die Zweiundvierzig ergrifleo und n
Sammlung der Soldaten gebracht. Hier klagte Agalbokles «die Sechs-
t an , dass sie ihm wegen seiner Anhänglichkeit an das Volk aaofastell-
kd regle duroh seine Worte die Soldaten so auf, dats sie scbrieeo, er
licht länger zttgern , sondern auf der Stelle die Verbrecher bestrafen.
T es, was Agathokles wollte. Scheinbar nur dem Wunsche der SoIdal«i
l>eod, hiess er die Trompeter zum Angriff blasen und gestattete seinen
;n, Über die Sechshundert und ihre Anhänger in der Stadt herzufallen
■e Habe zu plündern. Zugleich wurden die Stadtthore verschlossen und
it, damit keiner der zum Tode bestimmten entfliehen könne. Die Sol-
liausten wie in einer eroberten Stadt. Sie schlug«! die Thüren der
ein, setzten Leitern an und erstiegen die DScher, die hie und da vod
aren vertbeidigt wurden. Viele der Schlachfbpfer kamen auf den
n um, auf die sie ohne eine Ahnung von dem, was vorgefallen, fainau^-
t waren, als sie Tumult und Geschrei geh&rt hatten. Bald unterschie-
I Soldaten in der durch das Horden gesteigerten Aufregung nicht mehr
n Tode bestimmten von den Bürgern, die sie schonen sollten, und
eten, was ihnen in den Weg kam, um desto mehr Beute zu machen,
iche und Habgier wussteo in der allgemeinen Vemiming ihre Opfer
ED. Nicht einmal die Tempelbezirke boten den Unglücklichen, die sie
uchtsttrter wühlten, SchuU. So wurden an einem Tage mehr als 4000
^sebensten und wohlhabendsten Bürger ermordet. Da die Staditbore
ossen waren , versuchten Viele , sich durch Herabspringen von den
zu retten, und nicht Wenigen gelang es; Manche kamen dabei um.
)]len auf diese Weise entkommen sein ; sie flohen zuerst in die benach-
Slädte, dann nach Akragas, der Stadt, die seit einiger Zeil wieder als
)eDbuhlerin von Syrakus aufzutreten begann, und wurden dort freund-
'genommen. Die Banden des Agalbokles hausten indessen nodi einen
Tag in der besiegten Stadt und vollführten die sobeusslichsten Grau-
len. Manche unter den Oligarcben waren nicht von den Soldaten cr-
, sondern Agathokles als Gefangene überliefert worden ; von diesen
einige umbringen , andere verbannte er; nur einen, der sein Freund
n war, den DeiniArates, begnadigte er vollständig,
n nächsten Tage berief er eine Volksversammlung. Der Staatsstreich,
lat unerhörter Grausamkeit, war vollführt, und um die Herrschergewalt
: in die HSnde zu bekommen, hielt er es für gut, sidi zu stellea, als
er nicht nach ihr. Er erklHrle, wie einst Gelon , dem versammelten
das naturlich nur aus Leuten bestand, welche aus Neigung oder Furcht
Volksversammlung. Charakter der Herrschaft des Agathokles. 225
ihm ergeben waren, seine Aufgabe sei nun erfüllt; er habe die Stadt von den
oligarchischen Despoten, der Partei der Seefashundert, gereinigt, jetzt habe das
Volk wieder die Gewalt in Händen ; er sei der Anstrengungen müde und ver-
lange nichts weiter, als, wie die' übrigen, als freier Bürger zu leben. Zugleich
legte er den Kriegermantel ab und entfernte sich. Aber die , welche bei den
Mordthaten und der Plünderung der vorhergehenden Tage betheiligt gewesen
waren , begannen zu rufen , er müge sie doch nicht verlassen , sondern die
Regierung der Stadt übernehmen. Anfangs schwieg er, als aber derselbe
Wunsch immer lauter und allgemeiner ausgesprochen wurde, erwiderte er, er
wolle wohl das Feldherrtiamt übernehmen , aber nur allein, nicht mit andern.
Er möge sich nicht dazu hergeben , für die von CoHegen begangenen Fehler
nach den Gesetzen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Ebenso hatte vor
90 Jahren Dionys gesprochen und seinen Zweck erreicht. Hier verstand sich
aber die Erfüllung des von Agathokles ausgesprochenen Wunsches ganz von
selbst, denn er war thatsächlich Herr der Stadt. So wurde er also, wie einst
Dionys, Strategos Autokrator, und beherrschte als solcher seitdem die Stadt,
der Form nach jeden Augenblick einer Absetzung durch die Volksgemeinde
ausgesetzt. Das Princip der Volkssouverfinitat war einmal tief dem Geiste der
Alten eingeprägt.
Und Agathokles bemühte sich wirklich, als volksthümlicher Herrscher zu
regieren. Seine ersten Hassregeln ketteten das niedere Volk fester an ihn; er
versprach und bewirkte Verminderung der Schulden , die die Armen von den
Reichen sehr abhängig gemacht hatten , und die Austheilung von Landereien
an die Unbemittelten. Politische Verfolgungen hörten fast gänzlich auf; er
hatte in den zwei schrecklichen Tagen den Boden se sehr gesäubert, dass er
für einige Zeit sich als einen freundlichen und wohlwollenden Gebieter zeigen
konnte. Er war nicht von Natur zum Argwohn geneigt, wie Dionys, — er war
ja auch nicht mehr so jung wie dieser, als er die Alleinherrschaft gewann
(44 Jahre), und hatte viele Kriege und viele bürgerliche Unruhen bereits
durchgemacht, — und er hielt es für unnöthig, sicL mit Trabanten zu umge-
ben und den Zutritt zu seiner Person zu erschweren. Mit den Karthagern trat
er in freundschaftliche Beziehungen , die freilich mehr Hamilkar als dem kar^^
thagischen Staate zu Nutzen kommen sollten (Ol. 413, 4 — 347 v. Chr.).
Zweites Kapitel.
UHtemeliniuiigeii der AkragantiHer gegen Agatiiokles. Neuer iänfal)
der Karthager.
Agathokles wandte seine hauptsttchlichste AufmeriLsamkeit zunächst dem
Kriegswesen zu. Er sorgte für einen gefüllten Schatz, für Waffenvorräthe und
für die VergrOsserung der Seemacht. Dann unterwarf er allmählich die Syra-
HolB, OeMb. SicUieaf. IL ]5
226 Sechstes Bach. II. Die Akragaatiner gegen Agatbokles. Neuer Eiofall der Karthager.
kus zunächst gelegenen Landschaften und Städte. Die Herrschaft eines kräfti-
gen Despoten trug dazu bei, dass Handel und Verkehr wieder aufbltihten, und
Siciiien betheiligte sich im Jahre 316 wenigstens durch Geldsendungen bei
einer von allen Hellenen mit Freude begrüssten Massregel, dem durch Kassan-
der veranlassten Wiederaufbau Theben^s. Im nächsten Jahre griff Agathokles,
jedoch ohne Erfolg, Messana an. £r hatte sich eines messenischen Forts be-
mächtigt und versprach, es den Messanem gegen 30 Talente zurückzugeben.
Aber er nahm das Geld und behielt den Ort , sammelte ein Heer und eine
Flotte von leichten Fahrzeugen und tiberfiel Messana , dessen Mauer an einer
Stelle , wie er wusste, sehr schadhaft war. Aber die Messaner warea auf
ihrer Hut, und Agathokles warf sich mit seiner Streitmacht auf Mylai, das
sich ergab. Nach diesem kleinen Erfolge kehrte er nach Syrakus zurück, um
im Herbst den Angriff auf Messana zu erneuern. Abeif es war wieder um-
sonst; die Messaner, durch syrakusanische Verbannte verstärkt, wehrten sich
tapfer, und dazu wurde ihm von den Karthagern Halt geboten, die ihn durch
Gesandte an die mit ihnen geschlossenen Verträge erinnern Hessen, welche die
Selbständigkeit Messana^s gewährleisteten. Diese karthagische Einmischung
ging offenbar direct vom Senate der Hauptstadt atis, dem Hamilkar schon an-
fing Verdacht zu erregen. Agathokles musste nicht nur von der Belagerung
Messana^s abstehen^ sondern auch das bereits ausgelöste Fort zurückgeben.
Ein schwacher Ersatz für diesen Schlag war die Einnahme Abakainon s, wo er
40 seiner Hauptgegner umbringen Hess.
Doch .war im Ganzen die Macht des Tyrannen im Fortschritt begriffen und
wohl geeignet, die noch freien sicilischen Städte, vor allen Akragas, Gela und
Messana unruhig zu machen. Besonders waren die Flüchtlinge eifrig bemüht, ein
grosses Bündniss aller jetzt oder später bedrohten Staaten gegen Agathokles zu
Stande zu bringen. Noch, sagten sie, sei der Tyrann nicht so stark , dass er
nicht besiegt werden könnte, und früher oder später komme es doch zum
Kampfe. Das Bündniss wurde geschlossen, und einige syrakusanische Flücht-
linge übernahmen es, in Hellas einen Feldherrn zu suchen, der, wie man
hofile, die Thaten Timolepn^s erneuern sollte.
Sie fanden in Sparta Akrotatos, den Sohn des KOiugs Kleomeoes, bereit zu
Unternehmungen in der Fremde. Er hatte sich die meisten der jüngeren Män-
ner dadurch zu Feinden gemacht, dass er sich dem Beschlüsse der Spartaner,
die von der Niederlage gegen Antipater Heimgekehrten von der nach den Ge-
setzen sie treffenden Schande zu befreien, allein widersetzt ! atte. Die, welche
geOohen waren, warfen einen grossen Hass auf ihn, lauerten hm sogar auf und
misshandelten ihn. Er gab gern den Aufforderungen der Sikelioten Gehör und
verliess die Heimath schnell , ohne erst die Genehmigung der Ephoren einzu-
holen. Deshalb konnte er auch nur wenige Schiffe bekommen, mit denen er
von Kerkyra auf dem kürzesten Wege nach Akragas zu fahren beafanchtigte.
Er wurde aber durch Stürme nach Norden verschlagen , kam nach Apollonia,
wo er zwischen dieser Stadt und dem Illyrerkönig Glaukias, der sie belagerte,
Frieden stiftete, und gelangte dann nach Tarent. Tarent befand sich damals
in äusserlich sehr glänzenden Verhaltnissen. Der Handel blühte ausserordent-
lich. Geld war in Hülle und Fülle vorhanden. Die demokratischen Machthaber
Akrotatos. Friede in Sicilien. 227
<!er Stadt wölken sie auch gern eine politische Rolle spielen lassen , und si^
hatten sich im Jahre 390 v. Chr. dazu aufgeschwungen, den Römern und
Samniten, die in Apulien Krieg führten, ein Friedensgebot zukommen zu lassen.
Tarent hätte bereit sein müssen, selbst in den Krieg zu Gunsten der Samniten
einzutreten. Aber dazu hatte man in der üppigen Stadt keine Lust; man wollte
nicht seine Haut zu Markte tragen, nur Geld wollte man aufwenden. So mie-
thete man von Zeit zu Zeit Condottieri, die nichts nützten, und war unter
Umständen sogar bereit, sich in Dinge zu mischen, die Tarent wenig angingen.
Als sich Akrotatos Mühe gab, Theilnahme fUi* die Sikelioten zu erregen, ward
wirklich der Beschluss gefasst, dass 20 Schiffe nach Sicilien geschickt werden
sollten. Ehe sie noch ausgelaufen waren, fuhr Akrotatos weiter und wurde in
Akragas mit grosser Herzlichkeit aufgenommen (31 4 v. Chr.). Aber die Erwar-
tungen der Akragantiner von ihrem neuen Feldherrn wurden nicht erfüllt. Auf
Verheissungen folgten keine Thaten. Die einzige.Sorge des Akrotatos war, seine
hohe Stellung möglichst zu gemessen. Er trieb die Schwelgerei so weit, dass
er aus einem Spartaner ein Perser geworden zu sein schien. Das sicilische
Wohlleben nahm ihn ganz gefangen. Dabei zeigte er sich despotisch, verfolgte
die, welche ihm widerstrebten, und verwandte endlich das ihm für den Krieg -
anvertraute Geld zu seinen IiHriguen oder brachte es heimlich auf die Seile.
Endlich, nachdem er bereits andere angesehene Manner aus dem Wege ge-
räumt hatte, ermordete er das. Haupt der syrakusanischen Ausgewanderten,
Sosistratos, bei einem Gastmahl, ohne dass er mit ihm in Zwist gewesen wäre,
nur weil der Einfluss dieses Mannes der Ausführung seiner Pläne im Wege
stand. Es waren alle diese Menschen, die mit einander in Sicilien damals um
die Oberherrschaft rangen, einander vollkommen würdig; Sosistratos und
Akrotatos waren nicht. besser als Agathokles, du r weniger klug und weniger
rücksichtslos als er. Mitleid verdient keiner^ der als Anführer in diesen Un-
ruhen fällt, nur das Volk» das unter dem Ehrgeize seiner vorgeblichen Befreier
leiden musste. Wir können kaum .bedauern, dass Agathokles" nicht gestürzt
wurde: er war jedenfalls fähiger, als die Despoten, die ihn ersetzt hätten. Zu
einer ehrlichen Republik zeigte sieh das Volk allein unfähig, und ein Timoleon
kam nicht wieder.
Akrotatos fiel in die. Grube, die er Sosistratos gegral)en. Die ausgewan-
derten-Syrakusaner tumultuirlen , setzten ihn ab und begannen mit der in
Heeren , besonders in Soldheeren gebräuchlichen Praxis , ihn mit Steinen zu
werfen, so dass er sich glücklich schätzen musste, in der Nacht entkommen zu
können. Als er nicht mehr in Sicilien war, riefen die Tarentiner, die nur
wegen des spartanischen Königssohnes sich auf den Krieg eingelassen hatten,
ihr Geschwader zurück, und die verbündeten Städte, die zu spät bemerkten,
dass sie doch nicht die Elemente eines kräftigen Widerstandes gegen Aga-
thokles in sich hatten, machten Frieden, und zwar unter Vermittlung der Kar-
thager, d. h. diesmal des Hamilkar, des geheimen Bundesgenossen des Aga-.
thokles. Die Bedingungen waren demüthigend für die Städte. Mit Ausnahme
von Selinus, Herakleta und Himera, d. h. Therma, welche Städte ausdrück-
lich als unter den Karthagern stehend anerkannt wurden j sollten di^ übrigen
griechischen Städte Siciliens selbständig sein , — aber unter syrakusanischor
15*
328 Sechstes Bncli. II. Die Akragantiner gegen Agtthoklei. Hener Einhtl der EsTdisger.
inie. Iq Kartbago selbst war man übrigeDs mU diesem Vertrage unzu-
, maa fand ihn nidit vortheifhaft genug. Hamiikar ward getadelt und
beintich abgesettt, und ihm der Prozess gemacht, woraaf ein anderer
ir, Gisgon'sSohn, na<di Sicilien gesandt wurde [31 (v.Chr., 01.H6,3].
tbager begannen wieder g^en Agetbokles zu rtoten, der seinerseits
', seine Hacht tu vergrassem. Er unterwarf eine Anzahl von Städten
jchte, nur an Söldnern, ein Heer von 10,00d Fusssöklatfln und 3500
zusammen.
6 mächtigeren der noch vor Knreem dem Agatfaokles feindlichen SiSdte
I aber die Klausel von der Hegemonie der Stadt Syrakus , d. b; det
en Agathokles, nicht zu halten, Messana wurde vrieder der Mittelpunkt
derstandes. Agatfaokles schit^te deshalb (Ol. ÜT, I —3(2 v. Chr.)
einer Feldherni, Pasii^iilofl, mit g^eimen Instructionen in das mease-
[jebiet. Es gelang diesem, durch plbulidien Ueberfall eine grosse Beute
ben, und als er sich nun mit den freund scbaftlichslen Vorschlagen an
saner wandte, gingen diese , die vielleicht nicht auf einen so schnell
ihenden Krieg gefasat waren, auf alles ein, was Agalbokles verlangte
bieten liess. Sie wiesen die syraknsanischen Verbannten aus und nah-
^thdües, der selbst mit einigen Truppen heranrückte, auf. Dieser
idi, so lange er sich in Hesaana aufhielt, durchaus freundlich gegen die
und bewog sie dazu, eine Anzahl von Männern, welche aus der Stadt
it waren und sich zu ihm begeben hatten und jetzt nnier ihm dienten,
hä sich aufoiuebmen; aber er wusste seinen kurzen Aufenthalt in
I data lu benutsen , um sieh aber die PrivatveriiSltnisse daselbst und
I und Stellung seiner haupIsKohlfchslen Gegner zu unlerrichlen. Als
wieder in Syrakus befand, war sein Erstes, ungefShr fiOO BOge-
Männer, theils aus Tauromenion, groastMitheils aber aus Hessana,
eine Soldaten wegschleppen und tddlen zu lasaen. Er wollte alle, die
Herrschaft abgeneigt waren, nach Klüften nnscbadlich machen. Das
vohl an sidi in seinem Interesse, als auch w^en der Stellung, in der
den Karthagen gegenüber befand. Er war durdi sie emporgekommen,
ch dem Stufte seines Freundes Hamiikar war es nicht seine Absieht,
\ea Frieden zu halten , und es konnte audi dl^t seine Absicht sein,
n Grieche konnte in Sicilien keine wahrhaft bedeutende Macht eriaogen,
r sie nicht gegen die Karthager erwarb und cn behaupten wusste. Wer
I sich gegen Karthago zu halten verstand , dem war von den Griechen
's Niemand gewachsen. So war der Krieg mit Karthago dem Agath<A.Ies
st dem INonys das Unternehmen, auf welches er immer wieder zurQck--
ad um ihn erfolgreich ftthren zu kVnnen, mussten allerdings unter den
n keine Feinde mehr sein.
ir haben so ^en Dionys genannt; aber wenn wir Agathokles wegen
1 ihm unternommenen karthagischen Krieges mit Dionys verglichen
so soll damit nicht gesagt sein, dass das Geftthl dasselbe war, mit dem
genossen des Agathokles und diejenigen des Dionys die Kriege mit den
;em betrachteten. Es'ist vielmehr von Wichtigkeit, sich die durchaus
»lenen Bedingungen , unter denen beide Fürsten gegen die Karthager
Stollang des Agatbokl^s. . 229
kämpften y klar zu machen« Dionys kam weseoUich durch die Furcht der
Griechen vor den bedenklichen Forlschritten der Karthager zurTyrannis; er
kann in gewisser Beziehung als der Ftlhrer des Grieehenthums gegen die Bar*-
barenJ^etrachtet werden, die mit so sdirecklicher Grausamkeit in Sicilien auf-
getreten waren, dass alles, was einen griechischen Namen trug, mit Abscheu
vor ihnen zurttckbebte. In dieser Beziehung war es allmählich anders gewor-
den. Das fortwährende, wenn auch oftmals feindliche Zusammenleben der
Karthager und Griechen in dem grdssten Theile der Insel hatte den National-
bass abgestumpft und die Kriege weniger grausam gemacht Schon unier
Dionys hatten sich«den Gesetzen des Völkerrechtes entsprechende Beziehungen
zwischen Griechen und Karthagern gebildet. Wir sahen, dass ein Mann wie
Dion. mit einem karthagischen Feidherrn befreundet war , Hiketas war soweit
gegangen , sich mitMen Karthagern offen zu verbinden. Nach einem solchen
Vorgänge konnte es wenigstens keine Schande mehr für einen Griechen Sici-
lien's sein, mit den Karthagern gegen Landsleute im Bündnisse zu stehen, und
die olig^rchische Partei in Syrakus hat diese Möglichkeit nach Kräften ausge-
beutet. So war denn also Agathokles keineswegs noch vrie Dionys der Führer
der Griechen gegen die Barbaren , er hatle auch mit den Barbaren verbundene
Griechen in grosser Zahl zu bdLämpfen. Wir können den Unterschied der
Stellung beider Tyrannen zu den Karthagern kurz so ausdrücken: Dionys
diente den Griechen Sicilien's gegen die Karthager; jetzt mussten die Griechen
dem Agathokles gegen sie dienen. Hierzu kam endlich noch ein Umstand von
entscheidender Bedeutung. Während Dionys nach der Vernichtung von Seli-
nus, Himera, Akragas und Gela mit seiner Macht fast allein das Griechenthum
repräsentirte, gab «s seit Timoleon nodi wenigstens zwei unabhängige Mittel-
Staaten neben den Grossstaaten Syrakus und Karthago, nämlich Akragas und
Gela. Deren Neutralität musste die Stärke des Agathokles verhältnissmässig
vermindern , ihre feindselige Haltung gegen ihn aber den Beweis liefern, dass
man, um gut griechisch gesinnt zu sein, nicht nothwendig Anhänger des Aga-<
thokles zu sein brauchte. Es ist hier an einiges oben besprochene zu erin-
nern. Unter Dionys vollzog sich die Vermischung der Griechen und Sikeler
auf Sicilien. Zur Zeit des Agathokles drohte eine Vermischung des so entstan«-
denen Volkes auch mit den Puniem. Aber es kam nicht dazu , in Folge der
anderen politischen Verhältnisse. Sikder und Griechen hatten sich verschmei-
^n können , weil jene keine eigenen Führer von Bedeutung hatten und zu-
frieden waren,' wenn Dionys sie ebenso gut behandelte, wie es ihre Stammes-
herrscher nur zu Uiun* vermochten. Karthager und SiciUer konnten dagegen
nicht verschmelzen, weil das Oberhaupt jener sieb ausserhalb der Insel befand.
So war zur Zeit des Agathokles zwischen Karthago und Syrakus nur eine
Machtfrage; von nationaler Begeisterung war bei den Syrakusanern wenig
mehr die Rede.
Wenn wir dies berücksichtigen, so bekommen wir, wenn uns nicht alles
täuscht, einige Aufklärung auch über die grössere Grausamkeit des Aga-
thokles im Vergleiche mit Dionys. Des letzteren Lage war einfacher; er konnte
mit der Behauptung, Führer gegen die Barbaren sein zu wollen, auf eine
ziemlich allgemeine Heeresfolge der Griechen rechnen ; dem Agathokles half
230 Sechstes Bucb. II. Die Akraganttner gegen Agalbokles. Neuer EiofaH der Karthager.
eine solche Erklärung wenig, da es sehr viele Sikelioten gab, die sich offen den
Karthagern gegen ihn anschlössen oder neutral blieben und doch ihre Unab-
hängigkeit gegen Karthago behaupteten. Dionys hatte in einer Zeit nationaler
Begeisterung oder Erbitterung nur durch Zwang sich gehalten, Agathokles
wollte in einer Zeit herrschen, wo fast alle nationalen Strebungen den Griechen
der Insel in ihrer Mehrzahl fremd geworden waren und , selbst ohne andere
als egoistische Zwecke, und dazu ausser Stande, sich auch nur zum Schein
auf ideale Interessen zu stützen, weil sie fast ganzlich seinen Landsleuten fehl-
ten, blieb ihm durchaus nichts übrig, als die nackte Gewalt. .Dionys^ Laufbahn
hat noch einen Schimmer des Fürstlichen ; Agathokles hat wie ein Abent^rer
gelebt. Auch hier wiederum muss die hervorragende geschichtliche Persön-
lichkeit nicht bloss in ihrem individuellen Charakter, sondern ebenso sehr
auch als ein Product ihrer Zeit betrachtet werden. Die sicilischen Griechen
dieser Zeit waren schwächer als ihre YorfahreQ ; die Karthager waren ihnen
nicht mehr die barbarischen Fremden, die sie ihren Vorfahren gewesen waren;
sie hatten sie im Gegentheil als bereitwillige Helfer in ihren inneren Zwisten
kennen gelernt. Diesen Zwisten aber gaben sie sich mit ebenso grossem Eifer
hin, wie nur jemals früher; musste nicht da ein Despot, für den weniger«als
je eine moralische Stütze aufgefunden werden konnte , als einziges Mittel der
Herrschaft die nackte Grausamkeit anwenden?
Es ist aber noch ein Punkt zu beachten , wenn wir Agathokles vollkom-
men verstehen wollen. Wir haben bei ihm so gut wie bei Dionys und Timo-
leon auf die Zeitverhältnisse in der griechischen Welt überhaupt Rücksicht %u
nehmen. Und da zeigt sich denn zwischen den beiden Tyrannen folgender
Unterschied. Dionys entspricht, wie wir sahen, den lakedämonischen Harmo-
Sien seiner Zeit. Sie künnen sich wohl hin und wieder mit den Persem ver-
binden, aber sie bleiben selbst Griechen und Spartaner. So verständigt sich
Dionys wohl einmal mit den Karthagern, aber er bleibt stets Syrakusaner.
Syrakus ist seine Burg, aus der er sich immer wieder seine Kraft holt. Zo
Agathokles' Zeit hat im Orient die Auflösung des Perserreiches staltgefunden.
Die Diadochen sind Griechen , aber sie herrschen gleichmässig über Griechen
und Asiaten, und es ist ihnen einerlei, über wen sie herrschen, wenn sie nur
herrschen. Es ist ihnen auch einerlei, wo sie herrschen ; sie haben keine Bei-
inalh mehr, sie sind nur Condottieri. Denselben Charakter hat die gleichzei-
tige Hei*rschaft des Agathokles. Agathokles ist kein Syrakusaner von Geburt
wie Dionysios; in Therma, wo er geboren wurde, lebten Karthager und
Griechen friedlich neben einander. Er zieht es vor in Syrakus zu herrschen,
weil Syrakus die mächtigste Stadt des Westens ist; aber er hängt so wenig
an Syrakus, dass wir ihn bald sogar Sicilien verlassen sehen, um sich ein
Reich in Afrika zu gründen ; es ist ihm gleichgültig, wo er herrscht, wenn er
nur die Gewalt in Händen hat. Er hat denselben Charakter der vaterlandslosen
Condottieri, wie die Diadochen. Der Unterschied ist nur, dass diese sich auf
den Trümmern des persischen Reiches befehdeten , während Agathokles das
karthagische erst vernichten sollte. Ihm wäre die Rolle eines Alexander lOge-
fallen, aber dazu war er nicht gross genug.
Die Verschiedenheit der Zeitumstände 2wischen Dionys und Agathokles
DeiQOkrates 231
zeigte sieb übrigens noeh io dem merkwürdigen Umstände, dass, während
Dionys sich fa^t nur auf Söldner stützte und von höchst argwöhnischem Cha-
rakter war, Agathokles allerdings auch Söldner hielt, aber doch vorzugsweise
Bürger von'Syrakus und andern Städten in seinem Heere hatte , und nie eine
Spur von Argwohn gezeigt hat. Zur Zeit des Dionys gab es noch einen Gegen-
satz : Bürger von Syrakus, d. h. nach Freiheit strebende Männer, die der
Tyrann fürohten musste, und Söldner, nur dem Tyrannen ergeben. In der
Epoche des Agathokles war von der alten Freiheitsliebe (1er Syrakusaner nicht
mehr viel die Rede, und die Syrakusaner selbst waren zum geringsten Theile
die Nachkommen der Gegner und Ueberwinder der Athener. Wenn nun
Agathokles von Zeit zu Zeit mit allen, die ihm widerstrebten, durch Mas-
senmorde gründlich aufräumte, so brauchte er, von einer kleinen Söldner-
schaar unigeben, im übrigen sich nicht zu scheuen, den Syrakusanern Waffen
in die Hand zu geben ; von Freiheitshelden halte er keine Feindschaft, von
Verschwörern keine Nachstellung zu erwarten. Natürlich trug auch der Cha-
rakter des Agathokles, der etwas frischeres hatte, als der des Dionys, sehr viel
zu seiner sorglosen Haltung bei. Nach diesen noüiwendigen Bemerkungen
kehren wir zur Geschichtserzählung zurück.
Nachdem Agathokles Messana gewonnen hatte , dachte er Akrägas zu un-
terwerfen. Als er aber mit seinem Heere sich in der Nähe dieser Stadt befand,
waren auch die Karthager mit 60 Schiffen da , und Agathokles musste sich mit
einem Einfall in das karthagische Gebiet der Insel begnügen , in welchem er
einzelne Festungen im Sturme oder auf dem Wege gütlicher Verhandlung sich
zu eigen machte.
Indessen hatten die syrakusanischen Oligarchen immer noch über eine
nicht unbedeutende Macht zu verfügen. An ihrer Spitze stand jetzt Deinokrates,
derselbe, den Agathokles vor fünf Jahren bei dem grossen Blutbade in Syrakus
versdiont halte. Dieser, der die aus Messana vertriebenen Syrakusaner um
sich gesammelt hatte, machte einen Versuch, sich Kentoripa's zu bemächtigen,
wo eine agathokleiscbe Besatzung lag , unter den Bürgern aber eine nicht un-
bedeutende Partei den syrakusanischen Oligarchen anhing. Er schickte Nym-
phodoros zu diesem Zwecke aus, der zwar Nachts in Kentoripa eindrang, aber
von den Truppen des Agathokles überwunden und mit den Seinigen nieder-
gehauen wurde. Dies Unternehmen hatte nur die eine Folge, dass Agathokles
die Häupter der ihm feindlichen Partei in Kentoripa umbringen Hess.
Etwas besseren Erfolg hatte, wenigstens anfangs, das Unternehmen der-
selben Männer gegen Galaria. Die Galariner riefen die Hülfe des Deinokrates
gegen die agathokleische Besatzung der Stadt an, und er kam mit der nicht
unbedeutenden Macht von 5000 Mann, unter denen eigenthümlicherweise
SOOO Reiter waren, worin wir ein sicheres Zeichen des Reichthums einer
grossen Zahl der das Heer bildenden Krieger zu sehen haben. Galaria fiel in
die Hände der Oligardien , deren Macht , Agathokles erwartend , sich vor der
Stadt lagerte. Agathokles schickte Pasiphilos , der sich schon gegen Messana
bewährt hatte, und mit ihm Demophilos, w*ährend das Heer der Oligarchen,
ausser von Deinokrates selbst, noch von Philonides befehligt wurde. Die
Schlacht, zu der es bald kam, war anfangs schwankend ; dann entschied sie
232 Sechstes Dach. li. Die Akragsniiner gegen AgiUiokles. Neuer Eifthll der Karthager.
sidi durch den FaU des Hiilonides lu Gunsten des agathokleiscbeo Heeres.
Oalaria wurde wieder erobert, und die Bache an den Feinden des Agatbokles
daselbst liess nicht auf sich warleo.
Nun hatte Agalhokles gezeigt, dass er seinen griechischen Feinden aaf
der Insel überlegen war. Ke freien StSdle hatten sich vor ihm demUtbigen
müssen und waren tbeilweise nnlerworfen worden; die syrakusanischen Ver-
bannten , die auf eigene Hand Regen ihn Krieg zu fuhren versuchten , hatte er
Überwunden; es blieb nur ein Feind lu besiegen, der mScbtigste, der ewige
Feind, die Karthager. Denn diese, anfangs Agathokles nicht unbedingt feind-
selig gestimmt, waren immer mehr seine Gegner geworden. Sie wollten aus
der Hegemonie von Syrakus nicht eine Despotie des Agathokles werden lassäi.
sie hatten den Tyrannen lu verhindern gesucht, Hessana tu erobern; sie
hatten es wirklich durchgeselit , dass er Akragas nicht nehmen konnte, und
sie wurden Überdies durch die syrakusanischen Flüchtlinge fortwährend an-
getrieben, gegen ihn aufzutreten. Wir sahen oben, dass Agathokles mit Ha-
milkar in einem ebenso sehr gegen Karihsgo's Freiheit wie gegen Sicilien's
Unabhängigkeit geridileteta Einversiandniss war. Die Klagen der Anhänger
Karthago's auf Sicilien Über Hamilkar hatten schon einen Umsdiwung in d«i
Verhältnissen zu Agathokles im karUiagischen Senate hervorgebracfal , als
Hamilkar starb, während nodi sein Process schwebte. So trat Karthago
wieder entschieden gegen Agsthokles auf. Um die Zeit, wo die Partei des
Deinokrates den vergeblichen Versuch auf Kentoripa machte, fahr mae aus
60 Fahrzeiten bestehende karthagische Flotte in den grossen Hafen von Sy-
rakus, richtete aber nichts aus. Die Karthager bemllditigten sich nur zweier
Handelsschiffe und begingen die zwecklose Grausamkeit, dass sie der gefan-
genen Besatzung des einen die Htinde abbieben. Freilich rächte sich bald
darauf Agatb(Ales an der Besatzung einiger an dw bmttiscfaen Kttste genom-
mener karthagischer Schiffe durch dieselbe Grausamkeit. Die immer ne^
gereizten Karthager gingen nun einen Schritt weiter und besetetrai den im
Gebiete von Gela am rechten Ufer des Himera nahe der HUndung desselben ge-
legenen Berg Eknomos, jetzt H^ Cufino oberiialb Licata. Gleich nach dem Siege
bei Galaria zog Agathokles dahin und versuchte, die Karthager lu einer Schlacht
zu bewegen , aber es gelang ihm nicht, und er kehrte nach Syrakos zurück.
Die Karthager hatten sich noch nicht für stark genug gehalt^i , em dem
Agathokles die Spitze bieten zu ktuinen. Im Jahre 311 v. Chr. [Ol. 117, %
er^nzten sie ihre Macht auf Sicilien durch einm grossen Heereszog. Hamil-
kar , Gisgon's Sohn , wurde an die S[Htze gestellt ; er ertiielt 1 30 Trieren, ein
Heer von 10,000 Soldaten aus Afrika ausser 2000 karüiagisohen Borgen).
-1000 tyrrhenische Stfldner, 200 Gespanne und 1000 balearische StAleuderer.
Eine grosse Menge von Transportschiffen begleitete, mit Kom und andern
VorrSthen beladen, das Heer. Die Fahrt war höchst unglücklich. Ein Sturm
vernichtete 60 Trieren und 200 mit Vorrflthen belsdene Sdiiffe. Der Rest
rettete sich mit Muhe nach ^cilien. Eine grosse Anzahl der besten Krieger
war im Meere umgekommen und unter ihnen maocbe angesehene karthagisdie
Bürger, fUrdie, nach altem Herkommen, öffentlidie Trauer slattfend, indem
man die Mauern der Sladt mit schwarzem Z«ige behüngt«. Auf Sicilien bildete
Krieg mit Karthago. Schificht am EkBomos. 233
Hamilkar aus den ihm zu Gebote stehenden Trappen^ denen, welche schon >
auf der Insel gewesen waren , den aus dem Sturme geretteten , Söldnern,
weiche er anwarb und sieiiischen Bundesgenossen ein Heer, welches ungefähr
40,000 Mann zu Fuss und 5000 Reiter zählte.
Der Berg Eknomos blieb auch jetzt noch der Mittelpunkt der karthagi-
schen Aufstellung, weshalb Agathokles es für angemessen hielt, sich der Stadt
Gela zu versichern, um so das Ungewitter von Syrakus möglichst fem zu
halten. Zur See waren die Karthager ohnedies Herren geworden ; sie hatten
in der Meerenge von Messana SO syrakusanische Schiffe mit der gesammten
Besatzung genommen. Aber er wagte es nicht, Gela 'offen anzugreifen, weil
er fürchtete, dass dann diese Stadt, welche ihre Unabhängigkeit behaupten
wollte, sich den Karthagern überliefern möchte. Er wusste es zu bewirken,
dass Soldaten seines Heeres in kleinen Abtheilungen unter verschiedenen Yor-
wänden in die Stadt gelassen wurden ; endlich kam er selbst, und als er sich
überzeugt hatte, dass er nunmehr den Bürgern überlegen war, beschuldigte
er die Geloer der Verrätherei , an die sie schwerlich bei der Anwesenheit des
gefttrchteten Agathokles dachten, und Hess seine Soldaten ein schreckliches
Blutbad unter ihnen anrichten. Mehr als 4000 wurden umgebracht und ihr
Yermögen eingezogen. Damit nicht zufrieden, gebot er den übrigen, alles ge-
münzte und ungemünzte Gold und Silber ihm auszuliefern, und die Furcht
vor dem Tyrannen bewirkte, dass der Befehl Gehorsam fand. Er Hess die
Leichen der Ermordeten in die die Stadt umgebenden Gräben werfen, und
rückte dann , mit Zurücklassung einer ausreichenden Besatzung , dem Feinde
entgegen.
Wir wissen , dass die Karthager auf dem Eknomos lagerten ; Agathokles
bezog eine durch das Kastell Phalarion, welches östlich vom Himera dem Ekno-
mos auf dem M^ Gallodoro gegenüberlag, geschützte Stellung. Ein altes Orakel
safte, dass an diesem Orte viele Menschen im Kampfe fallen würden. Ein»f;e-
räume Zeit zögerten beide Heere, zum Angriff zu schreiten ; endlich führte, wie
es so oft geschieht, die Noihwendigkeit, die beiden Lager mit Vorräthen aus dem
flachen Lande zu versehen, die Entscheidung herbei.- Libyer zogen plündernd
in der Gegend umher ; Agathokles liess durch seine Leute sogar ganz nahe dem
karthagischen Lager untergebrachtes Zugvieh rauben. In der Voraussetzung,
dass die Karthager den Griechen die Beute würden abjagen wollen, legte er am
Flusse eine ausgewählte Schaar seiner Soldaten in Hinlerhalt. Es geschah,
wie er erwartet hatte, und als die Karthager sich auf der Verfolgung dem
Hinterhalte näherten, wurden sie überfallen und thdls niedergemacht, theils
in ihr Lager zurückgejagt. Diesen Augrablick hielt Agathokles für geeignet,
die wirkliche Schlacht zu beginnen. Er führte sein ganzes Heer gegen das
karthagische Lager, in welchem man auf den Kampf nicht vorbereitet war.
Schnell wurde ein Theil des Grabens ausgefüllt, Pfähle, welche die Verschan-
zong bildeten, herausgezogen, und das griechische Heer versuchte in das Lager
zu dringen. Es entstand ein heftiger Kampf; die Karthager stürzten von allen
Seiten herbei , um die Griechen aus der schon eroberten Stellung wieder zu
verdrängen. Das Heer des «Agathokles aber kämpfte mit um so grösserer
Tapferkeit, da es schon durch den bisherigen Erfolg angefeuert wurde. Als
es Buch. U. Die Akraganüner gegen AgathoUes. Kener Eiorall der Eirth*ger.
emerkte, dass im Handgemenge die Karthager unterliegen würden,
le balearischeo Schlenderer anrOcken. Diese trieben mit ihren eine
Gramm , schweren Steinen wirklich die Griechen aus dem Lag«
idess liess sich Agalhokles nicht abschrecken ; er brach an andern
ieder ein und würde über die Karthager Herr geworden sein, wenn
wahrend des Kampfes eine nnerwartele HUlfe an Truppen gefon-
, die in demselben Augenblicke erst von Afrika eintrafen. Diese
Sriedien vom Meere her in die Flanke und nOthiglen sie xum Rttdi-
T aus dem Ruckiuge wurde Flncht, und auf dieser litten die Grie-
iurch die zahlreiche karthagische Reiterei, wekhe. Hie Grie<4ien
weit verfolgte. Die Ebene bedeckte sich mit gefallenen Griechen,
(amen noch im Himera um, in den sie steh, von der MiUagshitze
stürzten und von dessen salzigem Wasser nicht wenige tranken,
it der Schlacht war für die Karthager ein Veriust von 500, fUr die
[>n 7000 Mann.
der Schlacht zündete Agalhokles sein Lager am Pbaiarion an and
inem Beere nach Gela. Hier wurden durch einen Z^üfall oder eine
Idherm noch einige karthagische Soldaten unvermuthH nieder)^
■ hatte nSmIich das GerUcht veri>reiten lassen, dass er schleunigst
:us aufiubrechen beabsichtige, und als nun eine. Abi heil uog von
lischen Reitern bei ihren SlretfzUgen durch die Un^ebnng von Gela
aten des Agalhokles traf, erklärten diese, ihr Feldherr sei schon
US abgezogen, vielleicht um als L'eberiaufer gelten zu können. Die
itlüD arglos nach Gela, wo sie Ub^allen und niedergemacht nur-
bokles verweilte absichtlich so lange als möglich in Gela. Diese
;ut befestigt und konnte eine Belagerung wohl ertragen ; wenn die
sich hier aufhalten Hessen , bo gewannen die Syrakusaner Zeit, ihre
cberheit in bringen, und Syrakus war dann auf eine lai^re BeU-
ser gerüstet. Eine Zeillang verfuhr Jamilkar, wie Agatbokles er-
«; bald aber merkte er, dass das Heer der Griechen in Gela mit
wendigen wohl versehen war und die Siadt noch lange ballen
d er zog es vor, das leichtere Geschäft der Erobening.des übrigen
I betreiben. Er behandeil« die Bewohner der ersten Orle, die er in
tt bekam, so gut, dass sich bald die Städte Siciliens um die Wette
D. Kamarina, Leontinj, Katane und Tauromenion waren die ersten,
! Tbore OffneleD. Nach wenigen Tagen fönten Hessana, Abakainon
ndere diesem Beispiele. So allgemein war der Hass gegen den Ty-
!r es nun doch für geralhen hielt, Gela zu verlassen und nach
rOckzukehren, wo er alles in guten Vertheidigungsiusland setzte.
He aber den kühnen Plan gefasst, in SjTakns eine kleine zuver-
itzung zurückzulassen und selbst mit dem grttssten Theile seines
1 Afrika zu geben, am die Karihager in ihrem ebenen Lande an-
235
Drittes KapiteL
Feldzog des Agathokles in AfHka«
Das Unternehmen wsTr. im höchsten Grade abenteuerlich. Im eigenen
Lande geschlagen, und im Begriffe, in seiner Hauptstadt belagert zu werden,
bricht ein Fürst in das feindliche Land ein und hofft dort das verlorene Glück
wiederzufinden. Dennoch lag in den Verhältnissen manches, was den Aga-
tbokles nicht in dem Lichte eines Wahnsinnigen erscheinen lässt. Keine Nie-
derlage auf Sicilien konnte die Karthager auf die Dauer von ihren Pinnen auf
die Insel abbringen ; wenn Sicilien Ruhe vor ihnen haben sollte, mussten sie
in Afrika selbst besiegt werden. Ein Krieg in Afrika Hess sich aber aus meh-
reren Gründen leichter und mit mehr Aussicht auf Erfolg fuhren, als ein Krieg
in Sicilien. Denn während Sicilien durch lange Kriege schon erschöpft war,
barg Afrika in seinen Städten und auf seinen Feldern noch Bieichthümer , die
wohl die Begierde eines Soldaten reizen konnten , und es war anzunehmen,
dass Karthago, welches in Sicilien ein grosses Söldnerheer unterhielt, in Afrika
mit seinen an den Krieg weniger gewöhnten Stadtbürgern nicht so gar viel
gegen die erprobten Schaaren des Agathokles würde ausrichten können.
Ferner beherrschten die Karthager freilich einen grossen Theil von Nordafrika,
aber der Gehorsam der Unterworfenen war kein freiwilliger. Agathokles konnte
aus der Geschichte des letzten Jahrhunderts wissen , dass nach dem grossen
Unglück der Karthager vor Syrakus im Jahre 396 v. Chr. die abhängigen Völ-
kerschaften Afrika's sich empört und Karthago schwer bedrängthatten (s. oben
S. 121). Der Aufstand war an der Uneinigkeit der Empörer gescheitert; wenn
nun ein guter Feldherr unter den immer noch ihrer Herrscherin abgeneigten
karthagischen Untertbanen aufti*at, waren <lann nicht grosse Erfolge zu errin-
gen ? Und man konnte um so mehr auf Erfolge rechnen, da nur Karthago be-
festigt, alle anderen Städte aber unbefestigt waren. Bei allem diesem blieb
noch ein Zweifel übrig : Wie sollte Agathokles, wenn er auch in Feldschlach-
ten .die Feinde besiegte, die Stadt Karthago erobern? Eine so vollständig
gerüstete feste Stadt, dass alle Belagerungsmaschinen, über die etwa Aga-
ihokles im Laufe des Feldzngs verfügte , nicht die geringste Wirkung auf sie
haben konnten. Und w*enn er Karthago nicht zu erobern vermochte, was halte
er dann selbst nach einigen Siegen anderes zu erwarten, als Untergang? Wir
können, wenn wir bei Agathokles eine verständige Berechnung der Aussichten
des Krieges in Afrika voraussetzen, nur vermuthen, dass er in Karthago ge-
heime Einverständnisse hatte, und dass das Gelingen der Empörung des Bo-
milkar einen Theil seiner Berechnung ausmachte. So war er selbst schon
früher mit Hamilkar, und wenn wir Justin glauben dürfen, einst Dionys mit
Suniatus im Einverständniss gewesen. Aber selbst unter dieser Voraussetzung
war das Unternehmen ein durchaus abenteuerliches , im Vergleich mit wei-
chem der Zug Alexanders mefa Asien , der dem Agathokles als Muster vor-
schweben mochte , und die Expedition der Athener nach Sicilien als von der
236 Sechstos Buch. HI. Feldzug des Agathokles in Afrika.
Klugheit selbst eingegebene Unternehmungen erscheinen. Der Hannibalische
Feldzug über die Alpen hatte mehr Aussichten , Rom zu vernichten, als der
des Agathokles^ Karthago. Agathokles ist eben, wie wir vorhin gezeigt haben,
durchaus Condottiere und Abenteurer, ganz im Charakter seiner Zeit. Wir
finden unter den Diadodien ühnlicbe Charaktere. Demetrios Poliorketes hat
sich auf Unternehmungen eingelassen, die ebenso wenig Aussichten darboten.
Agathokles traf seine Vorbereitungen, ohne über seine Zwecke irgend
Jemandem etwas mitzutheilen. Er wählte unter seinen Soldaten die brauch-
barsten. An Reitern hatte er keinen Mangel, denn während die Fusssoldaten
auf der Flucht vom Himeraflusse sehr zusammengeschmolzen Waren , hatten
die Reiter sich fast alle gerettet. Diese mussten Sattel und Zagel mitnehmen,
um in Afrika, wo an Pferden kein Uangel war, beritten gemacht zu werden.
Ausser einer Anzahl fremder Söldner nahm er auch viele Syrakusaner mit
und gebrauchte die Vorsicht, diese aus möglichst vielen Familien zu wählen,
und Vater von Söhnen, Brttder von Brtklern zu trennen, damit er an den mit
ihm Ziehenden Geiseln ftlr die Treue der in Syrakus Zurückbleibenden hätte.
Der Zeitpunkt, den er fttr die Abfahrt bestimmt hatte, nahte heran, und noch
fehlte es ihm an Geld. Er verschaflle es sich durch eine grausame List. Er
berief eine Versammlung, und ohne von seinen Absichten etwas zu verratben,
verbreitete er sich über die Entbehrungen, die den Belagerten bevorständen.
Er selbst sei an dergleichen gewöhnt und werde es leicht ertragen; aber es gebe
gewiss Manche, die nicht dazu im Stande wären ; diesen stünde es frei, mit Hab
und Gut sich aus der Stadt zu entfernen. Viele reiche Bürger, die den Aga-
thokles hassten, gingen in die Falle und zogen ab; aber der Tyrann Hess sie
durch Söldner unterwegs überfallen und niedermachen, worauf er ihr Vermö-
gen an sich nahm. Ausserdem nahm er, ganz im Sinne des Diooys, Weihge-
schenke aus den Tempeln und Schmucksachen von den Frauen , lieh von den
Kaufleulen und liess sich alle Mündelgelder von den Vormündern auszahlen,
mit dem Versprechen, sie bei der Mündigkeit der Kinder zurückzugeben. So
verschafifte er sich Geld, und um die Zahl der Soldaten zu vergrössem, reihte
er Sklaven ein, die er zu diesem Zwecke frei machte.
Nachdem er seinen Bruder Antandros als Befehlshaber in Syrakus zu-
rückgelassen, füllte er mit seiner ausgewählten Mannschaft 60 Schiffe und
erwartete einen günstigen Moment zum Auslaufen. Die Wachsamkeit der
karthagischen Flotte, welche den Hafen von Syrakus belagert hielt, nötbigte'
ihn einige Tage vor Anker zu bleiben, und das Heer hatte Zeit genug, sich in
Vermuthungen über den möglichen Zweck der Fahrt zu ergehen, Vermutbun-
gen, von denen doch keine das Richtige traf. Einige meinten , es ginge nach
Italien, Andere, in's karthagische Gebiet auf Sicilien, Niemand aber glaubte,
dass etwas Gutes bei dem Unternehmen herauskommen werde. Alle ver-
wünschten den Wahnsinn des Feidherm'. Endlich bot sich eine Gelegenheit,
abzufahren. Eine Flottille von Proviantsdiiffen näherte ^ch der Stadt, und
das ganze karthagische Geschwader veriiess seine Stellung, um auf die will-
kommene Beute Jagd zu machen. Nun lief Agathokles ausw Die Karthager,
welche die Proviantschiffe schon beinahe erreicht hatten, glaubten, Ag^hoUes
beabsichtige , ihnen eine Schlacht anzubieten ; sie gaben die Jagd -auf und
Fährt des Agathokles tiach Afrika. Seine Landung. 237
erwarteten Agathokles in Scfalacbiordnung. Als sie aber sahen, dass er niach
Süden abfuhr, begannen sie die Verfolgung. Aber Agathokles hatte einen
ziemlichen Vorsprung, und die Nacht brach herein, ohne dass es den Kartha-
gern gelungen wSre, ihn zu erreichen. Die Proviantflotte hatte überdies in den
Hafen von Syrakus gelangen können und der Stadt, in der Hangel auszubre«
chen drohte, eine willkommene Zufuhr gebracht. Am folgenden Tage, 15. August
340, war die karthagisebe Pleite, welche titehtr wussle, wo sie Agathokles
suchen sollte, nicht sichtbar, aber eine totale Sonnenfinstemiss verbreitete •
grossen Schrecken unter den Soldaten. Noch 4 Tage und 4 Nllchte fuhren sie
von den Karthagern unbelästigl weiter; aber am Morgen des siebenten Tages
der Fahrt war die feindliche Flotte plötzlich vsieder in Sicht, und es begann
ein verzweifeltes Wettrudern, verzweifelt besonders von Seiten der Griechen,
deren .einzige Rettung in der rechtzeitigen Erreichung des Landes bestand.
Auch die Karthager strengten alle Kräfte an, denn wenn sie die Griechen
einholten , waren sie mit ihrer Uebertahl des Sieges gewiss , und dieser Si^
sicherte ihnen die Eroberung von Syraküs. Die Karthager gewannen immer
mehr Raum und waren mit ihren schnellsten SchiBbn schon bei den letzten
Fahrzeugen der Griechen; ^^ da war die libysche Küste erreicht und die
Griechen, an der Rettung nun nicht mehr verzweifelnd, warfen sich keck
gegen die Karthager und nSthigten sie, sich aus Schussweite zurückzuziehen.
So konnte das Heer des Agathokles ungesttirt landen , schnell eine Verschan-^
zung aufwerfen und die Fahrzeuge an's Land ziehen. Es war ein Ort süd-^
westlich vom Vorgebirge des Merkur, — Gap Bon — der nach ungeheuren
Steinbrüchen, welche noch heutzutage sichtbar sind, bei den Griechen den
Namen Latomiai fbhrte.
Das im Heere herrschende Gefühl, dass man nun doch (Ür's erste aus der
schlimmsten Gefahr gerettet sei , ein Gefühl , das für den Augenblick noch
keinen Gedanken an die Zukunft gestattete, benutzte Agathokles, um eine
ebenso geschickte wie kühne. Massregel in's Werk zu setzen. Er sah ein, dass
die Flotte ihm nunmehr nur ein Hindemiss sein würde, und beschloss, sie zu
verbrennen. Ein Hinderniss war sie besonders deswegen , weil sie den Sol-
daten den Gedanken nahe legte, dass im Falle eines Hisslingens Flucht und
Rückkehr nach Sicilien möglich sei; und von diesem Gedanken zum lieber-
druss an dem ganzen Unternehmen war nur ein Schritt.* Agathokles wollte,
dass Alle ihre einzige Zuversicht auf den Sieg setzen und keine andere Ret^ .
tnng als in der heldenmüthtgsten Tapferkeit suchen sollten. Dazu kam noch
ein zweites. Wenn er nicht stets an der Küste entlang zog und so mit dem
ganzen Heere zugleich die Flotte deckte, — was weder in seinem Plane lag,
noch überhaupt rathsam war — musste er das ohnedies nicht grosse Heer
theilen oder die Flotte den Karthagern zur Beute werden lassen. Agathokles
wusste aber die Verbrennung der Flotte in einem ganz anderen Lichte erschei-
nen zu lassen. Er berief die Soldaten zu einer Versammlung, und trat be-^
kränzt und in festlichem Gewände unter sie. Er theilte ihnen mit, dass er auf
der Fahrt, als er habe befürchten müssen, dass sie von den Karthagern einge-
holt werden würden , das Gelübde gethan habe , wenn sie ihnen entgingen,
die ganze Flotte der Demeter und Köre als Brandfackel anzuzünden. Dies
23S Sechstes Buch. III. Feldzug des Agathokles in Afrika.
4
Gelübde müsse er jetzt erfüllen. Ueberdies stehe alles günstig , und die Göt-
tinnen würden ihnen sicher 'zum Siege verhelfen. In demselben Augenblick
brachte ein Diener ihm eine angezündete Fackel. Er nahm sie und gebot, den
Trierarchen eben solche in die Hand zu geben. Jeder von ihnen stieg damit
auf das Hintertheil seines Schiffes, Agathokles auf das des Admiralschiffes,
und alle zündeten auf seinen Befehl ihre Schiffe an. Wie die Flammen in die
Lüfte schlugen , bliesen die Trompeten wie zum Angriff, und alle Soldaten
beteten um glückliche Rückkehr. Die Geschicklichkeit, mit welcher Agathokles
der Verbrennung der Flotte einen religiösen Grund unterzuschieben .wusste,
bewirkte anfangs bei den Soldaten eine vollständige Beruhigung über das Ge-
schehene. Bald aber kehrte das Gefühl ihrer Verlassenheit auf fremdem Boden
mit um so grösserer Kraft zurück. Agathokles ergriff das beste Mittel dagegen :
er führte sie zu Eroberungen.
Sein erstes Ziel war Megalopolis. Der Weg dahin führte durch ein garten-
ahnliches, sorgfaltig behautes Land, das von Kanälen durchschnitten war, die
seine Fruchtbarkeit erhöhten. Hier und da zeigten sich Gehöfte und Land-
hfluser, deren weisse Mauern einen anmuthigen Gegensatz zu dem umgebenden
Grün bildeten, und die auPs reichlichste mit allen Bequemlichkeiten des Le-
bens ausgestattet waren. Das Land war thcils mit Weinstöcken und Oelbäumen
bepflanzt, die, wie wir wissen, hundert Jahre vorher die Gegend von Karthago
noch wenig trug (s. ob. S. 87) , theils zu Weideplätzen für Rinder-, Schaf- und
Rossheerden benutzt. Alles zeigte, dass die reichen karthagischen Büi^er ihre
Landsitze zum angenehmsten Lebenfigenusse einzurichten gewusst hatten. So
erwachte der schon sinkende Muth der Soldaten wieder, die nun doch schon
eine wünschenswerthe und unschwer zu gewinnende Beute vor sich sahen.
Megalopolis wurde schnell erobert. Die karthagische Politik führte solche
Folgen mit Nothwendigkeit herbei. Der herrschende Staat hatte in Afrika
keinen mächtigen Feind zu fürchten ; gefährlich konnten nur die Unterthanen
selbst werden. Deshalb musste die Stadt Karthago allein stark sein, die un-
terworfenen Städte durften kaum Befestigungen und Waffen haben. Natürlich
fielen sie um so leichter in die Hände eines wirklich bedeutenden Feindes.
Agathokles Hess Megalopolis von seinen Soldaten plündern und zog dann nach
Weiss-Tunes , das ebenfalls genommen wurde. Er ging aber nicht auf den
Wunsch der Soldaten ein , die eroberten Städte zu besetzen und gegen die
Karthager zu vertbeidigen. Er wollte alles fern halten , was bei ihnen Er-
schlaffung zur Folge haben konnte, zerstörte deshalb die geringfügigen vor-
handenen Befestigungen und bezog mit seinem Heere ein Lager auf freiem
Felde.
Die karthagische Flotte, welche die Landung des Agathokles nicht hatte
verhindern können, war anfangs beim Anblid^ des Brandes der Schiffe von
Freude erfüllt gewesen ; als die Mannschaft aber sab , dass die Griechen von
der Küste hinweg in's Innere zogen, begdTOen sie den wahren Sinn der Tbat
des Agathokles zu ahnen und geriethen in die äusserste Bestürzung. Sie
hingen nach karthagischem Gebrauche als Zeichen der Trauer schwarze
Decken über die Vordeitheile der Schiffe. Aber sie waren doch klug genug,
um am Lande die ehernen Schnäbel der griechischen Schiffe zu sammeln und
Agaihokles erobert Megalopolis und Weiss-Tunes. Rüstungen Karthago's. 239
zu möglichem Gebrauche in ihren Trieren mitzunehmen» so wie sie auch nicht
versäumten, sogleich ein Schiff mit der Nachricht des Vorgefallenen nach
Karthago zu schicken.
ilier hatte man inzwischen schon auf anderem Wege die Landung der
Griechen in Afrika erfahren , und das Unvermuthete hatte den grössten
Schrecken erregt. Man konnte nicht anders denken , als dass das eigene Heer
in Sicilien vernichtet sei, und dass Ägathokles nun in Folge seines Sieges das
ausfuhren wolle , was die Karthager schon immer nach einer grossen Nieder-
lage auf der Insel gefürchtet hatten, einen Angriff auf Karthago selbst. Dass
ein geschlagener Feind die siegreiche Stadt angreifen, dass Ägathokles der
Wachsamkeit der meerbeherrschenden Flotte entgehen und nach Afrika ge-
langen könne,, das kam ihnen nicht in den Sinn. Guter Rath war theuer, denn
kein fertig ausgerüstetes Heer stand zum AusrUcken bereit, und die Sladtbttr-
ger waren nicht kriegsgeUbt genug, um schnell eine brauchbare Armee bilden
zu können. Einige meinten, es seien Gesandte zum Ägathokles zu schicken,
damit man erfahre, wie es eigentlich mit den Feinden stehe; Andere riethen, .
ruhig abzuwarten, wa^ er zunächst gegen sie unternehmen würde. Die
Stimmung der Karthager hob sich aber, sobald man von der Flotte die Nach-
richt von dem wahren Zusammenhange der vorgefallenen Begebenheiten er-
hielt. Der erste Beschluss der Gerusie war, den Flottenführern einen strengen
Verweis wegen ihrer geringen Wachsamkeit zu ertheilen, der zweite, die
Ernennung zweier angesehener Männer, des Hanno und des Bomilkar, zu
Feldherren gegen Ägathokles. Die Wahl entsprach der hergebrachten Vorsicht,
die dieses Mal jedoch nichts half. Hanno und Bomilkar ^aren aus zwei feind-
lichen Familien, und die Karthager sahen hierin eine Garantie ihrer Sicherheit
vor Usurpationen von Seiten der Feldherren, die in einer so kritischen Lage
mit aussergewöhnlicher Macht ausgerüstet werden mussten. Bomilkar aber
sann auf Verrath. Er war einer der Männer, welche nicht für den Dienst einer
so argwöhnischen Regierung, wie die karthagische war, passten. Er konnte
sich nicht darin finden, wie es in Karthago herkömmlich war, nach vollendeter
Amtsführung auf verläumderische Anklagen antworten zu müssen , und w ar
doch wieder zu ehrgeizig, um als Privatmann zu leben. Dazu kam, dass er
Neffe des Hamilkar, jenes Freundes des Ägathokles, war. Es ist mehr als bloss
wahrscheinlich, dass er in geheimem Einverständniss mit Ägathokles schon
vor dem Beginne des Zuges nach Afrika stand, und dass dies Einverständniss
dem Ägathokles Muth zu seiner Unternehmung gemacht hatte.
Karthago brachte ein Heer zusammen , welches die in der Stadt verbrei-
tete Furcht nur wenig rechtfertigte. Man hielt es für passend, den Zuzug vom
Lande und den verbündeten Städten nicht abzuwarten, sondern mit der
Mannschaft, welche die Hauptstadt allein stellen . konnte , Ägathokles anzu-
greifen , und man brachte dessenungeachtet ein Heer von nicht weniger als
40,000 Fusssoldaten und 4 000 Reitern, dazu 2000 Streitwagen, zusammen.
Das karthagische Heer wurde auf einer Anhöhe, nicht weit von den Griechen,
in Schlachtordnung gestellt. Den rechten Flügel, zu welchem auch die heilige
Schaar der Karthager gehörte, befehligte Hanno, den linken Bomilkar. Dieser
Theil des Heeres war des Terrains wegen, welches keine breite Entfaltung
240 Sechstes Buch. III. Feldzog des Agathokles in Afrika.
gestattete, in grosserer Tiefe aafgestellt. Reiterei und Wagen standen vor den
Haufen der Fusssoldaten. Agathokles konnte an Zahl der Soldaten nicht mit
den Feinden wetteifern. Er hatte 3500 Syrakusaner, 3000 hellenische, 3000
samnitische, tyrrhenische und keltische Söldner, ausserdem noch 3500 Krie-
ger, von deren Herkunft nichts gesagt wird, und 500 Bogenschützen Und
Schleuderer. Seinem Sohne Archagathos vertraute er die Führung des rechten
Flügels; er selbst stellte sich auf dem linken mit 4000 auserwdhlten Hopiiten
der heiligen Schaar Hanno's gegenüber. Nicht alle Soldaten des griechischen
Heeres waren gut bewafibet; dieSchifiismannschaft hatte nicht einmal Schilde,
und Agathokles Hess sie die Ueberzüge der Schilde der Hopiiten nehmen und
mit Stäben so ausspannen , dass sie aus der Feme das Ansehen von Schilden
hatten und diese zum Kampfe nicht brauchbaren Soldaten wenigstens als
eine Achtung einflössende Reserve aufigestellt werden konnten. Dass bei der
grossen Ueberzahl der Feinde und bei der Nothwendigkeit zu solchem Blend-
werk Zuflucht zu nehmen, keine besondere Zuversicht unter den Soldaten des
Agathokles herrschen konnte, ist natürlich ; eigenthümlich ist aber der Kunst-
grifl^, durch welchen er ihre Stimmung zu heben wusste. Er hatte sich eine
Anzahl Eulen verschafft, welche er unter die Soldaten fliegen Hess, und als
nun diese heiligen Vögel der Athene sich auf die Schilde und Helme der Sol-
daten setzten, wurden diese von neuer Zuversicht erfüllt.
Das griechische Heer hielt den Angriff der Wagen und Reiter der Feinde
gut aus. Die Wagen wurden theils dadurch unschädlich gemacht, dass ihre
Lenker niedergeschossen wurden, theils dadurch, dass man sie zur Seite her-
austrieb, die meisten wurden auf das karthagische Heer zurückgejagt. Ebenso
ging es der Reiterei. Nun griff das Fussvolk an. Hanno kämpfte an der Spitze
der heiligen Schaar mit der grössten Tapferkeit, aber er fiel. Da ermatteten
die Karthager, und Agathokles gewann mit den Seinigen das Cebergewicht.
Diesen Augenblick hielt der Yerräther Bomilkar für geeignet zur Ausführung
seines Planes. Er beschloss , die noch nicht verlorene Schlacht zu einer voll-
ständigen Niederlage zu machen. Er befahl seiner Abtheilung den Rückzug
auf den Hügel , von dem sie ischon vorwärts gerückt war ; der Tod Hanno's
diente ihm als Yorwand. Natürlich di^ngte das griechische Heer nach, und so
wurde aus dem geordneten Rückzuge bald eine wilde Flucht, die zuerst von
den hintern Reihen der Karthager ausging, welche umkehren sollten und als
Grund davon nur eine Niederlage der Ihrigen annehmen konnten. Der rechte
karthagische Flügel und besonders die heilige Schaar konnten trotz aller Ta-
pferkeit nun auch auf die Dauer nicht Widerstand leisten und wichen. Die
Flucht ging nach Karthago zu. Das Lager fiel dem Agathokles in die Hände.
Hier machten die Griechen eine eigenthümtiche Beute: mehr als 20,000
Paar Handschellen ; so fest hatten die Karthager auf die vollständige Nie-
derlage der Griechen gerechnet. Von den Griechen waren in dieser Schlacht
nur etwa SOO, von den Karthagern nach einem Berichte 1000, nach an-
deren 6000 gefallen. Nicht die Anzahl der' Gefallenen , sondern das Gefühl
des Besiegtseins im eigenen Lande , fast vor den Hauern der eigenen Stadt,
war es, was den Karthagern diese Niederlage so furchtbar machte. Ihr
erster Gedanke war , dass sie durch ihre Gottlosigkeit sie verschuldet haben
Fortdauernde Belagerung von Syrakus. 241
müssten, und sie wandten deshalb alle Mittel an, die beleidigten Götter zu
versöhnen.
Zunächst gedachten sie des Herakles in Tyros, der Mutterstadt Karthago's.
Diesem Gotte hatten sie anfangs nach phönicischem Gebrauche den Zehn-
ten von allen Staatseinkünften gesandt; im Laufe der Zeit aber, wie Kar-
thago's Macht und Reichthum sich mehr und mehr ausbreiteten, hatten sie
es unterlassen und nur Weniges jährlich hingeschickt. Jetzt ging eine Sen-
dung der kostbarsten Weihgeschenke nach Tyros, das von Alexander dem
Grossen wohl erobert, aber nicht zerstört war, und neben Herakles ward auch
der übrigen tyrischen Götter gedacht, denen goldene Modelle der karthagischen
Tempel gleichsam zur Erinnerung an Karthago übersandt wurden. Dann
aber glaubten sie sich wegen ihres Benehmens gegen Kronos Vorwürfe machen
zu müssen, dem sie früher die üblichen Kinderopfer in einer ganz andern
Weise gebracht hatten. Angesehene und wohlhabende Eltern sollten nach den
Vorschriften der .phönicischen Religion ihre liebsten Kinder dem Kronos opfern.
Dessen Bildsäule hielt die Arme mit offenen Händen gesenkt nach vorn , und
davor befand sich eine mit Feuer gefüllte Grube, in welche die Kinder, die
man auf die Arme des Gottes legte, rollten. Es scheint nun, dass ursprünglich
sogar, um das Opfer noch grösser und theurer zu machen, einzige Söhne an-
gesehener Eltern verlangt wurden. Diess muss aber bald abgekommen sein.
Denn wir hören, dass sich bei dieser Gelegenheit herausstellte, dass viele
Eltern^ um nicht ihre leiblichen Kinder opfern zu müssen, fremde gekauft und
erzogen und, als ob sie die ihrigen wären, zum Opfer bestimmt hätten, wozu
doch, wenn nur einzige Kinder geopfert werden sollten, keine Veranlassung
war. Jetzt wurden solche Abweichungen von den alten Gebräuchen, die man
durch stillschwTigende Uebereinkunft geduldet hatte, als Vergehen gegen den
Gott angesehen. Sie mussten wieder gut gemacht werden. Zweihundert Kin-
der der angesehensten Familien wurden ausgewählt und dem Kronos geopfert;
und dreihundert andere, vielleicht schon erwachsenere, denen man nachsagte,
dass sie auf betrügerische Weise gerettet worden seien , stellten sich freiwillig
dar, um geopfert zu werden.
Während die Karthager so den Zorn der Götter abzuwenden suchten,
sahen sie' sich doch auch nach irdischer Hülfe um. Sie schickten zu Hamilkar
nach Sicilien , um ihm von der unglücklichen Schlacht Nachricht zu geben,
und ihn aufzufordern, Verstärkungen nach Afrika zu senden. Mit dieser Bot-
schaft übersandten sie ihm auch die ehernen Schiffsschnäbel der verbrannten
Flotte , welche als Beweis des Vorgefallenen und eine Art von Trophäe nach
Karthago geschickt waren, und Hamilkar beschloss, den Versuch zu machen,
ob nicht diese Beutestücke zu einer Täuschung benutzt werden könnten,
welche di6 Einnahme von Syrakus herbeiführte. Er befahl den karthagischen
Boten, auch vor seinen Soldaten von dem Siege des Agathokles zu schweigen
und im Gegentheii die Nachricht von seiner Niederlage zu verbreiten , damit
die beabsichtigte Täuschung nicht durch einen zufälligen Verkehr mit den Be-
lagernden von den Syrakusanem entdeckt werde, und liess dann durch einige
der soeben angekommenen Karthager unter Vorzeigung der Schiffsschnäbel
Holm, Qescb. Sieiliens. II. ' ' 16
-' *v-':r^
242
Sechstes Buch. lU.^Feldzug des Agathokles in Afrika.
und mit der Behauptung, dass Agathokles mit Flotte und Heer zu Grunde ge-
gangen sei, die Stadt zur Uebergabe auffordern.
Hier erregte die Nachricht, an der man kaum zu zweifeln wagte, grosse
Trauer unter den Verwandten der bei Agathokles weilenden Syrakusaner,
Freude bei den Verwandten der Flüchtlinge. Die erste Massregel des Antan-
dros'und seines Rathgebers, des Aetolers Erymnon, bestand daher darin, dass
sie, um jeden, jetzt besonders unzeitigen Aufruhr in der Stadt im Keime zu
ersticken , in einer ihres Fürsten ganz würdigen Weise die Verwandten der
Flüchtlinge und alle , die sie im Verdacht hatten , zu den Unzufriedenen zu
gehören, auf der Stelle aus der Stadt verwiesen, ehe sie noch auf die Auffor-
derung der Karthager eine Antwort gaben. Es ist vorgekommen (Dionys ; auch
im christlichen Mittelalter), dass feindliche Feldherren die aus irgend einem
Grunde aus einer belagerten Stadt gewiesenen Schaaren zwischen Mauer und
Lager haben verhungern lassen ; Hamilkar nahm die Unglücklichen freundlich
auf und schloss die Stadt näher ein, da er ihre Uebergabe erwartete.
Wirklich war Antandros der Ansicht, man müsse auf die Anerbietungen
der Karthager, welche die Familie und die Freunde des Agathokles zu schonen
versprachen, eingehen, aber Erymnon bekämpfte, aus allen Kräften den feigen
Rath und setzte es durch, dass sichrere Nachrichten abzuwarten beschlossen
wurde. Während nun Hamilkar die Belagerung kräftiger betrieb , wurde die
Ausdauer der Freunde des Agathokles endlich durch authentische Nachrichten
von seinen Erfolgen belohnt. Er hatte sich nach seinem Siege zwei Dreissig-
rüderer bauen lassen und schickte einen derselben mit einem ihm ergebenen
Manne, Namens Nearchos , nach Syrakus, um seinen Sieg zu melden. Nach
fünftägiger Fahrt kam das Schiff in der Nacht bei der Stadt an und erwartete
den Morgen, um mit der festlich geschmückten und Jubelgesänge anstim-
menden Mannschaft in den Hafen einzulaufen. Bald aber wäre es [noch von
den karthagischen Wachtschiffen erreicht und genommen worden. Städter
und Belagerer schauten gespannt der Wettfahrt zu. Indess gelang es dem
griechischen Fahrzeuge noch zur rechten Zeit in dieSchussweite der Syraka-
saner zu kommen. Die ungemeine Spannung, mit welcher fast ganz Syrakus,
auf den Hafenmauern zusammengedrängt, der endlichen Ankunft des Schiffes
entgegensah , gab Hamilkar den Gedanken ein , in demselben Augenblicke an
einer vom Hafen entfernten Seite der Stadt einen Ueberfall zu versuchen.
Wirklich waren da, wo er einige der tüchtigsten seines Heeres die Leitern an-
legen liess , die Wachen nicht auf ihrem Platze , und die Stürmenden waren
schon im Begriff, sich eines Mauerthurms zu bemächtigen, als die Runde noch
zur rechten Zeit herbeikam und Lärm machte. Man warf die Heraufgekomme-
nen wieder zurück. Nun lockerte Hamilkar die Belagerung ein wenig und
schickte 5000 Mann nach Afrika.
Hier machte Agathokles eine Zeitlang die grössten Fortschritte ; Land und
Städte in der Gegend von Karthago kamen in seine Gewalt. Er liess einen
Theil seiner Truppen ein festes Lager bei Tunes beziehen und zog .mit den
übrigen zur Eroberung entfernterer Städte aus. Zuerst nahm er Neapolis,
dessen Einwohner er freundlich behandelte, und belagerte dann Hadrumetum.
Er fand einen Bundesgenossen in Elymas, einem Könige der Libyer. Während
Fortschritte des Agathokles. Neue Niederlage der Karthager. 243
seiner Abwesenheit von Tunes gewannen die Karthager jedoch dort das üeber-^
gewicht, nahmen das vor der Stadt aufgeschlagene griechische Lager und
griffen sogar Tunes an. Hier rettete sich Agathokles durch eine Kriegsh'st, die
ihm zugleich den Besitz von Hadrumetum verschaffte. Er zog nämlich mit dem
Tross und einigen wenigen Soldaten nach einem zwischen Tunes und Hadru-
metum gelegenen hohen Orte , der von beiden Städten aus gesehen werden
konnte, und Hess dort gewaltige Feuer anzünden. Nun meinten die Feinde,
sowohl vor Tunes als in Hadrumetum, es rücke den Griechen ein mächtiges
Hülfsbecr herbei, und jene flohen eilig, mit Zurücklassung ihrer Belagerungs-
maschinen, nach Karthago, während Hadrumetum sich ergab. Hierauf eroberte
er Thapsos im Sturm und hatte endlich über 200 karthagische Städte im
Besitz, welche sämmtlich unfern Karthago's und des Meeres lagen.
Als er nun in der Verfolgung seines Sieges w^eiter in's Innere des Landes
rückte , machten die Karthager einen neuen Versuch , den verlorenen Boden
wiederzugewinnen. Schnell hatten sie eine Anzahl von Ortschaften unterwor-
fen ; aber während sie vor Tunes aufgehalten wurden , kam Agathokles auf
die Nachricht davon eiligst herbei und wusste durch geschickt berechnete Ta-
gesruhe und Nachtmärsche seine Annäherung den Feinden so gut zu verber-
gen, dass er sie bei Tagesanbruch überraschte und schlug. Diese Niederlage,
bei welcher 2000 Karthager umkamen und viele gefangen genommen wurden,
war für Karthago um so empfindlicher, da die aus Sicilien gesandten Truppen
dem Kampfe bereits beigewohnt hatten. Die Freundschaft mit Elymas zeigte
sich als von kurzer Dauer , aber Agathokles rächte sich für seinen Abfall in
einem Kampfe, in dem der König und viele der Seinigen umkamen.
Im nächsten Jahre (Ol. 417, 4, 309 v. Chr.) kam es bei Syrakus zu
einem für die Karthager unglücklich ausfallenden Zusammenstoss. Hamiljkar
hatte eingesehen, dass die Syrakusaner, obscbon ermuthigt durch die Er-
folge des Agathokles in Afrika, dennoch ebenso wenig wie vorher ihm ge-
wachsen waren , und er hielt es für möglich , die Stadt durch einen Sturm
zu nehmen, der, wie er glaubte, um so mehr Aussicht auf Erfolg dar-
bot, da er eine grosse Anzahl syrakusanischer Flüchtlinge in seinem Heere
hatte , welche mit den Oertlichkeiten vollkommen vertraut waren. Jedenfalls
wollte er die Belagerung wieder energischer betreiben, und er hatte sich als
Mittelpunkt seiner neuen Aufstellung das Heiligthum des olympischen Zeus in
der Nähe des grossen Hafens ausersehen, welches bereits in so vielen Kriegen
der Stützpunkt der Feinde von Syrakus gewesen war. Wie weit das Lager
an diesem Punkte vollendet wurde, wissen wir nicht; sicher Ist, dass der
Angriff auf die Stadt sehr bald geschah. Wir hören , dass Hamilkar's Wahr-
sager ihm eines Tages verkündigte , morgen sei ihm beschieden , in Syrakus
zu speisen, und dass er deshalb den Sturm auf den folgenden Tag ansetzte.
Aber in Syrakus erfuhr man das Vorhaben des Feindes und benutzte die Dun-
kelheit der Nacht, um mit 3000 Fusssoldaten und 400 Reitern den Euryelos,
jene äusserste Spitze des Dreiecks, welches die Stadt Syrakus, abgesehen von
der Insel Ortygia, einnimmt, zu besetzen. Es war derselbe Punkt, an welchem
schön die Athener den Sturm versucht hatten, und der zwar in die Befesti-
gung einbegriffen, doch wegen seiner grossen Entfernung von der bewohnten
16*
Sechstes Bach. IIl. Peldzug des Agalhokles in Afrike.
icbwaeh besetzt gehalleo wurde. Gegen Ende der Nacht iK^ann
ch der Karthager , wohl auf demselben Wege , den die Athener
D halten. Hamilkar schritt selbst voran, Deiookrates, der syraku-
cbtling, bildete mit der Reiterei die Nachhut. Das Fussvolk war
N'alionaliiat in zwei Abiheilungen, Hellenen und Barbaren, gelheilt,
ir aber, dass Hamiikar bei einem Unternehmen, das die grttsste
d Geschwindigkeit erforderte, dem Tross gestattet balle, milzu-
durch seinen Hangel an militärischer Disciplin den Erfolg des
zweifelhaft machen musste. Bei der Enge des Weges entstand
Wetteifer dieser Leute mit den eigentlichen Soldaten Gedränge und
1 als nun die syrakusanische Besatzung des Euryelos sich auf den
n Haufen warf, war bald der Kampf zu Gunsten der Griechen
Von allen Seiten wurden die Feinde angegriffen ; einige Abthei-
jriecben warfen sich ihnen entgegen , andere suchten ihnen den
zuschneiden ; die kleine Zahl der Griechen galt in der Dunkelheit
es Heer. Als die Karthager erst den ßückzug angetreten hallen,
a wie den Athenern an demselben Platze ; im Gedränge niederge-
len steilen Abhängen herabstürzend , von den eigenen Kameraden
igegrifTen, kam eine grosse Anzahl Karthager um. Hamilkar selbst,
griff vorangewesen war, hielt sich beim Rückzüge hinter den Sei-
fiel in die Hände der Syrakusaner. So erfüllte sich die Weissa-
ir in Syrakus an diesem Tage speisen werde, aber anders, als er
te. Die Sieger brachten ihn in die Stadl, wo die Verwandten der im
enen ihn missbandelten und tödleten. Dem Leichnam ward das
;hlagen und dieses als wahres Zeichen des Sieges nach Afrika an
eschickt. Die triumphlrenden Sieger behaupteten, dass die Zahl
den in dieser Nacht 190,000 Uann zu Fuss und 5000 Beiler [i]
>e. Wir werden gut tfaun, nichl die Hälfte davon zu glauben,
imilkar gefangen genommen war, war allerdings ein grosser Vor-
Syiakusaner ; auch soll die Flucht der Karlhager so wild gewesen
ie sich kaum am folgenden Tage wieder zusammenfanden ; aber
Hesullat hatte der Sieg nicht, dessen GrOsse offenbar übertrieben
gerung dauerte nach wie vor fort, und zu Land und Heer einge-
e bisher, litten die Belagerten nicht viel weniger Noth als vor ihrem
rein Glücksfall gewesen, dass sie gesiegt ballen, und ihr Sieg machte
iie erst recht klar. Denn er war die Veranlassung, dass die Stadt
h voll von Erinnerungen an ihren alten Glanz, den kühoen und einer
würdigen Plan, diesmal eigener Kraft vertrauend, erneuerte, (s.o.
h fern von jeder Begünstigung der Tyrannei wie der Barbaren, durch
der gesetzlichen Freiheit auf der Insel und Sammlung aller freien
ihen Elemente, Ordnung undFrieden auf Sicilien wiederherzustellen.
Versuch, von welchem die Geschichte leider zu wenig meldet,
nichl ungunstigen Auspicien gemacht. Vergegenwärtigen wir uns
Insel. Agathokles war fern ; wer wusste, ob er wieder kommen
Ueicbl blieb er in Afrika, und dann bescbaftigle er die Karlhager,
e den Akragantioern nicht in' den Weg treten konnten. Kam er
Akragas' Versuch, seinen Einfluss auszubreiten. Bevölkerungsverb^Iinisse in Sicilien. 245
aber zurück, so kam er voraussicbllicb als Flüchtling, und bis dabin konnte die
neue Freiheit der Insel schon erstarkt sein. Syrakus ohne Agaihokles war auch
nicht zu fürchten , denn erstens wurde es noch immer von den Karthagern
bedrängt, und zweitens war es selbst gespalten in ein Syrakus innerhalb der
Mauern und in ein ausgewandertes Syrakus, an dessen Spitze Deinokrates stand,
der mit seiner Flücbtlingsschaar den Bestrebungen ^der Akragantiner, wenn s'e
von anderen Städten unterstützt wurden , nicht in den Weg treten konnte.
.Endlich aber begünstigte das Wegfallen eines früher den Griechen im Stillen
immer mehr oder weniger feindlich gesinnten Elementes auf der Insel das
Unternehmen der Akragantiner.
Die Sikeler hatten, wie wir mehrfach gesehen, aufgehört, sich als beson-
dere Nationalität zu fühlen. Das Griechenthum hatte sie absorbirt und war
wiederum von ihnen absorbirt worden. Die Lösung des scheinbaren^Wider-
spruchs ist nach unseren früheren Auseinandersetzungen nicht schwer. Das
seit alter Zeit in Sicilien gebräuchliche Durcheinanderwerfen der Bevölkerun-
gen, das Vordringen der Karthager, die Einwanderung italischer Söldner, das
alles hatte eine schon zu Dion's Zeit sehr merkliche Verminderung der Zahl der
Griechen auf Sicilien zur Folge gehabt, aber auch ebenso sehr schliesslich eine
Mischung der Sikeler mit fremden Elementen. Der wirklichen Hellenen gab es
nicht mehr übermässig viele auf Sicilien , aber auch die Sikeler hatten sich
nicht ungemischt in ihren Städten erhalten können. Das Völkergemisch auf
der Insel war grösser geworden als zuvor, aber gerade in dem Umstände,
dass überall, in den früher griechischen, wie in den früher sikeliscben
Städten, dasselbe Gemisch vorhanden war, gab sich eine grosse Gleichmässig-
keit der Lebensverhältnisse in diesen Städten kund, welche die .frühere natio-
nale Spannung, die schon der ältere Dionys mit Erfolg zu beseitigen gesucht
hatte, als gänzlich beseitigt erscheinen liess. Ueber dieses Völkergemisch aber
hatte die hellenische Sprache und die hellenische Bildung entschieden die
Herrschaft behauptet. Nicht als ob das Volk überall griechisch gesprochen
hätte; die Klage, dass phönicische und oskische Sprache die griechische zu
verdrängen drohten, konnte nicht so schnell verstummen ; aber die Gebildeten
sprachen es überall, wo nicht Karthager allein herrschten, und zumal hatten
die Siege und die Kolonisation Timoleon's in dieser Beziehung das Uel^erge-
wicht des Hellenenthums wiederhergestellt. So erklärt es sich, dass zu
Agathokles' Zeit von einem Antagonismus zwischen Griechen und Sikelern
nicht mehr die Rede war.
Dieser Umstand musste den Akragantinem die Verfolgung ibrer Zwecke
erleichtern ; denn wenn kein Gegensatz mehr zwischen Griechen und Sikelern
war, konnten jene bei ihren Bestrebungen auf eine grössere Zahl von Genossen
rechnen. Aber noch ein anderer Umstand kam ihnen zunutze. Es gab jetzt
unabhängige Gemeinden auf der Insel in viel grösserer Zahl als vor achtzig
Jahren. In dieser Rücksicht kann die Verschiedenheit zwischen der Zeit des
Agathokies und derjenigen des Dionys, eine Verschiedenheit, die wir als eine
Folge der Tbätigkeit des Tirooleon erkannt haben , nicht genug betont wer-
den. Als Dionys auftrat, war Syrakus fast die einzige. bedeutende Stadt der
Insel ; wer Syrakus beherrschte, konnte sich als Herrn der Griechen Siciliens
'♦
246 Sechstes Buch. III. Feldzug des Agathokles in Afrika.
betrachten, und Dionys sorgte dafür, dass es so blieb. Jetzt waren freie
Städte da , welche an Macht einen Vergleich mit Syrakus, wie es augenblidL-
Jich stand, nicht zu scheuen brauchten, und die vielen Sikelerstädte. waren in
gewisser Weise Griechenstädte geworden. Es konnte also das Unternehmen der
sicilischen Griechen , sich von den Tyrannen und den Karthagern zugleich zu
befreien, jetzt gelingen — wenn nur. einigermassen die Verhältnisse es be-
günstigten und tüchtige Persönlichkeiten an die Spitze traten. Wiriüich schien
anfangs ein glücklicher Erfolg in Aussicht zu stehen.
Feldherr der Akragantiner ward Xenodikos, und er erhielt den Auftrag,
auf der Insel Bundesgenossen zu werben. Gleich sein erster Versuch war von
Erfolg begleitet. Gastfreunde führten ihn zur Nachtzeit nach Gela , und diese
nicht unbedeutende Stadt ward dem Unternehmen gewonnen. Das Beispiel
der Geloer fand Nachahmung. Die Bewohner von Henna ^traten dem Bunde
bei, und da sich bei der Bevölkerung von Herbessos, trotz der die Stadt in
Zaum haltenden Besatzung ein lebhafter Eifer kundgab, ebenfalls den Akra-
gantinern sich anzuschliessen , so zog Xenodikos mit seinen Truppen dahin,
überwand mit Hülfe der Einwohner die Besatzung, und befreite die Stadt;
500 der fremden Soldaten ergaben sich. Und auf noch wichtigere Städte des
Ostens dehnte sich in kurzem der Einfluss von Akragas aus. Agathokleische
Truppen in Syrakus hatten trotz der fortdauernden Belagerung der Stadt Ge-
legenheit gefunden, auszubrechen und Echetla zu besetzen , von wo aus sie
das Gebiet von Leontini und KamaYina venivüsteten. Xenodikos machte durch
die Eroberung von Echetla diesen Raubzügen ein Ende und gewann so auch
Eaniarina und Leontini für das akragantinische Bündniss. Während so' die
akragantinische Politik Fortschritte machte, kam Syrakus trotz der grossen
Niederlage Hamilkar's nicht aus seiner Bedrängniss heraus. Ein Versuch, der
Noth an Lebensmitteln durch eine Seeexpedition abzuhelfen, misslang vollstän-
dig. 20 Trieren fuhren aus, um eine erwartete Proviantflotte in den Hafen
zu geleiten. Im Gebiete von Megara wurden sie aber von 30 karthagischen
Schiffen überfallen und flüchteten, nach kurzem Zögern, ob sie nicht eine
Seeschlacht annehmen sollten, an's Land, wo sich ein Tempel der Hera befand.
Aber die Karthager verfolgten sie und bemächtigten sich der Hälfte der Flot-
tille ; 4 0 Schiffe wurden durch eine schnell aus Syrakus herbeigeeilte Htüfe
gerettet.
Agathokles hatte indess die wunderbarsten Schicksale durchgemacht. Als
er das Haupt Hamilkar^s empfangen hatte , ritt er damit an das karthagische
Lager, hob es empor, dass die Karthager es sehen konnten und rief ihnen zu,
die Ihrigen seien vor Syrakus unterlegen. Die Karthager warfen sich auf den
Boden mit allen Zeichen der Verehrung, die sie königen zu spenden pflegten,
und gaben sich einer unmässigen Trauer hin. Die Macht des Agathokles in
Afrika stand nun auf ihrem Gipfel, aber es war eine Macht ohne festen Grund;
fast hätte eine zufällige Veranlassung plötzlich den Untergang des Abenteurers
herbeigeführt. Einer seiner Feldherren, Lykiskos, schmähte im Rausche an der
Tafel des Agathokles den anwesenden Despoten. Dieser nahm es aus Klug-
heit, weil Lykiskos ein brauchbarer Mann war, als Scherz ; Archagathos aber,
des Agathokles Sohn, schalt den Lykiskos heftig. Nach der Tafel, als die Gäste
Bedrängnisse des Agathokles. Fortgang des Krieges in Afrika. 247
aus einander gingen, warf Lykiskos dem Archagathos vor, dass «r ein heim-
liches Liebesverhaltniss mit seiner Stiefmutter Alkia unterhalte, und Archaga-
thos entriss in seiner Wuth einem dabeistehenden Soldaten den Speer und
rannte ihn dem Lykiskos in den Leib. Am nächsten Morgen kamen die
Freunde des Ermordeten zusammen und regten durch ihre Riagen das ganze
Lager auf; Manchem, der Agathokles Zorn aus irgend einem Grunde zu furch-
ten hatte, war die Gelegenheit recht, einen Aufruhr zu machen. Bald war der
Tumult allgemein , und es erhob sich das Geschrei , Archagathos müsse zur
Busse fttr den Mord fallen, und wenn Agathokles ihn nicht herausgeben wolle,
er selbst. Die Zahlung des Soldes war seit einiger Zeit im Rückstand, das
ganze Heer verlangte ihn augenblicklich. Neue Feldherren wurden aus der
Mitte der Empörer gewählt, die Mauern von Tunes besetzt, und Agathokles
mit den Seinigen förmlich umlagert.
In diesem Zustande muss sich das Lager einige Tage befunden haben,
denn die Nachricht von der Empörung kam zu den Karthagern, und diese
fanden Zeit y die Aufruhrer wissen zu lassen , dass sie bereit wären, sie für
höheren -Sold, als sie von Agathokles empfangen hatten, und für grosses Hand-
geld in ihre Dienste zu nehmen. Einige von den Führern des Aufstandes
gingen darauf ein. Nun sah Agathokles , dass alles verloren war, wenn er
nicht durch einen ganz ausserordentlichen Schritt die Soldaten wieder um-
stimmte. Er legte sein Purpurgewand ab und trat in ihre Mitte, gekleidet wie
ein gewöhnlicher Soldat. Er erinnerte die erstaunte und aufmerksam zu-
hörende Menge an alles,' was er bis dahin mit ihrer Hülfe hatte ausführen
können, und erklärte, dass er bereit sei zu sterben, wenn das ihr Wille sei ;
nie habe er, wie sie wohl wüssten, aus Furcht vor dem Tode eine feige Hand-
lung begangen. Bei diesen Worten zog er das Schwert, um sich zu tödten.
Da erhob sich der allgemeine Ruf, er solle leben, man habe ihm ja nichts vor-
zuwerfen, dann, indem die-alte Anhänglichkeit an den berühmten Feldherm
sich bei den Soldaten wieder Bahn brach , er solle doch sein Purpurgewand
wieder anlegen, sie wollten alle gern gehorchen. Mit Thränen dankte er für
ihre schnelle Sinnesänderung und führte sie dann auf der Stelle gegen die
Karthager, die den Uebergang des agathokleischen Heeres fest erwarteten.
Diese hielten den Anmarsch des Heeres für die Ausführung des verabredeten
Yerrathes und geriethen, als nun plötzlich Agathokles zum Angriff blasen liess^
in die grösste Verwirrung. Ihre Niederlage war vollständig. Etwa SOO im
griechischen Heere , die Rädelsführer der Empörung , zogen es jedoch vor, zu
den Feinden überzugehen.
Im nächsten Jahre (Ol. 4i8, 4, 308 v. Chr.) zog sich der Krieg zwischen
Karthago und Agathokles mehr in das Innere des Landes. Die Karthager
machten nämlich den Versuch, die zu ihrem Feinde abgefallenen Numidier
zu unterwerfen, und Agathokles zog, indem er den Archagathos in Tunes zu-
rücklie^s, mit dem besten Theile seines Heeres, 8000 Mann zu Fuss, 800
Reitern und 50 libyschen Gespannen den Karthagern nach , welche in diesem
Jahre sogar in Afrika Griechen, besonders Syrakusaner von der oligarchischen
Partei, in ihren Reihen zählten. Der Zweck des karthagischen Zuges wurde
anfangs theilweise erreicht; von dem numidischen Volke der Zuphoner
"248 Secbeles Buch. II[. Fetdiug des Agalhokles io Afrika.
schlössen sich viele den Karthagern wieder an. Bald Lam es zwischen den
feindlichen Heeren zum Kampt. Die karlhagisrhen Feldherren bezogen mit
dem Kern ihrer Truppen ein gut geschütztes Lager auf eiuem Htlgel und
schickten die leichten numidischen Truppen aus, um Agathokles auf seinem
Harsche zu beunruhigen. Agathokles sandte diesen seine eigenen leichten
Truppen , Schleuderer und Bc^enschQtzen — auch zum Tbeil Numidier, ent-
gegen und wandte sich selbst mit den abrigen zum Angriff auf das feindliche
Lager. Die Karthager stellten sich vor demselben auf und vertbeidigten den
Uebergang über einen am Hdgel vorbeistrümenden Fluss. Sie waren zahl-
reicher als das Heer des Agathokles und hatten in den griechischen Hfllfs-
truppen, die unter dem Oberbefehl des Kleinen standen, eine treffliche Unter-
stützung. Trotzdem siegte Agathokles, grossentheiU durch eigene Tapferkeil,
die dem Heere als Beispiel vorleuchtete, trieb die Karthager in ihre Verschan-
zungen zurück, und bedrängte sie auch dort durch wiedertiolte Angriffe. Den
vollständigen Sieg der Griechen verbinderte die Verrälherei der Numidier.
Alle Numidier, welche bei der Schlacht anwesend waren, die auf karthagischer,
wie die auf griechischer Seite, hatten nur das eine lutereSse: möglichst viel Beul«
zu machen, oh£e sich im Kampfe anzustrengen. Fur diesen Zweck waren sie,
trotz der äugen bli<^ichen Trennung in zwei Parteien, vollkommen einig. Die
Absicht war gewesen , sich auf das besiegte Heer zu werfen und nach Kraflen
zu plündern, aber die Entscheidung dauerte zu lange; und obwohl Agathokles
im Vortheil war, hielten die Numidier es dennoch für das zweckmassigste,
das Lager der Griechen zu plündern, da diese von ihrem Lager sich weiter
entfernt hatten , als die Karlhager von dem ihrigen. So empfing Agathokles,
als er mit einem entschiedeneren Erfolg die karthagische Stellung stürmte,
plötzlich die Nachricht, dass die Numidier sein Lager überfallen, die Wache
oiedei^emacht, die Gefangenen befreit und eine Masse von erbeuteten Gegen-
standen bereits weggeschleppt hatten. Er stand augenblicklich vom begonnenen
Sturme ab, eilte nach dem Lager und rettete noch einen kleinen Theil der
dort aufbewahrten Beute. Da aber das meiste bereits von den Numidiera, die
nicht wieder eingeholt werden konnten, geraubt war, so vertheilte er schnell
die Beute der letzten Schlacht als Entschädigung unter die Soldaten, und er-
klärte mit der Errichtung eines Tropaions auf dem Schlachtfelde den Kampf
fUr beendigt. Eine grosse Anzahl gefangener Griechen wurden von ihm in die
Festung seines Lagers gethan; sie befreiten sich jedoch in der Nacht und
flohen, etwa 1 000 an der Zahl, worunter mehr als 500 Syrakusaner, auf einen
Hügel in der Nahe, von wo sie mit Agathokles unterhandelten. Wir mtlssen
annehmen, dass sie zu den Karthagern nicht wieder zurückkehren moch-
ten, wenn diese nicht etwa ihre Stellung freiwillig aufgegeben und sich aus
der Gegend entfernt haben sollten. Agathokles sicherte ihnen Schutz zu,
liess sie aber, als sie sich ihm Überliefert hatten, mit seiner gewöhnlichen
Treulosigkeit alle niedermetzeln.
Agathokles war fUr's erste vor den Karthagern sicher, aber es war doch
in seine Unternehmung ein Stillstand gekommen; die unentschiedene letzte
Schlacht musste den Muth der Karthager erhohen. Er sah sich deshalb nach
einem Bundesgenossen um und fand ihn in Ophelias, dem Beherrscher von
Uoentschieäene Schlacht. Ophelias von Kyrene. 249
Kyrene. Es war an sich natürlich, die Griechen Nordafrika's zur Eroberung
Karthagers heranzuziehen, aber so unwegsame Strecken trennten Kyrene von
dem karthagischen Lande, dass unter gewöhnlichen Umständen Agathokles
an Kyrene wenig Hülfe erhalten haben würde. Hier trat nun die Persönlich-
keit des Herrschers entscheidend ein. Ophelias, ein Makedonier, der den
Feldzug Alexander^s in Asien als angesehener Officier mitgemacht hatte , war
von Ptolemaios, dem Könige Aegyptens, mit der Verwaltung der Stadt Kyrene,
die sich ihm hatte unterv\'erfen müssen, und die durch Ophelias von einem
gefährlichen Gegner, dem Thimbron, befreit worden war, betraut worden, und
sein Sinn stand auf eine Erweiterung seiner Herrschaft nach Westen. Er hat eine
Recognoscirung der nordafrikanischen Küste durch eine besondere Expedition
veranlasst. Agathokles kannte wahrscheinlich seinen Ehrgeiz , der bei einem
ehemaligen Begleiter Alexander^s übrigens sehr erklärlich war. Er liess ihn
durch den Syrakusaner Orthon zu einem Bündniss gegen Karthago einla-
den. Agathokles, musste Orthon vorgeben, wolle in Afrika keine Eroberungen
machen^ seine Absicht sei nur darauf gerichtet, sich den Besitz Siciliens zu
sichern, das, so lange die karthagische Macht ungebrochen sei, nicht sein ge-
nannt werden könne. Es sei daher in seinem Interesse, wenn Ophelias das
mit gemeinschaftlicher Anstrengung zu erobernde Karthago für sich behalte.
Ophelias gab den Yorsteiluiigen, die ja an sich höchst Wahrscheinliches enthiel-
ten. Gehör, und benutzte seine Macht in Afrika und seinen Einfluss in Griechen-
land — seine Gemahlin Euthydike, die Tochter des Miltiades, rühmte sich aus
der Familie des Mafathonsiegers abzustammen — um ein treffliches Heer zu-
sammenzubringen. Seine Hoffnungen waren so hoch gespannt, und die von
ihm deswegen gemachten Verheissungen so glänzend , dass in Griechenland
viele überzeugt waren, das Unternehmen müsse gelingen, und ganze Familien
in den trüben Zeiten bei den beständigen Kriegen und bürgerlichen Unruhen,
welche Griechenland verheerten, von der Hoffnung erfüllt, in dem neu zu
vertheilenden karthagischen Gebiete, das als fruchtbar bekannt war, eine
bessere Heimath zu finden, sich dem Zuge des Ophelias anschlössen. Ophelias
brach von Kyrene an der Spitze eines Heeres Von 40,000 Fusssoldaten , 600
Reitern, 400 Wagen, welche 300 Mann als Führer und Parabaten trugen, auf;
aber noch 40,000 andere begleiteten das Heer, von denen viele ihre Frauen und
Kinder bei sich hatten, so dass der Zug der Auswanderung eines Volkes glich.
In 48 Tagen legte er die 3000 Stadien lange Strecke bis nach Automala,
dem kyrenäischen Grenzort im Westen, zurück. Hier begannen die Schwie-
rigkeiten des Zuges durch eine wasserlose Gegend, die noch dazu durch andere
wirkliche und eingebildete Schrecknisse furchtbar war. Hier sollte die kinder-
mordende böse Lamia ihre Höhle haben, hier wimmelte es aber auch von
Schlangen, deren Farbe der des Sandes glich, und die die Unvorsichtigen,
welche auf sie traten, tödteten. Nicht immer reichten die Speisen für die ge-
waltige Volksmasse aus, und viele kamen unterwegs um; der grösste Theil
der Ausgezogenen erreichte jedoch nach mehr als zweimonatlichem Marsche,
der natürlich zuletzt in der wohlangebauten karthagischen Gegend für die vor-
hergegangenen Anstrengungen entschädigte ^ Tunes und das Hauptquartier
des Agathokles.
Sechstes Buch. III. F«Idzug des Agalhokles Id Afrika.
las lagerte mit seiner Streitmacht in der Nahe der agatholdeischen
lagen und wurde von Agatholcles äusserst freundlich aufgenooimeD.
sich aber eine ebenso unerwartete' wie schreckliche Scene. Nach-
[ikles eiDige Tage im Lager des Ophelias lugebracfat hatte, versam-
Sttlicb seine Truppen , kjagle vor ihnen Ophelias an , dass er ihm
[^eben trachte, und führte seloe heftig aufgeregten Soldaten gegen
ahnenden Bundesgenossen, dessen meiste Leute Proviant zu holen
waren. Das Lager der KyranSer wurde schnell erobert, und
el im Kampfe. Sein auPs äusaerste bestUrKtes Heer tiess si(^ voo
bewegen, in seinen Dienst zu tret«n. Was hätten sie auch ohne
ihen sollen? Etwa zu den Karthagern übergeben? Daran konnten
-st im karthagischen Gebiete Eingetroffenen nicht denken,
am Agathokles zu dieser furchtbaren Thst? Wirvennt^en es nicht
Dtheit zu sagen. Hatte er Ophelias Dur in der Absicht berbeige!«^
dem Wege zu räumen? Hatte er ihn argwöhnisch, misstrauisch ge-
iid wollte er allen möglichen Zwistigkeilen mit einem Uale vorbeu-
er gesehen, dass die Vortheile, welche das BUndniss mit Ophelias
konnte, nicht so gross waren, wie er gehofTl? Das letzte ist das wahr-
«. Jedenfalls erreichte er fUr den Äugeblick seinen Zwe<^ ; seine
it war mit einem Schlage verdoppelt. Die als Soldaten unbrancbba-
iten mit ihren Weibern und Kindern war er nicht gesonnen Iq
ehalten ; er setzte sie auf Lastschiffe , welche er mit Beutestttcken
schickte sie nach Syrakus. Die wenigsten kam^ dort an. Stürme
die Flotte ; einige Schiffe gingen lu Grunde, andere wurden nach
isen an der italischen Küste (Ischia) verschlagen,
-selben Zeit hatte Karthago in seinem Innern eine schreckliebe Krisis
q: den endlichen Ausbruch der Verschwfirung des Bomilkar, des
Bro Karthago's. Der Streich war lange beabsichtigt und oft aufge-
indlich schienen die Umstände gUnsüg, als eine grosse Zahl kartha-
ger, welche dem Bomilkar besonders gefährliche Gegner deuditen,
igen die Numidier ausgeschickt war. Bomilkar behielt nach einer
bagischen Neustadt über die ihm untergebenen Streilki^fte abge-
isteruDg die Theilnehmer der Verschwörung, 500 BUrger und iOOO
ei sich , erklarte sich zum Herrscher und schickte seine Macht m
lungen durch die Stadt. Hier haben wir Gelegenheit, die gewaltige
bewundem, die noch in der karthagischen Bürgerschaft lebte,
ieselbe Zeit in einer der bedeutendsten griechischen Städte ein an-
llann mit einer solchen Truppeniahl als Tyrann aufgetreten, er
»iingt sein Ziel erreicht haben. Dionys und Agathokles «nd hin-
eweise dieser Behauptung. Bomilkar aber unterlag. Sägen wir
, dass die Zahl seiner Soldaten zu der gewaltigen Bevölkerungs-
lago's nicht im richtigen Verbaltnisse stand , um einen Erfolg her-
:u können; noch nie hat die blosse Anzahl den Sieg entschieden.
;r karthagischen Bürger und ihre Anhänglichkeit an die Verfassung
Niederlage Bomitkar's herbei , welche einen vollgültigen Beweis
s diese Stadt durch die Energie ihrer Bürger wirklich die einige
Ermordung des Ophelias. Empörimg und Tod Bomilkar's. Fortsetzung des Krieges. 251
würdige Nebenbuhlerin Bom's war. Anfangs wurden die nichts ahnenden
Karthager überall von Bomilkar's Schaaren niedergemacht, und manche glaub-
ten, dass die Stadt in die Gewalt der Griechen gefallen sei. Bald aber wurde
die Wahrheit erkannt, und nun erhob sich die karthagische Jugend zu kräfti-
gem Widerstand. Bomilkar war auf den Markt gedrungen und hatte diesen
besetzt; aber die Vdrtheidiger der karthagischen Freiheit bemächtigten sich
der hohen, den Marktplatz umgebenden Häuser und bedrängten die Aufrührer
so sehr, dass diese sich wieder zurückziehen mussten und nur mit grosser
Mühe durch die engen Strassen eine freie Bahn in die Neustadt erkäpspften.
Das Unternehmen war misslungen, .und es handelte sich für die Theilnehmer
der Verschwörung nur noch darum, das Leben zu retten. Sie besetzten in
der Neustadt einen zweckmässig gelegenen Punkt , der schwer zu erstürmen
war, und erhielten von den Karthagern, die wegen der Feinde vor den Thoren
den Bürgerkrieg möglichst schnell beendigen wollten , die Zusicherung , dass
ihr Leben geschont werden solle. Allen wurde das Wort gehalten, nur gegen
Bomilkar brachen die Karthager den geleisteten Eid. Er starb einen qual-
vollen Tod. ' ^
Die beiden gleich merkwürdigen Begebenheiten , der Mord des Ophelias
und das erfolglose Unternehmen Bomilkar^s, fanden zu derselben Zeit statt. So
konnte keine Partei die Verlegenheit der andern benutzen.
Mit dem Untergang Bomilkar?s waren alle Aussichten auf. endlichen Erfolg
für Agathokles verschwunden. Nachdem zwei Männer, die zu eigenem Nutzen
mit ihm in hochverrätherischer Verbindung gestanden hatten, unterlegen
waren , fand sich nicht leicht ein dritter zu demselben Versuche. Indess das
griechische Heer wusste von diesen Dingen nichts. In dessen Augen stand
Agathokles zunächst als Sieger da. Und so fuhr er denn fort, seine augen-
blickliche , nicht ganz schlimme Lage auszunutzen. Aeusserlich betrachtet,
stand es recht günstig für ihn. Er hatte ein Reich in Afrika , wenn man die
augenblickliche Herrschaft über eine Gegend auf Grund einer militärischen
Macht ein Beich nennen will , ein Reich nach Art mancher aus der Zeit der
Völkerwanderung, nur noch weniger fest als diese. Es war die Herrschaft
eines Soldatpnlagers über eine Anzahl von Städten und weite Landstriche, ein
Reich ohne Hauptstadt , nur da. wirklich vorhanden, wo sich der siegreiche
Feldherr gerade aufhielt. Karthago brauchte diesen Feind trotz seiner ausser-
ordentlichen militärischen Talente nicht zu fürchten. Es konnte wohl erobert
werden, aber nicht von einem Feinde, der nur eine Landmacht besass, nicht,
so lange seine Flotten ihm ungehindert alles zuführten, was es brauchte.
Mochten deshalb einige Städte mehr in Agathokles^ Hände fallen, Karthago
konnte die Zeit abwarten , wo alles wieder in seine natürlichen Verhältnisse
zurücktrat und die Griechen ebenso plötzlich aus Afrika verschwanden , wie
sie gekommen waren.
Agathokles hatte östlich vom Gap Bon die Stadt Aspis oder Clupea in
einer wichtigen , zur Communication mit Sicilien wohl geeigneten Lage be-
setzt. Er hätte hier mit Hülfe der Kolonisten des Ophelias sich eine Haupt-
stadt gründen können. Aber eine langsame Vorbereitung grosser Dinge lag
nicht in seiner Art. Er fuhr lieber fort , von den noch karthagischen Städten
252 S«chsles Buch. III. Feldzug des Agalbokles id Afrika.
eine nach der andern zu bestürmen , um die Hauptstadt zu isoUren, und
wandte sich, als er mit dem Osten und Süden des Gebietes fertig war oder
zu sein glaubte, nach Norden und Westen (Ol. H8, Ä, 307 v. Chr.). Sein
erstes Ziel war Utika. Durch schnellen Harsch dahin überraschte er vor der
Stadt 300, zum Theil angesehene Bürger und dächte sie als Mittel zur UnUr-
werfung der Stadt zu benutzen. FUr ihre Freilassung forderte er die Ueber-
gäbe Utika's, und als die Butler nicht darauf eingingen, liess er einen grossen
ßelagerungsthurm bauen und an dessen Vorderseite die gefangenen (Jticenser
befestigen, die so das erste Ziel der Schusse ihrer Landsleute werden mussten,
wenn die Stadt in dieser traurigen Alternative nicht vorzog, sich zu ergeben.
Utika aber wablle den Eampf, und die IJhgltlcklichen kamen auf die schreck-
lichste Weise durch die Ihrigen um. Das Opfer war überdies von keinem
Nutzen, denn Agalhokles fand eine schwache Stelle der Hauer und drang in
die Stadt ein. Niemand wurde verschont , auch nicht die, welche sich in die
Tempel geflüchtet hatten. Nachdem die Stadt ausgeplündert war, z(^ Aga-
lhokles gegen Hippuakra, eine durch ihre Lage an einem See geschuitle Stadt.
Auch diese wurde im Sturm genommen.
Agathokles hatte jetzt wirklich den grOssten Theil der Karthago unterwor-
fenen Stadt« und Landschaften sich uoterthänig gemacht , und er konnte sich
rabmen, dass von den vier Völkerschaften, welche das karthagische Beich be-
wohnten, eine ihm ganz zugefallen war: die einheimischen Libyer, welche
Karthago hassten , eine zweite zum grossen Tbeile ihm gehorchte: die Liby-
phonicier, welche in ihren grossen und zahlreichen Städten doch immer noch
eine gewisse Zuneigung zu den mit ihnen verwandten Karthagern hatten, aus
deren Vermischung mit den Libyern sie entstanden waren; dass eine dritte,
die weiter nach dem Innern und dem Westen wohnenden Numidier, ihm we-
nigstens nicht entschieden abgeneigt war, so dass ihm nnr noch das vierte, am
wenigsten zahlreiche aber allein wichtige, das herrschende Volk der phttnici-
schen Karthager zu Überwinden blieb. Wenn nun auch Karthago zu erobern
noch gar keine Aussicht war, so dachte Agathokles die gegenwärtige günstige
Stellung in Afrika doch auch durch seinen Sohn Archagalhos behaupten zu
können , so dass ihm die Höflichkeit gegeben war, durch persönliche Anwe-
senheit auf Sicilien seine dort sich immer schlimmer gestaltenden Angelegen-
heiten wieder in Ordnung zu bringen. Er liess leichte Schiffe und Funfzig-
ruderer bauen und fuhr mit 2000 Soldaten nach Sicilien.
Hier waren immer noch vier Parteien im Kampfe begriffen , von denen
zwei als Verbündete der dritten gegenüberstanden : die Akraganiiner und die
syrakusanischen Ausgewanderten dem Agathokles, wahrend zugleich die Kar-
thager immer noch zur See Syrakus blokirt hielten. Eine Zeitlang waren die
Akragantiner sehr machtig gewesen, aber ihr Stern war schon im Sinken be-
griffen. In einer Schlacht, welche die agalhokleischen Feldherren Leptines
und Demophilos mit 8900 Hann zu Fuss und 4300 Reitern dem Xenodikos,
der etwa 10,000 Hann zu Fuss und 1000 Beiter führte, geliefert halte, war
der Akragantiner geschlagen worden und hatte sich mit einem Verluste von
1500 Hann nach Akragas gefluchtet. Kurze Zeit nach dieser Schlacht kam
Agathokles in Sicilien an und konnte mit leichter HUhe einige Früchte dersel-
Agathokles nach Sicilien. Krieg in Afrika. 253
ben ernten. Er war in Selinus gelandet, welches also seiner Partei angehört
haben muss, unterwarf das abgefallene Herakleia und zog dann nach der
Nordküste , wo er Therma den Karthagern lassen musste , Kephaloidion aber
eroberte und Leptines als Statthalter daselbst zurückliess. Das Unternehmen
auf Rentoripa, wohin er von Kephaloidion zog, misslang ; von Verräthern ein-
gelassen , wurde er durch eine energische Anstrengung der Bürgerschaft mit
einem Verluste von 500 Soldaten wieder vertrieben. Besser gelang es ihm in
Apollonia , das er wirklich nach schwerem Kampfe einnahm. Die meisten Be-
wohner wurden von den Soldaten getödtet und ihre Besitzungen getheitt.
Während so Agathokles gegen die Akragantiner Fortschritte machte, waren
die syrakusanischen Verbannten keineswegs unthätig. Es kam ihnen sogar
die Niederlage der Akragantiner zu statten, da Viele in Sicilien Agathokles
hassten und sich nach Führern gegen ihn umsahen. Wenn Akragas die
Führerschaft nicht behaupten konnte, versuchte man es mit den syrakusani-
schen Aristokraten. An ihrer Spitze stand Deinokrates, und dieser behauptete
gegen Agathokles das Feld.
Indess gingen dem Tyrannen auch die in Afrika bisher errungenen Vor-
theile verloren. Anfangs war Archagathos in seinen Unternehmungen glücklich
gewesen. Er hatte bald nach der Abreise seines Vaters einen Theil seiner
Truppen unter der Anführung des Eumachos in das Innere geschickt. Dieser
nahm die Stadt Tokai, dann Phelline, deren Umwohner, die Asphodeloden,
sich unterwarfen ; femer die Stadt Meschela, die zuerst von Griechen, welche
gegen Troja gekämpft hatten, bewohnt gewesen sein sollte, Hippuakra , ver-
schieden von dem von Agathokles früher unterworfenen , und endlich Akris,
das von den Soldaten geplündert wurde. Nach Beendigung dieser Expedition
kehrte er zum Archagathos zurück, wurde aber bald auf einen andern Kriegs-
zug ausgesandt , der die Griechen mit manchen wunderbaren Gegenden be-
kannt machte. Zuerst griff er die Stadt Miltine an , wurde aber mit grossem
Verluste zurückgeschlagen. Dann zog er durch ein gebirgiges Land, wo es von
Katzen wimmelte, und deswegen keine Vögel nisteten, in eine affenreiche
Gegend, wo drei Städte lagen, in welchen die Affen für heilig gehalten wur-
den und mit den Menschen die Wohnungen theil ten. Eine dieser Affenstädte
eroberte Eumachos, tiie beiden andern unterwarfen sich gutwillig. Auf die
Nachricht, dass die umwohnenden Völker gegen ihn im Anzüge seien , kehrte
er jedoch schnell zum Archagathos zurück.
Die Karthager hatten den Krieg nun eine Zeitlang in der strengsten De-
fensive geführt und waren durch dieses System immer weiter in ihren Ange-
legenheiten zurückgekommen. Karthago selbst war sicher genug, aber schon
die Menge Volks , die in der Hauptstadt zusammengedrängt war — alle Kar-
thager in den umliegenden Städten waren natürlich , sobald sie Widerstand
als unthunlich erkannt hatten, in die Hauptstadt geflüchtet, und Tausende von
Söldnern hielten sich ebenfalls müssig dort auf — war durch den über das ge-
wöhnliche Mass hinausgehenden Verbrauch von Lebensmitteln, die nur zur
See herbeigeschafft werden konnten, hinderlich. Da nun Agathokles Afrika
verlassen hatte, so war es zweckmässig, durch Aussendung von Heeren zu
gleicher Zeit die Feinde zu belästigen, die Anhänger zu ermuthigen, und den
' - v.V
254
Seichstes Buch. III. Feldzug des Agathokles in Afrika.
Verbrauch der Lebensmittel in Karthago zu beschränken. Karthago sandle drei
Heere aus, das eine an die Küste, das zweite in die der Ktlste zunächst gele-
genen Gegenden, das dritte endlich in das Innere. So musste auch Arcbagathos
seine Macht in drei Theile theiien^ ja sogar in vier, da ausser den drei Ab-
theilungen , welche gegen die karthagischen Heere ausgesandt wurden , und
welche Eumachos, Aischrion und Archagathos selbst befehligten, auch noch in
Tunes zur Beobachtung von Karthago eine Besatzung zurückbleiben musste.
DiBr Krieg entschied sich bald zu Gunsten der Karthager. Im Miitellande wurde
Aischrion von Hannen in einen Hinterhalt gelockt, in welchem er selbst mit
mehr als 4000 Fusssoldaten und SOO Reitern umkam; die übrigen, soweit sie
nicht gefangen genommen wurden, retteten sich 500 Stadien weit zum Heere
des Archagathos. Im Innern kämpfte Himilkon gegen Eumachos mit demselben
Erfolg. Als es zur Schlacht zwischen den beiden Heeren kommen sollte, be*
setzte Himilkon eine Stadt, in deren Nähe er lagerte , mit einem Theile seiner
Truppen , denen er den Befehl gab , sobald er mit den übrigen in verstellter
Flucht die Griechen nach sich gezogen hätte, hervorzubrechen und die Feinde
zu überfallen. Die List gelang vollkommen. Die Griechen gingen in die Falle
und wurden vollständig besiegt. Auch eine griechische Abtheilung , welche
sich auf einen Hügel flüchtete und sich dort eine Zeitlang vertheidigte, wurde
zuletzt überwunden. Von 8000 Fusssoldaten, aus denen dieses Heer bestan-
den hatte, retteten sich nur 30 und von 800 Reitern nur 40 Mann.
Diese beiden Schläge vernichteten die Macht der griechischen Abenteurer
in Afrika. Fast alle Städte hielten es für zeitgemäss, wieder zu den Kartha-
gern abzufallen , und das Centrum der griechischen Stellung, Tunes, wurde
selbst eingeschlossen, von der Seeseite wie vom Lande her, wo einerseits
Himilkon, 4 00 Stadien von Tunes mit einem Heere stehend, alle Zugänge zum
flachen Lande versperrte, während andererseits Adherbal nur 40 Stadien von
Tunes, wohl nach Karthago zu, ein Lager aufgeschlagen hatte. Es war nothwen-
dig, dass Agathokles selbst sich an die Spitze stellte ; sein erfinderischer Geist
allein konnte die Griechen retten, wenn sie noch zu retten waren. Agatharchos
sandte seinem Vater die dringende Auffol^derung, wieder nach Afrika zu kommen.
Agathokles war auf Sicilien wenig glücklich gewesen. Deinokrates hatte
durch das Vorgeben, die Bestrebungen der Akragantiner fortsetzen zu wollen,
eine Macht von fast 20,000 flann zu Fuss und 4 500 Reiter gesammelt, mit
welchen er Agathokles überlegen war^ der deshalb eine Schlacht* vermied und
sich meistens in Syrakus aufhielt. Als ihm die schlimmen Nachrichten aus
Afrika zukamen, brachte er 4 7 Kriegsschifife für eine Fahrt dahin zusammen. Es
stand aber damit, wie vor drei Jahren ; die Karthager hielten noch immer den
syrakusanischen Hafen blokirt, und den 30 karthagischen Schiffen waren die
47 griechischen nicht gewachsen. Da kam zu gelegener Zeit Hülfe aus Etru-
rien, 4 8 Kriegsschiffe. Nun entwarf er einen Plan, der vollkommen gelang,
da er darauf begründet war , dass die Karthager von der Anwesenheit der in
der Nacht ankommenden etrurischen Schiffe nichts wussten. Er fuhr mit den
47 Schiffen aus, und die Karthager verfolgten ihn sogleich 'mit ihren 30. Nun
kamen aber auch die 48 tyrrhenischen Schiffe aus dem Hafen von Syrakus
hervor,* und als Agathokles sie bemerkte, wandte er mit den Seinigen um und
r
Agatbokles kehrt nach Afrika zurück. 255
griff die Karthager an, die sich so von zwei Feinden in die Mitte genommen
sahen und schleunigst die Flucht ergriffen. Fünf Schiffe fielen mit der Be-
satzung den Griechen in die Hände, darunter das ^es karthagischen Flotten-
führers, der, um der Schande der Gefangenschaft zu entgehen, sich selbst
tödtete. Aber sein Opfer wurde überflüssig, denn ein plötzlicher Windstoss
trieb das Admiralschiff zwischen den griechischen Schiffen hindurch in das
offene Meer und befreite es. Dieser Erfolg war besonders deswegen erwünscht,
weil er Syrakus wieder zu verproviantiren gestattete. Agathokles zOgerte noch
einige Zeit mit der Abfahrt nach' Afrika, um auch zu Lande wo möglich einen
Sieg davonzutragen und so mit grösserem Nachdruck auftreten zu können.
Der Erfolg wurde wieder auf Kosten der Akragantider gesucht und erreicht.
Xenodikos war durch seine neuliche Niederlage in heftige Streitigkeiten mit
einer mächtigen, ihm schon früher feindlichen Partei in Akragas verwickelt
worden und. fand bei seinen Mitbürgern nicht die gehörige Unterstützung.
Als nun Leptines auf Befehl des Agathokles in das Gebiet von Akragas einfiel,
wollte Xenodikos anfangs keine Schlacht liefern , weil er die Ueberlegenheit
des Gegners einsah. Aber höhnische Reden von Akragantinern trieben ihn
dazu, sich mit den Soldaten des Agathokles zu messen, die mit ihrer grösseren
kriegerischen -Uebung über die Städter des Xenodikos leicht siegten und sogar
bis an die Thore von Akragas die Geschlagenen verfolgten, welche 500 Mann
zu Fuss und 50 Reiter verloren. Xenodikos floh nach Gela, um seinen Feinden
in Akragas zu entgehen. Nicht zufrieden mit den Siegen über Karthager und
Akragantiner , .hielt Agathokles es für noth wendig, auch in Syrakus vor seiner
Abfahrt Schrecken zu verbreiten. Er lud 500 der angesehensten Syrakusa-
ner zu einem Gastmahle und Hess sie bei demselben dui*ch seine Söldner
sämmtlich umbringen. Nun erst schien ihm die Fahrt nadb Afrika sicher,
306 v.Chr.
Hier trat er als König auf. Vor ganz kurzer Zeit hatte Antigonos sich den
Königstitel beigelegt, andere Diadochen waren ihm nachgefolgt, und Agathokles
wollte Männern nicht an Glanz nachstehen, denen er sich trotz seiner bedenk*
liehen augenblicklichen Lage in jeder Beziehung gewachsen fühlte. Er ist der
erste Alleinherrscher von Syrakus gewesen , der die Münzen dieser Stadt mit
seinem Namen bezeichnet hat. Er beschloss sogleich eine Schlacht zu liefern,
um so mit einem Schlage seine Lage zu verbessern. Seine Macht war nicht
bedeutend: 6000 .Griechen, ebenso viele Kelten, Samniter und Tyrrhener,
endlich fast ^ 0,000 Libyer, Verbündete von zweifelhaftem Werthe; dazu
kamen noch 1500 Reiter und über 6000 libysche Gespanne. Die karthagische
Streitmacht war weit beträchtlicher und befand sich in einer vortrefflichen,
durchaus geschützten Stellung. Die Karthager, mit Lebensmitteln reichlidi
versehen, zogen es vor, die Griechen durch Verweigerung einer Schlacht zu
ermüden und sie wo möglich auszuhungern. Endlich wurde das Warten dem
Agathokles unerträglich, er entschloss sich zum Angriff. Das war es, was die
Karthager gewollt hatten; sie warfen sich mit grosser Uebermacht auf das
agathokleische Heer und trieben es nach längerem Widerstand zurück. Nun
beobachteten sie ein sehr kluges und für die Griechen verderbliches Verfah-
ren. Sie Hessen die Libyer im Heere des Agaüiokles unverletzt ziehen und
■"^•'fi^Är'"'
Sechstes Buch. III. Feldzug des Agathokles in Afrika.
e Griechen und Ilaler an, so dass die Niederlage des Agalhokles
sländige wurde. 3000 Mann aus seinem Heere kamen um. Die
Hbokles war verloreo.
.cht nach dem Kampfe ereignete sich ein ganz eigen thüm lieber Vor-
gewshnlichkeit den Übrigen seltsamen Episoden dieses eigenthUm-
( nicht nacbslt^nd und dem Feldzuge ein schnelles Ende bereitete,
hen Lager wurden die schönsten der gefangenen Feinde den Gut-
er verbrannt. Wahrend die Flamme hell aufloderte , erhob sich
Vind; das Feuer ergriff das unfern vom Allare stehende heilige
5 nahe Feldfaerrnzelt, hierauf die Zelte der Ofßcier. . Ein grosser
ste die Soldaten; bei den Versuchen zu loschen oder die kostbar-
nde zu retten, kamen viele um, und bald stand das ganze Lager,
grSsslentheils nur aus Bohr und Stroh bestanden, in Flammen,
dränge verliess das Heer den Lagerplatz. Da ereignete sich etwas
ireres. Ungefähr 5000 derber dem Agalhokles beßndlichen Libyer
derselben Nacht das griechische Lager, um zu den Karthagern
Als sie näher kamen, wurden sie von den karthagischen Wacbt-
ranrUckende Feinde gehalten, und als die durch die Feuersbrunst
rten Soldaten diese Nachricht, von ihren Wachtposten empfingen,
n der |grössten Bestürzung in der Bichtung nach Karthago fort,
kelbeit bewirkte, dass die aus verschiedenen Lagerpforten zu glei-
vorbrechenden Soldaten im Aufeinanderstossen Sich gegenseitig
}lten und handgemein wurden. Es entspann sich ein furchtbarer
'elchem mehr als 5000 umkamen. Die tlbrigen retteten sich nach
ort hatl«.man schon von dem angeblichen Ucberfall der Feinde
ind erwartete, als man die Tbore Öffnete, um die Fluchtigen ber-
eden Augenblick, dass die Griechen sich zeigen wurden. Erst als
ach, wurde man des Irrlhums inne.
gathokles von diesen Vorgängen im karthagischen Heere gewusst
rde es ihm leicht geworden sein , die Niederlage der Karthager
lehren, aber er gerieth um dieselbe Zeit in eine ahnliche Lage,
]e. Die Libyer nämlich, welche zu den Karthagern Ubei^ehen
3n, durch den gewaltij^en Feuerschein und das ungeheure Gelttse,
lern karthagischen Lager immer deutlicher heruberschallte, Über-
irem Harsche an und kehrten endlich wieder zu den Griechen
' aber brachten sie dieselbe Wirkung hervor , wie bei den Kar-
icbtposten hielten sie für die anrückenden Feinde, und brachten
'iechische Lager in Alarm. Die plötzlich aufgestörten Soldaten
cb eilig, um den Feinden entgegenzutreten, als sie auch schon
•T hoher erhebenden Flammen in der Entfernung bemerkten. Sie
ils ein zwischen den feindlichen Anführern verabredetes Zeichen,
n Augenblicke die ganze feindliche Macht gegen sie gefuhrt wer-
1 stürzten, ohne zu wissen, was nun geschehen solle, zum l^a^r
Kommando war nicht zu denken. Da kamen die Libyer i^ieder
wurden für Feinde gehallen, und bald befanden sich Libyer und
iüimpfe mit einander. Die ganze Nacht zogen wirre kampfende
Flucht des Agatbokles nach Sicilien. Ende des afrikanischen Feldzugs. 257
Haufen auf den Feldern umher. Mehr als 4000 kamen um. Auch hier ward
erst am Morgen der Irrthum bemerkt.
Dieselben Ursachen hatten unter den gegenwärtigen UmsUlnden natürlich
nur auf griechischer Seite schlimme Folgen. Die Unglücksnacht entschied den
Abfall der Libyer, und nun war für Agathokles keine Aussicht auf Erfolg
mehr. Es war zweifelhaft, ob er sich überhaupt noch rollen konnte. Denn
woher sollte er Schiffe nehmen , um das noch übrige Heer nach Sicilien zu-
rückzuführen , und wenn die Karthager ihm und den Seinigen auch vielleicht
eine Capitulation bewilligten, konnte er darauf rechnen^ dass sie sie auch
halten würden? Mussle nicht sein Tod eine Warnung für alle werden, die
nach ihm ähnliches zu versuchen die Keckheit haben würden? Er konnte nur
mit wenigen Begleitern fliehen, das Heer musste'da bleiben. Von seinen
beiden Söhnen wollte er nur den jüngeren, Herakleides, mitnehmen; den
filteren,. Archagathos, fürchtete er und argwöhnte, er trachte ihm nach dem
Leben ; dieser sollte in Afrika zurückgelassen werden und die beabsichtigle
Flucht des Vaters ihm ein Geheimniss bleiben. Aber Archagathos erfuhr von
dem Vorhaben, und aus Wulh darüber, dass er, der so lange Noth und Ge-
fahr in Afrika bestanden hatte , [nun den Feinden in die Hände fallen solle,
theille er seine Entdeckung einigen höheren Officieren mit, welche die Abfahrt
des Agathokles verhinderten und dem Heere sein Vorhaben mittheilten. Die
Soldaten liefen zusammen , legten Hand an Agathokles und setzten ihn ge-
fangen.
So war denn völlige Anarchie im Lager, und es war natürlich, dass sich
gleich in der folgenden Nacht der Ruf erhob, die Feinde rückten heran. Alle
stürzten heraus, aber ohne Ordnung, ohne Führer; die Wächter des Aga-
thokles, denen es vorkam, als würden sie gerufen, führten ihren Gefangenen
unter die Menge. Da brach bei diesem Anblicke plötzlich die alte Anhänglich-
keit an den Feldherrn wieder hervor, und alle schrieen, man solle seine
Fesseln lösen. Der Wille der Soldaten mochte sein, dass er sich an ihre Spitze
stellen und sie gegen den Feind führen solle. Aber Agathokles benutzte seine
Freiheit nur zur Flucht. Es gelang ihm, auf ein Schiff zu kommen und abzu-
fahren. Als die Soldaten das hörten , geriethen sie von neuem in Wuth ; da
sie den Fürsten nicht mehr erreichen konnten, so ermordeten sie seine beiden
Söhne; dann wählten sie Anführer aus ihrer Mitte und begannen Unterhand-
lungen mit den Karthagern. Diese sahen nicht ein, weshalb sie sich mit den
Soldaten, da der Feldherr doch entsprungen war, unnöthige Mühe machen
sollten, sie gewährten ihnen günstige Bedingungen. Die Griechen überlieferten
die Städte^ in deren Besitz sie noch waren, und erhielten dafür 300 Talente ;
wer wollte , konnte mit gutem Solde in karthagischen Dienst treten ; die an-
dern bekamen Wohnsitze in Solus auf Sicilien. Einige Besatzungen wollten
nicht auf diese Bedingungen die ihnen von Agathokles anvertrauten Städte
übergeben ; sie unterlagen im Kampfe, und während ihre Anführer an's Kreuz
geschlagen wurden, mussten sie selbst das Land, welches sie in Afrika ver-
wüstet hatten, in Fesseln wieder bebauen.
Dies war das klägliche Ende des Feldzugs des Agathokles in Afrika. Er
soll an demselben Tage geflohen sein und seine Söhne verloren haben, an
Holm, Ooach, Siciliens. II. 17
. ♦
258 Sechstes Buch, IV. Aushrcituog der Herrschaft des Agathokies nach Osten. Sein Tod.
dem er ein Jahr früher (?) Ophelias ermordet hatte, und die Mörder des Arcba-
gathos und Herakleidcs sollen alte Soldaten des Ophelias gewesen sein. Ob
aber der Verlust seiner Söhne einem Agathokles eine Strafe, und nicht viel-
mehr in der Lage, in welcher er sich damals befand, ein gern gezahltes Löse-
geld fUr die Rettung seines eigenen Lebeos dünkte?
Griechen war es nicht beschieden, eine Stadt, die an Energie den dama-
ligen Hellenen weit überlegen war , zu stürzen ; bedurfte es doch später der
ganzen Anstrengung des mcichtigen und kräftigen Roms , um dieses Ziel ku
erreichen.
Viertes Kapitel.
Ausbreitung der Herrschaft des Agathokles nach Osten. Sein Tod.
U\ Siciüen angekommen , befürchtete Agathokles, dass seine Flucht seine
Feinde ermuthigen möchte. Das beste Mittel dagegen war eine recht auffal-
londe Grausamkeit, die, am rechten Platze angewandt, auch seine leere Kasse
füllen konnte. Er begab sich nach Segesla, das ihm befreundet war, und liess
einige Truppen dahin kommen. Dann zwang er die Egestäer, ihm den grössten
Theil ihres Vermögens auszuliefern, und als sie unl)esonnen genug waren, die
Beraubung nicht ohne lauten Unwillen zu ertragen , stellte er mit seinen Ban-
den unter dem Vorwande, dass man ihm nach dem Loben trachte, ein ent-
setzliches Blutbad unter ihnen an. Die Stadt war damals eine der l)cdeutend-
sten Siciliens. Von ihren Einwohnern liess er die ärmeren aus der Stadt an das
Ufer des Skamander führen und abschlachten; die wohlhabenderen aber liess
er auf die raffinirleste Weise martern, damit sie angeben sollten, wo ihre noch
übrigen Schütze lügen. Das scheussHchsle von seinen Marterwerkzeugen war
eine Nachahmung des Stiers des Phalaris, mit dem Unterschiede, dass das
Marterwerkzeug des Agathokles ein ehernes Gefiiss war, welches die Form des
menschlichen Körpers hatte, aber oben oflen war, so dass die unglücklichen
Opfer in ihrer Qual von dem Tyrannen beobachtet werden konnten. Vorneh-
men Frauen wurden die Knöchel mit Zangen- gequetscht, die Brüste. abge-
schnitten. Viele EgestUer tödteten sich selbst oder verbrannten sich mit ihren
Häusern. Die Jungfrauen und Knaben von Egesta verkaufte Agathokles an dit*
Rruttier in Italien* Von der Stadt sollte nicht einmal der Name Ubi*ig bleiben:
Agathokles nannte sie Dikaiopolis und gab sie Ueberläufern zum Wohnsitz.
Und so wie er selbst in Segesta gcwüthet hatte, so Hess er seinen Bruder
Antandros in Syrakus wüthen. Das Heer in Afrika, welches er so feig im
Stiche gelassen hatte, hatte sich ja empört und seine Söhne umgebracht. Die
Soldaten, welche er aus Syrakus mit nach Afrika genommen hatte, sollten
iiim, wie wir wissen, als Geiseln für die Treue der Syrakusaner bürgen* Nun
war diese Bürgschaft für ihn verloren, und er beschloss, umgekehrt an den
Agnüiokles und Deinokrales. 259
Syrakusanern Rache fur das von ihren Veiwandten in Afrika Begangene oder
(leduldeic zu nehmen. Kr gab Aniandix>s den Befehl , die Familien derer,
welche mil ihm nach Afrika gezogen waren , ohne alle Schonung eitnorden zu
lassen. Anlandros führte den Befehl aus. Juug und all, Greise und Kinder,
Männer und Frauen, alle wurden hingeschlachtet. Die Mordthaten geschahen
am Meeresufer; das Meer färbte sich roth von dem vielen Blute; die Leichen
blieben am Ufer liegen, und Niemand wagte es, ihnen die leiste Ehre zu
erweisen. So befesligie Agathokles seine Herrschaft.
Es blieb ihm aber trotzdem noch viel zu thun tlbrig. Er zog in Sicilien
umher (01. 14 8, 3-r-306 v. Chr.); verstärkte die Besatzungen der ihm unter-
worfenen Siadle und trieb Geld ein. Sein Hauptgegner war und bliebe Deino-
krates, zu dem sogar Pasiphilos, sein langjähriger Feldherr, überging ; die ihm
anvertrauten Städte lieferte er dem Deinokrates in die Hände. Nun geschah
etwas unerwartetes. Agathokles, noch im Besitze von S^Takus^ das nicht
einmal von Deinokrates belagert war, bot seinem Gegner an, unter gewissen
Bedingungen die Herrschaft niederlegen zu w^ollen. Die Bedingungen waren
folgende: Syrakus sollte frei werden und Deinokrates als Privatmann zurück-
kehren; Agathokles aber die Städte Therma und Kephaloidion (von denen
jenes also doch in Agathokles' Besitz gekommen sein musste, vgl. S. 253) be-
halten. Deinokrates aber, der ein stattliches Heer von mehr als 20.000 Mann
zu Fuss und 3000 Reitern l)efehligte, der nur dem Namen nach Feldherr der
syrakusanisoben Verbannten, in Wirklichkeit ein Könige wie die Diadooben oder
wie Agathokles in Afrika war, fühlte wenig Neigung, als Bürger in Syrakui zu
leben, und verzögerte auf alle Weise den Abschluss des Vertrages, den er
(loch des guten Scheines wegen nicht umhin konnte, zu billigen.' Agathokles
zeigte diBu grOssten Eifer, von seiner Tyrannis entledigt zu werde4i; Dei|ko~
krates aber forderte bald , dass Agathokles sich ganz aus Sicilien entfernen
solle, bald Geiseln in der Person seiner Kinder. Dies Verfahren hatte die dem
Agathokles nützliche und von ihm vorausgesehene W^irkung, dass jetzt nicht
sowohl er als Doinokrales das Haüplhinderniss der Freiheit der Syrakusaner
zu sein schien, und dass sogar manche unter den syrakusanisohen Verl>annten
anfingen, ihre Gesinnung gegen Agatlmkles su ändern. Natürlich war das An-
erbieten des Tyrannen nichts als eine gewagte List, wie dieser merkwürdige
Mann sie liebte. Wenn wider alles Erwarten Deinokrates so schlau gewesen
wäre, darauf einzugehen , so würde Agathokles schon Mittel gefunden hab^n,
auszuweichen und das gehässige des Abbruches der Verhandlungen c|ennoch
auf seinen Gegner zu schieben. Es gelang dem Agathokles auch, mit den Kar-
thagern einen Frieden zu schliessen, der unter den gegenwärtigen Umständen
für ihn sehr vortheilhaft war, und durch den auch die Karthager, die wir uns
(loch ziemlich erschöpft denken müssen, gewannen. Sie erhielten ihr früheres
Gebiet in Sicilien, — westlieh vom llalykos — zurück und zahlten dafür an
Agathokles 300 oder, nach Timaios, i50 Talente und ausserdem noch 200,000
Scheffel Weizen.
Nun war Agathokles die Möglichkeit gegeben^ seine ganze Kraft dem hel-
lenischen Theile der Insel zuzuwc^nden. Es kam die Zeit der Abrechnung
zwischen ihm und Deinokrates. Sie vollzog sich in folgender Weise im n^hsten
17*
260 Sechstes Buch. IV. Ausbreitung der Herrschaft des Agathokles nach Osten. Sein Tod.
Jahre (01. 418, 4 — 305 v. Chr.). Agathokles beschioss, eine Schlacht zu
wagen , auf welche er sich durch geheime Unterhandlungen mit einem Theile
der Flttchtlinge unter Deinokrates' Führung, trefllich vorbereitet halte. An Zahl
der Truppen stand er Deinokrates nach ; während er nur 5000 Mann zu Fuss
und 800 Reiter hatte, zählte Deinokrates 25,000 Mann zu Fuss und 3000
Reiter. Aber in der Schlacht gingen 2000 von den Soldaten des Deinokrates
zum Tyrannen über, und dies entschied den Kampf. Das Heer des DeinokraK's
ergriff die Flucht. Agathokles verfolgte die Flüchtigen eine Strecke weit, dann
schickte er ihnen eine Rotschaft mit der Aufforderung , den Krieg aufzugeben
und in ihre Heimath zurückzukehren; die Schlacht habe ihnen gezeigt, dass
sie trotz ihrer Ueberzalil ihm nicht gewachsen seien. Die Retter hatten sich
vom Schlachtfelde, welches in der Nühe eines Ortes, Namens Gorgion [Claver
Torgion] lag, nach der Stadt Ambikes gerettet^ von den Fusssold^ten waren
manche in der auf die Schlacht folgenden Nacht entlaufen ; . eine grosse Anzahl
derselben aber hatte einen Hügel besetzt und scfaloss von da einen Vertrag mit
Agathokles , der ihnen die Rückkehr in das Vaterland zusicherte. Sie kamen
von ihrem sichern Standpunkt herunter, legten auf das Geheiss des Tyrannen
die Waffen ab und wurden, nach Timaios 7000, nach anderen 9000 an der
Zahl, sfimmtlich von den Söldnern des Tyrannen niedergemacht. Rei der be-
kannten Treulosigkeit des Agathokles ist nicht sowohl diese Untbat, als viel-
mehr die Dummheit von Leuten, die ihm noch trauten, zu verwundern. Ganz
anders verfuhr er dagegen mit Deinokrates selbst, den er wieder, wie vor
1% Jahren, verschonte. Deinokrates war freilich ein Mann nach seinem Sinn,
er liess Pasiphilos , der zu ihm Übergegangen war und sich in Gela aufhielt,
todten ufid überlieferte alle Städte und Rurgen, die er noch hatte, an Aga-
thokles. Aber wie konnte Einer dem Andern trauen? Hier ist ein Rathsei,
das wir nicht zu lösen vermögen. Sollte der ganze Abfall des Deinokrates nur
ein mit Agathokles abgekartetes Spiel gewesen sein , um sicherer die Gegen-
partei zu verderben? Wir möchten es glauben. Gewiss ist jedenfalls, dass
Agathokles bis an sein Lebensende dem Deinokrates zugethan blieb, und dass
dieser ihm hinfort als Feldherr diente.
Agathokles hatte nun die stürmischste und abenteuerlichste Periode
seines Lebens hinter sich und konnte sich mehrere Jahre hindurch einer ge-
sicherten Herrschaft über einen grossen «Theil Siciliens erfreuen. Wenn das
karthagische Gebiet bis zum Halykos sich erstreckte, so ist dagegen nicht klar,
ob die Herrschaft des Agathokles das ganze übrige Sicilien umfasste ; insbe-
sondere, ob auch Akragas sich ihm unterwerfen musstC; Leider bricht das aus
dem Werke Diodor's Erhaltene bei dieser Periode der Geschichte des Agathokles
ab. Doch wissen wir eben genug davon, um sagen zu können, dass er in der
letzten Hälfte seiner Regierung in ganz ähnlicher Weite den Fussstapfen des
Hlteren Dionys folgte, wie er dies in der ersten gethan hatte. Auf die Kriege
im Westen, gegen Karthago, folgten Kriege im Osten, Unternehmungen in
Italien wie im adriatiscben Meer, und endlich macht, wie bei Dionys, ein Ver-
such, sich wieder gegen Karthago zu wenden, der bei Agathokles aber nicht
zur Ausführung gedeiht, den Schluss.
Seine Untemehmimgen im Norden begannen schon Ol. 4 49, 4 — 304
Agathokles gegen Grossgriechenlaod. Agathokles in Kerkyra. 261
V. Chr. mit einem PlUnderungszuge nach Lipara, das, im tiefsten Frieden
überfallen , 50 Talente schaffen musste. Als das Geld, welches die Liparäer
im Stande waren zu liefern , nicht soviel betrug , nahm er eine Masse von
Weihgeschenken, welche im Prytaneion der Stadt aufbewahrt und nach ihren
Inschriften theils dem Aiolos, theils dem Hephaistos gewidmet waren, weg.
Aber 1 4 Schiffe, welche den Raub trugen, gingen unterwegs durch Stürme zu
Grande ; das war die Rache des Aiolos , und die Rache des Hephaistos brachte
Agathokles den Tod^ freilich erst nach 45 Jahren i
Die nächsten Thaten des Tyrannen , welche ihn auf eine Höhe der Macht
heben, die der des filteren Dionys vollkommen entsprach , liegen in einem nur
durch wenige Streiflichter erhellten Dunkel Wie wir ihn zuerst wiederfinden
— es ist um das Jahr 300 bis 298 — reicht sein Arm schon bis Kerkyra,
welches in seine Hände fällt. Wir müssen, um diese Verhältnisse richtig wür-
digen zu können, ein wenig zurückgreifen.
Im Jahre 305 fühlten sich die Tarentiner wieder, wie 5*0 oft, in die Noth-
wcndigkeit versetzt, fremde Hülfe in Anspruch zu nehmen, hauptsächlich
gegen die sie bedrängenden Lukaner , daneben aber auch zur Hebung ihres
Einflusses auf die mittelitalischen Angelegenheiten überhaupt. Der Retter
sollte diesmal der Spartaner Kleonymos^ der Oheim des Königs Arcus und
jüngerer Bruder des uns bekannten, damals schon verstorbenen Akrotatos
sein. Er that anfangs seine Schuldigkeit, bald aber gab er sich, wie nur zu
oft die Spartaner im Auslande , wo ihnen eine übergrosse Macht zufiel , dem
ausschweifendsten Leben hin und machte seine Stellung dadurch unhaltbar;
er dachte einen Augenblick daran, die Erbschaft seines Bruders Akrotatos an-
zutreten und sich in Sicilien ein Reich zu gründen ; aber es war gegen Aga-
thokles doch nicht wohl aufzukommen , und er warf sich etwa um das Jahr
303 auf Kerkyra, das er unterjochte und ausplünderte. Demetrios der Städte-
belagerer und Kassander von Makedonien , die beiden Nebenbuhler um Grie-
chenlands Herrschaft, -bewarben sich um seine Freundschaft. Er wollte sich
keinem anschliessen, und machte auf eigene Hand einen Raubzug in das vene-
tische Gebiet im innersten Winkel des adriatischen Meeres. Er misslang voll-
ständig, und kurze Zeit darauf kam Demetrios nach Kerkyra und befreite es.
Als jedoch Kassander mit Heer und Flotte heranzog, um sich Kerkyra^s zu
bemächtigen , da fand sich ein Vertheidiger der Insel , freilich von sehr be-
denklichem Charakter, in der Person des Agathokles.
Agathokles war damals mit einer Aegyptierin Theoxena, wahrscheinlich
einer Stieftochter des Ptolemaios durch Berenike, vermählt, und es wäre nicht
unmöglich, das sein ägyptischer Freund ihn insgeheim aufgefordert hätte,
gegen Kassander zu wirken, mit dem er im Bttndniss war, den er aber
sicherlich nicht zu mächtig werden lassen wollte. Was nun auf Kerkyra ge-
schah, ist aus Fragmenten Diodor^s nur zu errathen. Die, Makedonier waren
schon bei der Belagerung von Keriiyra zu Wasser und zu Lande beschäftigt,
da kam Agathokles mit seiner Flotte und seinem Heere an. Es entspann sich
ein heftiger Kampf zur See, in welchem die Sikelioten durch den Gedanken,
nach so vielen siegreichen Kämpfen gegen Karthager und Italer sich durch
einen Sieg über die berühmten und gefürchteten Makedonier neuen Ruhm zu
S62 Sechsles Buch. IV. Ausbreitung <ler Herr^hsfl des Agsthokles nach Oslen. Sein Tud.
:n , KU don grösslen Ansti Tilgungen begeistert wurüen. Agatboklcs
iber die makedoniscbe FloUc uod verbrannte sie; und weoo er jeltl
len Truppen gelandet wäre und das makedonische Heer vor Kerkjra
Ten bauo , so würde er es vollkommen vernichtet Iteben ; aber er be-
zieh damit, ein Siegeszeieben am Geslade zu errichten, und gewübrle
kedonischen Heere freien Abzug.
n wur Kerkyra sein; dass er es nicht besser als ein erobertes Land
tlle, sehen ^vi^ aus Tolgender Anekdote. Er soll den Kerkyrae<fn wie
ikesiern auf ihre Frage, weshalb er ihre Inseln v«^*Uste und die
[wegtreiben lasse, die acht dionysische Antwort gegeben haben: Hat
ler Odysseus auf Sicilien sogar den Hirten geblendet?
war, als er nach Kerkyra log, mit Eroberungen in lulien und kriege-
Unternebmungen gegen die BruUier beschäftigt und hatte Truppeo
?rnem Enkel Agatharchos oder Archa^thos, dem Sohne seines gleich-
I in Afrika geUJdteten Sohnes, zurückgelassen. Von diesen hatten 3000,
irern und Tyrrhenern besiebend, in seiner Abwesenheit sich cmpün
in rückständigen Sold verlangt. Als er, von Kerkyra wieder bei seinem
[gelangt, es erfuhr, liess er mit schneller Entficblogsenfaeit alle SOOO
I Übrigen Söldnern niedermetzeln. Dieses Zeichen der Uneinigkeit
ireo Feinden ermuthigte iadess die Bruttier , und als Agatiiokles eine
he Stadt Ethai belagert«. Überfielen sie ihn bei Nadit, und er musstc
im Verlust von 4000 Mann die Belagerung aufgeben und nach Syrakus
efareo.
■ige Zeit hernach wurde Agathokles mit dem Schützlinge des Künigs
igs von Aegypten, dem berühmten Pyrrhos von Bpiros, befreundet, der
ie Erniotxlung seines Vei-wandten, des Königs Neoplolemss, etwa um
»ger Herrscher seines Vaterlandes und des Volkes der Holosser wurde.
ihm seine Tochter Lanassa zur Gemahlin, benutzte aber mit seiner ge-
hen HinlM'liBt, die Fahrt derselben, welche ihrem Gemahle Kerkyra
te, nach Epiros, um sich durdi einen Handstreich der Stadt Kroton zu
l.igon. Er liess Henedemos , dem Tyrannen von Kroton, mit welchem
undet war, die Botschaft zukommen, er und die Krotoniaten mochten
den unnölhigen Besorgnissen wegen seiner nUcbsten Expedition, die
r Stadt vorbeifahren werde, die aber nur lum Geleil« seiner Tochter
it sei, hingeben. Die Krotoniaten Jiessen sich täuschen, und als Aga-
bei KroLon angekommen war, begann er rasch die Belagerung der
gerüsteten Stadt, warf ein Stück Mauer um, und wurde von den
ikenen Krotoniaten eingelassen. Natürlich wurden die Hüuser geplUn-
e Männer abgeschlachtet. Hit den Nachbarn der Stadt, den lapygiern
iketieru, sohloss er Freundschaft, und verband sich mit ihnen xu einem
ergt^cbiift im Grossen, welches er anstandshalber nicht unter eigener
letreiben zu künnen glaubte. Er lieferte ihnen SchiSe und empfing
inen Theil an der Beute.
Jl«r — so finden wir in einem andern fragmentariB<^n Berichte —
bm er eiben neuen Kriegszug nach Italien mit:)0,UOO Mann zu fuss
90 heitern. Die Flotte unter gtilpcm verwüstete die brutttsche Kuste,
Agathokles, Pyprhos und Demetrios. Neue Rüslungen jjegeii Karthago. 263
wurde aber durch einen SUirni zerstreut und erlitt arge Verluste. Er selbst
eroberte mit dem Landheere llipponion, wo er eine Schiffswerfte anlegte,
welche noch zu Strabön's Zeit bestand. Nun wünschten die Brultier Frie-
den mit ihm, und er gewahrte ihnen denselben gegen die Stellung von 600
Geiseln, welche er beim Heere Hess, während er selbst nach Syrakus zurück-
kehrte. Das zurückgebliebene Heer des Agathokles reichte aber gegen die
Bruttier nicht aus ; sie überfielen es, machten es nieder, befreiten ihre Geiseln
und gewannen so ihre Unabhängigkeit wieder.
Als nun in Makedonien um dieselbe Zeit Demetrios , der Städtebelagerer,
König geworden war, suchte Agathokles mit ihm in Verbindung zu treten.
Demetrios war des Pyrrhos Feind, wir müssen also annehmen , dass die
Freundschaft mit Pyrrhos ihm nicht mehr so vortheilhaft schien wie zuvor.
Der Tyrann von Syrakus schickte seinen gleichnamigen Sohn Agathokles, der
sein Liebling war, nach Makedonien zum Demetrios^ um ihm ein Bündniss an-
zubieten. Demetrios nahm den Jüngling sehr freundlich auf, schenkte ihm ein
königliches Gewand und andere Kostbarkeiten, erklärte, dass er gerne auf den
Antrag des Agathokles eingehen werde , und sandte einen seiner Vertrauten,
den Oxythemis mit ihm nach Syrakus , um dort das Bündniss abzuschliessen.
Dies war wenigstens der ostensible Auftrag , welchen Oxythemis erhielt; ins-
geheim soll er von Demetrios angewiesen worden sein , den Stand der Dinge
in Sicilien auszukundschaften und zu berichten , ob dort nicht für Demetrios
Lorbeeren zu holen wären. Agathokles wird denn auch dem Entschlüsse nicht
ganz fremd geblieben sein, den um dieselbe Zeit seine Tochter Lanassa fasste,
ihi^n Gemahl Pyrrhos zu verlassen und sich mit Demetrios zu vermählen. Sie
beklagte sich , dass Pyrrhos seine zwei barbarischen Weiber, eine lUyrierin
und eine Päonierin, ihr vorziehe, und ging nach Kerkyra, das sie als ihr
Eigenthum betrachtete, und von hier aus forderte sie Demetrios, der, wie sie
wusste, für dergleichen Aufforderungen sehr zugänglich war, auf, zu ihr zu
kommen und sich mit ihr zu verbinden. Er that es und liess, als er sich wie-
der entfernte, eine Besatzung auf Korkyra zurück.
So sehen wir Agathokles eng in die Angelegenheiten dos Ostens verQoch-
len. Dennoch hatten diese Beziehungen für ihn lange nicht soviel Beiz , wie
die zu Karthago. Und das mit Recht; denn der Orient, Griechenland und
Makedonien hatten ihre Herren, krieggeübte und mächtige Fürsten, denen Aga-
thokles nicht gewachsen war; und in Italien sich weit auszubreiten, das ver-
boten besonders die Römer, deren Macht er auf seinen Feldzügen in diesem
Lande kennen gelernt haben muss. Dagegen boten Afrika und Karthago einen
vortrefflichen Schauplatz für die Thätigkeit eines ehrgeizigen und kriegerischen
Despoten, und es ist nicht zu verwundern, wenn er, im 72. Jahre seines Le-
bens, noch an einen grossen Krieg mit Karthago dachte. Er hatte die wohl-
begrUndeto Ueberzeugung , dass Karthago nur dann besiegt werden könne,
wenn es gelänge, der Stadt die Zufuhr von Sicilien und Sardinien abzuschnei-
den, also wenn er eine der karthagischen überlegene Flotte hätte, und er hatte
sich wirklich eine Flotte von 200 vollständig ausgerüsteten grossen Schiffen —
Tetreren und Kexeren — verschafft. Aber ehe er den Krieg beginnen konnte,
ereilte ihn der Tod. Die Veranlassung desselben wird folgendermassen erzählt.
' - >•• ' - TL , Ml AAL* ~
264 Sechstes Buch. IV. Ausbreitung der Herrschaft des Agatbokles nach Osten. SeiaTod.
Das Heer des Tyrannen, des Königs, wie er genannt sein woüle,- das am
Aetna im Lager stand, befehligle sein Enkel Archagathos, der sich als deD
rechtmässigen Nachfolger seines Grossvaters ansah. Agathokles aber bevor-
zugte seinen gleichnamigen Sohn, den er schon nach Makedonien zum Deme-
trios gesandt hatte, und wünschte, dass der JUngling seinen Thron erben
möchte. Damit dies aber geschehen konnte, mussle der junge Agathokles
schon jetzt mit dem Gebrauche der Macht sich vertraut machen; er musste
das Heer befehligen, damit dieses im Falle des Todes des Tyrannen sich nicht
dem Prinzen widersetzte. Der Tyrann ernannte deshalb Agathokles an Stelle
des Archagathos zum Feldherrn. Dieser, nicht gesonnen, seine Ansprüche so
leichten Kaufes aufzugeben, beschloss, sich zu widersetzen, und da dies nicht
wohl möglich war, wenn der Tyrann lebte, so sann er auf ein Mittel, seinen
Grossvater aus dem Wege zu räumen. Als Werkzeug bot sich ihm Mainon
dar, ein Egestäer von Geburt, beim Tyrannen hoch angesehen. Dieser Mensch
war bei der Zerstörung seiner Vaterstadt durch Agathokles zum Sklaven ge-
macht worden und in den Besitz des Tyrannen gekommen , der Jhn wegen
seiner Schönheit lieb gewann und stets um sich hatte. Der Einfluss und das
Ansehen Mainon's nahm fortwährend zu , trotzdem aber grollte er in seinem
Herzen wegen des seiner Vaterstadt bereiteten Unglücks und wegen der
schimpflichen Stellung , In der er selbst sich anfangs bei Agathokles befunden
hatte, und sein Streben ging dahin, ihn bei guter Gelegenheit zu iödten.
Diesem Menschen vertraute Ai^chagathos sich an , und jeder übernahm einen
Theil der Ausführung des Planes, der Archagathos die Herrschaft, Mainon aber
die Rache sichern sollte. Als der junge Agathokles beim Heere eintraf, nahm
Archagathos ihn freundlich auf, gab vor, dass er auf einer kleinen Insel im Meere
— etwa einer der Faraglioni, dem Felsen des Odysseus (Bd. I S.5i) — ein Opfer zu
bringen habe, und nahm Agathokles mit dahin. Hier machte er ihn trunken und
brachte ihn um ; den Leichnam Hess er ia^s Meer werfen. Er wurde an's Land
geworfen, und von Leuten, die ihn erkannten, nach Syraküs gebracht. Als
der alle Tyrann die Nachricht vom ToTle seines Lieblings erhielt, war er selbst
schon dem Tode nahe. Denn Mainon hatte einen Zahnstocher, den der Tyrann
zu gebrauchen pflegte , mit Gift bestrichen , und durch dessen Wirkung war
sein Zahnfleisch in Fäulniss übergegangen; das Leidea war unheilbar, die
Schmerzen fürchterlich. Der alte Wütherich muss in seinem Todeskampfe bei
einigen Schriftstellern noch die Rolle eines treuen Hausvaters, der für seine
Hinterbleibenden sorgen will, spielen. Er nimmt auf die rührendste Weise
von seiner Gattin Theoxena, der Aegyptierin, und seinen kleinen Kindern Ab*
schied und schickt sie der Sicherheit wegen mit vielen Schätzen in ihre Hei-
math. Der Stadt Syrakus schenkt er die Freiheit; die Umstehenden sind zu
Thränen gerührt. Wahrscheinlicher ist die andere Nachricht, dass der Tyrann,
dem die Krankheit zuletzt die Sprache raubte, noch lebend, auf Veranlassung
des makedonischen Gesandten Oxythemis, auf den Scheiterhaufen gelegt und
verbrannt wurde (Ol. 122, 4 — 289 v. Chr.).
So starb Agathokles, ein Staatsmann und Feldherr von ungemeiner Bega-
bung , aber einer der scheusslichsten Wutheriche , die die Geschichte kennt,
ein Mensch, Caesar Borgia ähnlich. Es ist wahr, dass die Zeit, in der er lebte.
f.
Charakter des Agathokies. — LiteratuF der Agathokleiscben Zeit. 265
der EnlwickluDg solcher Charaktere gUnstig war, dass Mord und Hinterlist
unter Fürsten kaum noch Verwunderung erregten ; aber so, wie er es trieb,
hat es doch Gottlob sonst Keiner getriebaa. Uebrigens war er bei aller seiner
Grausamkeit von eigenthUmlich jovialer Natur. Dass ihm der Ärgwohn in der
Weise, wie Dionys ihn zur Schau trug, fremd war, sahen wir schon ; er war
der Mann des niederen Volkes, des Pöbels; dessen Beifall war seine Macht,
dessen Feinste und Knittel sein bester Schutz. Unter irgend einem Verwände,
anfangs unter dem der Aristokratie, beseitigte er alles, was vornehm und
reich war, und der Pöbel jubelte ihm zu. Wie es in unserm Jahrhundert nicht
weit von den Gegenden, welche Agathokies beherrschte, Fürsten gegeben hat,
die mit den geringsten ihrer Unterthanen auf der Strasse vertraulich durch die
Zeichensprache redeten, im übrigen sich aber kein Gewissen daraus machten,
die Edelsten ihres Landes eines schimpflichen Todes sterben zu lassen, so machte
Agathokies, wahrend er lausende hinschlachtete, dem syrakusanischen Pöbel
durch seine Mimik, durch Nachäffen bekannter Persönlichkeiten Unterhaltung,
und sein Ruf üls »Kunstmacher« that seinem Ruhme als Herrscher und Feld-
herr keinen Abbruch. Er liebte es mit einer Art von Ostentation an seinen
früheren Beruf als Töpfer zu erinnern ; er zeigte bei Tische auf goldene, schön
verzierte Gefässe : Solche , sagte er , habe ich durch meine Töpferkunst mir
verschafft.
Fünftes Kapitel«
Literatar der Agathoklelschen Zeit
Um den, Charakter und die Folgen der Agathokicischen Tyrannis vollstän-
dig zu übersehen , müssen wir noch fragen , w as denn in ihrem 28jährigen
Bestehen ihre Früchte auf geistigem Gebiete gewesen sind, welche Erschei-
nungen die Kulturgeschichte Siciliens für diesen Zeitraum bietet.
Das Ergebniss ist ein durchaus negatives. Die Agathokleische Tyrannis
charakterisirt sich im Gegensatz zu der der Deinomeniden , ja zu der der Dio*
nyse, durch die Abwesenheit jedes wirklich culturhistorischen Moments. Kein
Schriftsteller von Bedeutung hat sich in dieser Zeit in Sicilien aufgehalten.
Nicht etwa, weil die Insel keine bedeutenden Männer hervorgebracht hätte ;
wir werden mehrere zu nennen haben ; aber sie lebten auswärts. Die Zeit der
ersten Nachfolger Alexander's war nirgends eine friedliche, weder in Makedo-
nien, noch in Griechenland; höchstens noch in Aegypten konnte man auf ein
ruhiges Leben rechnen; aber im Vergleich mit Syrakus konnte doch jede
andere grosse Stadt, in welcher Griechisch gesprochen wurde, ein erfreulicher
Wohnsitz genannt werden. Wir haben, um das Vorzüglichere zuerst zu be-
sprechen, zunächst die damalige auswärtige Literatur Siciliens , wie wir sie
kurz nennen wollen, zu betrachten, um dann das wenige, was sich über Sy-
rakus selbst auffinden lässt, hinzuzufügen.
S(!dist«s Buch. V. UUraliir der Agalbokleisclien Zeit.
cm niuss hier Timaios der Historiker genannl wei-den. Er war
icnion gebürtig, Sohn jenes Andromacfaos, welcher TiinoleoDS
esgcnosso auf der Insel w9r. Er ist um das Jabr 356 geboren, um
ympiadc; er hat als Knabe und Jüngling Timoleon gekannt und in
al eines Staatsmannes und Feldberrn gefunden, das ihn sein gan-
lindurch begleitete. Von seinen Schicksalen ist nur wenig bekannt,
jeiner Jugend wahrscheinlich Reisen gemacht, ohne die im A'ltcr-
•schichtssch reiber, zumal wenn er so umfassende Gegenstände be-
llte, seinen Zweck unn)öglich erreichen konnte. Agathoklos vertrieb
lilien, wohl im Jahre 311 v. Chr., wo er nach dem Frieden mit
i'crschicdene Städte und Ortschaften Sicilicns sich unterwarf, und
menion unterjocht haben mag. Timaios ging nach Alben, wo er
lUntcrbrochcD zubrachte, wie er selbst gesagt hat. Ob er in seinem
noch wieder nach Sicilien, vielleicht nach Syrakus, zui-Uck gekehrt
wir nicht. Er wurde 96 Jahre alt, muss also um 260 v. Chr. ge-
3. Aus seinen Werken ergiebt sich, dass er im Jahre 26i noch
t alles , was wir von seinem Leben wissen , von seinen Schriften
nur Bruchstücke auf uns gekommen.
^osses Werk war eine Geschichte Sicilicns von der ältesten Zeit bis
i6 des ersten punisohen Krieges, bis zur Einmischung der R&mer
Ischen Angelegenheiten; es endete da, wo die Geschichte des Po-
nn. Uebcr seine Kinthcilung und die Vertheilung der vorhandenen
) in die einzelnen Bücher ist in den Anmerkungen zum 1. Bande
worden. Ausserdem schrieb er ein chranologisches Werk, in wel-
e spartanischen Ephoren nach den Königen, unter denen sie im
n, geordnei und die Gleichzeitigkeit der athenischen Archonten,
^n Herepriestorinnen und der Sieger in den olympischen Spielen
und so die Listen derselben geprüft und gesichtet hatte,
den Charakter der Geschichtsschreibung des Timaios haben wir
icht«n aus dem Alterlhuni, und dennoch ist es schwer, sich einen
I Begriff von demselben lu machen. Wenige Schriflsteller von Be-
^t es, welche selbst in ihren Werken einen so leidenschaftlichen
hre Vofgflnger und manche der von ihnen geschilderten Personen
»n haben, und Ober welche zur Vergeltung die Nachwelt so scharf
Wochen hat , als dies bei TinMios der Fall ist. Sein UauptanklVger
, der es nir iweckmttssig gehalten bat , ganze Seilen mit sdoeni
llen.
rsler Vorwurf geht darauf hinaus, dass Timaios eingesUndener-
iahre in Athen gelebt und also in dieser ganzen Zeil alter pr«kli-
ning, besonders im Kriegsteben, entfremdet worden ist. wodureh
s Polybios Meinung, der selbst Diplomat und FeMherr gewesen
mm Berufe eines Historikers durchaus anlaaglich gemacfal habe.
imaios, nac4i dem Zeugnisse der Alten, eine sirfcbe Hasse von
I in seinem Werke entwickelt, dass er sie unnrilgKcfa bloss aus
Athen geschöpft haben kann. Es ist vielmehr vorausmaetK», dass
r Tiniaios. 267
er das ZusamnieDstrdiDen von Fremden in der geistigen HauptfStadt Griechen-
lands benutzt htiben wird, um von ihnen über Gegenstände, welche sein Werk
betrafen, Aufschluss zu erhallen, und dass er Sorge getragen hat, sich durch
Freunde im Auslände in Inschriften und anderen Documenten Materialien fUr
seine Arbeit xusenden eu lassen. Nichts hindert uns ferner, ja eine Stelle
seines Werkes nöthigt uns sogar anf&unefamen , dass er vor seinem fünfKigjäh-
rigeq Aufenthalte in Athen bereits auf Reisen an Ort und Stelle einen grossen
Theii der Kenntnisse sich angeeignet hat, welche seinem Werke zur Zierde
gereichten. Wer sieht nicht ein, dass der iäjahrige Mann, der sich unter den
Geschichtsschreibern Griechenlands einen so grossen Namen machte, bereits die
Gelegenheit, wie den Wunsch gehabt haben musste, Sicilien und Grossgrie-*
chenland zu bereisen und genau zu durchforschten ; dass er ferner , wenn er
auch selbst niemals Heere befehligte^ Gelegenheit genug hatte, sich mit dem
Heerwesen grtlndlich bekannt zu macl^en ? Mit einem Worte : Timaios war
kein blosser Stubengelehrter. Sohn des Beherrschers einer griechischen Stadt,
vielleicht selbst eine Zeitlang Nachfolger seines Vaters, durch Reisen und
durch gründliche Kenntniss des Landes, dessen Geschichte er schreiben wollte,
vorgebildet, hat er später sich ganz und gar der Abfassung seines grossen
Werkes hingegeben und allerdings dabei auf das Ausfeilen der Form eine
ganz besondere Sorgfalt verwandt.
Der zweite Vorwurf, welcher dem Timaios gemacht wird, gehl darauf
hinaus, dass er in der Zusammenstellung dos Stoffes unkritisch verfahren sei.
£r häufte in den -alten Geschichten eine solche Masse albern erscheinender
Fabeln , dass er davon den Beinamen Graosyllektria , altes sammelndes Weib,
d. h. Sammler von Altweibei*klatsch , erhielt. Wenn wir von der Voraus-
setzung ausgehen dürfen, dass Tin^ios absurde Fabeln nicht deshalb erzählte,
weil er selbst sie glaubte, so finden wir nur eine Erklärung für sein Verfah-
ren, die nämlich, dass er lieber die alten Sagen in ihrer naiven, dem gebiide-
len Griechen der Diadochenzeit lächerlich erscheinenden Einfachheit vortragen,
als sie historisch oder philosophisch deuten wollte, uud dass ihm, gerade wie
uns jetzt, eine Sammlung alter Ueberlieferungen, wo mdglich aus dem Munde
aller Frauen , ein nicht zu verachtendes Element kulturhistorischer Kenntniss
erschien. So hatte er eine besondere Sorgfalt darauf verwandt, die Gründungs-
geschichte der in seinem Werke vorkommenden Städte mdglichst ausführlidi
zu erzählen, und wir kennen den Verlust dieses von Polybios mit einigem
Hohne besprochenen Theiles nur bedauern.
Es sind dem Timaios aber auch von Polybios Unrichtigkeiten im einzelnen
nachgewiesen worden. Wir werden glauben müssen, dass er manche wirklich
begangen hat, aber welchem SchriftsteUer lassen sich nicht Irrthümer nach-
weisen? lieber eiiiige vorgebliche Ungenauigkeiten des Timaios habe ich in
den Anmerkungen zum ersten Bande gesprochen; dass er durchgängig un-
genau war, dafür fehlt uns jeder Anhalt.
Ein dritter Vorwurf dagegen, welche dem Timaios den Namen Epiti-
maios, der Tadler, zugezogen hat, schdnt nur allzu begründet. Er wussle in
der Beurtheiluog historischer Charaktere, besonders von Gelehrten und Schrift-
stellern, sich nicht auf einen unbefangenen Standpunkt zu stellen , und legte
V
268 Sechstes Buch. V. Literatur ^ler Agathokleuschen Zeit.
bisweilen deu moratischeo Massstab am unpassenden Orte an. Wenn er z. B.
den Homer deswegen als Schlemmer bezeichnen zu können glaubte ,- weil in
seinen Gedichten Mahlzeiten so oft vorkämen , so ist das ein albernes Unheil,
und so scheint er auch Zeitgenossen , wie Aristoteles und Theophrastos, in
kleinlicher Weise bekrittelt zu haben. Ob er in seinem Tadel des Agaihokles
zu Weit gegangen ist, können wir nicht mehr entscheiden. EigenthOmlich follt
sein Tadel des KallisChenes auf, den er als Schmeichler des Alexander brand-
markte , wHhrend er in der gewöhnlichen Auflassung gerade als Opfer seiner
Preimüthigkeit erscheint; hier spricht denn freilich alles dafOr, dass er den
Charakter des Kallisthencs zu ungünstig aufgefasst hat. — Mit dem Lobe,
welches Timaios über historische Persönlichkeiten ausgesprochen hat, kann
man unbedingter übereinstimmen, als mit seinem Tadel. Am aufiallendsten
ist wohl das von ihm dem Alkibiades gespendete Lob; Demosthenes^ Freiheits-
bestrobungen haben bei Timaios die gebührende Anerkennung gefunden, und
wie recht er mit seinem Preise des Timoleon hatte, bedarf jetzt keiner Begrün-
dung mehr.
üeber seinen Stil war das Alterthum in seinem Urtheil nicht einig. Spä-
tere griechische Kritiker fanden ihn häufig frostig, nach Neuem und Auffallen-
dem haschend und dadurch nicht selten sogar albern. Cicero dagegen schützte
ihn auch als Stilisten ; ihm erschien Timaios als einer der Meister der asiati-
schen Diction unter den Historikern: fliessend, scharfsinnig und geistreich.
Cicero uitheilt nachsichtig , vom Standpunkt des Rednei*s aus, der, wenn der
Contrast, den der Schriftsteller ihm bietet, nur witzig ist und in die Augen
füllt, gern verzeiht, dass er gesucht ist; von einem andern Standpunkte aus
könnte das, was Cicero lobte, geradezu unpassend gefunden werden. Es ist
uns ein Citat aus Timaios erhalten, welches das Gesagte erläutert. Timaios
erzählte, dass in derselben Nacht, in welcher Alexander geboren wurde, der
Tempel der Diana zu Ephesos verbrannte, und fügt hinzu, es sei kein Wun-
der, dass Diana bei der Geburt Alexander^s habe gegenwärtig sein wollen,
imd dass sie deshalb ihren Tempel verlassen habe. Das nennt Cicero zieriicb,
geistreich gesagt; ob für ein ernstes Greschichtswerk passend, ist eine andere
Frage. Aehnliches, theils Besseres, theils Schlechteres, ist uns auch sonst noch
aus Timaios erhalten, so dass wir von seiner Darstellungsweise auch in dieser
Beziehung uns einen Begriff machen können. So erzählte er . dass Euripides
an demselben Tage gestorben sei, an welchem Dionys Tyrann geworden, und
fügt hinzu, das Geschick habe an demselben Tage den Nachbildncr tragischer
Leidenschaften von der Bühne entfernt und den Mann, der selber eine so
tragische Rolle gespielt, auf die Bühne des Lebens geführt. Dies ist nicht übel,
was sollen wir aber sagen , wenn uns Timaios ernsthaft darauf aufmerksam
inadit, dass die Athener zur Strafe für ihren Hennenfrevel von Hermokrates
besiegt worden seien, dass sie, weil Nikias, der seinen Namen von der Sieges-
göttin Nike trug, dem Unternehmen widersprach, es nicht hätten beginnen
sollen, und andere frostige und geradezu kindische Vergleiche macht, die wir
nicht einmal ganz verstehen können. Dagegen liest sich wiederum die Bemer-
kung trotz des Tadels, den Longin darüber ausspricht, ganz gut, dass Alexan-
der weniger Zeit gebraucht habe , Asien zu erobern, als IsokrateS; um seine
Timaios Dikaiarchos. 269
panegyrische Rede über die Eroberung Asiens zu schreiben. Wir glauben uns
nicbl zu irren , wenn wir in solcher Schreibweise etwas Modernes hindurch-
schinimern sehen.
Während nun Timaios in eigenen Reflexionen sich geistreich, ja gesucht
geistreich zeigt und so durch das Gesuchte dem Albernen in bedenklicher
Weise nahe kommt, scheint er in den nach allem Gebrauch« in sein Werk ein-
geflochtenen Reden durch weitlüußge Darstellung alibekannter Dinge ebenfalls
nicht, selten Albernheiten gesagt zu haben. So wenn er Timoleon in einer
Anrede an seine Soldaten vor der Schlacht sagen lässt : Da die Erde in drei
Theiie zerßtUt, von denen der eine Asien; der zweite Libyen, der drille Europa
genannt wird , odor wenn er llermokrates im Friedenscongresse zu Gela statt
einer Rede eine Abhandlung über die Vorzüge des Friedens vor dem Kriege,
mit eingeflochtenen langen Citaten aus Homer und EuripideS vortragen lasst.
Doch dabei füllt viel dem Zeitgeschmack zur Last ; auch in der Neuzeit hat es
Epochen gegeben , wo man ebenso geschmacklos redete, wie Timaios hier den
llermokrales reden lässt.
Wenn aus dem Besprochenen hervorgeht, dass der Geschichtsschreibung
des Timaios manche Mängel anhafteten , die seine rhetorische Bildung genü-
gend erklärt, so ist um so mehr hervorzuheben, dass seine Sorgfalt in geogra-
phischen Dingen und in der Herbetschafliing von urkundlichem Material ihn
als Foi*scher sehr hocli stellt. Wenn er nach der Ansicht mancher zu viel Fa-
beln in sein Werk aufnahm, so hat er dagegen in der Darstellung der histori^
sehen Zeiten Kritik zu üben wohl verstanden, und er hat hier manches früher
als wahr angenommene in das Bereich der Fabeln zu verweisen gesucht; nicht
immer mit Beistimmung des Alterthums. Wir haben darüber im ersten Bande
gesprochen und müssen hier darauf verweisen. ^
Der zweite bedeutende Schriftsteller aus der Zeit des Agathokles, den Si-
cilien hervorbrachte , ist Dikaiarchos aus Messana. Er wai* der Sohn des
Phidias und gehörte dem messenisch-dorischen Theiie der Bevölkerung dieser
Stadt an. Das beweisen seine engen Beziehungen zum Peloponnes und zu
Sparta, wogegen er den Westen nicht aus eigener Anschauung kannte. Denn
im Peloponnes brachte er den grdssten Tbeil seines Lebens zu, und für Sparta
.schrieb er eins seiner Werke. Doch lebte er in seiner Jugend in Athen und
war ein Schüler des Aristoteles. Dennoch wird er unter denen genannt,
welche Aristoteles angegriffen haben ; wir können dies nur auf einen tief-
gehenden Unterschied in den philosophischen Lebren beider beziehen, der
indess nicht hinderte, dass Dikaiarchos im Alterlhum als einer der bedeutend-
sten Peripateliker betrachtet wurde. Genauere chronologische Bestimmungen
über ihn fehlen ; er mag ungefiihr von 360 bis 290 v. Chr. gelebt haben. Er
war Philosoph, Historiker und Geograph. Als Philosoph trat er der von Theo-
phrast der aristotelischen Lehre von der Glückseligkeit gegebenen Auslegung,
wonach ein bloss beschauliches , der wissenschaftlichen Forschung hauptsäch-
lich zugewandtes Leben das wünschenwertheste wäre, entgegen und legte
auf die praktische Wirksamkeit den grössten Nachdruck ; vor allem aber zeigte
er sich darin als Naturalist oder Materialist, dass er die Existenz der Seele als
eines vom Körper trennbaren Wesens Ittugnele. Er schrieb ein Buch über die
Scchslps Buch. V. l.ilerelur der Agalhoklcisulicn Zeil.
welche^ in xwel Thcile zerfiel, von denen jeder nadi Platoniscbem oder
iitteischem Muster ausgeai'beitele Dialt^e enUiillt. Ein Tbeil, wekfaer
inlbiscbe belitelt war, weil das Gespräch in Korintli geruhrl wurde,
e den Nachweis, dass die Seele nur der Kürper selber sei oder die
IS lebendigen KUrpers ; ein anderer, der Lesbische — der Dialog spielle
ene — «enthielt besonders die Lehre, dass die Seele vergänglicb sei,
in (reiifcb aus dem im korinthisohen Dialoge Auseinandergesetilen von
ich ergab. Jedes dieser zwei Werke zerfiel in drei Bücher. Es isl uns
sonders tlberliefei'l, dass DiLaiarch die Seele für die Harmonie der vier
chen Elemente — des Feuchten und Trocknen, Warmen und Kalten, —
liabe, worin er mit seinem Mitschüler, dem berühmten Huaiker Ari-
i aus Tarent, Übereinstimmte.
1 besonderes Werk wird das vom Untergänge der Hcuscben gewesMi
> welchem Dikaiarcbos die verschiedenen Veranlassungen deis gleicb-
Untorgangs grosser Hensohenmassen : Flutheu, Seuchen, Hungersnolh,
le Thiere, endlich Kripf^e aufzahlte und nachwies, dass durcfa die letz-
tIsD durch die Menschen selbst , ttei weitem mehr Menschenleben ver-
worden seien , als durch andere Naturkräfte. Kr verbreitete sich
tich über die Weissagekunst, ob dies aber in dem Werke Über die
mit deren Auflaseuni^ die l.elire von der Mantik jeilenfalls im Zusam-
ge stand, oder in einem l>eaoBdern Werke, oder In dem gleich su
pndcn Buche über das Hinabsteigen in die Hbhle des Trophonios fie-
lst, bleibt un^wiss. Dikaifirchns glaubte, obwohl er es für l>e8ser
ie Zukunft nicht zu wissen, an Weissagungen, aber nur an solche aus
n oder Begeisterung, weil nur bei begeisterten Sehern oder Schlafen-
Seele ganz frei sei; wie sich dies und die Annahme einer besonderen
;n Einwirkung auf die Seele mit seiner materialistischen Grundansichl
selben vertrügt, bleibt uns unklar. Man darf hier vielleicht ebenso wie
*hce von der Harmonie der Elemente eine Anlehnung an seinen Lands-
^nipedokles finden. In der Schrift Über das Orakel des Trt^onlo-s
tadelnde Betrachtungen über den Luxus der GriecheTi, vielhjjcht mit
ng auf das Üppige Lehen der Priesl«r des Trophonios vor. Eine eigen-
be Bemerkut\g, welche aus diesem Werke erwithnt wird, verdient hier
iilt zu werden. Der Philosoph hat nümtich die in neuerer Zeil so hfiulig
nland zum glänzendsten Vorzug von Geographen und Historikern an-
ete EigenthUmlicbkcil, dass es durchaus ein Küstenland ist und das
tief in dasselbe hineingreift, mit Bedauern vermerkt, 'weil durch Fisch-
d Handel dlrect und indirect den Menschen so viele Reizmittel zum
;u Theil würden. Wir werden biet' unwillkürlich an die lieimatb des
ihen, Sicilien, erinnert, wo, wie wir wissen, der Fischfang so vieKs
, was als Leckerbissen auf den Tafeln der Reichen prangte , wo ein
ässerer Luxus herrachte als im eigentlichen Griechenland — wenigstens
n's y.rilen — und woher Dikaiarcbos also eine Bestiltigung der schon
ton aufgestellten Ansicht lll>er die Schudlichkeit der Lage am Meere
n konnte.
i Geoftraph hat Dikalnrchos sieh durch Höbenmessungen verdient |H>-
Dikaiarchos. 271
macht, welche er, wie Plinius sagt, im Auftrage der Könige unternommen hat.
Diese Messungen erstreckten sich unter andern auch auf den Pelion und viel-
leicht auch auf die Insel Rhodos ; über die Höhen der Berge des Peloponnes
schrieb er eine besondere Arbeit, die ein Theil eines grösseren Werkes über
Berghöhen überhaupt gewesen sein wird. Ferner scheint er Landkarten ent-
worfen zu haben und zu deren Erläuterung ein geographisches Werk von
allgemeinem Inhalte, welches als »Wanderung um die Erde« bezeichnet wird.
Wir können seine geographischen Ansichten hier nicht genauer auseinander-
setzen, und erwähnen nur, dnss er sich von den Säulen des Herakles eine
gerade Linie durch Sai^dinien, Sicilien, den Peloponnes, Karien, Lycien, Pam-
phylien, Cilicien und den Taurus gezogen dachte und nun die beiden so ge-
wonnenen Theile der Erde als den nördlichen und südlichen bezeichnet. Ohne
Zweifel nahm er auf dieser Linie die grösste Ausdehnung der bewohnten Erde
an, welche er für um die Hälfte länger [al? breit erklärte, während ihm die
Erde selbst für eine Kugd galt. Grössere prosaische Fragmente — 3 an der
Zahl — und eine metrische Beschreibung Griechenlands , welche Dikaiarcbas
zugeschrieben worden sind, gehören ihm nicht an ; sondern das Gedicht, wie
Lehrs gesehen hat, Dionys, dem Sohne Kalliphon's, die prosaischen Fragmente
einem gewissen Herakleides. »
Von historischen Schriften des Dikaiarchos werden uns Lebensbeschrei-
bungen genannt; er hat biographische Nachrichten über die sieben Weisen,
über Pythagoras und Piaton geschrieben. Welcher Art seine homerischen Stu-
dien waren, und wieviel von dem, was einem Dikaiarchos über Homer zuge-
schrieben wird , unserm Dikaiarchos gehört, ist nicht zu entscheiden. Ueber
Alkaios schrieb er, vielleicht als Begleitung einer Ausgal)e des Dichters. Er
verfasste eine Uebersicht des Inhalts der sopbokleischen und euripideischen
Stücke , und auch auf Arislophanes hat sich seine Thätigkeit erstreckt. - Er
schrieb ferner Werke über die Wettkämpfe und feierlichen Spiele der Grie-
chen , so über die olympischen , über die panathenäischen , über die dionysi-
schen und die musischen Wettkämpfe überhaupt.
Historisch -geographischen Inhalts muss ein Hauptwerk des Dikaiarchos
f^ewesen sein, welchem man indess nicht eine Menge anderer Schriften ein-
ordnen darf, wie öfter geschehen ist: »Das Leben Griechenlands« in drei
Büchern. Leider ist uns über die Eintheilung des Inhaltes nichts aus. dem
Alterthum überliefert. Man hat vermuthet, das erste Buch habe die Geographie
Griechentands, das zweite die Staatsalterthümer, das dritte die gottesdienst-
lichen und Privatalterthümer enthalten, während nach andern im ersten Buche
die älteren Zustände Griechenlands bis zum Perserkriege, im zweiten das
freie Griechenland bis zur Schlacht bei Ghaironeia , im dritten die Gegenwart
und die Zeit Alexander's geschildert war. Die aus diesem Werke erhaltenen
Fragmente beziehen sich meistens auf die ältere Zeit; es sind darunter auch
Nachrichten über auswärtige Begebenheiten — über Aegyptisches und Babylo-
nisches. Ein Citat aus einer Schrift über das Opfer in Ilion wird von einigen
auch auf das Werk über das Leben Griechenlands bezogen.
Politischen Inhalts war der Tripolitikos, der nach der wahrscheinlichsten
Annahme eine Auseinandersetzung über die nach der Ansicht des Philosophen
272 Sechstes Buch. V. Literatur der Agathokleischen Zeit.
beste Staatsverfassung enthielt, welche eine Mischung aus Monarchie, Aristo-
kratie und Demokratie war, eine Gattung, welche in späterer Zeit bisweilen
niil dem Ausdrucke »die dikaiarchische Verfassung« belegt wurde. Das Ideal
einer Verfassung schien dem Dikaiarchos am meisten in Sparta erreicht, über
dessen Syssitien sich in seinem Tripolitikos eine längere Auseinandersetzuniz
fand. Die Darstellung der spartanischen Verfassung durch Dikaiarch, vielleicht
ein besonderes kleines Werk, war nach der Ansicht der Spartaner selbst so
wohl gelungen, dass es eine Zeitlang in Sparta gebräuchlich war, diese Ab-
handlung jährlich einmal zur Belehrung der Jünglinge öffentlich voriesen ru
lassen. Ausserdem wissen wir aus Cicero, der Dikaiarchos sehr schätzte und
häufig zu Ralhe zog (man hat vermuthet, dass der Tripolitikos nicht ohne Ein-
fluss auf die ciceronische Schrift de gloria gewesen ist], dass er die athenische,
die korinthische und die pcllenäische Verfassung in besonderen Abhandlungen
dargestellt hat.
Der dritte bedeutende Schriftsteller dieser Zeit ist Euhemeros. Wir
halten ihn für einen Sicilier aus Messana, wie dies auch die gewöhnliche An-
nahme ist, während er sonst auch für einen Tegealen , einen Koer, endlich
einen Akragantiner gilt. Von seinem Leben wissen wir nur, dass er mit dem
Könige Kassander von Makedonien befreundet war und von ihm in Geschäften
nach Asien gesandt wurde ; denn an diese Reise knüpfte er selbst die angeb-
liche Entdeckung, deren Darstellung ihn berühmt machte. Er schrieb nämlich
ein Werk, »die heilige Urkunde«, in welchem die gesammte griechische Göl-
lergeschichte als auf der Erde vorgefallen dargestellt und also der hellenischen
Religion der Nimbus des Göttlichen genommen wurde. Eusebios berichtet
nach Anleitung Dipdor's, der in seinem verlorenen sechsten Buche von Euhe-
meros gehandelt hatte, über ihn und sein Werk, und wir geben im Folgenden
einen Auszug davon, wobei wir jedoch aus dem fünften Buche Diodor'S Einiges
aus der dort befindlichen Schilderung der von Euhemeros besuchten Insel
hinzunehmen. Als Freund und im Auftrage des Königs Kassander war er
auch in den südlichen (indischen] Ocean gefahren. Nach mehrtägiger Fahrt
von Arabien aus kam er zu einigen Inseln , von denen eine die heilige hiess,
auf der kein Todter begraben werden durfte. Diese Insel bringt nur Weih-
rauch und Myrrhen und andere wohlriechende Substanzen hervor, in solcher
Masse, dass die ganze Erde damit versehen werden kann. Die Einwohner
brauchen die Früchte dieser Bäume und Sträucher als Speise und Trank. Sie
heissen Panchaier und bewohnen auch eine 30 Stadien weiter nach Osten ge-
legene grössere Insel, welche Panchaia heisst, vereint mit eingewanderten
Okeaniten, Indem, Skythen und Kretern. Hier liegt eine merkwürdige Sladl,
Namens Panara, deren Bewohner Schützlinge des triphylischen Zeus genannt
werden und von keinem Könige beherrscht sind. Der Tempel des triphylischen
Zeus liegt 60 Stadien von der Stadt in einer schönen mit Cypressen, Platanen,
Lorbeer, Myrthen und anderen Bäumen bewachsenen und von Gewässern
durchzogenen Ebene ; da sind buntfarbige Wiesen und Gärten, in denen sich
Nuss- und Palmbäume befinden und Rebengewinde von Baum zu Baum sich
hinziehen und bunte Vögel singen. Der Tempel selbst ist aus weissem Mar-
mor gebaut, 900 Fuss lang und von verhällnissmUssiger Breite. Grosse und
Euhemeros. 273
starke Säulen, künstliche Sculpturen und prächtige Götterbilder zieren ihn.
Um den Tempel wohnen die Dienejr. An den Tempel schliesst sich eine Renn-
bahn, 4 Stadien lang und 4 00 Fuss breit, an beiden Seiten mit ehernen Bild-
säulen geschmückt. Die ganze Ebene gehört 200 Stadien weit mit dem ganzen
Ertrage den Gottheiten. Dann folgt ein Berg , welcher der Sessel des Uranos
oder der triphylische Olympos genannt wird. Es soll nämlich in alter Zeit
Uranos, als er über die Erde herrschte, gerne von hier aus den Himmel und
die Sterne betrachtet haben, und der Ort wurde der triphylische Olymp
genannt, weil die Bewohner drei Völkern angehörten, den Panchaiern, den
Okeaniten uud den Doiern , welche später von Ammon nach Zerstörung ihrer
Städte Doia und Asterusia vertrieben wurden. Jährlich wird auf diesem Berge
von den Priestern geopfert. Das übrige Land der Insel Panchaia ist sehr
fruchtbar, besonders an Wein, und reich an Thieren, wie Elephanten, Löwen,
Panthern. Es sind drei Städte da: Hyrakia, Dalis und Okeanis^ und drei
Stände der Bewohner : zuerst Priester und Künstler, dann Landbauern, end-
lich Soldaten und Hirten. Die Priester haben die Regierung. Der Ertrag des
Landbaus und der Viehzucht wird an die Priester abgeliefert, welche ihn
gleichmässig vertheilen , selbst aber das Doppelte bekommen. Nur Haus und
Garten sind Privateigenthum. Pracht und Schmuck sind sehr verbreitet, nicht
nur unter den Frauen, sondern auch bei den Männern. Die Priester behaup-
ten, dass sie aus Kreta abstammen und einst von Zeus nach Panchaia geführt
worden sind, und als Beweis führen sie die Sprache an, welche noch manche
kretische Ausdrücke bewahrt, sowie Urkunden, die Zeus selbst, als er noch
unter den Menschen wandelte, aufgeschrieben hat. Aus Gold und Silber,
welches auf der Insel gewonnen wird, aber nicht ausgeführt werden darf,
sind Pflichtige Weihgeschenke von Alters her im Tempel aufgehäuft, dessen
Thüren mit edlem MetaHe, Elfenbein und Sandelholz geziert sind. Von gedie-
genem Golde ist das Ruhebett des Gottes, 6 Ellen lang und 4 Ellen breit,
und ähnlich ist der vor dem Bette stehende Tisch. Daneben erhebt sich eine
grosse goldene Säule , auf welcher in Hieroglyphen (panchaische Schrift, wie
Diodor bei Eusebios sagt) die Thaten des Uranos , Kronos und Zeus und die
späteren des Apollo und der Artemis von Hermes aufgezeichnet worden sind.
Hiemach war zuerst Uranos König , ein milder und wohlthätiger und in der
Sternkunde bewanderter Mann, weicher auch zuerst den himmlischen Göttern
opferte und deshalb Uranos genannt wurde. Er hatte von seiner Gattin Hestia
zwei Söhne, Titan und Kronos, und zwei Töchter, Rhea und Demeter. Kronos
folgte seinem Vater in der Herrschaft, vermählte sich mit Rhea und hatte Zeus,
Hera und Poseidon zu Kindern. Dann regierte Zeus, der von der Hera die Ku-
reten, von der Demeter die Persephone und von der Themis die Athene zu Kin-
dern hatte. Zeus zog naöh Babylon , wo er mit Belus Freundschaft schloss ;
dann kam er nach Panchaia und errichtete hier seinem Gross vater Uranos einen
Altar. Von hier zog e^durch Syrien zu dem Herrscher Kasios , von dem der
Berg Kasios seinen Namen hat, und dann besiegte er in Kilikien den Fürsten
Kilix. Auch zog er noch weiter umher und wurde überall, wohin er kam, als
Gott geehrt. — Es werden anderswo noch Details aus der heiligen Urkunde des
Euhemeiros angeführt, welche beweisen, dass der Schriftsteller die gesammte
Holm, Gesch. Sieiliens. II. . IS
Sechstes Buch. V. Lileratur der Agalhokleischeo Zeit.
;he Mythologie bebandelte und dabei sehr in das EinEelne einging, wie
z. B. den Kadmos, angeblich nnch der Behauptung der Sidonier selbst,
Koch und die Harmonia fUr die Flölenspiderin des_ Königs von Sidon
, welche mit einander davon gelaufen uSren.
dem Werke des Euhcmeros isl zweierlei merkwürdig: die geogra-
Einkleidung und der mythologische Inhalt. Jene ist natürlich eine
die aber mit Berücksichtigung der durch Alexanders KriegsiUge
der betteniscben Well erschlossenen indischen Natur sehr geschickt
;n ist, und die ausserdem noch als Schilderung einer socialistisch ge-
1 Volksgcmeinde ihr InleroBse hat. Noch . wichtiger isl jedoch der
gische Inhalt, welcher im Allerlhum weniger Aufsehen eiregte, aber
ie Aufmerksamkeit, welche die Kirchenvater ihm schenkten, seitdem
sse Berühmtheit erlangt bat. Im Allerlhum blieb das Werk des Euhe-
llerdings nicht unbeachtet: Ennius tibertrug es sogar in's Lateinische
chle.es so den Römern bekannt; aber fur Euhemei'os selbst scheint
lie eine Folge gehabt zu haben, dass man ihn für einen Golteslaugner
Die Kirchenvüler dagegen fanden in dem Werke des Euhemeros
illkommenen Beleg ihrer Behauptung, dass die heidnischen Götter nur
nwei'k gewesen seien. Euhemeros, seihst ein Heide, hatte nicht etwa
ch Vermuthungen, sondern auf authentische Urkunden geslQlil, nach—
n , dass die Gölter nichts als Menschen waren ; er hatte den Ort urtd
ihrer Geburt und ihres Todes, ihre ehelichen Verbindungen, ihre
aus Documenten derselben Zeit ans Licht gebracht; wie konnte nun
I Zweifel an der Nicbtigkeit des ganzen Heidenthums obwalten? Dies
;fae lateresse verlor Euhemeros mit der Befestigung desChristenthums:
enschaftliche Begründung der mythologisdien Studien erhob ihn aber
irer einer HaupLrichlung in der Erklärung de» Mythologie und nannte
chtung den Euhemerismus.
n bat daraus, dass Euhemeros im Alterthum mit dem Cyrenaiker
OS, der ebenfalls als Atheist galt, zusammengestellt worden ist, den
gezogen, er möge ebenfalls, vielleicht als Schüler des Theodoros, An-
der Arislippi sehen Lehre gewesen sein und in derselben- eine wissen-
he Bpgrtlndung seines Atheismus gefunden haben. Das ist möglicfa,
) ist aus dem, was wir von der Schrift des Euhemeros wissen, nicht
len, ob er wirklich ein Atheist und zwar im Sinne des Theodoros ge-
st. Ja, es ist uns der Gegensatz, in weichem er zu den gewöhnlichen
von den Göttern gestanden haben soll, nicht ganz klar. Es ist gewiss,
n Werk nicht bloss die angeblichen Documenle von der fabelhaften
nchaia enthielt , sondern auch Nachrichten , welche er in anderen Ge-
aus dem Hunde der Priester oder des Volkes gesammelt zu haben
Es fragt sich nun , ob wir alle die so vielfach im Alterthum vorkom-
Sagen, welche die Regierung von Göttern ,»uf der Erde berichten,
I Bewusstsein des Volkes streichen und dem Euhemeros oder anderen
iben zuschreiben wollen; ob wir z. B. uns entschliessen können, die
n dem goldenen Zeilulter unter der Herrschaft des Salumus, die Sage
Wiege und dem Grabe des Zeus auf Kreta u. a. mehr, für die ab-
Euhemeros. 275
sicbllicbe Erfiodung von Philosophen zu erklären. Wenn das unmöglich
geschehen kann, wenn wir vielmehr annehmen müssen, dass das Volk selbst,
ohne von. Philosophen dazu veranlasst zu sein, auf den Gedanken kommen
konnte, es habe eine Zeit gegeben, wo die Götler auf der Erde wandelten, so
können wir weder sagen , dass Euhemeros Urheber der Behauptung gewesen
ist, dass die Götter Menschen waren , noch auch , dass in dieser Behauptung,
die er nach andern aufgestellt haben wird , etwas Irreligiöses gelegen habe.
Nur so erklärt sich, was sonst unerklärlich wäre, weshalb Euhemeros mit
seinem Wei^e im heidnischen Alterthum so gar wenig Aufsehen machte.
Wenn aber die Aufstellung der angeblichen Thatsache, dass die Götter als
Menschen auf der Erde lebten und starben, nicht eben neu erscheinen konnte,
so rousste es allerdings einigermassen ungewöhnlich erscheinen, wenn Jemand
versuchen wollte, den Ursprung der Göttlichkeit gewisser Menschen auf blossen
Betrug zurückzuführen. Das könnte man in einer Stelle des Sextus Empiricus
linden, worin es als Behauptung des Euhemeros heisst, dass, als die Menschen
noch roh und ungebildet waren, die kräftigeren und verständigeren unter
ihnen , die sich zu Herren der übrigen aufwarfen, sich eine übermenschliche
und göttliche Kraft andichteten und deshalb von der Menge für Götter gehalten
wurden. Aus anderen Nachrichten, bei Lactantius, geht jedoch hervor, dass
Euhemeros keineswegs Gewalt und Betrug, sondern vielmehr Tugenden,
Wohlthaten und besondere Erfindungen als die Veranlassung betrachtete,
weshalb Menschen zu Göttern erhoben worden seien. In wie weit Euhemeros
mit diesem Satze einer im Volke schon vorhandenen Ueberzeugung Ausdruck
verlieben habe, können wir nicht sagen. Und wenn Euhemeros sagte (s. oben
S. 273), dass Uranos zuerst den himmlischen Göttern geopfert habe, so ist er
ja nicht einmal ein Atheist gewesen.
Wir haben also das Werk des Euhemeros nur als ein interessantes Pro-
duct seiner Zeit anzusehen. Die Griechen begannen den naiven Glauben ihrer
Vorfahren aufzugeben , der überhaupt für ein Volk nicht mehr passen wollte,
in welchem Philosophen wie Sokrates, Plato und Aristoteles aufgetreten waren
und Forscher aller Art eine gründliche Bildung verbreitet hatten. Die Zeit war
gekommen , eine Revision der Mythologie anzustellen. In dem Vaterlande des
Euhemeros hatte ein Dionys gezeigt , dass man ungestraft die Götter lästern
und verspotten könne. Euhemeros unternahm es nachzuweisen, wie viel in
den Sagen des Volkes und den Lehren der Priester selbst für den mensch-
lichen Ursprung der Mythologie spreche , aber er beging den Fehler , in sein
Werk von ihm selbst erfundene Fabeln einzustreuen, so dass Gegner ihn
geradezu als einen Lügner bezeichnen konnten. Und wir haben Spuren,
die uns berechtigen , noch weit mehr Fictionen in seinem Werke anzuneh-
men, als nur die mit Panchaia in Verbindung gebrachten. Sollte nicht Dio-
dor, der Panchaia ohne Angabe seiner Quelle im 5. Buche beschreibt, auch
bei den mythologischen ganz in demselben Sinne abgefassten Nachrichten,
welche angeblich von den AÜantiern am Ocean herstammen, den Angaben des
Euhemeros gefolgt sein? Denn, wer hat sonst von dem frommen und meu-
schenfreundlichen Volke der Atlantier gehört? Dies würde überdies einen
wichtigen Schluss auf das Werk selbst gestalten. Die Genealogien der Allan-
18»
Sechstes Buch. V. Literatur der Agsthok leise beii Zeil.
der Pancbaier stimmen nicht Uberein. Wcdd Euheioeros si^ aber
tublte, fUr die Richtigkeit welcher von beiden staod er dann eiot
fUr keine. Er theilte nur mit , was er gebitrt xu haben litehaupiete,
auch unter sich nicht Übereinstimmte; ein Verfahren, das jedenfalls
l war, da es den Verdacht einer absichtlichen Fälschung en^emte.
können nach allem Gesagten nicht daran zweifeln, dass Eubemeros
isster Gegner der Mythologie auftrat, und dass er die Schwachen der
ben Religion nachweisen wollte. Er hat also allerdings dem Christen- -
[gearbeitet; nur mtlssen wir nicht glauben, dass er seinen Zeilge-
twas neues und tlberrascbendes sagte. .
Syrakusaner ist endlich vielleicht noch der berllhmle Philemon,
Under der neueren Komödie, den freilich Slrabon fUr einen Kili-
Soli erklärt. Er erscheint seit Ol. Hi — 33i v. Chr. in Athen; es
I also nicht Agathokles , aber wohl die Wirren nach Timoleon's Tode
ien vertrieben. Er ist in hohem Alter Ol. <29, 3 — 260 v. Chr. ge-
Es wurden ihm 97 Dramen zugeschrieben , von denen wir noch 57
nnen. Es wii'd ihm von Demetrios Pbalereus im Gegensatz zu sei—
benbubler Menander, der die abgebrochenen kuncen Satze lieble,
fUr zusammenhangende Perioden beigelegt. Wir würden hierin
siliscben Charakterzug erkennen, da wir wissen, wie sehr das Bheto-
m Sikeliolen im Blute steckte. Er stand dem Menander in der Cha-
ik der Personen nach und scheint mehr Gewicht auf die Intrigue
1 haben, woraus sich denn auch wohl .der grössere Beifall erklart, den
ilgenossen ihm im Vergleiche mit Menander spendeten , der von der
t höher gestellt wurde. Es würde nichts nützen, die Titel der Stücke
ilcn, von deren Inhalt wir doch nichts wissen, nur vom »Kaufmanoo
1 »Schalzu können wir uns durch die Nachbildung des Plautus einen
nachen.
ser auswärtigen Literatur Siciliens , welche wir, wenn es sich nicht
am die agalbokleische Zeit handelte, noch durch die Namen einiger
;n Dichter : Achaios aus Syrakus, Sosiphanes aus Syrakus, des Ulteslen
berühmten alexandrinischen Pleias, der 73 Stucke schrieb und sieben-
;te, und die einiger komischen Dichter, wie ApoUodoros aus Gela und
i aus Sicilieu vermehren könnten, stehen als Schriftslelier, die unter
les in Sicilien wirkten, nur der schon genannte Bruder des Agathokles,
orikerAntandros, der Historiker KaJIias und der Parodie ndichl er Boiotos
ler. Man sieht, dass, abgesehen von parteiisch gefärbter Geschicht-
ing, nur die niedrigsten Dichtungsgattungen unter einem Agathokles
1 konnten. Und auch den Boiutos vertrieb der Tyrann zOletzt. Der
er Athanas scheint schon vor der Zeit des Agathokles gelebt zu haben.
IS bedeuten nun einige Kunstwerke, welche Agathokles in Syrakus
Es waren auf der Inäel das grosse Haus, UexekonUklinos, von den 60
n, die es enthielt, genannt, das, weil es die Tempel der Götter an
iberlraf, durch einen Blitzstrahl zu Grunde ging und die ThUrme am
Hafen , welche in andersfarbigen Steinen den Namen des Agathcddes
Wir wissen ausserdem , dass er eine von ihm gewonnene Schlacht
Pyrrhos in Siciiien. 277
hat abbilden und das Bild im Tempel der Athene aufhängen lassen. In der
Stempelscbneidekunst steht die Agathokleische Zeit schon nicht mehr auf der
Höhe der Dionysischen; doch hat sie noch Schönes geleistet, einige Köpfe haben
einen an moderne Kunst erinnernden pathetischen Ausdruck : ein SeitenstUck
zu dem modernen Charakter des Timaios.
Sechstes Kapitel.
Pyrrhos in Sieilien.
Die Freiheit, die kurz vor seinem Tode Agathokles dem Volke von Syrakus
geschenkt haben soll, wusste es nicht zu benutzen. Das erste, wozu es schritt,
war, dass es die Güter des Tyrannen einzog und vertheilen Hess und die Bild*
Säulen , die er sich hatte errichten lassen, umstürzte. Natürlich wurden die
Anhänger, Kreaturen und Söldner des Tyrannen verbannt. Mainon fühlte sich
in Syrakus nicht sicher und floh zu Archagathos, dem einzigen in Siciiien noch
übrigen Mitgliede der Familie des Agathokles , seinem Mitverschworenen, und
da er den Agathokles gemordet hatte, kostete es ihn keine Gewissensbisse,
auch den Archagathos aus dem Wege zu r&umen. Er hatte bei seinem Herrn
und Meister nicht ohne Nutzen einige Jahre als Vertrauter gelebt, es gelang
ihm, das Heer, welches Archagathos geführt hatte, zu gewinnen, und nun
rückte er gegen Syrakus, um dort selbst an die Stelle des Agathokles zu treten.
Die Syrakusaner aber wählten Hiketas zum Feldherrn, einen Mann, von dessen
früherem Leben uns nichts bekannt ist. Dieser widerstand mit dem Bürger-
heer so gut und so geschickt dem Mainon, dass dieser seinen Zweck verfehlte.
Aber er versetzte durch die Herbeirufung der Karthager die Stadt in die
grösste Verlegenheit, und Syrakus musste sich endlich zu einem schimpflichen
Vertrage entschliessen, durch den alle Verbannten, also besonders die Söldner
des Agathokles , wieder zurückkehrten. Die Karthager Hessen sich als Pfand
der Treue von den Syrakusanern 400 Geiseln stellen. Was aus Mainon wurde,
wissen wir nicht; dass er seinen Zweck auch jetzt nicht erreichte, ist gewiss.
Denn Sjrakus zeigte sich jetzt dadurch als rechte freie Stadt, dass in seinen
Mauern Parteistreitigkeiten und zwar der heftigsten Art ausbrachen, die ganz
denselben Charakter hatten , wie die Kämpfe 200 Jahre früher nach der Ver-
treibung des Thrasybulos. Gerade wie damals fühlten sich die Neubürger, die
ehemaligen Söldner, bei den Wahlen zurückgesetzt und traten gegen die Alt-
bürger in Waffen, und die Stadt war in zwei feindliche Lager getheilt, deren
Kampf schreckliches Unheil über sie bringen musste. Aeltere, erfahrene Leute
vermittelten , wussten die Söldner zu überzeugen , dass sie doch nie den Sieg
würden davon tragen können, und bewogen sie, gegen die Erlaubniss, ihre
Besitzungen in der Stadt und im Gebiete verkaufen zu dürfen, sich zum Ab-
züge zu verstehen. Sie versprachen, die Insel zu verlassen und nach Italien,
SechHies Buch. VI. Pyrrhoi in SiciEien.
"'". stammten, surUcl^zukehreD. Als sie aber his Hessana gekommen
i'o die Bürger sie unvorsichtig genug aufnahmen, in der Absicht, sie
1 nehmen und sich ihrer gegen ihre Feinde lu bedienen, gefiel ihnen
und ihre Lage so sehr, dass sie das Beispiel ihrer Landsleule in
ndder Samier, die vor mehr als 200 Jahren sich. gewaltsam des alten
!machligt hatten (Bd. I S. (99], nachahmten und sich, mit Beseitigung
ilichen Einwohner, in den Besitz der Stadt und der Weiber seuten
einlich 288 v. Chr.). Sie nannten die Stadt Hamertine und sich selbst
er, von Hamers, dem heimischen, osiiischen Namen des Kriegsgottes
se Mamertiner sind es, die bald das folgenschwerste Ereigniss der sici-
sschicht«, den üebergsng der Bsmer nach Sicilien, veranlassen sollten.
Macht der Mamertiner breitete sich bald ungemein aus. Sie unter-
ich eiaen Tbeil der NordkUste, machten sich durch passend angelegte
nn gutes Stttck des Inneren — bis nach Kentorlpa hin -^— zinsbar und
ten den Rest des östlichen Siciliens als einen guten Stoff fUr Raub-
: sie bis an die SudkUste ausdehnten. Dass sie dabei mit bedeutender
iftraten , beweist der CmsUind , dass sie sogar Kamarina und Gela
a.
h in Syrakus hatte die Freiheit bald ein Ende ; BikeUs machla sich zum
1 und behauptete die Tyrannis nenn Jahre, 288 — 279 v. Chr. Tm die-
t erhoben sich aber auch in andern sicilischen Städten Tyrannen, He-
in Leonlini, Tyndarion in Tauromenion und Phintias in Akrag&s, von
:r letztere der bedeutendste war. Phintias gründete sich ein nicht on-
des Reich im westlichen Sicilien und gerieth als der Mächtigste in diesen
1 mit Biketas in Conflict : es handelte sich wieder einmal, wie schon so
len Vorrang zwischen Syrakus undAkragas. In einer am Hyblaios gelie-
ihlacht äegte Hiketas. Phintias war indass dadurch nicht vemichlet;
;heiDt, schutilen ihn die Karthager, die immer noch eine bedeutende
in Sicilien einnahmen. Es gab also um diese Zeit vier Machte auf der
iragas unter Phintias, die Mamertiner, die Karthager und Syrakun unter
Letzterer wagte es , sich mit den Karthagern zu messen , unterlag
Flusse Terias. Die günstigen ZettumsUlnde wusste Phintias zu einer
ung seiner Macht nach Osten zu benutzen. Gela war zerstört, und er
den heimatblosen Einwohnern eine neue Stadt, die seinen Namen
Vachwelt bringen sollte. Er baute die Stadl Phintias da, wo jetzt
Igt, rechts von der MUndang des HimeraQusses (Salso), auf dem durch
inken des Phalaris berühmten schSnen Berge Eknomos. Phintias nahm
s die Statte des heuligen Licata ein , erstreckte sich aber noch weiter
is das oberhalb gelegene Fort S. Angelo mit umfasst haben, wo In-
gefunden worden sind, die, da sie von den Geloem reden, zu vielen
inen über den Namen der Stadt geführt haben. Man meinte, dass
Inschriften nur in Gela gefunden werden könnten. Aber es lässt
eisen, dass Gela weiter östlich lag, und die Erklärung jener auffol-
"hatsache liegt darin , dass die Einwohner von Phintias den Namen <
aibehiclten, ungefähr wie sich die Thermitaner auch bisweilen Hime-
nten.
^ Pbintias. Pyrrhos. 279
Phintias machte sich durch Grausamkeit verhasst, und die meisten der
abhangigen Städte empörten sich gegen seine Besatzungen und vertrieben sie^
wozu die Stadt Agyrion das Beispiel gabi Zuletzt regierte er milder. Am be-
rühmtesten ist von ihm die Sage, dass er im Traume den ihm bevorstehenden
Tod gesehen habe, wie er auf der Jagd von einem Eber niedergeworfen und
durchbohrt sterben werde, daher stamme der Eber agf seinen Münzen. Man
sieht, dass die Geschichte erfunden ist, um diese MUnzen zu erklären, un-
geßihr wie es jetzt eine Menge Sagen giebt, welche zur Erklärung von seltsa-
men Wappen erfunden worden sind.
In Syrakus war inzwischen Hiketas nach neunjähriger Regierung von
Thoinon, dem Sohne des Mameus, vertrieben worden, aber dieser hatte die
Herrschaft über die Stadt nicht aliein erlangt, sondern sie mit Sosistratos
theilen müssen. Denn dem Sosistratos war es gelungen , Acbradina und die
übrigen Theile der Stadt mit Ausnahme von Ortygia, in seine Gewalt zu be-
kommen, und so gehorchte dem Thoinon nur die Insel. Die beiden Herrscher
befehdeten sich, ohne sich gegenseitig viel Schaden thun zu können, da wur-
den sie beide von einem Mächtigeren angegriffen, dem sie auch vereint schwer-
lich gewachsen waren. Es waren die Karthager, die sich wieder einmal zur
Eroberung von Syrlikus anschickten , die so oft versucht , noch nie gelungen
war. Sie liefen mit 100 Schiffen in den grossen Hafen ein und umlagerten die
Stadt mit einem Heere von 50,000 Mann. Syrakus befand sich in vollkommen
derselben Lage , wie vor etwa 60 Jahren, als Timoleon kam und die Stadt
und Sicilien rettete. Diesmal gab es kein freies Griechenland mehr, an das
man sich hätte wenden können, aber es gab einen berühmten Fürsten, der
schon italische Griechen in seinen Schutz genommen hatte, und von dem für
Sicilien das beste zu erwarten stand. Es vvar Pyrrhos, der Molosserkönig, dem
wir schon als Schwiegersohn des Agathokles begegnet sind.
Ihn hatte Tarent zu Hülfe gerufen, das diesmal nicht gegen Lukaner, son-
dern gegen Rom selbst Hülfe brauchte. Rom schritt langsam aber sicher auf
der Bahn der Eroberung Italiens vorwärts. Die Völkerschaften, welche ein
Intlresse dabei hatten, sich zu einigen, um nicht gesondert in der Römer Ge-
walt zu gelangen^ konnten die Einigung nicht zur rechten Zeit bewerkstelligen
und wurden nach einander unterworfen. Die Römer besetzten Thurii und
kamen so den Tarentinern auf eine bedenkliche Weise nahe. Wenn diese mit
Aussiebt auf Erfolg Krieg mit den Römern hätten führen wollen, so hätten sie
ihn früher beginnen müssen, und wir sahen, dass sie im Jahre 320 v. Chr.
nahe genug daran waren; ein jetzt begonnener Kampf konnte nur ein Kampf
der Verzweiflung werden. Es war auch nicht die ruhige Ueberlegung, es war
die plötzliche Aufwallung des Unwillens, welche den Kampf unternahm. Eine
römische Flotte erschien vor Tarent, während doch nach einem alten Verlrage
östlich vom lakinischen Vorgebirge keine römischen Kriegsschiffe sich blicken
lassen durften. Das im Theater versammelte Volk , noch aufgeregt von der
Einnahme Thurii's, warf sich blitzschnell über die Flotte, die es in Tarent's
Gewässern nicht dulden wollte, und eroberte sie. Der römische Befehlshaber
fiel; die Gefangenen wurden als Seeräuber behandelt. Wenn die Römer auch
durch ihre Anwesenheit vor Tarent ohne Zweifel einen Vertrag gebrochen
280 Sechstes Bach. VI. Pyrrhos in Sicilien.
hatten, so handelte doch das tarentische Volk zugleich unbiUig und unver-
nünftig. Die Strafe konnte nicht ausbleiben; wie sollte man sie abwenden?
Als nun sogar die römischen Gesandten vom tarentinischen Pöbel beschimpft
worden waren und nun der Krieg begann , da warf man sich Pyrrhos in die
Arme, der gleich zu Anfang aus seinen Absichten in Italien wenig Hehl machte.
Er versprach freilich, dort nicht länger zu bleiben, als nöthigsei, aberVer
sollte ihm über die Nothwendigkeit Vorschriften machen? Das Recht, Be-
satzung in Tarent zu legen, bedang er sich aus.
Im Jahre 284 v. Chr., 473 nach der Gründung der Stadt Rom, landete
die Vorhut des PjTrhos^ im folgenden Jahre der König selbst mit einem zahl-
reichen Heere, das grösstentheils aus seinen treuen Epiroten und apdern kräf-
tigen Stämmen bestand, über 30,000 Mann zuFuss, 3000 Reitern und 20
Elephnnten. Der Kampf zwischen dem glänzendsten Feldherm seiner Zeit,
dem Adler, dem zweiten Alexander, wie man den Molosserkönig nannte, und
dem kräftigen Bürgerheer der Römer begann. Das erste gewaltige Auftreten
des Königs Pyrrhos kann in Sicilien kein anderes Gefühl als das der Besorgniss
hervorgerufen haben, wenn überhaupt die bedenkliche Lage der inneren An-
gelegenheiten einen Gedanken an das ferner Liegende aufkommen Hess. Eine
andere Stadt wenigstens wurde durch die Ankunft des Pyrrhos bestimmt, sich
schleunig den Römern zu überliefern , aber durch ein schreckliches Unglück
für diesen Entschluss bestraft. Wir meinen Rhegion , das aus Furcht vor den
die Stadt bedrohenden Gefahren — die Karthager beherrschten das Meer, und
Pyrrhos schien Italien bewältigen zu wollen — die Römer um Schutz bat.
Rom schickte eine Legion — 4000 Kampaner unter der Anführung des Decius
lubellius, die nach kurzer Zeit das Beispiel ihrer Landsleute in Messana nach-
ahmten, die Bürger von Rhegion Iheils ermordeten, theils vertrieben und sich
in Besitz der Stadt setzten. Decius selbst musste freilich aus Rhegion nach
Messana fliehen , da seine eigenen Leute über seine Ungerechtigkeit bei der
Vertheilung der Beute Klage erhoben , und er litt hier eine schwere Busse
für seine Unthat, indem ein Arzt, den er bei einer Augenkrankheit zu Rathe
zog, ihn durch seine Salbe blendete. Aber Rhegion war doch eine Zeitlang in
den Händen der Kampaner, die, wenn sie im Besitz einer Flotte gewesen
wären, mit ihren beiden Häfen Messana und Rhegion eine imponirende Stel-
lung hätten einnehmen können. So begnügten sie sich damit, die umliegen-
den Gegenden zu verheeren ; sie machten in Kroton die römische Besatzung
nieder und zei*störten Kaulonia.
Die Kampaner in Rhegion waren vor der Strafe, die ihnen von Rom
drohte, und die nicht ausbleiben konnte, wenn Rom's Name nicht geschändet
sein sollte, so lange sicher, als die Römer durch Pyrrhos beschäftigt waren.
Dieser besiegte bei Herakleia den römischen Gonsul Laevinus, besonders durch
seine Elephanten, mit denen die Römer noch nicht zu kämpfen verstanden,
und gewann Lukanien den Römern ab, welche nach Apulien sich zurückziehen
mussten. Pyrrhos hatte aber durch die Schlacht bei Herakleia gelernt, dass
die Römer nichtieicht zu überwinden seien ; er wünschte fürs erste Frieden,
um die grossen Pläne, mit denen er umging, und die auf nichts geringeres als
die Gründung eines westlichen, dem Alexanders des Grossen entsprechenden
Pyrrhos in Italien. 281
Reiches gerichtet waren , nach einer andern Seite hin , nclmlich in Sicilien,
verwirklicheo zu können. Ihm gehorchten bereits' alle südlichen grossgriechi-
sehen Städte, mit einziger Ausnahme von Rhegion; wenn die sicilischen
Griechen ebenfalls ihm unterworfen waren, konnte er sich rtlhmen, ein Reich
zu besitzen, durch das er angesehener dastand als Dionys oder Agathokles
selbst in ihren letzten Jahren, und'das seinem kampfbegierigen Sinne HUlfs- *
mittel zu immer grösseren Unternehmungen zeigte. Aber die Anstrengungen
seines Gesandten Kineas scheiterten an dem Patriotismus , den der alle blinde
Appius Claudius dem römischen Senate einzuhauchen wusste. Pyrrhos rückte
bis nach Latium hinein, ohne den Muth der Römer brechen und die^Treue der
Bundesgenossen schwächen zu können. Im nächsten Jahre, 279 v. Chr. —
475 der Stadt, siegte er bei seinem Einfall in Apulien noch einmal bei Ascu-
lum , aber es war ein schwer errungener und ganz unfruchtbarer Sieg. Er
nahm seine Winterquartiere, wie nach der ersten Schlacht, in Tarent, unzu-
frieden mit der Rolle, die er in Italien mit unfähigen Bundesgenossen den
Römern gegenüber spielte , sehnsüchtig nach Abwechselung in seiner^Thätig-
keit trachtend. Da kamen Boten aus Syrakus, von.Thoinon wie von Sosistratos,
und auch wohl von angesehenen Männern aus der Bürgerschaft, PjTrhos möge
kommen und Syrakus retten, sonst falle es den Karthagern ; in die Hände.
Pyrrhos war von Anfang an wohl geneigt, den Wünschen der Syrakusaner zu
entsprechen, und es hinderte ihn nur das Gefühl, dass er doch nicht unver-
richteter Sache aus Italien abziehen könne; aber die Botschaften wurden im-
mer häufiger, immer dringender: mussten nicht die italischen Griechen selbst
einsehen, dass die Rettung ihrer Brüder in Syrakus keinen Aufschub litt?
Pyrrhos entschloss sich dazu, den Zug zu unternehmen.
Den Karthagern kam ein Angriff des Pyrrhos nicht unerwartet, obwohl sie
demselben doch keineswegs gewachsen waren. Ein Bündniss, das sie soeben
geschlossen hatten, konnte ihnen wenig nützen: das mit den Römern. Es
scheint, dass es nach der Schlacht bei Asculum geschlossen worden ist, doch
war im Jahre vorher, als Pyrrhos bis nach Lalium vorrückte, der karthagische
Feldherr Magon mit einer Flotte von 120 Segeln bei Ostia erschienen, angeblich
um den Römern Karthago's Hülfe anzubieten, die sie jedoch ablehnten, und es
könnte sein, dass Magon schon damals den Vertrag abgeschlossen hätte, worauf
er dann mit seiner Flotte zur Belagerung von Syrakus abgefahren wäre. Die
Bedingungen des Vertrages waren , wenn einer der beiden Theile ein Bünd-
niss mit Pyrrhos schliesse, so solle dies nur geschehen mit Zuziehung des an-
dern, damit man sich gegenseitig im Falle eines Krieges helfen könne; wenn
einer der beiden Staaten die Hülfe des andern nöthig habe, so solle Karthago
die Schiffe zur Hin- und Rückfahrt stellen, jeder Staat aber selbst für den
Unterhalt seiner eigenen Truppen sorgen ; die Karthager sollten den Römern
auch zur See Hülfe leisten, wenn es nöthig wäre, alsdann aber die Bemannung
nicht gehalten sein, gegen ihren Willen am Lande zu kämpfen. Es war nicht
der erste Vertrag, den Rom mit Karthago schloss, wohl aber der erste, der
über einen blossen Handelsvertrag hinausging. Er war das Resultat nicht des
Vertrauens , wie es Verträge sein sollten , sondern gegenseitigen Misstrauens.
Jeder von beiden Staaten fürchtete, dass der andere dem Pyrrhos gegen ihn
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Sechstes Bocfa. VI. Pvrrhos in Sicilien.
beistehen möchte und suchte das zu verhindern. Deshalb hat denn auch der
Vertrag nur die negative Folge gehabt, dassPjxrhos zuerst gegen die Römer und
dann gegen die Karthager allein und ohne Bundesgenossen gekämpft hat; dem
bedrohten Theile beizustehen, daran dachten die Karthager sicheriicfa nicht im
Emst^und die Römer gar nicht. Was sollten auch karthagische Halfstrappen
in Italien gegen Pvrrhos ausriQhten, und warum hätten die Römer nicht froh
sein sollen, wenn Pvrrhos Italien verliess, um die Karthager in Sicilien heim-
zusuchen?
Nur ein ganz kleiner Versuch der Cooperation zwischen den beiden Völ-
kern , die mit ihrer Feindschaft bald fast alle Ktlstenländer des Mittelmeeres
erfüllen sollten, wurde gemacht und ohne sichtlichen Erfolg. Es musste den
Karthagern daran liegen, die Heerenge zu bewadien und den Uebergang des
Pyrrhos nach Sicilien zu verhindern ; die Römer dagegen wollten um jeden
Preis Rhegion erobern, um die Kampaner zu bestrafen. Die Karthager nahmen
500 römische Soldaten auf ihre Schiffe und halfen so bei der Belagemng von
Rhegion von der Wasserseite, aber die Stadt wurde nicht erobert; es gelang
nur, eine Hasse Schiffsbanholz der Rheginer zu zerstören, und auch die Be-
wachung der Heerenge erwies sich als nutzlos.
Denn Pyrrhos hatte das Glück , gerade wie Timoleon , in dem Herrscher
von Tauromenion einen Freund und Bundesgenossen zu finden , der ihm ge-
stattete, mit Vermeidung der Meerenge gleich nach diesem südlicher gelegenen
Hafen zu steueHi. Pyrrhos fuhr mit seinem Heer und seinen Elephanten von
Tarent nach Lokri und setzte von da nach Tauromenion über (278 v. Chr.), wo
er seine Truppen ausruhen liess und von Tyndarion Verstärkungen mitnahm.
Von da ging es zu Schiff nach Katane, das ihn glänzend empfing und mit golde-
nen Kränzen den Befreier schmückte. Nun zog das Heer zu Lande w*eiter nach
Syrakus; die Flotte begleitete es, zur Seeschlacht gerfistet. Der Name des
Pyrrhos, des Siegers über die Römer, that Wunder. Die Karthager fanden,
dass sie zur Unzeit 30 Schiffe von ihrer Belagerungsflolte abgeschidit hatten,
und dass sie mit den Übrigen Schiffen der Flotte des Pyrrhos, die etwa 60 Segel
zählte , nicht mehr gewachsen seien ; sie entfernten sich mit Flotte und Heer
und Hessen Pyrrhos einen triumphirenden Einzug in d«is schnell befreite Sy-
rakus halten. Thoinon übergab ihm die Insel , Sosistratos die übrige Stadt.
PntHios gebot jetzt über eine bedeutende Hacht, seine Flotte zählte bald im
Ganzen 200 Segel. Aber mit der Befreiung von Syrakus war nur ein kleiner
Theil der Pläne des Pyrrhos angeführt, es galt, die Karthager überhaupt von
Sicilien zu vertreiben ^ und die sicilischen Griechen wirkten gerne nach Mass-
gabe ihrer Kräfte dazu mit.
Eine bedeutende Hülfe leistete Herakleides, der Tyrann von Leonlini, der
sein Gebiet dem Pyrrhos unterwarf und seine Truppen ihm zur Veritigung
stellte, 1000 Mann zu Fuss und 500 Reiter. Aehnliche Beitrittserklärungen
kamen auch von andern Seiten, und so konnte Pyrrhos bald zu seiner Espedi-
tion nach Westen aufbrechen.
Von besonderer Wichtigkeit war der Besitz von Akragas. Sosistratos be-
machtisite sich desselben und 36 kleinerer Städte des westlichen Siciliens, und
so erwuchs dem Heere des Pyrrhos eine Vei^rössening von 8000 Mann zu
Pyrrhos vor Lilybeion. 283
Fuss unä 800 Reitern. Pyrrhos verweilte eine Zeitlang in Akragas , um die
Belagerungsmaschinen zu erwarten, die ihpi, wahrscheinlich zur See , nach-
geschickt wurden, und rückte dann in das eigentliche karthagische Gebiet; er
hatte ein Heer von 30,000 Mann zu Fuss und 1500 Reitern, sowie einige Ele-
phanten. Zuerst bemächtigte er sich Herakleia^s, wo eine karthagische Be-
satzung lag, dann der sonst unbekannten Stadt Azones. Hierauf schlössen sich
Selinus, Halikyai und Egesta ihm an. Eryx hatte eine starke karthagische
Besatzung, welche sich zum Widerstand entscbloss. Hier zeigte Pyrrhos sich
als den geschicktesten Feldherm und tapfersten Soldaten zugleich. Die Mauern
wurden mit allen Mitteln, welche die Belagerungskunst darbot, berannt, und als
ein Sturm möglich geworden war, da leitete ihn Pyrrhos selbst, mit glänzen-
der Rüstung angethan. Er hatte vorher dem Herakles ein Kampfspiel und ein
grosses Opfer gelobt, wenn er sich bei dieser Gelegenheit mit des Gettes Hülfe
als einen würdigen Nachkommen der Aeakiden und des Achilleus zeigte. Dem
kräftigen Anstüi*men des Königs und der ihn stets begleitenden Freundesschaar-
wich die karthagische Besatzung. £r hielt das dem Herakles geleistete Ge-
lübde. Nach Eryx kam die Reihe an laitia, das sich ihm freiwillig unterwarf,
und an Panormos, das ef* bestürmte und eroberte. Auch der bei Panormos gele-
gene Berg Heirkte (M^^ Pellegrioo) mit seinem festen Schlosse fiel in seine Hände.
Nun war die ganze Insel von der Herrschaft der Karthager befreit, nur in
Liljbaion hielten sie sich noch. Lilybaion war aber aufs trefflichste befestigt;
der Zugang von der Landseite war schon von Natur leicht zu vertheidigen, jetzt
hatten die Karthager dort noch einen breiten Graben gezogen und feste Thttrme
gebaut. Geschütz und Maschinen zur Yertheidigung der Mauern befand sich
reichlich in der Stadt, die eine sehr zahlreiche Besatzung hatte und mit Le-
bensmitteln wohi versehen war. Pyrrhos mochte wohl zögern, diese Stadt an-
zugreifen.
Befand er sich doch sonst in einer beneidenswerthen Stellung auf der
Insel I Neben ihm nur noch in Lilybaion die Karthager und in Messana die
Mamertiner — denen er, wahrscheinlich durch seine Feldherren, alle Erobe-
rungen entrissen und ihre im Lande umherziehenden Steuereinnehmer getödtet
hatte — im übrigen er allein der Beherrscher der Insel.
Dass er Lilyi)aion nicht ohne grosse Anstrengung und nur nach gewalti-
gen Vorbereitungen nehmen konnte, war klar. Die Zeit, welche darüber ver-
ging, alles zur Belagerung in Stand zu setzen, benutzten die Karthager, um
Unterhandlungen mit ihm anzuknüpfen. Sie verlangten, Lilybaion behalten zu
dürfen ; auf alles übrige in Sicilien wollten sie gerne verzichten ; sie wollten
auch Geld dem Könige zahlen und ihm Schiffe stellen. Sie wollten also dazu
behülflich sein , dass Pyrrhos wieder über ihre Bundesgenossen , die Römer,
herfiel, wenn sie nur selbst vor ihm sicher waren ; denn nur gegen die Römer
konnte er die karthagischen Schiffe benutzen. Es heisst, dass er selbst geneigt
war, das Anerbieten der Karthager anzunehmen, dass aber seine Freunde und
besonders die Vertreter der Griechenstädle in seinem Rathe darauf drangen,
dass er den Karthagern nicht die Festung auf der Insel lassen solle, welche sie
in Stand setzen musste, auch das übrige Gebiet bei gelegener Zeit mit Leich-
tigkeit wieder zu erobern. Es war klar, dass die Karthager nichts verloren
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284
Sechstes Buch. VI. Pyrrhos in Sieilien.
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hatten, wenn Lilybaion ihnen blieb, und wenn ein Feldherr, wie Pyrrhos.
diese Ueberiegung nicht gleich selbst anstellte, so kann ihn nur das Gefühl
dazu veranlasst haben, dass man in Italien auf seine Rückkehr warte, dass er
seinen dortigen Bundesgenossen noch viel zu leisten schuldig sei, und dass die
Römer, je länger er entfernt bleibe, desto mehr Terrain wieder gewinnen
müssten. Wirklich konnte der Consul Fabricius am Ende des Jahres, in wel-
chem Pyrrhos nach SiciIien gegangen war, über Lukaner, Bruttier, Tarentiner
triumphiren; die Römer gewannen selbst die Stadt Herakleia und damit einen
festen Punkt am tarentinischen Golfe , welcher die Verbindung TarenCs mit
seinen westlichen Bundesgenossen wesentlich erschweren musste. War es zu
verwundern , wenn sich des Pyrrhos eine gewisse Ungeduld bemächtigte und
er gern nach einem ehrenvollen Frieden mit Karthago sich mit verstärkten
Kräften wieder auf Rom geworfen hätte? Wäre aber dann die Stimmung der
sicilischei) Griechen dieselbe geblieben ? Würden sie sich nicht alsbald von
dem Manne, der ihre hochfliegenden Erwartungen nicht befriedigte, abgewandt
haben? Die Rücksicht auf Sieilien nöthigte. Pyrrhos, die Anträge der Karthager
abzulehnen, und nun musste die Belagerung von Lilybaion versucht werden.
Er gab den Karthagern zur Antwort , von Freundschaft mit ihnen könne nur
dann die Rede sein, wenn sie Sieilien ganz aufgäben, und lagerte mit seinem
Heere vor Lilybaion. Ein Sturm nach dem andern ward unternommen und
abgeschlagen; die Anstalten der Karthager erwiesen sich als so gewaltig, dass
die Mauern kaum die ganze Masse der Maschinen , welche Geschosse aller Art
schleuderten, fassen konnten. Die ausSyrakus berbeigeschafiften Belagerungs-
werkzeuge reichten nicht aus, und Pyrrhos musste während der Belagerung
neue machen lassen. Aber alle Anstrengung war vergebens; die Karthager
wiesen alle Angriffe zurück. Pyrrhos dachte nun die Mauern untergraben und
so stürzen zu können ; aber sie wurzelten auf hartem Fels, in den nicht einzu-
dringen war. Er gab die Belagerung auf, nachdem sie zwei Monate gedauert
hatte.
Was sollte er nun beginnen ? Dasselbe, so sagte er sich, was Agathokles
gethan hatte : den Krieg nach Afrika hinübertragen. Dort überwunden, musste
Karthago Lilybaion und mehr noch aufgeben. Aber Agathokles hatte keine
Seemacht gehabt, und das war sein Unglück gewesen ; ohne Seemacht konnte
Karthago wohl besiegt, nie überwunden werden. Pyrrhos musste, wenn er
nicht als Abenteurer, sondern als König und Feldherr nach Afrika übersetzen
wollte, nothwendig eine ansehnliche Flotte besitzen. Nun hatte er wohl Schiffe
in hinlänglicher Zahl , aber es fehlte an Bemannung. Diese konnte nur von
den sicilischen Griechen gestellt werden , und Pyrrhos forderte sie. Aber es
verging Tag um Tag und Woche um Woche, und die Flotte wurde nicht fertig.
Es fing bei den Griechen Siciliens der Umschwung in der Stimmung gegen
Pyrrhos an. Er hatte in kürzester Zeit mehr gethan , als irgend einer ihrer
einheimischen Helden, als Gelon oder Dionys; aber weil er so viel gethan
hatte, bildeten sie sich ein, er könne das Unmögliche thun, und wurden uo-
wiilig, da er es nicht that. Er war ja auch ein Fremder, der leicht bei ihnen
Anstoss geben konnte, der herrschen wollte, und dem sie nur so lange gut-
willig gehorchten, als er in der Siegeslaufbahn vorwärts schritt. Nun war.es
Rückkehr des P^Trhos nach Italico. '285
nölhig zu rüsten, und gewaltig zu rüsten. Das erforderte 'Zeil und wollte klug
geleitet sein. Pyrrhos aber hatte das Gefühl, als ob er gedrängt würde, so
schnell wie möglich das zu thun, was noch übrig war. Die Unruhe , die ihn
quälte wegen des unvollendet gelassenen Werkes in Italien, die ihn zum Frie-
den mit Karthago geneigt gemacht hatte , kehrte mit erneuerter Kraft wieder,
als der Angriff auf Lilybaion ohne Erfolg geblieben war, und bewirkte, dass er
die Vorbereitungen zum Zuge nach Afrika mit einer lieberhaften Hast betrieb.
Sein Charakter schien sich verändert zu haben. Sonst freundlich und mild,
war er nun gebieterisch und hart; das lässige Wesen sollte den Sikelioten
ausgetrieben werden. £r erreichte aber nur das Gegentheil dessen, was er
beabsichtigte. Aus Unmuth wurde bei den Sikelioten Abneigung, und als nun
Pyrrhos mit Gewalt seinen Willen durchsetzen zu können glaubte und überall
durch die von ihm eingesetzten Stadtcommandanten Zwang üben Hess, da
brachte die seinem Charakter gemäss mehr mit leidenschaftlicher Heftigkeit
und stossweise als mit systematischer Berechnung angewandte Gewalt nur
Trotz und offene Feindschaft hervor, und es war um seinen £inÜuss geschehen.
Von seinen zwei ersten Freunden auf der Insel fiel der eine, Sosistratos, von
ihm ab, und den andern, Thoinon, Hess er tödten. Das war gebandelt nach
Tyrnnnenart, und als ein Tyrann galt er hinfort den SikeHoten, die von ihm
abfielen, wenn sie Irgend konnten, theils zu den Mamertinem, theils zu den
Karthagern. Seine Pläne waren als gescheitert zu betrachten ; wenn er etwas
erobern wollte , so wäre es jetzt das griechische Sicilieh gewesen. Da war
doch seine Stellung in Italien noch besser; dahin kehrte er z.urück, von den
dortigen Bundesgenossen, die von den Römern mehr und mehr bedrängt
wurden, inxmer dringender eingeladen (276 v. Chr.). Er überliess Sicilien sich
selbst ; er verliess es, sagt Plutarch, wie man sich von einem auf dem Meere vom
Sturme umhergetriebenen Schiffe an^s Ufer rettet. Bei seinem letzten Blicke
auf die Insel soll er ausgerufen haben: Welch] einen Kampfplatz, o Freunde,
lassen wir den Römern und Karthagern I Seine Prophezeiung sollte bald in
Erfüllung gehen.
Die Laufbahn des Pyrrhos auf Sicilien ist mit einem Meteor zu vergleichen,
das durch sein Licht in Erstaunen setzt, aber nach kurzem Leuchten ver-
schwindet. Er vereinigte die Sikelioten, besiegte die Karthager, wurde in sei-
nem Siegeslaufe aufgehalten und musstedie Insel wieder verlassen. Die Kartha-
ger konnte er besiegen, aber die Sikelioten, deren er zur völligen Ueberwindung
der Karthager bedurfte, entzogen sich ihm. Er, den man an Charakter, Tapfer-
keit und Feldhermblick mit dem makedonischen Alexander vergleichen durfte,
konnte doch den Karthagern gegenüber nicht die Rolle Alexander^s in Asien
spielen. Die Verhältnisse waren allerdings in mehrfacher Beziehung ungün-
stiger. Zunächst botEpirus, wenn seine Männer auch tapfer waren, doch
nicht die militärischen Hülfsmittel, wie das grössere Makedonien. Sodann
hatte Alexander die bereits durch seinen Vater gedemüthigten Griechen mehr
in seiner Hand , als Pyrrhos die Italioten und Sikelioten. Endlich hatte der
makedonische König keine Mittelstufen zu überschreiten, um nach Asien zu
gelangen, während Pyrrhos nach Afrika nur von Sicilien, nach Sicilien aber
nur von Italien kommen konnte. So war es denn auch nicht zu verwundern,
^^F"-'
les Ducb. VII. Hieron II. bis iS4 v. Cbr. Die palttlsche Ent^ickcluog SidiieDS.
Epirolen nicht die lieber wyltigUDg des mächtigen Karthago, nicht
Vertreibung der Karthager aus Sicilien gelang.
;r Berufung des Pyrrhos und deui Fehlschlagen seines Unternehmens
uch die UUlfe , welche die siciliscben Griechen aus der hellenischen
n konnten, erschöpft. Von dem freien Griechenland war man aa(
sches KtiDigthum gewiesen worden; nach der Erschöpfung jenes
lern sich der glänzendste der helleniscben Pursten als unfäiiig, die
1 lösen, gezeigt hatte, musslen die sicilischen Griechen sich wieder
jenen Kräfte verlassen, um den Karthagern zu widerstehen. Aber
;e Kmfte überhaupt noch vorhanden? Nachdem Timoleou die Syra-
retlet hatte, war Agathokles, ein einheimischer FUrst, mächtig ge-
iurch Pyrrhns befreit, konnte Syrakus ohne Zweifel noch einen
^Uhrer hervorbringen und eine Zeitlang selbständig bleiben. Aber
ht aller Wahrscheinlichkeit nach die Krankheit, welche schon zwei
Fremden Arzt nötbig gemacht hatl«, sum dritten Male noch heftiger
ren, und wer konnte dann einen tödtlichen Ausgang verhindern,
in zu den Karthagern noch ein zweiter Feind gegen Sicilien auftrat,
;rin des Pyrrhos, Rom?
Siebeutes Kapitel.
:. biB 361 T. Chr. Rückblick aof die politisehe Entwiekrimig
Slclliens.
t'iThos Sicilien verlassen balle und die Staaten der.Insel, von der
den durch ihn gedemfllhigten Karthagern befreit, sich wieder mit
'en Angelegenheiten beschäftigen konnten , brachen in Syrakus die
jgkeiten wieder aus, diesmal zwischen Heer und Stadt. Wir wissen
welchen Ursachen, doch ist möglich, dass die demokratischen An-
Heere kraftiger ausgebildet waren, während in der Stadt die (di-
oder aristokratische Partei des L'ebergewichl hatte. Das Heer stand
le oder vielmehr Morgantion , wie mit Recht vermulhet wird. Es
it den aus Syrakus kommenden Befehlen unzufrieden, sich eigene
Artemidoros und Hieran. Dass damals in Syrakus, wie man aus
i des Plautus geschlossen hat, ein Liparon die Gentilt hatte, so dass
Hieron und Artcmidor gewählt worden wären, ist nicht glaublich,
den Namen Liparon für einen erfundenen zu halten, der mit Hierou
gestellt ist, nach dessen Analogie ihn der Erfinder bildete. Denn wie
n Lipara herzuleiten ist, so erinnert Hieron an Hiera. Beides sind
1 liparischen Inseln. Die vom empörten Heere erwählten FeldheireD,
Hieron der beliebtere und bedeutendei'e war, dem Artemidoros nur
Hteron Feldherr von Syrakus. 287
Deigegeben zu sein scheint , wie eins^ Megakles dem J)ion , kamen mit ihren
Truppen durch Verrath in die Stadt und wurden der Gegenpartei Herr. Yon
jetzt an trat Hieron allein in den Vordergrund (275 v. Chr.).
Der künftige Herrscher von Syrakus verdankt die hohe Stellung , die er
noch jung einnahm, einzig und allein seinen Talenten und setner Thätigkeit.
Natürlich wurde ihm , da er den Namen Hieron führte , später eine erlauchte
Abkunft zugeschrieben. Er sollte von dem alten Gelon abstammen, eine Nach-
richt, die sich übrigens nur ganz vereinzelt im Alterthum ßndet. Sein Vater
hiess Hierokles, ein Mann, der durchaus nicht zu den Angeseheneren in Syra-
kus gehört zu haben scheint. Ueber die «Jugend Hieron's wird mancherlei
Wunderbares erzählt: Geschichten^ die immer in irgend einem Punkte den
von andern berühmten Männern erzählten ähnlich sehen. Er war der Sohn
einer Magd, und sem Vater Hess ihn aussetzen — wir erinnern uns an die
Kindheit des Agathokles — dann aber erkannte er ihn an und widmete sich
mit vieler Liebe seiner Erziehung; an dem einsamen Orte, an welchem er
hülflos, dem Hungertode bestimmt, gelegen hatte, hatten ihn Bienen mit ihrem
Honig ernährt, und der Vater hatte dies als ein Zeichen göttlicher Huld für
den Knaben aufgenommen. Als er in der Schule sass, entriss ihm ein Wolf
das Buch und lief mit demselben davon — wir haben die Geschichte schon
vollständiger: das Schulhaus stürzt ein, und der durch den Wolf gerettete Knabe
ist der einzig Gerettete — von seinem angeblichen Ahnen Gelon gehört. Später
wird er Soldat und dient mit der grössten Auszeichnung; Pyrrhos ehrte ihn oft
durch Geschenke, aber auch die Götter wiederholen ihre Zeichen: eine Eule
setzte sich auf seine Lanze, ein Adler auf seinen Schild; — wir werden un-
wiilkührlich daran erinnert, dass Agathokles für sein Heer solche Zeichen
selber schuf. Hieron muss schnell in der militärischen Laufbahn vorwärts ge-
kommen sein ; als nun das Heer ihn zum Feldherrn erwählt hatte, benutzte
er seine hohe Stellung in der geschicktesten Weise, um sich auch unter den
Städtero Anhang zu verschaffen.
Wir dürfen uns nicht wundern, dass die Stadt die Wahl des Lagers rati-
ficirte und nach einiger Zeit ebenso zufrieden mit Hieron war, als ob sie selbst
ihn gewählt hätte. Syrakus hatte schon so viele Fürsten gesehen , dass ein
neuer Herrscher, der jung und gütig war und die Liebe des Volkes für eine
Stütze der Herrschaft hielt , auch bei denen , welche ihm anfangs abgeneigt
waren , schnell Beifall finden musste. Indess , Volksgunst ist nicht weniger
vergänglich als Fürstengunst; das wusste Hieron wohl und suchte für eine
dauernde Herrschaft nach sichereren Grundlagen. Zunächst war es von W^ich-
tigkeit für ihn , der nicht selbst aus einer vornehmen und angeschenen Fa-
milie stammte, mit einer solchen verbunden zu werden, besonders um, wenn
er selbst im Lager wäre, Vertheidiger seiner Sache in der Stadt zu haben.
Es hatte sich in Syrakus schon ereignet, dass ein Tyrann, der in^s Feld gezo-
gen war, bei seiner Rückkehr die Thore der Stadt verschlossen fand. Hieron
machte es also wie Dionys: er heirathete die Tochter eines angesehenen
Mannes. Es ist merkwürdig, dass uns die alten Schriftsteller nicht den Namen
der Gemahlin Hieron's, die eine vortrefFliche Frau gewesen sein soll, sondern
nur den ihres Vaters, Leptines, überliefert haben; es lässt sich aber nach-
28S Sechstes Bach. VII. Hiercm 11. bis 16( v. Chr. Die pc^tiisefae Ealwickelimg Skilions.
weisen, dass sie Pbilbtis hiess. Das grosse Theater lu Syrakus trägt eine Id-
scbrift : Der Kod^id Philislis ; eioe andere unfern davon lautet : Der KSoigin
id da, wie wir wissen, Nerels die Gemahlin des Sohnes Hieron's,
L, war, so liegt die Vermalfanng nahe, dass Philistis die Gemahlin
elber gewesen ist. Auch HUnzen der Königin Philistis sind erhallen ;
nur ein Umstand, der hier stttrend der sonst so gefälligen Combina-
gentritt, der, dass Hieron , obwohl spater KOnig, dennoch nicht das
Diadem trug, wahrend der Kopf auf den HUnzen, die die Inscfarifl
gin Philistis» tragen, es hat. Indess finden sich die beiden KSpfe,
m Münzen als Hieran nacfaw«sbare und der Kopf der PhilisÜsmQn'
nscbeinlich auf einem bei Girgenti gefundenen Belief zosammcn , so
; mehr daran gezweifelt werden kann, dass auf den Mausen wirklich
bgebildet ist, und dass Philistis die Gemahlin Hieron's war. Und wir
! Vermuthung hinzufügen, dass Lepiines, der Schwiegervater Hie-
s der Familie des Historikers und Freundes des alteren Dionys, des
stiunmte, weil so die Verbindung der Namen Leptines und Philistis
rl. Denn jener Philisios war , wie wir ^ssen , der Sefawi^ersohn
les, des Bruders von Dionys dem alleren gewesen,
dem Hieron sich so im Innern einen BUckhalt fUr auswärtige Unter-
in geschaffen hatle, musste er ernstlich Über die Stellung nacbden-
:he er auf der Insel selbst und den fremden Staaten gegenüber ein-
halte. Die Politik seiner Vorgänger in der Herrsdiaft witr einfach
;en: gestutzt auf die Kräfte und den Retchtbum von Syrakus sich
icher der ganzen Insel zu machen. Sie hatten ihr Ziel nicht erreicht;
icht vorhanden, dass Hieron es erreichen wurde? Wie lagen die
im Vergleiche mit den Zeilen des Dionys und 'des Agathokles* Jener
Jer und Karthager zu bekämpfen gehabt, die Griechen der Insel
li aus Furcht vor den Karthagern im Allgemeinen ohnf Widerwillen
errscbaft; dieser halte mit Karthagern und unabhängigen Griechen
Beide hatten wenigstens in der zweiten Periode ihrer Herrschaft in
le Art von Provinz — nach römischen Begriffen — gefunden, die
HUlfsmittel an Einkünften und Truppen, welche sie bot, der Macht
n eine vortreffliche Grundlage verlieh. Wir dürfen in der Thal die
D und moralischen Vortheile, welche Dionys und Agathokles aus dem
n Bhegion, Uipponion, Lokri, Kroton, aus den reichen Weiden und
aldern von Bruiiium und Lukanien erwuchsen, nicht gering anschUi-
iyrakusanischer Fürst, der in Italien Schiffswerften und Flottenslatio-
I konnte, war eine selbst den Karthagern Achtung einflossende Macht.
's Zeiten stand es anders. Auf der Insel war zu den Karlhagem und
igen Griechen noch die keineswegs unbedeutende Macht der Maroer-
immen; Italien aber war einem syrakusanischen Herrseber uniu-
eworden, seil die KUmer ihre Herrschaft auch UberGrossgriechenlami
it hatten.- Es ist bekannt, dass Pyrrhos, als er von Sictlien wieder
estlande angekommen \var, bei Beneventum van H' Curius Deota-
ndig geschlagen wurde [ä75 v. Chr.), und in Folge dieser Niederlage
inso eilig aufgab, wie er Sicilien aufgegeben hatte, und dass dreiJafare
Macht der Mamertioer. 289
nach der Schlacht bei Benevent der Feldherr des Pyrrhos, Milon, Tarent den
Römern überlieferte, deren Macht am ionischen Meere seit dieser Zeit fest be-
gründet war (272 V. Chr.). Mit den Römern konnte Hieron in Italien nicht wett-
eifern, und er dachte auch nicht daran, es zu thun. Ohne abhängige Städte und
Landschaften in Italien war aber ein syrakusanischer Fürst nicht mehr der Ver-
treter einer wahrhaft grossen Macht ; er war nicht mehr im Stande, ,den Versuch,
seinen Willen zum herrschenden auf der Insel zu machen, ohne Gefahr zu wagen.
Ersah sich, ohne Aussicht, selbst eine imponirende Macht zu erringen, zwi-
schen zwei grossen Mächten in die Mitte genommen. Welches sollte nun seine
Politik sein? Etwa sich mit der einen verbinden und der andern feindlich
gegenübertreten? Was konnte dabei herauskommen? Eine Verbindung mit
Rom nützte nicht viel, da Rom noch in Italien beschäftigt war; eine Verbin-
dung mit Karthago würde ihn in die Hände dieser mächtigen Stadt geliefert
haben. Für*s erste war weder mit Rom noch mit Karthago Bündniss zu
schliessen und mit keinem von beiden Krieg zu führen , zumal da die Ma-
mertiner noch mächtig dastanden und durch die günstige Lage ihrer Stadt an
politischer Bedeutung mit Syrakus wetteiferten. Auf die Mamertiner hatte
also Hieron sein Augenmerk zuerst zu richten. Ihre Zuversicht war durch die
anfangs von Pyrrhos erlittenen Niederlagen keineswegs gebrochen; sie hatte
sich bedeutend wieder gehoben^ als aus Unzufriedenheit mit Pyrrhos grie-
chische Städte zu ihnen übergegangen waren. Pyrrhos hatte sogar bei seiner
Rückkehr nach Italien einen heftigen Strauss mit ihnen zu bestehen gehabt.
Sie waren, 40,000 Mann stark, vor ihm über diQ Meerenge gegangen, und
suchten, ermuthigt durch die schwere Niederlage, welche Pyrrhos im Ange-
sichte Italiens zur See von den Karthagern erlitten hatte, das epirotische Heer
durch plötzlichen Ueberfall in Verwirrung zu bringen. Es fielen zwei Ele-
phanten, und die Bemühungen des Königs selbst waren nöthig, um seine
Mannschaft in Ordnung zu halten. Hierbei wurde er am Kopfe verwundet
und musste sich etwas aus dem Kampfe zurückziehen. Das machte die Ma-
mertiner noch verwegener, und einer von ihnen , ein Riese an Körper und mit
prachtvoller Rüstung bekleidet, sprang vor und schrie, der König möge her-
auskommen, wenn er noch lebe. Pyrrhos, durch die Herausforderung wüthend
gemacht, schob die, welche ihn von dem Mamertiner trennten, bei Seite, stand
in einem Augenblick mit zomgeröthetem und mit Blut überströmtem Gesichte
vor seinem erschrockenen Gegner und spaltete ihn mit einem Hiebe vom Kopf
bis zum Bauche mitten durch. Die Mamertiner wichen erschrocken zurück
und belästigten Pyrrhos nicht weiter.
Die grosse Bedeutung, welche die Mamertiner sonach immer noch hatten,
die Bedeutung , welche sie gerade den Syrakusanern gegenüber als Neben-
buhler ihrer Macht besassen , Hessen es Hieron wünschenswerth erscheinen,
durch ihre Ueberwindung seine Vaterstadt zu heben und ihr so zwischen Rö-
niern und Karthagern eine festere und unabhängigere Stellung zu verschaffen.
Die Mamertinische Macht war einem Keile vergleichbar, der von aussen in
das Gefüge der insularen Verhältnisse, wie sie sich seit längerer Zeit gebildet^
getrieben war. Er musste entfernt werden , wenn Syrakus seine normale
Stellung wieder gewinnen sollte. Wenn es sich aber darum handelte, die
Holm, Gesch. Siciliens. II. 19
V
^
^90 Sechstes Buch. VII. Hieron II. bis 264 v. Chr. Die politische Entwickelaog SicilieQs.
Mamerliner zu schwächen, so war ein trefiliches Mittel die Entfernung der
Kampaner aus Rhegion. Uier berührte sich das syrakusaniscbe Interesse mit
dem rt^mischeo. Als im Jahre 27\ der römische Gonsul Genucius vor Rhe-
gion rückte, da hat Hieron die Römer, wie es heisst, mit Lebensmitteln
und Truppen unterstützt. Man hat dies bezweifelt, besonders, weil dann das
spätere Benehmen der Römer, die durch den den Mamertinem gesandten Bei-
stand Hieron Messana entzogen, im Lichte der Undankbarkeit erscheint. Wenn
dieser Grund natürlich in keiner Weise zutreffend ist, so setzt doch eine Hülfe-
leistung durch ein Truppencontingent ein förmliches Bündniss zwischen den
beiden Staaten voraus, und ein solches ist durch nichts bezeugt. Eine Hülfe-
leistung durch Sendung von Lebensmitteln kann dagegen unbedenklich ange-
nommen werden, denn die Lebensmittel konnten als Geschenk des Hieron an
die Römer eintreffefi , and ein solches Geschenk , das von den Römern gerne
angenommen werden musste, da es sie zu keinen politischen Gegenleistungen
verpflichtete, hatte andererseits für Hieron nicht die Bedeutung eines Heraus-
tretens aus der Neutralität zwischen Rom und Karthago, die ül>erdies damals
noch nicht offene Feinde waren.
Es ist wahrscheinlich, dass Hieron um dieselbe Zeit, wo die Römer Rhe-
gion eroberten , selbst Messana bekriegte. Zugleich benutzte er diesen Krieg
jedoch zur Verfolgung eines Nebenzweckes im Interesse seiner Macht. Es ging
ihm mit einem Theile der Söldner, wie es früher auch andern Fürsten gegangen
war. Sie wurden ihm durch ihre Ansprüche und Forderungen bald gefährlich.
Vielleicht behagte ihnen seine milde Regierung nicht, die keine Hinrichtungett
von Bürgern, keine Gonfiscation des Eigenthums derselben und also auch keine
ausserordentliche Bereicherung der Söldner kannte. Er befürchtete Unruhen,
vielleicht die Proclamation eines andern Feldherm. Erbeschloss, sich ihrer
auf die treulose Weise zu entledigen , von der Dionys bei der grossen Belage-
rung von Syrakus durch die Karthager ein Beispiel gegeben hatte (S. 449). Er
führte sie mit seinem übrigen aus Syrakusanern bestehenden Heere gegen die
Mamertiner und begann nach einigen Hin- und Hermärschen in der Nähe von
Kentoripa am Kyamosoros eine Schlacht. Er warf die Söldner den Feinden
entgegen und stellte sich , als ob er mit den städtischen Truppen an einem
andern Punkte angreifen wollte. Das geschah aber nicht, er liess die Söldner
im Stiche, und sie wurden, wie es heisst, sämmüich niedergemacht. An Stelle
der Getödteten warb er, nach Hause zurückgekehrt, andere und brachte so
sein Heer wieder auf die ihm nothwendig erscheinende Zahl. Dann zog er von
neuem gegen die Mamertiner, die, durch den erfochtenen Sieg aufgeblasen,
das syrakusaniscbe Gebiet noch ärger als vorher brandschatzten.
Es scheint, dass die Mamertiner, als Hieron den Krieg kräftig wieder be-
gann, ihre Truppen zersplittert hatten, so dass Hieron schnell vor Messana
rücken und die Belagerung beginnen konnte. Aber die Mamertiner sammelten
sich rasch und rückten ihrer bedrohten Stadt zu Hülfe, so dass Uieron sich zu-
rückziehen musste. Er wandte sich mit seinem Heere nach Westen, griff
Mylai an und nahm es; 4500 Soldaten, die in der Burg als Besatzung lagen,
ergaben sich ihm, und er scheint sie in sein Heer aufgenommen zu haben. Von
da ging es weiter in^s Innere des Landes, wo die Mamertiner zahlreiche Kasteile
k.
Hieron gegen die Mamertiner. Schlacht am Longanos. 2&1
hatten, die er eroberte. Das südlichste war Ameseion, ein Ort zwischen Ken-
toripa und Agyrion y der die Verbindung zwischen diesen beiden Städten un-
sicher machte. Hieron eroberte ihn ; die Mauern wurden niedergerissen, das
Gebiet unter die beiden benachbarten Städte getheilt, die Besatzung verstärkte
sein Heer. Die Eroberung der mamertinischen Kasteile erleichterte ihm die
Besitznahme der zu den Mamertinern übergegangenen Städte, von denen
Halaisa, Abakainon und Tyndaris die hauptsächlichsten waren. In Halaisa war
nur eine Miuderzahl der Einwohner für ihn, die ihm jedoch die Thore heimlich
öffnete; die beiden andern Städte schlössen sich offen ihm an. So war schon
Bedeutendes erreicht; die Mamertiner sahen sich auf wenig mehr als ihre
Hauptstadt eingeschränkt, und diese war von beiden Seiten bedroht. Nach
Süden hin versperrte ihnen Tauromenion den Weg ; nach Westen konnten sie
zwar über das Gebirge an das tyrrhenische Meer kommen , aber nicht weiter
als bis Tyndaris , das Hieron besass, oder vielmehr nur bis in die Gegend von
Mylai , das ebenfalls in seiner Gewalt war. So blieb noch übrig, die Mamer-
tiner in einer Feldschlacht zu besiegen, und zwar nahe bei Messana, damit wo
möglich der Fall der Stadt die Folge des zu hoffenden Sieges wäre. Hieron
rückte deshalb von der Seite des tyrrhenischen Meeres gegen Messana vor und
lagerte im Gebiet von Mylai am Flusse Longanos. Die Mamertiner zogen ihm
unter der Anführung des Kios entgegen. Hieron's Heer zählte 40,000 Mann zu
Fuss und 1500 Reiter, das der Mamertiner 8000 Fusssoldaten , die Zahl der
Reiter ist unbekannt. Der mamertinische Feldherr erhielt von seinen Sehern
die Prophezeiung, er werde die Nacht im feindlichen Lager zubringen, fasste
sie als ein gutes Omen auf, wie der karthagische Feldherr vor Syrakus die
ähnliche Weissagung (S. 244), und schickte sich zum Beginne der Schlacht
durch den Uebergang über den Fluss vor den Augen des Hieron an. Dieser
hatte in seinem Heere 200 messenische Flüchtlinge, ortskundige Männer und
von grossem Eifer, sich an den Mamertinern zu rächen; er fügte ihnen 400
Ausgewählte bei und gab dieser Elite den Befehl, einen Hügel Namens Thorax,
von wo aus man den Feinden leicht in den Rücken fallen konnte, zu besetzen
und zu rechter Zeit eine Diversion zu machen, während er selbst von vorne
angriff. Eine Zeitlang schwankte der Erfolg ; sobald aber die 600 ihren ver-
abredeten Angriff ausführten , geriethen die Mamertiner in Verwirrung und
wandten sich zur Flucht. Fast alle wurden von den Syrakusanem niederge-
macht. Kios selbst fiel , tapfer kämpfend , den Feinden in die Hände und
*wurde, schwer verwundet, zum Hieron gebracht, der ihn gut zu pflegen be-*
fahl. Kurz darauf kamen aber Diener des Hieron , welche einige Pferde , die
sie erbeutet hatten, brachten. Unter diesen erkannte Kios das seines Sohnes;
in seinem Schmerz über den Tod desselben , an dem er nicht mehr zweifeln
zu können glaubte, riss er den Verband ab, den die Aerzte ihm angelegt
hatten, und starb durch den Blutverlust.
Die Schlacht war vollständig für die Mamertiner verloren, und als die zu
Hause gebliebenen die Nachricht empfingen , brachte die gewaltige Bestürzung
den Entschluss hervor, dem Hieron die Stadt zu überliefern. Ehe er aber aus-
geführt werden konnte, kam unerwartete Hülfe. Hieron schickte sich eben an,
seinen Sieg zu verfolgen und über das Gebirge gegen die Stadt Messana zu
19*
292 Sechstes Buch. VII. Hieron II. bis 264 v. Chr. Die politische Entwickelang Siciliens.
rücken, als der karlbagiscbe Feldherr Hannibal, der mit einer Flotte in Lipara
lag, bei ihm im Lager eintraf, angeblich um ihm zu seinem Siege Glück zu
wünschen. Hieron Hess sich von ihm durch, wir wissen nicht welche falsche
Vorspiegelungen — vielleicht durch das Vorgeben, es sei schon eine mamerti-
nische Gesandlschaft unterwegs, um ihm die Stadt zu überliefern , bewegen
zu verweilen und versäumte so den günstigen Augenblick der Einnahme;
denn der schlaue Karthager hatte inzwischen bereits eine Anzahl Truppen
nach Messana geschickt, welche durch ihre unerwartete Ankunft, die eine
noch kräftigere Hülfe von Seiten Karthagers erwarten liess, den Mutli der Ma-
mertiner hoben, so dass von Ergebung nicht mehr die Rede war. Hieron hielt
es, als er diese Nachricht empfing, für unmöglich , sich schnell der Stadt zu
bemächtigen ; das Auftreten der Karthager, mit denen er sich nicht gern in
offene Feindschaft begeben wollte, machte ihn bestürzt, und er kehrte nach
Syrakus zurück, zwar um die Früchte seines Sieges gebracht, aber doch als
siegreicher Feldherr. Das Volk beachtete nur den Glanz des Sieges und
ertheilte ihm mit lautem Zuruf den Kdnigstitel, 269 v. Chr. Es brauchte einen
Herrscher, und Hieron war der beste , den es finden konnte. Die Macht eines
Königs hatte er schon früher besessen. Uebrigens steht es auch hier wieder
wie bei Dionys. Polybios sagt: die Bundesgenossen riefen ihn zum Könige
aus. So ist auch hier wieder die Alleinherrschaft die Folge der Nothwendig-
keit gewesen, einen Feldherrn gegen die Feinde zu haben.
Die Mamertiner waren indess durch die Dazwischenkunft des Hannibal
nicht für die^Dauer gesichert. Die Karthager hatten Messana nur deswegen
gerettet , weil sie die syrakusanische Macht nicht durch diese wichtige Stadt
verstärken]|woUten ; am besten war es, wenn sie Messana selber hatten. Vor
mehr als hundert Jahren, als sie mit Dionys Krieg führten, hatten sie Messana
nicht zu behaupten gewusst und es lieber zerstört; jetzt, wo sie schon eine Flot-
tenstation bei Lipara besassen, schien ihnen die Behauptung von Messana doch
wünschenswerth. Die kleine Besatzung, welche schon dort lag, konnte ihnen
mit Hülfe der»karthagischen Partei in der Stadt die Einnahme derselben vermit-
teln. Aber auch Hieron hatte den Plan noch keineswegs aufgegeben, sich Mes-
sana's zu bemächtigen, und die Kraft der Mamertiner war durch die Niederlage
am Longanos wirklich so sehr gebrochen , dass sie sich zu einem ernstlichen
Widerstand unfähig fühlten. Wenn sie sich aber den Syrakusanem unterwer-
fen mussten , bei denen sich die geflüchteten Messenier aufhielten , w^arlele
ihrer da nicht ein ähnliches Strafgericht, wie die Römer über ihre Landsleuie
in Rhegion verhängt hatten? Wenn es also unmöglich war, ohne Hülfe von
aussen selbständig zu bleiben und sehr bedenklich, sich den Syrakusanem zu
unterwerfen, so blieb nichts übrig, als sich den Karthagern hinzugeben, — wenn
man nicht etwa den Versuch machen wollte , die Römer um Hülfe zu bitten.
Ob er gelingen würde, war zweifelhaft, denn die Römer hatten ja ihre Freunde
in Rhegion hingerichtet; aber wenn er gelang, und wenn die Römer sie rette-
ten, so war ihre Lage unzweifelhaft eine bessere, als wenn sie unter dem
Schutze der Karthager standen. Denn die Römer mussten eine Stadt, die in
so wichtiger Lage der Brückenkopf Siciliens war, als eine höchst wichtige
Erwerbung betrachten und den Butlern grosse Freiheilen gestatten , um sich
Hieron König. Die Mamertiner bitten Rom um Hülfe. 293
ihre Treue zu sichern. Ausserdem waren die Mamertiner lialier* und also
durch Sprache und Sitten den Römern verwandter als den Karthagern. Es
bildeten sich in Messana zwei Parteien , eine karthagische und eine römische;
jene an und fUr sich schwacher als diese , aber durch die Anwesenheit einiger
karthagischer Soldaten in Messana und durch den vor kurzem von Hanni-
bai geleisteten wichtigen Dienst stärker, als sie sonst gewesen wäre, diese im
Grunde aus der Mehrzahl der Bewohner von Messana bestehend. Beide Parteien
machten die grössten Anstrengungen. Die römische siegte. Sie konnte zwar
die schon in Messana befindlichen karthagischen Truppen , welche die Burg
besetzt hielten, nicht mehr vertreiben ; aber sie setzte es durch, dass Gesandte
nach Rom gingen, um die Stadt den Römern anzutragen (265 v. Chr.].
Was Hieron indessen that, wissen wir nicht. Man kann vermuthen, dass
er, der fortwährend ein Heer im Lager haben musste , um seine Truppen in
Uebung zu erhalten, von Tauromenion aus Messana beobachtete, um jede Ge-
legenheit zu benutzen, sich der Stadt zu bemächtigen. Leider sind tlber
wenige Begebenheiten die Nachrichten so fragmentarisch wie über diese , und
Chronologie wie Reihenfolge der Thatsachen beruhen theilweise nur auf Ver-
muthungen.
Wir behalten uns das Folgende für den nächsten Band vor. Die An-
nahme des Hülfegesuchs der Mamertiner durch Rom zog den ersten puni-
schen Krieg nach sich , der die grosse italische Republik zur Herrin Siciiiens
machte. Direct freilich nur zur Herrin eines Theiles^ aber das Reich Hieron's,
das daneben bestand, war nur geduldet; die Römer hätten ihm jederzeit ein
Ende machen können. So ist factisch der Beginn des ersten punischen Krieges
das Ende der Selbständigkeit Siciiiens und die Einnahme von Syrakus durch
Marcellus , eine wie glänzende That sie auch sein mag , schafft keine wesent-
lich neuen Verhältnisse für die Insel überhaupt. Mit dem Beginn der puni-
schen Knege ist Siciiiens eigene politische Laufbahn zu Ende ; darin liegt für
uns die Berechtigung nicht nur, sondern vielmehr die Nöthigung, alles Fol-
gende als die römische Zeit dem letzten Bande zu überlassen , und es bleibt
uns nur noch übrig, auf die nun beschlossene Periode der sicilischen Selbstän-
digkeit einen Rückblick zu werfen , der dasjenige zusammenfassen soll , was
uns in der bisher betrachteten Geschichte Siciiiens an politischen Momenten
entgegengetreten ist.
Die Insel Sicilien wird seit Beginn historischer Zeit von Stämmen itali-
schen Ursprungs bewohnt : den Sikanern und Sikelern. Dann macht ihre Lage
sie zum Gegenstand der Aufmerksamkeit für die Phönicier , denen sie sowohl
wegen ihrer Producte und der dort abzusetzenden Waaren, wie auch als Station
auf der Fahrt nach Westen von Bedeutung ist, und sie gründen Factoreien auf
allen Küsten und Landspitzen. Aber bald wendet sich auch hierher der Strom
hellenischer Auswanderung, und es werden Kolonien angelegt , durch welche
die Ostküste und später auch die Süd- und ein Theil der Nordküste Siciiiens
hellenisch werden. Von nun an steht die ganze Insel unter steigendem helle-
nischem Einflüsse, und die Phönicier müssen sich in drei Punkten im Westen
concentriren, in Solus, Panormos und Motye, deren Gebiet mit dem anstossen-
den der elymischen Städte Segesta , Eryx und Entella dem Nordwesten der
Jisies Buch. VII. HieroD 11. Ihs 364 v. Chr. Die poUtiscbe EntwickeluDg Sicllieos.
len ungriecbiEcIieD Charakter verleiht. Nach der Mitte das achten Jahrb.
hat die helleuisdie Kolonisation der Insei begonnen , und nachdem im
des fUnfleo der grosse karthagische Angriff auf die Hellenen Siciliens
mit dem Einfalle des Xerxes in Griei^nland lurUckgeschlagen ist,
1 ferner in der Mitte desselben der Versuch des Sikelsrs Dnketios, dem
luptvolke der Insel die Selbständigkeit wieder zu schaffen , die die
1 ihm geraubt haben, fehlgeschlagen hat, sehen wir in der zweiten
ieses Jahrhunderts das Hellenenthum tiberwiegend, ja man kann sagen,
jg in Sicilien. Sikeler wie PhOnicier nehmen helleniscbe Bildang an,
e gleich in staatlicher Beziehung von den Griechen mehr oder weo^er
igig sind. So scheint Sicilien einer glücklichen Zukunft entgegen su
ancb in cuiturhistorj scher Hinsicht berechtigt die auf die Hieroniscfae
folgende Zeit des Kmpedokles und Gorgias zu den scbtfosten Erwar-
da vernichtet der peloponnesische Krieg, so wie er Ältgriechenland zu
richtet, auch alle die schOnen BlUtben, welche in Sicilien aufgdteimt
und wirft die Insel in einen Abgrund von Kriegen , aus dem sie mit
slrengung sich nie bat vollständig beraufiirbeitep kfinnen. Der Versüß
, Syrakus zu unterjochen, wird allerdings auf glanzende Weise unler
Uing eines jener Spartaner, die als einzelne MSnner ganze Heere
, t urUckge wiesen , aber die grosse Erschöpfung , welche d«r Wider-
igen Athen zurücklassen musste , lockt Karthago an , eine sich luAlllig
nde Gelegenheit zu benutzen und den Versuch zu machen, ob nicht
70 Jahren vor Himera erlittene Niederlage gerHcht und Sicilien dennoch
karthagisch gemadit werden kOnne. Und die Erwartungen der Rar-
cheinen in Erfüllung geben zu sollen. Selinus, Hiraer», Akragas fallen,
n gesammten Hellenenthum in Sicilien droht der Untergang. In dieser
in Lage ward die Borgerfreiheit von Syrakus der Ertialtung der Natto-
lum Opfer gebracht. Es schien den Syrakusanem, dass ein unbe-
ter Oberbefehlshaber noth thue: sie Hessen sich die Herrschaft des
^fallen. Der neue Gebieter versuchte Gela zu schützen, aber es gelang
it; nur Syrakus selbst ward gerettet. Dionys war kein G«lon gewor-
irZw&ck, tu dem ihn die Syrakusaner als Herrscher gewollt hatten,
!)t erreicht : fortan ruhte seine Herrschaft nicht mehr auf der Liebe de«
sondern nur noch auf der nackten Gewalt. Aber er sicherte sie sich
irch rein äusserlicbe Millel, er erkannte mit scharfem Blicke die Lage
iten des Mitlelmeeres und wusste ihr diejenige UnterstUUung für seine
]ft abzugewinnen, die die allein erreichbare und zu gleicher Zeit für
tljchsle war. Die Rolle des Dionys spielten in Hellas die Spartaner,
rs seit Lysander und in Folge des Auftretens dieses Feldherm. Sie
Lthen besiegt und dessen Untertbanen befreit, waren aber selbst nicht
n , ihre eigenen Bundesgenossen freizulassen und occupirten sogar
m Frieden fremde Städte. Sie kamen in Kampf mit den Persem, aber
itB sie wenig Ueberwindung , ihn einzustellen und ihre asiatischen
Ute dem Erbfeinde auszuliefern, nur um sich ihre dominirende Siel-
Hellas zu sichern. Gerade so unterwarf sidi Dionys mit allen Mitteln
enischen Städte Siciliens, gerade so scbloss er mit den Karthagern
Politische Enlwickelung Siciliens. 295
Frieden, um Syrakus desto sicherer zu behaupten. Das Verfahren des Dionys
und der Spartaner war ganz dasselbe , der Unterschied lag nur in dem that-
sächlichen Umstände, dass in Syrakus e i n Mann gebot, in dem spartanischen
Hellas eine Oligarchie. Es macht dem Scharfsinn des Dionys Ehre, dass er die
Aehnlichkeit der Lage zwischen ihm und Sparta erkannte und zu einem Bünd-
nisse benutzte, das für Sparta nützlich war und für Dionys höchst werthvoU.
Für Sparta war es nützlich , denn es garantirte ihm entweder den Beistand
oder doch wenigstens die Neutralität der wichtigsten Kolonie Korinth's, das
sich selbst nicht immer als treuen Bundesgenossen Sparta's erwies. Für
Dionys aber war das Bündniss von ungemeinem Werth, da es jeglichen Appell
der syrakusanischen Bürger an Sparta, die Pührerin der Dorier, unmöglich
machte. So beginnt unter Dionys der Parallelismus der sicilischen und der
speciell hellenischen Geschichte, der bis zum Aufhören der Selbständigkeit
von Sicilien und Hellas fortdauerte.
Der ältere Dionys ist es aber auch gewesen , der für Sicilien die Umwer-
fung aller bestehenden Verhältnisse , welche bereits vor ihm begonnen hatte,
zu einem förmlichen System erhoben und rücksichtslos durchgeführt hat.
Unter oder kurz vor seiner Regierung sind alle hellenischen Städte der Insel
erobert worden und haben in Folge davon ihre Bewohner gewechselt, mit ein-
ziger Ausnahme von Syrakus, und auch Syrakus hat sich, wenn es auch nie
von Fremden erobert worden ist, doch dem Wechsel der Einwohner nicht ent-
ziehen können. Dionys vertrieb die ihm feindlichen Familien, machte Söldner
und Sklaven zu Bürgern und gab ihnen die Güter und Frauen der Vertriebenen.
Und noch in einem anderen wichtigen Punkte war Dionys Revolutionär. Er hatte
als Vorkämpfer der Hellenen gegen Karthago seine Laufbahn begonnen, aber
den Ureinwohnern und den Italikern gegenüber zeigte er sich keineswegs als
Vertheidiger der hellenischen Nationalität. Er benutzte die religiösen Gefühle
der Sikeler zu seinen Zwecken (s. S. ^105), und er gab sicilische Städte an
italische Söldner kampanischer Herkunft, Städte von der Wichtigkeit von Ka-
taue und Aetna. So hat Dionys die Vernichtung des Griechenthums auf Sici-
lien, das Wort nur in dem Sinne der Gesammtheit der Bewohner hellenischer
Herkunft verstanden, nicht nur begonnen, sondern ausserordentlich gefördert.
Unter Dionys nimmt der griechische Volksstamm auf Sicilien ab und die
mit den Sikelem zusammentreffenden Osker gründen eine italisch -sicilische
Bevölkerung. Dennoch dürfen wir nicht daran zweifeln, dass die Sprache des
von Dionys beherrschten, bald mehr, bald weniger ausgedehnten Landes bei
den Gebildeten durchaus die griechische war. Die griechische Bildung' war
schon zu mächtig geworden, als dass sie nicht Osker hätte unterwerfen sollen,
und wir sehen zu Timoleon's Zeit den oskischen Herrscher von Katane , Ma-
m^rkos , als griechischen Dichter auftreten. Inzwischen vollendet Dionys im
Bunde mit den Lukanem auch Grossgriechenlands Ruin, von dem wenig Helle-
nisches —r der Abstammung nach — übrig bleibt, während allerdings auch hier
die hellenische Bildung durchaus nicht als verniditet betrachtet werden darf.
Unter Dionys II. dauern zuerst die Verhältnisse , wie sie sich unter dem
Vater gestaltet hatten, unverändert fort. Sein Sturz wird durch eine Verbin-
dung von Umständen herbeigeführt, wie sie nicht ungünstiger fallen konnten.
296 Sechstes Buch. YIl. Hieron II. bls^64 v. Chr. Die politische Entwickeiang Siciliens.
Die Unzufriedenheit der Untertbanen hätte ihn nicht gestürzt, wenn nicht
erstens eigene Unfähigkeit und zweitens die veränderten Verhaltnisse in Hellas
hinzugekommen wären. Jene zeigte sich besonders auffaliend in der Behand-
lung des Platon, den der Tyrann nicht hätte nach Syrakus rufen sollen, ^^enn
er gar nicht auf seine politischen Rathschläge hören wollte ; diese bestehen im
Sinken der spartanischen Macht, die immer die Dionysische Dynastie gestützt
hatte. Dass aber der Versuch Dion^s, der anfangs einen so glänzenden Erfolg
hatte, zuletzt verunglückte, das lag in der Natur und den Bestrebungen des
Mannes , der von unpraktischen Theorien erfüllt war. In einem so bunt zu-
sammengesetzten , sittlich verwahrlosten Gemeinwesen , wie damals Syrakus
\Var, konnte ein idealer Staat keinen Platz finden, und indem Dion platonische
Ideen anwenden wollte, wo man bis dahin nur nackten Egoismus gekannt
hatte , musste er selbst zum Despoten werden , was doch wiederum seiner
Natur nicht entspracl). An diesem Zwiespalt ging er zu Grunde und die Dio-
nysische Dynastie erhielt von neuem für einige Zeit das Uebergewicht in Sy-
rakus. Aber sie war jetzt nach aussen hin schwach geworden, und so kamen
Prätendenten neben ihr auf, und die Karthager rückten wieder einmal bis vor
die Stadt. In dieser Noth erscheint als Retter der sicilischen Griechen der Ko-
rinther Timoleon. Er personificirt den Umschwung in den hellenischen Ver-
hältnissen. Sparta hatte den Despoten Dionys gehalten, nach Spartaks Sturz
ermannt sich Korinth und bringt seiner Tochterstadt Syrakus die definitive Be-
freiung von der Dionysischen Dynastie. Und der Korinther Timoleon han-
delt durchaus im Geiste des Mannes , der die spartanische Macht gestfU^t
hat. Dion war Schüler Platon's gewesen, des Theoretikers in der Politik, Ti-
moleon ist geistiger Nachfolger von Epaminondas, dem edelsten unter den
praktischen Staatsmännern Griechenlands. Ohne Zweifel bedurfte es einiger
Zeit, bis die von dem Böotier vertretenen Ideen völliger Freiheit im Innern
und fester Verbindung stammverwandter Staaten nach aussen von einem Ko-
rinther auf Syrakus angev^andt werden konnten, aber um so gründlicher
wurde diese Anwendung, und das klare von blossen philosophischen Theorien
unabhängige politische Programm des Siegers am Krimisos, zeigt den Fort-
schritt von Dion zu Timoleon. Dass das Werk dieses grossen Mannes, die neue
syrakusanische'.Constitution, keinen Bestand hatte, davon lag die Schuld nidit
an ihm, der noch in andererBeziehung bedeutendes geleistet hat. Er hat durch
die Ueberführung von vielen Tausenden von Griechen dem Hellenenthum Sici-
liens eine neue Kraft verliehen, die nicht so schnell wieder verschwunden ist.
Auch in dieser Hinsicht ist Timoleon dem Epaminondas ähnlich, der Messene
und Megalopolis gegründet hat. Durch Timoleon wird überhaupt die Gestalt des
gesammten hellenischen Siciliens eine ganz neue, und diese seine Schöpfung ist
nicht so schnell verfallen, wie die freie Verfassung von Syrakus: sie hat viel-
mehr der nun folgenden Zeit einen ganz anderen Charakter verliehen , als ihn
die Dionysische Epoche gehabt hatte. Timoleon stellte Akragas wieder her, und
diese Stadt hat seitdem eine neue Blüte erlebt. So gab es hinfort nicht mehr,
wie seit Hannibal's Feldzügeo, eine einzige hellenische Grossstadt auf Sicilien,
sondern wenigstens zwei , Syrakus und Akragas, und schon dieser Umstand
machte eine Herrschaft, wie die Dionysische gewesen war, hinfort unmöglich.
Politische Entwickelung Siciliens. 297
Als Syrakus sich noch der Freiheit unter Timoleon's Obhut erfreute, war
Griecheniand schon den Makedoniern erlegen. Es beginnen die Zeiten, wo
nicht mehr Bürger, von Ehrgeiz und Rücksichtslosigkeit erfüllt, sich zu Ty-
rannen ihrer Stadt machin , sondern Feldherren an der Spitze von Soldaten-
häufen sich Reiche gründen : die Zeiten der Nachfolger Alexander's. Solche
Vorgänge mussten auch im Westen nachahmungswerth erscheinen, wo nun
schon seit langer Zeit Tyrannen mit Hülfe von Miethstruppen regiert hatten,
und wo Völkerverhaltnisse, ähnlich denen Kleinasiens, wie hier eine Art von
Hellenismus gründeten, d. h. hellenische Gultur eine grösstentheils barbarische
Bevölkerung überkleidend. Der Vertreter des Diadochenthums der ersten Zeit
ist in Sicilien Agathokles. Er unterscheidet sich schon von vornherein dadurch
von Dionys, dass er kein Syrakusaner von Geburt ist, und so fehlt ihm über-
haupt jenes eigenthümliche Haften an der Hauptstadt, das wir bei Dionys be-
merkt haben. Er ist der rechte Mann der Soldaten und des Pöbels; ihm ist es
gleich, wo er herrscht, ob in Sicilien oder in Afrika, wenn nur bewaffnete
Männer und befestigte Lager zu seiner Verfügung stehen. So passt auch für
ihn«Dicht das System von Vorsichtsmassregeln, wie Dionys es aufgebracht
hatte, der sich nur sicher fühlte , wenn er in seiner Burg war; Agathokles
verlässt sich überall auf seine Grausamkeit und sein Glück. Agathokles hatte
die Diadochenperiode in Sicilien begonnen, und so war es natürlich, dass nach
seinem Tode ein wirklicher Diadoche, ein Mann aus Makedoniens Nachbarland,
durch Wahl der Sikelioten ihr General geworden , sich in Sicilien ein Reich
zu gründen versuchte. Aber es gelang nun einmal den Griechen der Mitte
niemals, sich Sicilien zu unterwerfen. Was den Athenern nicht geglückt war,
das versuchte Pyrrhos mit ebenso wenig Erfolg. Er musste die schöne Insel
sich selbst überlassen. Inzwischen war eine doppelte Veränderung von Wich-
tigkeit in Italiens und Siciliens Schicksalen eingetreten. Grossgriechenland
hatte einen neuen Herrn gefunden , die Römer , und die italischen Soldaten-
schaaren, die vor etwa 400 Jahren begonnen hatten, sich auf Sicilien häuslich
einzurichten, hatten den Uebergangspunkt von Italien nach Sicilien besetzt. In
ganz kurzer Zeit sind die Mamertiner im nordöstlichen Sicilien mächtig; sie
verheeren aber auch den Süden und zerstören Gela und Kamarina , so dass
also eine der von Timoleon wieder hergestellten Städte schon wieder ver-
nichtet ist. Als nun bald nach Pyrrhos^ Fortgang aus Sicilien in Syrakus ein
einheimischer Fürst auftritt, den sich Heer und Stadt freiwillig zum Herrscher
setzen, da muss dieser neue Gelon- mit den veränderten Umständen rechnen.
Hieron, der Sohn des Hierokles, entspricht in seiner ruhigen, geordneten Re-
gierungsweise den späteren Diadochen, welche Dynastien gründen, wie Aga-
thokles ein Gegenbild der ersten unruhigen und wilden Diadochen war. Er
erinnert an die Ptolemäer, mit denen er in intimen Beziehungen stand. Nur
ist die Dauer seiner Dynastie eine sehr viel kürzere und die Ausdehnung seiner
Herrschaft eine unendlich viel beschränktere , als dies bei den asiatischen Dy-
nastien der Fall ist. Letzteres ist besonders auffallend , aber durch die geän-
derten Verhältnisse Italiens und Siciliens nur zu sehr bedingt. Ais er den
Versuch macht, Messana den Mamertioern abzunehmen, mischen sich die
Römer hinein, und die Folge ist der erste punische Krieg, der die karthagische
Sechstes Bacfa. VIII. Die Bukolik.
Siciließs den Rtfmera giebt und Hieron tu einem, allerdings sehr
n Clienlen der grossen italischen Bargerschaft macht. In BeU«ff d«r
n Bestandtheile Siciliens in dieser letzten Zeit kann man mit Wahr-*
hkeit behaupten , dass überall die hellenisch^ Cultur xa- und die hei—
Bevölkerung abnahm. Wie es mit der griechischen Sprache stand,
I nicht sagen, man kann aber annehmen, dass alle officiellen VertuDd-
uf der Insd , mit Ausnahme von Hessana und der Gegend von Lily-
[>erall in griechisdier Sprache vorgenommen wurden, wBhrend aller-
Volke manche Reste des alten sikelischen Idioms Obrig geblieben sein
können als Ergebniss" des Vorhergehenden Folgendes aasspredten:
aliliscfaen Verfaaltnitsen geht Sicilien vom Anfang des 6. Jahrti. v. Chr.
llig parallelen Gang mit Griechenland : Befreiungskrieg , BIQthe re-
ischer Gemeinwesen (Athen, Syrakas), spartanische Hegemonie, Be-
lEpaminondas, Timoleon) , Monarchie; in seinen BevOlkeningsver-
B ist allmahiicbes, nur durch Timoleon nnterbrocbeoes Uebei^reifen
id>ea Elementes (Eampaner, Hamertiner] unverkennbar, bis endlich
;anz an Rom fällt, wahrend indess die hellenische Bildung mehr und
Tschend wird.
Rom Sicilien erwarb und beherrscht«, werden wir im folgenden
hen; jetzt Meibt nur noch Übrig, einen Blick auf die Cultur der Insel
izten Zeit vor ihrem Uebergang «d die romische Herrschaft lu werC».
. beieichnet ebenso wie Hieron I. eine Epoche in derselben , WNin-
e Einwirkung des zweiten Hieron auf die Literatur seiner Zeit eine
m nicht so directe ist vrie die des ersten. Es ist allerdings nicht zu
n, dass der Glanzpunkt der Herrsdufl Bieron's II. in die Zeit vor
en punischen Kriege fällt; im Gegentheil, die Epoche der Rahe und
' Blathe seiner Herrschaft waren sicher die Jahre zwischen dem ersten
zweiten punischen Kriege. Aber in der Periode, die ant dem ersten
n Kriege beginnt, herrscht der Eiofluss der Rsmer vor, und so ist es
len , Literatur und Kunst seiner Zeit, in denen sich keine Spur eines
n Einflusses gellend macht, noch in diesem Bande zu behandeln, der
hellenische Sicilien abschliessen soll. Ueberdies fSIK Theokrit's
It in Syrakus schon vor 364.
Achtes Kapitel.
Die BnkoUb.
Stolz Siciliens unler den Dichtem der spSteren Zeit, wie Stesicbom
1 früheren, ist Theokrilos. l'nd Sicilien kann besonders deswegen auf
sein, weil er dem Schatze der griecfaisc^n Literatur eine Perle ganz
. hinzugefügt hat : die bukolische Dichtung.
TheokrU. 299
Theokrit gehört Sicilien iii doppeltem Sinne an, durch seine eigene Her-
kunft und durch die der Poesie , welche er in dte Literatur eingeführt hat.
Freilich hat man ihn in ersterer Beziehung unserer Insel streitig zu machen
gesucht; man hat ihn für einen Koer ausgegeben. Nun stimmen allerdings die
aus dem Alierlhum erhaltenen biographischen Notizen über Theoknt in Betreff
seiner Herkunft nicht Oberein. Jedoch überwog die Stimme derer, welche
ihn einen Syrakusaner nannten , und so ist auch Vergil zu deuten , wenn er
im Anfang der 6. Ekloge vom syrakusanischen Verse mit Bezug auf Theokrit
spricht. Seine eigenen Gedichte geben kein positives Zeugniss für seinen Ge-
burlsort, aber sie beweisen wenigstens , dass er Sicilien und specieil Syrakus
als seine Heimath betrachtete. Er nennt im H. Idyll Polyphemois den Hirten
»bei uns«, und im 28. Idyll spricht er von Sicilien als von »unserem Landete,
und wenn er im 16. Idyll sagt, seine Chariten hatten un verrichteter Sache
nach Hause gehen müssen, ohne anderswo einen Beschützer zu finden, so
weist er auch damit auf Sicilien, von wo er dies schreibt, als auf seine Heimath
hin. Von diesen drei Stellen ist besonders die zweite entscheidend. Das
28. Idyll begleite! das Geschenk eines elfenbeinemen Spinnrockens an die
Gattin seines Freundes Nikias in Milet, und er bringt ihr diese Gabe aus Sici-
lien. Wäre er nun nicht auch in Sicilien geboren , so hatte er schwerlich ge-
schrieben, dass er ihr das Geschenk aus »seinem« Lande mitbringe. Wenn
freilich diese Stellen nicht für Sicilien sprachen , so würden manche indirecte
Beweise für Kos aufzutreiben sein. Sie lagen in den nachweisbar engen per-
sönlichen Beziehungen, welche besonders das 7. Idyll zu Kos verrath, wo,
wie man sieht, Theokrit genau Land und Leute kannte, sie lagen in dem Um-
stände, dass er den Dichter Phileias, der bekanntlich aus Kos war, als seinen
Lehrer verehrte. Er würd« ihn schwerlich so hoch gestellt haben, wie er es
thut, wenn er nicht bereits in seiner Jugend den Einfluss desselben erfahren
hatte, und so läge allerdings die Annahme nahe, dass er in Kos auch geboren
war. Es kommt hier der allgemeine Umstand hinzu , dass Theokrit alle seine
persönlichen Beziehungen im Osten hat, und so würde man ohne Zögern Kos
als sein Vaterland betrachten , wenn Theokrit nur ein einziges Mal von Kos
in solchen Ausdrücken redete, wie er sie drei Mal von Sicilien gebraucht.
So aber ist als erwiesen ein Doppeltes anzunehmen: Theokrit's Herkunft
aus Syrakus und sein früher Aufenthalt im Osten, specieil in Kos, wahrschein-
lich aber auch in Alexandria. Denn, wenn er Phileias, und wie wir hinzufügen
können, den Samier Asklepiades, dei* unter dem Namen Sikelides bei ihm
vorkommt, als seine Lehrer verehrte, so bedeutet das, dass er ein Zögling der
alexandrioischea Dichterschuie ist, und wenn man auch annehmen könnte,
dass er ihren Einfluss nur in Kos erfahren habe, so ist doch andererseits
äusserst wahrscheinlich^ dass er sie auch an ihrem Hauptsitze kennen gelernt
hat, wohin Philetas noch besonders durch den Umstand gezogen wurde, dass
er der Erzieher des Ptolemaios Philadelphos war. An Theokrit's Aufenthalt in
Kos, wo eine altberühmte medicinische Schule war, knüpft sich die Bekannt-
schaft mit dem milesischen Arzte Nikias; auch seinen Freund Aratos, den
Dichter der Phainomena, der ebenfalls Arzt war, wird Theokrit in Kos kennen
gelernt haben.
300 Sechstes Buch. VIII. Die Bukolik.
Theokrit war Sohn des Praxagoras und der Pfailina. Sein Geburtsjahr ist
nicht überliefert, doch können folgende Umstände es wahrscheinlich machen,
dass er um 395 v. Chr. geboren ist. Das 16. Idyll ist, wie wir sehen werden,
um 269 V. Chr. geschrieben. Als er es schrieb, war er schon anderswo als in
Sicilien gewesen (v. 9) ; er hatte 3ich schon als Dichter erprobt und sich mäch-
tige Gönner zu verschaffen gesucht, nun kam er wieder in seine Heimath zu-
rück. Der Ton des Gedichtes ist selbstbewusst, aber es ist ein Selbstbewusst-
sein , in dem noch viel jugendliche Keckheit steckt ; es passt vollkommen für
einen jungen Mann von 25 — 30 Jahren. Um 295 geboren, konnte Theokrit
auch sehr wohl Schüler des Philetas sein, der um 340 geboren war, und
Freund des Aratos, dessen Geburt ebenfalls in die ersten Jahre des dritten
Jahrhunderts fallen muss.
Von dem Einflüsse des kölschen Aufenthaltes auf Theokrit werden wir
bald zu reden haben. Wenn er sich aber um das Jahr 270 in Alexandria auf-
hielt, so war er Zeuge der ersten Entfaltung der literarischen Thätigkeit,
welche die alexandrinische Schule kennzeichnet. Die grossartige Bibliothek
war schon von Ptolemaios I. gegründet worden, das Museum, eine Schöpfung
des damals regierenden Königs , jenes literarische Prytaneion, war entweder
um 270 V. Chr. schon geschaffen, oder seine Schöpfung war im Werke, kurz,
die Absicht der Ptolemäer, für die Dichtkunst und Wissenschaft eine neue
Aera herbeizuführen, lag deutlich vor, und man kann sich denken, dass von
allen Seiten Gelehrte und Schriftsteller nach Alexandrien strömten , um die
literarischen Schätze zu benutzen und auch wohl selbst eine behagliche Stel-
lung zu erlangen. So musste Theokrit in einen geistig sehr lebhaft angeregten
Kreis eintreten. Aber es waren erst die Anfänge der alexandrinischen Schule,
von denen Theokrit Zeuge war. Die meisten berühmten Schriftsteller dersel-
ben sind jünger als er: Apollonios von Rhodos, Eratosthenes , Aristophanes
von Byzanz, Rhianos ; der berühmteste von allen, Kallimachos der Kyrenäer,
kann wenigstens nur als Zeitgenosse Theokrit's betrachtet werden , und es ist
nicht einmal sicher, ob Kallimachos um 270 bereits in Alexandria lebte. So
hatte sich hier noch keine dichterische Tradition gebildet; es war noch volle
Freiheit der Wahl für strebsame Geister , und ein dichterisch hoch begabter
junger Mann wie Theokrit ward nicht in Bahnen hineingezwängt , denen er
innerlich fremd gegenüber stand. So hat (denn auch Theokrit später bewiesen,
dass er seine Unabhängigkeit zu wahren wusste. Denn davon kann allerdings
nicht die Rede sein , dass er schon jetzt auf die Gattung verfallen wäre, die
seinen Namen so berühmt gemacht hat ; das bukolische Gedicht ist eine Schö-
pfung seiner reiferen Jahre, wenn er gleich bei seinem Aufenthalt in Kos den
Grund zu dieser Schöpfung gelegt hat. Seine Unabhängigkeit äussert sich
schon darin, dass er, der den Philetas besonders verehrte, doch nicht als
Nachfolger desselben in der Elegie hat auftreten wollen. Wenn aber Theokrit
im Grunde seines Wesens unabhängig blieb, so ist er doch nicht unzu^nglicb
fUr die Zeitströmung gewesen. Diese ging auf eine entschiedene Bevorzugung
des Epos. Das zeigt die Wirksamkeit des Kallimachos und der übrigen Häupter
der alexandrinischen Schule, des Apollonios , des Rhianos, des Aratos, des
Theokrit Seine epi9cheD Gedichte. , 301
Nikandros u. a. So sind auch die Jugendgedichle Theokrit's Versuche in rein
epischer Poesie.
Wenn dem gegenüber Ändere vielmehr seine bukolischen Gedichte für
Erzeugnisse seiner Jugend erklärt haben , so wird unsere gesammte Darstel-
lung den Beweis der Richtigkeit unserer Auffassung geben ; hier mögen nur
einzelne Erwägungen in diesem Sinne Platz finden. Die bukolischen Gedichte
Theokrit's Übeiragen seine epischen in jeder Beziehung. Wer will nun glau-
ben , dass ein begabter Dichter in seiner Jugend reife Kunstwerke neuer Art
hervorgebracht habe , die aus den verschiedensten Gründen ihm einen dau-
ernden Ruhm sichern, während er in seinem späteren Leben, alle Originalität
aufgebend, in eine schwache Nachahmung älterer Gattungen verfallen wäre?
Es ist augenscheinlich , dass er in seiner Jugend das schrieb , wozu ihn die
Zeitrichtung veranlasste, und dass er sich allmählich von derselben zu befreien
und seine eigenen Bahnen zu finden gewusst hat.
Die epischen Gedichte füllen die erste Lebens- und Dichtungsperiode
Theokrit's, welche sich bis zu dem Augenblicke erstreckt, wo er zum zweiten
Male und zu längerem Aufenthalte nach Alexandria ging , um das Jahr 260
v. Chr. Sie umfassen seinen Aufenthalt in Kos, den ersten in Alexandria und
einen längeren in Syrakus. Was er in Kos, was in Alexandria geschrieben, lässt
sich nicht unterscheiden, was er in Syrakus gedichtet hat, ist deutlich zu be-
stimmen. Man sieht mit grossem Interesse, wie in den Werken seiner Jugend-
zeit bereits die Liebe zu Naturschilderungen durchblickt, die später seinen
bukolischen Dichtungen einen besonderen Reiz verleihen sollte. Ich bespreche
jetzt diese Jugendgedichte in der Reihenfolge^ welche ein als natürlich voraus-
zusetzendes Fortschreiten vom Unvollkommenen zum Vollkommeneren an die
Hand giebt.
Eine Jugendarbeit ist zunächst Idyll 22, die Dioskuren. Es ist ein
Hymnus , in welchem Theokrit die alten Homerischen Hymnen nachzuahmen
gesucht hat. Nach einem allgemeinen Lobe der Dioskuren wird von jedem
derselben eine Thatsache erzählt , welche seine Macht beweisen soll : von Po-
lydeukes sein Faustkampf mit dem Bebrykerkönig Amykos, von Kastor der
Kampf mit Lynkeus um die Töchter des Leukippos. Man kann nicht sagen,
dass der Hymnus als Ganzes Interesse erregt; man merkt ihm an, dass er das
Uebungsstück eines jungen Dichters ist, der in einer gegebenen Gattung etwas
leisten will und deshalb ein ihm gerade in den Wurf kommendes Thema be-
handelt. Weder die Faustkampfscene , noch der Zweikampf zwischen Kastor
und Lynkeus bieten irgend welche besonderen poetischen Momente, und der
verschiedenartige Ausgang der beiden Kämpfe, der in einer naiv gläubigen
Zeit keinen Anstoss erregen kann, hat in einem Gedichte, das keinen religiö-
sen Zwecken dienen soll, sondern nur durch seinen poetischen und ethischen
Inhalt zu wirken im Stande ist, keine Berechtigung. Denn wenn Amykos, der
seine Rohheit in einem Dialog darlegen muss , von seinem Ueberwinder Poly-
deukes am Leben gelassen wird, so sieht man vom rein menschlichen Stand-
punkte nicht ein , weshalb Lynkeus , der an seinen Gegner die vernünftigsten
Vorstellungen gerichtet hat, sterben muss.. Natürlich war der Ausgang beider
Kämpfe von der Sage gegeben , aber wenn der Dichter keine Veränderung mit
302 Sechstel Buch. VUI. Die Bukoiik.
derselben vornehmen wollte , so stand es nur bei ihm, andere Ereignisse aus
dem Leben der Dioskuren zur Illustration seines Satzes von der Macht dieser
Heroen zu wählen. Wenn er den angedeuteten unerfreulichen Gegensatz nicht
vermieden hat, so hat er allerdings damit eine grosse Objectivität gezeigt:
aber es ist eine andere Frage, ob es der Mühe werth war, durch solche Poe-
sien das alte Epos wieder in^s Leben zu rufen. Das griechische Drama hatte
das Publikum an eine andere und zeitgemässere Auffassung der Mythen ge-
wöhnt, und im Vergleiche damit war eine so nackte Darstellung des Factisdben
ein Rückschritt. Bei der Schwäche des Gedichtes als Ganzen fallen Einzel-
heiten, die schon auf den künftigen Bukolik^r hinweisen, um so angenehmer
auf; so die Schilderung der Gegend, in welcher die Argonauten den Amykos
treffen.
Ebenfalls ein Jugendwerk ist das S4. Idyll, der jugendliche Herakles.
Es ist die Erzählung des Ueberfalls des im Schilde des Amphitryon schlum-
mernden Knaben durch die von Hera geschickten Schlangen. Lebendig wird
erzählt, wie die Mutter vom Geschrei des Iphikles erwacht, wie sie ihren Mann
weckt, wie dann alle horbeistürzen und Herakles triumphirend die von ihm
gepackten Schlangen zeigt, wie dann am folgenden Tage Alkmene den Teire-
sias nach den künftigen Schicksalen ihres Sohnes fragt und dieser ihr seine
Grösse vorher verkündet. Schliesslich wird die Erziehung des Herakles ge-
schildert. Dies Gedicht zeigt in Anlage und Auffassung einen entschiede-
nen Fortschritt gegen das vorige. Schon der Gegenstand interessirt mehr,
überdies hat Theokrit es verstanden , durch dem Leben entnommene Details
ein gemüthli'ches Interesse beim Leser zu erwecken , und am Schluss ist die
Hindeutung auf den gewaltigen Appetit des Helden nicht ohne Humor.
Dieses Idyll ist nicht das einzige, dessen Stoff der Heraklessage entlehnt
ist, deren Wahl durch den Dichter nicht auf die grosse Beliebtheit dieses Heros
bei den Sikelioten zurückgeführt zu werden braucht : das Leben eines Heiden,
der Abenteuer suchend in der Welt umherzog, bot für kleinere Gedichte einen
dankbaren Stoff. Ein zweiter Versuch in dieser Richtung liegt im 25. Idyll
vor, welches Herakles der Löwentödter betitelt ist. , Das Gedicht ist nicht
vollendet, da für eine regelrechte Erzählung ein Anfang vermisst wird, so wie
auch ein Stück in der Mitte fehlt, wo die Begegnung zwischen Augias und
Herakles geschildert werden müsste. Es ist jedoch sehr zu bezweifeln, dass
Theokrit es überhaupt hat vollenden wollen. Denn es hätte ihm natürlich
keine Schwierigkeit geboten , die paar Verse hinzuzufügen, und wenn er es
nicht gethan hat, so wird der Grund darin liegen, dass er einsah, dass es auch
mit solchen Zusätzen niemals etwas wahrhaft Ganzes werden würde. Es fehlt
durchaus die innere Einheit; das Verdienst des Gedichtes liegt anderswo, aber
da ist es unbestritten. Es liegt in den echt bukolischen Zuthaten , die der
künftige Dichter des Daphnis und Polyphemos in geschickter Weise dem Stoffe
nicht anzufügen, sondern zu entlocken wusste.
So sehe ich in diesem Idyll gegen das 24. einen ebenso grossen Fort-
schritt, wie vorhin im 24. gegen das 22., und aus diesem Grunde kann ich
den Umstand, dass Theokrit im 25. Idyll sich mehr als in den beiden andern
in der Form an Homer angelehnt hat, nicht als einen Beweis dafür betrachten,
Theokrit. Seine epischen Gedichte. ^3
dass es früher geschrieben sein müsse als jene. Man darf nicht verkennen,
dass alle di*ei Gedichte nur jugendlidie Versuche sind, bei denen auch in
einem etwas späteren noch mehr Anleknung an gewisse Yarbilder vorkom-
men kann.
Ein anderes Gedicht, ebenfalls der Heraklessage entnommen, Idyli 43,
bildet den Uebergang von Theokrit's epischen Gedichten zu seiner erotischen
Poesie , von der uns allerdings wenig übrig ist. Es behandelt die Sage von
dem Raube des Hylas durch die Nymphen. Sein Anfang verkündet einen
didaktischen Zweck. Er soll die Madit der Liebe und der Scbt^nheit durch ein
auffallendes Beispiel belegen. Er ist dem Nikias gewidmet. Die geschlossen-
nero Einheit und bessere Abrundung des Gedichtes zeigt eine grössere Be-
herrschung des poetischen Stoffes, als sich in den bisher besprochenen Gedieh-^
ten kund gab, und giebt den Beweis, dass das 13. Idyll später ist als jene.
Wenn femer in Y. 6 unseres Gedichtes Herakles als derjenige bezeichnet wird,
der den wilden Löwen bestand , so sehe ich darin eine Hindeutung auf das
früher geschriebene 25. Idyll. Auch im Hylas verräth sich die Vorliebe des
Dichters für ländliche Scenerie in der Ausmalung der Gegend, in welcher die
That geschah.
Hieran schliesse ich nun das eine Gedicht erotischen Inhalts, das mir aus
dieser Periode des Dichters zu stammen scheint: Idyll 42, während die beiden
anderen erotischen Gedichte Theokrit's , Idyll i 9 und 30 , deutliche Hinweise
darauf enthalten, dass sie einer späteren Lebenszeit desselben angehören. Es
ist überschrieben : Der Geliebte , und behandelt als Eipiss der Gefühle Theo-
krit's dasselbe Verhältniss, in welchem Hylas zum Herakles stand.* Es spricht
Freude über das endliche Wiedersehen des Geliebten aus , den Wunsch , dass
Beide gegenseitige Liebe vereinigen möge ; endlich werden die Megarer ge-
priesen, welche die Schönheit und die Liebe besonders zu schätzen wussten.
So hat sich Theokrit in seiner Jugend mannigfach in der Poesie versucht.
Aber seine Werke tragen noch keinen originellen Charakter. Trotzdem bricht
seine eigentliche Natur durch und giebt seinen Gedichten eine eigenthümliche
Färbung. Indess in der Gattung, die er einmal gewählt hat, leistet er gerade
wegen dieses Widerstreites zwischen Wahl und Bestimmung nichts grosses.
Andere übertreffen ihn. Da ist es denn nicht zu verwundem , wenn ihm die
ersehnte Gunst der Mächtigen, die nicht zu ahnen brauchten, dass in dem
Epiker, der mit gleicher Vorliebe Vieh wie Helden schildert, der künftige Bu-
koliker steckt, einstweilen noch nicht zu Theil wird, wenn insbesondere der
König von Aegypten ihn nicht unter die Zahl der von ihm beschenkten Dichter
aufnimmt. Theokrit hatte besseres erwartet; er beklagt sein Missgeschick im
46. Idyll, von dem wir später spi'echen werden. So musste er denn aus den
berriichen Ländern des Ostens , aus jenem Alexandria , das damals eine der
orientalischen Märchen würdige Pracht zu entfalten begann, in seine immerhin
schöne, aber allerdings weniger glanzvolle Heimath zurückkehren. Aber diese
Rückkehr gereichte ihm für die Erfüllung seines dichterischen Berufes zum
Segen. Er hatte in Kos und Alexandria sich für die frisch aufstrebende Kunst-
poesie begeistert und so viel von ihr gelernt, als ihm nützlich war, aber es
war für eine Natur wie die seinige kein rechter Platz unter der Schaar dieser
I.
304 Sechstes Bach. VIII. Die BukoUk.
Künstler. Da fand er in seiner Heimath von neuem Gelegenheit, sich mit den
' Schöpfungen einer volksthUmlichen Poesie genauer bekannt zu machen, deren
Ruf schon weit über Siciliens GrenzeA gedrungen war und fttr die er selbst
bereits im Auslande ein lebhaftes Interesse gezeigt hatte, ohne dass es ihm
klar geworden war^ in welcher Weise sie literarisch zu verwerthen sei.
Die bukolische Poesie ist in Sicilien entstanden. Sie ist aus dem Volke
hervorgegangen. Doch wird ihr Ursprung in verschiedenen Berichten in wenig
übereinstimmender Weise erzählt. Die Prolegomenen zu den Theokriteiscben
Scholien , deren Angaben durch einige Stellen anderer Schriftsteller ergänzt
werden, berichten zunächst^ dass Manche ihn in Lakonien suchten, wo, als
die Perserkriege bevorstanden, einmal die Jungfrauen, welche der Artemis
Karyatis ein Fest feiern wollten , nicht zu finden waren und deshalb Land-
]eute in den Tempel kamen und die Artemis besangen. Andere, so heisst es
weiter, haben diesen Ursprung im sicilischen Tyndaris gesucht, wohin Orestes
kam, nachdem er sich in Rhegion hatte sühnen lassen , und wo die Landleute
die Artemis in Liedern zu preisen pflegten. Aber diese Erklärungen bei Seite
lassend, entscheiden sich die Alten vielmehr für den syrakusanischen Ursprung
der bukolischen Poesie, der von den genannten Prolegomenen so berichtet
wird. In Syrakus war einst ein Aufstand glücklich beigelegt, und man feierte
Artemis als Friedensstifterin. Die Landleule brachten ihr Gaben und sangen
ihr Lob, und so entstand die Bukolik. Sie kommen, sagt der Scholiast, in die
Stadt, bekränzt, mit Knitteln (lagobolos) in den Händen, einen Ranzen voll
Samenkörner umgehängt, sowie ein Brod, welches in Thierform gebacken ist,
und einen Schlauch voll Wein, von dem sie den Begegnenden mittheilen. Sie
singen in die Wette. Der Sieger empfängt das Brod und bleibt in Syrakus;
die Ueberwundenen ziehen in die benachbarten Orte und sammeln sich Nah-
rung, wobei sie Verse singen, die der Scholiast anführt. Kleine Abweichungen
von diesem Berichte kommen bei Grammatikern vor.
Ganz abweichend von diesen Erzählungen sind andere. So heisst es bei
Athenaios einfach : Die Hirten in Sicilien hatten einen Gesang, genannt Buko-
liasmos. Epicharm erzählt, dass der Sikeliot Diomos, von dem wir sonst nichts
wissen, die bukolische Weise erfunden habe. Am weitesten zurück in die
Vergangenheit versetzt den Ursprung der Bukolik die verbreitetste Sage,
welchefihn auf Daphnis, den mythischen Freund der Artemis, die mit ihm jagt,
zurückführt. Die von diesem Hirten handelnden Sagen sind im 1 . Bande dieses
Werkes (S. 56) besprochen worden, und von Daphnis, wie er sich bei Theokrit
darstellt, wird noch unten die Rede sein. Diodor, der Daphnis als Erfinder
der bukolischen Poesie bezeichnet, fügt hinzu, dass noch zu seiner Zeit die
bukolische Dichtkunst in Sicilien in Aufnahme sei. Schliesslich wird auch noch
einem berühmten Dichter die Erfindung der bukolischen Poesie zugeschrieben:
dem Stesichoros, der ein Gedicht von Daphnis gemacht hatte. Es ist aber ein-
leuchtend, dass dies irrig ist. Es würde sich hier um etwas anderes handeln
als* in den vorhergehenden Berichten. In diesen war von der Entstehung einer
gewissen^Gattung volksthümlicher Poesie die Rede , wenn aber Stesichoros als
Urheber genannt wird , so handelt es sich um die Schöpfung einer literari-
schen Gattung. Es steht aber fest, dass die bukolische Poesie erst von Theokrit
Ursprung der ßukolik. ' 305
ihre'Cvesetze eiDpfangen hat, und der Anspruch des Stesichoros muss abge-
wiesen werden. Es ist etwas anderes, ein Gedicht über Daphnis machen, und
die Lieder, welche bis dahin, wie das Volk meinte, nach Daphnis^ Vorgange
die Hirten Siciliens sangen, zum Zwecke der Veröffentlichung nachahmen.
Jenes that Stesichoros, dieses Theokrit.
Jene Nachrichten über den Ursprung der Hirtenpoesie, auf die wir jetzt
zurückkommen, sind gerade durch ihre Abweichungen von einander sehr
werthvoil , indem sie zu eingehender Forschung in Betreff des Inhaltes der
volksthümiichen bukolischen Poesie auffordern. Diese besteht ursprünglich,
nach der einen Nachricht, in religiösen Liedern, von Landleuten zu Ehren der
Artemis gesungen , nach einer zweiten sind es speciell Wettgesänge , in den
Städten, ebenfalls zu Ehren der Artemis, vorgetragen, während eine dritte sie
einfach als Hirtenlieder darstellt, die in Wald und Flur gesungen werden, wo-
bei Artemis nur insofern in Betracht kommt , als der Schöpfer dieser Poesie
ein Freund der Artemis ist. Es ist also Verschiedenheit der Ansichten nicht
nur über den Ursprung, sondern auch über den Charakter der volksthümiichen
Bukolik vorhanden, ein Punkt, der nicht immer gehörig in^s Auge gefasst
worden ist. Wie sollen wir uns zu dieser Verschiedenheit stellen ? Sollen wir
den religiösen , zufälligen Ursprung annehmen , wie ihn die Erzählung vom
Artemisfeste in Syrakus bietet, oder den rein spontanen, weltlichen, wie er in
der Daphnissage seinen Ausdruck gefunden hat?
Die Schwierigkeit der Entscheidung vermehrt sich dadurch, dass uns von
der volksthümiichen Bukolik direct nichts erhalten ist. Bei diesem unsicheren
Zustande der Grundlagen, auf welche sich eine mit innerer Wahrscheinlichkeit
ausgerüstete Entscheidung aufzubauen hätte, liegt es nahe zu versuchen , ob
nicht aus Theokrit selbst sich einige feste Punkte gewinnen lassen , d. h. ob
wir nicht aus ihm ersehen können, welches der Charakter der volksthümiichen
Bukolik war. Denn es ist doch anzunehmen , dass er sich in seinen Idyllen
einigermassen an die Volkspoesie angeschlossen hat. Da zeigt sich denn als
ein fast durchgehender Charakterzug seiner Hirtenlieder der Wettstreit , und
zwar nicht bloss bei den eigentlichen Hirten, z. B. in Idyll 8, sondern auch
bei den verkleideten Hirten in Idyll 7 , und Regel ist dann , dass der Sieger
einen Preis erhält. Aber der Wettstreit ist nicht absolut nothwendig; das
erste Idyll enthält ein acht bukolisches Lied , ohne dass ein Wettstreit jetzt
stattfindet; freilich wird ein Preis dennoch gegeben, und der Hirt hat das Lied
wenigstens früher bei einem Wettstreit gesungen. Und in diesem Liede ist
das Hineinspielen des religiösen Elementes unverkennbar, wenngleich von
einer directen Verherrlichung irgend welcher Gottheiten nichts darin vor-
kommt. So will sich uns auch auf diesem Wege kein scharfumrissenes Bild
der volksthümiichen Bukolik ergeben, es greifen vielmehr auch hier die ver-
schiedenen Gharakterzüge in einander, die in den abweichenden Berichten
über den Ursprung der Bukolik zu Tage getreten waren.
Betrachtungen dieser Art, die sich leicht noch weiter ausdehnen Hessen,
zeigen , dass es verkehrt sein würde, unter den Berichten über den Ursprung
der volksthümiichen Hirtenpoesie richtige und unrichtige unterscheiden zu
wollen und entweder den religiösen oder den rein weltlichen Ursprung dersel-
Holm, G osch. SicilienR. II. 20
306 Sechstes Bucb. VIU. Die Bukolik.
ben ausschliesslich zu betonen. £5 wird vielmehr festzuhalten sein, dass beide
Berichte in den von ihnen mitgetheilten Facten die Wahrheit sagen, d. h. dass
bei gewissen Artemisfesten Landleute sangen, auob in die Wette sangen, und
zwar zunächst Lieder zu Ehren der Artemis, und dass andererseits im Freien
mitten unter den Beschäftigungen des Hirtmilebens eine Naturpoesie erblühte,
deren Charakter nicht nolhwendig ein wesentlich religiöser war , wenngleich
nicht zu verkennen ist, dass auch sie, wie alle alte Poesie, mit der Religion in
Zusammenhang stand. Es ist nun zunächst von Wichtigkeit, diese Ansicht der
Sache auch noch auf anderem Wege zu stützen , wobei die Frage , in welcher
Art sich solche dichterische Thätigkeit von Einfluss auf Theokrit und somit
auf die Schöpfung der bukolischen Literatur gezeigt hat, für's erste noch uner-
ledigt bleiben muss. Die wichtigste Stütze aber , welche diese Anschauung
gewinnen kann, erhält sie durch den Nachweis, dass alle die charakterisii-
sehen Züge , welche jene Nachrichten über den Ursprung der Bukolik im alten
Sicilien enthallen, auch noch im modernen Sicilien sich finden. Dieser Nach-
weis lässt sich geben. Stellen wir zunächst die Punkte, um die es sich han-
delt, klar hin, die modernen Analogien werden sich daran anschliessen.
Das sicilische Landvolk dichtete und sang im Freien , in Wald und Flur
— das ist der Inhalt des Berichtes, der die bukolische Poesie vom Hirten
Daphnis herleitet. Das sicilische Landvolk sang, wenn es in die Städte zu reli-
giösen Festen kam , um die Wette zu Ehren der Gottheiten -^ das enthalten
die Nachrichten der Prolegomenen der theokriteischen Schollen. Betrachten
wir jetzt die modernen Analogien, die wir besonders den Schriften Giuseppe
Pitr^'s entnehmen , der auf dem in Sicilien vor ihm besonders von Lionardo
Yigo betretenen Pfade fortschreitend das Studium der Volkspoesie seiner bei-
mathlichen Insel zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat, und dem wir bereits
mehrere höchst wertbvoUe Publicationen vercUnken, zumal die Biblioteca deile
tradizioni popolari Siciliane.
Für die poetische Begabung und die poetische Produetivität des modernen
Sicilianers verweise ich kui*zweg auf die Sammlungen sieilianiscber Volks^
lieder von Yigo, Pitr6 und Salomone- Marino, die den Schatz der Volkap^eaie
Siciliens durchaus noch nicht erschöpft haben. Es bandelt sich aber nicht
bloss darum, dass das Volk diobtet und singt, und dass insbesondere Landleute
und Hirten dies tbun ; es handelt sich darum, dass sie in lebhaftem Wettstreit
mit einander ihre Gedichte improvisiren. Wer hat, schreibt Pilr^ S. 44 seines
Studio critico sui Canti popolari giciliani, im 3. Bande der angeführten BiUio-
teca, nie dem anmuthigen Schauspiel beigewohnt, das ländliche Arbeiter, be-
sonders zur Zeit der Ernte , darbieten ? Ein Mann und eine Frau, oder auch
zwei Jünglinge, singen um die Wette, indem der eine das schöne Geschlecht
lobt, der andere es tadelt ; der Gesang wechselt ab und dauert foi*t, bis einer
der Streitenden sich besiegt erklärt. Solche Streitgesänge werden überall in
Sicilien bei Gelegenheit von öffentlichen Festen, wo viel Volks und darunter
auch bekannte Improvisatoren zusammenkommen, auf das kunstvollste be-
trieben. Unter einem Baume, in einem Zelte, in einer Schenke treffen die
Gegner zusammen. Es wird Wein gebracht. Prosa ist den Streitern verbo-
ten ; . wenn sie Waffen bei sich tragen, werden sie ihnai abgenommen. Nun
Ursprung der Bukolik. 307
erschallt vod einem die Herausforderuo^, und der Kampf begiant. Besonders
baußg kommt eine Form desselben vor: der dubbio, die R&thselfrage. Einer
giebt dem andern eine Rätbselfrage in Versen anf, und der andere muss nach
ganz kurzem Besinnen^ fast auf der Stelle, diese Frage in demselben Metrum,
wo mt^glich mit denselben Reimen Idsen. Die Fragen behandeln nicht selten
wichtige Probleme der praktischen Lebensphilosophie, bisweilen sind sie
scherzhaften Inhaltes. Die Rätbselfrage hat eine Wichtigkeit in der modernen
sicilianischen Yolkspoesie, welche eine trefTlicbe Erläuterung zu manchen
analogen Zügen aus den ältesten Zeiten der griechischen Literatur giebt , ein
Punkt , auf den ich unten noch zurückkomme. Aber die Versammlung und
ihre Helden sind zu lebhaft erregt, als dass es bei blossen Räthselfragen sein
Bewenden haben sollte. Allerlei Neckereien schliessen sich an, und aus den
dubbi werden förmliche sfide — Herausforderungen. Der eine verspottet den
Geburtsort des anderen — eine ebenfalls uralte Manier des Spottes — der An-
gegriffene antwortet ebenso schnell, indem er den seines Angreifers nicht
weniger arg mitnimmt. So geht's fort, bis einer stecken bleibt. Er entfernt
sich unter dem Jubel der Anhänger seines Gegners und fordert noch auf dem
Rückzüge den Sieger zu einem neuen Kampfe heraus.
Aber auch mit den Gesängen der Landleute an den Artemisfesten finden
wir noch heute in Sicilien Analogien. In seinen Canti popolari beschreibt p. 66
Vigo folgendermassen eine Feier des Festes S. Johannis des Täufers in Ga-
lermo. Es waren gegen 6000 Zuschauer versammelt. Mit dem Schlage Mittag
ward der Heilige auf den Platz geführt und auf das dort befindliche Gerüst
gestellt, und es traten auf dasselbe fünf Dichter, theils Handwerker, theils
Landleute. Nach einander improvisirten sie Verse über das Leben und die
Wunder des Heiligen. Keiner räumte den Platz ; alle zeigten sich gleich ge-
wandt, alle erhielten Preise. Das Volk findet so viel Vergnügen an diesem
Wettstreit, dass es ihm zu Liebe über zwei Stunden in der glühenden Mittags-*
hitze aushält. Wann dieser Wettkaropf zuerst eingerichtet worden ist, weiss
Niemand , aber er gilt für uralt. Soweit Vigo. Von der Stadt Avola meldet
nach dem Briefe eines Freundes Pitr^ p. 85 des dritten Bandes seiner Biblio-
teoa Folgendes. Jedes Jahr findet man am S. Gonradsfeste Nachmittags die
Kirehe voll von Leuten, welche 5 oder 6 Jünglingen zuhören, die die Wunder
des Heiligen in schönen improvisirten Stanzen vortragen. Diese Lieder gera-
then nicht in Vergessenheit ; das Volk behält sie, sie werden sein Eigenthum,
und es singt sie bei der £rnte oder der Weinlese. Und endlich berichtet Pitr^
ähnliches von Carini, wo am 3. Mai das Fest des Gekreuzigten ist. Da kamen
noch vor wenigen Jahren aus der Nachbarschaft, ja aus ganz Sicilien die besten
Improvisatoren in einer Kirche zusammen. In dem Getümmel des ungeduldi-
gen Volkes traten die Leute auf eine zu diesem Zwecke aufgeschlagene Bühne
und brachten einen ganzen Tag damit zu, die Leiden und den Tod Jesu Christi
zu feiern.
Es ist also erwiesen, dass noch jetzt das sicilianische Volk sich im Freien
an Wettgesängen belustigt, und dass Leute geringen Standes an gewissen Festen
in die Kirchen kommen, um den Heiligen des Tages um die Wette «zu besingen,
und damit sind die Nachrichten über den Ursprung der Bukolik in ihrer facti-
20»
308 Sechstes Buch. VIII. Die Bukolik. *
scheD RichtigiLeit gestaut und ihre enge Beziehung zu dem Volkscharakter
aufgezeigt. Noch leichter ist es, sie als ttbereinstimmeDd mit den Berichten zu
erweisen , die uns Über den Charakter des sicilischen Volkes aus dem Alter-
thum zugekommen sind. Ich habe bei einer andern Gelegenheit (Bd. I S. 233)
seine Gharakterzüge zusammengestellt. Einer der hervorragendsten derselben
war die Schlagfertigkeit, gerade wie noch jetzt ; es ist klar, dass diese die Ent-
stehung der Lieder, welche die Voraussetzung der bukolischen Poesie bilden,
sehr befördern musste. Andererseits stellte sich den Griechen überhaupt so
manche geistige Thäligkeit unter der Form des Wettkampfes dar. Wettkämpfe
in Literatur, Kunst, Gymnastik des Geistes erfüllten das Leben der Thätigen,
und so ist es um so erklärlicher, wenn auch die Lieder der sicilischen Hirten
die Form des Wettgesanges bevorzugten.
Um aber die Entstehung der Bukolik vollkommen zu begreifen, haben wir
nach einer andern Seite hin einen Blick zu werfen. Wir haben bisher von den
sicilischen Landleuten im Allgemeinen sprechen müssen; es ist aber nötfaig,
aus dieser Masse die Hirten , denen ja der Name der Bukolik eine besonders
hervorragende Thätigkeit zuweist, auszusondern und von ihnen zu zeigen,
dass sie sich vorzugsweise für die Ausübung der Poesie eigneten. Das kann
nun an sich in einem lebhaften, poetisch angelegten Volke keinem Zweifel
unterworfen sein, aus dem einfachen Grunde, weil die Beschäftigung des
Hirten die meiste Müsse lässt und das stete Leben in und mit der Natur diese
Müsse in einer Weise zu verwenden gestattet, die Augen und Herz offen erhält.
Es wird also, wenn das Volk überhaupt poetische Anlagen besitzt, der Hirt
ganz besonders im Falle sein, sie zu verwerthen. Was aber so ganz allgemein
sich als natürlich erweist, das lässt sich vom griechischen Volke noch speciell
nachweisen. Zunächst aus der Mythologie, deren Gestalten Abbilder des
menschlichen Lebens sind. So ist Hermes, der Hirtengott, zugleich der Erfin-
der der Leier. Ganz besonders ist hier aber die Gestalt Pan's typisch. Er ist
der Sohn des arkadischen Hermes und Gott der Heerden , insbesondere der
Ziegen. In den schattigen Bergthälern Arkadiens tummelt sich Pan mit den
tanzliebenden Nymphen , am Abend zieht er sich in seine Höhle zurück und
bläst auf der Syrinx, die er in dem Orte Melpeia auf dem lykäischen Gebirge
erfunden hat, und die Nymphen singen und tanzen dazu, so dass der Berg
wiederhalit und die Menschen unten andächtig lauschen. Diesem arkadischen
Pan entspricht in Sicilien Daphnis, der wie Pan Sohn des Hermes ist; der
Unterschied zwischen beiden ist nur, dass, während der Arkadier sehr muth-
willig und lustig auftritt^ der sicilische Hermessohn einen mehr ernsten, ja
melancholischen Charakter hat. An Hermes und Pan schliesst sich in dieser
Beziehung Apoll selbst, bei dem die Verbindung von Dichtkunst und Hirten-
leben sehr deutlich hervortritt. Auch er führt wie Hermes den Beinamen No-
mios; er hat Heerden, die ihm Hermes entführt; er hütet in den waldigen
Schluchten des Idagebirges die Binder des Laomedon und in Thessalien die
Heerden seines Freundes Admetos. Und wenn er die Heerde vor sich hintrieb,
sang und spielte er so wunderbar schön , dass die wilden Thiere aus dem
Walde hervorkamen und lauschten. Und wie die Hirten , wenn die Gelegen-
heit sich darbietet, auch Jäger sind, so finden sich Freude an der Jagd und
Verbindung von Poesie und Hirtenleben. 309
KuDSt der Lieder vereinigt in der Gestalt der Jagerin Artemis, welche in ganz
Arkadien als Hymnia, als Frühlingsgöttin der Lust und des Gesanges, verehrt
wurde. Geschichtlioh tritt aber die Verbindung von Hirtenieben und Musik
vorzüglich in der im Vorhergehenden schon mehrfach angeführten Landschaft
zu Tage, welche später, besonders nach dem Vorgange Vergirs, als die Urhei-
math des Hirtenlebens betrachtet worden ist, in Arkadien. Es kann also als
erwiesen angenommen werden, dass das Hirten- und Jägerleben bei den Grie-
chen die Entwickelung einer einfachen Poesie ganz besonders begünstigte.
Wir sind aber mit den bis jetzt gewonnenen Ergebnissen noch nicht am
Ende unserer Untersuchung über die Vorstadien der bukolischen Poesie. Wir
haben gesehen^ dass die Berichte der Alten an sich glaublich sind ; wir haben
durch moderne Analogien erwiesen , dass das Auftreten von Landleuten bei
Heiligenfesten und poetische Wettkämpfe derselben nach beendigter Arbeit
noch jetzt in Sicilien vorkommen, wir haben endlich gezeigt, dass das Hirten-
leben in Griechenland Poesie und Musik in seinem Gefolge hatte, und dass es
deswegen auch in Sicilien Poesie erzeugen musste. Es bleibt noch übrig den
Fortschritt aufzuzeigen, welcher in den an sich nicht unter einander überein-
stimmenden Berichten der Alten über den Ursprung der Bukolik vorhanden
sein muss.
Das Erste und Ursprünglichste enthält die Sage von Daphnis. Daphnis ist
der Erfinder der Bukolik, d. h. die sicilischen Hirten und Jäger dichteten und
sangen seit uralter Zeit. Daphnis ist Sohn des Hermes und einer Nymphe,
und er wird Gefährte der Artemis. Es gab eine Artemis Daphnaia ; der Lorbeer,
welcher ihrem Bruder heilig war, war auch ihr gewidmet, und so kann der
Name Daphnis die Angehörigkeit des Jünglings an Artemis bezeichnen. Diese
Angehörigkeit an Artemis ist aber sehr bedeutsam, was bisher nicht genügend
berücksichtigt worden ist. Daphnis ist Diener und Begleiter der jungfräulichen
Göttin, d. h. der Charakter der sicüischen Hirtenpoesie hat von vornherein
nicht das muntere, ja ausgelassene, welches bei einer Herleitung von Pan un-
vermeidlich wäre. Dazu kommt das traurige Schicksal des Daphnis ; das zeigt
noch mehr, dass die vorwiegende Natur der ursprünglichen sicilischen Hirten-
poesie eine mehr melancholische war. Aber es blieb nicht bei diesem rein
ländlichen, sich an das gewöhnliche Leben anschliessenden, auf religiöser
Grundlage ruhenden Gesänge. Vielleicht in Folge zufälliger Veranlassungen
kamen sicilische Landleute in die Städte , wo sie an gewissen Festen Lieder
zu Ehren der Artemis sangen, der Beschützerin des Daphnis. Dieses Stadium
der Entwickelung der Bukolik geben die Nachrichten der Prolegomenen zu
Theokrit wieder. Durch dieses Hineinströmen der Landleute in die Stadt,
welches an die um Weihnachten gebräuchlichen Umzüge der pißerari in den
grossen Städten Süditaliens erinnert, wurde die Hirtenpoesie dem gebildeten
Theile des Volkes bekannter. Aber solch Hineintragen der Bukolik in die höhe-
ren Lebenskreise, solches Vorführen derselben vor das'Publikum konnte nicht
ohne Einfluss auf die weitere Entwickelung derselben bleiben , die nun einen
doppelten Weg einschlug. Die einfach ländliche Poesie bestand fort und die
Darstellungen in den Städten daneben; jede der beiden Gattungen musste
sich besonders entfalten. Inzwischen verbreitete sich der Ruf der sicilischen
^J^^^^jr^l
i
, V
310 Sechstes Buch. VUl. Die Bukolik.
Hirtenpoesie nach auswärls , und wenn anderswo scbon etwas fihnlicbes ent-
standen war, so wurde dessen Ruhm durch das aus Sioilien gemeldete ver-
dunkeit. Nun nahm Theokrit die Sache auf. Um aber eu terstdien, in weldier
Weise sich in ihm selber die Entwic^elung vollxog, müssen wir jettt ein Idyll
analysiren, das nach seiner Entstehungszeit erst Später im Lebton defi Diditers
vorkommen würde, das aber, weil es eine für die Geschichte der Bukolik
wichtige Scene aus seiner Jugend beschreibt, an dieser SteUe bespro^en wer-
den muss.
Es ist das 7. Idyll , dessen Titel Thalysia, das Erntefest, ist. Es ^ielt
auf Kos. Der Dichter geht mit zwei Freunden , Eukritos und Amyntas , aus
der Stadt nach dem FluSse Haies, an dessen Ufer seine Freunde Phrasidamc»
und Antigenes wohnen, welche das Erntefest feiern. Gegen die Milte des
Weges treffen sie den Ziegenhirten Lykidas, der eine Strecke tnit ihnen geht
und mit dem Dichter, der hier Simichidäs genannt wird, einen bukoliscben
Wettstreit beginnt. Lykidas singt das Lob des voii ihm geliebten Ageanax, der
eine Fahit nach Mitylene unternommen hat. Er will den Tag, an dem er
htfren wird , dass jener glücklich angekommen ist , mit einem Gelage feiern,
bei dem auch Tityros singen wird :
V. 78—75. Wie für Xenea Daphnis in Lieb* einst glühte, der Kuhhirt,
Wie das Gebirg* er umächweifle and mit ihm klagten die Eichen,
Die an des Himera Strom hin v^chsenden über den Ufern,
und eine seltsame Geschichte vom Sklaven Komatas , der in einem Fasse ein-
geschlossen, Monate lang von Bienen ernShrt wurde. Dann beginnt der Dichter
selbst seinen Gesang , der von der Liebe seines Freundes Aratös zum Phi-
linos handelt. Zum Lohn erhält er ein Lagobolon Vom Lykidas, und die-
ser trennt sich von ihm. Nun gelangen die Wanderer zum Phrasidamos,
und es wird zum Schlüsse das Trinkgelage beim Altar der Demeter Aloas an-
muthig geschildert. Das Gedicht ist, wie siöh aus dem Anfange desselben
ergiebt, lange nach der Begebenheit verfasst, welche es darstellt, und die in
die Jugend des Dichters fkllt. Spater erinnert er Sich an den frohen Tag und
schildert ihn in seinen Einzelheiten, ks ist nun klar und allgemein anerkannt,
dass der Ziegenhirt Lykidas trotz seines Hirtenanzuges kein wirklicher Ziegen-
hirt ist, sondern einer der Freunde Theokrit's und Standesgenosse desselben,
und es ist ferner klar, dass hier zwei verstellte Namen vorkommen : Lykidas
und Sikelidas. Dieser soll der Dichter Asklepiades gewesen sein ; wer sich
unter dem Namen Lykidas versteckt , ist unbekannt. Ebenso wird aber auch
anerkannt werden müssen, dass der Name Simichidas, den sich Theokrit
selbst beilegt, nur ein verstellter ist, ein Name, der durchaus nicht auf einem
wirklichen Verwandtschaftsverhältnisse zu beruhen braucht, wie man es nach
den Schollen anzunehmen pflegt. Alle diese Namen sind angenommene Hir-
tennamen. Man wird bei genauer Berücksichtigung dieser Umstände zu der
Voraussetzung genOthigt , dass in Kos damals , als sich Theokrit dort aufhieJl
eine Gesellschaft junger Leute bestand, welche sich als Hirten verkleideten
und Hirtenlieder dichteten und sangen, und dass zu ihnen Theokrit seihst
gehörte. Diese Gesellschaft hatte natürlich , wie alle Vereinigungen bei den
Griechen, einen religiösen Mittelpunkt; in dichterischer Beziehung war sie
Idyll?. 311
von Philelas beeinflusse dessen Schüler fiuch Hcrniesianax war, von dem wir
alsbald sehen werden, dass er ebenfalls bukolische Slofle behandelt hat. Der
Beweis, dass das Hirlcngewand kein natürliches ist, liet^t in V. 92, wo Theo-
krit sagt, dass ihn die Musen unterrichtet haben , während er auf den Bergen
die Rinder hütete, denn bald darauf redet er von seinem Verhültnisso zum
Nikias ; er kann also nicht verlangen , dass jene Aeusserung ernstlich genom-
men werde; und dann ist auch der Ziegenhirl kein wirklicher Hirt. Wenn aber
zugegeben werden muss , dass Theokrit und seine Freunde auf Kos sich für
Hirten ausgeben , ohne es zu sein, so ist dadurch die Nothwcndigkeit besei-
tigt, auf dieser Insel eine bukolische Volkspoesie als vorhanden anzunehmen ;
aber es erwächst eine andere Frage. Da es junge Leute gebildeten Standes
waren, die dieses Spiel trieben und unl^r ihnen der Sicilier Theokrit, so fragt
sich : Kannte man in Kos schon vor Theokrit die in dieser Weise nachgeahmte
stciiiscbe Jlirtenpoesie, oder ist Theokrit es gewesen, der sie dort bekannt ge-
macht hat? Nun scheint mir kein Grund für die Annahme vorzuliegen , dass
man in Kos nicht schon, wie anderswo, von der sicilischen Bukolik gewusst
haben sollte. Der Name Daphnis war bereits vor 300 Jahren durch Slesichoros
in die Literatur eingeführt worden, und dass überhaupt die sicilischen Hirten
ein sang- und poesieIi«bendes Völkchen waren, mussle in Folge der Stesicho-
reischen Dichtungen ebenfalls überall, wo Griechen wohnten, bekannt sein.
Es ist freilich von der Kenntniss der sicilischen Bukolik zu ihrer Nachahmung
durch Leute höherer Stände ein weiter Schritt , und alles spricht dafür , dass
dieser nicht in einer gar fi*ühen Zeit gemacht worden ist. Dass aber Theokrit
selbst eine solche Genossenschaft in Kos gegründet haben sollte , wie sie nach
Idyll 7 vorhanden war, dafür ist kein Anhaltspunkt vorhanden. Die Verbin-
dung zwischen Sicilien und dem Orient war seit den Zeiten des Agatbokies
eine so lebhafte, dass eine bukolische Genossenschaft sich schon vor Theokrit
• • •
in Kos bilden konnte, üeberhaupt ist der Ursprung bukolischer Genossen-
schaften , die vielleicht eine nicht geringe Verbreitung hatten , zunächst ein
religiöser^ und wenn die Mitglieder derselben die Hirtenpoesio pflegten, wie
das in Kos geschah, so war durch diese Poesie keineswegs ihre Entstehung
bedingt.
Wir müssen jetzt den Charakter der im 7. Idyll enthaltenen Hirtenlieder
untersuchen und sie mit den übrigen bukolischen Poesien Thookrit's verglei-
chen. Zunächst ist daran festzuhalten , dass die Bukolik des 7. Idylls ebenso
ächte bukolische Poesie sein will , wie die der anderen Hirtengedichte Theo-
krit's; das beweist der Vers 36, der einem im ersten Idyll wiederholt voiliom-
menden ganz ähnlich ist. Der Inhalt der beiden, yon Lykidas und Simichidas
gesungenen Lieder ist aber viel mehr erotischer und insofern rein mensch-
licher Natur, als derjenige der bukolischen Gesänge der übrigen Idyllen Theo-
krit's. Dabei geben sich die beiden Sänger nicht die mindeste Mühe, ihre
höhere Bildung zu verbergen, und ebenso wenig bestreben sie sich, es au
ihren Liedern erkennen zu lassen, dass sie Hirten sein wollen, obschon durch
eine bemerkenswerthe Nüancirung der beiden Gesänge derjenige des Lykidas,
der ja für einen Ziegenhirten ausgegeben wird , «ine, doppelte Anspielung auf
das Uirtenleben enthält. Anders die Reden und Gesänge der Hirten in den
SflFhstex Buch. VIII. Dk Bukolik.
ulisrheii Gedichlen Theokril's. Sie sind draoiatischer und charak-
d. fa. der Persönlichkeil entsprechender. Es sind nichl mehr ver-
en, welche reden, sondern wirkliche, und die episch- lyriscjie
Gunsley einer mehr dialogischen, also dramaliscben, aurgegeben.
jedoch nichl elwa die Bebauplung aufgeslelll werden , als ob die
Lolischen Gedichte Theokrit's der Volkspoesie in allen Beziebuogen
;n, als die Gesünge des 7. Idjils. In einer Rücksicbl müssen viel-
als ibr näherstehend helrachlel werden. Die Poesie des Volkes
ebenso wie die Kunslpoesie, und vielleicht mehr noch als diese,
menschlichen Einiiiindungen und behandelt besonders das Them«
Es tritt in ibr durchaus nichl der Beruf der Dichter hervor. Der
siDf;t nicht vom Pfluge, der Handwerker nicht von seinem Gerath
;eugnissen seiner Kunsl, der Hirt nicht von seinen Thieren. Wenn
Kunsldichtcr Hirten auftreten lassen will, so wird or, um den
zu zeichnen, auf dem sich seine Personen bewegen, die Bescbäf-
rsclbcn viel mehr in das Gedicht hin ein verflechten, als wirkliche
ihren Liedern thun. Es sind hiernach, eigenthUmlich genug, die
verkleideten Hirten des 7. Idylls mehr den wirklichen Hirleiilie-
schenJ, als die Hirtenlieder in den eigentlichen bukolischen Ge-
i mun siehi zugleich hieraus, dass jene Lieder des 7. Idylls als ein
u den anderen zu betrachten sind,
wir nun fragen , wo und unter welchen EinllUssea sich im Geiste
die weitere Enlwickelung dieser Kuostform vollzogen hat, die ihn
.olik des 7. Idylls zu der der Übrigen führte, so kann nur Sicilien
ilisclie Kunstpoesic genannt werden, und unter den siciiischen
m ist der llaupteiufluss auf Theokrit dem Sophron zuzuschreiben,
eil Überliefert, dass für das i. und 15. Idyll Theokrit sich an
ehnte, abcr'es ist klar, dass er überhaupt viel von ihm gelernt hat
l> kleine Bilder aus dem liigtichen Lel>en in dramatischer Porm.
T seil lUngerer Zeil ein Interesse fUr das Hirtenteben gefassl und in
als Hirt gedichtet halte , kam auf den Gedanken , das Hirtcnlebeo
er mehr dramatischen Weise darzustellen, und lernte von Sophron
lung des Dialogs und seine Lebendigkeil, während er aus seiner
lerigen dichleriscbcn Tbatigkcit die poetische Form und zwar den
:en Hexameter beibehielt,
hcn von diesen persönlichen Anslässen und formellen Unler-
war das Hervortreten der Bukolik als eigener Dichtungsart bereits
ängc in den bisher vorhandenen dichtcrisdien GaUungcn vorbe-
rede hier \%eniger vom Epos, welches schon in Homor's Gedichten
lische Schilderungen geboten halte, alwr die Lyrik hatte in Stesi-
ersten Haie den siciiischen Hirten Daphnis vorgeführt, und ganz
alte die dramatische Poesie das Publikum auf Theokrit vorbereitet .
ohne Bedeutung, dass von Einigen Kpicbarmos Sohn des Tilyros
irde, man darf daraus schliessen , dass auch das Hirtcnlchen in
spielen vorkam ; aber »uch das attische Drama hal sich mit solchen
m beschüfligl. Von dem Dichter Kratinos, der der'allen Komödie
Bukolik. Idyll 46. 313
angehört, gab es ein Stttck, Bukolos betitelt, das seinen Stoff doch wohl aus
dem wirklichen Hirtenleben entlehnt haben wird; vor allem aber war hier
das Satyrspiel von Wichtigkeit. Die Satyrn lebten wie die Hirten im Freien,
und so musste durch die Satyrspiele das Volk schon an die Vorführung von
Bildern aus dem Hirtenleben gewohnt sein. Es ist uns leider nur ein Stück
dieser Gattung erhalten, der Kyklop des Euripides, aber schon dieses gestattet
einzelne Parallelen mit theokriteischen Stellen, in denen bei aller Aehnlichkeit
der behandelten Gegenstände doch eine gewisse Verschiedenheit des Tones
hervortritt: bei Euripides mehr Schwung, bei Theokrit mehr Einfachheit.
Endlich ist nicht zu übersehen, dass der Dithyrambus unter den Händen des
Phiioxenos zu einer Darstellung des Hirtenlebens, geworden war. Seine Galateia
spielte in Sicilien und war in Sicilien gedichtet. So war Neigung genug beim
Publikum vorbanden, bukolische Gedichte zu .hören. Indem nun Theokrit
dieser Stimmung entgegenkam , schuf er zugleich eine neue dichterische Gat-
tung, die durchaus in Sicilien wurzelte. Allerdings haben wir aus dem Alter-
thum Nachrichten von bukolischen Gedichten, welche sich auf einem anderen
Schauplatze bewegen. Aber diese Nachrichten sind so fragmentarisch, dass
man nicht einmal genau bestimmen kann, in welcher Form diese Gedichte
abgefasst waren, weshalb es unmöglich ist zu sagen, ob sie der bukolischen
Poesie im Sinne Theokrit's angehören. Es wird überliefert, dass Hermesianax,
ein Schüler des Philetas , Daphnis und Menalkas nach Euboia versetzte , aber
das wird nicht geschehen sein, weil aus Euboia Volksüberlieferungen über
Daphnis vorlagen , sondern nur weil Hermesianax eine Variation an der her-
kömmlichen Sage anzubringen beabsichtigte. Wo aber die von RIearch er-
wähnte Eriphanis mit ihrem Liede auf den Jäger Menalkas zu Hause ist,
wissen wir überhaupt nicht. Der Dramatiker Sositheos, der ein Satyrspiel
Daphnis oder Lityerses dichtete, war ein Zeitgenosse , vielleicht ein Freund
Theokrit's.
Wenden wir uns jetzt wieder zur Lebensgeschichte Theokrit's , den wir
verliessen, wie er nach Sicilien zurückkehrte, wo er neue Anregung zu seinen
bukolischen Gedichten empfing. Er war daselbst um das Jahr 269 , wie aus
dem damals geschriebenen 16. Idyll hervorgeht, das ihn nach vergeblichen
Versuchen, auswärts eines Fürsten Gunst zu gewinnen, um den Schutz Hie-
ron^s von Syrakus bemüht zeigt.
Das Gedicht ist -betitelt: Die Grazien oder Hieron. Unter den Grazien
versteht er zunächst die ihm Huld erweisenden Göttinnen, durch deren Gnade
die Musen ihm die Gabe der Dichtkunst verliehen haben. Aber er verwendet
ihren Namen auch zu einer Art von Wortspiel, indem er an die Geschichte des
Simonides erinnert, der gesagt hatte (Bd. I S. SH), er habe zwei Kisten, die
eine voll Dank (Charis) , die andere voll Geld ; wenn er in Noth sei , sei die
erste stets leer und nur die zweite helfe ihm. So fragt Theokrit : Wer will
unsere Huldgöttinnen bei sich aufnehmen und sie nicht unbeschenkt von sich
lassen? Sie schelten mich schon, dass ich einen vergeblichen Gang gethan
habe, und sitzen frierend im Grunde der leeren Kiste. Es ist hier also die Ge-
schichte des Sinionides benutzt, aber anders gewandt: Nach Simonides sitzt in
der leeren Kiste der Dank derjenigen , die nicht zahlen ; Theokrit setzt seine
314 Sechstes Buch. Vlil. Die Bukollk.
eigenen Huldgöttinnen hinein und Ifisst sie da frieren. Dann klagt er über die
schlechten Zeiten: die Menschen wollen nichts mehr an die Dichter wenden
und doch ist es fttr die Möchtigen nüttlicfa, die Musen zu beschtUxen. Wenn
sie sich nicht den Dichter zum Freunde halten , wer spricht dann nodi von
ihnen nach ihrem Tode? Dann fragt er sich, wem er seine Kunst widmen söU,
und die Antwort lautet : Bald wird ein Mann des Sängers bedfirfen, der an
der Spitze der Syrakusaner den Nationalkrieg gegen die Punier führen wird.
Er entwirft ein Bild des von ihm gewünschten Zustandes Siciliens :
Y. St'-*'403. Wenn doch, o Zeus, rubmvotlerl und Pallas Athen' und o Tochter,
Die Du, der Mutter gesellt, babseliger Ephyräer
Grosse Stadt Dir erkorst an der Lysimeleia Gewässern : *
85 Wenn ihr böses Verhängniss die Feinde doch würf aus der Insel,
Durch das sardonische Meer, dass der Freunde Geschick sie erzflhKen,
Frauen und Kindern daheim, ein lihlbarer Rest von so Vielen!
O wenn wieder die vorigen Bürger die Städte bewohnten.
Welche zu Schott und Trümmern die Httnde des Feindes verkehrten !
90 Würden die grünenden Fluren gebaut und möchten der Schafe
Zahllos wimmelnde Schaaren, auf grasiger Weide gemästet,
Blöken dui^h's Thal, und die Rinder, am Abende heim in die Hürden
Kehrend, zur Elf antreiben den langsam schreitenden Wanderer!
Würden die Brachen gepflügt zur Einsaat, wann die Cikade,
95 Ruhende Hirten belauschend am Mittag, singt in der Bäume
Wipfel ihr Lied I 0 dehnte die Spinn' ihr zartes Gewebe
Ueber die Waffen doch aus, und verschwände der Name des Schlachtrufs !
Trügen dann Hieron's hocbgefiBierteo Namen die Dichter
Ueber das skythische Meer und hin, wo, die riesige Mauer
4 00 Festigend einst mit Asphalt, Semiramis herrschte, die grosse.
Einer der Dichter sei ich ! Doch lieben die Töchter Kronion's
Auch vier andre, die alle Sikeliens Quell Arethusa
Singen, zusammt dem Volk, und Hieron's herrliche Stärke.
Das Gedicht ist von eftner eigenthttn>lichen Keckheit. Es ist eine Ausfüh-
rung der Frage: Wer will mir etwas schenken? Eine solche Keckheit wird
eben nur darch den frischen Ton , in dem sie vorgebracht wird , den halben
Scherz, der damit verbanden ist, erträglich. Man sieht, dass Theokrit noch
jung war, da er es schrieb, aber dass er nichtsdestoweniger schon Uebung in
der Dichtkunst und einigen Ruf als Dichter hatte. Aber das Gedicht half ihm
wenig. Bald finden wir ihn nicht mehr in Sicilien. Es war nnn freilich erklär-
lich , dass der Anruf an die Freigebigkeit Hieron's nicht auf die Dauer Erfolg
haben konnte. Denn im Jahre 264 brach der erste punische Krieg aus , und
mit dem Eindringen der ROmer in Sicilien erwuchsen dem Fürsten so schwere
Sorgen , dass er für Dichter und ihre BedOrfnisse fttr's erste noch weniger Ge-
hör haben mochte als sonst. So ging denn Theokrit nach Aegypten zurück,
wo sich der eigenthümliche Charakter der auf Glanz gerichteten und eine hohe
Bildung fördernden Regierung des Ptolemaios Philadelphos immer deutlicher
herausstellte und bei Dichtern die grössten Hoffnungen erwecken musste.
Wie ich meine , ging Theokrit über Milet nach Aegypten. Das reizende
28. IdylT ist geschrieben , als der Dichter von Syrakns nach Milet reiste und
der Gattin seines Freundes Nikias einen elfenbeinernen Spinnrocken mit-
brachte, den er in dem Gedichte anredet. Von Milet ist er dann nach Alexan-
dria gegangen, wo er nach dem Jahre 258 das 17. Idyll verfasste. Es ist in
Idyll 98, 4 7| 44 and 4. 315
diese Zeit zu setsen , da in V. 89 den Aegyptern der Besitz der SUdkttsie von
Kleinasien zugeschrieben wird , welche Ptolemaios erst durch einen im Jahre
25S begonnenen Krieg erlangte. Das Gedicht beginnt wie ein alter fiymnos
und BUgleioh wie das Werk seines Freundes Aratos^ die Phainoroena, mit dem
Preise des Zeus, um dann sogleich in das Lob des Ptolemaios Überzugehen,
welches uns hier nicht interessirt. Wohl aber muss eine Eintelbeit des Ge-
dichtes hervorgehoben werden. V. 44S erwühnt Theokrit besonders, dass bei
Ptolemaios derjenige Lohn findet, der den Dionysos recht zu preisen weiss.
Diese Bemerkung zeigt nttmlich, dass das 26. Idyll TheokriVs aus derselben
Zeit stammt. Es erzählt die Zerreissung des Pentheus durch die Mdnaden,
aber seiner Teüdenz nach ist 6s ein Hymnos auf den Dionysos. Vielleicht hat
Theokrit gerade für dieses Gedicht von Ptolemaios Lohn empfangen.
Mit dem 47. Idyll stelle ich des Inhalts wegen das 4 4. zusammen: ein
GesprSch zwischen Aisohines und ThyoniohoSf in welchem sich jener über
seine Geliebte Kyniska beklagt, welche Ihm untt^n geworden ist. Er erzählt
ausftthrlioh, was bei einem Trinkgelage, bei dem sie anwesend war, vorge^
faUen ist, und wie Kyniska Dichte mehr von ihm wissen wilL Er will anderswo
Sold nehmen. Da rftth ihm Thyonichos, sum Ptolemaios zu gehen, und den
Schluss des Gedichtes bildet nun das Lob des Königs von Aegypten.
Nunmehr können wir zu einer genaueren Betrachtung der bukolischen
Dichtungen Theokrit's schreiten, die wir uos grtfsstentheils in Alexandria ver-
fasst zu denken haben.
Zunächst einige kurze Bemerkungen über ihre Form. Sie sind meist
Gespräche mit Einfügung längerer Gesänge ; bisweilen Monologe. Reines Ge-
spräch ist Idyll 4 ; Gespräche mit Liedern , welche um die Wette gesungen
werden, ^nd: 5, 8, 9, 40. Gespräch mit einem einzigen längeren Liede
ist 1 . Einzelne Lieder sind : 3 und 4 4 . Eine dramatische Scene ist 6. End-
lich ist noch das vielfach für unecht gehaltene 27. ein rein dramatischer Dia-
log. Die übrigen angezweifelten werden später erwähnt werden.
Es ist schon bemerkt worden, dass sich bei Theokrit Kehrverse, Refrains
finden. Dadurch entstehen von selbst Strophen: Id. 4 und 2 ; aber Strophen
kommen auch in Gedichten ohne Refrain vor, so im 3., 5., 8., 40. Im 8. Idyll
sind auch je zwei elegische Distichen zu einem Ganzen verbunden. Eine an-
dere Eigenthümlichkeit der theokriteischen Poesie folgt aus der Natur des so
viel von ihr angewandten Wechselgesanges. Wenn nämlich die Gesänge oder
Reden schnell wechseln , so ergiebt sich als natürliche Folge ein Entsprechen
der Gedanken und Worte. Diese Responsion findet sich besonders im 4 . und
8. Idyll.
Wir betrachten jetzt die einzelnen Idyllen in der oben angegebenen
Reihenfolge, da es unmöglich ist, hier eine chronologische durchzuführen.
Das 4. Idyll spielt in der Nähe von Kroton. Unteritalien ist ebenso oft
der Schauplatz der theokriteischen Idyllen wie Sicilien , und man kann an-
nehmen, dass der Dichter sich auch eine Zeitlang in Grossgriechenland aufge-
halten hat. Korydon weidet die Kühe des Aigon, der mit Milon, dem berühm-
ten Fauslkämpfer, nach Olympia gegangen ist. Das Idyll spielt also ein paar
hundert Jahre vor Theokrit, was den Dichter jedoch nicht abhält, Anspielungen
316 Sechstes Buch. VIII. Die Bukolik.
auf Personen seiner Zeit zu machen. Es sind durdiaus gewöhnliche Menschen,
die sich mit einander unterhalten. Korydon ist ein ziemlich einfältiger Borsdiey
der, als er durch die Erwähnung der verstorbenen AmarylHs, der Geliebten
des Battos, diesen in Betrtlbniss versetzt hat, ihn auf etwas alberne Weise
damit zu trösten sucht, dass man hoffen müsse, so lange man lebe.
Das 5. Idyll ist überschrieben: Die Bukoliasten oder Wettsänger. Die
Scene ist wiederum in Unteritalien. Zwei Sclaven, welche einem Sybarilen
und einem Thurier angehören, Komatas und Lakon, reizen sich durch Stiche-
leien und beginnen dann einen Wettgesang , bei dem sie sich einen Schieds-
richter in der Person des Morson erwählen. Der eigentliche Wettgesang be-
ginnt Y. 80 mit Versen des Komatas und geht ganz regelrecht in der Weise
fort, dass, nachdem Komatas in zwei Zeilen einen Gedanken, der seine eigene
Verherrlichung enthält, ausgesprochen hat, Lakon mit einem ähnlichen Selbst-
lob antwortet. Komatas hat auch das letzte Wort, denn Morson lässt nach der
Behauptung desselben, dass er sich zum Lakon verhalte, wie ein Sdiwan zum
Wiedehopf, diesen nicht mehr zum Worte und giebt dem Komatas den Preis.
Gründe für den Urtheilsspruch sind nicht vorhanden, und es ist bemerkens-
werth, dass Komatas als Herausforderer die leichtere Rolle gehabt hat, wäh-
rend dem Lakon die schwierigere Aufgabe zufiel , stets etwas dem Gedanken
des Andern entsprechendes zu extemporiren.
Das 8. Idyll, wo die Bukoliasten Daphnis und Menalkas sind, hat eine
kleine Einleitung. Der Ton dieses Idylls ist ein ganz anderer als der des 5.
Es sind nicht Sklaven, die ziemlich grobe Empfindungen äussern; es sind
freie Jünglinge, welche ihrem höheren Stande entsprechend reden. Sie fordern
sich ohne weitere Sticheleien zum Kampfe heraus, und die Form der Wettge-
sänge ist eine viel gewähltere und schwierigere : das elegische Distichon. Man
muss nicht glauben, dass der Daphnis dieses Idylls derselbe mit dem mythi-
schen Daphnis des ersten ist, ebenso wenig wie Korydon, Amaryllis u. s. w.
immer dieselben sind, wo sie bei Theokrit vorkommen. Es sind eben Hirten-
namen.
Das 9. Idyll ist eine Sammlung von Fragmenten, die wiederum Daphnis
und Menalkas in den Mund gelegt sind.
Im 40., die Schnitter überschrieben, unterreden sich Milon und Bu-
kaios. Dieser singt ein Lied zum Lobe seiner Schönen, während Milon es für
passender hält, wie die Reihe an ihn kommt, allerlei für den Landmann nütz-
liche Sprüche vorzutragen. Beide Sänger bedienen sich zweizeiliger Strophen,
und Milon bezeichnet sein Lied als von Litverses erfunden. Wir wissen, dass
Lityerses der Name des Schnitterliedes war. Es ist also das 10. Idyll nicht im
eigentlichsten Sinne ein bukolisches Gedicht, obschon es ganz denselben Cha-
rakter hat wie diese.
Eins der schönsten Gedichte Theokrit's ist das erste Lied: Thvrsis oder
«
der Gesang vom Tode des Daphnis. Tbyrsis beginnt , und in seinen Worten
wird uns sogleich ein Bild der lieblichen Scenerie gegeben :
V. 4—6. Lieblich, o Geisshirt, ist das Getön, das die Pinie drüben
Säuselnd am Felsquell übt, das melodische ; lieblich ertönt auch
Deine Syringe ; nach Pan wird billig der andere Preis Dir.
Bukolische Gedichte TbeokrH's. 317
Wenn er den Bock sich erwarb, den gehörnten, nimmst Du die Ziege,
Wenn zum Lohn er die Ziege behält, dann folget das Zicklein 5
Dir ; und fein ist das Fleisch vom Zickelchen, bis Du es melkest.
Der Ziegenhirt erwidert in ähnlicher Weise, worauf Tbyrsis vorschlägt, er
mdge auf seiner Syrinx blasen. Das aber will der Ziegenhirt nicht; um Mit-
tag, wenn Pan schläft, darf man nicht dessen Ruhe stören. Er fordert Thyrsis
auf, das Lied von Dapbnis zu singen , das er einst im Wettstreit gegen den
Libyer Chromios gesungen hat; zum Lohne will er ihm gestatten, seine Ziege
dreimal zu melken, und ihm einen hdlzeraen Becher schenken, der beschrieben
wird. Nun beginnt Thyrsis sein Lied vom traurigen Ende des Dapbnis :
V. 64—70. Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Uirtengesang an 1
Thyrsis vom Aetna ist hier, und die liebliche Stinime des Thyrsis. 65
— Wo wart ihr, als Dapbnis verschmachtete, wo doch, o Nymphen?
Fern im peneiischen Tempe, dem reizenden^ oder am Pindos ?
Denn nicht weiletet ihr um den mächtigen Strom des Anapos,
Nicht um des Aetna Geklüft, noch Akis' heilige Wasser.
Hebet Gesang, ihr Musen, geliebteste, Hirtengesang an ! 70
Der von Thyrsis besungene Daphnis ist der alte mythische sicilische Rinder-
hirt, aber sein Schicksal entspricht durchaus nicht dem, was wir nach Diodor
u. A. im ersten Bande (S. 56) von ihm erzählt haben. Nach unserem Gedichte
hatte sich Daphnis gerühmt, der Macht der Liebe widerstehen zu können.
Aber Aphrodite flösste ihm Liebe zu einer Nymphe ein , die ihn wieder liebte.
Daphnis will sein Gefühl überwinden und stirbt an diesem inneren Kampfe.
Der Inhalt des Liedes ist nun, wie Alles Daphnis beklagt, die Thiere des
Waldes und die Götter, die ihn besuchen. Aphrodite möchte ihn nun doch
retten, aber es ist zu spät. Dass Theokrit sich nicht an die geläufige Sage vom
Daphnis angeschlossen hat, ist nicht wunderbar. Es lagen offenbar bereits
sehr verschiedene Sagen über die Schicksale des Daphnis vor, ,so dass es den
Dichtern gestattet war, ihrerseits frei zu verfahren.
Im 27. Idyll kommt wieder ein Daphnis vor ; es ist nicht der Heros, aber
auch nicht der des 8. Idylls, ohne dass man deswegen das Gedicht für unächt
zu halten hätte. Es hat einen so lebhaften Dialog, dass es durchaus nicht
Theokrit's unwürdig ist.
Im 6. Idyll führen Damoitas und Daphnis eine dramatische Scene auf.
Letzterer, welcher allerdings Rinderhirt genannt wird, aber wiederum nichts
vom alten Heros an sich hat, macht den Kyklopen Polyphemos darauf aufmerk-
sam, wie sehr ihn Galateia liebt, und wirft ihm vor, dass er sich so wenig um
sie kümmere. Nun spielt Damoitas die Rolle des Polyphem und setzt in sehr
drolliger Weise aus einander, dass er nur so thue, um die Galateia noch mehr
in sich verliebt zu machen.
Das 3. Idyll, ein Monolog, ist überschrieben: Der Ziegenhirt, der ein
Ständchen bringt, oder Amaryllis. Die ersten Verse spricht der Hirt, ehe er
zur Grotte kommt, wo seine Geliebte sich befindet. Dann redet er sie an und
beklagt sich über ihre Härte ; führt alsdann, um sie zu rühren, mythologische
Reispiele an, wo Frauen oder Göttinnen Männern ihre Liebe gewährt haben.
Aber alles hilft nichts, und so bricht er zuletzt in Verzweiflung aus.
Der zweite Monolog, Idyll 1 1 , der Kyklop , ist durch einige Verse einge-
leitet, welche Theokrit an seinen Freund Nikias richtet, des Inhalts, dass kein
318 Sechstes Buch. Ylll. Die BukoHk.
aQderes Mittel den durch Liebe verursachten Kummer heile als die Musen.
Das hat auch der Kyklop Polyphemos erfahren, als er die Galateia liebte, die
ihn verschmähte. Da sang er sein Lied, das Theokrit mittheilt, und von dessen
eigenthümlichem Reize folgende wenige Verse einen Begriff geben mögen :
0 Galateia» du weisse, den Liebenden so zu verschmähen !
30 Weiss wie geronnene Milch und zart von Gestalt wie ein Lömrochen,
Und wie ein Kalb muthwUlig, und frisch wie die schwellende Traube !
Immer nur kommst ^u so her, wenn der süsse Schlaf mich umfllnget,
Und gleich eilst du hinweg, wenn der süsse Schlaf mich entlasset.
Ja du entfliehst, wie ein Schaf, das eben den graulichen Wolf sah.
23 — Damals liebt ich bereits dich, Mägdelein, als du mit meiner
Mutter das erste Mal kamst, Hyakinthosblumen zu pflücken
In dem Gebirg ; ich war es ja, welcher die Wege dir nachwies.
Seitdem möcht' ich dich immer nur anschaun, immer ! es lässt mir
Keine Ruh ; doch du, bei'm Zeus, nichts achtest du, gar nichts !
30 Ich weiss schon, holdseliges Kind, warum du mich fliehest:
Weil mir über die Stirn' durchweg sich die borstige Braue
Streckt, ein mächtiger Bogen von einem Ohr zu dem andern,
Drunter das einzige Aug' und die breite Nas' auf der Lefze.
Aber auch so wie ich bin, ich weide dir Schafe bei Tausend,
35 Und die fetteste Milch mir zum Leibtnink melk' ich vöo ihnen.
Käs' auch mangelt mir nie, im Sompaer nicht oder zur Herbstzeit,
Noch im härtesten Frost; schwer voll sind die Körbe beständig.
Auch die Syringe versteh' ich, wie keiner umher der Kyklopen,
Wenn ich, o Honigapfel, dich sing' und daneben mich selber,
40 Oft noch spät in der Nacht. Auch elf Hirschkälbchen dir füttr' ich
Auf, mit Bändern am Hals und dazu vier Junge der Bärin.
Ei, so komm doch zu mirl Du sollst nicht schlechter es finden.
Lass du das blauliche Meer wie es will aufschäumen zum Ufer;
Lieblicher soll dir die Nacht bei mir in der Höhle vergehen.
45 Lorbeerbäume sind dort und schlank gestreckte Cypressen,
Dunkeler Epheu ist dort und ein gar süsstraubiger Weinstock ;
Kalt dort rinnet ein Bach, den mir der bewaldete Aetna
Aus hellschimmerndem Schnee zum Göttergetränke herabgiesst.
0 wer wählte dafür sich das Meer und die Wellen zur Wohnung?
50 Aber wofern ich selber zu haarig dir dünke von Anseh'n,
Hier ist eichenes Holz und reichliche Glut in der Asche :
Schau, gern duld' ich's, und wenn du die Seele sogar mir versengtest,
Oder mein einziges Auge, das Liebste mir, was ich besitze !
Nicht von allen werden fUr acht gehalten Idyll 30 und 34. In jenem be-
klagt sich ein Rinderhirt über die Sprödigkeit einer Städterin. Allerdings
erinnert manches im Gegenstand wie in der Ausftihrung an das 4 4 . Idyll, so
dass die Annahme einer Nachahmung von fremder Hand nahe liegt. Das 34 .
zeigt uns zwei arme Fischer , die in der Nacht , schlaflos in ihrer Htttte am
Meere liegend, sich unterhalten. Der eine erzahlt einen Traum, den er gehabt;
wie er einen goldenen Fisch gefangen und geschworen habe , nie wieder zu
fischen. Sein Genosse beruhigt ihn in seiner durch diesen Schwur entstande-
nen Verlegenheit, indem er ihm auseinandersetzt, dass er nicht verpflichtet
sei, ihn zu halten.
Aus dem Vorhergehenden wird die Eigenthttmlichkeit der bukolisoben
Poesie Theokrits so klar geworden sein, dass es nur noch weniger allgemeiner
Bemerkungen darüber bedarf. Die ganze Gattung entstand in einer Zeit hOch-
Cbarakter der Bukolik. 319
ster Bildung und fand deswegen Beifall beioQ Publikum, weil sie im Gegeosats
zu der übartriebeneu Verfeinerung, welche fast alle Schiebten der Gesellschaft
ergriffen hatte, die einfachen Sitten des Landvolks schilderte. Aebnlich ist der
Beifall zn erklären . den in unseren Tagen die Dorfgeschichte gefunden hat,
die um so mehr gefiel, je mehr Geschichten aus den Salons man hatte lesen
müssen. Aber nicht bloss für die Menschen des 3. Jahrh. v. Chr. lag der Reiz
der bukolischen Poesie in diesem Gegensatze zum deinen Stadtleben ; er liegt
für alle späteren Zeiten darin , denn er ist es , der die vielen Nachahmungen
veranlasst hat, die Tbeokril^s Gedichte fanden ; und dieser selbe Contrast, der
sich so viele Jalirhunderte hindurch kräftig erwiesen hat, er ist auch dem
Dichter bewusst gewesen. Man hat darüber gestritten, ob in Theokrit's Idyllen
der Gegensatz von Stadt und Land zu Tage trete. Die Frage ist leicht zu be-
antworten : Theokrit war durchdrungen von dem Gefühle des Gontrastes zwi*-
schen einem einfachen und natürlichen und einem verkünstellen und verfei-
nerten Leben und betrachtete es als seine Aufgabe, jenes zu schildern. Dieser
Gegensatz kann auch aufgefasst werden als der zwischen Stadt und Land.
Aber es fiel Theokrit nicht ein, denselben in der Weise hervortreten zu lassen,
dass er ausdrücklich Vergleiche zwischen Stadt- und Landleben angestellt
hätte. Er Hess die Gemälde des Landlebens rein durch sich selber wirken und
zeigte sich so als wahren Künstler,
Diese acht künstlerische Objectivität offenbart sich ferner bei Theokrit
darin , dass er nicht ideaüsirt. Seine Hirten sind in keiner Beziehung ideale
Menschen. Sie sind weder schöner noch tugendhafter als wirkliche Hirten.
Daher kommt es denn auch, dass er niemals eine moralische Tendenz verfolgt,
niemals die Mensdien zu bessern sucht durch Hinweisung auf die Sitten des
Landes, die eben nicht retner sind als die städtischen.
Aus der Objectivität Theokrit^s geht aber noch eine andere charakten^
stische Eigenthümlichkeit desselben hervor, die gewöhnlich weniger beachtet
wird. Sie besteht darin, dass er seine Hirten nicht alle auf dieselbe Weise
reden lässt. Man beadite in dieser Beziehung den Unterschied im Ton zwi-
schen Idyll 4 und 5 einerseits und Idyll 8 andererseits. In jenen beiden sind
die handelnden Personen ziemlich einfache, ja rohe Kerle , im 8. Idyll zwei
Jünglinge von gutem und zartem Gemüthe. So hat er auch keineswegs ver-
schmäht, unter Umständen seine Hirten eine nicht unbedeutende mvtholo-
gische Gelehrsamkeit entwickeln zu lassen, wie sie den meisten Leuten dieses
Standes fremd gewesen sein dürfte, so im 3. Idyll von V. 40 — 52. Es sind
eben nicht alle Hirten sich gleich.
Wir dürfen nach dem Vorhergehenden sagen, dass Theokrit durch die
Objectivität seiner Darstellung, durch die Treue und Lieblichkeit seiner N^tij^r-
schiiderung, durch die Kunst, mit der er die verschiedenen Persönlichkeiten
seiner bukolischen Gedichte ihren Charakter enthüllen lässt, die von ihm ge-
schaffene Dichtungsart auf eine Höhe gebracht hat, auf der wir sie, wenn das
Zusammentreffen aller vorhin genannten Eigenschaften in Frage kommt , seit-
dem nicht wieder finden. Jetzt sind noch die übrigen theokriteischen Gedichte
kurz zu besprechen.
Ich nenne zunächst das 1 8. Idyll , das Hochzeitslied , welches die spar-
320 Sechstes Buch. VIII. Die Bukolik.
tanischen Jungfrauen der Helena singen. Nach dem Scholion bat Theoknt fttr
dieses Gedicht das entsprechende Werk des Stesichoros benutzt. Man hat mit
Recht aus dem »alsoa des ersten Verses geschlossen , dass das Idyll bestimmt
gewesen sei, in ein anderes Gedicht eingefügt zu werden , das somit vielleicht
selbst bei der Hochzeit irgend eines Freundes gesungen werden sollte. Das
48. Idyll ist durch ein Gleichniss von ganz orientalischem Charakter bemer-
kenswerth.
Noch schöner und in mancher Hinsicht die vollendetsten theokriteischen
Gedichte sind aber das S. und das 45.
Das 2. Idyll, die Giftmischerinnen , ist eins der lebhaftesten und leiden-
schaftlichsten poetischen Erzeugnisse des Alterthums. Es ist ein langer Mono-
log. Simaitha, von ihrem Geliebten Delphis verlassen, nimmt ihre Zuflucht zur
Zauberei, und indem sie ihrer Dienerin Thestylis Anweisung über das giebt,
was zu tbun ist, erzählt sie zugleich die Geschichte ihrer Liebe , wie sie ent-
stand, wie ihre Wünsche sich erfüllten, und wie nachher Delphis sie verlassen
hat. Von Zeit zu Zeit kommt derselbe Vers wieder, zuerst die Beschwörung :
V. 17 Roir, 0 Kreisel, und zieh in das Haus mir wieder den Jüngling!
nachher
V. 69 Sieh', o GöUin Selene, wober mir die Liebe gekommen !
In ganz anderem Tone ist das 15. Idyll geschrieben, die Syrakusanerinnen
oder die Weiber beim Adonisfeste , heiter und frisch , wie jenes düster und
leidenschaftlich, nach dem Vorbilde Sophron^s gearbeitet. Es spielt in Alexan-
dria, und die Frauen, welche in ihm auftreten , sind aus Syrakus gebürtig.
Gorgo holt die Praxinoa ab, um das im königlichen Palast gefeierte Adonisfest
zu sehen. Zuerst werden die kleinen Umstände geschildert, welche das
schnelle Fortgehen der Frauen verhindern, dann kommt eine drastische Schil-
derung der Schwierigkeiten des Vorwürlskommens auf der gefüllten Strasse,
endlich gelangen wir in den Palast, wo eine Frau Aphrodite und Adonis besingt.
Aus der poetischen Welt, in der wir uns bei diesem Gesänge befinden, werden
wir mit dem Schlusswort der Gorgo wieder in die prosaische Wirklichkeit zu-
rückgeworfen:
Y. 445-.U9 Unvergleicblicb I dies Weib, Praxinoa! Was sie nicht AlJes
Weiss, das glückliche Weib I und wie süss der Göttlichen Stimme I
Doch ist es Zeit, dass ich geh' ; Diokleidas erwartet das Essen.
Bös ist er immer, und hungert ihn erst, dann bleib ihm vom Leibe!
— Freue dich, lieber Adonis, und kehre zu Freudigen wieder I
So haben uns diese beiden letzten Gedichte die bewunderungswürdige Viel-
seitigkeit Theokrit's gezeigt.
Der zweiten Lebensperiode des Dichters gehören zw*ei lyrische Gedichte
an, welche in äolischem Dialect und äolischem Metrum geschrieben sind , und
von denen das zweite erst vor wenig Jahren entdeckt worden ist: Idyll 29
und 30.
Ebenso wenig wie von diesen Gedichten dürfen wir von zwei anderen
ausftlhrlich sprechen, Idyll 19 und 23. Jenes enthält ein Geschtchtchen aus
dem Leben des Eros und ist, obschon recht niedlich , doch offenbar unächt ;
dieses erzählt, wie ein unglücklich Liebender sich vor dem Hause des Geliebten
aufhängt, und dieser, der nicht einmal Trauer darüber empfindet, im Bade
BiOD und Moscbos. 321
von der Statue des Eros, von deren Fussgestell er in^s Wasser gesprungen
war, erschlagen wird. Es ist nicht nothwendig unächt. Theokrit brauchte
nicht alle verschmähten Liebhaber in der Weise des dritten Idylls auftreten zu
lassen.
Die bisher besprochenen Gedichte Theokrit's werden unter dem Titel
Idyllen, d. h. ideine Gedichte, zusammengefasst. Ausserdem giebt es von ihm
eine Anzahl Epigramme, die in der Anthologie enthalten sind, und ein Bruche
stuck eines Lobgedichtes auf Berenike, die Mutter des Ptolemaios Philadelphos.
Von den Elpides, den Trauertiedem, den Elegien und lamben Theokrit's ist
dagegen nichts erhalten.
Mit Theokrit werden als Bukoliker gewöhnlich Bion und Moschos zusam-
mengestellt, deren Charakter jedoch ein durchaus anderer ist.
Bion aus Smyrna wird gewöhnlich als Zeitgenosse Theokrit's betrachtet,
doch lasst sich das nicht beweisen ; aber aus dem Trauerliede , das auf ihn
Moschos machte, geht hervor, dass er in Sicilien lebte und eines gewaltsamen
Todes durch Gift starb. Wir haben von ihm ein längeres Gedicht mit Refrains :
das Klagelied auf den Adonis. Unter seinen übrigen Weri^en sind Bruchstücke
von Zwiegesprächen nicht ohne Reiz. Bion's Darstellung ist viel rhetorischer,
seine Empfindung weichlicher als die Theokrit's. Das erotische Element tritt
bei ihm sehr in den Vordergrund. Bemerkenswerth ist, dass Bion selbst von
Moschos als Hirt bezeichnet wird. Das erinnert an die verkleideten Hirten des
7. Idylls Theokrit's. Und so ist überhaupt bei Bion das Bukolische schon viel
mehr eine angenehme Maske geworden, als das bei Theokiit der Fall war,
während andererseits die- bukolische Muse nunmehr als eine specifisch sid-
lische auftritt.
Bion durchaus ähnlich ist der warme Verehrer des Smymäers , Moschos
aus Syrakus, Zeitgenosse des berühmten Kritikers Aristarchos, der um die
Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. lebte. Moschos hat die mimische Einklei-
dung ganz aufgegeben, sein Streben ist vorzugsweise darauf gerichtet, anmu-
thig das Einzelne auszumalen. Sein voUendetstes Gedicht ist unter den
grösseren das Epos Europa, unter den kleineren ist durch Gefühl ausgezeich-
net das fünfte, die Gegend am Meere.
V. 4«^ld. Wann ohn' Zittern die See, die umblaute, sieb regt von den Lüften,
Zieht mich's im leisen Gemüth, und fürder nicht ist mir die Erde
Lieb: Nach der breitenden Tiefe hinaus geht stärker mein Sehnen.
Doch wann aufbrüllt weissllch der Abgrund, schäumend das Meer sieb
Wölbt in die Krümme und los ist der mfichtigen Wellen Erbosung, 6
Flieh' ich, den Blick auf das Land und die Haine gewendet, die Salzfluth,
Und nur freundliche Erd' und Waldesumschattung gefällt mir,
Wo, auch im Toben der Winde, melodisch die Pinie säuselt.
Elend lebet der Fischer fürwahr, dem Wohnung der Nachen,
Arbeitfeld ist die See und die Fische betrügliche Jagd sind. 4 0
Mir sei unter des Ahorns tiefer Belaubung der Schlaf süss.
Und werth bleib' mir's zu horchen aufs nahe Geplätscher des Quelles,
Welcher entrauschend erfreut, nicht wild aufreget den Nachbar.
Wenn nun in diesen, mit Theokrit immer zusammen genannten Griechen,
keine wesentliche Aebnlichkeit mit dem grossen Syrakusaner hervortritt , es
viehnehr auf der Hand liegt, dass bei ihnen die Bukolik gleichbedeutend ist
Holm, Gesell. Sioilien«. 11. 21
TCr^
322 Sechstes Buch. VIII. Die Bukolik.
mit sanfter Poesie überhaupt, so hat die spätere Zeit um die Weite versucht,
Theokrit nachzuahmen, und der von ihm gepQanzte Keim ist zu einem statt-
lichen Baume geworden , der ganz Europa überschattet und noch in neuerer
Zeit gar frische Zweige getrieben hat, einen frischesten in dem Vaterlande
Theokrit's, zu welchem so die bukolische Poesie, wie zu ihrem Anfange, zurück-
gekehrt ist. Deshalb werden ein paar kurze Andeutungen über die weitere
Entwickelung dieser Dichtungsart hier nicht am unrechten Platze sein.
In Rom trat Vergil als Nachahmer Theokrit^s auf. Er bat sich eng an ihn
angeschlossen, ihn theilweise übersetzt, aber ihn nicht erreicht. Man vermissl
bei Vergil das individuelle Leben, welches die Figuren des Syrakusaners aus-
zeichnet. Die Gestalten des römischen Dichters sind mehr allgemeiner Art,
und wenn er sie dadurch besonders zu individualisiren gesucht hat, da«s er
vielfach unter der Maske der Hirten Zeitgenossen darstellte , so ist das nicht
zum Vortheile für die Dichtungen selbst* gewesen. Allerdings bat er in dem
7. Idyll Theokrit's eine Berechtigung dazu gefunden; aber bei Theokrit war
ein solches Versteckspielen eine Jugendbescbäftigung , und Vei^l ist über
diesen Standpunkt nicht hinausgekommen. Die spätere Zeit hat denn auch
nicht verfehlt, auf dem besonders von Vergil gelegten Fundamente weiter
fortzubauen, und die Schäfermaske ist eine der beliebtesten Masken in Poesie
und Leben geworden. — Zur Zeit Nero's hat dann wieder ein Sicilier, Calpur-
nius, nunmehr in römischer Sprache Idyllen geschrieben, mehr Vergil als
Theokrit nachahmend; ihm folgt am Ende des 3. Jahrhunderts Nemesianus.
Auch im späteren Alterthum fuhr die bukolische Poesie fort, einen nicht ge-
ringen EinQuss auf die gesammte Empfindungsweise der Gebildeten auszu-
üben, man gewöhnte sich immer mehr, das Hirtenleben als Gegenstück zu dem
verdorbenen Leben der grossen Welt zu betrachten, und man flüchtete gern
aus den verküustelten Verhältnissen des realen Lebens in die heiteren BBgio-
nen , wo die Bedürfnisse gering sind und Jeder natürlichen Gefühlen folgt.
Nicht wenig trägt zur Verbreitung einer solchen Auffassung vom Hirtenleben
ein anderer Umstand bei. Man dachte nicht selten, dass Hirtenleben und gol-
denes Zeitalter identische Begriffe seien. Man halte die richtige Einsicht, dass
das Hirtenleben historisch dem Leben des Ackerbauers voraufjgegangen ^7?ar,
und indem man weiter die Meinung hegte , dass die Welt, je jünger sie noch
war, desto besser gewesen sei, fand man im Hirtenleben eine vollkommenere
Stufe der Gultur als die gegenwärtige, und ward dadurch um so mehr veran-
lasst, in den Hirten unschuldige und natürliche Menschen zu sehen und dar-
zustellen. Eine ähnliche Anschauung finden wir in der ältesten jüdischen
Tradition , wo der fromme Abel Hirt, der verbrecherische Kain Ackerbauer
ist. Ein Beweis davon, dass man sich mit entschiedener Vorliebe mit den Zu-
ständen der Hirtenwelt beschäftigte, liegt darin, dass auch Hirtenromane ge-
schrieben wurden, unter denen der von Longus am berühmtesten gewor-
den ist.
Die Literatur der Franzosen und der Deutschen kennt im Mittelalter auch
ländliche Gedichte, doch sind diese mehr lyrischer Art. Mit dem Wiederauf-
leben der klassischen Literatur ward dagegen auch die antike Bukolik erneuert
und fand bald ungemeinen Beifall. Es ward jetzt mit Entschiedenheit der
Moderne Bukolik. 323
Gesichtspunkt festgehalten , dass in diesen Hirten und Schöpferinnen Figuren
einer idealen, einfacheren Welt zu zeichnen seien. An sich galten schon die
Formen und Anschauungen des klassischen Alterthums als die ideale Welt, in
die man sich aus der vielfach verschnörkelten und barbarischen Gegenwart
zurückzog 9 und da mussten denn allerdings Hirtenmasken , die den Alten
selbst als etwas Zierlicheres gegolten hatten, als was das gemeine Leben bot,
in doppeller Idealbeleuchtung strahlend, auch in der Zeit der Renaissance
ganz besonders beliebt sein. Von den grossen italienischen Dichtern haben in
dem frisch angeregten 14. Jahrhundert Petrarca und Boccaccio, in der Zeit der
Nachbitlthe der Poesie im 4 6. Jahrhundert Torquato Tasso Idyllen in epischer
wie in dramatischer Form geschrieben, und Ariosto hat nicht versäumt^ idyl-
lische Episoden in sein buntes Epos aufzunehmen. Und so wie man in jenen
Zeiten , nicht zufrieden, die Alten in der Yulgärsprache nachzuahmen, ihnen
in klassischem Latein nachzueifern sich bemühte , so ist auch die bukolische
Poesie in römischen Versen gepflegt worden. In dieser Gattung hat sich der
hochbegabte Neapolitaner Sanazzaro, Verehrer und Nachahmer von Vergil und
Theokrit, besonderen Ruhm erworben, andere Italiener derselben Epoche
haben Theokrit in lateinische Verse übersetzt.
Die Vorliebe für die Hirtenpoesie hat in Italien seitdem nicht aufgehört,
und sie hat sich mit der Renaissance in die übrigen Lander Europa^s verbreitet.
Spanien, Frankreich, England und Deutschland haben diesen Einfluss erfah-.
ren. Wie beliebt die Hirtenmasken waren, das hat sich in Italien am Ende des
47. Jahrh. gezeigt, wo eine ganze Dichterschule diese Maske annahm. Dies
Factum ist um so interessanter , da es in mancher Hinsicht eine Erneuerung
dessen ist, was wir im Alterthum bei Bion und Moschos sahen, wo auch Hirt
sein nicht bedeutet, Gedichte machen, die sich auf das Hirtenleben beziehen,
sondern Gedichte überhaupt, natürlich von einem bestimmten Charakter. So
war es auch bei der Gesellschaft die sich Arcadia nannte. Sie verfolgte eine
bestimmte Tendenz in der Poesie, und es war eigens bei ihr vorgeschrieben,
dass das Hirtenleben die Form ihrer gemeinsamen Thütigkeit abgeben musste.
Mit Hülfe dieser Genossenschaft hat dann das Hirtenleben einen gewaltigen
Einfluss auf die höheren Stände im 17. und 18. Jahrhundert ausgeübt, wo
Malerei und dramatische Kunst um die Wette dazu verwandt wurden, die ver-
wöhnte vornehme Welt in eine künstliche Einfachheit des Landlebens zurück
zu versetzen.
Wenn aber die Hirtenpoesie schon seit dem Beginne der Wiedergeburt der
antiken Literatur eine grosse Rolle in der gebildeten Welt gespielt hatte , so
nahm die Vorliebe für sie um die Mitte des vorigen Jahrhunderts womöglich
noch zu. Es war die Zeit, wo Rückkehr zur Natur überhaupt die Parole des
Tages war , wo Rousseau in Politik und Erziehung die Umkehr zum Naturzu-
stande pries und man von der Geziertheit der italienisch-französischen Gar-
tenänlagen zu dem angeblich natürlicheren englischen Garten sich wandte. Es
war die Zeit, wo man anfing, das so sehr bewunderte cl assische Drama der
Franzosen unnatürlich zu finden. Damals fand die bukolische Poesie erst recht
Beifall. So erklärt sich durch die Zeitrichtung der Jubel, mit welchem die
Gesner'schen Idyllen allgemein aufgenommen wurden. Doch hat Gesner, ob-
21*
324 Sechstes Buch. VIII. Die Bokolik.
schon er Theokril sehr hoch schätzte, keineswegs ihn zu erreichen verstanden.
Gesner hat Theokrit's Wesen nicht begriffen, das zeigt die Art, wie er von ihm
redet, dem er eine »sanfte Miene der Unschuld« zuschreibt, in dessen Poesie
er die »einfältigen Empfindungen eines unverdorbenen Herzens« finden will.
Im Ganzen stand solchen Freunden Theokrit^s wie Gesner und unter den
Franzosen besonders Florian waren , Longus denn doch noch näher als Theo-
krit selbst.
Wir eilen zum Schlusft dieser Betrachtung* Eine ihrer schönsten Blttthen
hat die bukolische Dichtung vor nicht gar langer Zeit in ihrer ursprünglichen
Heimath getrieben: die Lieder des Palermitaners Giovanni Meli, der von 4740
— 1815 als Arzt ein dtlrftiges, doch an Ehre und Ansehen hinreichend erhell-
tes Leben führte. Meli war nicht der erste berühmte Sidlianer , der sich in
der Bukolik einen Namen machte. Es hatte seit dem Wiederaufleben der Wis-
senschaften in Unteritalien und Sicilien nicht an bukolischen Dichtern gefehlt.
Aus Neapel nannten wir bereits Sanazzaro. In Sicilien war seit dem Ende des
16. Jahrh, nach dem Beispiele deb ausgezeichneten Dichters Antonio Vene-
ziano aus Monreale vorzugsweise der heimische Dialect für die Bukolik wie für
manche andere Gattung der Poesie benutzt worden, und es waren Hirtenlieder
in epischer und dramatischer Form gedichtet. So bediente sich auch Meli des
sicilianischen Dialectes, und das macht ihn Theokrit noch in einem Punkte
^ehr ahnlich. Meli schildert in seinen Eklogen, die er Jahreszeiten Ijetitelt,
und in Frühling, Sommer, Herbst und Winter eintheilt, das Leben des sicilia-
nischen Landvolkes, besonders der Hirten. Es herrscht in ihnen eine anmu-
thige Mischung von Erzählung und Betrachtung, von Dialog und lyrischem
Monolog, und sie treffen so gut den Ton des Volks , dass sie bei demselben
ungemein beliebt geworden sind, und man volles Becht hat, Meli den moder-
nen Theokrit zu nennen. Wenn er sein Vorbild an Natürlichkeit und Schön-
heit der Darstellung erreicht, so hat er es allerdings nicht an Kraft der Lei-
denschaft erreichen können : dazu war seine Natur eine zu milde, und andere
Gedichte Meli's haben ihm den Namen eines sicilischen Anakreon versdiafit.
Von dem, was er ausser den Idyllen geschrieben hat, kann hier nur in einem
Punkte die Bede sein, weil dieser Punkt ihn wiederum dem Theokrit ähnlich
zeigt. Er ist sein und des alten Sophron Nachfolger im Mimus geworden ; seine
»Palermitanerinnen beim Festea erinnern an die scherzhaften Theile der theo-
kriteischen Syrakusanerinnen beim Adonisfeste , wie ja dieses Gedicht selbst
durch ein Gedicht des Sophron veranlasst worden war. Uns Deutschen hat,
nachdem schon Goethe auf Meli aufmerksam gemacht hatte, F. Gregorovius
die vorzüglichsten seiner l^ieder durch eine treffliche Uebersetzung zugänglich
gemacht.
So möge denn Meli am Schlüsse dieser kurzen Uebersicht der Bukolik
stehen bleiben und nur von fern darauf hingewiesen werden , dass man nicht
mit Unrecht manche Aehnlichkeit zwischen Theokrit und unserm allemanni-
schen Hebel gefunden hat. Sicilien schuf die Bukolik , zu ihrem Vaterlande
ist die i»sicilische Muse« wieder zurückgekehrt
326
Neuntes EapiteL
Die Kunst In derselben Zeit.
Wie die Literatur , so bltlhte auch die Kunst unter Hieron II. Diodor be^
zeichoei selbst einige Denkmaler in Syrakus und besonders in Agyrion als
dieser Zeit angehörig, von denen wenigstens eines alsbald besprochen werden
wird. Vor allem darf jedoch ein Bauwerk in Syrakus , das Diodor zwar bei
derselben Gelegenheit erwähnt, jedoch nicht ausdrücklich dieser Zeit zu-
schreibt, und das in der That nicht in einem, sondern in vielen Jahrhunderten
entstand , hier besprochen werden . weil es ohne Zweifel in eben dieser Zeit
das glänzendste Gewand getragen hat , und weil es überdies Inschriften ent-
hält , welche der Zeit Hieron^s II. angehören : das Theater. Es liegt in der
Neapolis, da wo deren obere und untere Terrasse sieh berühren. Von seinen
oberen Sitzen schweift der Blick über die Ebene von Syrakus, die vom Anapos
und der Kyane durchflössen ist, und die, einst mit prächtigen Gebäuden be-
deckt , jetzt nur durch das angenehme Grün der Baumpflanzungen und Kü-
chengewächse das Auge erfreut; weiterhin blinkt der grosse Hafen, von Or-
tygia und dem Plemmyrion abgeschlossen, und den Horizont fassen rechts
Berge, links das ewige Meer ein. Wenn das Becken des grossen Hafens als der
Schöpfer des Reichthums von Syrakus, und Ortygia als der eigentliche Wohnsitz
der Syrakusaner betrachtet werden muss, so hatte das im Theater versam-
melte Volk den Ursprung und den Sitz seiner Macht vor Augen und mag nicht
selten von da mit Angst auf die feindlichen Flotten geblickt haben, die so oft
den grossen Hafen füllten.
Die Sitze des Theaters sind in den Felsen gehauen ; sie bilden einen in
gerader Linie verlängerten Halbkreis. Von unten nach oben theilen acht
Treppen den Zuschauerraum in neun Keile ; die Zahl der vorhandenen Sitz-
reihen ist 46. Diese Sitzreihen sind nur durch einen einzigen Gapg unterbro-
chen, welcher auf die 24. Sitzreihe, von unten gerechnet, folgt; doch tritt
schon nach der 11. Sitzreihe eine höhere Mauer ein, welche die 12. Reihe
trägt. Die eilf unteren Reihen waren, wie Spuren bewiesen haben, mit
weissem Marmor belegt. Allerdings ist noch an einer Stelle in dem Theile,
weicher die 12. bis 24. Reihe umfasst, ein breiterer Raum vorhanden, der
als Umgang gedient haben könnte, aber nach vorhandenen Anhaltspunkten
ist man mit Recht der Ansicht , dass hier vielmehr eine Sitzreihe, die 16.,
fehlt. Auf dem Sitze unterhalb der Präcinction ist Raum für die Einfügung
einer Lehne vorhanden : an der Präcinctionsmauer befinden sich viele vier-
eckige und kreisförmige Löcher, wahrscheinlich für die Balken bestimmt,
welche das leinene Dach trugen. Die Präcinction wird umschlossen von einer
neun Palm hohen Mauer«, Diese war mit griechischen Inschriften aus der
Zeit Hieron^s IL geschmückt , von denen für jeden Keil eine vorhanden war.
Sie sollten eine Benennung des gesammten Keiles sein, damit diejenigen,
welchen in diesem Theile ein Sitz angewiesen war, ihn desto leichter finden
326 Sechstes Buch. IX. Die Kunst in derselben Zeit.
könnten. Ausserdem war eine solche Benennung eine Ebre für den , dessen
Name in dieser Weise verwandt wurde. In der Mitte befand sich die Be-
zeichnung »des Olympischen Zeus«, nach rechts hat man »der Königin Philistisc
und »der Königin Nereis« gelesen. Die übrigen Inschriften sind nur unvoll-
kommen oder gar nicht mehr erhalten.
Wtlrde nun das Theater nur die 46 Sitzreihen umfasst haben, die jetzt
sichtbar sind, so zahlte es noch nicht zu den grössten vorhandenen, und doch
hat Cicero es in seiner Beschreibung als sehr gross bezeichnet. Es ist indessen
aller Grund vorhanden , es noch weiter auszudehnen. Im Nordwesten sind
oberhalb des Theaters zwei Stufen gefunden worden, welche sich vollkommen
in der Richtung einer der Treppen beBnden. Indem es nun höchst wahr-
scheinlich ist, dass die Treppe und somit auch das Theater sich bis hierher
erstreckte, findet sich auch nach den anderen Seiten nichts, was dieser An-
nahme widerspräche, und so dürfen wir eine um so viel grössere Ausdehnung
der Sitzreihen annehmen. Wir erhalten dann, statt 46 Sitzreihen, deren 63;
der Durchmesser des Theaters steigt auf etwas mehr als 500 palmi, und so
wird wirklich das Theater das grösste in Sicilien und eines der grössten über-
haupt. Wir müssen noch erwähnen , dass unter den unteren Sitzreihen sich
parallel der Bühnenwand gewölbte Gänge hinziehen , welche sich in die Or-
chestra öffnen.
Das Theater von Syrakus kommt mehrfach in der Geschichte der Stadt
vor. Man braucht nicht zu zweifeln, dass das Theater, das Demokopos Myrilla
baute, das Theater, auf dem die Stücke des Aischylos und Epicharmos aufge-
führt wurden, dasselbe war, das wir noch sehen, nur kleiner, aus den unter-
sten Sitzreihen bestehend. Dass später das Volk von Syrakus hier die so be-
liebten Stücke des Euripides gehört hat und sich hier auch wohl hat von
Dionys ergötzen oder vielmehr langw*eilen lassen, ist ebenfalls klar. Als Dionys
aus Gela plötzlich nach Syrakus zurückkehrte, war gerade Aufführung im
Theater gewesen, und das Volk strömte von da nach Hause. Aber nicht
nur als Ort der Schauspiele kommt das Theater von Syrakus vor; auch als
Ort der Volksversammlungen : in der Geschichte des Dion , wo ein Ochse die
im Theater zur Wahl von Feldherren Versammelten auseinandertreibt, in der
Geschichte des Agathokles, der nach Justin das Volk in^s Theater zusammen
berief, endlich, und vor allen Dingen, in der Geschichte des Timoieon. Und
da wird sich an das Theater von Syrakus stets die Erinnerung der Scene
knüpfen, wie Timoieon, wenn ein wichtiger Beschluss zu fassen war, auf den
Wunsch des Volkes von seinem Landgute über den Markt in das Theater
fuhr , vom Beifall des Volkes empfangen , wie er dann seinen Rath ertheilte
und schliesslich die Diener den Wagen dem Ausgang des Theaters zulenk-
ten. Auf den Tod des Mamerkos im Theater brauche ich nur kurz hinzu-
weisen.
Die Ueberreste des Bühnengebäudes gehören der römischen Zeit an.
Es war ein dreifacher Zugang zum Theater möglich : unten , auf dem
Niveau der Bühne, weiter oben, im Niveau der grossen PräcLnction, endlich in
der Höhe der obersteh Sitzreihen. Letzterer Zugang ward zum Theil durch
Stufen, zum Theil durch die Gräberstrasse vermittelt, welche wir noch jetzt
Umgebung des Theaters. 327
verfolgen können, und die in gewundener Linie von der obersten Terrasse der
Neapolis zum Theater führte.
Das syrakusanische Theater ist erat in diesem Jahrhundert vollkommen
von allen spätem Einbauten befreit worden. Bis dahin ergoss sich über die
Sitzstufen ein Wasserfall aus einer Leitung, die eine Mtihle trieb ; jetzt ist das
Wasser, das aus den oberhalb des Theaters befindlichen Grotten hervorkommt,
seitwärts abgeleitet.
Auch die Umgegend des Theaters wird zur Zeit Hieron's ungefähr die Ge-
stalt gewonnen haben, in der w^ir sie jetzt sehen. Erwähnt ist schon die Grä-
berstrasse , die von Westen her kommt ; eine Abzweigung derselben nach
Osten enthielt nach Serradifalco das temenitische Thor, welches sich jedenfalls
in dieser Gegend befand. Die Wand unmittelbar hinter dem Theater ist eine
stehen gebliebene Seite der Fortsetzung der erwähnten Gräberstrasse. In .
nächster Nähe des Theaters befindet sich die sogenannte Latomie des Para-
dieses, deren nordwestliche Ecke, diejenige, welche unmittelbar an das Theater
stösst, sich in dem gewundenen Gange fortsetzt, den man seit dem 47. Jahrh.
das Ohr des Dionys nennt. Dieser Gang hat die Form eines S, seine Länge
beträgt 2Si palmi, seine Höhe 80 p., seine Breite ist am Anfang 25 p., in der
Mitte erweitert sie sich zu 66 p., um zuletzt wieder auf 28 p. zu kommen.
Die Wände gehen nach oben zusammen, wo sie jedoch nicht in spitzem Winkel
auf einander stossen, sondern einen schmalen horizontalen Streifen Decke zwi-
schen sich lassen. Da wo das Ohr mit einer verticalen Wand aufhört, setzt
sich der obere Canal noch 45 p. fort und führt in eine erst in diesem Jahrhun-
dert entdeckte offene Kammer, zu der allerdings das Geräusch, welches in der
Grotte gemacht wurde , dringen musste. Nach dem Plane der Umgegend des
Theaters bei Serradifalco, Tafel 16, liegt das Zimmer, in welches der Canal
aus dem Ohre des Dionys mündet, gerade hinter der Mitte des Zuschauerrau-
mes des Theaters ; eine von der Mitte der Bühnenwand über die cavea gezo-
gene senkrechte Linie trifft es. Daraus ist natürlich nicht zu schliessen, dass
der Abb^ Chaupy recht hatte, wenn er meinte, dass das Ohr des Dionys nur
dazu gedient habe, um in besonderen Fällen eine Verstärkung des Schalles im
Theater hervorzubringen, da nicht einzusehen ist, in welcher Weise dies mög-
lich gewesen wäre; aber merkwürdig ist die Thatsache, aus der zunächst
nur der Schluss zu ziehen sein wird, dass sich oberhalb des Zimmers ein
Gebäude befand , welches durch seine Grösse und sein Aussehen so sehr die
nebenstehenden beherrschte , dass es für den von der Bühne her Blicken-
den einen angemessenen Schmuck der Mitte bildete, und von wo man ande-
rerseits einen vollkommen centralen Blick auf die Bühne hatte. Hiemach ist
nicht zu bezweifeln, dass dort ein Palast der Tyrannen lag. An sich wird die
Annahme nicht von der Hand gewiesen werden können , dass z. B. Dionys,
wenn er in Perioden der Furcht, wie sie bei ihm häufig vorkommen mussten,
den Besuch des Theaters nicht ganz unterlassen wollte, einen Ort haben
musste, wo er in Sicherheit den theatralischen Aufführungen beiwohnen
konnte; diesen Ort gewinnen wir, wenn wir hier einen Palast annehmen.
Dass der Schall des auf der Bühne Gesprochenen bis dahin dringen konnte, ist
nicht zu bezweifeln ; dass man auf den obersten Beihen vortrefflich hört, was
328 Sechstes Buch. IX, Die Kunst in derselben Zeit.
auf der Bühne mit massiger Stimme gesprochen wird, kann ich selbst beten-
gen. Aus dem Vorhergehenden wird übrigens für die Ansicht eine Bestätigung
zu entnehmen sein , dass das Ohr des Dionys wirklich ein Gefifngniss war,
worauf auch die in demselben gefundenen eisernen Klammern hindeuten^ und
es bliebe immer noch tu untersuchen , ob nicht Michel Angelo von Garavaggio
wenigstens darin das richtige getroffen hat , dass man in jener Kammer hören
kann , was im Ohre gesprochen wird. Sollte dies aber wirklich der Fall ge-
-wesen sein , so würde daraus immer noch nicht folgen , dass die Grotte zu
diesem Zwecke «ausgehöhlt worden ist. Die Form des Durchschnittes ergiebt
sich aus der Natur des Gesteins. Man hat bemerkt, dass in den Latomien die
Felsen immer so weggehauen worden sind. Die Windungen aber sind offenbar
ebenfalls so gemacht worden , wie die grössere oder geringere Weiche des
Steins ein Arbeiten gestattete.
Jenseits des Weges , der von der Insel zum Theater führt , und zwar in
der Nähe des Amphitheaters , finden wir ein Monument , das nach dem aus-
drücklichen Zeugnisse Diodor^s von Hieron II. stammt: der grosse Altar, ein
Stadion lang und von entsprechender Breite und Hdhe. Seine Ueberreste sind
im Jahre 1839 vollständig aufgedeckt worden. Seine Länge beträgt 768.2
pal., die Breite 89. i. Auf drei Stufen erhebt sich die gegliederte Basis, welche
den Altar trägt. Von dem Oberbau ist nichts erhalten als Bruchstücke der
Triglyphen des Frieses , Stücke eines dorischen Gesimses mit Löwenköpfen,
der obere Theil einer vermauerten Thür , das Kapital eines Pilasters und ein
verstümmelter Adler. Nach den Nachrichten , die Pausanias über den Altar
des Zeus in Olympia giebt, ist p. 116 des 4. Bandes von Serradifaico eine
Restauration des Altars versucht worden , wonach er aus zwei Absätzen und
einer auf dem zweiten befindlichen Erhöhung nach Art eines gewöhnlichen
Altars bestand. Grösser als dieser Altar war wohl nur der von Parion gewe-
sen, der in jeder Richtung ein Stadion mass. Wenn man sich erinnert , dass
schon nach der Vertreibung des Thrasybulos die Syrakusaner beschlossen,
dass zur Erinnerung an die Befreiung der Stadt jährlich eine Hekatombe von
450 Ochsen geschlachtet werden sollte, wird man einen Altar, wie der Hie-
ron^s II. war , nicht für zu gross für Syrakus halten , das seit den Zeiten des
Thrasybulos an Grösse und besonders an Glanz ungemein zugenommen hatte.
Jetzt hat uns ein Monument zu beschäftigen , das weitab von den soeben
beschriebenen liegt und jedenfalls schon aus der Zeit vor Hieron II. stammt,
das Schloss auf der Höhe von Epipolae, dem wir aller Wahrscheinlichkeit nach
den Namen Euryelos zu geben haben.
An der Spitze des Dreiecks, welches Epipolae bildet, liegt diese Festung
als Abschluss und Vereinigungspunkt der Vertheidigungswerke dieses Theiles
der Stadt. Was davon noch übrig ist, ist folgendes. Wenn wir den Ueberre-
sten der Südmauer von Epipolae nachgehen, kommen wir zu einem vierecki-
gen Thurme, an den sich nach Westen zu ein Mauerstück von 940 pal. Länge
anschliesst. An seinem Ende steht wieder ein viereckiger Thurm , und mit
diesem beginnt die eigentliche Festung. Zunächst ziehen sich von hier zwei
Mauern fast in derselben Richtung wie bisher weiter , die eine sOdlidi , die
andere nördlich; diese sollte weiterhin sich mit der Mauer des inneren
Festung auf Epipolae. 329
Schlosses vereinigen, aber es fehlt das letzte Stück; jene dagegen schliesst
sich wirklich an ein von Ost nach Westen siehendes GebSude an, das von
Serradifalco als Hof bezeichnet wird. Unter seiner stidlichen Mauer ist ein
breiter Graben. Seine Westseite ist durch vier kräftig hervortretende Mauer-
stücke beschützt, doch zieht sich die Südmauer noch weiter, bis an den Rand
eines von Nord nach Süd ziehenden tiefen Grabens , der in den Fels gehauen
ist. Parallel mit diesem Graben läuft im Felsen an der Castellseite ein unter-
irdischer Gang mit einer Reihe von Oeffnungen nach dem Gange zu. An der
Nordostecke des zuletzt beschriebenen Grabens biegt der Gang nach Osten
parallel mit der Nordmauer des sogenannten Hofes ab und wendet sich dann
nördlich unter einen andern Theil der Festung, von dem noch einige Mauern
erhalten sind. Hin und wieder befinden sich in der Decke des Ganges Stufen,
welche auf die Oberflache führen. Das zuletzt erwähnte Festungsstück liegt
schon am Nordrande von Epipolae und schliesst sich an die Nordmauer an.
Dass die beiden Stücke, das zuletzt genannte und der sogenannte Hof, durch
Mauern mit einander in Verbindung standen, ist durch Reste nachweisbar.
Wie steht es nun aber mit dem Gange? Nach Serradifalco, p. 452, befand er
sich grOsstentheils ausserhalb des Castells, und die Treppen an der Decke
dienten dazu, dass die im Innern befindlichen Vertheidiger auf die Oberfläche
hinaufstiegen , um die vor der Festung lagernden Feinde anzugreifen. Das ist
aus zwei Gründen unwahrscheinlich. Erstens, weil ein solches Mandver wohl
einmal gelingen konnte, aber öfter nicht. Waren einmal Feinde aus der Erde
hervorgebrochen , so wusste man die Wiederkehr solcher Angriffe zu verhin-
dern, indem man die Oeifnungen entweder verstopfte oder selbst in sie hin-
abstieg. Zweitens lässt die Gestaltung des Bodens, wie er sich aus der Gaval*
lari'sehen Karte ergiebt, den Gedanken nicht zu, dass das Terrain , unter dem
sich dieser Gang hinzieht, ausserhalb der Festung war. Der westliche Graben,
in den die Oeffnungen des Ganges münden, hat sich ohne Zweifel, nach einer
Falte des Terrains zu urtheiten, noch weiter nach Norden erstreckt, und alles
im Osten davon liegende war Festungsraum. So haben die Oeffnungen in der
Decke vielmehr dazu gedient, dass, wenn Feinde aus dem Festungsgraben in
den Gang gedrungen waren, die Vertheidiger sie von oben her überfal-
len konnten. Der mehrerwähnte westliche Graben war aber noch nicht der
äusserste. Westlich von ihm war noch ein anderer, aber das Stück zwischen
beiden diente allerdings nur als Aussenfort. Es war mit der Hauptfestung
durch eine Zugbrücke verbunden , für welche in dem Graben noch ein milch-
tiger Pfeiler vorhanden ist. So war die Weslspitze von Syrakus gegen feind-
liche Angriffe geschützt.
Wahrscheinlich stammt die Festung, die ich bei Gelegenheit anderer sy-
rakusanischen Bauwerke besprochen habe, von Dionys dem Aelteren her, der
ja Syrakus durch die Befestigung von Epipolae zu einem Waffenplatz ersten
Ranges gemacht hat.
Mit Sicherheit ist nichts noch in den übrigen sicilischen Städten Vorhan-
denes dieser Periode zuzuschreiben ; manches in Akragas befindliche ^ wie
Kapelle des Phalaris , Grab Theron's , wird eher der römischen Epoche zu-
zutheilen sein. Von dem Tempel von Segesta, der nach meiner Ansicht erst
330 Sechstes Buch. IX. Die Kunst in derselben Zeit.
dem 4. Jahrb. v. Chr. angehört, habe ich bereits im ersten Bande (S. 303}
gesprochen. Es wird nicht möglich sein, alle Tempel chronologisch so zu ord-
nen, dass der mit geraderem Echinus, wo er auch erbaut sein mag, immer der
spätere ist. Wie im Mittelalter provinciale Schulen in der Architektur sichtbar
sind, so wird es auch im Alterthum gewesen sein, und wenn der Tempel von
Segesta einen mehr geschwungenen Echinus hat als z. B. der Parthenon , ist
es darum doch nicht sicher, dass er vor dent Parthenon erbaut wurde.
Die Stempelschneidekunst der Hieronischen Zeit ist besonders durch die
immer noch schönen PhilistismUnzen vertreten.
Nachdem wir so auch die Cuitur Siciliens in der Periode, welche uns be-
schäftigt» nach den vorhandenen Ueberresten in Literatur und Kunst geschil-
dert haben, wird es gestattet sein, wie wir einen Rückblick auf die politische
EntWickelung der Insel geworfen haben, so auch den Ergebnissen, welche die
Betrachtung ihrer geistigen Entwickelung aufweist, Ausdruck zu verleihen.
Jeder Erfolg auf geistigem Gebiete hängt bei Einzelnen wie bei Völkern
von zwei Factoren ab, von den vorhandenen Anlagen und von den Umstän-
den, die, günstig oder ungünstig, die Anlage entwickeln helfen oder hemmen.
Bei Völkern , wie das sicilische, ist die Anlage wieder durch die Herkunft der
Bestandtheile des Volkes bedingt. Unter diesen Bestandtheilen wird stets einer
überwiegen, das sehen wir in der Geschichte der modernen Völker. Das
Wesen der Engländer ist durchaus bestimmt durch ihr angelsächsisches Ele-
ment, und noch auffallender ist die Thatsache, dass, mögen die Franzosen sich
noch so sehr für Romanen, und in vielen BeziehungAi mit Recht, halten, den-
noch ihr Nationalcharakter noch jetzt durch die Schilderung, welche Caesar
von den Galliern giebt, am besten definirt wird. In Sicilien ist das griechische
Element das bestimmende gewesen, aber der griechische Charakter hat einige
Modificationen erfahren, die in der Literatur und auch in der Kunst nicht un-
deutlich hei*vortreten. Wir haben sie an Stesichoros, Empedokles und Gorgias
bemerkt: die Neigung zum Grossartigen , Wohltönenden im Ausdruck, zum
Geistreichen, Witzigen im Gedanken. Derselbe Charakter zeigt sich am Ende
des 5. Jahrhunderts in der Begeisterung, welche auf der Insel für die Dramen
des Euripides herrscht, und am Anfange des dritten in den Eigenthümlich-
keiten der Prosa des Timaios , die uns durch Citate der Alten hinlänglich be-
kannt sind. Die Schöpfung der Komödie und des Mimus ist ein Ausfluss we-
nigstens des einen Charakterzuges , der Liebe zur lebhaften Geistesthätigkeit.
Und schliesslich treten dieselben Besonderheiten als Gharakterzüge des sicilia-
nischen Volkes hervor, wie Cicero es schildert, wo auf das Geistreiche, Witzige
der Hauptnachdruck gelegt ist. Etwas neues bringt Theokrit, die Einführung
der Volkspoesie in die Literatur, indem er dabei in vielen Punkten doch an
frühere Kunstschöpfungen des sicilischen Geistes anknüpft.
In der bildenden Kunst, von der uns so wenig erhalten ist, wird es natürlich
schwerer, die für die sicilische Literatur nachgewiesenen charakteristischen
Eigenthümlichkeiten ebenfalls nachzuweisen , und ich kann nur darauf hin-
deuten, dass die Stadt und die Zeit, welche Empedokles hervorbrachte, auch
den grossen Zeustempel geschaffen hat, an dem ebensowohl das Kolossale der
Geistige Entwickelung Siciliens. 33t
Masse, wie die Anbringung des Schmuckes in einer sonst in dorischen Tem-
peln sich nicht findenden Weise, und endlich die Eigenthümlichkeit des ganzen
Gedankens eines so. riesigen Pseudoperipieros bemerkenswerth ist. Grösse,
Pracht und Dunkelheit, das gilt alles ebenso gut von dem Gedichte des £m-
pedokles, wie von dem Tempel des Zeus Olympios zu Akragas. Für Sicitien ist
die Anwendung der Kunst auf das Leben in der Ausprägung der schönsten
Münzen charakteristisch. Das lässt sich mit der Herkunft der Sophistik aus
Sicilien zusammenstellen, die es sich ebenfalls zur Aufgabe gemacht hatte, im
gewöhnlichen Leben und zum Nutzen des täglichen Verkehrs zu zeigen, wes-
sen der menschliche Geist fähig sei.
Wenn die vorhergehenden Andeutungen über das Charakteristische der
Cultur Siciliens höchst fragmentarisch sind, so liegt die Schuld, abgesehen
davon, dass hier überhaupt nur Andeutungen gegeben werden sollen, an zwei
Umständen: an der Mangelhaftigkeit der Ueberlieferung, die uns z. B. von
der Sculptur Siciliens nach den selinuntischen Metopen aus der griechischen
Zeit so gut wie nichts erhalten hat, und an den Schicksalen, welche Sicilien
im Alterthum zu bestehen hatte, und die ihm weniger als vielleicht irgend
einem Lande, wo griechisch oder römisch gesprochen wurde, eine ruhige Ent-
wickelung gegönnt haben. Und hiermit kommen wir auf den zweiten der
oben berührten Punkte, auf den Einfluss der äusseren Umstände.
Es sind gewisse Bedingungen nothwendig, wenn eine geistige Entwicke-
lung in einem Volke überhaupt stattfinden soll. .Diese Bedingungen lassen sich
kurz so ausdrücken, dass es an Anregungen zu geistigem Schaffen nicht fehlen
darf, dass aber andererseits auch die nöthige Ruhe und Unabhängigkeit dem
Geiste gegönnt sein muss, jene Anregungen zu Schöpfungen zu benutzen.
Beständige Ruhe erschlafft den Geist und hindert ihn, zu Grossem zu gelan-
gen ; beständige Kämpfe nehmen die Kräfte des Geistes in einseitiger Weise
in Anspruch und hindern ihn, ebenfalls, sich an freie Schöpfungen zu wagen.
Es sind also Perioden des Krieges und des Friedens , Perioden der Aufregung
und der Erholung in ihrer Abwechselung durchaus dem Gedeihen der Cultur
förderlich. Aber es darf auch die zw^eite Bedingung für das künstlerische
Schaffen nicht fehlen, die geistige Unabhängigkeit der Künstler, mögen es nun
Dichter oder Bildhauer oder Maler sein. Ohne bürgerliche Freiheit ist keine
Blüthe der Cultur denkbar, denn der Begriff der bürgerlichen Freiheit besteht'
eben in der Möglichkeit, seine Geisteskräfte ungehemmt zu gebrauchen, soweit
sie nicht andern zum Schaden gereichen. Es hat daher mit vollkommenem
Rechte bereits Winckelmann, und auf das kräftigste, darauf hingewiesen, dass
die alte Kunst der bürgerlichen Freiheit der Griechen ganz besonders ihren
herrlichen Aufschwung verdankte, und sehr mit Unrecht ist neuerdings der
Versuch gemacht worden, diesen Ideen entgegenzutreten. Wenn Winckelmann
sich nicht überall deutlich genug ausgedrückt hat, so darf ein solcher Mangel
der Idee selbst, die vollkommen richtig ist, nicht zum Schaden gereichen. Es
kann vielmehr nicht laut genug ausgesprochen werden, dass ohne Freiheit
keine Entwickelung in Literatur und Kunst möglich ist, und dass alle Despotie
sie erstickt. Nur sind freilich die Begriffe Freiheit und Despotie richtig zu
verstehen. Ich habe jenen soeben theoretisch definirt: in praktischer Hinsicht
332 Sechstes Bach. IX. Die Kunst in derselben Zeit.
darf nicht vergessen werden, dass Freiheit heutzutage durchaus nicht mit
Republik identisch ist, und dass sie es auch im Alterthum nicht immer war.
Wo im Alterthum ein Königthum als natttrlieher Ausdruck historischer Ent-
Wickelung vorhanden war, war es der Freiheit nicht hinderlicher, als eine
republikanische Verfassung bei demselben Volke gewesen wäre. Im Allge-
meinen freilich fallen in Griechenland die Begriffe Freiheit und Republik zu-
sammen, da die meisten Königsherrscbaften vi^eder historisch ttberkommen,
noch frei gewählt waren. In unserer Zeit aber wäre es thdricbt, läugnen 2a
wollen, dass unter einer verfassungsmässigen Monarchie ebenso viel Freiheit
herrscht, wie in denjenigen Republiken, die stets nur Republiken gewesen
sind, und mehr als in denen, die es nach Vertreibung der Fürsten erst wer-
den. Es ist aber noch ein Punkt hierbei nicht zu übersehen. Es kann ein
Fürst in mancher Beziehung höchst despotisch sein und doch in anderen
Rücksichten den Geistern Freiheit lassen, und wenn dies die Punkte smd, in
denen gerade der Literatur oder Kunst Freiheit noth thut, so ist für sie Frei-
heit vorhanden. 80 war für Frankreich die erste Periode der Regierung Lud-
wig*s XIV. allerdings eine Epoche der Freiheit, denn die Literatur konnte dem
hl ihr lebenden Triebe ungehindert folgen, und indem Ludwig dem grössten
Genius des damahgen Frankreich, Holi^re, Freiheit zu seinen Schöpfungen
liess , hat er der Entwiceklung der Literatur und der Cultur überhaupt ent-
schieden genützt. Ohne Ludwig XIV. hätten wir keinen Tartuffe erhalten.
Sehr geringes Gewicht dagegen ist , Kunst und Literatur in wahrhaft hohem
Sinne genommen , auf die Protection der HOfe zu legen, durch die ein augu-
steisches oder mediceisches Zeilalter hervorgebracht wird. Wenn man unter
Blüthe der Kunst versteht , dass möglichst viele prächtige Gebäude errichtet
oder möglichst viele Statuen gesetzt werden, so mögen allerdings die Höfe die
Blüthe der Kunst befördern, aber das ist nur eine Scheinblüthe. Dennoch ist es
nicht ohne einen innern und guten Grund , wenn sich in solchen Perioden
eines Mäcenatenthums bisweilen eine wirkliche Kunstblüthe zeigt. Es ist die
Ruhe im Vergleiche zu vorhergehenden Stürmen , welche im Staate unter der
Herrschaft mächtiger Fürsten und grosser Minister herrscht , die den in der
rauhen Luft des Krieges zurückgehaltenen Keimen gestattet, sich fröhlich zu
entfalten. Wenn dann die Machthaber der Strömung folgen und das begün-
stigen, was selbst gerne an's Tageslicht möchte, so kotfimt allerdings alles zu-
sammen, was die Kunst verlangt, Freiheit und Ruhe, und das Resultat WMrd
trotz unfreier Verfassung ein glänzendes sein. Aber auch hier darf nicht ver-
gessen werden, dass es im letzten Grunde nur die Freiheit ist, die die Früchte
hervorgebracht, denn auch die Machthaber helfen nur durch Gewährenlassen
und Weitertreiben auf der schon beschrittenen Bahn. Wollen aber die Fürsten
ihren eigenen Kopf durchsetzen . so entstehen Hemmnisse der Cultur — man
denke an Napoleon und Frau von Staöl.
Solche Betrachtungen sind anzustellen , wenn man die Gulturgeschichte
des alten Siciliens richtig verstehen will. In keinem Lande haben die Facto-^
ren , von denen wir gesprochen haben , Streit und Ruhe , Despotismus und
Freiheit, eine so eingreifende, klar hervortretende Wirkung ausgeübt. Ein
kurzer historischer Ueberblick wird dies zeigen.
Geistige Entwickelung SicUienB. - 333
Die Zeiten vor dem Anfang des 5. Jahrhunderts waren der Art, daas sich
eine sicilisclv- griechische Literatur und Kunst hatte bilden können. Inder
Literatur ist Stesichoros ihr Vertreter, bei dem wir manche Sksht sicilische Züge
bemerkt haben ; in der Kunst genügt es, auf die Metopen von Selinus bin^u*
weisen. Nun kam der schreckliche, aber kurze Kri^ mit den Karthagern.
Nach seiner siegreichen Beendigung blühten Kunst und Literatur auf, und jene
schuf die gewaltigsten Tempel von Selinus und Akragas, diese brachte die
Sicht sicilischen Gestalten eines Empedokl^s und Gorgias hervor. Hieron hat
wenigstens das Verdienst gehabt , dass er den Frieden zu benutzen und be-
deutende fremde Dichter an seinen Uof zu sieben verstand. Dann aber, nach
einer Friedensperiode von zwei Ifensehenaltern , der segensreichsten für Sici-
iiens Geschichte, nach einer Periode, die zugleich ein halbes Jahrhundert der
Freiheit gebracht hatte , folgt eine zweite Epoche gewaltiger Kämpfe , zuerst
mit den Athenern, dann mit Karthago. Diese Kämpfe erzeugen den Despotis^
mus des Dionys. Daher konnte denn auch, als eine Zeit verhältnissmässigen
Friedens eintrat, die von 387 bis etwa 356 dauerte, dennoch keine Entwicke*
lung der Literatur eintreten, denn Dionys war zu sehr Despot, um an freier
Entfaltung des Geistes Freude zu haben, und ausserdem hatte er die Nationa-
litäten und die Städtebevölkerungen der Insel zu sehr durch einander gewor-
fen, als dass sich eine bestimmte bürgerliche Sitte, die Grundlage jeder eigenen
Literatur, hätte ausbilden können. Die fremden Schriftsteller, welche auch er
an seinem Hofe versammelte, stellten sich kaum in engere Beziehungen zum
Lande, mit einziger Ausnahme des Philoxenos ^ dessen sicilische Eigentbüm-
lichkeiten wir besprochen haben. Die Sitten losigkeit stieg indessen, und so
war die einzige Literaturgattung, die unter Dionys wirklich gefordert wurde,
die culinarische, die damals allerdings in Sicilien einen sehr hohen Aufschwung
genommen hat. Auf diese wenig edlen Friedenszeiten folgten die Käuipfe,
welche Dion und Timoleon gegen die Tyrannenherrschaft durchfochten. Nach
ihrer Beendigung war Sicilien, wie sich nun zeigte, so sehr griechischer Ein-
wohner beraubt , dass Timoleon sie zu Myriaden der Insel zuführen musste.
Da war an Literatur in der allerersten Zeit noch nicht zu denken. Hätten
der Friede und die Freiheit lange gedauert, so wären andere und bes-
sere Resultate zu hoffen gewesen, so aber folgten bald neue Bürgerkriege,
und als ihre Frucht die Tyrannis des Agathokles, die abscheulichste von allen,
die Sicilien gesehen hat. Ein solches Regiment führte wieder neue Bedingun-
gen für die Cultur herbei, wie sie ungünstiger sich nicht /lenken lassen. Unter
einem Agathokles konnte von Literatur und höherer Kunst in Sicilien nicht die
Rede sein. Dennoch war in anderer Beziehung die Möglichkeit solcher voriian-
den , seit durch Timoleon sich neue kräftige griechische Gemeinwesen auf der
Insel gebildet hatten. Unabhängige Geister mussten also auswandern, und
wir haben die eigenthürolicbe , aber nach den einmal vorhandenen Verhält-
nissen nothwendige Thatsache kennen gelernt, dass damals Sicilier nur
ausserhalb Siciliens in der Literatur thätig sein konnten. Hier zeigt sich Aga-
thokles in schlagendem Gegensatz zu Hieron. Dieser hatte fremde Dichter
nach Sicilien gezogen, Agathokles verscheuchte die einheimischen Talente.
Auf eine neue Zeit des Kampfes unter Pyrrhos folgt dann eine letzte Periode
334 Sechstes Buch. X. Einheitlicher Charakter der alten sicilischen Geschichte.
der Ruhe unter Hieron IL, eine Periode , die überdies für Syrakus über die
Grenzen hinausgeht, die wir uns für diesen Band haben stecken müssen. Hier
ist endlich wieder unter einem milden Fürsten, unter dem Friede und Frei-
heit, soweit letztere möglich war, herrschten, von Literatur die Rede, und die
unverwüstliche Kraft der soviel gemisshandelten Insel zeigt sich darin, dass
sie eine neue, acht nationale Literaturgattung hervorbringt, die Bukolik.
Es wird nicht unpassend sein , schliesslich noch von den soeben bespro-
chenen abwechselnden Perioden der Ruhe und des Kampfes eine ganz kurze
Uebersicht zu geben , die überdies für das Verständniss des Einflusses, den
Sicilien nach aussen geübt hat^ von Wichtigkeit ist.
Wir fanden fünf Perioden des Kampfes : mit den Karthagern bei Himera ;
mit den Athenern und mit den Karthagern unter Dionys ; die inneren Kämpfe
zu Dion's und Timoleon's Zeit ; die Periode des Agathokles ; die Periode des
Pyrrhos. Von diesen Perioden boten die schwersten Kampfe dar die erste,
zweite und vierte, unter Gelon ; Dionys und Agathokles , und es ist von Be-
deutung zu sehen , dass diesen Zeiten grOsster Anstrengung in den Perioden
der nachfolgenden Ruhe die grösste Machtentwicklung Siciliens nach aussen
sich anschioss , wovon Hieron bei Kyme , Dionys durch seine Herrschaft im
adriatischen Meere, Agathokles durch seinen Einfluss auf Italien und Kerkyra
den Beweis liefern. In Hinsicht der Gultur ist in diesen drei Friedensperioden
durch Hieron viel, durch Dionys wenig, durch Agathokles nichts, dem Cha-
rakter der Herrscher entsprechend, geschehen. Kürzer waren die Kampfperio-
den unter Timoleon und Pyrrhos, die ihnen folgenden Perioden der Ruhe
zeigten theils deshalb, theils aus Gründen, weiche in den Weltverhältnissen
lagen, den Einfluss der Machthaber der Insel beschränkt auf die Insel selbst,
und nicht unter Timoleon, wohl aber unter Hieron IL finden wir die Literatur
blühend, da ihre Blüthe von längerer Dauer des Friedens und befestigten Zu-
ständen abhängt.
Zehntes Kapitel.
«
Einheiüicher Charakter der alten sicilischeii Geschichte.
Nachdem wir die Geschichte der äusseren und inneren Entwickeiung
Siciliens während der Periode seiner Selbständigkeit abgeschlossen haben,
wollen wir noch kurz die Punkte hervorheben , welche das Objecl dieser Ge-
schichte als ein einheitliches und diese Einheit als sich in der Geschichte that-
sächlich äussernd nachweisen. Wem ein solches Unternehmen überflüssig
erscheinen sollte, der möge bedenken, dass nicht selten von dem alten Sicilien
dieselbe Bemerkung laut wird , welche Metternich über das moderne Italien
machte : es sei nur ein geographischer Begriff. Wie der österreichische Staats-*
mann mit diesen Worten Ilalien die Nothwendigkeit einer politischen Existenz
Einheit des Gegenstandes. 335
absprechen wollte , so wollen diejenigen , welche das alte Sicilien nur als ein
geographisches Ganzes betrachten, damit die Möglichkeit läugnen, dass es von
demselben eine wirkliche Geschichte gebe. Ein Land, das weiter nichts ge-
meinsames hat, als das Meer, welches es umschliesst, kann in der That kaum
als Object einer wirklichen Geschichte betrachtet werden; und wie für ein
Drama die Einheit des Ortes nur Nebensache im Vergleich mit der Einheit der
Handlung ist, so bedarf auch eine wahre Geschichte vor allen Dingen der
Einheit des Gegenstandes. W<1re nun wirklich das alte Sicilien ein bloss geo-
graphischer Begriff, so könnte es wohl eine chronologische Darstellung des in
ihm Vorgefallenen geben , aber nicht eine eigentliche Geschichte. Dass dem
aber nicht so ist, hat nach unserer Meinung die vorliegende Schrift gezeigt. In
der That konnte nur der Versuch einer Geschichte Siciliens beweisen , dass
eine solche möglich ist; aber es wird darum nicht tlberflttssig sein, dasjenige
nachträglich noch besonders hervorzuheben, was im Verlauf dieser Darstellung
den Beweis geliefert hat, dass der Gegenstand derselben wirklicb eine innere
Einheit besitzt.
Die gegen die Möglichkeit einer wahren Geschichte des alten Siciliens
gemachten Einwtirfe lassen sich folgendermassen resumiren. Die erforderliche
innere Einheit zeigt sich nicht in den Bevölkerungs Verhältnissen der Insel,
welche ja, so lange sie frei war, niemals einen einzigen Staat gebildet hat.
Das Hauptvolk der Insel sind die Griechen, welche ihrer Cultur den besondern
Charakter verliehen haben, der ihr innewohnt, aber diese .Griechen sind
durchaus nicht auf die Insel beschränkt, sie sind überhaupt im Westen des
Mittelmeeres zahlreich angesiedelt, zumal in Unteritalien, mit welchem die
sicilischen Griechen in den engsten Beziehungen stehen. Es wäre deshalb
erwünscht, eine Geschichte der Griechen von Italien und Sicilien zu haben;
ja auch eine Geschichte der Griechen Siciliens wäre denkbar, sowie natürlich
eine Geschichte von Syrakus. Aber die Griechen Siciliens von denen Italiens
trennen und sie mit den Barbaren der Insel zusammen zum Gegenstande einer
Geschichte machen wollen, das geht nicht an.
Es ist nicht zu bestreiten , dass solche Betrachtungen etwas sehr schein-
bares haben. Wer die Geschichte des alten Siciliens nur aus den bisherigen
Bearbeitungen der einzelnen Theile derselben in Monographien oder ausführ-
lichen griechischen Geschichten kennt, ist zu dem Urtheile berechtigt, dass dem
Gegenstande diejenige innere Einheit , welche für eine geschichtliche Bearbei-
tung erforderlich ist, abgeht. Anders aberstellt sich die Sache, wenn man
die Begebenheiten, deren Schauplatz unsere Insel im Alterthum w^ar, zum
Gegenstände einer zusammenhängenden Darstellung macht. Sie muss zu dem
Ergebniss führen, dass eine solche Einheit allerdings vorhanden ist, und es kann
sich nach dem Abschluss eines Haupttheiies derselben nur noch darum handeln,
die in Betracht kommenden wichtigsten Punkte kurz zusammen zu fassen.
Die innere Einheit des Gegenstandes , der ja ein lebendiger Organismus
ist, liegt im letzten Grunde in den Gulturverhältnissen. Nur wo sie einheit-
licher Art sind , ist eine wahre Geschichte möglich. Es braucht aber diese
Einheit nicht in jedem Momente der Geschichte vorhanden zu sein ; es kann
gerade über sie Streit herrschen, und doch wird eine Geschichte des Landes
336 Sechstes Buch. X. Einheitlicher Charakter der alten sicilischen Geschichte.
möglich sein, sobald diese Einheit eben den Hauptgegenstand des Streiies
ausQQacht und sie sich überhaupt, wenn auch nicht fortdauernd, zur Geltung
zu bringen gewusst hat.
Nun liegt für uns die Möglichkeit einer einheitlichen sicilischen Geschichte
zunächst in den Stammesverhältnissen der ursprünglichen Bewohner der Insel.
Nach unserer Ansicht sind sowohl Sikaner wie Sikeler italischer Herkunft. So
hat die Insel ursprünglich einen einheitlichen ethnographischen Charakter ge-
habt. Dann kommen die fremden Colonisten nach Sicilien. Es sind zwei Völ-
kerschaften : im Osten die Griechen , im Westen die Phönicier. Sie lassen
sich am Rande nieder, üben aber Einfluss auch auf den Kern des Landes.
Allmählich wird der Einfluss der Griechen überwiegend, und ich habe nach-
gewiesen , wie derselbe im Laufe des 5. Jahrhunderts v. £hr. ein durchaus
herrschender geworden war. Ganz Sicilien, und nicht ausgenommen die kar-
thagischen Besitzungen , war hellenisirt. So haben wir bis etwa zum Jahre
440 V. Chr. die geistige Einheit der Insel nachgewiesen. Allerdings ist sie
nicht dieselbe wie zu Anfang: von italischer Nationalität ausgegangen , hat sie
sich zur griechischen bekehrt. Politisch sind freilich nicht die sämmtlichen
Einwohner der Insel geeinigt gewesen , aber das ist für unsera Zwed^ auch
nicht nothwendig; es hat nicht bloss ein einzelner Staat seine Geschichte.
Nun stände es trotzdem um die von uns behauptete Einheit schlimm, wenn die
Griechen , welche dieselbe im 5. Jahrhundert v. Chr. vertraten, sich mit an-
dern Griechen ausserhalb der Insel eins gefühlt hätten. Dann hätten wir den
Fall, welchen die Gegner voraussetzen : politische Spaltung im Innern der Insel
und dagegen Einheit eines Theiles ihrer Bewohner mit denen eines andern
Landes. Aber das Gegentheil hiervon ist in den Thatsachen zu lesen. Die
Griechen Siciliens fühlten sich unter einander eng zusammen gehörig und allen
übrigen gegenüber gesondert. Dies tritt zweimal im 5. Jahrhundert deutlich
hervor. Zum ersten Male im Jahre 461, wo die hellenischen Städte Siciliens
einen gemeinsamen Beschluss über die Ordnung ihrer Angelegenheiten fassen,
nachdem die Tyrannen aus den verschiedenen Städten vertrieben sind und
nur noch die Anwesenheit von Neubürgern , ehemaligen Söldlingen der Herr-
scher, die Städte beunruhigt (Bd. I. S. 252) . Noch deutlicher zeigt sich aber
dasselbe im J. 424 beim Frieden zu Gela, den Hermokrates vermittelte. Wir
haben gesehen (S. 8), wie derselbe das Widerstreben der Gegner von Syrakus
durch die Berufung auf das sicilische Nationalgefühl überwindet; in seiner Rede
ist wiederholt von ganz Sicilien , von dem meerumschlungenen Vaterland die
Rede, in welchem die Fremden nichts zu suchen haben. Diese Berufung ent-
scheidet die Sache ; es ist den Griechen der Insel nicht zweifelhaft , dass sie
zusammen gehören, und dass Fremde nichts bei ihnen zu schaffen haben; es
ist ihnen ebensowenig zweifelhaft, dass sie »ganz Sicilien« sind. So ist zweierlei
bewiesen. Erstens, dass die sicilischen Griechen sich als Repräsentanten von
ganz Sicilien ansahen , und zweitens , dass dies ganze Sicilien ein politisches
Gebiet für sich ist, das keine Einmischung andererduldet, mögen sie auch
noch so sehr stammverwandt sein. Wem es Uebermuth dünken sollte, dass
sie sich als den Inbegriff von ganz Sicilien betrachteten , der wolle bedenken,
dass die Herrschaft ihrer Bildung ihnen volles Recht dazu gab. So viel über
Innere Einheit Sicüiens. Münzwesen. 337
die Zeit bis zum Jahre 410. Bis dahin ist also Einheit vorhanden und eine
wahrhafte Geschichte möglich.
Im weiteren Verlaufe Sinderi sich der ethnographische Charakter der Insel,
aber die Einheit bleibt. Die Karthager machen gewaltige Uebergriffe, aber wer
bekämpft sie ? Nur die Sikelioten selbst, wenn auch ein paar Mal unter frem-
den Fuhrern. Nie hat eine griechische Stadt oder ein griechischer Staat ausser-
halb der Insel Herrschaft auf derselben ausgeübt; die Fremden, welche sie
übten, thaten es als Einzelne, es war die Persönlichkeit des Gylippos, des
Timoleon, des Pyrrhos, die Wunder wirkten; die Soldaten, die mit ihnen
kanten, vermochten nicht, ihnen Ansehen zu verschaffen, und wenn sie Ge-
horsam fanden , so war es , weil man sie so lange als Sikelioten betrachtete.
Die Insel hat von jeher Fremde gern bei sich aufgenommen , aber sie mttssen
zeigen, dass sie Sicilianer werden wollen. Und auf der anderen Seite ist
nichts haußger, als dass sicilische Staaten und Fürsten als solche im Auslande
Macht entfallen. Wenn Dionys und Agathokles sich in Italien gefürchtet mach-
ten, so thaten sie es nicht im Dienste Italiens , sondern als Vertreter Siciliens
und speciell von Syrakus. Also auch in den Zeiten von 410 — 264 bleibt das
griechische Sicilien ein fester Kernpunkt der Macht, ein Centrum*, das seinen
Einfluss in weitem Umkreise geltend macht; und nicht bloss nach aussen;
denn wenn die Karthager den Syrakusanern auch viele Noth machten, so
haben sie doch auch die Macht der Despoten Syrakusens erfahren, und was die
Geschicke der Insel entscheidet, ist zuletzt doch nur der Charakter der Herren
ihrer grössten Stadt gewesen. Dennoch ist in ethnographischer Beziehung eine
Wandlung vorgegangen: wir sahen, wie die Zahl der Bewohner Siciliens,
welche der griechischen Nationalität angehörten , schwand und die der itali-
schen zunahm. Das völlige Verschwinden der hellenischen Nationalität auf der
Insel verhinderte Timoleon , aber im Grossen und Ganzen blieb Sicilien auf
dem Wege der Annäherung an die italische Nationalität , einem Wege , der es
vorzüglich geeignet machte, Roms erste Provinz zu werden. Die griechische
Sprache freilich blieb herrschend, und die Griechen der Insel fühlten sich noch
immer so kräftig, dass man, zum ersten Male, Münzen im Namen der Sikelio-
ten prägte, während andererseits das Gefühl der Einheit der Insel sich in den
Münzen mit der Umschrift Sikelia aussprach. So ist auch für diese Periode
die innere Einheit nachgewiesen.
Ueberhaupt ist für den vorliegenden Gegenstand das Münzwesen von
grosser Bedeutung, da in ihm sich die Selbständigkeit Siciliens klar offenbart.
Es ist hier weniger auf das Litrensystem, von welchem im ersten Bande dieser
Geschichte die Rede war. Gewicht zu legen, als vielmehr darauf, dass in Si-
cilien bereits vor dem Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. das Totradrachmon
attischer Währung Überall als Hauptmünze gilt. Hier zeigt sich gerade die
Sonderung von Italien recht deutlich. In Grossgriechenland ist das Didrachmon
die landesübliche Münze ; Tetradrachmen werden nur ganz vereinzelt ausge-
prägt, ausser in dem Sicilien so eng verbundenen Rhegion nur in Metapont
und Thurii. Diese Thatsache der wirthschafllichen Trennung von Sicilien und
Grossgriechenland kann in Bezug auf das gegenwärtig von uns behandelte
Thema nicht hoch genug angeschlagen werden; sie spricht in prägnanter
Holm, QeKch. Sicilions. II. 22
33S Sechstes Buch. X. Einheitlicher Charakter der alten sicilischen Geschichte.
Weise aus , was die ganze Geschichte dieser Gegenden lehrt , aber nicht so
scharf und bestimmt, nämlich dass eine uinere Einheit, ein Gefühl der Zu-
sammengehörigkeit zu einem stillschweigend vorausgesetzten Bunde zwischen
Sikelioten und Italioten nicht vorhanden war. Grossgriechenland hat, wie wir
in diesem Bande gesehen haben, mehrere Centren, die alle auf Sicilien wenig
einwirken konnten, und von denen einige ausserhalb der gewöhnlichen Wir-
kungssphäre Siciliena lagen ; Sicilien hat ein Centrum : Syrakus. Die That-
Sache der wirthschaftlichen Trennung von Sicilien und Grossgriecbenland, die
sich in dem Gebrauch des Didrachmons hier, des Tetradrachmons dort, aus-
spricht, gewinnt aber für unseren Zweck eine besondere Bedeutung, wenn «aan
sie mit der andern Thatsache zusammenstellt, dass in Sicilien selbst sich alles,
auch die Karthager, dem Tetradrachmon unterwirft. Und nicht bloss in Bezug
auf die Währung haben sich die Karthager Siciliens den Griechen angeschlos-
sen; auch für den Stil der Tetradrachmon haben sie sicilisch -griechische
Künstler zu Rathe gezogen ; sie haben sich in dieser Beziehung bemüht, etwas
durchaus den syrakusanischen Kunstwerken ähnliches zu schaffen.
Wenn wir in Kunst und Literatur die Sonderung Sioiliens von Italien
nicht in der^lben Weise aufzeigen können, wie im Staatswesen und in der
Volkswirthscbaft, so liegt das grösstentheils an unserer man^lhaflenKennlniss
Grossgriechenlands. Dass Aehnlichkeiten vorhanden sind, darf nicht auffallen.
So hat die italische Komiklie grössere Äehnlichkeit mit der sicilischen , als mit
der sonstigen griechischen ; die Neigung zu heiterem Scherze war eben den Hel-
lenen Grossgriedienlands und Siciliens gemeinsam. In der Siempelschneide-
kunst ist ebenfalls Verwandtschaft zwischen Sicilien und Untaritalien unver-
kennbar. Im Uebrigen sind keine näheren Beziehungen zwischen beiden Län-
dern nachzuweisen , als zwischen Landschaften griechischer Zunge überhaupt.
Die Culturgeschichte Grossgriechenlands hat insbesondere nicht so wie die
sicilische den Charakter der Einheit ; man hat bei ihr die verschiedenen von
uns früher angedeuteten Landstriche zu unterscheiden. Apulien und Kampa-
nien bieten ganz andere Erscheinungen als Lukanien und gar Bruttium, das in
allen Beziehungen Sicilien am nächsten steht. So kommen wir auch hier wie-
der auf die Einheit Siciliens im Gegensatz zu Grossgriechenland zurück.
Ein Land , das in so hervorragender Weise sich , trotz mancher unglück-
lichen äusseren Verhältnisse, als ein eigenthümlich organisiries und dazu noch
als ein Centrum für das politische Leben in weiteren Kreisen geltend zu
machen gewusst hat, verlangt sicherlich seine besondere Geschichte. Sollte in
meiner Arbeit diese Eigenthümlichkeit nicht deutlich genug hervorgetreten
sein , so wäre die Schuld dem Bearbeiter zuzuschreiben , nicht dem Gegen-
stande. Allerdings tritt die Abgeschlossenheit der Insel besonders dann deut-
lich hervor, wenn man sich in der Betrachtung nicht auf ihre alte Geschichte
beschränkt, sondern das Ganze ihrer Entwickelung, Mittelalter und Neuzeit
mit inbegriffen, in^s Auge fasst. Aber im Grunde genommen steht es auch hier
nicht anders, als wenn man das Alterthum allein betrachtet. Auch für die
späteren Epochen fehlt es für den ersten flüchtigen Blick an der nöthigen Ab-
geschlossenheit in politischer Beziehung. Unter den Muhammedanern hing Sici-
lien meistens von Afrika ab, unter den Normannen und den Uohenstaufen war
Eigeotbümlicher Charakter der Insel in späterer Zeit. 339
es mit Unieritalien zu einem Reiche verbunden , Karl von Anjou regierte die
Insel von Neapel aus. Dann war sie eine Zeitlang selbständig ; bald aber ward
sie eine Provinz fremder Reiche, lange Zeit hindurch Spaniens, hierauf Oester-
reichs und schliesslich der Bourbonen von Neapel. Und trotz alledem wird,
wer Sicilien kennt, sein eigentbümliches Wesen nicht läugnen, und es wird
ihm nicht einfallen zu behaupten , dass von einer besonderen Geschichte des-
selben nicht die Rede sein könne. Allerdings tritt in einzelnen Punkten in der
neueren Zeit ihre Besonderheit klarer hervor als dies im Alterthum der Fall
war, insbesondere in der Existenz einer sehr ausgebildeten sicilianischen Con-
stitution. Aber diese Constitution ist doch nur deswegen den Sicilianern so
theuer gewesen, weil sie wirklich der Ausdruck eines eingewurzelten Gefühles
der Selbständigkeit war^ und dieses Gefühl hat, wie wir wissen , im Alter-
Xhum nach Massgabe der verschiedenen Verhältnisse in den Gongressen sich
ausgesprochen, die zweimal über gemeinsame Angelegenheiten entschieden
haben. Und wenn Dionys im Auslande als König von Sicilien galt, so lag doch
auch darin die Anerkennung, dass der Rest karthagischer Besitzungen auf der
Insel wenig bedeutete.
Es hat also die Geschichte des alten Siciliens jedenfalls ihre innere Einheit,
sowohl als Theil der allgemeinen Geschichte der Insel, wie in der Beschränkung
auf das Alterthum allein. Und wenn eine Geschichte wie ein Drama, als aus
drei Theilen bestehend betrachtet werden kann , aus einem vorbereitenden,
orientirenden , so zu sagen ansteigenden Theil , welchem dann ein Abschnitt
des Yerweilens auf der Höhe folgt, bis endlich ein innierlich bedingter Schluss
kommt, so sind auch diese Theile bei der sich auf das Alterthum beschrän-
kenden Geschichte Siciliens vorhanden. Die Zeit der Vorbereitung, des Schür-
zens des Knotens, geht bis zum Anfange des 5. Jahrhunderts v. Chr.; die
handelnden Personen, Italiker, Griechen und Phönicier, entwickeln ihren be-
sonderen Charakter, und unter ihnen kommen schon die Griechen der Ob-
macht nahe. Der Gipfelpunkt des Drama^s zeigt sich dann in den heftigen
Gonflicten und den sie unterbrechenden Ruhezeiten zwischen 500 und S64,
wo anfangs die Griechen allein herrschen, bis die Karthager grössere Fort-
schritte machen, aber nur, damit nach der Ermüdung Beider das altnationale
Element durch die zuletzt eintretende Katastrophe der punischen Kriege in den
Römern den Sieg davon trägt.
Unser dritter Band wird zu schildern haben, wie diese Katastrophe ver-
lief und wie die neuvereinigten Elemente sich im Laufe der Jahrhunderte mit
einander vertrugen.
22*
Anhang.
i.
lieber die Qaellen der Geschichte Siciliens Yom Kriege mit
den Athenern bis auf Pyrrhos, insbesondere tlber die des
athenischen Krieges.
Allgemeines. Die folgenden Untersnchungen stehen auf einem wesentlich
praktischen Boden. Es handelt sich für den Historiker zunächst darum , zu wissen,
aus welchen Quellen er schöpfen darf; die Methode kritischer Forschung, welche bei
der Constituirung der Texte der alten Schriftsteller gehandhabt wird, müss auch auf
die Geschichte angewandt werden. Somit handelt es sich um eine Classificirung und
Genealogie der Quellen. Wir können aber erst fUr diesen Band unserer Geschichte
zu einem solchen Unternehmen schreiten, weil erst Hir die in ihm zu behandelnden
Begebenheiten eine zusammenhängende Ueberlieferung vorhanden ist. Der Inhalt des
vorigen musste aus vereinzelten Stellen alter Schriftsteller zusammengetragen werden.
Die Forschung nach den Quellen derjenigen alten Historiker, welche nicht als
Augenzeugen gleichzeitige Dinge beschreiben, hat in neuerer Zeit bedeutende Fort-
schritte gemacht. Lange Zeit hindurch dachte man sich ihre Arbeit im Wesentlichen
so, wie die unserer modernen (xeschichtschreiber ist, indem man annahm, dass sie
aus den verschiedensten Quellen ihre Nachrichten über die einzelnen Begebenheiten
zusammengetragen hätten. Neuerdings ist man zu der Einsicht gelangt, dass das
Verfahren Vieler derselben, demjenigen der mittelalterlichen Historiker ähnlich, viel-
mehr in der Benutzung möglichst weniger Quellen für ein längeres Stück Geschichte
bestand. In dieser Beziehung haben besonders die Untersuchungen Nissen' s über die
Quellen des Livius die Bahn gebrochen, man vgl. S. 77 — 83 von Nissen's Krit. Un-
tersuchungen n. s. w. Berl. 1863, wo die leitenden Grundsätze dargelegt sind. Aber
indem man so die früher angenommene Vielheit der Quellen aufgab,, ist man hin und
wieder nach der entgegengesetzten Bichtung zu weit gegangen, und hat den Versuch
gemacht, immer nur eine einzige Quelle für Je einen mehr oder minder grossen Ab-
schnitt nachzuweisen, und so etwas, das nur in einzelnen Fällen richtig ist , fälschlich
zum Princip erhoben. Wir befinden uns gerade bei dem uns hier beschäftigenden
Gegenstande in der Lage, solchen Ansichten entgegentreten zu müssen. Dieselben
sind enthalten in den zum Theil bereits im 1. Bande citirten, und, zumal die erste,
höchst werthvolle Untersuchungen enthaltenden Schriften: Ch. A. Volquardsen, Un-
tersuchungen über die Quellen des Diodor XI— XVI, Kiel 1868. 8. G. Collmann, De
lieber die Quellen der Geschichte Stciliens. 341
Diodori Siculi fontibas, Lips. 1869. 8 und W. Frieke, Untersuchungen Über die Quellen
des Plutarch im Nikias und Alkibiades, Lpz. 1869. 8, von denen besonders die letzte
zu Resultaten gelangt, die ich nicht billige.
Wir können uns einer kurzen Beleuchtung und Discussion der entgegenstehenden
Principien nicht entziehen, weil wir nur so den Boden fUr unsere eigenen Unter-
suchungen ebenen. Gollman sagt p. 7, um die Annahme abzuweisen, dass Diodor in
der Geschichte des peloponnesischen Krieges seine eigene Darstellung aus zwei Quellen
zusammengestellt haben kOnne: nam Diodorum ita Ephori libris usum esse, ut ea,
quae a Thucydide praetermissa invenisset, ex illis depromeret, minime statui potest,
quia haec scribendi ratio cum ab omnium antiquomm rerum scriptorum, tum a Diodori
consuetudine summopere abhorret, qui, quantnm fieri potest, unum sequebatur ducem.
Wegen dieser consuetudo soll nach Collmann Diodor nur Ephoros gefolgt sein und
die nicht selten sichtbare Uebereinstimmung des Diodor mit Thukydides nur daher
rühren, dass dieser von Ephoros benutzt wurde. Wenn nun dies alles, und beson-
ders die genannte consuetudo ein Factum ist, so müssen wir eine vollständige Ueber-
einstimmung zwischen Diodor und Thukydides erwarten. Denn Ephoros benutzte
iiach der consuetudo nur Thukydides, und Diodor nur Ephoros. Die Thatsache ist
aber im Gegentheil starke Abweichung des Diodor von Thukydides. Es ist also klar,
dass die consuetudo nicht in der Weise vorhanden ist , dass ein Historiker jedesmal
nur eine Quelle benutzt hätte, und Collmann erkennt das selbst an, wenn ^r p. 16
sagt, in der Geschichte der athenischen Expedition nach Sicilien «ei Ephoros nicht
so genau den Spuren des Thukydides gefolgt, sondern stehe vielmehr auf eigenen
Füssen fsed suis potius pedibus incessisse). Diese sui pedes können doch nur andere
Quellen sein, die er ausser Thukydides benutzte. Wenn aber für Ephoros eine Aus-
nahme von dem Principe gestattet ist, so ist sie es auch für Diodor, auch er kann meh-
rere Quellen für dieselbe Begebenheit zu Bathe gezogen haben. Mit anderen Worten :
da die Benutzung mehrerer Quellen nicht speciell für Diodor als unannehmbar nach-
gewiesen worden ist, so ist von denen, die das Vorhandensein immer nur einer Quelle
bei diesem Schriftsteller ohne weiteres statuiren, eine petitio principii begangen.
Wenn wir aber davon absehen, dass das behauptete Princip als solches, und in
der ihm zugeschriebenen Allgemeinheit, nicht bewiesen ist, so bliebe noch die Mög-
lichkeit, dass es z. B. für Diodor innere Wahrscheinlichkeit hätte. Ist das der Fall?
War es für Diodor z. B. viel leichter, nur aus einer Quelle zu schöpfen, als etwa aus
zweien? Hier hat man Folgendes zu bedenken. Diodor hat vielfach den Ephoros be-
nutzt. Nun schreibt Diodor annalistisch, Ephoros hatte das nicht gethan. Diodor
hatte also oft des Ephoros Erzählung aus einander zu reissen, um sie benutzen zu
können. Da war es denn schliesslich auch nicht schwer, aus anderen Quellen etwas
einzuschalten. Man hat Diodor als beständigen Abschreiber langer Quellenstücke ge-
schildert ; Frieke S. 2 stellt ihn den byzantinischen Exoerptoren gleich. Bisweilen hat
er dies Verfahren eingeschlagen, aber man kann nicht darauf rechnen, dass er^es
immer that, und so sagt auch Nissen S. 82 von Diodor: ^mit Unrecht hat man sein
Werk wegwerfend eine blosse Quellenoompilation betitelt.** Es giebt aber eine Stelle»
aus der man, gerade wenn man sich auf den Standpunkt der neueren Forschungen
über die Quellen Diodor's stellt, mit Sicherheit nachweisen kann, dass Diodor wirk-
lich, was gelättgnet wird, mehrere Schriftsteller über einen Punkt zu Rathe gezogen,
und sogar die Berichte derselben in einander zu arbeiten gesucht hat Diodor erzählt
XIV, 54 die Büstungen der Karthager zum grossen Kriege des Jahres 396 v. Chr.
Dionys fällt in die karthagische Provinz Siciliens ein. Nun heisst es: ol ök Kagyri"
Jovfot 7Tv$^6ft€Voi fo fifyf&og rijf tov diovvalcv dwaueoig ixQivav noXv xaTg TrtiQaaxevttig
ai/Tov VTiiQdia&M, ^t6n€g ^I^uibcmva ßaailia xara rofiov xaTaartiattVTeg ix rrjg Aißvrig
oAijff, Ir« ^* fx xiig *TßriQ(ag avn^yttyov dvraßifigf rag fth nttQa raiv nvuutt/tov i/cra-
342 Anbang I. Quellen der Geachichte Siciliens.
TitfinofiiPOi, fdc ^^ fitadüvficvoi ' »cd niqug ij&gaiGav neCtov fikv vnhQ rag j^iaxorrtt
fAvqtädagj Inntlg Sk rcrgaxiax^^^^^ X^9*S tcuv M^arttv tmvta ^ ^aav r€tQax6aia,
vttvg ök fiaxQag filv tixgaxoalagj tag Sh top ottov X€ti r« firi/aviif/itctti xal ript mX?Afv
vniiQittiav naQtatofuCovtHtg ukeiovg xAv 4$4ueoaiwy, ^m^n€^ ifiiiAv "Bfpo^g. Tifiaacg
fihf yag rng ix t^ At^ift^g ne^itj^tiaag dtnmftHg ov nieünvg ffffalv tlt^i ^Mcm flVQtU"
(foiv, xal TiQog rtanmig M^g tQ^ig inoifubmxtu xmra £iiiPiUav atgigtokoyti&iiattg. Die
BieiÜBchen Angelc^nheiten ensählt Diodk>r nach YolqnardBen'a Annahme, die sich all-
gemeiner Beistimmung zu erfreuen scheint , auf Grand der Nachrichten des Timaioe.
Wir folgen fttr den Augenbüek dieser Aanaiime. Nun beachte man, wie in dem eitir-
ten Stftoke ungezwungen der Uebergaog zu dem Berichte des Ephoros gemacht wird,
in welchem wir bei den Worten xäk ft^gag schon sind, so dass erst suletzt als €re-
genstttdc der, wie man annimmt, sonst immer und auch vorher benutzte Zeuge Ti-
maios auftritt. Wenn es wahr wäre, was Fricke S. 2 sagt, dass Diodor ^ie zwei
verschiedene Berichte verschmolzen hat, sondern solche hOohotens neben einander
stellt'', so hStte er hier zuerst den Timaios zu Ende reden lassen und dann die ab-
weichende Ansicht des Ephoros angefUhrt. So aber tritt schon bei den Worten ix^twaw
noXv avrov wTreg^ia&tu das Streben Diodor^s zu Tage, die höheren Angaben des
Ephoros motivirt, offenbar mit der Motivirung des Ephoros selbst, vorzufHhren. Es
ist also vom Standpunkte derjenigen, welche das vorliegende Stück als im Wesent-
lichen ius Timaios ezcerpirt ann^imen, ein Verschmelzen verschiedener Berichte um-
lingbar , und man kann auch nicht zu dem Auskunftsmtttel greifen , das Oitat des
Ephoros als nur aus Timaios herttbergenommen zu bezeichnen , da dann eine Spur
der Missbilligung der Uebertreibungen des Ephoros, wie sie Timaios ausgesprochen
haben muss, vorhanden wSie. Ich werde ttbrigens weiterhin zeigen, dass es sehr zwei-
felhaft erscheinen muss, ob Diodor wirklich das Stück sicilischer Geschichte, das
XIV, 54 beginnt und hauptsächlich die Behigerung von Syrakus durch die Karthager
enthält, aus Timaios entnommen hat, um nunmehr einen anderen eben&lls wichtigen
Punkt zu berühren. Wenn lüimlioh in der soeben besprochenen Stelle in abstracto
die Möglichkeit zugestanden werden muss, Diodor habe, was er aus Ephoros anführt,
auch nur aus Timaios, der Ephoros citlrte, entnommen, so giebt es in d&n sicilischen
Stücken (aus den griechischen liesse sich der Beweis noch verstiirken) dne andere
Stelle, in der eine solche Voraussetzung unmöglich ist, und die also klar beweist, dass
Diodor jedenfalls Berichte, die er in verschiedenen Büchern gefunden hatte, zu ver-
schmelzen verstanden hat. Diodor fügt XIII, 90 der Schilderung des den Karthagern
zur Beute werdenden Reichthnms der Akragantiner bei : h oig xnl roy <ßaXa^f§og
avyififf xofna&jfytei ravQOVy tfiv (T ülltiv liifiXetav (XatpvQOTTtiXiioe, rovrov dk rov ravQor
6 Tiftaiog iv taig luto^iaig ducßißatfoaafiivog (ntj y^yitvivai to fS^voXor vn avrrfg r/jg
Tvxrjg vXfyz^V' S^iTtliov yai» etc.. und nun folgt ein schwerer Tadel des Timaios und
seiner Ungenauigkeit, der offenbar aus Polybios geschöpft ist. Hier ist zunächst klar,
dass von einer Benutzung nur einer QueUe durch Diodor in diesem Falle nicht die
Bede sein kann. Es liegen wenigstens zwei vor, die, welche den Untergang von
Akragas berichtete, und die, welche Timaios tadelte, d. h. Polybios. In der ersten
sieht man Timaios ; wenn das der Fall ist, so beweist das wieder, dass Diodor seine
Quellen zusammenzuarbeiten verstand, denn die Worte iv olg xnl ete. sind schon nicht
mehr aus Timaios. Es ist jedoch keineswegs sicher, dass. der Abschnitt vom Luxus
der Akragantiner aus Timaios stammt. Wir werden über die Benutzung des Timaios
durch Diodor unten sprechen. Ist nun jener Abschnitt nicht von Timaios , so ist
allerdings von einem Zusammenarbeiten zweier Berichte nicht mehr die Rede, es ist
dann das aus Polybios gezogene, welches nunmehr erst mit den Worten rovrov 6f
roy Tttv oov beginnt, einfach an das aus einem andern Autor excerpirte angereiht
Allerdings lässt Fricke, wie wir sahen, ein solches Verfahren mit einem „höchstens*
Allgemeines. 343
als seiner Theorie nicht widersprechend gelten, es ist aber klar, dass es in Wirk-
lichkeit ihr dennoch widerspricht.
Fassen wir jetzt die gewonnenen Besnitate zusammen. £s ist gezeigt worden,
dass die Benutzung immer nur einer einzigen Quelle für die alten Historiker über-
haupt nicht erwiesen ist, dass sie für Diodor insbesondere weit entfernt ist, allgemein
gültig zu sein, dass im Gegentheil für diesen Schriftsteller sich bisweilen ein Benutzen
verschiedener Quellen für dieselbe Begebenheit nachweisen lässt. Somit sind wir be-
rechtigt, unsere Forschungen über die Quellen der Geschichte der uns beschäftigenden
Zeit ohne Rücksicht auf jenes Prinzip zu führen. Wir beginnen mit den Quellen. der
athenischen Expedition.
Grosse athenische Expedition. Hier kommen vor allen Dingen in Beträcht:
Thukydides, Diodor, und Plutarch in den Biographien des Nikias und des Alkibiades.
Unsere Aufgabe ist insoweit einfach, als der Werth des Thukydides in Frage kommt.
Thukydides schrieb als Zeitgenosse ; er hat alle Kennzeichen eines einsichtsvollen und
gewissenhaften Hannes ; er muss also von vornherein als Hauptquelle betrachtet wer-
den. Nur zwei Gesichtspunkte kommen hier noch besonders in Betracht. Es kann
einmal durch die noch zu unternehmende Prüfung der Übrigen Quellen ein noch kla-
reres Licht auf den Werth des Thukydides fallen ; es kann aber auch die zweite Frage
aufgeworfen werden, inwieweit Thukydides selbst, obschon Zeitgenosse, etwa von
anderen schriftlichen Quellen abhängig ist, wo dann natürlich der Werth solcher
Quellen zu erörtern sein würde. In dieser Hinsicht hat neuerdings werthvolle Auf-
schlüsse gegeben: £. Wölflflin, Antiochos von Syrakus und Coelius'Antipater, Win-
terth. 1872. 8, wo wahrscheinlich gemacht ist, dass Thukydides nicht nur für die
Kolonisation Siciliens im 6. Buche, sondern auch für den ersten athenischen Krieg
im 3. und 4. Antiochos, dessen Werk bis zum J. 424 v. Chr., d. h. bis zum Frieden
von G«la ging, benutzt hat. Dass Thukydides für eben diesen Krieg auch athenische
Berichte zu Bathe gezogen hat, ist selbstverständlich. Thukydides hat es also ver-
standen, verschiedene Quellen in einander zu verarbeiten. Für den grossen Krieg
415—413 war dagegen Thukydides ausschliesslich auf eigene Erkundigungen ange-
wiesen; es ist klar, dass er sich auch von Syrakusanem Über das bei ihnen vorgefallene
hat berichten lassen; ganz überwiegend liefern ihm aber athenische Berichte den Stoff.
Wir kommen nun zu Diodor und Plutarch. Die von ihnen benutzten Quellen
nachzuweisen, ist die specielle Aufgabe der oben citirten Schriften von Collmann und
Fricke. Wir haben das Princip, auf das sie sich stützen , widerlegt ; damit ist aber
noch nicht erwiesen, dass sie Unrecht hatten, in diesem besonderen Falle eine Ab-
hängigkeit der beiden Schriftsteller von je einer Quelle anzunehmen. Wenn wir nun
die von ihnen beigebrachten speciellen Gründe prüfen, so finden wir, dass in Coll-
mann's Beweisführung nichts liegt, was gegen seine Annahme spräche, Diodor habe
in diesem besonderen Falle, d. h. für die Geschichte der sicili^chen Expedition, nur
Ephoros benutzt. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass er gegen ihn sprechende Mo-
mente übersehen haben könnte, und eben hiervon wird alsbald die Rede sein. Anders
steht es jedoch mit Fricke's Beweisführung in Betreff Plutarch's, die schon selbst zu
den schwersten Bedenken Veranlassung giebt. Wir haben sie jetzt zu prüfen. . Es
kommt hier besonders der Nikias in Betracht, wovon nach Fricke S. 33, cap.l2— 16
Timaios, c. 17 bis zu Ende Philistos entlehnt sein sollen. Worin liegt der Beweis?
Im ersten Theile finden wir fortwährend bitteren Tadel gegen Nikias, im zweiten
jedoch werden zwar seine Fehler nicht verkannt, aber seine ersten glänzenden Erfolge
bewundert, sein trauriges Ende bemitleidet, ja es wird hervorgehoben, dass Nikias
trotz seiner Kränklichkeit Überall selbst die Unternehmungen leitete. Schon diese
verschiedene Betrachtungsweise muss ans darauf hinleiten, dass Plutarch im ersten
Abschnitte dem wegen seiner Schmähsucht vielberüchtigten Timaios , im zweiten da-
344 Anhang I. QHellen der Geschichte Siciliens.
gegen dem PhiÜBtos gefolgt ist. Wir können dies aber auch an viel deutlidieren
Spuren nachweisen ; denn Plutarch , der den Timaios selbst wegen seines Aberglau-
bens tadelt, erzählt ihm dennoch im ersten Theile alle seine derartigen Oeschichten
nach, obgleich er später in Betreff der Mondfinstemiss ganz anders urtheilt. Zudem
nöthigt in dem ersten Abschnitte auch einmal die Chronologie, das andere Mal ein
Fragment, Timaios als Quelle anzunehmen; in der späteren Erzählung aber wird Ti-
maios nur citirt, um seine abweichende Ansicht anzumerken, Philistos dagegen, um
das berichtete zu bekräftigen.'' Hiergegen ist zu bemerken :
1) Angeblicher Tadel und Lob des Nikias. In c. 12 — 16 soll fortwährend bitterer
Tadel gegen Nikias sein. Wir finden aber in c. 14, des Nikias Ver&hren den Athe-
nern'gegenüber sei ävdQos xQ^^^ov xal amtfQovog gewesen, und in c. 16 wird tob der
Landung am Olympieion gesagt: roOr' «oiartt Ntxiag iar^arriynae mgl ZixüJnv, Das
ist kein fortwährend bitterer Tadel. In Wirklichkeit verhält sich die Sache so:
Plutarch urtheilt jedesmal so über Nikias, wie er es ihm zu verdienen scheint. Daher
im 1. Theil (c. 12—16) neben dem Tadel das soeben hervorgehobene Lob, daher im
2. der von Fricke selbst nicht verkannte Wechsel von Lob und Tadel. Ich bemerke
noch, dass der Tadel auch in der comparatio zwischen Nikias und Crassus Platz ge-
funden hat, die doch nicht von Timaios herstammt.
2] Aberglaube. Auch hier erklären sich alle Bemerkungen Plutarch's durch die
Thatsachen selbst. Im 1. Theil (c. 13) werden die omina erzählt, die vom Unterneh-
men abmahnten, das ja unglücklich ablief. Im 2. Theil (c. 23} wird ausdrücklich ge-
sagt, dass nach Philochoros die Mondfinstemiss ein günstiges omen iiir die Fliehenden
war, dass aber Nikias das Unglück hatte, (^ndl fiärrty ^x^iv ifijrtiQov, Der Stand-
punkt des Schriftstellers ist also kein anderer geworden: die Wichtigkeit der omina
wird auch jetzt noch anerkannt Wenn femer Plutarch in c. 23 von den Fortschritten
der Wissenschaft spricht, was er in c. 13 nicht gethan hat, so gestattet das noch
keinen Schluss auf zwei Quellen verschiedenen Standpunktes ; eine solche Bemerkung,
die in c. 23 passt, würde in c. 13 gar nicht gepasst haben.
3) Die Citate beweisen für grosse Abschnitte nur dann etwas, wenn bereits fest-
steht, dass Plutarch das Princip befolgte, das oben als unerwiesen gezeigt ist. Für
eine solche Annahme spricht nichts, gegen sie sehr erhebliches.
Wenn für einen Annalisten eine innere Unmöglichkeit nicht vorliegt, die Ge-
schichte eines Jahres aus einer Quelle abzuschreiben und die des nächsten aus einer
anderen ganz verschiedenen Charakters, so ist es. bei einem einigermassen verstän-
digen Biographen geradezu unmöglich, dass er in der ersten Hälfte der Thaten seines
Helden sich treu an eine Quelle anschliesse, die consequent tadelt, in der zweiten an
eine andere, die ebenso principiell lobt. Eine Biographie Napoleon's , halb aus Thiers,
halb aus W. Scott getreu excerpirt, ein Leben Friedrich' s des Grossen, halb aus
Friedrich's eigenen Schriften, halb aus 0. Klopp geschöpft, sind Arbeiten, 9^ denen
ein gereifter Mann sich nicht versteht. Welche Vorstellung muss man sich von
Phitarcli's wissenschaftlichem Werthe und philosophischer Bildung machen, um es
glaublich zu finden, dass er sich vornehmen konnte, von den 3 Jahren der Expedi-
tion das enste getreu nach Timaios, die zwei anderen getreu nach Philistos zu erzählen,
mit sclavischer Copirung der Urtheile dieser Schriftsteller, wovon dann die Folge
war, dass ihm im ersten Jahre Nikias ein Schwachkopf, in den beiden andern ein
Held wurde? Um eine Biographie zu schreiben, hat man sich aus den Thaten seines
Helden einen Begriff von seinem Charakter zu machen. Das hat Plutarch gethan.
Wenn er dann glaubt, tadeln zu müssen, kann man nicht sagen: dies Stück hat er
aus einer Quelle abgeschrieben, die immer tadelt, und wenn er lobt: dies stammt aus
einer entgegengesetzten. Es kommt nun {n diesem besonderen Falle noch hinzu, dass
die häufigen Citate in den capp. 17—30 Fricke selbst nöthigen, dem Plutarch die
Allgemeines. Plutarch. 345
Benutzung verschiedener Anderer Quellen zuzuschreiben, sodass man nicht umhin
kann zu fragen, warum denn nur da eine andere Quelle vorhanden sein soll, wo eine
solche citirt wird, mit anderen Worten, woher wir wissen, dass Plutarch immer seine
Nebenqu^llen citirt hat? Der stärkste Gegenbeweis g^en die Befolgung immer einer
einzigen Quelle durch Plutarch im Nikias liegt aber in dem, was auf S. 47 Fricke
selbst über den Alkibiades des Plutarch sagt, der bis zum 12. Cap. »aus den ver-
schiedenartigsten Schriftstellern zusammengetragen" ist. Also verstand Plutarch das
und übte es bisweilen, warum nicht auch im Nikias?
Jetzt sind npch einige Worte über die Bemerkung Fricke's S. 47 hinzuzufügen,
es lehre »eine aufmerksame Beobachtung, dass Plutarch meist in syrakusanischen,
Thukydides in athenischen Angelegenheiten ausführlicher ist". Ich habe aus Fricke
selbst excerpirt, wie oft Plutarch ausführlicher ist als Thukydides , I. in athenischen,
II. in syrakusanischen Dingen, und folgendes Ergebniss erhalten:
I. 1. c. 12. 13. Vorbereitungen und Vorbedeutungen in Athen.
2. c. 16. Nikias und das Olympieion.
3. c. 17. Nikias' Krankheit. Lob der Athener.
4. c. 20. Die Athener hatten schon ein Heer schicken wollen.
5. p. 20. Ehrgeiz der Mitfeldherren Schuld der Niederlage.
6. c. 21. Ankunft und Heer des Demosthenes.
7. c. 22. Vorwürfe des Nikias und Rechtfertigung des Demosthenes.
8. c. 23. Nikias und die Mondfinstemiss.
9. c. 24. Anordnung)en der Athener.
10. c. 26. Kläglicher Zustand des Nikias.
11. c. 27. Selbstmordversuch des Demosthenes.
12. c. 30. Stimmung u. s. w. in Athen.
U. I.e. 14. Erbeutung eines Schiffes mit den Bürgerregistem.
2. c. 15. Lais aus Hykkara.
3. c. 18. Lamachos gotödtet durch Kallikrates.
4. c. 19. Gongylos anfangs mit Misstrauen empfangen.
5. e. 21. Zahl der athenischen Todten auf Epipolae.
6. 7. c. 24. Thätigkeit der Fischerknaben. Herakleion.
8. c. 25. Syrakusanische Wahrsager.
9. c. 25. Arlston und sein Tod.
10. c. 28. Volksversammlung in Syrakus.
11. c. 29. Die Athener in den Steinbrüchen.
Also 12 athenische gegen 11 syrakusanische, wobei noch zu bemerken ist, dass II, 1
ebenso gut die Athener berührt wie die Syrakusaner, und dass 11, 2 eigentlich mehr
Griechenland betrifft als Syrakus. Ueberdies ist noch zu beachten, dass Thuk. VI,
72. 73 ausführlicher ist über die Wahl der 3 Feldherren in Syrakus als Plut. Nik. 16.
Es hat sich also die Behauptung, dass Plutarch ausfuhrlicher sei in syrakusani-
schen Dingen, nicht bestätigt, und damit ist der Annahme, dass Plutarch auf den
beiden Sikelioten Timaios und Philistos fhsse, eine Hauptstütze entzogen. Diese
Behauptung erweist sich also mehr und mehr als unbegründet.
Nach Abweisung der bisherigen Versuche, die Quellen von Diodor und Plutarch
für den athenischen Feldzug nach Sicilien zu bestimmen, haben wir nunmehr die Ver-
pflichtung, eine selbständige Untersuchung anzustellen. Wir beginnen mit Plutarch,
speciell mit seinem Nikias. Nach dem Besprochenen nehmen wir für ihn die Mög-
lichkeit einer Benutzung verschiedener Quellen für denselben Gegenstand in Anspruch.
Sodann behaupten wir, dass ein verständiger Historiker, auch des Alterthums, um
das' Lob der Treue zu verdienen , nicht verpflichtet ist , alle Begebenheiten in der-
selben Ordnung zu erwähnen, wie die Quelle es thut, aus der er schöpft, und dass
346 Anhang I. Quellen der Geschiebte Siciliens.
er nicht eine andere Quelle benntst haben musB, wenn er in der Reihenfolge g^ewieser
Mittheilungen von dem Schriftsteller abweicht, den man sonst als seine Quelle be-
trachten würde. Diese Bemerkung ist besonders Fricke's wegen nothwendig, der an
mehreren Stellen seiner Schrift die abweichende Reihenfolge von Erwähnungen bei
PIntarch im Vergleich mitThukydides als eine wirkliche Verschiedenheit beider Schrift-
steller bezeichnet, die fUr das Urtheil, dass Plutarch Thukydides nicht benutzte, mit-
bestimmend sein soll. Auf S. 35, 37 und 40 der Fricke^schen Schrift finden sidi solche
Bemerkungen, die mit Entschiedenheit als günzlich irrelevant bezeichnet werden
müssen. Wenn z. B. Frieke S. 40 sagt : ,,zudem spricht Plutardi zuerst von Demoethe-
nes, dann von Eurymedon, Thukydides umgekehrt,** so ist die Erwartung, die in dieser
Bemerkung liegt, ein Historiker, zumal ein i^Uoeophlsober Kopf und sprachgewandt
wie Plutareh es war , mfisse seine Quellen so benutzen , dass er dergleichen Notizen
in derselben Reihenfolge zu geben habe, widrigenfalls man annehmen mfisse, er habe
eine ganz andere Quelle benutzt, doch allzu eigenthttmlich. Wenn noch zwei Quellen
vorlägen, von denen die eine die Notizen in der Plutarchischen Reihenfolge gäbe, die
andere nicht, so könnte man darin eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Annahme
finden, Plutarch habe die erstere benutzt ; aber zu Gunsten einer unbekannten Quelle
eine bekannte wegen anderer Reihenfolge ausschliessen , das geht nicht an. (Lange
nachdem Vorstehendes geschrieben war, finde ich in W5tfflin*s angeführter Schrift
S. 82. 83 hierher gehörige Bemerkungen, weldie ganz dasselbe sagen.)
Ich gehe nun Plutarch's Nikias 12—30 durch, indem ich die hier vorkommenden
sachlichen Abweichungen von Thukydides und die Aehnlichkeit im Ausdruck mit
demselben, mit Benutzung der Fricke'schen Schrift, notire.
In c. 12 werden die Vorbereitungen der Athener zum Zuge nach Sicilien be-
sprochen. Abweichungen von Thukydides : Plutarch nennt Demostratos als denjenigen
Athener, der den Nikias drängte, geradeheraus zu sagen, wie gross denn eigentlich
die Rüstungen sein mUssten (Fr.). Wenn Plut. Leontiniscbe Gresandte als neben den
Egestäischen thätig nennt, was Thuk. nicht thut, so spricht dieser doch VI, 12 und
19 von der Thätigkeit der Leontinischen fpvyadcg in Athen. Nach Plut. wäre Nikias
der erste Feldherr gewesen ; nach Thuk. VI, 8 Alkibiades. Die ttbrigen von Fr. 34
geltend gemachten Unterschiede betreffen die, wie oben bemerkt, von Plut. genauer
geschilderten Stimmungen in Athen, sind aber theilweise nicht vorhanden, oder nicht
so aufzufassen, wie Fr. sie darstellt. Bei Plut wirft Nikias dem Alkibiades Ehrgeiz
vor; nach Fl', soll sich das bei Thuk. nicht finden; das ist ein Irrthum, vgl. Thuk.
VI, 12 und unten. Wenn sodann Plutarch die Absicht, Karthago u. s. w. zu erobern,
den Athenern selbst zuschreibt, Thuk. VI, 15 aber sie nur dem Alkibiades beilegt,
so ist diese Verschiedenheit nicht von der Bedeutung, die ihr Fr. beimisst, und kann
insbesondere deswegen nicht als Widerspruch zwischen beiden Schriftstellern betrachtet
werden, weil auch Plut. sagt, dass das Volk zu derartigen HofFhungen gekommen sei
durch die Aufreizungen des Alkibiades, xarffor/orro; IjSrf nlrj^os fXniai. Fr. 34 meint
zwar, dass die Athener solche Erwartungen gehegt haben sollten, sei nur eine „über-
treibende Ausmalung^', eine ..bittere Ironie^' des Siciliers Timaios. Ich sehe nicht ein,
warum. Bei dem bekannten Charakter des athenischen Volkes ist es nichts wunder-
bares, dass solche Luftschlösser, wenn ein Alkibiades sie baute, bald einem Theile
der Athener als leicht zu realisiren vorschwebten. Man wird das Gros der Athener
doch nicht für verständiger halten als Alkibiades ! Umsonst hat Aristophanes seine
Vögel nicht geschrieben. Die Verschiedenheit zwischen Plutarch und Thukydides
kommt also nur darauf hinaus, dass Plutarch, wie so oft, Details giebt, die Thukydi-
des nicht hat, aber nicht auf einen Widerspruch zwischen beiden. Man kann a^ch
sagen, er führt von Thuk. angedeutetes ausmalend weiter aus. Nun die Aehnlich-
keiten zwischen Thukydides und Plutarch.
Plttt. Nik. 12— 14 und Thükydides. 347
Thuk. VI, 15: Plut. N. 12:
^jilMtßiadfig — — tor xal ig räXla Stuifo^ xal tfkevrw diißaXe rov 'jiXxißtaSfjr,
gog {r, Nix,) -^ xttl ort aifjov dtußoliog
IfirriaS-ij.
Thuk. VI, 26: Plut. N. 12:
ovx iffri xqrivai nQotfaaiC^o^-iti. ilifuj top Nixtav npotfaxtfig Xfyovra
navaitv.
Thuk. VI, 26: Plut. N. 12:
ol l^d-rivatot Ixpvfifiüttvxo ttvT^XQatoQag üTiwg avroxQttwo^ig ioaiv ol aTQarrjyoX
iipat — xal — nqdü9^tv , tf uv etc. — — xal ngarropreg .
Ueber c. 13 des NIkias, die prodigia enthaltend, 2suer8t die ftir, dann die gegen
den Zug sprechenden, habe ich hier nichts zu sagen : das ist durchaus neu bei Plutarch.
In c. 14 haben wir die Erbeutong des syrakusanlschen Schiffes, von Thukyd.
niebt erw&hnt (s. o.). Die Bemeifcung Fricke's (35), dass bei der Auseinandersetzung
der Operationspläne der 3 Feldherren Thükydides von Plutarch nicht benutzt sei,
widerlegt sich durch einen Vergleich der beiden Schriftsteller:
Tbuk, VI, 49 : * Plut. N. 14 :
AdfAK^og öl avtix^vg tkpri XQijvtti nXftr c dk Aafjiaxov fih avrtxQvg K^tovvtog
inl 2vQttxovoag, xul ngog rjj noXa nX^iv inl SvgaX'OViSug xtt) f^d^rjv
wg tdx^OTU tifv fiuxv*^ n^tsttfd'at, tyytxftu t^g n-oXeutg n^f-ivat,
48: j^Xxifi. — fg re tag noXeig — rovg ItiXxißtdiov öl r«? noXeig atf^tardvai
^v aifta^uvtti. «Tih rw XvgaxoatfBV Zvgu-xovaltav , ei^ ovtiog In ttvrovg
— ovroi; ff(fi7 XvQaxovaatg 4nix^igitv. ßaöfC^Vf
Al:(^ik.)7tttQanXtvGavTagragttXXag td ivavrüc X4yiov xal xeXewov , arglfia
voXiig xal intd^i^aprag filv triv Sifva- naga rr/v £tx(Xt(tv xofitCofifvovg xetl tkqi-
fjLtv T?? ^A&Tiv. TioXf^g — dTtonXeiv nX^ovrag iniö^t^ttaB-ae ta onXa xal
otxuSi. tag XQiiiQBtg eix' dnoTtXtiv 'ji&i^vaCt-
Hiernach ist Fricke's Behauptung -(BS), es zeige sich „im Einzelnen kein Anklang*'
an Thükydides bei Plutarch, irrig. Wenn derselbe weiter geltend macht, dass „auch
hier die umgekehrte Beihenfolge lehre, dass Thükydides nicht benutzt ist,'' so lässt
sieh in diesem Falle besonders gut zeigen, wie wdhig das schon oben im Allgemeinen
surtlckge^iesene Kriterium auch im Einzelnen passt. Die Reihenfolge bei Thükydides
ist: 1) Kikias, 2) Alkibiades, 3) Lamachos — fortschreitend vom Lässigsten zum
Energischsten. Plutarch aber schreibt eine Biographie des Nikias, der überdies bald
der einzige FUhrer des Unternehmens wird. Deshalb bringt er die Vota der beiden
anderen Feldherren in absol. Gen. voran, den Thükydides fast wörtlich benutzend,
und schliesst mit dem Votum des Nikias. So tritt die entgegengesetzte Abstufung zu
Tage: vom Entschiedensten zum Zahmsten. Man darf fragen: wie denn ein verstän-
diger Biograph des Nikias, ^em der einfache Bericht des Thükydides vorlag, seine
Benutzung desselben hätte anders einrichten sollen?
Schliesslich vergleichen wir noch die in demselben Kap. erzählte Recognoscirungs-
fahrt der Athener in den Hafen von Syrakus, wobei das Schiff genommen wurde :
Thuk. VI, 50: Plut. N. 14:
öixa öl t(Sv vidtv nqov7i€fjt\pav ig thv fxfyav öixa öl xatfiXavvov itaio xaraaxoTitjg
Xi^iva — xataaxixlfaü&ai xalxriQV^aif iXvtxa xal Aiovxivovg inl tijv oixilav
OT* ^Ad^vatoi rjxovGi A^üvtlvovg ig t^v dnoxuXovatii dia xrj^vxog avrat.
iavTüßv xttTOixtovVTfg.
In c. 15 „stellt Plutarch das Verfaältniss d^s Lamachos zu Nikias nach dem Weg-
gange des Alkibiades als abhängig dar, Thuk. VI, 62 sagt hiervon nichts*- (Fr. 35).
Indess ergiebt sich diese Abhängigkeit für einen denkenden Leser, wie Plutarch es
war, aus der gesammten Geschichtserzählung des Thükydides, und es konnte Plutarch
1%
348 Anhaeg I. ,QueUen der Geschichte Siciliens.
nicht schwer fallen, dies zu sehen and mit einigen Worten auszusprechen. Wenn
Plut. femer die Zweitheilung des Heeres (Thuk. VI, 62) nicht hat (F. 36) , so ist diese
Theilung ein taktisches Detail, das, ohne Bedeutung für den gesammten Gang des
Krieges, nicht von Plutarch aufgenommen su werden brauchte.
In Betreff des Verfahrens des Nikias, der sich durch Unthätigkeit TerächtUcfa
macht und nur Unbedeutendes unternimmt, vergleiche man
Thuk. VI, 63: Plut. N. 15:
ave&aQOovv ftaklov { ol ^vqixm, ) xal TrQtSrov ^kv ttirm rata rmv nolififar ($tni-
imtjfj 7tXiovT€s ra re inixuva trji Xi* ^t^nli^v SmiXCav S-aQöog tldutxey auroiSf
TCfUag noXv ano at^mv ItfuCvovJo nttl tiqoq ineita nqcgßuliihf "YßXt}, tioXmx*^^ ,««-
rriv "YßXav il^6vTi:g xal n€iQttaavTfc ovx »Q^t ^f*^ nQiv iXeip «noarnSf xofttd^
eiXov ßtttt hl TtX^ov xantfQOVTjOnp, xare<fQovii&ii.
Fricke's Bemerkungen über die I^eihenfolge der Begebenheiten bei Thukjdidee
(S. 36), die doch eine Abweichung von Plut. constatiren sollen, sind thatsi&dilieli
fälsch. „Thukyd. erzählt den Angriff auf Hybla erst VI, 63 als Grund der Missachtung
der Syrakusier^' (nicht richtig: schon VI, 62; übrigens theilt ihn, wie VI, 63, auch
Plut. mit, sich, wie wir sahen, an Thukyd. anlehnend), „die Ankunft in Katane aber
VI, 62, früher als die Einnahme von Hykkara"" (falsch, man lese Thuk. VI, 62). Wenn
er dann weiter sagt, dass die Erwähnung des Timaios in Betreff der Abstammung
der Lais aus Hykkara charakteristisch ist, weil Timaios allein itlr die Abstammung
aus Hykkara angeführt wird, wtthrend Nymphodoros Hykkaron angab, so ist dies voll-
kommen irrelevant, da die Form Hykkara schon durch Thukydides bekannt war, und
Plutarch also auch eine Notiz, dass Lais aus Hykkaron sei, mit Anwendung der
Form Hykkara aufnehmen konnte.
In c. 16 verstärkt Plut. die Bemerkung des Thuk. VI, 64, dass die Athener in
Anbetracht des Uebermuthes der Syrakusaner nach Syrakus zogen, dahin, dass Niktas
fioXts rngfujoi (Fr. 36). Fr.'j Bemerkung, . dass Thuk. schon vorher die Rüstung der
Athener zum Zuge erwähne, trifft nichts wichtiges. In den Berichten der Verhöhnung
der Athener haben wir folgende Beziehungen zwischen Thukydides und Plutarch :
Thuk. VI, 63. 64. Plut. N. 16:
oiov «fij oxXog (fiXtZ &«Qa^att£ noifi^ N« erfahrt, die Syrakusaner würden kom-
iTTTiijs T€ TiQogtXavvovTis — xal ßo9' men,. T€^a^^ijx6ttts' ol <r Inmlg
Xo^ufyoi {ut aTQajfiyoi) avToitg ayitv — ngogkXfxvvovxBg $<fi; nqog ro ffr^«TÖ-
avxol 6k axQaronidov xavaXaßkiv xad^' mdov fiQmr^v — — »tt\ ßovX6jH€vog
r^av^fttv — adetSg xol x « ^ ^avx^ov f^QVütu rhv
axQnrov —
Der falsche Freund der Syrakusaner sagt:
Thuk. VI, 64 : Plut. N. 16 :
klvai 6k xavxtc xovg ^vv^Qctoovxag noX» noXXovg d^ i2fnt xoifg avrear^uxag ij^r,.
Xovg Kttravaitov.
Als nun die Athener gelandet sind, wählen sie zum Lager einen Ort:
Thuk. VI, 66: Plut. N. 16:
wo oi innijg xidv 2vQaxoa((av ^xiax av o&€v rjxiaxa ßXanxofjerog, otg XdTifG^t
avxovg Ximi^anv, xiov TToXffifww I66xu —
Erfolg der Schlacht:
Thuk. VI, 70: Plut. N. 16:
xa\ InX TfoXv fikv ovx i^itft^av ol *A&ri~ xal noXXovg fikv ovx dnixxnvi xw no-^
vuToi [ol yuQ InTrrjg XffjilofV olytCQ Inntig ifino6tw $y4vorxo
xj diioSd.
Es ist also ein Irrthum Fricke's (36), dass sich in c. 64 — 70 ,tim Einzelnen durch-
aus keine Aehnlichkeit^ zeige. Das „Abbrechen der Brücken durch die Athener
Plut. Nik. 1&— 17 und .Thukydides 349
berichtet Thuk. VI, 66 nur von der über den Anapos'^ (Fr. 36). Wer Plut. nachliest,
findet dort toi? notafiov rag yetfvgag, also gerade wie bei Thuk. nur über den Ana-
po8, nur das» Plut. den Plural setzt, eine leise rhetorische Ausschmückung.
Nach der Schlacht:
Thuk. VI, 72 : Plut. N. 16 :
Die Kritik des Nikias hat nur Plutarch. Eis werden statt der bisherigen 15 nur
3 Feldherren gewählt :
Thuk. VI, 72: Plut.N. 16:
Herrn, verlangt 9A» avxoxgatogag -^ xal alg n iartv Utaxtv 6 6rifuig 6i oQXfaw n
ofiooai avToig ro oqxiov tj firip idaeiv firjv idaeif avtoxQdto(f'ag.
aQX^tv üTtrji av InlaTtovttti,
Die Angabe Plutarch's, dass Nikias absichtlich das Olympieion nicht nahm, wi-
derspricht nicht dem Thukydides, der nur sagt, dass er es nicht nahm. Uebrigens
macht dies Verfahren dem Nikias Ehre , und würde also gar nicht in den Abschnitt
c. 12 — 16 passen, wenn derselbe wirklich nur den Nikias Herabsetzendes enthalten
sollte.
Als die Athener nach Naxos gegangen sind, werden die Syrakusaner wieder über-
müthig und ziehen nach Katane:
Thuk. VI, 75: Plut. N. 16:
xal irig j€ yr^g avTtov Urtfiov xal rag xal tjJi'T« x^9^^ Tifiiiv xa\ xo ajga-
ruiv\4d^7ivaCiov axrivag xal t6 axQftjQ- toticJov x^xaxctvoai raiv 'A^tj-
n^öov ifingr^aavTig. vniiav,
Dass Thuk. das Gewinnen einiger sikelischen Städte erst VI, 88 angiebt (Fr. 37),
kommt einfach durch die kamarinäische Episode (75 — 88). Aus dießem Kap. 88 hat
übrigens Plut. N. 16 folgende Zusammenstellung genommen :
Thuk. VI, 88: Plut. N. 16:
o/ (T ^Ad-rjvaioi iy jj Na^tp — f« 7ig\bg tig Nd^ov, xanit <r*«;|ff //i«a€ — Tr^dr-
Tovg ^ixeXovg inqaaaov — — ol Ttav ßk fAixga ngog ^txtXovg rivag
nokkol «(f.eaT^xeaav — to argaro' dtf'iarafAivovg — — xal ro ar^icrö-
TtiJov o xaTSXitvd-ri (<voQ9'(öaavT£g (fi£- ns6ov xaraxavOat,
Es ist interessant und für das Verfahren Plutarch's bei der Benutzung seiner
Quellen sehr lehrreich, zu sehen, wie er sich hier an das zusammenfassende cap. 88
anächliesst, gerade wie er oben in c. 15 sich an das Resum^ in cap. 63 angeschlossen
hatte.
c. 17. Endlich wirklicher Angriff auf Syrakus, wobei es dem Zwecke Plutarch's
sehr wohl entspricht, dass er die von Thukydides „ruckweise"* (Fr. 37) gegebenen No-
tizen Über den Mauerbau des Nikias durch eine allgemeine Bemerkung ersetzt hat.
Es heisst bei der Schildemng des Anmarsches der Athener bei
Thuk. VI, 97: Plut. N. 17:
tkctd^ov ttVTovg — Toug ne^ovg dnoßißd^ war« la'd-eiv fxlv ffg Bdxpov tnig vnval
Gavregf raig n vavalv ig rrjv Sdipov TtQogfjiilag xal unoßag, tf&dv€i ^l rag
xa&oQ/btirOd/iiivoi — 6 di ne^og Ix^Q^*' — ^EninoXag xatito/tov —
TiQog rdg^EjimoUtg xal (f&dvei uvaßdg.
Dann findet sich der falsche Ausdruck des Plut. iXtty rgiaxoaCovg für tOdten,
vgl. Fr. 37. Dass der Schluss von c. 17 nicht von einem Syrakusaner sein kann, be-
merkt Frioke.
c. 18. Kampf, in dem Lamachos fällt. Plutarch, ausführlicher über seinen Tod,
nennt den Namen KaUikrates. Nikias, der nur vTrrjofyai bei sich hat, die auch Thuk.
VI, 102 erwähnt, beinahe gefangen.
354j Afibaag I. <^iieUeA der Geadiidbte Sieflient
Thuk. M, 1m2 Plat. X. H .
tov tiix^^i ^> Mmtußtßkiim^wm, ifi>" ngo tmw vcijj^tir Itiyz^tr *i% M^jm-
nQ^öai lol'i infi^iia^ lii'ß.ivatr. vis jraQmßfßkuftivm scS wkc «^jf«ri[>
avrms, nCg xmmipmrtmg^ mt^ai,
Xan wird die gute Lage der Atfaeaer geflcfaildert, die jetzt sor XikiM uirmt vmm
mtqujfiY^r, Pfait. : uovg ilyt tiip ugjriw , Tfauk. YI, 103 hMtiSi^ Die Synkvmia
rerzageo. Dieselben Momente werden bei Plnt. und Thnk. hei foi gehoben :
Thnk. AX l^i3: Phi». K. I>:
In nnmittdbnrem ZoBsnnnenhang damit steht sodann bei Phit wie bei Thnkjd.
der Bericht ron der ersten Regung der Gedanken an Eingebung in Sjiakus:
Thuk. VI, 103: Phit. N. IS:
rovg te Xoyovg h t€ ^tfioip avrotg iTrot- xal loyi iireg ^Sfi Twagtt tmr JE^gtat^
üurtü (vfAßaTtxövg xttl n^üg tüv Si' oimv iyivano n€Ql (vpßtcoe^g ^Qog
n(ttv. avTov.
Hieran wiederum schliesst sich unmittelbar bei Beiden der Bericht über die Tbl-
tigkeit des Gylfppos:
Thuk. VI, 103: Plut. N. 18:
anoQOvrTwv (riuy 2ügax.) 104. log ttvtoTg mg ijxovat xarm TtJuovv tov anota^^t öfiov
al ayyilfat itfoirwv tug tfJti nav- xa\ tag ano^Cag ovrwg fnlet ib hnnor,
tthSi dnotijiiyioiiivat al SvQaxov- tag i^Ofi^vrig fi^v ij^ti jf^g Stxtliag,
aal ifatv , Tfig fikv 2 txikiag oifxlxt iX- 'IrakttoTatg dl rag nokiig dia^fvka^w
n(da ov^tfiiav tlx^r 6 rv/.t7T7iog, ttjv dk — — fayakri ydo ^ do^a dtfqoira —
'Ftakiav ßovlofiivog nfQinoitftjai
0 dk X. nv&üfjitvog avrov n Qognkiovra N. achtete nicht rov VtUnnov noog-
vniQttJe ro Tjkij&og — xal ovo tfitav nkiovtog ovdi tfvkanriv inoir^oaio
<fvkaxriv ntoinotiito. xad^a^av, äkXJi rf# navtikmg vTtioo-
gäad-ai —
Die Stadt war schon so sehr bedrängt, dass eine Versammlung angesetzt wurde
(Thuk. VII, 2 (Aikkovjag ixxkfjatdCftv, Plut. N. 18 xal naQtiyyikto avroig ixxkrioia .
Denn beinahe war die Einschliessungsmauer der Athener vollendet :
Thuk. Vn, 2: Plut. N. 18:
nktjv xfira ßQu^t^ ti t6 nQog rrjv Sa- ßqay^ y«p t^v xoftid^ ro anokfino/uiror
kaaoav klOoi t« nagaßißkrififAi- rov tQyov xu\ tovto ti aQaß(ßki\fA^i-
vQt t^i nkiovi ijöri rioar, vrfv tl^^ Tijv naQaaxtviiv rfig raxodoufag
avfiTTaaav.
c. 19. Ankunft des Gongylos, sodann des Gylippos. Hier hat Plut. gegen Thu-
kydides , der die SjTakusaner tv&hg auf die Meldung des Gongylos ausrticken lüsst.
die Berichtigung (Fr. 39;, dass sie ihm anfangs nicht glauben wollten. Die Darstel-
lung Plutarch's hat mehr psychologische Wahrheit. Als nun Gylippos da ist ;
Thuk. VII, 3: Plut. N. 19:
^ifiivog raoTtka lyyvg xr^Qvxa tiqO" O^^fiivog inl lohg l49ijra(ovg rdosika
7iif47tii avTotg — xal ovdkv dnoxQi- xal xr^QVxa nifiipag — — o ftlv oir
vdfiivoi dn^nifiipav. Nix(ag ovJiv ^^l(oatv anoXQlvaaO-ai.
Die Verspottung des Gylippos durch die Athener fügt djuin Plut. hinzu (Fr. 39}.
Im Folgenden spricht nicht Timaios (Fr. 39} mit Geringschätzung von Gylippos, aoa>
dem die Sikelioten thaten es. Bei Grelegenbeit des alsbald folgenden Citates des Thu-
kydides macht Fr. 39 die Bemerkung, Plutarch habe ihn zwar gelesen , .^ber nichts
zur HerUbernahme geeignef' gefunden, „da Thuk. für den Geschmack des Plutarch
i
Plnt. Nik. 18-20 und Thukydides. 351
zu einfach und schmucklos schrieb.^ Dies Raisonnement ist in mehreren Beziehungen
nicht zutreffend. Erstens ist es an sich nicht nothwendigi daas ein Schriftsteller,
welcher einen andern als Quelle benutzt, sich nach dessen Stil richtet; wenn die
Sachen zur Herübemahme geeignet siud , kommt es auf die Worte nicht an. Zwei-
tens ist es überhaupt schwer, wenn man in 19 Kapiteln 192 Kapitel eines anderen
Schriftstellers wiedergeben will, viel von den Eigenthümliehkeiten seines Stils wieder-
zugeben. Drittens aber ist bekannt, dass Philistos im Stil Nachahmer des Thukydides
war, und da kann man doch nicht glaublich machen, dass Plutarch, den zu einfachen
Thukydides ungeeignet zur Benutzung findend, seinen Nachahmer Philistos so geeig-
net gefunden haben sollte, dass er alles von ihm nahm I
Einige^Verschiedenheiten zwischen Thuk. YII, 5. 6 und Plut. hebt Fr. 39 hervor ;
Plut. erwähnt den Tod des Gongylos und lobt das Feldherrntalent des Gylippos.
Wenn sodann Plut. nicht erst das Herbeischleppen des Baumaterials durch die Sy-
rakusaner, wie Thukydides, sondern nur nachher dessen Benutzung erzählt (Fr. 40],
so entspricht das der Kürze der Darstellung. Hier sagt
Thuk. VII, 6: Plut. N. 19:
San ixdvovg xttl ntfvTanaat am^ inr^xQ^i xw ixfivtov negnuxiaf^bv , aar
artQTixivat , €i xal x^aroiiv fiii av «vToTg firidkv ilvai nXiov xQa-
iji atfäg anoj six£aai. Tova&v.
Nun werden die Syrakusäner muthiger und rüsten eine Flotte, sodass Nikias eine
Botschaft nach Athen sendet mit der Bitte:
Thuk. VII, 15: Plut. N. 19:
rj toviovg f4(Tafiifinitv diov ^ akkriv nifin^iv %z€qov ojqatov ^ ^ xal joü"
aTQajtttv fAt) iXaaaat ininifineiy top anayccyiTv ix ^ixtliag, ihn Selbst aber
ffiol (f^ diäSoxov Tiva, tag ti^vvujog ü^i abzuberufen, <fia rf^v voaov (o. 17 vc-
Jftt voaov V€(pQlTiy TZaQOfÄivtlV, €fQT.Ttv).
c. 20. Beschluss der Athener. Hülfe zu senden; dass sie schon früher Hülfe
schicken wollten, hat nur Plutarch (Fr. 40). Die von Fr. angeführten Verschieden-
heiten im Ausdrucke der Zeitbestimmung und in der Reihenfolge sind nach dem
Vorhergehenden irrelevant. Nun folgt See- und Landschlacht bei Syrakus; Sieg der
Athener zur See, aber Verlust ihrer Forts auf dem Plemmyrion.
Thuk. VII, 23 : Plut. N. 20 :
xa^ «Wfxa fdky vavg ith/ Soqttxoaiiav xoc- Ntx(ag xat^6vas noXXäg ruv noXtfxiiov.
tiJvanv,
^ VvXtnnog (f>3^dv(i ngo gmadtv ngbg <Fi ro ntiov ovx Htp^aai ßori^tSp,
— — Totg T^Cx^aiv. 24: xal /^T/.aara aJU' aifvoi ngogmaiav o rvXinnog ilXe
noXXtt — iaXoj xal rulXa «rxfi/ij to IIXi]fjif^vQiow , iv ^ axsvwv rgiriQtxiov
iyxaviXtiq &-ri — xal ^^Qv^fAuxtuv 7ioXX6iv anoxufAiviav —
fjiiyiarov dh xal kv rotg ngtÜTov ixaxtoai to ök fAiyiaTov y aq-tUiro rov Nixiov
TO atoäiiVfjLa ^ rov IIXfififivQ/ov Xijtpig' oit j^g ayogag tipf tvTtizautv ' r^y yag ff xo-
yaQ hl ovd^ ol HanXoi aaqaXttg rjaav' ol fjiiSy nagd ro JlXfifXfjivQiov äoffaXiig xal
yäg ZvQaxoaioir vavaly avroS^t itfOQfiovvTfg raxiia, zwv ^AS^vaitav xQarovvTtov , ixni'
ixtiXvovxal Jiic judx^S V^ri iyCyvovzo aovriov öl jjfailfTrq xal fx%xd f^d^^g «V^"
at igxofnJa{, vtjo nqog xovg noXifjiiovg ixet vav)jO'
Xovvrag.
Es ist in dieser Stelle nicht bloss die allgemeine Uebereinstimmung in der Dar-
stellung, sondern ganz besonders die Art und Weise bemerkenswerth, wie die letzte
Betrachtung über die Wirkung der Einnahme des Plemmyrion durch Gylippos von
Plutarch wie von Thukydides mit fiiyiatov Ji eingeführt wird. Es verräth sich hier
deutlich der directe Einüuss des Thukydides auf Plutarch. Wir werden eine solche
Benutzung kleiner Uebergangswendungen alsbald wiederfinden. In Betreff der letzten
352 Anhang 1. Quellen der Geftchiehte Siciliens.
Seeschlacht vor der Ankunft des Demosthenes wird von Plutarch Thnk. Vll, 39. 4^
citirt. Dass die Eifersucht von Menandros und Euthydemoe schuld war an dem tv:
Nikias nicht gewflnschten Kampfe, hat Plutarch allein (Fr. 41).
c. 21. Ankunft des Demosthenes, eingeleitet in hOchst charakteristischer Weis?
von beiden Schriftstellern mit denselben Worten:
Thuk. Vn, 42: Flut. N. 21 :
und auch weiterhin finden sich dieselben Ausdrücke:
fAttkiaxa d itvoraiog rotg ivavtioii xnl ^itpotatof totf noX€ f£ iot s
Weiterhin wird in derselben Weise das Entsetzen der Syrakusaner motivirt :
Thuk. VII, 42 : Flut. N. 21 :
ti n^gas firiJh ^atai atfiaiv tov anal-' €if oi'Sky nigag ot/d* an aULny^^r.
layrjvai rov xir6vvov.
Nun folgt die Berathung der athenischen Feldherm, was zu thun sei. Demoedie-
nes räth :
Thuk. VII, 42: Flut. N. 21 :
^ xaxoQ^ioaag %^tiv ^VQuxovaag, ^ diaytuviOttfiivoü^ kXftP SvQaxovaag ^
and^e^v triv argar lUV. dnonXilv oixaSf.
Plutarch hat einige Details über die Soldaten des Demosthenes nnd die AbaiehteB
des Nikias, welche Thukydides fehlen. Nun wird der Sturm auf Epipolae geschildert.
Sieg des Demosthenes bis er auf die Boioter st(tost. Hier beachte man folgende Aebo-
lichkelten :
Thuk. vn, 43. 44: Flut. N. 21:
Die Athener marschiren schnell, damit die ngtSroi yag ovtoi (die Boioter] avatgi-
Feinde nicht ^votgatf uHoi ol Bt i w- iffami invtobc xal avvdgafiomg Ji'
loX ngtSroi — — xal ivravO-a ^cfi; iv olov 6k argauvfiaros ^y niaCa xal ta-
TtoXXj rttgaxy ««^ anogifj^ iyiyyovro ol ga^»!-
Man sieht, wie hier Plutarch, der zwei Substantive beibehalten wollte, an die
Stelle des ihm zu schwach erscheinenden nnog(a das kräftigere ntota gesetzt bat. —
Der Kampf wird mit einigen Abweichungen von Thukydides bei Plutarch berichtet,
insofern dieser besonderes Gewicht auf den Umstand legt, dass die Athener des
Mond im RUcken hatten und ihnen deshalb die unbestimmt beleuchteten Sj-raku-
saner furchtbarer erschienen. Freilich ist diese von Plutarch hervorgehobene Mod-
virung von sehr zweifelhaftem Werthe; man kann ebenso gut sagen, dass der Vor-
theil der Beleuchtung auf Seiten der Athener war, da diese sich im Dunkeln befanden,
während sie die Feinde sehen konnten. Bei dieser Gelegenheit hat Fr. 41 zwischen
Thukydides und Plutarch eine Verschiedenheit erblickt, die in Wirklichkeit nicht die
von Fr. ihr beigelegte Bedeutung eines Widerspruches -hat. ,^Plutarch sagt, es sei
keine vOllige Finstemiss, aber auch kein rechtes Licht gewesen, da der Mond schon
im Untergehen begriffen gewesen sei, Thukydides dagegen, es sei atXiivii Xit^urroa
gewesen." Plutarch gebraucht den Ausdruck xaxntftgofjih'rig atk^vijgy d. h. der Mond
stand im Westen, und so erklärt sich, dass er den Syrakusanem in's .Gesicht schien,
die sich gegen die von Westen nach Osten auf Epipolae vordi'ingenden Athener ver-
theidigten. Der Mond kann aber ebenso XafiTtga sein, wenn er im Untergehen begrif-
fen ist, wie wenn er aufgeht; es müsste denn sein, dass er schon im Begriff wän?.
unter den Horizont zu sinken, was aber in den Worten xartof fgofiiyrig mlivfig durch-
aus nicht zu liegen braucht und hier jedenfalls nicht darin liegt. Wie wenig nämlich
dies Plutarch selbst mit diesem Ausdrucke andeuten wollte, das zeigt sich in den
folgenden Worten Plutarch's: rovg J* Ivavtiovg 6 ngog tijy aflfjytjv xta» aani^tüy
ufTiifbjTiOfAog noXv niiioittg oQua&tu xid XafingoTigovg inoiti. Endlich wird also, wie
Plut. N. 21. 22 und Thukydides. 353
auch der ganze ZutNimmenhang zeigt, auch von Plutarch dem Monde keineswegs
Xit/LtnooTiig abgesprochen. Es Hegt also auch hier wiederum nur der schon oft vor-
gekommene Fall vor, dass Plutarch Details hat, welche Thukydides fehlen, ohne dass
Widerspruch zwischen beiden stattfände. Yergleichen wir schliesslich einige Punkte in
der Darstellung beider :
Thuk. VII, 44 : Plut. N. 21 :
i^v fiiv yag aiXr\vri X«LU7t^<f k*uQtav 61 ovitaq lo Tiji oiffsiog äniaTot' lif %'VKt\ -- — «
itllr^Xov^y «og iv aelijrri tfxog riji' fitf ^iJTi tfitÜg f/ovatj ß^ßatov^ all* ofor tixog
oiptv tov atü/uarog HQooQtti' liff S^ y^tSaiv xmnfftQOfiiyrig (filrivrig — — ^»J Jiaye-
Tov oixtiov am-OT fTaO-€ti, Qovatfg t« Mijt (foßtp xov noXtfilov xai ro
oixdov notavr vnontor.
Man sieht hier recht die vorsichtige Benutzung des Thukydides durch Plutarch
in Betreff der Form. Einzelne Ausdrücke seiner Quelle gefallen ihm; er findet sie
charakteristisch und mOchte sie aufnehmen; aber in ihrer Verbindung kann er sie
nicht brauchen ; der Stil des Thukydides in seiner EigenthUmlichkeit ist nicht der
seine; so muss er die ihm zusagenden Ausdrücke anders verbinden, um sie durch
Veränderungen in ein -ihm besser erscheinendes Licht zu setzen. Vergleichen wir end-
lich noch die Darstellung der letzten Schicksale der Versprengten bei beiden :
Thuk. VII, 44: Plut. N. 21 :
inXavTi&Tianv' oSg, intidri r/Li4(*tc rovg n XttvtafAlvovgy iift^Qugini-
iyivfTOf oi Innijg nf^isXttOattfg <fii- yd' onit'tfg ^ ol Innfig xaruXafjißarov-
(f-t^fiQav. Tfg dl iff'&fiQor.
Die Zahl der Todten giebt nur Plutarch auf 2000 an (Fr. 42).
c. 22. Lage des Heeres. Ansichten des Nikias und Demosthenes, von Plutarch
im Allgemeinen Thuk. VII, 47 entsprechend angegeben, wenngleich im Einzelnen
manches anders ist. Einen von Plutarch citirten Ausspruch des Byzantiers Leon
kann auch Fr. 47 nicht aus Philistofi ableiten, ebenso wenig wie im folgenden Kapitel
die Betrachtung über Finsternisse. Man vergleiche ferner folgende Stellen :
Thuk. VII, 50: ' Plut. N. 22:
ol if^ Ttav *j4S-Tiyaitov aTQnrriyol ogtayrtg (ag fiivroi ajQajta £vQa*oaioig inrjXS'ey
aTQitnav re aXXrjv 7iQügy(y€vfifi^vriy — ieXXijf xul fiitXXov tjnTiro TtSv *^&fivai(ov
^aXtara J^ ry aa&(vfit< icir av&Qtintav ij roOog,
nt(C6f4iva,
c. 23. Mondfinstemiss. 'Auch hier ist die Einleitung bei beiden gleich, ein neues
Beispiel zu den vorher dagewesenen, dass in den Uebergängen bisweilen PIntarch sich
ganz von Thukydides. bestimmen lässt:
Thuk. VII, 50 : Plut. N. 22 :
inndij hoifiit ^v mg Jl" rjv erotfia
ff afXrjvri ixXtln fi, l^tXiTtfp ij a(Xr,vri.
Abhandlung des Plutarch Über diesen Gegenstand vom naturwissenschaftlichen
Standpunkt und demjenigen der Weissagekunst, die sich bei Thukydides nicht findet,
nach Fr. 43 aus Philochoros entnommen.
c. 24. Angriff der Syrakusaner. Plutarch hat Details, die sich bei Thuk3''dides
nicht finden; vgl. oben und Fr. 43. Aehnlich ist jedoch folgendes:
Thuk. VII, 60: Plut. N. 22:
Ta fth teixv ^^ ^''^ ixXiTrelv. ixXtndfv to fdiya ar^ajoTiiJov xa\ ra
Besonders bemerkenswerth ist die von Thukydides nicht gebrachte Nachricht des
PIntarch, dass das obere Lager der Athener an das Herakleion stiess. Über dessen
Lage meistens, in Folge irriger Combinationen mit Diodor, wovon später die Rede
sein wird, falsche Ansichten aufgestellt worden sind.
Holm, Gesch. Siciliens. IL 23
354 Anhang 1. Qaelien der Geschichte Siciliens.
c. 25. Letzte Seeschlacht. Plttt. hat mancfaeB, was Thukydtdes fehlt, z. B. Über
die syrakasanischen Weissager (Fr. 43) , über den Vertheil, den die Steine werfenden
Syrakosaner hatten, ttber den Tod des Ariston (Fr. 44), umgekehrt findet sieh natür-
lich auch manches bei Thukydides allein. In fÄtjäh' ^kar-iova. na&rj xal ^nfivßovi
naQuaxovaa roTs ^-nofAivoig rj rolg nytoviCofAivoig ist Bezug genommen auf Thuk. VII.
71; und Plut. de glor. Ath. 3 zeigt noch deutlicher, dass Plutarch gerade diesen Ab-
. schnitt des Thukydides mit Wohlgefallen las. Eine von Fr. 44 selbst bemerkte Aehn-
lichkeit zwischen Plut. und Thuk. Y£I, 75 — Betrachtungen der Athener über das
Schicksal der Todten, Verwundeten und Unverwundeten — ist nicht mit ihm für
zufällig zu halten. Man bedenke, dass Plutarch den Aifect der Darstellung durch das
Hineinbringen der Un verwundeten, d. h derjenigen die fortzogen, von denen er sagt :
ttvtov^ dk xttKfIvmv lni7iov(or^Qovg fiyovfitpoi , noch Steigert (Fr. 44), uftd dass er die
Bemerkung in einer für seine kürzere Darstellungsweise angemessenen Art da an-
bringt, wo er das Nichtbestatten der Leichen erwHhnt. Dieses selbst wird von beiden
so berichtet:
Thuk. VII, 72: Plut. N. 25:
vexptiy filv Ti^Qi — — oüd* imt'oovv ovt( VfXQtliv Jn/O«!» «va(q€üiv.
ttlrrjoai ivaCq^fSiv.
c. 26. List des Hermokrates. Die Syrak usaner
Thuk. VII. 74: Plut. N. 26:
rag re höovg anfffQayvvaay xal ruif ^€i- rag dvb/t)Ql[«g riSy o Joiv xariXaßov ««)
&oiav xal TiorafidSv rag ftaßaatig rag J i aßda€tg jtSr nora/xtir anf-
fffvlaaaov! ni^ioav. ^
Bei dem Ausmarsch der Athener herrscht ein Jammer:
Thuk. VII, 75: Plut. N. 26:
xttinfQ ix nolt fxCag. xai^antQ ix natfftÜog, oi> noleuiag.
Diese Stelle ist wieder recht charakteristisch für die Art und Weise, wie Plutarch
den Thukydides benutzt. Die Bemerkung des Thukydides ist ihm. gerade wie oben
die über das Schicksal der Verwundeten, Veranlassung zu einer kleinen Amplification
geworden. Dass nun weiter von Plutarch „ein herzzerreissendes Bild von Nikias selbst-
entworfen wird (Fr. 45), ist durchaus dem Zwecke des Biographen angemessen. Man
darf Fr icke gegenüber, dem dies alles aus Philistos entlehnt scheint» die Frage auf-
werfen, welches Interesse dieser syrakusanische Nachahmer des Thukydides, der selbst,
obschon Athener und Freund des Nikias, sein Elend nicht so sehr hervortreten IHsst,
daran hatte, ein herzzerreissendes Bild der pereönlichen Leiden gerade des AnfUht^rs
der Feinde zu geben. Nach Fr hat Philistos ein merkwürdig warmes Interesse für
Nikias gehabt, wie kam er vernünftigerweise dazu? Wenn wir dagegen dem Biogra-
phen Plutarch dies alles, als subjectiv gefärbte Darstellung des in beliebigen Quellen
gefundenen zuschreiben, so erklärt sich alles vollkommen. Plutarch konnte als Bio-
graph ein menschliches Interesse an seinem Helden fassen ; dem Philistos war Nikias
eine der vielen Figuren seines Werkes. Wir gewinnen bei unserer Auffassungsweise
aber auch eine ganz andere und richtigere Vorstellung vom Verfahren Plutareh's bei
der Benutzung seiner Quellen, als man sie nach Fr. haben muss, und halten uns
nicht mehr berechtigt, auf Grund eines grösseren oder geringeren Masses des dem
Nikias gespendeten Lobes oder Tadels verschiedene Quellen vorauszusetzen.
c. 27. Marsch der Athener. Ende des Zuges am Assiuaros. Hier ist bei der Ueber-
Windung des Demosthenes Philistos benutzt, vgl. Fr. 45. Bei der des Nikias ist da-
gegen der Unterschied zwischen Thukydides und Plutarch , den Fr. 45 findet , nicht
vorhanden. Fr. sagt: „Aber bei der Schilderung der Metzelei am Asinaros sagt
Plut., die Athener wären zum Theil von den Syrakusiem in den Fiuss gedrängt, cum
Theil hätten sie sich aus eigenem Antrieb hineingestürzt, um den Durst zu loschen;
Plut. N. 26-27 und Thukydides. 355
nach Thuk. VlI, 84 4<igegen wollten die Athener den Fiuas übereohreiten , weil sie
glaubten, dadurch in eine bessere Lage zu kommen, obwohl auch er erwähnt, dasB
sie ztt^eich der Durst antrieb/' Nun vergleiche man die Texte :
Thuk. VII, 84 : Plut. N. 27 :
tifdrt ^h ßiaCofievoi vno rtiq nttviaxod-ev Ixit ^^ roi's fdh ol n^lifiioi avrtpfyxovr
TT ^o^ßoXijg nua 6i vnb r^f ralatTitogitts res Iv^anaav $is ro ^(iti-gov, ol di if&a-
x«i rov nttiv im-d-v/uitf. vovT^g vno dfipoug f^inrov iavrovf.
und man findet nicht den mindesten Unterschied in den Sachen, der berechtigen
könnte, Thukydides und Plutarch als von einander abweichend su betrachten, — man
muss freilich den Inhalt der Thukydideischen Stelle vollständig angeben ! — Sodann
knüpft Plutarch wieder einmal an eine Bemerkung des Thukydides an:
Thuk. VII, 87 : Plut. N. 27 :-
If^yop — (ov axo^ *£XXrivi»»t' tafJLiv — Jl«/«- aytivu lafin^ozutov, lov "EkXiiyes n^og
ngotatov, **EXXijvag r^yiaviaavxo.
Es ist zu beachten, dass Plutarch des Thukydides Aeusserung durch die Um-
schreibung ''BXlrivkQ TiQog "KXXrfvag vor Missverständniss zu bewahren sucht.
0. 2S — 30, in denen Plutarch Über die Vorfälle in Syrakus ausführlicher ist als
Thukydides, geben zu keinen besonderen Bemerkungen Veranlassung. Hier ist starke
Benutzung des Philistos nicht zu verkennen (Fr. 46. 47).
Die Biographie des Alkibiades von Plutardi kann uns hier nicht lange be-
schäftigen,* da sie wenig ttbor die siciliscbe Expedition enthält; bekanntlich dauerte
des Alkibiades Antheil daran nur kurze Zeit. Ich beschränke mich hier auf wenige
Bemerkungen Über Punkte, iu denen ich von Fricke abweichen muss. Dieser nimmt
S. 56 und 57 an, dass Plut. im Alkibiades c. 17 derselben Quelle gefolgt sei, wie im
Nik. 12 und 13, d. h. dem Timaios, während sich in c. IS eine andere, nicht mehr aus
Timaios entlehnte Auffassung finde — nämlich des Hermenfrevels. Aus Nik. 13 ergiebt
sich, „dass Timaios wirklich alle diese Zeichen fUr b^eutungsvoU hielt." Jm Alki-
biades heisst es dagegen von der HermenverstUmmelung nolXovg xnl itStf nk^t^^Qo-
vovvTwv T« Totttvra iihrnga^iv. Der Schrecken Über dies Ereigniss wird dann näher
motivirt durch die Furcht vor einer Verschwörung zum Umstürze der Verfassung.
Also mehr politische als religiöse Gründe machen den Vorfall schrecklich.'' Es han-
delt sich jedoch gar nicht um die Auffassung des Plutarch von dem Hermenfrevel,
sondern um die der Athener. Diese aber war eine doppelte. Er galt einmal als ein
böses Omen, und zweitens als Anzeichen einer Verschwörung. Plutarch berichtet nur
und hebt beides da hervor, wo es passt. Und es ist durchaus kein Widerspruch,
wenn er Nik. 13 sagt, dass keine «n^^fm, auch nicht die ^Eq/luSv nfffixottii die Athener
vom Zuge abhielten, und Alk. 18, dass die *^^f<. ntQtx. viele von denen, 'die die
anderen ar^fifia verachtet hätten , bestürzt gemacht habe , denn er sagt ja durchaus
nicht, dass sie sie vom Zuge abschreckte. Plutarch hat seine Berichte über die Ein-
dcUoke des Hermeufrevels in sehr passender Weise über die beiden Biographien des
Nikias und des Alkibiades vertheilt. Da es sich im Nikias um den Zug nach Siciüen
handelt, hebt Plutarch hier das Omen hervor, im Alkibiades, wo das durch die poli-
tische Auffassung des Frevels .bestimmte Schicksal dieses Mannes in Frage kommt,
war er als Biograph unbedingt verpflichtet, auf diese politische Seite der Sache ein-
zugeben, und er hat es gethi^n. Wer wird auch glauben, dass die verschiedene Art
der Darstellung im Nikias und im Alkibiades aus 'der Verschiedenheit der Quellen
stamme, wenn 1. die politische Auffassung des Frevels in keiner Quelle fehlen konnte,
in der ausführlich von der Sache die Rede war, und 2. Plutarch gerade so davon
spricht, wie ein verständiger Biograph davon sprechen muss?
Dass dem Plutarch gar zu wenig zugetraut wird , zeigt sich auch auf S. 50 bei
Fr., wo von der Benutzung Platon's zum Behufe der Biographie des Alkibiades die
23*
356 Anhang I. Quellen der Geschichte Siciliens.
Rede ist. Es liegt da nach Fr. „eine sorgfaltigere Quellenbenutzung vor, als wir
Plut. zutrauen können.'' Es soll deshalb Satyros die Quelle Plutarch's sein, ein Pe-
ripatetilcer , den Hieronymus als doctus vir besonders rühmt, und von dem sich »ein
gründlicheres Studium des Piaton voraussetzen lässt, als von PIntarch, der zu seinen
zahlreichen und mannigfaltigen Schriften eben zu vielerlei benutzen musste.'' Den
Ehrennamen eines doctus vir dürfte Hieronymus dem Plntarch auch wohl nicht ver-
sagt haben, wenn er in den Fall gekommen wäre, sich über ihn zu äussern, und von
der Gründlichkeit des Satyros wissen wir auch gar nichts. Plutarch ist doch am Ende
noch Philosoph genug, um Piaton zu verstehen, und wenn es sich endlich um ^zahl-
reiche und mannigfaltige Schriften'' handelt, so kann Satyros mit Plutarch sehr wohl
wetteifern. Man kann also weiter nichts sagen als: Plutarch kann das betreifende
aus Satyros genommen haben, aber von Wahrscheinlichkeit kann beim Mangel jeglichen
Anhaltspunktes nicht die Rede sein. Weiter sagt Fr. 57, dass die ausführliche Dar-
stellung des Uermokopidenprocesses „Tim. nicht gehabt haben kann.*" Warum nicht?
Ausführlich genug hat er doch geschrieben, und was wissen wir davon, wie -viele
Episoden er angebracht hat? Und weiter sagt Fr.: der ganze Abschnitt (19—22) ist
so wohlgefUgt, dass er nur aus einer einzigen Quelle stammen kann." Erstens ist er
nicht sehr wohlgefUgt; Beweis: Die unnüthig wiederholte Eisangelia (c. 19 und 21;,
und zweitens ist es eine vüllig unbegründete Voraussetzung, dass ein „wohlgefligter
Abschnitt aus einer Quelle stammen muss. Es giebt da nur folgende Alternative:
Entweder copiren die alten Schriftsteller immer nur eine Quelle über eine Begeben-
heit, oder sie verstanden auch, mehrere zusammenzuarbeiten. Im ersten Falle ist ein
Recurriren auf die gute ZusammenfUgung eines Abschnittes überflüssig; im zweiten
aber verfehlt, denn da musste ein einigermassen gewandter Mann, wie Plutarch es
doch war, aus verschiedenen Quellen ebenso gut eine wohlgefiigte Darstelhmg zu-
sammensetzen können , wie wir jetzt dazu im Stande sind. Uebrigens sind in der
Erwähnung des Adonisfestes in Alk. 18 Aehnlichkeiten mit der in Nik. 13 vor-
handen :
Nik. 13: Alk. 18:
l^(fWf<<et yaQ iJ^of — al yvyaTxff rcJrf, ^Adiavlttv ytiQ etd»la noXlnj^ov rf-
xal nQovxiiTo n^Xiaxooe liji noXitoc xqois ixxofAiCofjiivoif oftoia 7i QOUX€irwo
f f J a> A « xal Tftffal it cqI avrit xaX xo7i€' rect^ ywai^i, xal raifdg iftifiovvro xontö-
tol yut'atxtiw ijcFav, fufvai xat &gvivovi j<for,
so dass höchst wahrscheinlich in beiden Fällen dieselbe Quelle benutzt worden ist.
Bei der Erwähnung des Hermenfrevefs aber ist in Alk. IS auch einmal eine Aehn-
lichkeit mit Thukydides:
Thuk. VI, 27: Plut. Alk. 18:
fii^ rvxxl qI 7tltiaTo€ ntQiixonriaav ra fti^ vvxrl TfSr nUiatfv «jr^wr^oiittf^/rrMr
Tt^otana^ rd n^omna,
und Benutzung des Thnkydides liegt endlich noch vor In dem Bericht über die Thä*
tigkeit des Alkibiades in Bezug auf Messana :
Thuk. VI, 74: Plut. Alk. 22:
fitl^vn to%i rmv JSvQaxoaitav ff ilotg ^ffav ol filllovrtg ivdMvai rip «öiUr,
— — (vv(idt»g To fiilXor. ovg ^xfii'o; ciddff — tmp £vQaxo9imr
ifiXotf i fi^vvae.
In der vorstehenden Betrachtung Plutarch's, besonders des haoptsächlich in Frage
kommenden Nikias, glaube ich folgendes nachgewiesen zu haben:
1) Es ist nicht bewiesen, dass Plntarch mit Ausschluss des Thokydidee Umaios
und Philistos copirt habe, vielmehr
2) widerspricht die Erzählung Phitarch's nirgends (abgesehen von offenbaren
Flüchtigkeiten, wie Nik. 17 nfir und Alk. 20 iXtit^, wozu Auch die Behmaptong ge-
PluUrch. Diodor. 357
rechnet werden kann, dass Nikias der erste Feldherr dem Bange nach war) der des
Thukydides, der sie sich
3) in ihrem Gange anschliesst, wobei Plutarch jedoch Umstellungen vorzuneh-
men verstanden hat, wo die Gesetse der biographischen Kunst solche verlangten.
4) Diese Anlehnung an Thukydides zeigt sich besonders duroh die häufige Ueber-
einstimmung in Worten und Wendungen, wobei unter andern dl^ Uebergänge des
Thuk. sich nicht selten benutzt zeigen.
5} Charakteristisch fUr das Verfahren des Plutarch bei der Benutzung des Thu-
kydides ist femer die Anlehnung an thukydideische Becapitulationen und die erläu-
ternde Ausschmückung thukydideischer Ausdrücke.
<5) Aber Plutarch hat andere Quellen neben Thukydides benutzt, sicher Timaios,
gegen den er Nik. 1 polemisirt, und Philistos, den er selbst neben Thukydides seine
Hanptquelle nennt. Die Berichte dieser hat Plutarch geschickt zur Belebung der aus
Thukydides gezogenen Erzählung benutzt. £r ist besonders dadurch der selbstge-
stellten Aufgabe als Biograph gerecht geworden, dass er, das eigentlich militärische
Detail Thukydides überlassend, den so gewonnenen Raum fUr persönliche Notizen
und Reflexionen verwandt hat, die seinen Helden charakterisiren und das Urtheil
über ihn erleichtem. Nik. 1 legt er selbst auf die xarapotiais fjB-ovg xal tqotiov das
Hauptgewicht.
Wir gehen jetzt zu Diodor über, bei dessen Prüfung uns die Schrift CoUmann's
zu Hülfe kommt, von deren Resultaten wir jedoch abweichen.
Diod. XU, 82. 8a spricht in manchen Beziehungen ausführlicher über die Ursachen
des athenischen Krieges als Thukydides. Dass sich die Egestäer zuvor an die Akra-
gantiner, Syrakusaner und Karthager wandten, dass Leontiner schon in Sicilien mit-
wirkten zur Absendung der Gesandtschaft nach Athen, sind Details, die Thukyd. nicht
hat. Diodor kennt, wie Plutarch, die leontinischen Gesandten, gegen ThukydideSi der
nur ifvyadts kennt. Die Sache ist aber dieselbe, denn Gesandte einer nicht mehr
existirenden Stadt sind nur (fvya^^g.
Diod. XIII, 2 wird die Bereitwilligkeit aller Athener zum Kriege ausführlicher
dargelegt als bei Thukydides. Ein Unterschied jedoch, den Collmann 17 findet, dass
bei Thukyd. die Feldherra nvtöXQaroQig seien , bei Diodor bestimmte Aufträge be-
kommen, ist in dieser Schärfe nicht vorhanden. Denn bei Thuk. VI, 26 sind sie
nvtoxodroQeg nur xal nfQl aT^atiag TiXr^i^ovg xal n((i\ rov nayTog nkov^ und dem ent-
sprechend steht auch bei Diod. XIII, 2, sie wären ftvroy^. anuvrtav twv xara rov
noXtfiov. Widersprach ist also nicht vorhanden, nur fügt Diodor eine spcoiellere An-
gabe hinzu, die im letzten Grunde aus einer syrakusanischen Quelle stammen muss.
Diese Angabe ist: ron fjtkv ovr ol arQaxfiyol fÄita tr\g ßovXijg iv ttno^^riroi ffuve-
dQivovreg fßovkivoi'TO ntag XQV ^to^xrjaai tu xaric rriv ^ixeXinv, iav r^ff vriaov x^ari^-
üOfGtv l^do^iv ovv ttVTOig ZiXtvovttCovg /ah xal ZvQtxxoalovg av^QttJto^taaaS^ai , lotg
iT aXXotg anXiig ra^at tf-OQOvg ^ ovg xar ivtavrov ofaovaiv *A&fivttioig, Dass ein fßrm
lieber Beschluss in dieser Angelegenheit vorgelegen habe, ist durchaus nicht wahr
scheinlich; Diodor's Fassung selbst charakterisirt die Sache als blosses Gerücht; auch
XUI, ao konimt in der Rede des Gylippos dieselbe Behauptung vor.
XIII, ^ stimmt Diodor nicht überein mit Thukydides in Betreff der Fahrt der
Athener, insbesondere der Aufnahme , die sie an der italischen Küste fanden ; die in
diesem Cap. vorkommenden Aehnlichkeiten zwischen beiden Schriftstellem hatColIm.
p. 17 notirt.
XIU, 4 giebt Diodor, ohne Vorgang des Thukydides, eine Uebersicht der Par-
teistellung der sicilischen Städte (Akragas auf Seiten der Athener!), auch ftir dies
Cap. s. Collm. p. 17 in Betreff der Uebereinstimmung In Worten mit Thukydides,
Wahl von 3 Feldherren früher als bei Thuk., wo sie erst VI, 72 geschieht.
358 Anhang I. Quellen der Oeüchichtc Siciliens.
XIII, 5. 6. Aehnllchkeiten in den Ausdrucken zwischen Thuk. und Diodor, ver>
zeichnet von C. 18, der die Verschiedenheit jedoch nicht erwähnt hat, welche darin
besteht, dass nach Thuk. VI, 71 im Gefecht am Olympieion auf syrakttsanischer Seite
260 fielen, nach Diod. XIII, 6 aber 400. Kleine Abweichungen sind femer: Nach
Diod. XIII, 6 sind schon damals IntaroXnt nach Athen gesandt, nach Thuk. VI, 74
und VII, 11 nicht, nach XIII, 6 sind 100 Talente aus Hykkara gelöst, 'nach Thuk.
VI, 62 aber 120. Bei Diod. XIII, 7 kommen 250 Reiter von den Sikelem, bei Thuk.
VI, 08 nur 100; also Gesammtzahl bei Diodor 800, bei Thuk. 650. So haben steh
denn bei Diodor, was bei Plut. nicht vorkam, positive Widersprüche gegen Tbuky-
dides gezeigt.
S. 18 macht Collm. die richtige Bemerkung, dass am Schluss von XIII, 7 Dinge
erzählt werden, quae apud Thucydidem nusquam inveninntur, nämlich die Oocupation
der Polichne durch die Athener. Nur hätte Collm. sich schärfer ausdrücken mtisseo,
als er gethan hat. Es genügt nicht zu sagen, dass von der Besetzung der Polichne
durch die Athener bei Thukydides nichts gefunden wird; es ist hervorzuheben, dass
diese Angabe Diodor's mit Thukydides unvereinbar ist. Es handelt sich um die Ope-
rationen des zweiten Jahres der Belagerung, des J. 414. Die Athener besetzen Epi-
polae (Diod. XIII, 7 : jrQogfvtx^^vfff tJ 7i6X($ wxtos ^Xa&ov tovg JSvQaxoaiovg, Nach-
bildung von Thuk. VI, 96: ravvTjg r^? vvxros etc., worüber später) und bauen eine
EinschliesBungsmauer ; die Syrakusaner suchen das zu verhindern. Dann fährt Diod.
XIII, 7 fort: ol (T \4(^r}vnToi T^ fA^Qd rijc cFwa^fftif xov v7f€QXfifji(V9r rou lift^rog
ronov XttTaXaßovTOf xnl ir/ir xaXovfxivriy IToXtxvTfV reix^ancvxfg tö te rov z/io? Uqov
TTfQKßdXoiio xcii i^ afAiforigtav j(5v fi€()iSv rnq ^vgaxovaas inöXiOQxow. Bei Thuk.
wird hiervon nicht nur nichts erzählt, sondern seine ausführliche Darstellung zeigt
auch, dass es gar nicht geschehen sein kann. Thuk. VII, 4 beweist, dass das Olym-
pieion und die Polichne, weit entfernt, in alhenischen Händen zu sein, vielmehr ein
Hauptstützpunkt der Syrakusaner waren, und VII, 37 helsst es ausdrücklich, xal ol
ano Tov ^OXvfiniiCov ot re onXtrai oOoi ix(i tjaav xal ol Innijg xal ^ yvjjtvrjxi« t»v
2vQttxoft(tav ix TOV inl &ttT(Qa n^og^H t^ ^^^X^^- So hat sich gezeigt, dass der dio-
dorische Bericht von der • Besetzung des Olympieion durch die Athener, welche ja
auch zuvor die nach Thuk. VI, 75 dort befindliche Besatzung hätten vertreiben oder
tödten müssen, mit dem klaren und ausführlichen Berichte des Thukydides in einem
unlöslichen Widerspruche steht.
Nach C. 18 werden vom 8. Cap. Diodor's an keine Aehnllchkeiten mehr zwischen
Diodor und Thukydides gefunden, wohl aber plurimae differentiae. Wir werden
sehen, dass auch die Aehnllchkeiten nicht fehlen.
In c. 8 berichtet Diodor, wie in einer nach der Ankunft des Gylippos gelieferten
Schlacht die Athener siegen, Lamachos fällt; wie dann 13 Schiffe aus Korinth ein-
treffen, Gylippos mit Hülfe der Mannschaft derselben den Kampf erneuert und nun-
mehr die Syrakusaner siegen. Dann sagt Diodor, dass die Syrakusaner öi oXt^s rfjg
*EntnoXfjg tb nlxog xnx^axaipav ol cFi *^&rjvaioi xttxaXtnovxeg xop nQog xatg 'EmrtO'
Xtcig xonov naaap xrjv dvvttfiiv dg xrjv aXXijv TtagtfjßoXrjv fifxriyayov. Hier sind die
Widersprüche gegen Thuk. gehäuft. 1) Nach Thuk. fälll Lamachos, bevor Gylippos
eingetroffen ist, im Kampfe gegen die syrakusanische Gegenmauer (VI, 101). und
Plut. stimmt damit überein. In der Schlacht, von der Diodor spricht, siegen nach
Thuk. VII, 6 die Syrakusaner; dann kommen die korinthischen Schiffe, Thuk. VII, 7.
3) Von einer Zerstörung der athenischen Mauer di oXrjg xijg 'EniTroX^g, ist bei Thuk.
keine Rede; nach ihm verlassen die Athener später diese Befestigungswerke frei-
willig (VII, 60). 4) Dass das ganze athenische Heer nunmehr tig xiiv aXXijv na^fftfio-
Xifv gebracht sei, davon findet sich ebenfalls keine Spur bei Thukydides, und wider-
spricht seiner gesammten Darstellung. Wenn wir übrigens fragen, welches eigentlich
Piod. XIII, 5—9 und Thukydide». 359
diese «Xltf nuftefiftoXri sei, so können wir im Sinne Diodor's nur erwidern, dass damit
das angebliche Lager am Olympieiön gemeint sein mlisse, da von einem anderen
Diodor nicht gesprochen hat. Aehnlichkeit mit Thukjdides :
Thuk. VII, 7 : Diod. XIII, B :
ot Tt ^VQaxoüiot vavrixov ^nkriQOi'v xal iv riß fiiXQt^ Xtfiäri rag avaneigag
ttvtnti^üivTO, inoiovvro.
Abweichend im einzelnen sind bei Diod. XIII, -7 die Zahlen der Soldaten des
Gylippos (3000 zu Fuss und 200 Reiter), die Zahlen der aus dem Peloponnes gekom-
menen sind dagegen aus Thuk. VII, 19 addirt. Nach Diod. XIII, 8 bringt Eorymedon
140 Tal. mit. Die ans Sicilien kommende Hülfe fUr Syrakus ist ans Th. VII, 21 (Rüh-
rung des Gylippos) und 32 (Niederlage durch die Sikeler] zusammen gezogen, denn
in c. 32 ergeht die Bitte um Hülfe erst ^ct« t^v tov liXtifivQtov alwaip, und bei
Diodor wird erst nach der Niederlage der Sikeler (bei der ol riftlang fallen; anders
Th. VII, 32) der Angriff auf die fpgovQta gemacht, von dem alsbald die Rede sein
wird. C. 19 hat freilich bei Diodor's Worten XIII, 8: int&ifjt^voi. rovg iiftiatig avcXkov
eine von Thuk. gar nicht erwähnte Begebenheit vorausgesetzt, aber es ist nur die
falsch angebrachte von VII, 32, was sogar die Zahlen beweisen, denn wenn es 3000
waren (Diod.) und 1500 übrig bleiben (Th. VII, 32), so sind freilich ol ri^faug ge-
fallen. Wenn man hier einen Begriff zu bekommen anfängt von der Nachlässigkeit
des Diodor in diesem Abschnitte, so wird der Eindruck durch das in c. 9 enthaltene
noch gesteigert.
XUI, 9. Seeschlacht und Kampf am I<ande. Vgl. Th. VII, 22. 23. Die Zahl der
Schiffe stimmt bei Beiden überein. Als die Seeschlacht tobt, sagt Diodor, nävtig ol
nno Twv <f'OOVQ£tav lt4d^aioi *aj(ßriaav inl rtfv &dkaiTav (vgl. Th. VII, 23: xtöv iv
Ttfi nkriiiVQin) ^A^rivadov TiQog tiiv ^akaaaav Inixatttßtivtiov). Welches sind diese
if'QovQia^ Wer den Schriftsteller, was doch verlangt werden kann, aus ihm selber
verstehen will, findet nur die aXXii nage/ußolii, die doch unmöglich gemeint sein kann.
Aus Thuk. sind uns freilich 3 (fQovQia bekannt, welche auf dem Plemmyrion errichtet
waren, aber Diodor hat davon nichts gesagt. Wenn wir aber Diodor weiter lesen,
um vielleicht so Klarheit zu erlangen, so häuft sieh nur die Verwirrung. Die syra-
kusanischen Feldherren schicken Mannschaft inl tä ttiv 'A&^invaltov ox^gtofAttta, welche
XQnf^aiiov etc. nktf^ sind. Welches sind nun die o;jft;^ai/4ara ? Die TfttQif^ßoki^ oder die
if'QovQia^ Nach Thuk. offenbar die letzteren. Von diesen ox^q. sagt Diod. weiter:
a d^ xajttkaßovteg ol ^vgaxoOtoi navTtküg im* oktytov TrjQOV/utvit xal rtSr arto rrjg
fhtkartijg nQogßoTf&ovyTotv nokkoig anixiftrav, wo mit Dindorf eine Lücke nach rrnfoi-
fiivfc anzunehmen ist, in der gestanden hat, dass sie die ifQovQia bis auf eins nah-
men. Denn nun sagt piodor weiter : xQuvyr^g 6t Tiokkrjg ytvofi^vtig ntgi ra tf^ovQia
xal tijv nagifjißoki^r, ol vavfiaxovvifg \40^fivtttoi xtnjitnkttyiyrtg hganniattv xal ngog to
kdnofitrov rdiv (fQovQiwv ^(pvyov. Hier ist Abweichung von Thukydides, nach welchem
alle 3 <fQovQia genommen werden. Oder sollte es nur ganz ungeschickter Ausdruck
sein? Denn nun heisst es Weiter von den Athenern: 77^0^ rijv yfjv xatmfivy€tv ov
dwa^ttoi 6ttt TO rovg Zvgnxoüiovg övoTv ifgovgdov xvgi^vuv, WO erstens ZU fragen ist,
warum sie ngog to ktmofA^vov qgovQtov fliehen können, Ttgog rijv yijr aber nicht
fliehen können, wo das ifg. doch lag, und zweitens, warum die Einnahme der 2 <fg,
sie hindert ans Land zu kommen , da sie es ja doch auf das kunofisvov , also ein
drittes abgesehen hatten? Sollte vielleicht irgendwo die Angabe fehlen, dass inzwi-
schen auch das dritte (fg. genommen war? Aber wo sollte sie gestanden haben? End-
lich was soll heissen, dass in Folge des Lärms um die (fgovgia und die iragefißokii
die Athener sich zur Flucht wandten? Welcher Zusammenhang ist zwischen diesen
Sachen denkbar?, Was hat überhaupt die nagefißokij hier zu thun? — Es ist also
klar, dass in diesem Cap. Diodor's eine unlösliche Verwirrung herrscht, welche es
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ltff,fh*f l'*^i h*^*'h hfh/M ^*ft tfoOH'fti^i «a« rrv-ik. tkht kat, und Beut« ebeii-
^ M ^>f(*M^N /l'ü itufhhit^Ui.ufn ., iU-Mtt^-n iif.trr vrm IHodor jwf 5000 Mann ohuc
/Im« *iiltiH'*hMhHtnhHfl , uini tUti^tttt VUfitM v/m Ihm auf nU(ovg rmr aySofixovjn »nge-
^/ If/.» -^iMl *H*I» Ui VH, r/ ulml «tu f^*/fr' XH% f^fUfi^Kovru. Diodor kann eine an-
Hffi' fyiH.lli' ü«'(i'(M l(i«0«i»i, kU^UiU'hi lUiKt atH;r auch nur FlUchtigkeil von Seiten
IMmiIh« h Hil'f n^\m Alm< hiMlImr viir Aühfilich int hei Diodor und Thukydides im Aus-
(ImmKm Mdt liditi'MilK» KmI tliiik Vll. 4'i wird am Hchlusso des Berichtes ttber die
hfn.lhH'MllI- »!»•« |li»iMi«»lll«ll»B |*HK«»i'lUirt : i^n) fV' alXriv nrtQaaxtVffv ixayriv, xnl roii
jiih ^» {M.4H'H0<<t Hh» ÄMlHilluh IMml. XIII, 11: x«i f//»' ^Aii/f Trn^affxit;^ Imö-
Hi^tM th 'i< wMm»* iW «JitHfÄiioMM /mUii' /iii/iHiori'fo — — . Dann Thuk. VII, 4:i
|(<i4c,^M( »i{( '4((MMi mm<k«mO* . DUul Xlll, H: nvalnßwv juVQiavg ^ir oniJtai,
<M>iwt» (W K'UvM'fHt» ('Mwi'k, WO (II011O /uhlou imu Biud. Neu ist auch die AngalH*
MIu\Ih( «. (UtHH JiOU AÜudUM ^iHiUlttit wuniuu und nach AkragHs 12 Schiffe fahren.
Diod. XIII, 9-14 und Thukydides. 361
c. 12. Beratbang der Athener. SchJimme Lage. Seuche. Die Ausdrücke bei
Thuk. YII, 47 und Diod. XIII, 12 stimmen nur im allgemeinen. Bei der Angabe des
Votums des Demosthones durah Diodor herrscht in Betreff des Inhaltes Ueberein-
stimmung mit Thukydides, die Worte stimmen jedoch wenig iiberein. Bei dem Votum
des Nikias ist bei Diodor in den Ausdrücken grössere Ueberoinstiromung mit Plut.
N. 22, wo auch der Ausdruck avxo^avrCtt^ sich findet, gerade wie Diodor at-xor/ar-
ttiv hat. Das Eigebniss der Berathung ist, dass die Athener
Thuk. VII 49: Diod. XIII, 12:
Weiter wird die Ankunft von HUlfstruppen für die Syrakusaner gemeidet; ähn-
lich, aber nicht so speciell, Th. VII, 50, wodurch die Syrakusaner muthiger werden,
die Athener aber
Thuk. VII, 50: Diod. XUI, 12:
^fie/j^lat'jo TiQOTtQov ovx ayntJTiiVTig. . /kKrtfi^lovrn dia ro firi ndXai loy «noTiXovt'
So rouss denn auch Nikias einwilligen. Es wird alles zur Abfahrt bereit gemacht
und der Befehl gegeben aufzubrechen:
Thuk. VII, 50: Diod. XIII, 12:
oittv rig arjfiijvrf — — x«l fxtkXoi'i tav iturtiv omv atjfn^rrj' /nfXXoyrirjt' <J* fwrtoy t^
dnoTiXfTv Tj atXi^vri ixX(£n(i. vattQaitf nXzTv iliXtnty ^ Oikrit-tj.
Auch das nun folgende ist ähnlich bei Beiden erzählt : nur hat Diodor die An-
gabe, die fjm'Tfig hätten gesagt, man müsse ras tühnfjt^vttg tQtTs ri^i^ng «raßaXltaOm
Tov ixnXovi'y während es bei Thuk. VII, 50 heisst: ov^ av ^ttcßofltvauad-tu hi tqri,
TtfAv, (og ol /udvjttg i^Ffyovi'To, tqU it'via rffjt^Qug./uttvai. Die Erklärung dieser Diffe-
renz wird die Nachricht Plutarch's im Nik. 23 geben : «XXotg rc xttl rtoy 7r«(jl liXiov
x«l atXi^vfiv inl TQ€ig fjfi^ffag fjtoiovvro tfvXaxijVf tof ^AviixXtCdrig ^ifyQnifjtv iv toig ^|iy-
ytjTixotg' b öi Ntxiag aXXrjv smiai atXrji'fjg nvn^tivup nt^iodov. Eine solche Nachricht,
wie sie hier von Antikleides gegeben wird, scheint Diodor falsch verstanden zu haben.
c. 13. Vorletzte Seeschlacht. Man vergleiche den Anfang bei Beiden:
Thuk. VII, 51 : Diod. XIII, 13 :
oS df ^VQaxotfi Ol xal avrol lovto n v^ ol dl 2vQax6aiot^ naQ« Ttvufv ni/ro^o-
OofLivoi tag ovv vavg inXijQovv. Xmv nvihofievoi rtji' att(ttv ifxg r«
iQir^Qiig nnaag ^n XtIJqovv.
In Betreff der Zahlen ist bei Diodor Abweichung von Thukydides. Nach jenem
kämpfen 74 syrakusanische Schiffe gegen 86 athenische; nach Thuk. 76 gegen 86.
Diodor hat spedellere Angaben in Betreff der Vertheilung des Commandos auf beiden
Seiten. Von Eurymedon heisst es bei Thuk. VII, 52 anoXafißdvovoi , bei Diod. XIII,
13 dntXiiipOTj. Die Zahl der mit Eurymedon vernichteten Schiffe, weiche von Thuk.
nicht angegeben wird, beträgt nach Diod. XIII, 13:7. Beide Schriftsteller erwähnen
das von den Syrakusanem gebrauchte Kriegsmittel, die oXxtida xXrifinridtov x«l d^dwv
Thuk. di^Sog).
c. H ff. enthalten die Darstellung der entscheidenden Seeschlacht. Man vergleiche
den Anfang des c. 14 mit Thukydides:
Thuk. VII, 59: Diod. XUI 14:
ol ovv £vQttx6atoi — tixortog ivofiiaav ol 6i ^VQaxooioi pofj{(ovtfg ftrix^Ti lov xir-
xaXov ny<oyiOfia a<fiü\v ih'tu inl ry yty^- dvvov (hat rrtQl tilg noXtwg dXXit TtoXv
rri^ii'ri iCxrji rrjg vavfiaxing iX(Tv Ti jo fidXXov ivtOTfjxivut ror dy^rn TitQt lov
ar naion tdov nnttv T^v *Ai>rivttiiav Xafitlv to aTQurdntJoy ^*t« 7i5v
fxXtjiov ovv xd V ik kl fiiva l^ovja noXk^imv fd^f^aXfaiop dniiiQttiiov xo
10 ajofia — — toig dl ^yid^tjvaio&g Ti}i' ardfia tov Xifiivog oi dt Wi^jy-
Ti dnoxkrja IV oqiugi — vatoi i^iioQmvt tg nvroTg Tiavra^ro&tv
tifv atoTfiQiav. dnoxixXki fiivfiv -^
362 Anhang i. Qiielloo der Geschichte SiciKens.
Wir orf»hren sodann nur von Diodor, dass der Verschlvss des Hafens in 3 Tagen
vollendet wurde (nicht, nicht wie Collm. 19 sagt: triduo post iilam navalem pugnaai
obstruetnm fuisse) ; auch ttber die Ansflifarung des Verschlusses finden sieh bei Diodor
Details,' die Thuk. nicht hat. In Betreif der Zahl der Sehiffe auf beiden Seiten ist
wieder Verschiedenheit zwischen Diodor und Thukydides. Nach Diod. 116 athen.
Trieren, nach Thuk. VII, 60 nur HO, nach Diod. 74 syrakusanische, nach Thuk. 76.
Sodann hat Diodor besonders ttber das auf syrakusanischer Seite Vorgefallene Details,
die Thukyd. fehlen ; dahin gehört, dass auf kleineren Schiffen naidig iltv&eQoi folg-
ten, die mit ihren Vätern am Kampfe Theil nehmen wollten ; dahin gehört femer, dasa
rd TttQl thv Xiutvn rt^x^ x«l näs 6 ti^g nolftis vjttQXd'fttvüg tonog $yifti «UfiKtmr,
welche die Entscheidungsschlacht des Krieges mit ansehen wollten.
c. 15. Sorge des Nikias. Anrede an die Trierarchen, in der manches ähnlioh
wie bei Thuk. VII, 69 ist. Ausgegangen wird bei Beiden vom kMwog, der den Ni- .
kias dazu bewogen habe, diese letzte Anrede zu halten ; bei Beiden wird die nament-
liche Anrede: Diod. tS ovo^atog, Thuk. ot'ofiaart, erwähnt; bei Beiden sodann auf
die Auszeichnung der Vorfahren: Diod. ngoyopiov a^trai, Thuk. mxTQixag ttQfras
hingewiesen. Der Ausdruck des Nikias bei Diodor, sie sollten ttviilafi^alf-at r^g ftonfg
xajaXiXft^/u^vi]^ ilnfJog, entspricht Thuk. VII, 70, sie möchten r.tQl rrjg ig rrjv na-
rf}(dtt attrrjQiag rvyj tt nore xai av&ig, ttvTiXaß^ü&ai.
c. 16. Schilderung der Schlacht selbst, wobei es sehr bemerkenswerth ist, dass,
während Thuk. ausführlich schildert (VII, 71), mit welchen Gefühlen das athenische
Landheer der Schlacht zusah , — besonders von ntivrwv yäg Sri araxti/Aivtr rotg
^J&Tfvaioig tg tag ravg an — Diodor besonders hervorhebt, wie sieh die zuschauenden
Syrakusan^r dabei verhielten , von denen er ja schon vorher gesagt hatte , dass sie
die Mauern um den Hafen und die höher gelegenen Theile der Stadt bedeckten. Es
entsprechen sich besonders, weniger in den Worten, folgende Schilderungen:
Thuk. VII, 71 von den Athenern: Diod. von den Syrakusanem:
ti fAiv jtvfg fdot^v ntj; rovg otfStiQovg ol «T (nl rctir rff/wv orc fiip tdoiif tovg
in ixQttTovvTrtg ttPtd-UQüffOuv ti av xu\ tSlovg evrjfiipovvtag iiratayiCov, ow* cT
TiQog üraxlriotv ^((op firj (rr<(>^a«f Otfitg t^g iXariofiivo vg iaxivov x«\ fitra öaxffvtifv
atoir\Qlag itQ^noyro'y ol ^ trtl to fiaato- roig &^(oTg tj ^ogriv/ovro.
fiivov ßXiif'avrtg oXofpvoftip ff afta fiira
ßoijg //pwiTo.
e. 17. Fortsetzung der Erzählung der Schlacht, die mit Lebhaftigkeit und Be-
redsamkeit vorgetragen ist, und, wie der ganze Bericht von c. 14 an, einen unend-
lich befriedigenderen Eindruck' auf den aufmerksamen Leser macht, als z. B. die con-
fuse Erzählung in c. 9. Auch der häufig wiederkehrende Gegensatz : ol fiiv l^i&^ratoi
— ol (T^ £v(ttcx6aioi bringt keine Eintönigkeit in den Vortrag. In diesem Cap. erhal-
ten wir noch die werthvolle, von Thukydides trotz seiner Ausführlichkeit nicht
gegebene Nachricht, dass von den Athenern zuerst die besiegt worden sei^i, welche
der Stadt zunächst ihre Stellung hatten, wobei an das früher (c. 16) von Diodor
berichtete zn denken ist, iyiort rovg naga tffv y^v vavftaxovrtag avfi^iaxovg «/<«•'
Tovg fnl rijfi z^Q^^^' oiQttTontdivoviug ^ sodass recht eigentlich die Energie aller
Syrakusaner die Schlacht gewonnen hat. Man hat bisher diesen wichtigen Punkt
nicht gehörig beachtet (z.B. Grote IV, 25.3) . Man vergleiche noch den Schluss des
Schlachtberichtes bei Diodor und Thukydides:
Thuk. VII, 71: Diod. XIII, 17:
7toXXr\ XQftvy^ xatiSioixov ig ol fjitv ovv XvQUXoatoi fitra nolk^g
f ¥}v yrjp' Tort Si b juh vavttxog aiQarog XQavyrjg xnTtd(t}Xov rag vavg inl rrjv
ifXXog ((XXtf f oaot /nii /ifrito^ot idXtO' y^v'rwv6VA9'^ra(oivoaolfli^^ftiwQOl
oav, ««rf rc/^^T«( i | inkaov ig ro otqu-- dietf&dgfiaav — ixH fiSttvttg ix ^twv nmv
Tontdov, eig 10 71 € Cbv OTQUTOTieSop iffivyov.
Diod. XIII, 15 — ;i2 nnd Thukydides. 363
Schltesalich giebt Diodor noch, was Thukydides nicht hat, die Zs|hl der auf beiden
Seiten vernichteten Schiffe, von den Athenern 60, von den Syrakusanem 8 gapz ver-
nichtet, J6 stark beschädigt — ainfriTQiufifvtm». Die Zahlen bei Thuk. VII,* 72 sind
nur ungefähre. So zeigt «ich bis zuletzt in der Beschreibung dieser Schlacht Diodor
über die Syrakusaner besser unterrichtet als über die Athener.
c. 18 wird gesagt, dass die Schuld des Nichtabziehens zur See an Nikias lag.
Thukydides hatte den Mannschaften die Schuld gegeben. Diodor spricht ausdrücklich
aus, dass der Rückzug gerichtet war ln\ KaTavrjs. Was Thukydides über diesen Ge-
genstand sagt, wird in einem besonderen Abschnitte erläutert werden ; ich kann hier nur
einfach die Thatsacho aussprechen , dass der Marsch nach ihm von Anfang an nicht
nach Katane gerichtet war. Es ist also Widerspruch zwischen Thukydides und Diodor
in diesem Punkte vorhanden. Wie kam Diodor zu seiner Abweichung? Durch andere
Quellen? Ich meine, durch ein Missverständniss des ITiukydides, indem er nämlich,
wie seitdem Manche gethan haben, Thuk. VII, 80: i/v dl rj ^i'^naffa 6dog «iJtij ovx
fnl KttTarris t^i' arnariv/uari in der Weise falsch verstanden hat, als habe Thukydi-
des sagen wollen, anfangs ging es auf Katane zu, nachher aber musste man die Rich-
tung ändern.
c. 19. Eude des Zuges. Berathung in Syrakus über das Schicksal der Gefange-
nen. Hier ist eine Üebereinstimmung zwischen Diodor und Plutarch in folgendem
sichtbar :
Flut. Nik. 28: Diod. XIII, 19:
'KQfioxQnrrjg fitr tfnwr, oti tov rixar 'J^QfioxQnirjg 7ittQf?.x9t!üv itf^t^gti X^~
XQfiTTOv i an T o xaXuig )^{ii\ayfat rJ yttv , ^g xaXXiov (an ro r riv r(xfjv
rCxf^ ov fiirnCiog i d^oQvß rjyhri. Ivfyxfiv avd-Qtan Iv tag ^oQvßovvTog
Jl jov öiifiov —
Dass Plutarch aus Diodor geschupft habe, dies anzunehmen. liegt kein Grund vor.
Beide haben also dieselbe Quelle benutzt, und dies war Thukydides nicht, ()er von
der Theilnahme des Hermokrates an dieser Berathung vollständig schweigt» Wer die
Quelle war, wissen wir nicht. Aus der Art aber, wie Diodor und Plutarch hier die-
selbe Quelle benutzt haben, sieht tnan wieder, dass die alten Historiker nicht blosse
Abschreiber waren. Eine Abweichung von Thukydides bietet Diodor mit seiner An-
gabe , die Gefangenen hätten akq£nov iSvo xoC^'^ag bekommen , nach Thuk. VII, 87
nur 6vo xoTvkagy eine x*^Tvt^ enthält aber 4 xorvXag. Die Abweichung beruht auf Flüch-
tigkeit Diodor's.
Mit c. 20 beginnt ein Abschnitt, der Diodor durchaus eigen ist. c. 20--27 ent-
halten die Rede des Nikolaos, der, Hermokrates unterstützend, fUr Schonung spricht ;
c. 28 — 32 die des Gylippos, der, abweichend von Thukydides und Plutarch, Strenge
empfiehlt. Woher nahm Diodor diese Berichte? Nach CoUmanD 21 ff. aus Epthoros.
Doch ist ein Hauptgrund von C. nicht zwingend. Nach ihm (21) können sie nicht
aus Timaios sein, weil nach Plut. Nik. 28 Timaios erzählte, dass die Feldherren gegen
den Willen des Gylippos getOdtet seien. Pas ist nicht genau. Plutarch citirt den
Timaios nur dafür als Quelle ^ dass die Syrakusaner dem Gylippos Habsucht vorge-
worfen hätten. _Aber andere Gründe führen allerdings auf Ephoros. Sie ergeben sich
aus einer Vergleichung der Reden XIII, 20 — 32 und XIV, 65 «-69, die bei aller
Verschiedenheit des Gegenstandes dennoch einige Beziehung zu einander verrathen.
Es ist schon an sich auffallend, dass uns im Diodor nur diese längeren Reden erbal-
ten sind (sonst noch Rede XUI, 52 und vgl. Diod. XI, 1), zu deren Aufnahme ihn
gewiss die Vorliebe für die Angelegenheiten seiner sicilischen Heimath bewogen hat.
Die Beziehi^ngen im einzelnen sind folgende. XIII, 22 und XIV, 66 ist von Gelon
die Rede:
364 Anhang I. Quellen der Greschichte Bicilions.
XIU, 22: XIV, 66:
r^lvjt' i^ i^tförov tijg Sixkliag oXt^ ixtlrog öiti rt riiv aQtJ^v xa\ ro ufyt&o^
fiytftwp fyivtio %tiv noXtttv ixovaitog liav nna^tmv ov fiovov rwv £vQ€txoai$»9f
(ti liit' (^ovaiav (xtiyov n agayttofi^rtov. nXlk x«t ttav J^iXfkttOTtav kxova(t9v
Eine zweite Beziehung ist die Erwähnung der Niederlage der Athener:
XIII, 21 : XIV, 67 :
toait ^^^l top ayy€lovPTft avrofs rijv avfi- ot nathQtg rifitiv ovdk tov anayytlovpfa
ifOQav nfQiltitfd-r/Vi€i, T^v avfifiogav aniXtnov,
Auffallend ist noch die Aehnlichkeit je einer Stelle in XIII, 30 und XIV, 66. In
jener Stelle schliesat ein Anklagepunkt gegen die Athener: o nQo^notovfjihvoq ^i-
XttvO^QtoTtitf ötaifiQHv Sfjfio^ \j,trmlafittai tag noltig agdriy (trtjQrjxtv , XIV, 66 aber
heisst OS von Messeno: ttQdtjv ayjjQtijai, und dann von Naxos und Katane: nolttg
oi'fAfiaxi^ai t inixalQüvg noXeig, aQÖtiv aPTf^fixe. Mit Nothwendigkeit ist aus dieser
Zusammenstellung zu schliessen, dass dieselbe Hand die Rede des 13. und die des
14. Buches gearbeitet hat. Da nun die Rede des 14. in den Abschnitt gehört, welcher,
wie wir sehen werden , wahrscheinlich von Ephoros stammt , so darf man auch die
Reden des 13. Buches aus Ephoros herleiten. Natürlich ist der Beweis nicht mit
völliger Sicherheit geliefert ; es wäre denkbar, dass die Aehnlichkeiten zwischen den
Reden des 13. und 14. Buches nur von dem Bearbeiter Diodor herrtthrten. Dann
wäre freilich diesem eine noch viel umfassendere selbständige Arbeit zuzuschreiben,
als man gegenwärtig zuzugeben geneigt ist. Die Entscheidung könnte nur durch eine
detaillirte Prüfung des Stiles Diodor's geliefert werden, die ich bisher noch nicht
habe soweit führen können , dass es mir schon jetzt möglich wäre , ihre Ergebnisse
mitzutheiien.
c. 33. Schicksal der Athener in den Latomien, wo bemerkenswerth ist, dass die
gebildeteren von lernbegierigen Jünglingen gerettet werden.
Es ist jetzt an der Zeit, das sich aus Vorstehendem Ergebende über die Darstel-
lung Diodor's zusammenzufassen.
1) Diodor hat wesentliche Abweichungen von Thukydides, Abweichungen, die
nur als Widersprüche bezeichnet werden können : Abweichungen in den Zahlen, s. o.
zu XIII, 6. 11. 13. 14. Abweichungen in der Chronologie : Tod des Lamachos u. And.,
Abweichungen in den Thatsachen: Besetzung des Olympieion durch die Athener.
2) Diodor stellt die letzte grosse Seeschlacht mit wichtigen Details vom Stand-
punkte der Syrakusaner dar.
3) Er hat einzelne schlecht gearbeitete Partien und andere recht gute.
4] Er stimmt nicht selten in Worten und Wendungen mit Thukydides fiberetn.
Ziehen wir hieraus weitere Folgerungen in Betreff der Quellen Diodor's. Wegen
1 ist für einen Punkt mit Sicherheit eine Thukydides stark widersprechende Quelle
anzunehmen : für d^n Tod des Lamachos, vielleicht auch für die athenische Besetzung
des Olympieion. Wegen 2 lässt sich die Annahme einer sicilischen, Thukydides nicht
tn demselben Grade widersprechenden, sondern vielmehr ergänzenden Quelle für .Dio-
dor nicht abweisen. Es kommt hier mehreres zusammen: 'Angaben in Betreff der
Gesammtzahl der Schiffe, sowie der vernichteten, wobei sowohl die .Flotte der Syra-
kusaner als auch ihr Verlust geringer erscheinen als bei Thukydides; Schilderung
der Schlacht mit besonderer Rücksicht auf die Empfindungen der Syrakusaner; end-
lich und hauptsächlich Angabe des entscheidenden Momentes der Schlacht. Wegen
4 ist eine unmittelbare Benutzung des Thukydides wahrscheinlich ; hier nur Vermit--
telung durch Ephoros anzunehmen, ist deshalb unthunlich, weil, wie wir sehen wer-
den, auf Ephoros gerade die dem Thukydides widersprechenden Stücke zurückzuführen
sind. Wenn aber eine solche unmittelbare Benutzung zu statuiren ist, so hat es, bei
Diodor. lustin. 365
Ber(lck8ichtig;img von 3 keine Schwierigkeit, manche der Abweichungen vonThuky-
dides auf flüchtige Lesung dieses Schriftstellers durch Diodor zurückzuführen. Hier-
her rechne ich : die (atsche Einreibung der Niederlage durch die Sikeler (XIII, 8) ;
die Einnahme der tfQov^ia des Plemmyrion und die Angabe Über die Kichtung des
Rückzuges nach Katane. Es entsteht nun die Frage, welches die Quellen für 1 und 2
sind. Was 2 anbetrifft, so kann zwischen Philistos und Timatos nicht entschieden
werden; in Betreff der dem Thukydides durchaus widersprechenden Quelle (1} ist da-
gegen nur an Ephoros zu denken. Eine sicilische Quelle ist eben dadurch ausgeschlos-
sen , dass in diesen Partien Unrichtigkeiten vorkommen , welche ein mit den Locali-
tüten bekannterer Schriftsteller sicilischer Herkunft unmöglich begehen konnte. Für
Ephoros spricht noch zweierlei : erstens der negative Umstand, dass sonst keine Quelle
vorhanden ist, die Wahrscheinlichkeit hat, und zweitens der positive, dass Diodor
den Ephoros sonst oft benutzt hat, in griechischen Dingen anerkanntermassen, und
wie ich zeigen werde, auch in sicilischen. Dann ist auch wahrscheinlich der ganz
verkehrte Bericht Diodor's über den ersten athenischen Krieg (XII, 53. 54) ein schlech-^
tes Exceipt aus Ephoros. Nach diesem Berichte gehen gleich zuerst mit Laches 100
Schiffe ab, zu denen in Rhegion noch 100 rheginische stossen. Später werden es
durch Eurymedon und Sophokles im Ganzen 250. Wir wissen aus der Geschichte des
Dionys, dass Ephoros auch sonst zu hohe Zahlen hatte. Voil Kriegsbegebenheiten
kommt nur folgendes vor: Verwüstung der liparischen Inseln, Eroberung von 5 lokrl-
sehen Schiffen, Eroberung von Mylai, wobei die Athener 1000 Mann ttfdten, 500 ge-
fangen nehmen — theilweise dem Thukydides widersprechend. Die Aehnlichkeiten
zwischen lustin und Diodor, von denen ich alsbald sprechen werde, erklilren sich
somit am besten dadurch, dass sowohl Diodor wie Trogus Pompeius den Ephoros
zu Grunde legten, der dann bei dem Griechen einmal, bei ^en ROmem zweimal ent-
stellt wurde.
Jetzt sind noch einige Worte über den lustinus als Quelle für die Geschichte
der athenischen Expedition zu sagen. Bei der bekannten Flüchtigkeit dieses Schrift^
stellers (Bd. I. S. 317) ist von vom herein nicht viel Gutes von ihm zu erwarten.
Und wirklich ist seine Darstellung (IV, 3 — 5) höchst erb&rmlich. Zuerst sind die Ca-
tinienses, zu denen der Athener Lamponius (ein Lampon kommt Thuk. V, 19 und 24
vor) geschickt wird, allein die Veranlasser des Krieges ; von Leontinem und gar von
Egestäem ist nicht die Rede. In der Form Chariades stimmt er mit Diod. XII, 54
Uberein. Gylippos wird IV, 4, 9 in zwei Treffen geschlagen, siegt dann im dritten,
wo Lamachos fällt, vgl. Diod. XIII, 8; Gyl. holt eine Flotte von Lacedaemon; die
Peloponnesier schicken communi civitatum decreto ungeheure Hülfstruppen den Sy-
rakusanem. IV, 5 Seeschlacht; das Lager geht cum omni publica ac privata pecunia
den Athenern verloren. Hierzu vgl. Diod. XIII, 9, und für die pecunia privata kann
man auf Thuk. VIII, 24 verweisen, wonach auch ifAnoQutv xQni^^^f* in den qQovQioie
wareip , die erobert wurden. So haben wir einen Fortschritt zum Verkehrteren : bei
Thukydides die schlichte Wahrheit, ifQovQia werden genommen ; bei Diodor Confu-
sion , hier sind es die oxvQuifiaru ; bei lustin endlich gehen die castra der Athener
verloren. Als sie dann auch terrestri proelio geschlagen sind, giebt Demosthenes ähn-
lichen Rath wie bei Diod. XIII, 12; Nikias ist dagegen. Seeschlacht; in prima acie
nuit Eurymedon, und seine 30 Schiffe werden verbrannt, nach Diod. XIII, 13 waren
es 7. Abzug zn Lande; 130 zurückgelassene Schiffe nimmt Gylipposl Demosthenes
tödtetsich selbst; nachFricke 103 Missverständniss der Nachricht des Philistos, dass
er sich hat tödten wollen. — Wir finden also bei lustin eine gewisse, jedoch nicht völlige
Uebereinstimmung mit Diodor, dessen Fehler er übertreibt ; es ist klar, dass Beide aus
derselben Quelle— Ephoros— geschöpft haben, und dass lustin durch allzu grosse Fluch-
tigkeit eine Erzählung hergestellt hat, an der gar nichts mehr für uns brauchbar ist.
366 Anhang L Quellen der Geschichte Siciliens.
»
Dm Ergebniss der gesaminten bisherigen Untersuchung über die Quellen der €^~
scktchte des athenlsehen Krieges ist nun folgendes. An die Hauptquelle Thukydides,
deren Werth für uns ein absoluter ist, schliesst sich Plutarch an, der die Erzählung
des grossen Atheners nach seinen Bedürfnissen zurechtgelegt und durch anders wo<
her, aus Philistos und Timaios, guten Quellen, entnommenes Detail zweckmässig
ergänzt hat. Er hat ein wohl abgerundetes, für uns durchaus brauchbares Werk in
seinem Nikias geliefert. Diodor folgt zwar im allgemeinen dem Gang der' Erzählung
des Thnkydfdes, dessen Worte sogar hin und wieder durchklingen ; aber er hat ausser
Thukydides noch einen in wesentlichen Punkten vOUig abweichenden Bericht benutzt :
den des EphoPos, dessen Zusammenwerfiing mit dem aus Thukydides entlehnten grosse
Verwirrung, in Sachen wie in der Sprache, in den betreffenden Partien angeriehlet
hat. Für einen Punkt dagegen letzte Schlacht) ist er durch Benutzung sicilischer
Schriftsteller eine werthvolie Quelle, und befriedigt auch in der Form. lustin endlich
beruht, soweit man sehen kann, hauptsächlich auf Ephoros, von dem jedoch in dem
zweimaligen Excerpt durch Trogus Pompeius und durch lustin selbst schliesslich
nichts Brauchbares mehr übrig geblieben ist.
Nun ist eines beachtenswerth. Wir haben fUr die athenische Expedition den Be-
richt des Atheners Thukydides, wir haben den Bericht des Biographen des Athenen
Nikias, des Plutarch. Beide müssen den Krieg vorzugsweise vom athenischen Stand-
punkt und mit Rücksicht auf das im athenischen Lager Vorgefallene schildern,- und
Plutarch erzählt überdies im Wesentlichen sich an Thukydides anschliessend und
nur Einzelheiten hinzufügend. Dann haben wir, da von lustin als einer Geschieht«'
quelle nicht die Bede sein kann, die Darstellung des Sikelioten Diodor, der in ein-
zelnen Partien den syrakusanischen Standpunkt einnimmt, aber auch er thut es mehr
äusseriioh, indem er, von einem speciellen Punkte abgesehen , hauptsächlich durch
pittoreskes Detail die Darstellung lebendiger macht; im Ganzen bewegt sich auch
seine Erzählung immer noch auf den Bahnen , die Thukydid^ eingeschlagen hatte.
Ein wirklich vom syrakusanischem Standpunkt aus geschriebener Bericht über den
Krieg liegt nicht vor. Ein solcher würde uns von grosser Wichtigkeit gewesen sein,
weil er von den wechselnden Stimmungen der Bevölkerung von Syrakus hätte reden
müssen, die gewiss nicht ohne grosse Schwankungen und Zuckungen soweit kam, dass
sie, wie Thukydides mittheilt, einen Augenblick an Uebergabe dachte« Da ist denn sehr
erfreulich, dass wenigstens ein Stück eines solchen Berichtes erhalten ist in der Be-
schreibung der List, durch die Uermokrates die empörten Sklaven unschädlich macht,
bei Polyaen I, 43, 1, der überhaupt viel Gutes aufbewahrt hat, wenngleich bis-
weilen Irrthtimer sich in den Auszug, den er giebt, eingeschlichen haben. Das ist
wirklich ein Stück der syrakusanischen Annalen. Sklavenaufstände , mit Mühe ge-
stillt ; angesehene Leute wie Sosistratos , der ein awij&Tig des Uipparchos Daimachos
genannt wird, an der Spitze der Sklaven; Ueberläufer zu den Athenern: das sind
Dingo, von denen Thukydides und die mehr oder weniger von Thukydides abhängi-
gen Plutarch und Diodor nichts wissen, und die einen erwünschten Blick in das be-
lagerte Syrakus thun lassen. Wer war aber der Historiker, aus dem Polyaen das
Fragment entnahm? Timaios oder Philistos, welcher letztere jedenfalls in diesem
Theile seines Werkes besseres zu thun hatte, als Thukydides zu paraphrasiren. Ich
weite bei dieser Gelegenheit auf desselben Polyaen I, 42, 1 u. 2 hin, die von Gylip-
pos handeln. Die beiden Erzählungen sind indess nicht in den Bahmen der thu>
kydideischen Behigerungsgeschiohte zu bringen. Wo ist der Xocfos zwischen der
Stadt und dem athenischen Lager? Nach 2 könnte man an die if>govQta des Plem*
myrion denken — denn es handelt sich um eine Seeschhicht, während der Xötf^og
occupirt wird — aber diese ipQovQta lagen ja nicht zwischen der Stadt und dem
Lager.
Dionysios I. 367
Die ans dem Alterthum erhaltenen Berickte Über die athenisebe Expedition lassen
sich nunmehr so classificiren:
I. 1) Thukydides.
2) Derselbe mit Zusätzen aus anderen guten sicilischen Quellen : Plutarch.
3) Vermischung des Thukydides mit anderen seklechten Quellen (Ephoros) im-
mer noch mit Ueberwiegen des athenischen Standpunktes: Diodor.
II. Gänzliches Ueberwiegen der schlechten Quelle (Ephoros), deren Bericht dnrch
einen unfähigen Historiker noch verschlechtert wird : lustinus.
III. Rein syrakusanisclier Bericht: Polyaen I, 43, 1 aus Philistos oder Timaios
entlehnt.
In Betreff der Benutzung dieser Quellen kann über folgende Grundsätze kein
Zweifel obwalten:
1) Thukydides ist überalh zu Grunde zu legen und seine Details sind unbedingt
anzunehmen.
2) Plutarch's Details sind zu benutzen.
3) Diodor ist nur da zu benutzen, wo er in wohl zusammenhängender Daratellung
Thukydides ergänzt (XIII, 14 ff.}, sonst überall zu verwerfen, wo er Thukydides wi-
derspricht. Wenn seine Zahlen da, wo sie den thukydideischen widersprechen, zu-
rückzuweisen sind, so geschieht dies einftu)h des Principe wegen, das die methodische
Kritik beherrscht, einer schlechteren Quelle auch in solchen Detaile nicht zu folgen,
die möglicherweise richtig sein kOnnen. Nur die nacb Diod. XIII, 8 von Eurymedon
mitgebrachten 140 Talente fordern zum Nachdenken auf.
4) Instin ist unberücksichtigt zu lassen.
5) Von Polyaen ist I, 43, 1 zu benutzen.
Dionysios I. liier liegt uns ^Is zusammenhängende Darstellung nur Diodor
vor, und zwar, wenn wir die Geschichte Siciiiens seit der Niederlage der Athener
mit herbeiziehen, in folgenden Abschnitten: XIII, 34. 35. 43. 44. 54—63. 75. ;9. 80—
96. 108—114; XIV, 7—10. 14—16. 18. 37. 40-78. 87. 88. 90. 91. 95* 96. 100—109. 111.
112; XV, 6. 7. 13—17. 24. 73. 74. Die Geschichte des Dionys beginnt XIII, 91.
Wirklich zusammenhängend ist indess nur das in Buch XIII und XIV Enthaltene, das
die Geschichte des Dionys bis zu dem Momente darstellt, wo er mit der Elroberung
von Rhegion, 387 v. Ohr, seinen ersten H(5hepunkt erreicht hat. Was Diodor später
über Dionys giebt, ist höchst abgerissen. — Nun nimmt Volquardsen, Untersuchun-
gen etc. Kiel 1868. 8. p. 72 und sonst, an, dass alles dies aus Timaios genommen
ist, mit Ausnahme von XV, 6^. 7. 13, wo ihm Wiederholungen schon gesagter Dinge
aus anderen Quellen vorzuliegen scheinen. Für ihn, der ja möglichst gerne viel aus
einer einzigen Quelle entlehnt glaubt, liegt der €hrund, diese Stücke dem Timaios
beiznlegen, in folgendem Raisoanement, das wir zu prüfen haben. Zunächst sondert
Volquardsen aus dein sicilischen Stücken Diodor's einzelne aus, welche ihm aus spe-
ciellen Gründen von nicht ucilischem Ursprünge zu sein scheinen; sie finden sich in
der Tabelle S. 72 ff. eingeklammert. Die übrigen haben nach ihm gemeinsamen Cha-
rakter und müssen gemeinsamen Ursprung haben (S. 76). Das ist schon nicht bewie-
sen; auch unter ihnen könnten noch Stücke abweichenden Ursprungs sich finden.
Jene Stücke haben nun nach ihm zunächst ein gemeinsames Kennzeichen an der Ge-
nauigkeit in chronologischer Beziehung, die in ihnen herrscht (S. 76). Diese ist aber
in WirkHchkett hier nicht mehr, vorhanden, als anderswo in Diodor. Indem ich diesen
Punkt behandele, kann ich mich auf Ausführungen l>eziehen, die bereits von andern
und auch von mir im 1. Bande dieser Geschichte gegeben worden sind, und welche
hier zusammengestellt und vervollständigt werden sollen. Plass , Tyrannis der Grie-
chen, hat nachgewiesen, dass es in der Gieschichte des Dionys bei Diodor, und zwar
in sokhen Abschnitten, die nach Volquardsen einen gemeinsamen und zwar sicilischen
36S Anliang I. Quellen der Geschichte Sicilienä.
Ursprung haben, an Spuren derjenigen chronologischen Ungenaoigkeit nicht fehlt
welche nach Volqnardsen gerade den aus Ephoros stammenden griechischen Stücken
eigen ist. Er hat II, 210 gezeigt, dass das, was Diod. XIV, 54 — 78 erzählt, unmög-
lich, wie Diodor annimmt, in das eine Jahr 395 gehOron kann. Nach Diodor ereignet
sich 395 nichts Sicilisches, und doch wird jedenfalls das in cap. 78 erzählte: Grün-
dung von Tjndaris und Feldzüge gegen die Sikeler, erst im Jahre nach den früher
erzählten Begebenheiten vorgefallen sein. Dasselbe uncbronologische Verfahren hat
Plass II, 213 n. 3 auch in XIV, 14 und 15 gefunden, und Völkerling, De rebus Si-
culis etc. Berol. 1868. 8, p. 10, stimmt ihm darin bei. Das Von Diodor hier zum Jahre
403 erzählte scheint ihm auf vier Jahre vertheilt werden zu müssen, und es ist aller-
dings klar, dass die Eroberung von Aetna, der Angriff auf Leontini, die Bezwingung
Henna's, die Eroberung von Katane und Naxos, ihre Zerstörung resp. Besiedelung
mit neuen Einwohnern, endlich die Unterwerfung von Leontini nicht sämmtlich in das
Jahr 403 gehören können. Allerdings irrt sich Plass, wenn er sagt, Diodor schweige
einige Jahre von Sicilien; er schweigt nur im Jahre 401 davon, und zwar deshalb,
weil er in diesem Jahre den Feldzug der Zehntausend erzählt. Ein drittes Beispiel
ähnlicher Behandlung der Chronologie sicilischer Dinge durch Diodor habe ich selbst
Bd'. I S. 431 angeführt. Diodor bat XI, 86. 87 , welche Kapitel ebenfalls nach Vol-
qnardsen zu der zusammenhängenden Masse sicilischer Stücke gehören, offenbar Be-
gebenheiten mehrerer Jahre in eines zusammengezogen. Hier liegt der schlagende
Beweis chronologischer Ungenauigkeit darin, dass nach Diodor in demselben Jahre:
mehrfacher Versuch, eine Tyrannis in Syrakus zu gründen, Einführung des Petalis-
mos und Abschaffung desselben vorgekommen sein soll. In Wirklichkeit liegt die
Sache so: Diodor, der den inneren Angelegenheiten von Syrakus sonst nicht viel
Aufmerksamkeit widmet, hat doch diese ihm wichtigen Bogebenheiten nicht ganz
unterdrücken mögen. Er hat sich aber kurz gefasst und die ganze Entwickelunga-
geschichte der syrakusanischen Verfassung zwischen 460 und 450 in ein Jahr aufge-
nommen, offenbar in dasjenige, in welchem der wichtigste der Versuche, eine Tyran-
nis zu gründen, sich ereignet hat. In dieselbe Epoche gehörige chronologische Un-
genauigkeiten Diodor's in sicilischen Dingen habe ich Bd. I, 431 unten und 4S2 be-
sprochen und muss hier darauf verweisen. Hier führe ich endlich noch einen neuen
Beleg für dieselbe Sache an. Er betrifft Diod. XV, 24 und 37. In c. 24, zum Jahr
379 — Ol. 100, 2, hören wir, dass die Karthager Hipponion wiederherstellen; fiera^i
javra lotfitxrjg voüov Tots xatoiicovai rijy Ktt^x^ifova ytvofi4vti£ , »a\ r^f voaov n^Vi^r
(nCittatv ix^voTig / nolXol xtav Xo^/i/cfor^»' dinp&aQiiaav , und es findet ein Aufstand
in Libyen statt. Zuletzt heisst es aber: ra/u kal rovg Atßvag xattnolifAtiaav. In
c. 73 jedoch, zum Jahre 368 v. Chr., Ol. 103, 1 hören wir,, dass Dionys tovq Ka^xi'
Jovfovs 6(iüStf ovx eu ^iuxitfiivovq n^og rot' Tiolf/Liop, dta te Ti;f ysytvfifiivtjv nuQ* icvroTc
Xoifitxfiy vooov xal r^r nnoataatv rtSv Aißviav fyvia ar^arivtiv in avrovg. Hier ist
die Beziehung auf c. 24 klar. Wenn man aber annehmen wollte, dass chronologisch
alles in Ordnung sei, und in c. 73 wirklich nur auf etwas vor 11 Jahren Geschehenes
Bezug genommen werde, — was schon an sich nicht wahrscheinlich ist, — so wider-
spricht dem, was in c. 73 von den Verlegenheiten Karthago's gesagt wird: axovaag
(T^ ra vtionia tv»v KaQx^^ovdo» ifinenQ^aO'ta. Solche Vorfälle sind gerade in c. 24 als
»toTifunxog atv^ia xura x^r KaQxn^oya , WO die Einwohner ngos allijXovs kämpfen,
bezeichnet. Es gehört also von dem in c; 24 als im Jahre 379 geschehen Erzählten
das Meiste in die Zeit unmittelbar vor 368, und somit liegt auch hier wieder ein Bei-
spiel desjenigen chronologischen Verfahrens vor, das nach Volquardsen nur den Grie-
chenland betreffenden Stücken Diodor's eigen sein soll. So habe ich nachgewiesen,
dass den von Volquardsen ausgesonderten Stücken im Gegensatz zu der übrigen Masse
Diodor's chronologische Grenauigkeit als besonderer Charakter nicht vindicirt werden
Diodor für Dionys I. ,369
kann. Ich fahre in der Erwägung der Beweisfühning Volquardsen's fort. Jene Yon
ihm als zusammengehörig betrachteten sicilischen Stücke haben sodann eine siciiische
Färbung (S. 78), welche nach ihm (S. 80) nicht etwa von Diodor herrührt. Hiergegen
ist mehreres zu sagen. 1) Auch in den yon Volquardsen für nicht sicilischen Ursprungs
erklärten Stücken finden sich dieselben Dinge, die ihm eine siciiische Färbung her-
zustellen scheinen. So rechnet er S. 79 die Erwähnung der ;if^f}^ffTiarij^£ce und aroal
XIV, 7 zu den Spuren sicilischer Färbung. Da aber XV, 13 in einer Stelle, die Volq.
S. 75 einklammert, also für nicht sicilischen Ursprunges erklärt, vsoigta und yv/nva-
ffta erwähnt werden, so ist nicht einzusehen, mit welchem Rechte die Erwähnung
der Hallen dem Berichte eine siciiische Färbung geben soll. 2) Bei einzelnen sieht
man ohne Vergleichung anderer Stellen , dass Volq. mit Unrecht in dem von Diodor
beigebrachten Detail eine siciiische Färbung finden will. So wäre nach Volq. S. 79
bei Diodor XIV, 18 die Länge der Steine, welche die Mauer des Dionysios bildeten,
auf 4 FuBB angegeben, es steht aber da : ^x ki&<ov titgunidtov, d. h. aus Quaderstei-
nen. Das ändert die Sache; die Notiz, wie sie im Diodor steht, hat durchaus keine
besonders siciiische Färbung. 3) Volq. sagt S. 78, dass Dinge erwähnt werden, die
nur ein Sicilier erwähnen würde, „theila weil sie genaue Kenntniss der topographi-
schen Verhältnisse zeigen, theils weil sie nur für Sicilier Interesse hatten.^' Die topo-
graphischen Details beweisen an sich nichts, denn jeder Schriftsteller, ob er nun aus
dem Lande stammt, dessen Geschichte er erzählt, oder ob nicht, wird topographische
Details bringen müssen, wenn er genau über Dinge schreiben will, die nur durch
solche Details erläutert werden können. Wie viel topographische Details bringt nicht
Polybiosl Wer aus ihm schöpfte, käme also jedesmal in den Verdacht, aus einem
Schriftsteller des Landes geschöpft zu haben, welches gerade beschrieben wird.
Ebenso bedenklich steht es um den zweiten Punkt: das nur für Sicilier Interesse
Haben. Die Details, welche Volq. S. 78 und 79 in dieser Beziehung anführt, sind
der Art> dass man nicht sagen kann, sie hätten nur für Sicilier Interesse gehabt.
Um nur Weniges hervorzuheben, so sind die 7 (richtiger 9) Thürme des Orabmonu-
mentes von Gelon und Damareta, die 400 (richtiger 450) Opferthiere der Syrakusaner,
der Brunnen an dem Orte, wo später Lilybaion gebaut wurde« die Belohnung des
Archylos für die Eroberung von Motye , doch Dinge , welche aUgemein interessiren
können, und welche also ebenso gut Ephoros wie Timaios zu haben im Stande war.
Es heisst die Geschichtschreibung übermässig und unnatürlich einengen, wenn man
Details dieser Art nur eingeborenen Schriftstellern gestatten will. Und nun gar, wenn
XIV, 48 steht, dase Motye 6 Stadien vom Lande entfernt war, wer wird wohl Vol-
quardsen's Annahme beistimmen, dass das nur ein Sicilier wissen oder interes3ant
finden konnte ! Niemand wird läugnen wollen , dass das Siciiische in den von Volq.
zusammengestellten Stücken Diodor's mit einer gewissen Vorliebe behandelt ist; es
handelt sich nur darum, welche Schlüsse man aus diesem Factum zu ziehen hat.
Volquardsen schliesst daraus, dass Diodor dies alles in dem Werke eines geborenen
Siciliers fand ; ich erkläre es durch die Vorliebe, welche Diodor selbst für seine hei-
mathliche Insel hatte. Volquardsen's Annahme ist nur dann natürlich, wenn Diodor
so schwachen Geistes war, dass er, sobald ihm einmal ein Schriftsteller als Quelle
vorlag, mechanisch Seiten daraus abschreiben musste, auch wenn ihn das Detail nicht
interessirte, und auch in diesem Falle ist sie nicht nothwendig, denn auch eine an-
dere Quelle als ein von einem geborenen Sicilier verfasstes Werk konnte , ja musste
theilweise die Details haben, die nach Volq. nur von einem Sicilier herstammen
können. Unsere Annahme ist dagegen die natürlichere, sobald wahrscheinlich gemacht
ist, dass Diodor nicht bloss mit der Scheere gearbeitet hat, sondern auch mit de/
Feder und mit dem Kopf. Und dass er seinen Kopf dabei benutzt hat, soweit dessen
Holm , Oeseh. SicilienR. II. 24
370 Anhang I. Quellen der Geschichte Siciliens.
Kräfte reichten, das sieht man daraus, dass er 1) aus ausfuhrlichen Berichten nur einen
kurzen Auszug zu geben hatte , und 2} daraus , dass sein Stil im Grossen derselbe
Ist. So hat er wählen und sichten müssen, und wenn SicUien gut in seinem Werke
weggekommen ist, so kommt das daher, dass er es so gewollt hat. Aber es lässt
sich noch specioller naehweisen, dass das ROcksichtnehmen auf sicilische Details von
Diodor selbst ausging. Diodor war, wie alle alten und neuen Sicilier, ein guter Lo*
calpatriot; wir werden sogleich nachweisen, dass er sein Agyrion mehr erwähnt als
nöthig gewesen wäre. Dagegen kommt Tauromenion keineswegs mehr als nöthig
vor, und seine Angelegenheiten werden, wo sie behandelt werden, auch nicht im ent-
ferntesten mit der Ausführlichkeit behandelt , welche die von Yolqu. vorausgesetzte
Quelle Timaios ihnen gewidmet haben muss. Wie sparsam Diodor in dieser Hinsicht
mit dem Raum verfuhr, zeigt ein Vergleich zwischen der Art, wie Diodor XVI, 69
Timoleon's Empfang in Tauromenion schildert, und der viel ausführlicheren Darstel-
lung des aus derselben Quelle — Timaios — schöpfenden Plutarch, Tim. 10 und 11.
Femer citlrt Volq. XIV, 16, wo Halaisa als 8 Stadien vom Meere entfernt angege-
ben wird, als ein Detail, das eine sicilische Quelle Diodor's beweise. Nach dem Vor-
hergehenden beweist es das nicht; aber das ist nicht der Grund, weshalb ich hier
von diesem Kapitel spreche; ich erwähne es, weil es die Art und Weise der Arbeit
Diodor's deutlich offenbart. Denn in demselben Kapitel spricht Diodor über Halaisa
mit Berücksichtigung iier Römerzeit [xal cTr« ttjv vno rtüv 'Ptofiaimv ^^(Zaav «r^-
Xiiav) ; es ist also sein Eigenthum, was er da sagt. Das beweist nicht, dass er auch
die 8 Stadien aus eigener Messung oder persönlicher Erkundigung weiss, obschon
letzteres keineswegs unmöglich oder auch nur unwahrscheinlich ist, aber es beweist
sein Interesse für die gesammte Insel — wiederum ein Charakterzug auch der mo-
dernen Sicilianer — und seine Gewandtheit im Znsammenstellen von Notizen, und
durch Beides musste er sowohl angetrieben wie auch befähigt sein, aus seinen Qudlen,
wenn sie auch nicht sicilische waren, das Sicilien betreffende Detail herauszusuchen.
Wir können das Vorhergehende kurz so zusammenfassen. Da nicht erwiesen ist, dass
Diodor stets wörtlich abgeschrieben hat, da er im Gegentheil lange Stellen der von
ihm benutzten Schriftsteller hat kurz zusammenziehen müssen, da er endlich erwie-
senermassen Notizen über Sicilien, welche seine eigene Zeit betreffen, in sein Werk
aufgenommen hat, so beweist das Vorhandensein sicilischer Details älterer Zeit im
Diodor nicht den sicilischen Ursprung des jedesmaligen Qnellschriftstellers , sondern
nur Vorliebe Diodor's für Sicilien, eine Vorliebe, die nicht mehr als natürlich ist.
Indem Volq. die Selbstthätigkeit Diodor's viel zu sehr beschränkt, begegnet es ihm
S. SQ n. 1 zu sagen : „Wieviel er von den Hauptereignissen der sicilischen Geschichte
wusste, kann man aus seiner grauenhaften Behandlung der Geschichte Tim<^eott*8
sehen.'' Daraus soll geschlossen werden: Diodor war nicht verständig genug, um die
sicilischen Details aus anderen Autoren auszuwählen; sie mussten ihm in sicilischen
Quellen vorliegen. Das Factum ,^ auf welches Volq. in den eitirten Worten anspielt,
besteht darin, das» Diodor die Geschichte Timoleon's chronologisch vollkommen ent-
e, stellt hat. Volq. nimmt dessenungeachtet gerade für diesen Abschnitt Diodor's den
^ <shronologi8ch genauen Timaios als Quelle an. Dies als richtig vorausgesetat , wäre
die einzig mögliche Folgerung die gewesen: wir sehen, -dass Diodor im Stande ist,
seine Quelle beim Excerpiren derselben ihrer vornehmsten Eigenschaft zu berauben,
und können somit nicht sagen, dass aus Timaios gezogene Stellen sich bei Diodor an
der richtigen Chronologie erkennen lassen. Aber dann hätte freilich Volq. seine eigene
Theorie umgestossen, und so begnügt er sieh mit der eitirten Bemerkung, die in
Form und Inhalt gleich falsch ist. Was Diodor .,von den Hauptereignissen der sicili-
schen Geschichte wusste,^ das wusste er aus seinen Quellen ; wenn er also eine Partie
Yjgrauenhaff' behandelt, so hat er seine Quelle grauenWt behandelt, und man kann
Diodor für Dionys I. 371
Bicht ganze Stücke der Quellen auB ihm herausschneiden; man sieht aber femer aus
seiner QueUenbehandlung nicht, was er wusste, sondern wie er verfuhr.
Bisher ist nachgewiesen worden, dass die von Yolquardsen als zusammengehörig
aufgefassten sicilischen Stellen Diodor's nicht nothwendig zusammengehören, dass ihre
jsicilischen Details nicht nothwendig daher rühren, dass Diodor eine sicilische Quelle
benutzte, sondern dass sie sich am einfachsten aus der sicilischen Herkunft Diodor's
erklären. Wenn nun auch tou einzelnen in diesen Stücken enthaltenen Notizen nach-
gewiesen wird, dass sie aus Timaios stammen, so beweist das noch nicht, dass die
gesammten Stücke timäisohen Ursprungs sind.
Müsste freilich eine einzige sicilische Quelle für alle jene Stücke angenommen
werden, so hätte Yolq. natürlich recht, an Timaios zu denken, da sich kein anderer
Schriftsteller findet, der die ganze Zeit umfasst. Indessen ist Yolq. mit diesem ne-
gativen Beweise nicht zufrieden gewesen, er hat einen positiven führen wollen, indem
er in jenen Stellen timäische Eigenthümlicfakeiten nachzuweisen suchte. Der Beweis,
den wir zu prüfen haben, da doch vielleicht noch durch ihn die bisher als nicht
nachgewiesen erfundene sicilische Herknüft der Sicilien behandelnden Steilen Diodor's
nachgewiesen sein könnte, liegt für ihn in folgendem: Die Stücke, von denen die
Bede ist, zeigen 1] nicht den in den hellenischen Abschnitten häufigen Fehler Dio-
dor's , Begebenheiten mehrerer Jahre in eines zusammenzudrängen , woraus auf den
chronologisch genauen Timaios als Quelle zu schliessen ist (Yolq. S. 103. 104). 2) Sie
zeigen dagegen positive Eigenthümliehkeiten des Timaios, Deisidaimonie , Bhetorik,
Schmähsucht. 3) Tauromenion , die Heimath des Timaios , wird mehr genannt , als
nöthig wäre. Hiergegen ist folgendes geltend zu machen. Yon 1) ist schon die Bede
gewesen, in der Chronologie der Stücke ist nichts Timäisches nachzuweisen. 2) Die
Deisidaimonie war , wie z. B. Plut. Dion 24. 25 zeigt , auch anderen Historikern als
Timaios eigen, und tritt überdies, wie Yolq. S. 84 selbst sagt, bei Diodor sehr
massig auf, und schliesslich haben einzelne Stellen, in denen Yolq. sie findet, gar
nicht die Bedeutung, die er ihnen beilegt. Bei den Belagerungen von Akragas wie
von Syrakns, handelt es sieh mehr um Thatsachen, als um blossen Aberglauben, und
XYI, 80, in der Schlacht am Krimisos, wo Yolq. ein Wunder sieht (S. 83), kommt gar
keins vor. Den rhetorischen Charakter hatte Ephoros nicht minder als Timaios, wie
denn z. B. die langen Beden bei Diod. XIII, 20 — 32 nach Yolqu. selbst nicht aus
Timaios sind. Endlich von Schmähsucht finden sich in diesen Stücken Diodor's kaum
Spuren, da man eine gerechte Kritik des Tyrannen nicht Schmähsucht nennen darf.
3) Tauromenion kommt vor XIY, 59. 88; XY, 96; XYI. 7. 68; nicht mehr &ls bei der
Bedeutung der Stadt zu erwarten war, und XYI, 7 fügt Diodor etwas hinzu, was
nicht von Timaios herstammen kann. Somit ist Tauromenion's Erwähnung an diesen
Stellen keineswegs ein Zeichen der Entlehnung aus Timaios. Wohl aber wirft die
Erwähnung einer andern Stadt, die von weit geringerer Wichtigkeit als Tauromenion
war, durch Diodor, ein sehr willkommenes Licht auf das Yerfahren dieses Histori-
kers. Es ist die Erwähnung von Agyrion, der Geburtsstadt Diodor's. Ich sehe hier
ab von lY, 24 und lY, 80, obschon auch diese Stellen das Yerfahren Diodor's treff-
lich illustriren, um nur bei den in die Geschichte der Tyrannen fallenden Stel-
len zu verweilen. Agyrion wird erwähnt XIY, 9, wo die aus dem karthagischen
Gebiete kommenden Kampaner auf dem Marsche nach Syrakus ihr Gepäck in Agyrion
lassen. Diese Stelle hat Grote 5, 679 befremdet, der sie geographisch unwahrschein-
lich findet. Ich theile dies Bedenken nicht, aber ich finde, dass nur ein geborener
Agyrinäer wie Diodor, auf den Gedanken kommen konnte, in einer Universalgeschichte
dergleiehen unwichtige Facta mitzutheilen. XIY, 78 giebt zu keiner Bemerkung Yer-
anlassung, XIY, 95 lesen wir dagegen starkes Lob von Agyrion, das 20,000 Bürger
hat. Man kann Zweifel an der Richtigkeit des Factums haben; sicher ist aber, dass
24*
f «
372 AnhftDg I. Quellen der Geschichte Siciliens.
die weitere Bemerkung, Magon habe im Grebiet von Agyrion sein Lager am Chrysas
unfern Yon dem nach Morgantine führenden Wege aufgeschlagen, ans ihrer Dunkel-
heit nur von einem geborenen Agyrinäer hervorgesncht werden konnte. Endlich
XVI, 82 und.S3, wo, während Syrakus 40,000 Neubttrger erhält, Agyrion, bei dem
allein noch eine Zahl angegeben wird, deren 10,000 zu Theii werden, und von allen
Städten ausserhalb Syrakus nur Agyrion mit seinem Theater einer besonderen ehren-
vollen Erwähnung gewürdigt wird. Es sind das alles Stellen, die aus Timaios stam-
men sollen, aber man bedenke wohl, dass so, wie hier Agyrion hervorgehoben wird,
nirgends von Tauromenion bei Diodor die Rede ist. Man kann auch nicht sagen, es
verstehe sich von selbst, dass Diodor bei seinem Ezcerpiren des Timaios einen solchen
Nachdruck auf Agyrion legen musste ; das versteht sich bei der Art von Arbeit, die
Diodor von Volquardsen, Collmann, Fricke zugeschrieben wird, keineswegs von selbst,
ist im Gegentheil höchst verwunderlich. Diese Stellen zeugen vielmehr gegen eine
solche Art zu excerpiren und beweisen aufs klarste, dass Diodor seine Excerpte aus
anderen Schriftstellern keineswegs von Einschaltungen rein hielt. Zunächst zeigt die
Yeigleichung zwischen den Erwähnungen von Tauromenion und Agyrion bei Diodor
aber, dass für eine Entlehnung aus Timaios die Erwähnungen Tauromenion's nicht
das mindeste beweisen.
Aus dem Vorigen ergiebt sich, dass Volq. nichts angeführt hat, was für seine
Thesis spräche, die von ihm zusammengestellten sicilischen Stücke seien timäischen
Ursprungs. £^ lässt sich aber auch der positive Beweis liefern, dass ein Stück von
nicht unbedeutender Länge, welches Volq. als aus Timaios entlehnt betrachtet, und
das im Charakter ganz den linderen sicilischen Stücken Diodor*s entspricht, nicht von
Timaios herstammen kann. Es ist XIV, 54—78. In c. 54 wird Ephoros citirt, aber
das soll nach Volq. S. 93 daher kommen , dass das Citat sich bei Timaios vorfand.
Man bedenke jedoch folgendes. Die Differenz zwischen Timaios und Ephoros besteht
hauptsächlich darin, dass Ephoros das karthagische Heer auf 300,000 Mann, Timaios
auf 130,000 Mann angab. Nun lesen wir in c. 76, dass im karthagischen Lager 150,000
unbegrabene Leichen von an der Pest Grestorbenen gefunden wurden. Also folgt Diodor
in dieser Beschreibung des Kampfes vor Syrakus nicht dem Timaios, sondern dem
Ephoros, der die höheren Zahlen hatte, und auf den schon XIV, 62 hingedeutet war.
Aber auch die Mitte des Stückes weist in der c .65—69 gehaltenen Rede auf Ephoros hin.
Ich habe oben (S. 364} die Beziehungen zwischen dieser Rede und denen des 13. Buches
nachgewiesen. Indem nun die Rede des 14. Buches in einem Stücke steht, das jeden-
falls sehr viel aus Ephoros hat, und die des 13. ebenfalls dem Ephoros ohne Be-
denken zugeschrieben werden können und zugeschrieben worden sind, entsteht eine
Art von gegenseitiger Stütze für die Zuweisung beider Stellen an Ephoros, eine
Stütze, die freilich an sich nichts bedeuten würde, jedoch zu anderem hinzukom-
mend, immerhin von Gewicht ist. Wenn man nun so sieht, dass Diodor in dem
Stücke XIV, 54—78 zu Anfang und in der Mitte (62) Ephoros citirt, das Ende, die
Schlacht bei Syrakus (70—78), entschieden nur nach Ephoros gearbeitet ist, die Mitte
aber, die Rede (65 — 69) hdchst wahrscheinlich ebenfalls von Ephoros stammt, wird
es erlaubt sein zu sagen, dass, bis nicht specielle Gegengrttnde beigebracht sind,
XIV, 54—78 als nach Ephoros gearbeitet betrachtet werden muss.
Das Vorhergehende zeigt , dass die von Volquardsen aufgestellte und jetzt mei-
stens angenommene Ansicht, dass die sicilischen Stücke Diodor's mit wenigen Aus-
nahmen aus Timaios stammen, erstens nicht bewiesen und zweitens für ein wichtiges
Stück entschieden falsch ist. Wir haben also auch hier wieder, wie bei der (beschichte
des athenischen Krieges, den Schriftsteller ohne Rücksicht auf eine Theorie zu prü-
fen; leider gelangen wir hier nicht zu so umfassenden Ergebnissen. Von XIV, 54 — 7$
abgesehen, lässt sich eine speciell^ Quelle für Diodor*s sicilische Stücke nicht nach-
Diodor för Dionya I. 373
weisen. Wir erkennen aber einen anderen Umstand , der nicht ohne Bedeutung ist. '
Das von Yolq. dem Timaios Zugeschriebene zerfällt, wie schon oben angedeutet
wurde, in zwei Gruppen von verschiedenem Charakter. Die erste umfasst die Stücke
des 13. und 14. Buches. Sie sind wenigstens theilweise mit Sorg< und einer ge-
wissen Vorliebe gearbeitet, obschon auch hier bisweilen ein sehr willkürliches Ver-
fahren zu Tage tritt, wie folgende Thatsache beweist. XIII, 34 und 61 kommt die-
selbe Schiffszahl vor, während in Wirklichkeit durch das in Asien Vorgefallene sieh
inzwischen die Zahl der Schiffe geändert hatte. Es waren Schiffe verloren gegangen,
andere dagegen hinzugekommen; und doch spricht Diodor XIII, 61 so, dass, wer es
nicht besser weiss, glauben muss, dieselben Scfaiffe^ die Xm, 34 als ausgefahren ge-
meldet sind, kämen nun zurück. Diese Nichtberücksichtigung der inzwischen vorge-
fallenen Thatsachen kann keinenfalls von Timaios herstammen ; fand sie wirklich sich
in einer Quelle Diodor's, so mnss nach dem über die Quellen der athenischen Expe-
dition nach Sicilien Dargelegten diese Quelle Ephoros gewesen sein; vielleicht hat
den Fehler aber Diodor selbst verschuldet. Auch andere Stücke dieses Abschnittes
lassen sich als ein nur sehr knappes Ezcerpt nachweisen, so werden XIV, 68 in der
Rede des Theodoros Details als gleich nach der Seeschlacht von Katan^ vorgefallen
berichtet, die in der Erzählung dieser Seeschlacht selbst XIV, 60, die doch nicht
übermässig kurz ist, nicht vorkommen. Von XIV, 111. 112, wo Volq. 87 timäi-
schen Charakter ausgeprägt findet, wird unten an seinem Orte (Eroberung von Rhe-
gion) die Rede sein. So schränkt sich auch bei den sicilischen Stücken des 13. und
14. Buches, wo doch manches recht gut zusammenhängende ist, das mit Wahrschein-
lichkeit dem Timaios beizulegende sehr ein^ und man kann mit ebenso viel Recht
Ephoros als Haupt-, Timaios als Nebenquelle bezeichnen, eine Ansicht, die vielleicht
die richtige ist. Diesen Abschnitten stehen die des 15. Buches gegenüber. Hier hat
sehon Volq. o. 6. 7. 13 als einer anderen Quelle entlehnt ausgesondert, aber es ist
nicht zu übersehen, dass auch das übrige weniger eingehend dargestellt ist, als im 14.
So ist in dem c. 15—17 erzählten Kriege das Geographische mit grosser Unklarheit
behandelt. Aber auch sonst ist die Darstellung auffallend, c. 15 heisst es: noXXal
ukv oSv xara fi^Qcg iy^vorro ^a/ce» roTg argaroni^oig, die Diodor nicht erzählen will —
ein sehr magerer Auszug aus der Quelle, wobei noch zu bemerken ist, dass die Wen-
dung einer in XIII, 108 angewandten sehr ähnlich sieht. Im weiteren Verlauf der
Kapitel des 15. Buches ist Diodor reicher an Reflexionen als an Facten, und zuletzt
wird der Friedensschluss so plützlioh berichtet, dass man nicht sicher ist, ob nicht
in Wirklichkeit der Krieg noch etwas länger gedauert hat. Uebrigens ist nicht mit
Volq. 104 die Notiz über den Mauerbau bei Diodor XV, 13 nur als eine Wieder-
holung des XIV, 18 Erzählten zu betrachten. XIV, 18 wird die Stadt nur ngoe Sqxtop
befestigt; XV, 13 ist das nicht gesagt, und es ist ein Factum, dass sie auch im
Süden befestigt wurde; XIV, 18 sind wir noch im Jahre 402; XV, 13 ist nach dem
Vorgange von c. 6 von der Zeit der oxokri, die erst 387 begonnen hat, die Rede.
S. jedoch auch Schubring, Achradina S. 28. 29.
Das Endergebniss ist : wir müssen uns bescheiden, die Frage offen zu lassen, ob
Diodor wirklich in der Geschichte des älteren Dionys den Timaios viel benutzt hat.
So mnss auch das von Volq. 85 besonders hervorgehobene Kennzeichen timäischen
Ursprungs, die Parteistellung Diodor's als von durchaus zweifelhaftem Werthe für die
vorliegende Frage bezeichnet werden. Dass des Timaios politische Haltung von Ein-
fluss auf Diodor gewesen ist, ist klar (vgl. XIII, 92) ; aber das ist nicht dasselbe mit
beständiger Benutzung des Timaios als Quelle. Mit Recht nimmt übrigens Volq. 106 an,
dass Timaios selbst an vielen Stellen Philistos zu Rathe gezogen hatte, und dass dies
die Genauigkeit der timäischen Darstellung sehr befördert hat. Nach meiner Bd. I,
S. 308 ausgesprochenen Ansicht liegt indessen bei Piodor XIII, 84 eine directe Be-
374 Anhang I. .Quellen der Geschicfat^ Siciliens.
nutznng des Philistos vor. üeber die Quellen Diodor's fUr die Begebenkeiten nach
387 läsBt sich kaum eine Vermuthang wag^n.
Eine zweite zusammenhängende Darstellung, die des lustinus, ist ÜLSt ganz
wertblos. Wie schon Bd. I, S. 317 bemerkt wurde, haben wir in Folge eines Sprun-
ges von 480 auf 396 vor Chr. den Anfang der Qeschicfate des Dionys gar nicht ; da-
gegen wird dem Jammer des Imileo ein langes Kapitel gewidmet. XX, 1 sind bei
der ersten Erwähnung des Namens des Dionys seine Thaten auf Siciliea auch schon
beendigt; seine kaum erwähnten in Italien führen eine Episode über Grossgriechen-
land, sowie über die Gallier herbei. E^ugnatis Locris Orotonienses adgreditnr, ohne
dass er, wie es scheint. Kroton einnimmt — schöne Bereichenmg unserer historisehen
Kenntnisse ! Die Notizen Über Anno, XX, 5 und über den Tod des Dionys : insidiia
suorum interficitnr, sind das einzig brauchbare ; letztere, weil wir auch bei Plut. Dioa
6 eine ähnliche Andeutung haben, um so interessanter.
Sa ist denn von den zusammenhängenden Berichten nur der diodorische brauch-
bar, dem wir folgen müssen, sobald nicht ein innerer Grund Zweifel erregt. Bol
seiner Chronologie muss stets die Frage gegenwärtig sein: hat er nicht Dinge in ein
Jahr zusaipmengezogen , die in mehrere gehören? Alle übrigen Nachrichten Über
Dionys I. sind unzusammenhängende oder gelegentliche. Es sind wichtige dadrun-
ter: .in den Aristoteles zugeschriebenen Oeoonomicis, in verschiedenen Sehriftea
Plutarch's und bei Polyaen, von denen allen wir die Quellen grösstentfaeils niekt
kennen. In Betreff Polyaen's ist man geneigt, durchgängig an Timaios als Quelle zu
denken. Doch giebt sich V, 2, 8 wegen der Zahl 300,000 verglichea mit Diodor
XIY, 62 als ans Ephoros entlehnt, kund. Gerade Polyaen zeigt uns recht deutlich,
dass wir, obschon Über Dionys I. verhältnissmässig nicht schlecht unterrichtet, dock
nur sehr wenig von dem wissen, was das Alterthnm von seinen Thaten ^usste.
Dionysios II. bis zum Ende der Dionjrsischen Zeit. Diodor hat hier wenig:
XVI, 5 — 7; 9—13; 16 — 20; 31, wovon Volquardsen S. 95 5. 6. 9-il. 81 als nicht
von Timaios herrührend ansieht, indem er 6. 6. 9 — 11 als aus Ephoros entnommen
betrachtet (S. 105. 6) , 31 aber aus ApoUodor (Volq. 23). Von XVI, 16 find0t er be-
wiesen, dass Timaios zu Grunde liege, durch Plut. Dion 35, doch ist der Beweis
nicht geführt. Diod. XVI, 16 sagt, Philistos habe sfch selbst getödtet, und das be-
richtete nach Plut. Dion 35 Ephoros. Damach müsste man Ephoros als Quelle Dio-
dor's betrachten, aber Volq. meint, dass aus folgendem Grunde doch Timaios dafür
anzusehen sei. Bei Diodor folgt, dass der Leichnam des Philistos duroh die Strassen
von Syrakus geschleift worden sei, „und das hatte nicht Ephoros, sondern Timonidea
und wahrscheinlich nach diesem Timaios erzählt«" Dass aber dies „nicht Ephoros"
berichtet habe, davon steht bei Plutarch nichts. Die Differenz zwischen Ephoros und
Timonides ist bei Plutarch nur, dass nach Ephoros sich Philistos selbst tödtet, nach
Timonides er lebend gefangen wird. Was nach Ephoros mit dem Leichnam vorging,
davon erfahren wir bei Plutarch und sonst überhaupt nichts. Also kann Diod. XVI,
16 sehr wohl aus Ephoros sein. Es ist somit von keinem der Dionys II. und Dion
behandelnden Stücke Diodor's nachgewiesen, dass es aus Timaios ist, und von einem
derselben, Diod. XVI, 18—20, welches die Kämpfe zwischen Nypslos und den Syra-
kusanem behandelt, werde ich unten zeigen, dass es so ungenau erzählt ist, dass es
im Sinne derjenigen, welche die sicilischen Stücke^ Diodor^s Timaios beilegen, nicht
mehr Timaios zugeschrieben zu werden verdient. Wir geben also das Unternehmen
auf, zusammenhängende Stücke einer bestimmten Quelle zuzuweisen und betrachten,
wie bei Dionys I., die diodorische Darstellung selbst. Da zeigt sieh wieder dieselbe
Eigenthümlichkeit : eine völlige Vernachlässigung einzelner Partien der Begebenheiten.
Nach der Zurückweisung des Ausfalles des Njrpsios (Diod. XVI, 20) hört das Interesse
Diodor's an Dion völlig auf. Von seinem Kampfe mit.Pharax, von der Besitznahme
Dionyß II. 375
der Burg yon Syrakus, yom Ende des Herakleides ist nicht die Rede; mit den
eigentlichen Kriegsbegebenheiten endigt anch hier gerade wie bei Dionys I. die Ge-
schichte. Die Kriegsbegebenheiten aber sind dem Diodor so wichtig, dass er die bei
der Ankunft des Nypsios vorgefallene Seeschlacht viel ausführlicher giebt (XVI, 18)
als Piut. Dion 44-.
Eine noch wichtigere Quelle ftir Dion's Geschichte ist Plntarch's Dion. Plutarch
führt selbst als Gewährsmänner an: Timonides c. 31 u. 35, beide Male mit grossem
Lobe, Timaios c. 6. 14. 31 und 35; in den beiden letzten Stellen spricht er sich
gegen Timaios, theils gegen seine Genauigkeit (31), theils gegen seine Ansichten (35)
aus; Ephoros o. 35. 36, getadelt wegen seines dem Philistos gespendeten Lobes;
Theopomp e. 24. 25 ; endlich Platon's Briefe , die er fUr acht hält , c. 4. 8. 20^. 52.
Nach der Art der Citate bin ich mit Yolq. 95. 96 der Ansicht, dass Plutarch be-
sonders Timonides benutzt hat ; auf Timaios' Benuteung, die mir für den ersten Theil
nicht zweifelhaft ist, würden auch für c. 24 die Wunderzeiehen schliessen lassen,
wenn nicht gerade hierfür c. 25 Theopomp citirt würde. Factische Differenzen zwi-
schen Plutarch und Diodor sind nach Yolq. 96: Zahl der Schiffe des Herakleides
(Diod. XVI, 16. Plut. Dion 32) ; Ursache seines Ausbleibens (ibid.) ; Grüsse des Ver-
lustes der Syrakusaser im Kampfe mit Dion (Diod. XVI, 17. Plut. Dion 39).
In dritter Linie sind die sogenannten platonischen Briefe zu nennen, über
deren Urheberschaft und literarischen Werth in vollständigster Weise handelt: H. Th.
Karsten, Commentatio critica de Piatonis quae feruntur epistolis. Traj. ad Rhenum.
1864. 8. Derselbe fasst p. 240 sein Urtheil über sie dahin zusammen: sie sind nicht
Ton Piaton, was die schlechte Sprache, die Unkenntniss athenischer Angelegenheiten,
die im pythagoreisehen Sinne entstellte platonische Philosophie beweist ; sie sind das
Werk eines Rhetors, der Piaton anhing und eine Apologie desselben schreiben wollte.
Der Grammatiker Anstophanes kannte sie schon, L D III, 61, sie sind also vor der
Mitte des 3. Jahrh. yor Chr. entstanden und geh(^ren somit, wenn sie auch keine
authentische Auskunft Über Piaton geben, doch [zu den ältesten Urkunden, die wir
über ihn haben. Von diesen Briefen ist der wichtigste der TU.; nahe stehen ihm
der III. und der VIII. Dass ein mit den sicilisehen Verhältnissen Vertrauter sie ge-
schrieben, sieht man, wie wir hinzufugen können, aus einzelnen Zügen; so VIII, 353
aus der Bemerkung über den steigenden Einfluss der Fremden, besonders der Osker,
in Sicilien; VII, 350 über attische Seeleute in Ortygia. Diese Briefe sind also, wenn
sie gleich nicht von Piaton sind, doch als Quellen für Facta zu benutzen, nicht jedoch
für die Absichten Platon's.
Endlich haben wir Cornelius Nepos, über dessen Leben Dion's Volq. S. 95
gesprochen hat. Es stimmen- Uberein Plut. c. l'-21 und Nepos 1^4, und man hat
aus der Uebereinstimmung von Nep. 2 mit Plut. 6 über den Tod des Dionys ge-
schlossen, dass der von Plutarch citirte Timaios auch Nepos vorgelegen habe. Ueber
die ersten Thaten des zurückgekehrten Dion hat Nepos nichts; später weicht er von
Plutarch besonders in der Auffassung des Charakters Dion's und der Beurtheilung
seiner Handlungsweise ab.
Ueber die Zeit des zweiten Dionys sind manche Nachrichten durch Peripatetiker
( Aristoxenos , Klearchos) aufbewahrt, die zu Bedenken Veranlassung geben können,
weil bisweilen das Bestreben, mit Platou zusammenhängende Persönlichkeiten in un-
günstigem Lichte erscheinen zu lassen, ihre Darstellungen geflirbt hat.
Es wird nach dem Vorhergehenden bei der Darstellung der Geschichte Dionys' II.
und Dion's Plutarch zu Grunde gelegt werden müssen, unter Benutzung der Ergän-
zungen, welche Diodor bietet, so wie der platonischen Briefe, aus welchen letzteren
j edooh nur Facta, nicht aber die dem Piaton beigelegten Absichten und alles, was
damit in Verbindung steht, in Betracht kommen dürfen. Dagegen entspricht das von
376 Anhang I. Quellen der Geschichte Sictliena.
Plutarch über die Beziehungen zwischen Dionys, Dion und Piaton Berichtete so sehr
dem Charakter dieser drei Personen, dass wir es in unsere Erzählung aufnehmen
müssen.
Timoieon. Vgl. J. F. J. Arnoldt, Timoleon, eine biographische Darstellnng.
Königsb. 1850. 8. Prolegomena. lieber die Quellen zu Timoleon's Leben. Abdruck
aus dem Programm des Gumbinner Gymnasiums 1848. — Diodor handelt über Ti-
moieon XVI, 65 — ?0. 72. 73. 77 — 83. 90. Hiervon betrachtet Volq. 96 cap. 65 als
nicht von Timaios herrührend, während er das übrige dem Timaios zuschreibt. In
XVI, 65 stimmt nämlich die Angabe über die Zeit, wann Timophanes ermordet wurde,
nicht mit dem Bericht bei Plutarch, der grossere innere Wahrscheinlichkeit hat, und
deshalb ist Volq. geneigt, für c. 65 eine andere Quelle als den gut unterrichteten
und sonst benutzten Timaios anzunehmen. In c. 68—70 steht die Sache thatsächlich
wieder ähnlich: Diodor hat eine aus inneren Gründen unwahrscheinliche Chronologie
der Eroberung von Syrakus durch Timoieon, und dennoch hat hier Volq. kein Be-
denken, trotzdem Timaios für Diodor's Quelle zu halten. Diodor hat nach ihm den
Timaios in der Weise benutzt, dass er dessen Chronologie geradezu umgekehrt hat.
An und für sich lässt sich die Annahme sehr wohl vertheidigen , dass Diodor auch
hier den Timaios benutzte, aber völlig verdreht habe; nur kann, wer dies glaubt,
nicht ein Vertheidiger der Theorie sein, wonach Dipdor „einfach seinen Gewährsmann
fast wörtlich ausschreibt" (Fricke 2). Es werden vielmehr die Vertheidiger des Vor-
handenseins stets nur einer einzigen Quelle bei den alten Historikern durch solche
Thatsachen gendthigt, zuzugestehen, dass dieselben diese eine Quelle sehr frei zu
behandeln verstanden, und da wir, selbst vorausgesetzt, wir wüssten immer, was aus
einer Quelle entlehnt ist, fast nie sagen können, in wie weit der Bearbeiter Verände-
rungen vorgenommen hat, so fallt der praktische Nutzen jener Theorie, die z. B.
Fricke S. 2 so hoch stellt, in sich zusammen, ein Punkt, auf den wir noch zurück-
kommen werden. Wie weit man in der Annahme geht, dass Diodor seine Quellen
entstellt, ergiebt sich übrigens noch daraus, dass Amoldt Timoieon 8. 27 kein Be-
denken trägt, auch XVI, 65 als aus Timaios entlehnt zu betrachten, trotz der ver-
kehrten chronologischen Angabe , die Timaios sicher nicht hatte. Aber Amoldt hat
ja auch nicht die Theorie von der wörtlichen Wiedergabe je einer einzigen Quelle
durch Diodor vertheidigt! Wenn es sich nun um Gründe handelt, die Timoieon be-
treffenden Stücke des Diodor dem Timaios zuzuschreiben , so scheinen Volq. die capp.
66—68, welche Plut. Tim. 8—12 entsprechen, wegen der Wunder (66) und der Er-
wähnung des Andromachos (68) von Timaios. Die Gründe sind schwach; bei der
Wichtigkeit, die Andromachos für Timoleon's Geschichte hatte, konnte ihn auch ein
anderer als Timaios in der Geschichte Timoleon's nlc&t wohl übergehen. Wenn Volq.
98 sodann die Behauptung aufstellt, dass bei Plut. Tim. 17 und Diod. XVI, 67 die
Angaben über die Stärke des punischen Heeres übereinstimmen, da 60,000 (Plut.) nur
ein Schreibfehler für 50,000 (Diod.) sei, so ist das eine kühne Behauptung, wenn man
bedenkt, dass es sich überhaupt nur um zwei Zahlen handelt, die der Schiffe und
der Soldaten. Nun stimmt die eine, die andere aber nicht, da kann man ebenso gut
sagen, dass die Uebereinstimmung Folge eines Schreibfehlers sei, wie die Nichtüber-
einstimmung, zumal da Diodor 1. 1. den Feldherrn Hannon nennt, während bei Plut.
Magon Oberfeldherr ist. Die Berichte über die ersten Thaten der Karthager in Si<d-
lien, über den Krieg des Hiketas mit Dionys und über die Sendung eines karthagi-
schen Schiffes nach Metapont sind Diodor XVI, 66 — 68 eigenthümlich. Wettere
Uebereinstimmung zwischen Diodor und Plutarch ist von Volq. an folgenden Punkten
bemerkt worden. Diod. XVI, 72. 73 entspricht Plut. Tim. 24, doch hat Diod. 72. 73
einige kriegerische Details mehr; die Schlacht am Krimisos Diod. XVI, 77 — 81 ent-
spricht Plut. 25—30 (wir werden sehen, dass eine wesentliche Verschiedenheit gerade
Timoleon. 377
hier zwischen Beiden obwaltet) ; die Zeit nachher Diod. XVI, 82. 83 , Plut. 30 — 34 ;
endlich die Ehren nach dem Tode Timoleon's Diod. XYI, 90, Plut. 35. Was bei Diod.
XVI , 79 aus der Bede Timoleon's vor der Schlacht am Krimisos mifgetheilt ist (Un-
mSnnlichkeit der Karthager), seigt allerdings, verglichen mit Polyb. XII, 24, dass
hier Diodor den Timaios benutzt hat. Dagegen liegt XVI, 70 offenbar Benutzung
des Theopomp vor. Nach Polyb. Xu, 4 hat Theopomp, von Timaios deswegen
getadelt, berichtet, dass Dionys arQfyyyvki^ vrit nach Eorinth führ, und gerade dies
sagt Diod. XVI, 70. Allerdings erklärt Volq. 101 die Sache bei ausschliesslicher
Benutzung des Timaios durch die Wahl des „zugespitztesten Gegensatzes^ von Seiten
Diodor's, aber das passt weder für den blossen Excerptor, der Diodor sein soll, noch
für den leidenschaftslosen Mann, der er wirklich ist. Wenn sogar Timaios diesen „zu-
gespitztesten Gegensatz^ verschmähte, hat ihn Diodor gewiss nicht ohne Noth gesucht.
Und zum zweiten Male wird Benutzung des Theopomp ersichtlich in der falschen
Ansetzung des Abzuges des Dionys in Ol. 109, 2; s. Volq. 99. Allerdings ist die
Angabe selbst aus einer literarhistorischen Quelle entnommen, aber Diodor hat doch
seine Darstellung darnach eingerichtet, und so ist offenbar die ganze Geschichte der
Eroberung von Syrakus durch Timoleon aus Theopomp geschöpft. Endlich ist c. 83,
auch Hieron's Zeit umfassend, eigenes Besum^ des Diodor. Manches in demselben
kann aus Timaios stammen, aber Timaios brachte es schwerlich so zusammen, wie
Diodor es thut, und das Letzte in diesem Kapitel ist bestimmt von Diodor selbst. Es
muss also, wenn auch anerkannt werden darf, dass Diod. im Ganzen bei Timoleon's
Geschichte Timaios zu Grunde gelegt hat, doch die Mitbenutzung anderer Quellen
festgehalten werden.
Eine weit besser zusammenhängende und in manchen Punkten auch ausführlichere
Darstellung der Geschichte Timoleon's hat Plutarch in seiner Biographie geliefert.
Oitirt werden von ihm : c. 4 und 36 Timaios für Details ; c. 4 Ephoros und Theo-
pomp für Details; c. 2t u. 37 Athanas für Details. Da Ephoros auch in der von
seinem Sohne Damophilos geschriebenen Portsetzung nur bis 340 vor Chr. ging,
Theopomp aber nur bis zum Fortgange des Dionys nach Eorinth, so konnte Plutarch
wie Diodor einen grossen Theil der Thaten Timoleon's nur aus Timaios entnehmen, und
er hat überhaupt offenbar diesen zu Grunde gelegt, und zwar in verständigerer Weise
als Diodor. Schon der von Plutarch eingenommene Standpunkt entschiedener Vor-
liebe für Timoleon zeigt uns, welchen Schriftsteller er besonders für seine Biographie
zu Rathe gezogen hat , deren Farben richtig gewählt , pur bisweilen zu stark aufge-
tragen sind. Insbesondere sind gewisse Facta so interpretirt worden, dass sie Timo-
leon's Ruhm vermehren, während sie ihn in Wirklichkeit verdunkelten (SchUcht bei
letai cap. 30 ; in derselben Weise bei Diod. XVI, 81, die Furcht der Karthager vor
der Seefahrt).
Cornelius Nepos stimmt im Ganzen mit Plutarch überein, hat jedoch einiges
Eigenthttmliche, vielleicht Irrthümer, vgl. Amoldt 24. 25.
Instin hat direct nichts; indirect ist er durch seine Nachrichten über Anno
(XXI, 4) nützlich.
Polyaen V» 21, 1 — 3 hat wahrscheinlich Timaios benutzt; Amoldt 25.
Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich, dass für die Geschichte Timoleon's Plu-
tarch zu Grunde zu legen ist; Diodor, der weniger zusammenhängend berichtet und
durch schlechte Benutzung seiner Quellen, speciell Theopomp's, grosse Verwirrung
angerichtet hat (s. hierüber unten in den Anmerkungen), kann nur da, wo er Plutarch
nicht widerspricht, sondern ergänzt (z. B. XVI, 60—68; die Erwähnung von Tynda-
ris 69; Details 72. 73 und sonst), zur Hülfe herbeigezogen werden.
Agathokles. Diodor XIX, 1—9. 65. 70—72. 102—110. XX, 3-18. 29—34.
38—44. 53—72. 77—79. 89. 90. 101. XXI, Fragmente, nämlich in der Ausgabe von
'*^' ■■•'••
378 Anhang I. Quellen der Geschichte Siciliens.
Dind. 1867 cap. 2 £zc. Hoesch. und Vatic. e. 3 Hoescfa. und de Tirtt. e. 4 Hoeseh.
c. 8 H. c. 15 H. 0. 16 H. o. 17 de virtt., letzteres Diodor's Kritik von Timaios vsd
Kallias enthaltend. Es ist noch zu bemerken, dass nach Andeutungen bet-Dlod. XIX,
3 und 10 Diodor im 18. Buche, also in jetzt verlorenen Stücken^ die syrakusaBischen
Begebenheiten zwischen Timoleon's Tode und dem Jahre 317 erzählt hat. Ton den
oben angeführten Stücken gehören XIX, l-*-9 in 317 y. Chr.; 65 in 315; 70^72 in
314; 102—110 in 312 u. 311; XX, 3-18 in 310; 29—34 in 309; 38—44 in 308; 53—
72 in 307 ; 77—79 in 306 ; 89. 90 in 305 ; 101 in 304. Es fehlen also Berichte von
den Jahren 316, 313, 303 und 302; man kann annehmen, dass auch hier wieder ^n
Zusammendrängen auf andere Jahre vorliegt. Nach XXI, 17 scheint Diodor fttr dia
Geschichte des Agathokles sowohl Timaios wie Kallias zu Rathe gezogen zu haben;
er tadelt Timaios, aber man sieht nicht, dass T. nach seiner Ansicht Unwahres er-
zählte; Timaios gab nur nicht dem Agathokles die' dems^ben nach Diodor's Ansieht
zukommende Ehre. Uebrigens sieht man XX, 10 in den praesentibus nQouyovc^y ffmuh-
ipavTowst und niQißdXlQvai , die sich auf die zu Diodor's Zeit nicht mehr bestehende
Republik Karthago beziehen, dass Diodor bisweilen allerdings seine Quellen wOrtiick
exoerpirte. In wie weit Timaios, in wie weit Kallias von IHodor benutzt ist. lässt
sich genau nicht mehr entscheiden. Diodor' hat allerdings mehr im Sinne des Timaios,
des Feindes des Agathokles, geschrieben als in demjenigen des Kallias, abw naeh
dem, was wir von der Art und Weise wissen, wie Timaios von Agathokles sprach,
ist Diodor doch entschieden milder gegen ihn als Timaios war. So Ist anzunehmen,,
dass er ihn zu Grunde legte , aber Kallias erstens als Nebenqnelle für manche Ein-
zelheiten benutzte und denselben zweitens auf eine Dämpfung des Urtheiis l|ber den
Tyrannen Elnfluss üben Hess, der von Diodor im wesentlichen richtig beurtheilt wird,
lu st in hat verhältnissmässig viel tiber Agathokles : XXII und XXIII, 1 . 2; doch
vertheilen sich seine Nachrichten sehr ungleich über Ag.'s Leben. Bis zu seiner
Machtgelangung berichtet er wenig von ihm. Werthvoll und eigentt^Ümlieh sind so-
dann die Kachrichten XXII, 2. 3 über die geheimen Beziehungen zwischen Agathoklea
und Harailkar, sowie überhaupt lustin über die karthagischen Dinge eine werthvoDe
Quelle bildet. XXII, 4^8 enthält die afrikanische Expedition, ziemUeh ausftthrlieh,
wenn gleich die Phrase , wie immer bei. lustin , auch hier vielen Kaum wegnimmt.
Die Darstellung der Begebenheiten stimmt vielfach nicht mit Diodor überein. Dass
Ag. nur, 50 Talente mitnimmt (XXII, 4), ist neu, aber noch nicht im Widerspruch mit
Diodor, aber in c. 6 weicht die Zahl der Verluste in der ersten Schlacht von Dio-
dor's Angabe XX, 13 ab. lustin hat in c. 7 eine Sohlacht zwischen dem Tod de«
Ophelias (Aphellas bei lustin) und der EmpOrung des Bomilkar, die Diodor unbe-
kannt ist. Diese Empörung wird so gut wie übergangen mit den Worten ob quam
Doxam, die sich nur auf transiturus fuerit beziehen, worin doch nichts positives aus-
gedrückt ist. Werthvoll sind die Erwähnungen in den Worten des sterbenden Bo-
milkar. C. 8 entspricht es nicht der diodorischen Darstellung, wenn Agathocles pro-
fligatis in Africa rebus nach Sioilien zurückkehrt, und ebenso wenig, dass er in
Sicilien pulsis e Sicilia Poenis totius insulae Imperium occupavit. Ebenso ist alles
folgende nicht mit Diodor übereinstimmend : die Geftingennahme des Agathokles fehlt
ganz, der Bericht über das Schicksal des Archagathos weicht ganz von Diodor ab.
In XXIII ist wieder von seinen Thaten in Sicilien keine Rede; der Anfang' von e. 2
führt auf den Gedanken, dass er auch in Italien nichts that. sotidem gleich umkehren
musste und dann starb. C. 2 wird durch viel Pathos über seinen Tod ausgefüllt, doch
ist hier die Notiz über die Theoxena von Werth. Aus dem über lustin's Darstellnng^
der Thaten des Agathokles Mitgetheilten ergiebt sich , dass sie für uns absolut un-
brauchbar ist, mit Ausnahme weniger Notizen zumal über karthagische Angelegen-
heiten; für die Thaten des Agathokles selbst ist nichts daraus zu entnehmen. Wäre
Agathokles. Pyrrhos. 379
num noch sicher, dass Instin seinen Trogus richtig exeerpirt hätte, so kannte an eine
Benutzung seiner Notizen gedacht werden , aber die Erwähanng der Aetnaei XXII, 1
zeigt, dass auf ihn hier nicht mehr Yerlass ist als im athenischen Kriege. So moss maii
ihn , wo er von Diodor abweicht, einfach nnberüoksichtigt lassen. Ueber die Qudlen
des Trogus in dieser Partie lässt sieh nichts mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen«
Man sucht gewöhnlich Timaios darin, dazu passt auch der Ton im Anfang der Ge*
schichte des Agaüiokles XXII, 1. 2, aber das Gejammer bei seinem Tode ist sicher
nicht von Timaios, der sich über den Tod des alten 84inders anders geäussert haben
wird, und schon vom Beginn (ier afrikanischen Expedition an wird kein feindlicher
Ton mehr angeschlagen.
Pc^lyaen hat y, 3, 1—8; V, 15; V, 37 ; VI, 40 £ig«n1littmliohes über Agathokles.
Als Quelle kann somit iUr uns nur Diodor dienen, nebst gelegentlicher Benutzung
von Polyaen und den Karthago betreffenden Stellen des lustin.
Pyrrhos. Hanptqaellen Diodor XXQ und Plutarch. Ueber sie handelt
G. Collmann in seinem mehrfach angeführten Buche Absdin. III, p. 57—64, welcher
zu der Entscheidung gelangt, dass Beide vorzugsweise aus Timaios geschöpft haben.
Es sind einige Aehnlichkciten im Ausdrucke zwischen Plutarch und Diodor vorhan*'
den, besonders in Betreff des Angriffes auf Eryx. Jedenfalls ist dann im allgemei-
nen Plutarch mit ausserordentlicher Freiheit bei seiner Benutzung des Timaios vor-
gegangen. P. 67 sucht Collmann weiter nachzuweisen, dsss auch die übrigen, Sicilien
betoeffenden Stellen des 22. Buches Diodor's von Timaios herstammen, wogegen nichts
einzuwenden ist. Eine dritte wichtige Quelle ist Dionys von Halikarnass im
20. Buche, von dessen Fragmenten einige des Pyrrhos Verfahren in Syrakus schil-
dern, Inder Zeit, weiche seiner Rückkehr nach Italien vorhei^ging. lust. XXII, 3 hat
wenig. — Es ist hauptsächliefa Diodor zu Grunde zu legen.
Ueber die Queilen der Zeit nach dem Abzüge des Pjrrrfaos aus Sicilien kann ich
hier nicht ^rechen. Es wird nur wenig aus dieser Zeit im voriiegenden Bande be-
handelt, und die Darstellungen dieser Periode im Alterthum rühren bereits von den
Schriftsteilem her, welche die Bömerzeit bearbeiteten. Das Reich des Timaios ist
zu Ende; es beginnt die Herrschaft des Polybios.
An diesem Absehnitte der Geschichte angekommen, erseheint es angemessen, die
im Vorhergehenden mehrfach von uns ausgesprochenen Ansichten über die Art der
Arbeit Diodor' s, der ja Timaios vielfach benutzt hat, zusammenzufassen und mit
einigen orientirenden Schlussbemerkungen zu begleiten. Wir haben, wie man sieht,
nicht .Übereinstimmen können mit der besonders von Volquardsen vertretenen An-
sicht, wonach uns in den von Diodor im II. bis 16. Buche roitgetheilten sicUischen
Geschichten, mit gewissen Ausnahmen, ein Auszug aus Timaios allein vorliege.
Timaios ist eine EUraptquelle Diodor's, aber nicht seine einzige Quelle; er hat Epho-
ros vielleicht noch mehr benutzt. Allerdings ist ein bedeutender Einfiass des Timaios
auf Diodor zu statuiren, ein Einfluss, der sich sowohl in der Mittheilung der That-
sachen, wie auch in der Auffassung der Persönlichkeiten äussert. Aber Diodor folgt
dem Timaios nicht sklavisch, weder fUr die Facta, noch fttr die Würdigung der Cha-
raktere. Er steht allerdings im' allgemeinen auf dem politischen Standpunkte des
Timaios ; aber er eignet sich dessen Uebertreibungen nicht an ; er tadelt wenig und
lässt die Thatsachen fttr sich sprechen. Es erweist sich also auch in dieser Bezie-
hung der Einfluss des Timaios als nicht so stark , dass nicht auch andere Quellen
neben ihm von Diodor zu Rathe gezogen wären; diese Nebenquellen sind es viel-
mehr gerade gewesen, welche die Schärfe der timäischen Anschauung wesentlich
gemildert haben. Unsere Auffassung der Art, wie Diodor arbeitet, wird auch durch
seinen Stil bestätigt. Derselbe ist noch keinen i^eciellen Untersuchungen in Betreff
seiner Gleichmässigkeit oder Ungleichmässigkeit unterworfen worden, aber schon die
380 Anhang I. Quellen der Oeschichte Siciliens.
LectUre dieses Schriftstellers lehrt, dass er im Wesentlichen stets derselbe bleibt
Er hat den Inhalt seiner Quellen wiedergegeben, aber in sehr kurzem Auszug; die
Sprache jedoch gehört, wie ich anderswo zu zeigen gedenke, ihm selber an, und
zwar um so nothwendiger, je mehr er den Inhalt seiner Quellen zusammendräng^i
musste. Um so leichter wurde es ihm, neben einer Hauptquelle Nebenquellen zu
benutzen.
Es kann also in einer sonst aus Timaios entnommenen Erzählung bei Diodor ein-
zelnes aus Ephoros oder Theopomp eingemischt sein, und yeir können nicht aus Dio-
dor's sicilischen Greschichten ganze zusammenhängende. Kapitel als rein timäisch aus-
sondern. Begründet nun diese Unmöglichkeit, bestimmte Namen als Quellen der von
Diodor mitgetheilten Facta anzugeben, wirklich einen Verlust für uns? leb glaube
nicht. Sobald sich allerdings mit absoluter Sicherheit nachweisen Hesse, dass Diodor
ein längeres Stück aus Timaios, ein anderes aus Ephoros abgeschrieben hätte, so
hätte dies eine grosse Bedeutung, weil wir so eine authentische Kenntniss dieser
Historiker gewännen. Aber so steht es nicht. Die Zuweisung grösserer Stücke an
bestimmte Quellen kommt über das Stadium der Vermuthung nicht hinaus, und es
kann auch denen, welche z. B. nur Timäisches in gewissen Stücken Diodor's sehen,
nicht gelingen , uns aus diesen Stellen von dem Charakter der timäischen Greschicht-
schreibung einen Begriff zu geben , der uns so gut wie unbekannt sein würde, wenn
wir nicht durch andere Schriftsteller davon unterrichtet wären. Ich führe hier nur
den einen oben berührten Punkt an, dass Diod. XVI, 70 nach Volq. 101 aus Timaios
eine von demselben getadelte Beliauptung des Theopomp gewählt haben soll, bloss
weil sie einen zugespitzten Gegensatz enthielt. Ein Schriftsteller, dem man derglei-
chen Abweichungen voj^i der sonst benutzten Quelle (und ohne Angabe, dass eine
Abweichung vorhanden ist) zutraut, kann nicht mehr als Abbild seiner Hauptquelle
gelten; und wer einem Schriftsteller diese Art der QueUenbenutzung beilegt, kann
nicht mehr behaupten, in ihm die Quellen desselben wiedererkennen zu können. So
bliebe denn nur der Werth übrig, den solche Quellennachweise für die Constituirung
der Geschichte selbst hätten. Und der ist, das muss offen gestanden werden, in un-
serem Falle höchst problematisch. Was hilft es uns, ob eine Begebenheit bei Diodor
von Timaios oder von Ephoros berichtet ist, für die Entscheidung der Frage, ob wir
sie glauben soUen oder nicht? Es ist einmal nicht zu läugnen, dass es uns iü der
Kegel an jeder Möglichkeit fehlt, diese Schriftsteller selbst in Betreff der Glaubwür-
digkeit des von ihnen Berichteten zu controliren. Allerdings wird man in sicilischen
Dingen im allgemeinen geneigt sein, den Sicilier Timaios für besser informirt zu
halten, als den Nichtsicilier Ephoros, aber dem Timaios sind so manche Schwächen
vorgeworfen worden, dass im einzelnen doch wieder Ephoros im Recht sein kann.
Die Entscheidung wird, wenn es sich um einzelne Fälle handelt, doch immer von
Erwägungen abhängen, die mit der Herkunft der Nachricht wenig zu thun haben.
Wenn wir z. B. hören, dass Timaios mehrfach niedrigere Zahlen für die karthagischen
Heere angiebt als Ephoros , so ist es uns durchaus unmöglich zu sagen , ob Timaios
hierfür bessere Quellen hatte als Ephoros, und wir müssen aus Betrachtungen anderer
Art — allgemeinen Wahrscheinlichkeitsgründen — die Sache entscheiden. Wenn es
sonach nicht möglich ist, die Quellen Diodor's in dem Umfange nachzuweisen, wie es
z. B. Volquardsen versucht hat, so ist diese Unmöglichkeit für die Geschichtschrei-
bung selbst nach der Lage der Sache nicht sehr zu bedauern.
Sehr klar ist dagegen durch Nissen's Forschungen ein anderer Punkt in's Licht
gestellt worden, der von grosser praktischer Bedeutung ist. Die excerpirenden Hi-
storiker sind bei der Benutzung ihrer Quellen sehr verschieden verfahren und einige
haben mit grosser Flüchtigkeit gearbeitet. An diesen Punkt haben wir anzuknüpfen.
Statt von dem Unbekannten — den vermutheten Quellen der vorhandenen Historiker —
Diodor. Schlussbemerkungen. 381
gehen wir von dem Bekannten — eben diesen Historikern — ans. Wir suchen zn
erkunden, auf welche Weise sie gearbeitet haben, und beurtheilen darnach ihre
Glaubwürdigkeit. Aber wir wissen, dass derselbe Schriftsteller zu verschiedenen
Zeiten verschieden arbeitete, und benutzen ihn, wenn er offenbar gut gearbeitet hat
und sich mit sicher guten Schriftstellern in Uebereinstimmung befindet oder sie er-
gänzt ; wir verwerfen ihn, wenn er liederlich arbeitet und sich mit besser arbeitenden *
Schriftstellern in Widerspruch setzt. In dieser Weise hängen die vorstehenden Un-
tersuchungen in sich zusammen. Von dem sicheren Punkte der Glaubwürdigkeit des
Thukydides ausgehend, haben wir gefunden, dass Plutarch intelligent, aber ein wenig
rhetorisirend arbeitet, uüd dass man ihm trauen kann, da er Thukydides nicht schiecht
zu benutzen verstanden hat. Wir haben femer gefunden, dass Diodor äusserst ungleich
arbeitet : nicht selten seine Quellen missverstehend , bisweilen sie gut wiedergebend,
dass man ihn also benutzen darf, aber mit Vorsicht. Wir haben endlich lustin durch
die Liederlichkeit seines Verfahrens unbrauchbar gefunden. Und die bei den. Quellen
des athenischen Krieges- gefundenen Resultate haben sich uns bei den späteren sici-
lischen Geschichten bestätigt. Plutarch arbeitet auch hier durch^ngig verständig,
während Diodor, wie Dion's und Timoleon's Geschichte zeigt, nicht selten die grössten
Fehler begeht; wir haben also uns an Plutarch anznschliessen, wo dieser ein zusam-
menhängendes Stück sicilischer Geschichte bearbeitet, und wo uns Plutarch fehlt oder
allzu kurz ist, dem Diodor zu folgen. lustin erweist sich auch hier als durchaus
unzuverlässig und wird ohne weiteres bei Seite gelassen — ausser wo er, wie in den
karthagischen Dingen, sich, specieli unterrichtet zeigt, wo man dann seine Facta ein-
fach zu benutzen hat.
In Betreff der Quellenbenutzung der alten Historiker glaube ich durch meine, wie
mir scheint wohlbegründete Annahme von Nebenquellen, neben einer Hauptquelle —
bisweilen einer Nebenquelle — die Untersuchung in eine richtigere Bahn zurückge-
leitet zu haben. Bei dem Gelehrten, der für diese Forschungen den Grund- gelegt hat,
findet sich die Theorie von der einen Quelle noch nicht. Man hat durch ihre Auf-
stellung das richtige Princip übertrieben und falsch angewandt. Man wird auf einem
Wege nicht weiter fortschreiten dürfen, der zur Verkennung der Art und Weise der
Arbeit antiker Historiker geführt hat. Allerdings wird man auf glänzende Besultate
verzichten müssen ; man wird nicht mehr grosse Stücke verlorener Historiker wieder-
herstellen können, aber man wird der Wirklichkeit treuer bleiben, als dies in einigen
Theilen der von mir bekämpften Schriften geschehen ist, deren Scharfsinne ich im*
übrigen volle Anerkennung zolle. Aber noch in einem anderen Punkte glaube ich
durch vorliegende Untersuchungen, zumal diejenigen über die Quellen der athenischen'
Expedition genützt zu haben, in einem Punkte, der mit dem so eben besprocheneur
eng zusammenhängt. Im Gegensatz zu der bisherigen Theorie, die stets a priori an
eine gute Wiedergabe der benutzten Quellen glaubt und glauben muss, wenn sie die
Kenntniss der verlorenen Schriftsteller wirklich fürdem zu können meint , habe ich
gezeigt, wie die excerpirten Schriftsteller von ihren Bearbeitern nicht selten entstellt
wurden, so dass zuletzt Bücher entstehen, deren absolute Unbrauchbarkeit man er-
kennt, sobald man bessere Quellen hat. Aber wie' oft fehlen diese besseren Quellen !
Da gilt es denn um so mehr, statt äusserlich aus den vorhandenen Schriftstellern
die Quellen ausschneiden zu wollen, in der irrigen Voraussetzung, jene Schriftsteller
seien gute Abschreiber gewesen, zu sehen, wie sie arbeiten und was sie zu leisten'
vermögen. Mit anderen Worten, wir sehen einmal, dass die gelehrten Historiker des
Aiterthums ausser den Hauptquellen auch Nebenquellen benutzt haben, und sodann,
dass sowohl die Nothwendigkeit^ dieselben zusammenzuarbeiten, als auch die Mühe
des Exeerpirens sie nicht selten zu grossen Fehlem in der Aufstellung der Thatsachen
verleiteten. Das führt auf die Wichtigkeit der Erkenntniss der Individualität der Histo-
392 Anhang II. Topographisches.
riker, zu deren Erforschung ich einen Beitrag gegeben su habe glaube, und die noeh
mehr gefördert werden muss, als bisher geschehen ist. Solche Untersuchungen werden
dann wahrscheinlich auch zeigen, dass, wenn die Art der Quellenbenutzung der alten
Historiker in manchen Punkten mit der der mittelalterlichen verglichen werden mnss,
doch der Bildungsh(}he der beiden Zeiten entsprechende Verschiedenheiten nicht zu
übersehen sind.
Den relativ besten Quellen folgend, wird der Gesebiehtsehrsiber nidit selten
Details bringen, die ihm selbst zweifelhaft sind. Wenn er durch Combination besse-
res findet, wird er es in die Erzählung aufnehmen dürfen, anderenfalls wird er
einfach darauf hinzuweisen haben, dass die Sache verdächtig ist. Bei Zahlenangaben
(Grosse der Heere, Zahl der Gefallenen) wird auch dies nicht n^thig sein. Es ist
bekannt, wie leicht hierin übertrieben wird , und da übt der Leser selbst die ntfthige
Kritik. Die Mittheilung von Details, wie z. B. S. 167, ist für die Kenntniss der Le-
bensverhältnisse der Zeit wichtig.
II.
Topographische Si
1.
Topographie der Belagemng tob Syrakus durck die Athener.
a) Arsenal. Syrakus bestand zu dieser Zeit aus den zwei Theilen, welche
Thuk. VI| 3 17 ivtog und ij l|« noXtf nennt, jene ist Ortygia, diese Achradina, welche
letztere sich, wie wir im vorigen 3ande sahen, bis Jin den grossen Hafen erstreckte.
An diesem waren nach Thuk. VII, 25 die yraXai&k pitigotnotj am kleinen nach VII, 22
das vtwQtov, Nun unterscheiden sich vtnigeixoi und vtio^ov so, dass letzteres das
gesammte Arsenal beseichnet, welches alles zur Herstellung und Ausrüstung der
Kriegsschiffe Nöthige umfasst, während vtticütxoi die einzelnen Abtheilungen sind, in
denen die Schiffe gebaut, aufbewahrt und ausgebessert wurden. Es sind also vstogoiroi
eigentlich ein Theil eines rewgiov. Für Syrakus ergiebt sich nun aus der Be-
zeichnung ntcXtttol v«osotxot , dass ursprünglich am grossen Hafen das Arsenal war,
dass man jedoch später den grOssten Theil der Magazine und Werkstätten desselben
nach dem kleinen Hafen verleg^te, ohne die Scfaiffshäuser des grossen zu zerstören,
welche vielmehr noch fortwährend gebraucht wurden. Man muss. annehmen, dass
im vim^iov des kleinen Hafens auch vtaSgoixoi waren, dass aber Magazine sich nur
hier und nicht im grossen befanden. Die Veranlassung der Verlegung des Arsenals
lag in dem Wunsche, einen ganz abgesonderten Kriegshafen zu besitzen, und zwar
einen solchen , der nicht so leicht vom Feinde gesperrt werden konnte , wie das bei
dem grossen durch die Besetzung des Plemmyrion möglich war. Dass die pedgoixot
des kleinen Hafens zahlreicher waren als die des grossen, sieht man daraus, dass
nach Thuk. VII, 22 95 Schiffe aus dem alten, 45 aus dem neuen Arsenal kamen.
Natürlich lagen die beiden einander so nahe als möglich. Wir werden sie also in
grösster N&he des Dammes , der Ortygia und Achradina verband , und zwar auf der
Seite der Achradina, wo mehr Raum war, zu denken haben. Der Landungsplatz
Arsenal. Topographie des ersten athenischen Angriffes auf Syrakus. 383
fUr fremde Schifife, der Hafen von Syrakus im eigentllch^sn Sinne des Wortes, war
dagegen o^enbar schon damals, wie zur Zeit Dion's (Diod. XVI, 18), mgl rrfv ^A^i-
&ovaav, also im grossen Hafen, gerade wie die Marina des heutigen Syrakos. Schu-
bring, Achradina 8. 22 nimmt an, dass b«i Thnk. VII, 22 die Worte ol ijv xai ro
vfmgtov mifToif nicht richtig seien, und will dafür ov ^v älXo oder Maivov vttoQutv
<tvToti lesen, mir seheint nach dem .Vorhergehenden diese Aenderung nicht nöthwen-
dig : th veei^iw war am kleinen Hafen, aber die naXaiol vtaigoiKoi blieben am grossen.
Aus Thuk. VI, 78 lernen wir, dass die Syrakusaner r^v &dlaa<yav nQo^atavQfmatcv
navtax^f. ^ itnoßaam ^aav ^ und aus VII, 25, dass diese Palissaden sich besonders
TiQo tiSv nulai&v v€k}foixiüv befanden. Der kleine Hafen hat einen nur mit schmalem
Fahrwasser versehenen Eingang, hier war ein solches Schutzmittel nicht nothwen-
dig. ^ Bei der Recognosdrungsfahrt (Thuk. VI, 50) sehen die Athener im grossen
Hafen nach, cf n vavrtxöv ian xa&nkxvafAivov — also aus den nalaioTs viiogoUois,
Ein Nachspähen im kleinen Hafen war unstatthaft, da man nicht hinein konnte ohne
den Eingang erzwungen zu haben. Im Innern barg auch der kleine Hafen einigen
freien Raum, nach Diod. XIII, 8, wonach die Syrakusaner iv T<p fÄixgiß Xtfiivi rag
«van^iqag inoiovvTQ.
b) Topographie des ersten athenischen Angriffes auf Syrakus. Die
Darstellung des Thuk. VI, 66 flf. giebt zu einigen Fragen Veranlassung. Nach c. 66
landen die Athener ig rov (das Subst. fehlt) Harä t6 ^Olvfinulov, Dort besetzen sie
einen Ort, an dem sie besonders vor den syrakusanischen Reitern sicher sind : r^ fjihv
yag tuxCtt T€ xal oixlai ilgyov xa\ divÖQa xai X^^vrj, mxQa cF^ ro XQr}f4vo^. Hier stehen
Ty fiiv und naga dk ro einander gegenüber. Auf der einen Seite schützen Gebäude,
Bäume und Sumpf, auf der anderen Abhänge. Von diesem Lagerplatze wird das
Terrain nach dem Meere zu unterschieden. Hier msichen sie na^a t€ rag vavg ein
üravQiofia und ijil r(ß zfdaxiovt igvfdd r« — sowohl eine Befestigung rf i<po^iorarov ^v
rotg noXifiCotg — als auch brechen sie die Brücke über den Anapos ab. Aus dem r<
nach fQVfia und dem xal vor rrjp rov^Avanov yiifVQav ergiebt sich, wenn wir die
Ausdrücke genau nehmen, zunächst, dass bei dem Daskon sowohl }^QVfia als Anapos-
brücke sind; der Daskon, was er auch sein mag, ist also nicht die Bucht südlich
von der Punta Caderini. Dass er dies nicht ist, ergiebt sich auch daraus, dass das
tqvfia am Daskon so angelegt wird, ?} i(foS(6rarov rnv roTg TioUju^oig, die Syrakusaner
mussten aber von der Stadt her gegen die Athener vorrücken. Um die Stellung der
Athener zu begreifen, müssen wir uns die Gestaltung des Bodens dieser Gegend genau
vorstellen, nach Massgabe von Karte VIII. Das Olympieion und die Polichne lagen
auf dem Nordende eines Höhenzuges, der im N. vom Anapos, im W. durch den
Sumpf Pantano (Eyane), im 0. durch die Niederung um die Anaposmündung begränzt
wird, und erst bei der Punta Caderini das Meer erreicht. Der helorinische Weg
führte in einem noch sichtbaren Einschnitte Ostlich vom Olympieion vorbei. Nun be-
setzten die Athener dieses sich westlich von der P. Caderini ausdehnende Hochland
bis an den Pantano, das Olympieion aber und ein Stück des helorinischen Weges
blieben nördlich von ihrer Stellung unbesetzt. So sind die tti/la und oixUi die Po-
lichne und das Olympieion im Norden, die Xifdvfi ist der Pantano (Kyane) und die
xQTifAvoi sind die Abhänge der Höhenzüge nach NO. Nach NO. bauen sie ein Fort
und brechen ausserdem die Anaposbrücke ab. Nach Plut. Nik. 16 hat Hermokrates
über das Brückenabbrechen gespottet; der Spott war wohlfeil, aber weniger be-
gründet. Es brachte den Athenern den Nutzen, dass die Syrakusaner nun nicht mehr
bequem nahe der Mündung den Fluss überschreiten und den rechten Flügel der Athe-
ner bedrohen konnten, dass sie vielmehr genöthigt waren, den Fluss weiter oben zu
überschreiten und nun von Westen her, jenseits des helorinischen Weges, gegen die
Athener anzurücken. Die Topographie der Schlacht ist folgende. Zuerst, als die
•*
384 Anhang IL Topographisches.
Syrakusaner den Athenern eine Schlacht anbieten, gehen diese nicht darauf ein ; hier-
auf sagt Thnk. o. 66 von den Syrakusanem*. ayax^Qn^avtcs kuX S$aßavtes Tfjv *£2m-
Qivfjv odbv TivUaavxo, d. h. sie gingen wieder nach W. ttber den helorinischen W^
zurlick, den sie nach 0. hin zum Angriff überschritten- hatten. Die Schlacht findet
Ostlich Tom helorinischen Wege statt. Nach derselben versammeln sich die Syrakn-
kusaner ig riiv ^EXtoQivriv oSov, d. h. sie gehen nicht über denselben zurück, sondern
halten ihn besetzt, nördlich vom Olympieion. — In Betreff des Namens Daakon ist
allerdings zuzugeben, dass Diodor XIII, 13 (Eurymedon aneXif<p&fi nqo^ tov xoXnor
TOP jddatttova xaXovfAevov) verglichen mit Thuk. Vn, 52 {anolafAßavova^ xaxfivov (v t£
xo/il^xa^ /Ltv;(^ tov Xijuivos) die Bucht südlich von Punta Caderini Daskon nennt. Aber
bei Thuk. VI, 66 passt dies nicht, Daskon muss als Name der Landspitze genommen
werden, und in diesem letzteren Sinne ist offenbar der Name Daskon auch bei Diod.
XIV, 72 genommen, wo das ngog t^ /laaxdvi ^agiov dasselbe ipQovQiov ist, welches
XIY, 63 inl fjiiaov tov Xtfiivog genannt wurde, das passt am besten zur Punta Cade-
rini. So wie wir, fasst auch Kiepert den Daskon auf.
c) Nene Mauer der Syrakusaner gegen Epipolae zu. Im Winter 415/4
schützen die Syrakusaner sich nach Thuk. VI, 75 folgendermassen hUxiCov jiqos t^
noXet, TOV TtfÄiv^Tijv ivrog noiriOttfifvoij Tiixos naga näv to ngoi Tics ^EnmoXas 6Q»r,
onojs ftri dC iXäaaovos tvanoTei/iaToi <oat. Was zunächst den Temenites betrifft, so
sagt St B: Ti^cvos Tonog ZixMag vno Tag ^EntnoXas ngog Taig ^vQaxovaatg, Dieses
Temenos, d. h. heiliger Bezirk, war dem Apollon heilig, dessen Statue sich dort be-
fand ; Gic. Verr. IV, 53 nennt als eine der Merkwürdigkeiten von Syrakus in der
Neapolis neben einigen Tempeln Signum ApoUinis qui Temeniteer vocatur, und der
Apollo Temenites wird noch bei Suet. Tib. 74 erwähnt. Dieser Bezirk gehörte also
später zur Neapolis von Syrakus; 6 TcfurtTrig, im Texte des Thukydides, kafin in
doppeltem Sinne gefasst werden : entweder als der Gott oder als der nach dem Grotte
benannte Bezirk. Da nun Über die Lage von Neapolis kein Zweifel sein kann, so
ist auch die Lage des Temenites im allgemeinen klar. Ueber seine Ausdehnnng
können allerdings Zweifel obwalten, und ich glaube, dass ich ihn auf dem Phine zum
1. Bande dieser Geschichte zu weit nach W. erstreckt habe. Es wird vorzugsweise
nur die Gegend oberhalb des Theaters den Temenites gebildet haben. Schnbring,
Die Bewässerung von Syrakus. Philologus XXII, S.619 setzt das Temenos „weit ausser-
halb der Stadt*, wie auch seine Karte es angiebt. Ders. S. 621 giebt zu, dass die
syrakusanische Mauer westlich vom Temenites ging; ich meine, dass dann die athe-
nische Stellung zu weit nach W. gerückt wird. Ueber den Lauf der nun von den
Syrakusanem gebauten Mauer sind verschiedene Ansichten aufgestellt. Serradifalco,
welcher der Ansicht ist, dass Tyche schon eine besondere Mauer hatte, lässt die neue
Befestigung von der Südseite dieser Mauer Tyche's um das Theater herum in die
Nähe des grossen Hafens geben, wo sie sich an die alte Stadtmauer anschliesst, ähn-
lich Schubring 1. 1. S. 621. Leake, in den topographioal and historical notes on Sy-
racuse in den Transactions of the Royal Society of Literature, Lond. 1850, der Tyche
nicht ummauert sein lässt, umgiebt nur den Temenites mit einer viereckig ans der
früheren Mauer nach W. vorspringenden Befestigung. Grote endlich, für den Achra-
dina's Mauern nicht bis zum grossen Hafen reichten, lässt die Syrakusaner eine neue
vollständige Mauer von der Bucht S. Panagia im Norden nach dem grossen Hafen
hin errichten. Er stützt sich dabei besonders auf die Worte des Thukydides: yrapu
naiv TO ngog Tag *EntnoXag oQoiv, woraus sich allerdings ergiebt, dass diese Mauer
nicht ein grosses Stück einer schon vorhandenen Tychemauer benutzte, während
durchaus nipht nothwendig erscheint, dass sie bis zum grossen Hafen ging, da die
tiefere Gegend in der Nähe des Anapos durchaus nicht ngog Tag ^EnmoXag oqo»v
genannt zu werden verdient. Wenn wir ein Becht hatten, anzunehmen, dass nach
Nene Maaer der Syrakusaner. Leon. 385
dem grossen Hafen schon eine Mauer ging (sonst hätte auch nicht gesagt werden
können, dass die neue Mauer bewirken solle, oniog firj Si ikatfaovog ivanoTslx^aroi
toot, sondern dass man nicht zwischen Achradina und Ortygia sich festsetzen könne) ,
so ist anzunehmen, dass die neugebaute Mauer bloss auf der Höhe des Plateau's eine
Erweiterung des Umfanges der Stadt bewirkte und sich unten nach dem Hafen zu
irgendwo an die bereits vorhandene Mauer anschloss. Gegen Leake's Annahme einer
Ummauerung des Temenites allein spricht der mehrfach citirte Ausdruck: ntxQd nSv
d) ttxga Tefi€vtris, Thuk. YII, 3 erzählt, dass, als Gylippos gleich nach seiner
Ankunft Nikias nicht zu einer Schlacht bewegen konnte, er sich fnl r^v axQav r^r
TifAivlxiv xalovfjiivriv zurückzog, xal avxQv r^hUaavTo, An sich wäre es wahrscheinlich,
dass diese «yiQa innerhalb der neuen syrakusanischen Mauer war, welche ja tov Tc-
fifvitniv ivTos machen sollte. Dennoch hat Bonanni (p. 178 der Ausgabe Pal. 1717]
diese- ff x(>it ausserhalb der Mauern gesetzt, und zwar nach Belvedere. Letzteres ist
durchaus unmöglich; aber ausserhalb der Mauern setzt sie auch Serradifalco, aller-
dings in unmittelbarer Nähe des ummauerten Temenites. Grote IV, S. 207 drückt sich
zweifelnd aus: «anscheinend innerhalb des neuhinzugefügten befestigten Raumes der
Syrakusaner.'' Mit der Erzählung des Verlaufes der Belagerung steht allerdings die
Annahme, dass die axQa T^fjLivZxig ausserhalb der syrakusanischen und sogar der
athenischen Ijfauern gewesen wäre, keineswegs in Widerspruch; es könnte sogar na-
türlich erscheinen , dass , da Gylippos gleich darauf während eines Angriffes auf die
athenischen Befestigungen das Fort Labdalon nimmt, er sich in der Nacht vorher,
wo er eben auf der axQa Tcjuivlug war, bereits ausserhalb der Mauern befunden habe.
Indess ist die Annahme zu natürlich, dass die äxQo Ttfavlns zum Ttfi^vCTug gehörte,
als dass sie abzuweisen wäre, und die Soldaten des Gylippos konnten ganz wohl aus
dem ummauerten Bezirk zur Eroberung von Labdalon hervorbrechen. Auch Schubring
1. 1. 618 scheint keinen Unterschied zwischen axQa Tefitvins unä dem ummauerten
jifAtvog zu machen.
e) TifAtvog, Nun ist noch die Frage, ob, wenn Thuk. VI, 99 sagt, die Syraku-
saner hätten die Oelbäume tov rejuivovg umgehauen zum Bau ihres Gegenwerkes,
dieses rifuvog das des Apollon ist, von dem der Tf/ievlTtjg seinen Namen hat. Meins-
hausen in seiner Abhandlung über die Belagerung von Syrakus, Mühlhausen 1856. 4,
spricht wegwerfend von dieser Ansicht „als ob es in Sicilien nur im Temenites Oel-
bäume gebe'' (S. 6] ; er übersieht dabei, dass ausdrücklich rov rsfiivovg gesagt ist.
Wir werden die auch von Grote IV, S. 194 gebilligte Meinung, dass das rififvog das
Apollinische sei, theilen dürfen.
f) Leon. Als die Athener sich Epipolae's bemächtigen wollen, landen sie bei
Leon. Thuk. VI, 96 sagt: xaX Hadav avrovg nttvrl ijdfi t^ aTQutiv/uaTi ix rijg Ka-
ravrjg a^ovreg xaric tov jliovja xaXov/ntvoVf og anix^i rdSv *Eninoltov ^*f rj inrä ata-
dCovg, In den Worten a^ovreg xatd liegt, dass Leon am Ufer oder in der Nähe des
Ufers lag. Die Entfernung von 6—7 Stadien nöthigt dann aber anzunehmen, daes es
an dem Meerbusen unmittelbar nördlich von Achradina gelegen war. Die hier an
einem kleinen Landungsplatze gelegene Casa delle finanze ist etwa 1400 meter vom
Abhänge von Epipolae entfernt. Der Ort kommt auch bei Liv. XXIV, 39 vor, wo
Marcellus hibemacula quinque milia passuum Hexapylo — Leonta vocant locum. com-
munit. Wenn 5 m. p. richtig wäre, müsste Leon nördlich von der Halbinsel Thapsud
gelegen haben. Wo ist nun der Irrthum oder Fehler, bei Thukydides oder bei Livius?
Letronne und Serradifalco nehmen einen Irrthum in den Zahlen bei Thukydides an
(Letronno p. 63. 64, gebilligt von Serrad. IV, p. 78), und wollen statt g'{ C" lesen:
W ri X(y d. h. 36 oder 37 statt 6 oder 7. Sie führen für ihre Meinung an, dass die
Syrakusaner, wenn die Athener nicht nördlich von Thapsos gelandet wären, die Fahrt
Holm; Goflch. Sioilions. IL 25
386 Anhanj^ IL Topographisches.
der ihnen so sehr nahe kommenden Feinde hätten bemerken müssen, und dass ja
zuerst die Fnsssoldaten in Leon landen und dann die Flotte in Thapsos einlauft,
woraus zu schliessen sei, dass Leon nördlich von Thapsos liege. Indess sind diese
Gründe nicht zwingend. Die Soldaten kOnnen zuerst südlich von Thapsos landen
und dann die ganze Flotte bei Thapsos selbst vor Anker gehen. Was aber das Be-
merken der Feinde betrifft, so sahen die Syrakusaner, wenn sie ausschautet, die
feindliche Flotte ebenso gut nördlich wie südlich von Thapsos, da von dem Nord-
rande von Tyche der ganze megarische Meerbusen offen vor dem Blicke daliegt.
Aber die Athener benutzten die Nacht, sodass das Ausschauen den Syrakosanem
nicht viel genützt hätte. Wenn aber die Athener die Nacht benutzten, so ' war es in
ihrem Interesse, möglichst nahe dem zu ersteigenden Punkte zu landen; denn wenn
die Seefahrt verborgen bleiben konnte, so wurde die Landung und der Marsch zu
Lande sicher nach Syrakus gemeldet. Also passte es vollkommen in den Plan der
Athener, an dem bezeichneten Punkte — Casa delle iinanze -^ unmittelbar nördlich
von Tyche zu landen, ca. 7 Stadieb von Epipolae. Man kann deshalb mit Cluver bei
Livius statt 5000 Schritte 1500 lesen, Bloomfield schlug 2000 vor. Möglich ist aber
auch, dass Livius aus Irrthum wirklich 5000 geschrieben hat. — Grote lY, S. 190,
der Leon nördlich von Thapsos setzt , hat vergessen zu erwähnen , dass dann die
Zahlen bei Thukydides nicht passen. Schubring spricht S. 632 der angeführten
Schrift: Bewässerung etc. von der Lage Leons, er sagt: „die Darstellung des Thu-
kydides stimmt nicht mit dem Terrain, denn am Meere liegen und zugleich 6 — 7 Sta-
dien vom Euryalus entfernt sein, ist unmöglich.^ Seh. substituirt hier Euryalus für
Epipolae, wozu ich keinen Grund finde. Von Epipolae ist die Casa delle finanze 7
Stad. entfernt, von Euryelos freilich mehr als 7 Stad., aber Thukydides spricht auch
nur von Epipolae Überhaupt.
g) Euryelos. Die Athener gelangen auf die Höhe von Epipolae »ata toi' EvQvt;-
lov, Thuk. VI, 97. Welcher Theil von Epipolae war nun Euryelos? Die ältesten For-
scher, Mirabella und Cluver, fanden den Euryelos in dem Kegel von Belvedere wieder,
der den westlichen Abschluss des grossen Dreieckes bildet, das Syrakus ausmacht
Bonanni (S. 90 der oben citirten Ausgabe) ist für Mongibellisi, d. h. für das E^asteil,
dessen wohlerhaltener Graben und Gänge ein so interessantes Beispiel der Befesti-
gungskunst des Alterthums abgeben. Dieser letzten Ansicht huldigen die meisten
Neueren, z. B. Serradifalco, auch Schubring. Nach dieser Ansicht war Euryelos ein
Theil der späteren Befestigungswerke von Syrakus, welche gerade hier zusanunen-
laufen und abschliessen. Dabei bleibt nur eine Schwierigkeit. Es heisst bei Diod.
,XX, 29 bei Gelegenheit der Belagerung von Syrakus durch die Karthager sur Zeit
des Agathokles von den Syrakusanem : ol 6k ix rrjs nohtag aia96fi€voi t^v introtar
Tetgaxoa^ovSf TtQosrä^avTsg xaralaßia&ai tov EvqviiIqv. Danach scheint der Euryeloä
ausserhalb der Befestigung gelegen zu haben, und man müsste annehmen, dass es
Belvedere war, denn in einer Festung von der Bedeutung derjenigen, 'die noch in
ihren Ruinen vorhanden ist, wird doch schon eine Besatzung gewesen sein. Niohta-
destoweniger ist klar, dass bei Thukydides unter dem Euryelos nicht Belvedere. zu
verstehen ist ; denn was sollte die Athener bewogen haben, soweit westlich die Höhe
zu ersteigen, da sie es weiter Östlich mit ebenso viel Nutzen thun konnten? Wenn
Diodor mit seiner Angabe Hecht hat und nicht anzunehmen ist, dass auch bei ihm
Euryelos das noch vorhandene Fort bezeichnet, so lassen sich die Gegensätae so
vereinigen, dass Euryelos zur Zeit des athenischen Krieges das ganze Westende des
syrakusanischen Platcau's, Mongibellisi und Belvedere umfassend, bezeichnete, sodass,
wenn es heisst, dass Epipolae xatä tov EvqvtiIov erstiegen wtfrde, man sich den
östlicheren Theil darunter denken kann. Bei Diodor würde dann der westliche zu
EuryeloB. Labdalon. Syke. Der Eyklos. 387
verstehen sein. EvQvrjXogf d. h. breiter Nagel, bezeichnet die über das nmliegende
Land erhöhte Gegend.
h) Labdalon. Nach ihrem ersten Siege über die Syrakasaner bauen die Athe-
ner (Thak. VI, 97) ein <pqovqiov inl rtß uiaß^altp in axQotg roig xQrjfivoi^ xiav *Eni-
noX(Sv oQtiv ngoQ xa Miyaga. Wo lag Labdalon? Manche haben gemeint, es sei das
mehr genannte^ Fort in Mongibellisi gewesen. Wie kommt es dann aber, dass es nach
der Zeit des Thukydides nicht mehr erwähnt wird, da es doch noch jetzt vorhanden
ist? Wir haben za beachten, dass es nach Thukyd. . in axQon roTg xQtjfivoTs ttov
^Eninolwv oQtäv tiqos xa StfyoQa lag. Das heisst nicht, wie man gemeint hat, auf
dem höchsten Punkte von Epipolae, sondern am Rande des Abhanges, nach Megara
hin, also am Rande des nördlichen Abhanges. Dies ist die Ansicht von Letronne,
Göller, Grote, Cavallari und Schubring, deren Ansetzungen nur wenig unter einander
abweichen. Schubring, Bewässerung etc. S. 629 bestimmt den Punkt so genau, dass
er sogar einen dort noch vorhandenen Brunnen von den Athenern im J. 414 v. Chr.
gebohrt sein lässt. Serradifalco IV, 81 giebt zu, dass Labdalon volto a Megara lag,
setzt es jedoch vom Nordrande entfernt, nach Buffalaro selbst. Cavallari, Zur Topo-
graphie von Syrakus, S. 23, findet hierin einen Widerspruch. Zur Entschuldigung Ser-
radifalco's kann gesagt werden, dass man von Buffalaro auch sehr gut nach Megara
sehen kann, sodass also der Ausdruck volto a Megara sich halten Hesse ; aber sachlich
passt die Ansetzung Serradifalco' s nicht. Denn bei der Einnahme von Labdalon durch
Gylippos sagt Thuk. VII, 3: ^v (f^ ovx inupavlg xoTg lid^vaCoig xo x^^Q^- Somit
kann es nur am Nordrand gelegen haben, der ein wenig niedriger ist als die Mitte
des Plateau's und deshalb von den Athenern in Syke nicht wohl ganz zu Über-
blicken war.
i) Syke. Es heisst bei Thuk. VI, 98 weiter: xataati^aavxfs iv tß AttßSahp (pvXa-
xtjv, i^^Qovv ngog x^v 2vxrjv ol ^A&rjvaToi fvancQ xad-eCofifvoi Hftx^aav xov xvxlov Sia
xdxovg. Es ist kein Grund, mit Letronne anzunehmen, dass 2vxrj und Tv^ri identisch
seien. Wie Achradina einen Ort bedeutet, wo wilde Birnbäume wachsen, so 2^vxfj
einen mit Feigenbäumen besetzten Ort. Vgl. St. B. s. v. 2vxij, wo noch andere Orte
dieses Namens aufgezählt werden. Es ist wahrscheinlich J^vxtj auf die Mitte des Ab-
hanges von Epipolae zu setzen und keine Veranlassung vorhanden , es mit Leake an
den Sttdrand des Plateaus, nach dem grossen Hafen zu, zu verlegen. Unserer Ansicht
sind auch Arnold und Grote, sowie Schubring, Bewässerung etc. S. 629.
k) Der Kyklos. Es würde nicht unpassend sein, wenn Thukydides mit diesem
Ausdrucke die ganze Einschliessungsmauer , welche die Athener bauen, bezeichnet
hätte, wenn sie gleich weit entfernt war, eine kreisförmige Linie zu bilden. Denn er
sagt z. B. III, 18 von Mitylene: negireix^Covai MnvXi^vriv iv xvxXti) anXtp x^lx^t und
die Einschliessungsmauer, wenn sie auch in grader Linie lief, sollte doch jedenfalls
die Stadt umschliessen. Aber Thukydides sagt VI, 98 ixilx^aav xov xvxXov Sia tdxovg,
und da die 'gesammte Einschliessungsmauer niemals vollendet wurde, so hätte Thuky-
dides, wenn er von ihr reden wollte, sagen müssen: ixsCxiCov; im Aorist liegt da-
gegen die Idee von etwas- Vollendetem , also ein einzelnes Werk , mithin das runde
Centralfort der Belagerungs werke. Dass ein solches einzelnes Fort gemeint ist, zeigt
besonders deutlich Thuk. VI, 102, wo Nikias iv avx<p wegen seiner Schwäche zu-
rückbleibt. Die richtige Ansicht ist in der That schon alt, da bereits Dukas unter
dem xvxXog in VI, 98 fiiQog xi xov SXov xvxlov verstehen wollte , Didot aber hat sie
in einer längeren Note besonders begründet. Auffallend könnte bei dieser Auslegung
der bestimmte Artikel xov vor xvxXov erscheinen, als sollte er andeuten, dass dieser
xvxXog etwas dem Leser bekanntes wäre, was er doch keinesweges ist. Aber zwei
andere thukydideische Stellen zeigen, dass auch sonst Thukydides den bestimmten Ar-
tikel braucht, wenn er auch nicht voraussetzen kann, dass die Leser den Gegenstand
26»
388 Allhang II. Topographisches.
kennen; so steht VI, 100 naga tijv nvlCda^ und VII, 53 Inl t^ x^^y% und' Über
Thor und Damm ist man nichts weniger als klar. Es kann also xov xvxXov Yon einem
noch nicht erwähnten, speciellen Bau nicht aufifallen. Wo sonst der xvxXog in der
Belagerungsgeschichte von Syrakus vorkommt, ist es ebenfalls das Bundfort; nur
VII, 2 macht Schwierigkeiten. Hier heisst es, es sei fast fertig gewesen ig tov
fifyav Xifxiva JmXovv Tit^os, r(p 6k äiltp rov xvxXov n^g xov TgcSyiXav hätten die
Steine dagelegen. Hier kann t^ aXXtp tov xvxXov nur die Mauer vom Kyklos nach
N. bezeichnen; also wäre xvxXos hier die ganze Einschliessungsmauer. So versteht
es Arnold, der also genOthigt wird, zwei Bedeutungen von xvxloi für Thukydides
anzunehmen. Grote IV, 192 n. 10 will das nicht. zugeben, und mit Recht, aber wenn
er es zu vermeiden gedenkt, durch die Erklärung x^ aXXip xov xvxXov bedeute ^r^-
Qot&t xov xvxXov, so erscheint das doch etwas gezwungen, und ich ziehe WölfifUn's
Conjectur vor: t^ dk ano xov xvxXov ngos xov TQtoytXov.
1] Einschliessungsmauer der Athener. Von dem Kyklos aus bauen die
Athener nach beiden Seiten, nach Norden wie nach SUden, Mauern, um Syrakus ab-
zuschneiden. VI, 99: IxtCx^CoP xo ngog ßoQ^av xov xvxXov xit^og, und VI, 101 : ano
xoir xvxXov Ixf^x^Cov x6v xQr\fjivov , xov vtiIq xov %.h>vg. In Betreff dieser athenischen
Mauern macht Cavallari, Zur Topographie von Syrakus S. 25 folgende Bemerkung,
ttber deren Bedeutung man sich klar werden muss: ^Es ist eine merkwürdige Er-
scheinung, wie sämmtliche Schriftsteiler über Syrakus sich aus Thukydides einen
Plan zusammengestellt haben, indem sie, ohne die Beschaffenheit des Landes zu be-
achten, rechts oder links über Berg und Thal ihre Mauern zogen. Mit genauer
Kenntniss des Terrains nehme ich an, dass Nikias diese Mauer nur da gezogen haben
muss, wo die Syrakusaner abgehalten werden sollten, nicht da, wo Mauern zu bauen
unmöglich und überdem unnütz war. Die Scala greca war durch eine Mauer bis
zum portus Trogiliorum abgeschnitten, und ebenso auf der Seite des grossen Hafens
nur die Strassen." Cavallari's Einwurf gegen eine vollständige Mauer ist also ein
doppelter, sie wäre nach ihm unmöglich und unnütz gewesen. Beides kann nicht
zugegeben werden. Wenn durch den niedrigen Wiesengrund zwischen Syrakus und
dem Anapos eine Strasse angelegt werden konnte, — und die helorinische Strasse
führte hindurch — so konnte von einem thätigen Feldherm auch eine Mauer, oder
wenigstens ein Wall mit einem Graben errichtet werden; und überall sonst, nämlich
da, wo Felsboden ist, hat ein Mauerbau keine Schwierigkeit. Das Werk war also
nicht unmöglich. Aber mehr noch: es wurde gerade nach dem grossen Hafen zu
wirklich ausgeführt. Thuk. VI, 103 sagt: ano xüv ^EnmoXtSv xal xov xgfifivoidovg
ttQ^df4€voi. tt7i€xtix^Co^ f^^XQ'' ^^^ ^(tXaaar\g ntx^i 6inXt^ xag Zvqaxovaag, Es wurden
also hier niaht bloss die Strassen abgeschnitten. War ein solches Werk nun zwei-
tens etwa unnütz? Wenn auf dem sumpfigen Grunde nur die Strassen abgesperrt
werden, so kann es immer noch solchen, die von aussen der Stadt Hülfe bringen
wollen, durch besondere Veranstaltungen , wie die Athener selbst sie anwandten, um
das syrakusanische Pfahlwerk anzugreifen (Thuk. VI, 101), gelingen, in die belagerte
Stadt zu kommen, und der Zweck der Einschliessung ist verfehlt. Die EiuBchliessung
einer Stadt muss eine absolut vollständige sein. Heutzutage, bei veränderten Waffen,
können wir eine solche durch eine Verbindung von Werken und Posten bewirken;
im Alterthum war das. nicht möglich; und dass die Griechen wirkliche Mauern um
die ganze Stadt bauten, die eingeschlossen werden sollte, sehen wir aus der Belage-
rung von Plataeae durch die Dorier. Nikias , der in der Belagerungskunst erfahren
war, verfuhr gewiss nicht anders. Somit dürfen wir allerdings annehmen, dass eine
fortlaufende Mauer von 7000 Meter Länge um Syrakus von den Athenern beabsichtigt
wurde. In Bezug auf einen Theil der Mauer ist noch Thuk. VI, 101 zu berücksich-
tigen : ixdx'Cov ol ^Ad-rivaloi xov XQTjfivov xov vntQ^ xov ^Xovg, og xtSv ^EninoXtiv xavxr^
EiDschlieBBungsmauer der Athener. Erstes syrakusanisches Gegenwerk. 389
TTQO^ Tov fifyav Xifxiva oq^, jc«l yntQ airtolg ßga/vrarov fyivsjo xaraßSoi ^la tov
ofiaXov xtti TOV ^Xovg ig top Xififva t6 niQiTeCxi'Ofia , nicht nur weil hier ausdrücklich
der beabsichtigte Mauerbau durch den IJumpf erwähnt wird, sondern auch weil die
ersten Worte besagen, dass die Mauer eine Strecke am Rande des Abhanges entlang
lief (h^tx'^^ 'or xQTjfivov) , was besonders Leake auf seinem Plane berücksichtigt
hat. Der Zweck dieses Verfahrens ist von Thukydides deutlich angegeben, man
wollte im Sumpfe so kurz wie möglich bauen und baute deshalb oben am Abhang
entlang, bis man den dem Wasser nächsten Punkt erreichte. Wir können so mit
ziemlicher Sicherheit die Punkte bestimm&n, Yon denen die doppelten Mauern aus-
gingen.
m) Erstes syrakusanisches Gegenwerk. Es war eine förmliche Mauer.
Thuk. VI, 99 sagt: hiixi^ov ovv i^el&ovTtg ano Ttjs OtfST^Qttg noXeiog UQ^ufuifvoi,
xaTfo&€v TOV MvxXov TtSv *ji&rjva{üiv fyxttQOiov Tfi^og ayovTfs, mit hölzernen Thürmen
und einem Pfahlwerke vor der Mauer. Lief diese Mauer nun nördlich oder südlich
vom xvxXog , und , wenn südlich , hoch auf dem Plateau oder tiefer, auf der unteren
Terrasse der Neapolis ? Diejenigen, welche angenommen haben, dass sie nördlich vom
xvxXog lief, sind wie Göller, Meinshausen u. A. durch die Bichtung der dritten Mauer
darauf gebracht worden , welche nach Thuk. VII , 7 ^fyQi roö fyxaQoiov Tiix^vg ge-
führt wurde und sicher nördlich vom xvxXog lief, da südlich von demselben die athe-
nische Einschliessungsm^uer schon fertig war. Hierbei wird nämlich vorausgesetzt,
dass das VII, 7 genannte iyxaoatov xtlxog eben die erste syrakusanische Gegenmauer
war, um deren Sichtung es sich jetzt für uns handelt und welche ja VI, 99 als
iyxaqfSiov TfTxog bezeichnet worden ist. Aber selbst diese Voraussetzung zugegeben,
die, wie wir sehen werden, keine Wahrscheinlichkeit hat, ist der Schluss kein sicherer,
denn es konnte sehr wohl, da der xvxXog in einiger Entfernung von der syrakusani-
schen Mauer lag, eine von Epipolae her gezogene, nördlich bei demselben vorbei-
fUhrende Mauer bis an ein stehen gebliebenes Stück einer anderen geführt werden,
welche südlich von dem xvxXog hatte vorbeigehen sollen. Wenn so die Schlussfolge-
rung, welche auf die Annahme einer nördlichen Richtung der ersten Gegenmauer der
Syrakusaner führte, keineswegs zwingend ist, so sind freilich auch die gegen eine
solche Richtung gemachten Einwendungen nicht zutreffend. Grote sagt FV, 702, da
dann die Gegenmauer genau über den Punkt geführt worden wäre, an welchem die
Athener damals arbeiteten, so hätte eine Schlacht erfolgen müssen, was die S3nrakn-
saner gerade verhindern wollten. Die Sache steht aber in Wirklichkeit etwas an-
ders. Die Gegenmauer hätte nur die Linie geschnitten, auf der die Athener bauen
wollten, ohne nothwendigerWeise den Punkt selbst zu treffen, an welchem sie bauten,
und wenn dann die Athener die Syrakusaner angegriffen hätten, so war dies etwas,
worauf, wie auch Grote S. 193 nach Thuk. VI, 99 ausführlich auseinandersetzt, die
Syrakusaner vollkommen gefasst waren. Was sie nicht wünschten, war nur eine
offene Feldschlacht , von der aber ein Kampf um eine Mauer wesentlich verschieden
war. Es ist also keineswegs unmöglich, dass die erste Gegenmauer der Syrakusaner
nördlich von dem Rundfort der Athener lief. Dennoch spricht die grössere Wahr-
scheinlichkeit für die südliche Richtung. Hier leistete sie dieselben Dienste wie nörd-
lich , d. h. sie verhinderte die Ausführung der Einschliessungsmaüer, und sie konnte
überdies leichter gebaut werden als nördlich vom xvxXog, da hier im Norden ein An-
griff von zwei Seiten möglich war , vom xvxXog im Süden, und von Thapsos her, wo
die Flotte noch war, sowie auch vom Fort Labdalon im Norden, während südlich
vom xvxXog der Angriff nur von diesem her kommen konnte. Wir halten also an dem
südlichen Lauf dieser syrakusanischen Gegenmauer fest. Genauer dagegen den Lauf
derselben zu bestimmen wird schwer halten, und wir werden nicht mit völliger Be-
stimmtheit ausmachen können, ob diese Mauer oben auf dem Plateau von Epipolae
390 Anhang II. Topographisches.
oder über die mittlere Terrasse der Neapolls lief. Letzteres ist von Leake vorge-
schlagen, der übrigens zu dieser Ansetzung genöthigt war, da er das athenische
Lager an den Südrand des Platean's von Epipolae gesetzt hatte. Ersteres hat Grote
angenommen, der seine Annahme durch eine allgemeine Betrachtung über den zweck-
mässigen Bau solcher Gegenmauem überhaupt begründet. Diese Auseinandersetzung
enthält viel richtiges, doch ist nicht alles richtig, und eine Besprechung derselben
wird hier auch von sachlichem Nutzen sein. Grote stellt den Satz auf, dass eine
solche Gegenmauer nicht allein die beabsichtigte Einschliessungslinie des Feindes
durchschneiden, sondern auch etwas haben müsse, worauf ihr Ende ruhe. Sonst hätten
ja, sagt er S. 702, die Belagerer weiter nichts zu thun, als längs ihrer Vorderseite
hinzumarschiren und um sie herum zu gehen. Es ist gewiss richtig, dass ihnen das
freistand; aber was war mit diesem Herumgehen für die Belagerer gewonnen? £s
handelt sich nicht darum , seine Truppen rechts und links von der Gegenmauer auf-
zustellen, es handelt. sich darum, die Einschliessungsmauer zu vollenden. So lange
die Gegenmauer dasteht und die projectirte Linie durchschneidet, ist aber die Vollen-
dung der Einschliessungsmauer unmüglich ; denn man müsste die GegeHmauer in einem
Bogen umgehen und die Vertheidiger würden ihre Gegenmauer wahrscheinlich schneller
fortsetzen als die Angreifer den Bogen vollenden könnten. Also ist die Existenz
einer die projectirte Linie durchschneidenden feindlichen Mauer an sich, ein genü-
gendes Hindemiss für die Ausführung der Einschliessungsmauer. Diese Gegenmauer
muss somit erst vernichtet werden, damit die Belagerungsarbeit fortschreiten kann.
Nun ist es vollkommen richtig, dass es leichter ist, dieselbe anzugreifen und somit
auch sie zu vernichten , wenn man sie umgehen, d. h. von zwei oder drei Seiten zu-
gleich angreifen kann, und daraus folgt, dass es für den Vertheidiger wttnschenswerth
ist, ihr am Ende einen Stützpunkt zu geben, den Grote in dem steilen Abhang, den
sie errieicht haben soll, findet. Man kann hinzufügen, dass die Erreichung eines
solchen Stützpunktes die Festigkeit der letzten syrakusanischen Gegenm&oer bewirkte,
welche Demosthenes so unglücklich zu umgehen suchte. Aber einerseits weist die
Eroberung der ersten Gegenmauer darauf hin, dass ihr dieser Stützpunkt gefehlt
haben wird , und zweitens muss man sagen , dass ein solcher nicht unbedingt noth-
wendig ist. Eine solche Gegenmauer ist doch nicht eine blosse schmale Wand. Sie
musstc eine obere Fläche haben, die nöthigenfalls eine kurze Zeit nach beiden Seiten
hin vertheidigt werden konnte, und überdies waren Palissaden davor, und zwar, wie
wir annehmen müssen, auf beiden Seiten. Man bedenke nur, dass diese Mauer doch
auch während des Baues vertheidigt werden muss. Wie sie also geschützt werden
kann und muss, ehe sie einen festen Endpunkt haben >kann, so muss sie auch später
noch geschützt werden können, ja von dem Augenblicke an, wo nicht mehr daran
gebaut wird, können um so mehr Kräfte zu ihrer Vertheidigung verwandt werden,
dieselbe wird also um so leichter. Wenn es hiemach keineswegs nothwendig ist, dass
die erste syrakusanische Gegenmauer bis zum Rande des Plateaus, wie Grote meint,
ging, so lässt sich überdies aus der thukydideischen Schilderung ihrer Eroberung, zu
deren Erläuterung wir jetzt übergehen, nachweisen, dass sie einen solchen Stützpunkt
ofifenbar nicht hatte. Nach Thuk. VI, 100 ist das athenische Heer zu dem Angriffe
in 3 Theile getheilt. • 300 Auserwählte und einige leichte Truppen eilen ngog ro imo-
TfCxiOfia^ von dem übrigen Heere die Hälfte n^os r^y tiqXlv ti inißofi&oTev, die andere
Hälfte n^os to aravQWf^a to na^a xriv nvXlöa, Von den 300 heisst es alsdann at^ovoi
ro QjavQOf/jia, welches also identisch mit dem v7ioj€Cx*>OfAa ist, und wovon das atav-
Qvj/jia TO nmga tr^v nvlCda entweder ganz verschieden oder nur ein einzelner Theil
ist. Wenn aber das atavQt^/jia, das die 300 nehmen, als identisch mit dem vTrortix^Ofut
gelten soll, so kann das nur so zu verstehen sein, dass sich vor der Mauer eSne Pa-
lissade befand, eben dieses acavQiofia, deren Eroberung, wenn auch nicht mit Noth-
Erstes syrakusanisches Gegenwerk. Zweites Gegenwerk der Syrakusaner: 391
wendigkeit, so doch in diesem Falle in Folge von Nachlässigkeit der Besatzung {afn-
XdSc (fvXaaaovTttg), den Verlust der Mauer selbst, die hier vnojs(x^a[Aa heisst, zur
Folge hatte; wie denn bei Thukydides nach der Einnahme des üravQmfxa die Mauer
selbst gar nicht erst erwähnt wird. Wenn nun die Mauer einen festen Endpunkt
hatte , und also nur Ton einer einzigen Seite angegriifen werden konnte , so war ja
mit der Eroberung der Palissade die Mauer selbst noch nicht verloren, sondern erst
zu erstürmen. Thukydides hätte berichten müssen, dass die Athener auf oder hinter
sie kamen ; er sagt aber nichts derartiges. Wir denken uns deshalb die Mauer umgeh-
bar, und auf allen Seiten, d. h. auf den beiden langen Seiten und auf der schmalen
durch eine Palissade geschützt, die bei einiger Aufmerksamkeit leicht zu verthcidigen
war , nach deren Eroberung jedoch die Mauer selbst nur mit grosser Mühe gehalten
werden konnte, und die im vorliegenden Falle von den überraschten Vertheidigem
zu schnell verlassen wird. Gerade das Mangelhafte dieser ersten Gogenmauer ist es
gewesen , was die Syrakusaner bewogen hat , die letzte so zu bauen , dass es nicht
so leicht war sie zu umgehen, und so hat wirklich die Mauer des Gylippos den er-
warteten Dienst geleistet. — Nun fragt sich noch, wo die nvUs war. Sie kann sein :
entweder eine Pforte im nQoriCytafia ntQi xov TffiEvirrjv, welches noch in demselben
Cap- erwähnt wird, oder eine in der syrakusanischen Gegenmauer, durch welche die
nothwendige Verbindung der Palissadenräume zu beiden Seiten derselben unter ein-
ander hergestellt wird. Um die Sache zu entscheiden, muss man bedenken, dass die
Syrakusaner in 3 Abtheilungen getheilt werden, und ebenso die Athener sich in
3 Theile theilen, welche also offenbar gegen die 3 Abtheilungen der Syrakusaner zu
Operiren bestimmt sind. Die Syrakusaner sind theils xara axfjvag, theils bewachen
sie afieldSg das aravQWfjta ^ theils sind sie in der Stadt, die Athener rücken theils
gegen das vnoxUxtoua oder flrravpm^a, theils gegen die Stadt, theils gegen das ornu-
QOifAa to naga jrjf nvXlÖa. Hiernach scheint es mir klar, dass, wo die axrjvai sind,
auch die nvXJg ist. Wenn man nun das nQonlxiOfm um den Temenites als nicht
zur Stadt gerechnet betrachtete, so könnte man annehmen, dass axtfvcfi und nvk^g in
diesem nQot^CyjofAa gewesen seien; doch ist das unwahrscheinlich; der Temenites
wird mit zur Stadt gerechnet sein. Ich bin deshalb der Ansicht, dass die axrivaC sich
südlich von der Gegenmauer befanden. So ist die Anordnung der Syrakusaner am>
verständigsten: die Hauptmasse in der Stadt, eine grosse Abtheilung in Zelten im
Freien hinter der Gegenmauer; einige innerhalb der Palissaden. Die in und bei den
Zelten beiipdlichen konnten trotz der Gegenmauer von den Athenern gesehen wer-
den, weil diese sich in höherer Stellung befanden. Dann ist die nvUs in der Gegen-
mauer. In der That muss ein Thor in derselben sein, damit die rechts und links
von derselben befindlichen Vertheidiger bequem mit einander verkehren und sich
gegenseitig zu Hülfe kommen konnten. So war es auch natürlich, dass die Athener
gerade gegen dieses Thor einen besonderen Theil ihrer Macht dirigirten ; konnte scs
schnell genommen werden, so waren die in den Zelten dahinter befindlichen Feinde
verhindert schleunigst auf die andere Seite der Mauer zu gelangen, und der allge-
meine Angriff auf das atavQto/Aa konnte leichter gelingen , wie es denn auch in der
That geschah. Nach dem soeben Entwickelten schehit mir die grössere Wahrschein-
lichkeit denn auch für einen '^ehr oberen Lauf der Gegenmauer zu sprechen , die ja
auch von der Temenitesbefestigung ausging, w>fttr der Beweis in dem Umstände liegt,
dass die siegreichen Athener zusammen mit den fliehenden Syrakusanem in diesen
Bezirk eindrangen. Leake hat das bei seiner Ansetzung der Gegenmauer übersehen.
n) Zweites GegenW'^erk der Syrakusaner. Bei diesem, das in der Niede-
rung durch den Sumpf angelegt wurde , ist es ebenso wenig ersichtlich, dass es , wie
Grote annimmt, bis zum Anapos reichte, wo nach seiner Meinung der Abschluss war.
Dj^ Imperfecta nTnarav^ovy und naqtoQvaaov (Thuk. VI, 101) deuten vielmehr an,
392 Anhang 11. Topographisches.
dass, während noch gearbeitet wordß, der Angiiff del- Athcftier geschah. Bei der
ersten Mauer war dagegen, nachdem das Imperf. hktxiCw gebraucht war, ausdrück-
lich gesagt ( c. 99 ) , dass die Sjrrakusaner mit der Arbeit inne hielten. Sie hatten
schwerlich nOthig, bis zum Anapos zu bauen.
o) Fortsetzung der athenischen Werke. Als die Athener auch das zweite
syrakusanlsche Gegenwerk genommen hatten, unterliessen sie den Weiterbau der Nord-
mauer nach dem Trogilos und bauten nach SUden zum grossen Hafen hin eine ICaaer,
die nur unmittelbar am Hafen noch nicht vollendet war, als Gylippos ankam. . Dass
die Mauer nach dem grossen Hafen einen Theii der beabsichtigten Binschliessimgs-
mauer ausmachte, kann keinem Zweifel unterworfen sein, und es brauchte nicht aus-
drücklich erwähnt zu werden, wenn nicht Ullrich in seinen auch später noch zu
besprechenden Beiträgen zur Kritik des Thukydides 3. Abth. Hamb. 1852. S. 23 darüber
eine andere Ansicht auszusprechen schiene. Er sagt, die Athener machten ,4eme von
dem eigentlichen xvxlo^ (Ullrich fasst den uvxXo^ als Einschliessungsmauer, nicht als
Rundfort auf) Jino tov xvxkov^ den Anfang mit der Mauer von dem südlichen steilen
Rande der AnhOhe Epipolae nach dem grossen Hafen.'' Ullrich hat hier Thok. M,
101 im Auge, und aUerdings haben auch Andere die hier von Thukydides gebrauch-
ten Worte : rp <r vatigaCtf ano rov xvxXov hklxi^ov ol l4^t aioi rbv XQinnvoy rot* vn^
TOV fAoi/f so verstanden (Arnold und Grote VI, 195) : die Athener begannen in eini-
ger Entfernung von ihrem Kreise den Felsen über dem Sumpf zu befestigen , und
Grote denkt sich die Sache so, dass Nikias, ohne erst das Stttck vom xvxXos zum
Abhang zu bauen, zunächst den Abhang befestigte. Mir scheint das nicht nothwen-
dig; aber dabei ist doch xvxlog als Rundfort genommen; wenn aber Ullrich xnr/oc
als Einschliessungsmauer auffasst und doch die Mauer am Rande als „fem von der
Einschliessungsmauer^ laufend, und demnach „nach dem grossen Hafen^ gehend, wss
doch gerade die Einschliessungsmauer erst recht thun mtisste, betrachtet, so sind
das innere Widersprüche. — VH, 2 heisst es bei Thuk. inra fikv rj oxrc» ara^iw
^6rj aTKrttiXtCTO tots ^AB^rnva'Coig ig rw /aiyav kifiiva JinXovv relxos, JiXiiv xarie ß^xV
T« To xaja d-dXaaaav, d. h. die Mauer vom Abhang bis zum Meer war 7 — 8 Stadien
lang. Da nun der Abhang westlich vom Theater in gerader Linie circa 1500 Meter
= 7V2 Stad., vom grossen Hafen entfernt ist, so muss man auch aus diesem Grunde
annehmen, dass hier die doppelten Mauern gezogen wurden.
p) Dritte Gegenmauer der Syrakusaner. Die Ankunft des Gylippos
machte die Syrakusaner wieder zu Angreifem. Sie erbauten eine neue Gegenmaner.
Thuk. Vn, 4 sagt hierüber : xal fitra Tavra heix^Cov ol Zvgaxoaun xai ol ivptftaxot^
dia rcSv ^EniTtoXiSv ano rrjs noXiotg ag^äfiivoi, avej tiqos to iyxagaiov , tki^og anX^vv.
Hierbei ist nur das zunächst vollkommen 9icher, dass diese Mauer nördlich vom
Rundfort lief; im übrigen ist Stoff zu manchen Fragen. Was heisst jfQos to iyxa^-
fffov? Am natürlichsten wäre, rei^og zu ergänzen. Aber das iyxä^atov rtixog, die von
Thuk. VI, 99 so bezeichnete erste Gegenmauer der Syrakusaner, war von den Athe-
nem niedergerissen worden (Thuk. VI, 100 : rijv te vnoteixiotv xttd^iXXov) ; wie kann
auf eine nicht mehr bestehende Mauer zu gebaut werden? Femer, die erste Gregen-
maner war von der Stadt aus gebaut worden (ano t^? otf^xiQag noXsutg a^|icju<n»i
VI, 99), wie kann die neue, welche die S3rrakusai}er wieder ano r^g noXetos a^£ir,u«vo<,
von der Stadt aus, bahien, 7i(fos t6 iyxuQaiop, auf jene erste zu laufen? VII, 4 steht
aifoi dabei, VI, 99 xarto^sv tov xvxXov, — Meinshausen in der citirten Schrift iS, 10
ders. und auf der Karte) denkt sich die neue Mauer so laufend, dass sie die Rich-
tung der alten, nicht mehr vorhandenen, schneiden muss, was an sich sachlich nicht
unpassend wäre. Wie ist dann aber weiter Thuk. VII, 7 zu verstehen, wo erzählt
wird, dass die Syrakusaner f*^X9*^ ^^^ iyxptgahv Teix^vg bauten? Das könnte nur den
Sinn haben, dass das iyxqgtnov Tclxog, auf welches zu früher gebaut wurde, jetzt
Fortsetzung der athenischen Werke. Dritte Gegenmauer der Syrakusaner. 393
erreicht wird. In dem Ausdrucke fAixQt t, e, r. ist aber offenbar die Andeutung eines
Endpunktes gegeben, nach dessen Erreichung man nicht weiter zu gehen braucht.
Kann einen solchen Endpunkt aber die Biohtungslinie einer nichrt mehr existirenden
Mauer abgeben ? Unmöglich kann „sie bauten bis zur Quermauer'' heissen : sie bauten bis
zu einem Punkte, der auf der Quermauer gelegen hätte, wenn sie nicht zerstört worden
wäre. Man müsste denn schon die weitere Erklärung, von Meinshausen (S. 1 1) annehmen,
wonach der Punkt, an welchem die neue Mauer die Linie der alten erreicht, zugleich
derjenige ist, wo diese die projectirte athenische Einschliessungsmauer vom Trogilos her,
für die schon die Steine bereit lagen, schnitt, sodass die neue Mauer, hier angelangt,
zwar nicht fertig, aber doch nun durch die Benutzung dieser Steine leichter zu vollen-
den war, und zwar gerade in der von den Athenern projectirten Richtung. Meins-
hausen giebt sodann auf seinem Plane diese Vollendung bis zum Trogiloshafeu als
seitdem wirklich ausgeführt an , und damit jväre dann allerdings Syrakus wohl ge-
schützt gewesen. Nur schade, dass uns mit dieser syrakusanischen Mauerconstruction
alle Hoffnung abgeschnitten wird, für die Operationen des Demosthenes auf Epipolae
und besonders für seinen nächtlichen Sturm eine vernünftige Erklärung zu finden!
Nach Meinshausen hat Gylippos einfach einen grossen Theil von Epipolae in der Ge-
gend von Tyche durch eine neue, der alten parallele, Mauer eingeschlossen. Nun
besteht aber die Bedeutung der Unternehmung des Demosthenes gegen Epipolae darin,
dass er durch diesen nächtlichen Marsch die Befestigungen der Syrakusaner, die von
vom nicht zu erstürmen waren, umging. Eine solche Umgehung ist aber bei der Meins-
hau8en*schen Mauer unmöglich ; denn sie schliesst überall ab, und man kann nicht hinter
sie kommen, ohne sie zu übersteigen. Somit; (UUt also die Erklärung von n^os ro iyxaQ-
aiöv und f^ixQ'' '• ^* ^* ^^ ^^^ ^^^ Meinshausen gewünschten Sinne als unmöglich in sich
zusammen, weil sie den Zug des Demosthenes unverständlich macht. — Serradifalco
lässt auf seinem hierhergehörigen Plan (tav. II) ebenfalls die dritte syrakusanische
Gegenmauer auf die erste zu laufen, deren Linien, wenn sie sich träfen, sich in einem
spitzen Winkel schneiden würden; aber man sieht nicht, was ein solches Bauwerk
nützen könnte, selbst für den Fall, dass die erste Quermauer noch ezistirt hätte,
was aber nicht der Fall war. Auf diese Weise kommt man also zu keinem befrie-
digenden Resultate. — Einen anderen Weg hat in seiner erwähnten Abhandlung
Ullrich eingeschlagen. Er liest statt ano tijg noXfios' «no rijg noXftas, fern von der
Stadt, und erklärt : „nach diesem nun zogen die Syrakusaner mit ihren Bundesgenossen
durch Epipolae, fem von der Stadt anfangend, auf die Quermauer zu eine einfache
Mauer" (S. 26). Es ist allerdings auffallend, dass während VI, 99 ano r^c otptiiQaq
7t6kf(og und VI, 101 ä(i^iifievoi. ano r^; noXetog nothwendig heissen : bei der Stadt
beginnend, jetzt dieselbe Redensart , mit verändertem Accent, das Gegentheil bedeu-
ten soll : fern von der Stadt beginnend. Aber unmöglich ist es nicht, und es steht
ja - auch ärto dabei , was freilich auch : nach oben heissen kann. Die Ullrich'sche
Construction ist für die Zwecke der Belagerung sehr passend , ihr Resulü^t ist eine
Mauer, wie sie später bei dem Sturm des Demosthenes als vorhanden gedacht werden
muss. Es kann auch das nicht als ein Hindemiss gegen diese Ansicht betrachtet
werden, dass Gylippos dann gewissermassen auf freiem Felde seinen Mauerbau an-
fängt, also an einer ungeschützten Stelle, welche die Athener jederzeit überfallen
konnten. Die Athener waren offenbar damals schon so eingeschüchtert, dass sie der-
gleichen Angriffe nicht mehr zu unternehmen wagten. Wie steht es nun aber mit
den Worten nQog ro lyxuQOiov und fi^XQ*^ ^^^ lynagaCov rtfyovg. Ullrich sagt hierüber
S. 26 : .,Diese neue Quermauer wurde damals also von den Syrakusanern durch Epi-
polae hin auf die Stadt zu gebaut , ziemlich im der Richtung von Nordwesten nach
Südosten, und zwar auf das frühere iyxaQaiov ruxog zu, welches somit von den
Athenern nicht gänzlich kann zerstört worden sein. Eigentlich war daher diese neue
394 Anhang II. Topographisches.
Qaermauer die Wiederholung der früheren, nar in grösserer Ausdehnung ausgeführt
and von der entgegengesetzten Seite ans angefangen. Hatte dieselbe ihren Zielpankt,
das Ende des früher von der Stadt aus in der Richtung nach Epipolae hin erbauieB
iyx. T. erreicht, so wurde dieses sodann natürlich seiner ganzen Länge nach bis zur
Stadt wiederhergestellt. Die neue Querm^uer lehnte sich wohl ohne Frage an die
Befestigungen , welche auf Epipolae waren , und verband diese wichtige Anhöhe mit
der Stadt , schützte ebensowohl Epipolae wie S3Takus und schloss die Athener von
dem Hafen Trogilos und überhaupt von der ganzen nördlichen Umgebung vollkommen
ab." Hier sind Widersprüche, ganz abgesehen davon, dass nach VI, 100 das erste
(yx.T. von den Athenern allerdings zerstört war. Diese erste Quermauer war nämlieh
von der Stadt aus über die athenische Einschliessungslinie hinaus geführt worden,
weshalb sie ja eben von den Athenern genommen werden musste. Wenn nun die
neue, nach Ullrich von der Höhe von Epipolae aus erbaute Mauer, das westliche Ende
der ersten Quermauer erreichen sollte , worauf dann diese „in ihrer ganzen Länge"
(Ullrich) wiederhergestellt werden musste, so kam sie nicht bei der athenischen Mauer
vorbei, deren Linie sie vielmehr erst auf der wiederherzustellenden Strecke der alten
Mauer schnitt. In Wirklichkeit aber geschah gerade das entgegengesetzte. Die 871a-
kusaner, welche nach Ulhich von Epipolae aus bauen , kommen zuerst bei der athe-
nischen Mauer vorbei (VII, 6: (tf&aaav naQoixüdo/a^aavrf;:) und gelangen erst später
(VII, 7) zum fyxa^ioy tuxog, also zu einem Punkte, der- nach der Ullrich'scheii An-
nahme östlich von der athenischen Mauerlinie sein würde, während in Wirklichkeit
die erste Quermauer westlieh von jener Mauerlinie geendigt hatte. Es kann also von
einem Herstellen des ersten iyx. r. „seiner ganzen LSnge nach" nicht die Rede sein.
Da nun so die von Ullrich selbst gemachten Voraussetzungen nicht zutreffen, so lasst
sich seine Erklärung nicht halten. Und unter allen Umständen scheitert die Annalnzh?
eines Baues von Epipolae her auf die erste Quermauer zu an den Worten /i^
Tov iyxagalov nix^v^* Sollen diese bedeuten: bis zu der nicht mehr existirenden
Qnermauer, so ist das unpassend, weil so kein Endpunkt entsteht; sollen sie aber
bedeuten : bis zu dem noch existirenden Stücke der alten Quermauer, so widerspricht
das Thuk. VI, 100, wonach diese von den Athenern zerstört worden ist. Wer wirü
auch glauben, dass die Athener, wenn sie das gefahrliche Werk ganz vernichten
konnten, es nicht gethan haben sollten?
Es scheint mir daher nichts anderes übrig zu bleiben, als die Worte nQog ro
iyxttQaiov VII, 4 und iti^ZQ* ''^^ iyxagaiov rHxovg VII, 7, wenn es möglich ist, anders
zu erklären. Das ist in der erstgenannten Stelle nicht schwer, wo wir mit Am<^d
u. A. annehmen können, dass n^oq to iyxaqaiov einfeuA bedeute, in die Qneie>
Schwieriger aber wird es, für die zweite Stelle eine passende Deutung zu finden. Da
hier nixovg dabei steht, ist an eine bloss adverbiale Bedeutung nicht zu denken. Es
ist von einer Quermauer jedenfalls die Rede; da es die erste nicht sein kann, so
wäre vielleicht an die bei Thuk. VII, 4 erwähnte zu denken. Mit andern Worten,
man könnte die gewöhnlich für eine in derselben Richtung^ fortgehende Mauer gehal-
tene in VII, 4 und 7 erwähnte in zwei verschiedene Mauern sondern. Das hat Orot«
S. 700. 707 gethan. Zuerst wird von der Stadt ans n^hg tB iyxuQfftov, in die Quere,
nach Westen* gebaut. Als dann aber Hülfstruppen gekommen sind, wird an dem
entgegengesetzten Ende , im Westen , der Bau begonnen , um nach Osten weiter ge-
führt zu werden und der im Osten begonnenen Quermauer ^u begegnen. Hierbei setzt
Grote voraus, dass als man im Westen begann, das VII, 43 erwähnte reix^afia auf
Epipolae , welches Demosthenes erobert, und ein besonderes Fort war, bereits bestand,
und dass die Mauer, welche nun von da nach Osten gezogen wird, das VII, 42. 4.1
erwähnte na^anCxtofAa ist. Als Resultat haben wir bei Grote wieder dieselbe höchst
passende Mauer, die wir schon bei Ullrich fanden und als einzig richtig bezeichnen
* Dritte Gegenmauer. Forts auf Plemmyrion. Letztes Lager der Athener. 395
mossten, und ein Vorzug der Grote'schen Erklärung vor der Ullrich'schen liegt darin,
tlass die Worte (^^XQ^ ^^^ fyxagaiov nt/ov^ jetzt eine gute Erklärung zulassen. Aber
68 sind andere Schwierigkeiten vorhanden, die theils in den Worten des Thukydides,
theils in den SachverhKltnissen liegen. Zunächst können schwerlich die Worte des
Thukydides VIT, 7 von einem Baue gedeutet werden, der plötzlich am entgegenge-
setzten Ende beginnt. VII, 6 ist noch die Rede von einem' Baue von Ost nach West; *
wie sollen die Worte ^vpftt^x^aav to Xoinov mit einem Male bedeuten, dass zwar
dieselbe Strecke|, aber in entgegengesetzter Richtung bebaut wird? Der Ausdruck ro
loinoy lässt im Gegentheil auf eine Fortsetzung in derselben Richtung schliessen;
sollte dieser Gedanke ausgeschlossen werben, so hätte hier etwas stehen müssen wie
oQ^dfAitoi avio oder ähnliches. Kurz , ein Wechsel der Richtung ist von Thukydides
auch nicht entfernt angedeutet. Was aber die Sache selbst anbetrifft, so muss man
fragen, was in aller Welt hätte denn die Syrakusaner bewegen können, statt an dem
begonnenen Werke weiter zu bauen, es plötzlich zu unterbrechen, um von der ent^
gegengesetzten Seite her zu beginnen? Wenn auch die syrakusanische Quermauer
schon bei den athenischen Werken vorbeigekommen war, so blieb doch den Athenern
wenigstens noch die Möglichkeit, durch einen grösseren Bogen dies vorgeschobene
Werk zu umgehen. Wenn also die Syrakusaner es überhaupt für nothwendig hielten,
diese Quermauer bis auf die Spitze von Epipolae zu führen, weshalb sollten sie oben
neu anfangen und sie gerade da , wo sie überhaupt am meisten nützte und am mei-
sten der Verlängerung bedurfte , ruhen lassen. Bauten sie dagegen einfach fort, so
erreichten «ie ihren Zweck am besten, und mit jedem Fuss Mauer, den sie mehr
bauten, erschwerten sie den Athenern ihre Aufgabe mehr. Daher pcheint es mir un-
möglich, Grote's Erklärung anzunehmen. Nun sind aber auch alle Möglichkeiten, die
Stelle zu erklären, erschöpft, und wir müssen voraussetzen, dass im Texte des Thu-
kydides : ^w(Tt£x'^0ttV TO- Xoinov roig 2v^xoa(ois fxixQ'- ^^^ fyxaQfsiov lei^ovs ein
Fehler vorhanden ist. Es wird aber alles einfach und klar, wenn ufyQi gestrichen
wird, das leicht wegen ded falsch verstandenen n^os to iyxaQCiov in VII, 4 als schein-
bar nothwendige Verbesserung in den Text gekommen sein kann. Dann heisst es :
Svv{r€£xtaav rb Xomov roTg SvQaxoaloig rov iyxaQa£ov xiCxovg^ d. h. sie halfen den -
Syrakusanem die noch übrige Strecke der Quermauer zu bauen. Jetzt ist alles ein-
fach. VII, 4 beginnen die Syrakusaner eine Quermauer, VII, 5 bauen sie daran weiter,
wie Thukyd. sagt: 6w tiop *EntnoXtöv , was gegen Ullrich hervorgehoben werden
muss , der S. 27 meint , .von der Stadt aus wäre eine sehr bedeutende Strecke nach
Epipolae zurückzulegen gewesen, während doch Epipolae da begann, wo Neapolis
und Tyche aufhörten ; VII, 6 kommt die Mauer bei der athenischen vorbei ; VII, 7
endlich wird der Rest, d. h. bis auf die Spitze von Epipolae hinauf, gebaut. — Im
Uebrigen nehme ich die Bestimmungen Grote's über die Befestigungen auf Epipolae
selbst, gerne an.
. q) Athenische Forts auf Plemmyrion. Hierüber berichtet Thuk. VII, 4.
Auf die Aehnlichkeit mit der Belagerung Toulon's hat Niebuhr aufmerksam gemacht.
r) Letztes Lager der Athener und Kämpfe daselbst. Als die Athener
den Lagerplatz am Plemmyrion aufgeben mussten, waren sie wieder auf den zwischen
ihren doppelten Mauern bei Syrakus selbst in dem Sumpfe Lysimeleia belegenen be-
schränkt. Dass sie hier und nicht anderswo am grossen Hafen sich aufhielten, wie
manche geglaubt haben ~ noch Letronne und Göller setzen das letzte Lager der
Athener an die von ihnen Daskon genannte Bucht — ergiebt sich aus mehreren
Stellen des Thukydides. VII, 37 sind sie natürlich noch in der Stellung zwischen
den Doppelmauem , da sie von zwei Seiten angegriffen werden , von der Stadt und
von dem'Olympieion her. VII, 46 erfahren wir femer, dass der Ort, wo die Athener
lagern, sumpfig ist: das ist eben die Gegend nördlich vom Anapos. Die einzige Ver-
396 Anhang IL Topographisches.
Sndening in der Aufstellung der Athener wird VII, 60 erwähnt. Vor der' entschei-
denden Seeschlacht beschliessen sie rä fiiv nixri tot avu (xlmetp, nghs <f avTaTg
taig vavalv anokaßovnq ^laretxfct/jiaTi oaov olov t* Ha^Kfrov roig re axev€üt. xal tois
aaSfvovifuf Ixavov y^via^ai^ tovto filv ifQovqiTv xtX, Das heisst: sie geben den obe-
ren Theil des Raumes zwischen den Doppelmauem auf und benutzen nur den unter-
sten am Hafen gelegenen. Endlich sehen wir zum Ueberflusse noch aus VIl, 78, dass
die Athener auf ihrem Rückzuge einmal den Anapos überschreiten müssen. Da sie
sich nun auf diesem Rü6kzuge nach Süden bewegen, so muss ihr letztes Lager nörd-
lich vom Anapos gewesen sein. — Wir haben nun die Aufgabe, den von Thuk. VII,
53 beschriebenen Kampf topographisch zu erläutern. Es findet zu gleicher Zeit eine
Seeschlacht statt, in welcher Eurymedon, der Befehlshaber des rechten athenischen
Flügels, getödtet wird und alle athenischen Schiffe an's Land getrieben werden, und
ein Angriff auf die athenischen Mauern. Als nun Gylippos sieht, dass viele athe-
nische Schiffe ausserhalb das athenischen Lagers an's Land getrieben werden, wünscht
er zugleich die an's Land Gestiegenen zu vernichten, und die athenischen Schiffe zu
erobern , was leichter geschehen konnte , wenn an der Stelle des Ufers , wo das be-
treffende Schiff strandete, Syrakusaner standen (r^^ yfjQ mXCag ovari^) , und begab
sich zu diesem Behufe mit einem Theile seines Heeres auf tV Xl^V^' Was und wo
ist diese /17A1)'? Letronne, der ohne Grund das athenische Lager in den innersten
Winkel der sogenannten Bucht Daskon verlegt, versteht unter der x^^V o^& ^^
Punta Caderini und lässt die Syrakusaner von hier , besiegt , durch den Anapos in
den Sumpf Lysimeleia getrieben werden (Letr. p. 72 ff.). G((ller (p. 76) und Serra-
difalco (IV, p. 84) stimmen ihm bei. Nun ist es erstens ein ganz gewaltiger Sieg,
wenn die Athener die Syrakusaner nicht bloss in den Fluss treiben, sondern noch
weiter in den dahinter liegenden Sumpf verfolgen; und sodann fällt die ganze An-
setzung in sich zusammen , sobald es feststeht, dass das athenische Lager nicht süd-
lich vom Anapos, sondern vielmehr nördlich von demselben war. Grote IV, 244
spricht sich über die xi^V nicht genauer aus. Schubring nimmt auf seiner Karte zur
Abhandlung Achradina und S. 24 derselben xv^ij als den Hafendamm, den Molo, der
'den syrakusanischen Kriegshafen im grossen Hafen nach dem Sumpfe Lysimeleia zu
abschloss. Dann scheint mir aber weder die Aufstellung der Syrakusaner daselbst,
noch ihre Verjagung in die Lysimeleia erklärlich. Wenn ein solcher Damm doH vor-
handen war, so war er dem athenischen Hafen so nahe, dass die athenischen Schiffe,
die in seine Nähe geriethen , auch in ihren Eükfen einlaufen konnten , und wenn 6y-
lippos dort stand und von den Tyrrhenern besiegt wurde, so konnte er sich in die
Stadt zurückziehen, ward aber nicht in den vielmehr vor als .hinter ihm befindlichen
Sumpf getrieben. Mir scheint ein Hineintreiben von der xv^ii in den Sumpf nur unter
einer Voraussetzung erklärlich. Die xv^V darf nicht ein in's Meer hinausragender
Molo oder eine Landspitze sein. Von dieser würden die Syratkusaner durch heran-
rückende Feinde stets nicht in den Sumpf am Lande, sondern nur in das Meer ge-
worfen werden können. Es muss ein Damm sein , welcher auf der einen Seite den
Sumpf, auf der anderen da^ Meer hat. Unter dieser Votaussetzung denke ich mir
die Sache folgendermassen. Das athenische Lager befand sich im Sumpfe (Thuk.
VII, 46), aber es umfasste nicht den ganzen Sumpf, der vielmehr nach Westen noch
über das Lager hinausging. Dieser Sumpf war aber vom Meere durch einen Damm
geschieden, auch in seinem ausserhalb des athenischen Lagers befindlichen Theile.
Diesen Damm suchen nun, westlich vom athenischen Lager, die Syrakusaner eiligst
zu besetzen, um die gerade hier an's Land getriebenen Schiffe mit ihrer Mannschaft
erobern und vernichten zu können. Da werfen sich ihnen von Osten her, aus dem
athenischen Lager heraus, die Tyrrhener entgegen, und es gelingt denselben die
Feinde zurückzudrängen. Die vordersten Syrakusaner, von den Tyrrhenern zurück-
Letztes Lager der Athener und Kämpfe daselbst. Heraklestempel. Rückzug. 397
getrieben, können auf dem Damme nicht nach Westen fliehen, da ihre Landsleute
hinter ihnen stehen und noch nach Yome drängen. So bleibt ihnen nur Meer oder
Sumpf zur Flucht. In's Meer können sie schon deswegen nicht , weil da die atheni-
schen Schiffe sind, welche sie «nehmen wollten; ^o müssen sie sich in den Sumpf
werfen. So geht es den ersten: n^osmacvreg xolg ngcirotg r^inovai xal isßdllovaiv
h tfiy XC(Avrj[v rriv AvaifAiktiav xalov/Aivtiy. Nun entsteht eine förmliche Sohlacht,
von beiden Seiten kommt Hülfe herbei, und die Athener siegen. Jetzt heisst eü
nicht weiter bei Thukydides, dass noch Syrakusaner in den Sumpf getrieben worden
wären ; als die erste Stockung im Andringen der'Syrakusaner einmal aufgehört hatte,
spielt der Sumpf weiter keine Rolle mehr. -- Dass ich den Damm westlich vom athe-
nischen Lager gesetzt habe , bedarf wohl keiner Erklärung mehr. Es handelte sich
um die Rettung der Schiffe, die ja grösstentheils nach Süden zu in Gefahr sehwebten.
Im Osten vom athenischen Lager war der syrakusanische Hafen schon nicht mehr
fem , und die athenischen Schiffe vwerden sich schwerlich besonders in diese gefähr-
liche Nähe gezogen haben.
s) Heraklestempel. Er kommt vor Plut. Nik. 24: tov J^ lomov o/loy farrjas
naga trjp d'uXaaaav 6 Nix£ag, ixXinatv rb fiäya argaTomdov xa\ rä t^Cx^ "^^ awanrovra
TiQog To 'H^axXuov^ Seltsamer Weise setzt man ihn fast bis auf die neueste Zeit an
die sogenannte Daskonbucht an die Stelle der modernen Kirche S. Maria Maddalena.
So schon Mirabella unter No. 94 , der dann unter No. 144 noch einen andern Hera-
klestempel annimmt. Hierüber verhöhnt ihn Bonanni 145 ff. und hält an dem einen
Heraklestempel an dem sogenannten Daskon fest. Seitdem i^t das gebräuchlich ge-
blieben; siehe Letronne auf der Karte und S. 69, Göller 74. 75, bei dem man recht
die Macht der Gewohnheit erkennt Man nahm nämlich fälschlich an, die Athener
hätten ihr letztes Lager am Daskon gehabt und setzte deshalb den Heraklestempel
dahin, und Göller sagt p. 75 geradezu, dass Thukydides „postremo ab Atheniensibus
Dasconem occupatum scribit, eorumque ultimum refugium fuisse^ ganz nach Letronne
71, obschon Thukydides kein Wort davon sagt. Noch Serradifalco hat den Herakles-
tempel am Daskon; bei Grote ist er endlich verschwunden, und auch Kiepert hat
ihn nicht mehr.
2.
Der Bückzug der Athener anter Nikias und Demosthenes.
a) Von unsem drei Quellen enthält am wenigsten darüber Plutarch in seinem
Nikias 26. 27 ; etwas mehr Diod. XIII, 18. 19 ; die Hauptquelle aber ist Thukyd. VII,
75—87. Diodor steht, wie wir sehen werden, in einem Hauptpunkte im Widerspruch
mit dem richtig erklärten Thukydides, dessen Zeugniss nach dem oben Bemerkten
allein anzunehmen ist, und den Diodor einfach missverstanden hat.
b) Ausgangspunkt des Rückzuges ist das letzte Lager der Athener; das
war aber, wie wir gezeigt haben (S. 395), in den Sümpfen nördlich vom Anapos, am
Hafen, zwischen demselben und der Höhe der syrakusanischen Epipolae.
c) Ziel und Richtung des Marsches. Diod. XIII, 18 sagt darüber ngo^oav
inl Xaravris, und da Plutarch nichts darüber sagt und Thukydides, wie wir sogleich
sehen werden, leicht auch in diesem Sinne verstanden werden kann, wenn man einige
Worte unrichtig erklärt, so haben manche die Ansicht Diodor's angenommen, und
Grote sagt z. B. IV, 260: „Sie sahen nun deutlich, dass der Weg, den sie sich ur-
sprünglich vorgenommen , über den akräischen Felsen in die sikelischen inneren Ge-
genden, und von da nach Katana, unausführbar geworden war.'' Aber Diodor's An-
398 Anhang II. Topograpliisches.
sieht ist folsch; die Athener wollten nicht nach Katane. Jene Ansicht ist entnommen
aus folgender Stelle des Thukydides, die, richtig erklärt, gerade das Gegentheil be-
weist. Thukyd. sagt VII, 80 : i}v rf^ jJ ^vfjtnaaa o^og attij ovm inl Kntmijg Tip otqu-
rtvfimt, ttkka xara to He^v fjt^Qog rijg 2txMag to nQog Kafiagiyar xal nicar xal
Tag TavTTf noleig xal ^EXXtjyiSag xal ßoQßtcQovg. Allerdings macht Thokydides diese
Bemerkung erst, als er bereits gesagt, dass der athenische Feldherr beschloss, abzu-
marschiren, ^rixiTt ttiv «vt^ 666vf r^ ^ifvotj&ijaav aila TovvavTiov ^ oc Jfi/^axoato«
hr^Qow TiQog rrjv ^alaaaap , nachdem nämlich die Athener vom 'JlxQixioy X^nag zu-
rückgewiesen worden waren; aber die Bemerkung des Thukydides bedeutet nicht,
dass die Athener anfangs , als sie auf das *AxQaTov Xinag zu marschirten , nach Ka-
tane gehen wollten; sie bedeutet vielmehr, dass sie schon damals, als sie ihren
Weg auf das ^Axq. Unag zu nahmen, nicht nach Katane, sondern nach Kama-
rina u. s. w. marschirten und dasselbe Ziel jetzt nur auf einem andern Wege erreichen
wollten. Dass dem so ist, beweist 1) der Ausdruck j^vfinaca. 666g avTii, der den
ganzen Rückzug zusammenj^st, imd sowohl t^v avzriv 6d6v des vorhergehenden, wie
das dann genannte xovvavr(ov in sich schliesst. Das Wort ^vfinaaa hätte sonst keinen
Sinn. 2) Die Oeschichte des gesammten Zuges selbst, w^che lehrt, dass die atheni-
schen Feldherren Hülfe im Südwesten, besonders von den Sikelem erwarteten, und
speciell die Bemerkung des Tbuk. YII, 80, sie wollten, am Kakyparis angekommen.
naQtt Toy noTa^6v dia (Aiooyiiag gehen, ^XthCov yaq xal Tovg 2^ixeXovg ravT^, org
fttTiniftipttVTOf anavTiiis€<j&ttt, Diese Bemerkung wird gemacht, als die Athener eben
in der Nacht den Marsch über den akrätschen Fels aufgegeben haben. Da war noch
keine Zeit gewesen, zu den Sikelern zu schicken und sie zu bitten, am Kak3rpari9
ihnen entgegenzukommen. Wenn sie die Sikeler'an den Kakyparis bestellt hatten.
so musste dies vorher geschehen sein, sonst konnte man keine Hoffnung auf 'Krfoig
hegen. In der That kamen sie noph an demselben Tage am Kakyparis an , den sie
allerdings, der syrakusanischen Posten wegen, nicht aufwärts verfolgten; somit konnte
eine Sendung zum Zwecke der Begegnung mit den Sikelern an diesem Flusse , erst
in der Nacht ausgeführt, einige Stunden bevor sie selbst den Fluss erreichten, un-
möglich etwas nützen. Es folgt hieraus, dass sie schon vorher die Sikeler an den
Kakjrpäris, d. h. an den oberen Theil desselben, bestellt hatten, und dies beweist
deutlich, dass sie gleich anfangs beabsichtigten, nach Südwesten hin abzuziehen und
nicht nach Katane. 3) wird dies bestätigt durch die Worte des Nikias in der Er-
munterungärede an die Athener, Thuk. YII, 77: xal rj^ avulaßiofi^&a rov tfilüH^
XfOQiov Tütv Sixddiv (ovToi yäQ tifxlv 6tä to Zv^axoa(<av Slog fri ßfßaitC €taiv)^ ^^^
vo^lCtTS iv t4» fx^9^ tlvai' nQonlnifinTai J* tag avxovg^ xal anavTav ft^tifM.ipor x«fl
aiTla aXXa xo^i^Hv, Hier ist erstens bemerkenswerth, dass von Katane gar nicht die
Rede ist, sondern nur von Sikelem, deren Orte *zu erreichen seien, und zweitens
haben wir hier gerade jene Sendung zu den Sikelem, anavtav ttqrifiivov, deren Er-
füllung, ttnavTTjata&ai , YII, 80 am Kakyparis erwartet wird. Es ist also erwiesen.
dass der Rückzug nach Thukydides nie auf Katane gerichtet war, und dass Diodors
Behauptung, das sei anfangs der Fall gewesen, auf einem Inihum beruht, dessen
Grund in mangelndem Yerständniss des Thukydides zu suchen ist. Diodor^e inl Km-
Tavfig ist dem inl Kaxavr^g des Thukydides entnommen. Endlich aber kann man noch
aus der Gestaltung des Terrains nachweisen, dass die Athener so ziehen mussten, wie
sie gezogen sind. Seit der Seeweg abgeschnitten war, war eigentlich keine Aassicht
für sie vorhanden, nach Katane zu gelangen. Waren sie erst einmal am megarischec
Meerbusen angekommen, so war die Sache freilich nicht mehr übermässig scfa-vrer.
Aber wie dahin gelangen? Ueber Epipolae und Belvedere war es unmöglich; es blieli
das Thymbrisgebirge (Crimiti) und die Senkung zwischen Grimiti und Belvedere.
Quer durch das Thymbrisgebirge zu ziehen, war mit einem Heere nicht thunlich, mHi
Ziel und Richtung des MarsclieB. Marsch in westlicher Richtung. 399
die Senkung zwischen Crimiti und Belvedere war natürlich von den Syrakusanem
besetzt. Denn aus YII, 74 wissen, wir, dass die Byrakusaner die Wege versperrt
hatten, y lixos riv rovg ^A^r^vtttovq tivat, und wo war es wahrscheinlicher, dass sie
zu gehen wünschen würden, als den Weg nach Katane? Da also bei den Athenern
darüber nicht der mindeste Zweifel obwalten konnte, dass der einzige Weg nach
Katane aufs beste versperrt sein würde , so mussten sie auf den Versuch , dahin zu
gelangen, verzichten und nach Westen oder Südwesten, mit unbestimmteren Ziel-
punkten, marschiren, in der Hoffnung, Städte wie Motyke oder Hybla Heraea zu
erreichen. Da wohnten Sikeler, mit denen sie sich in Verbindung gesetzt hatten.
Was die Athener thun wollten, wenn sie sich in einer Sikelerstadt in Sicherheit ge-
bracht hatten, davon wussten sie natürlich beim Antritt des Marsches noch nichts,
und deshalb kann die oben citirte Aeusserung von Grote, die Athener hätten in die
sikelischen Gegenden und von da nach Katane gehen wollen, auch nicht durch Hin-
weisung auf spätere Märsche vertheidigt werden, lieber die Wege, die in diesen
Gebirgsgegenden von einem Heere eingeschlagen werden können, giebt, wie wir sehen
werden, die Bodengestaltung Auskunft. Zunächst verfolgen wir die Athener auf dem
ersten Theil ihres Marsches.
d) Marsch in westlicKer Richtung. ^jixQaitnf JJnag, 1. Tag. Die Athener
überschreiten den Anapos, Thuk. VII, 76, d. h. sie geben vom linken auf das rechte,
südliche Ufer desselben. Dies würde, wenn es dessen bedürfte, einen neuen Beweis
abgeben, dass sie nicht nach Katane wollten. Sie marschiren an diesem Tage unge-
fähr 40 Stadien und lagern nQog kotftp jivC, Thuk. VII, 78. 2. Tag. Sie machen circa
20 Stadien und lagern an einem ebenen Orte, x^Q^^^ itnedov, wo noch Wasser zu
finden war, was von nun an oim atp^ovov sein musste. Das heisst, nun kam das
Gebirge, dessen Schluchten im Sommer kein Wasser führen. 3. Tag. Sie kommen in
diä Nähe des ^u4xQaiov Unag, dessen Entfernung vom letzten Lagerort nicht angege-
ben ist. Wo war nun der Aoipo^, der Lagerplatz der ersten Nacht, und das x^9^^^
anedovj der Ruhepunkt der zweiten? Es lässt sich ziemlich genau bestimmen. Wenn
wir von den Punkten, wo wir uns die Westmauer des athenischen Lagers denken
müssen, 40 Stadien weiter nach Westen gehen, in der Richtung, in welcher wir uns,
wie wir sehen werden, den akräischen Felsen zu denken haben, so kommen wir auf
die Hügel südöstlich von Floridia, hier lagerten also die Athener die erste Nacht.
20 Stadien weiter westlich befinden wir uns am Eingange der Schlucht, die zum
^AxQttlov Xinag führt, hier ist Ebene, hier war das zweite Nachtlager. Wo war nun
das ^jixQaiov Xinagl Wir können hier nicht auf die Widerlegung älterer über diesen
Gegenstand aufgestellter Ansichten eingehen; dass es z. B. nicht im Crimitigebirge
gesucht werden kann, ist für jeden klar, der mit uns den ganzen Zug nicht nach
Katane, wie Diodor meinte, gerichtet ansieht. Nun sagt Thuk. VII, 78 über das
^uixQotov linag: ol ^i Zvgaxooioi, h Tovttfi TtQoel&ovreg rriv tSCo^ov rtir iv r^ ngoa^iv
an^nCxiiov riv Si X6(pos xttQTfQog xal ixatigta&iv avTOV x^i^^^Q"^ XQij/Avti^tig, ixaXfiro
^k läxQaiov X4nag. Das ^Axqalov Unaq ist also eine auf beiden Seiten von Abgrün-
den eingefasste Anhöhe, über die der Weg führt, und die die Athener, da sie von
den Syrakusanem besetzt ist, zu erstürmen haben, um ihren Marsch fortsetzen zu
können. Am 3. Tage kommen sie nicht einmal ganz dahin; sie müssen schon früher
umkehren , auf beiden Seiten von Feinden umschwärmt. Am 4. Tage gelangen sie
wirklich zum *jixQali^ Xinug, können es aber nicht erstürmen; die Syrakusaner be-
schiessen sie von ihrer höheren Stellung aus zu ihrem grossen Schaden. Ja, als sie
sich zurückziehen müssen, macht Gylippos sogar den Versuch, ihnen den Rückweg
abzuschneiden. Nun ist folgendes zu beachten. Das Bergland westlich von der Küste
bildet ein hohes Plateau, in das verschiedene ' schluchtenartige Thäler einschneiden,
welche die auf das Plateau führenden Wege bilden. Diese Wege sind so sehr von
400 AnhftDg II. TopographiBcbes.
der Natur yorgezeichnet, dass man anch jetzt noch keine anderen wähien kann. In
einer dieser Schluchten mussten also die Athener hinaufsteigen. Unter den vielen
dort vorhandenen haben sie aber, wie wir ans Thukydides gesehen haben, eine ge-
wählt, welche sie bald auf eine zu beiden Seiten von Abgründen eingefosste AnhOhe
führte. Wenn wir diese Voraussetzungen berflcksichtigen, so ist keinem Zweifel un-
terworfen, dass der am westlichen Ende der Cava di culatrello genannten Sehlacht
im ex-feudo Monasterello gelegene Berg das läxgtttoy Xina^ ist. Denn dies ist der
einzige Berg dieser Gegend, über den die Strasse so hinaufführt, dass sie eine Strecke
weit auf beiden Seiten von Abgründen elngefasst ist — ixari^m&ev x^Q^^Qo- xgfi/jtvMijg
bei Thukydides. G. Italia-Nicastro, Ricerche per Tistoria dei popoli Acrensi. Oomiso
1873. 8. p. 53 hat offenbar dieselbe Cava im Auge, die er jedoch mit dem wahrschein-
lich gebräuchlicheren Namen Cava Spampinato nennt; den Aufgang, das eigentliche
*uixQalov Unat, nennt er Salita delle forche. Dass sie aber gerade diesen Weg wähl-
ten, kam daher, weil er am frühesten aus den Schluchten heraus auf das Platean
führte , denn mit dem von uns ftir das *Axq, Jt. erklärten Berge beginnt der Weg auf
der Höhe zu laufen. Vor dem Eingange jener cava im Osten hatten die Athener
' noch in der Ebene gelagert. Durch die cava versuchten sie am 3. Tage vergebens
zum *ji*Q. 1. vorzudringen. Als sie aber am 4. Tage vor dem verschanzten *^x^Af«r
Unag umkehren mussten, da hatten die Syrakusaner, die Oertlichkeit benutzend, die
cava , durch die die Athener wieder ihren Rückzug nehmen mussten, besetzt, um sie
auf diese Weise zu fangen, VII, 79 n4fjinovoi fiiQog n rijg argaruls anorfixiovrras mv
ix rov onta&fv aviohg rf ngosJitiXvd'eaav; solches anorfixlCf^^ setzt aber eine Schlucht
voraus. Doch schlugen sie sich durch und lagerten am Ende des 4. Tages wieder
in der Ebene, avtix^^Q^^^^'^^S n^g to n^dCov fiaXlop ol *J!&rivatoi rfvXlaarro. Am
5. Tage rücken sie ,von neuem vor — nQovxtogow, Thuk. VII, 79, aber von des
Syrakusanem stets umschwärmt, nur 5 oder 6 Stadien ; d. h. da sie in der genannten
Cava nicht auf die Höhe des Plateau's kommen konnten, so versuchten ne es in einet
anderen benachbarten. Jedoch vergebens, sie mflssen wieder h r^ ne^f^ ein Lager
aufschlagen.
e) Fortsetzung des Marsches in veränderter Richtung. Die Athener
beschliessen, in dieser Gegend keine weiteren Versuche mehr zu machen, sondern auf
den am Meere entlang führenden helorinischen Weg sich zu begeben. So entgingen
sie für's erste den Syrakusanem , und ftir ihren weiteren Abzug war es kein Nach-
theil, denn weiter im Süden fehlt es nicht an Schluchten ähnlicher Art, durch die
man auf die Höhe des Plateau's gelangen kann. Sie gingen, wahrscheinlich in der
Nähe des Gebirges sich haltend, nach Südosten zu, nach dem helorinischen Wege,
den sie südlich von der Halbinsel Plemmyrion erreicht haben werden. Am Kakyparis,
dem heutigen Gassibili, wollten sie in die HOhe ziehen. Diese Wahl war eine sehr
gute, denn in der That bildet das Thal dieses Flusses, jetzt Cava grande genannt,
den tiefsten Riss in der Wand des Plateau's, und somit die beste Gelegenheit, «fr«
(fitt fAiaoy€£ag,Thuk. VII. 80, zu gelangen. Am 6. Tage aber fanden sie den Auf-
gang von' einem syrakusanischen Posten versperrt , der ihnen sogar t6v nogov^ den
Uebergang über den Fluss, verwehren wollte. Sie überwanden ihn aber und zogen
weiter, jedoch nicht am Flusse hinauf. Warum nicht? Das lässt sich nicht entschei-
den. Sie gingen auf dem helorinischen Wege weiter zum Erineos — tavtf^ yicp o«
iy$fÄovBg ixäXivov, d. h. die des Weges kundigen Führer, denen sie sich anvertrauten.
f) Untergang des athenischen Heeres. Nun erzählt Thukydides c. SJ,
wie die Syrakusaner ihren Abmarsch nach Osten merken und ihnen nacheilen, and
um Mittag — ntQl uQiarov digav — den weiter als Nikias zurückgebliebe'tien De-
mosthenes erreichen. Wo fand dessen Vernichtung statt? Nach Thuk. VII, 81 war
um diese Zeit das Heer des Nikias iv ttp ngoff^ev xal nevr^xovTa axaSiovg entfernt
Unt^rf^ngf des athenischen Heeres. 401
und wir lernen ans YII, 82, dass Nikias an diesem Tage nur bis zum Flusse Erineos
gelangte. Nun ist der Cassibili vom Cayallatn, dem alten Erineos, kaum 1 deutsche
Meile — 40 Stadien — entfernt. Wenn also Nikias, der dem Demosthenes, als dieser
zum Halten gezwungen wurde, 50 Stadien voraus war, auch nur 20 Stadien von der
uQlarov toQa bis zum Abend machte, so ergiebt sich, dass Demosthenes, als er von
den Feinden erreicht wurde, 70 Stadien — 13/4 deutsche Meile — nördlich vom Ca-
vallata sich befand, d. b. 30 Stadien — 3/4 deutsche M. nördlich vom Cassibili oder
Kakyparis, mit anderen Worten, dass die Bewältigung des syrakusanischen Postens
am Kakyparis von der Abtheilnng des Nikias allein ausgeführt wurde, und dass
Demosthenes noch nördlich vom fi[akyparis gefangen genommen worden ist. Nicht we-
sentlich anders wird das Resultat, wenn wir mit Leake in den oben citirLen Topographi-
cal and historical notes on Syracuse (Transactions of the Boyal Society of Literature.
Second series. Vol. HI. p. 325) annehmen, dass der Erineos nicht der Oavallata, son-
dern der Falconara gewesen sei. Da der Falconara circa 20 Stadien südlich vom
Cavallata fiiesst, so bekommen wir für die Entfernung des Kakyparis vom Erineos
(Cassibili vom Falconara) 60 Stadien, und wir würden unter denselben unbestreitbaren
Voraussetzungen , die wir so eben gemacht haben, die Vernichtung der demostheni-
sehen Abtbeilung 10 Stadien ~ 1/4 deutsche M. nördlich vom Kakyparis -anzusetzen
haben. Unter allen Umständen steht also fest, dass nur Nikias den Kakyparis erreicht
hat, wie auch Grote IV, 261, wenn gleich mit nicht ganz entschiedenen Worten, an-
nimmt. Leake, der den Falconara für den Erineos- erklärt, ist dann weiter gezwun-
gen, den Aüsinaros mit dem Heloros zu identificiren. Das ist indess äusserst un-
wahrscheinlich. Der Heloros kommt so oft bei den alten Schriftstellern vor; wie
sollte man annehmen dürfen, dass er auch noch den anderen Namen Assinaros hatte?
Denn man wird doch nicht darin eine Spur der Identität beider Flüsse finden wollen,
dass, während nach Plut. Nik. 28 ein Fest Assinaria zur Erinnerung an den Sieg
über die Athener in S3n>akus gefeiert wurde, bei Hesychios von einem 'EXtugiog aytor
die Rede ist. Nun ist sonst weiter keine Schlacht am Heloros bekannt, als die, in
der Hippokrates von Gela die Syrakusaner besiegte (Bd. I, S. 201], und man kann
allerdings fragen, ob denn anzunehmen sei, dass die Syrakusaner diese Niederlage
durch ein Fest gefeiert hätten? Indess selbst hierdurch lässt sich die Identificirung
von Heloros und Assinaros nicht plausibler machen, als sie an sich ist. Leake nimmt
ausserdem noch an, dass die Athener unter Nikias zuletzt den helorinisohen Weg
verliessen und mehr nach Westen zogen, um nicht nach Heloros zu kommen, das
wahrscheinlich mit Syrakus verbunden war. Bei Leake's Annahme der Identität von
Assinaros und Heloros ist allerdings eine solche Abweichung sehr wahrscheinlich;
wenn indess Leake's Hypothese nicht gebilligt wird, spricht nichts dafür. Es scheint
Leake der Falconara nicht Wasser genug zu haben, um für den Assinaros gelten zu
können. Aber wie vielen Erdbeben ist seitdem das Land ausgesetzt gewesen, die
sehr wohl auf den Wasserreichthnm der Flüsse Einwirkungen ausüben konnten I Auch
die fortdauernde Entwaldung hat einen ähnlichen Einfluss ausgeübt.
Holm, Oeecli. Sieilians. iL 26
fi»
402 Anhaug III. Belege und Erlttuteniiigen.
ni.
Belege nnd £rlänterniigen.
Viertes Buch.
Erstes Kapitel.
^ S. 2. Bevülkeriingszahl Siciliens. lieber diesen Gegenstand finde ich
nach AbschhiBS meiner eigenen Untersuchungen, Zusammenhängendes bemerkt nnr
von Brunet de Presle p. 453 ff., und von 0. Siefcrt, Excurs I seiner Abhandlung:
Die Sklavenkriege. Alt. 1860. 4. Die Data, auf welche man sich stützen kann, sind
dadurch etwas unsicher^ dass sie nicht alle derselben Zeit »ngehOren. Im allgemeinen
sagt von den sicilischen Griechenstädten Alkibiades bei Thuk. VI, 17: o/üorc ^vfi-
fAUrotg nolvavÖQQvaiv. Sodann ist folgende Bemerkung speciell ftlr den vorliegenden
fv Gegenstand nicht ohne Wichtigkeit. Die Angehörigen der verschiedenen sicilischen
Staatsgemeinden {Tioliig) hatten nicht tiberall sämmtlich ihren Wohnsitz in der eigent-
lichen Stadt; die Gebiete der grösseren Städte, vielleicht der meisten überhaupt,
umfassten Kastelle, (pQovQia, in denen nicht bloss lYuppen lagen, sondern die eine
förmliche Einwohnerschaft hatten. Dies geht hervor aus Plut. Tim. 22 : vniixoit
if ovJtlg rdSv iv roTq ^QVfittai xni (fQovqCoig xktoixovvtüiv. So wie dies von Syrakns
gilt, so kommen (foovQia im messenischen Gebiete vor: Diod. XIV, 57, im tanrome-
nitanischen St. B. s. v. ^rJ/;, im akragantinischen (Motyon), Diod. XI^ 91, im leon-
ttnischen (das ^^vfua BQiy.Cvvitti Thuk. V, 4). Es kommen bei Steph. Byz. sehr viel
mehr Namen von sicilischen Städten vor, als aus der Geschichte bekannt sind; alle
überzähligen können nur als abhängige Orte unter der Oberherrschaft der namhaften
Städte existirt haben. So gewinnen wir eine nicht unbedeutende Bevölkerungszahl,
die ausserhalb der verschiedenen Centren wohnte. Auf dasselbe Resultat kommen
wir durch den Bericht über den syrakusanischen Mauerbau, Diod. XIV, 18, wonach
auf dem Lande ein sehr zahlreicher ox^oq in Dionys' Zeit wohnte. Die Annahme ist
nothwendig, dass er auch zu anderer Zeit dort gewohnt hat. Wir haben also ausser
der städtischen Bevölkerung in Sicilien noch eine in den Kastellen und auf dem flachen
Lande (grosse und kleine Güter) , und gewinnen so die Möglichkeit , die Zahlen fiir
die einzelnen Stadtgemeinden ziemlich hoch anzusetzen. — Syrakus. Aus der Zeit
des athenischen Krieges sind keine Nachrichten vorhanden, die auf die VolkszabI
* schliessen lassen. Da aber Syrakus die mächtigste Stadt Siciliens war, und Akragas
800,000 Einwohner zählte, so dürfen wir auch für Syrakus mit Gebiet 800,000 Men-
schen annehmen. Man setzt für Attika 540,000 Menschen an; es hat aber durchaus
kein Bedenken, das kleinere syrakusanische Gebiet (mit Leontini und M^^ra) für
bevölkerter zu halten. Ueber Selinus und Himera spreche ich unten bei Gelegenheit
der Zerstörung dieser Städte durch die Karthager. Danach kommt jede von beiden
mit Gebiet wenigstens auf 100,000. In Messana kommen bei Diod. XIV, 40 4000
Fusssoldaten , 400 Reiter und . 30 Trieren vor , welchä die Feldherren avfv x^f toi'
ifr^fiov yvtjfirjg aus der Stadt führen. Das lässt, da diese Mannschaft nicht entfernt
die junge Mannschaft überhaupt sein kann, auf eine Bevölkerung von 100,000 Men-
schen schliessen. Gela, Kamarina, Katane, Naxos müssen nach Verhältniss ihrer
Bedeutung im Vergleiche mit Messana jedenfalls durchschnittlich 80,000 gehabt haben,
Gela und Katane wahrscheinlich mehr, die anderen vielleicht weniger. Allerdings stellt
^
■u
Zn Bach IV, Kap. 1, Seite l-*4. 403
Schubring, Histor.-geogr. Studien über Altsiciiien, Rh. Mns. N. F. 28, S. 91 Gela als
eine stets kleine Stadt dar. Aber, was er selbst anführt, dass Agathokles einmal
4000 angesehene Bürger abschlachtete (Diod. XIX, 107), spricht nicht für seine An-
sicht, 4000 angesehene Bürger setzen eine Bevölkerung von 100,000 Menschen voraus,
und im 4. Jahrh. v. Chr. war Gela nicht mächtiger als im 5ten. Plnt. Tim. 22 nennt
überdies Gela wie Akragas noXiig ^(yrtlttg, Leontini, von den Syrakusanem in Besitz
genommen, kann hier nicht in Betracht kommen. So ergeben die Griechenstaaten
aliein etwa 2,200,000 Einwohner, Gebieter und Abhängige, Freie und Sklaven zusam-
mengerechnet. — Die Karthager und Phönicier mit ihren Unterthanen in Panormos,
Motye und Soloeis und den dazu gehörigen Gebieten kOnnen unmöglich auf weniger
als 300,000 geschätzt werden, wenn man bedenkt, wie Motye allein der Macht des
Dionys Widerstand zu leisten im Stande war. Nur für die späteje Zeit passen die
Zahlen bei Diod. XXIII, 18. Setzen wir die Elymer, von denen ja Segesta für sich
seiner Gegnerin Selinus nicht gewachsen war (im J. 306 ist S. ^vgiavdQoq Diod. XX,
7i) in ihren 3 Städten mit Gebiet auf 100,000 Einwohner, so bleiben noch Sikeler
und Sikaner Übrig, auf deren Zahl einige Nachrichten einen Schluss gestatten. Nach
dem weiter unten über den ErlOs aus den hykkarischen Gefangenen zu bemerkenden
kann die Zahl der Einwohner von Hykkara auf 10,000 geschätzt werden. Hykkara
aber war eine der kleineren Ortschaften, und wir werden mit Nothwendigkeit zu der
Annahme geführt, dass die anderen, zumal die sikelischen Ortschaften, unendlich viel
bevölkerter waren. Diodor's (XIV, 95) 20,000 Bürger in Agyrion sind allerdings wohl
etwas übertrieben; aber mit den Sklaven kann Agyrion damals immerhin 100,000
Einwohner gehabt haben ; im athenischen Kriege etwas weniger. Nach Diod. XIV , 59
kommen dem Hannibal ntiQa £ix€ktav xal Sixav^iv 20,000 Krieger zu Hülfe, und es ist
nicht der mindeste Grund zur Annahme vorhanden, dass auch nur ein Viertel der
Kampffähigen kam. So wird es erlaubt sein, Sikaner und Sikeler zusammen auf
gegen 1 Mill. zu schätzen. So kommen etwa 31/2 Mill. heraus, von denen allerdings
Freie griechischer Herkunft nur ein Zehntel sein mochten.
S. 3. Die Absicht der Lakedämonier, eine Bundesflotte herzustellen, berichtet
Thuk. II, 7. Nach Diod. XII, 71 wurden von den italischen und sicilischen Bundes-
genossen 200 Trieren verlangt. Nach Thuk. II, 7 sollen , bis die Flotte hergestellt
ist, die Sicilier die Athener fni^ vr[i' aufnehmen.
S. 3. Ueber die Verfassung u. s. w. von Syrakus s. die Belege zum nächsten
Buche. Tribut von barbarischen Städten Thuk. VI, 20 ; Diod. XII, 30. Korn nach
dem Peloponnfcs verschifft Thuk. III, 86.
S. 3. Kamarina mit Syrakus über Morgantine in Streit Th. IV, 65. Ich
mache darauf aufmerksam , dass sich auf Münzen von Morgantion der Pallaskopf
findet, während in Kam. auf Silbermünzen die stehende Pallas und auf Bronzemünzen
der Pallaskopf erscheint. Vielleicht hängt dies mit Beziehungen zwischen Morgantion
und Kamarina zusammen, von wo vielleicht einmal Morgantion colonisirt wurde. Ohne
derartige besondere Beziehungen ist der Anspruch Kamarina's auf das entfernte Mor-
gantion (Mte ludica s. Bd. I S. 362) sehr auffallend. Siefert, Messana, S. 27 und
Schttbring, Kamarina, Philol. 32, S. 499, wollen statt KafiaQ/vatoig bei Th. IV, 65 Ka-
tttvttiois lesen. Da aber das Factum feststeht, dass Kamarina allein von den dori-
schen Gemeinwesen auf chalkidische Seite trat, Th. III, 86, so ist anzunehmen, dass
es besondere Motive hatte, mit Syrakus unzufrieden zu sein, und diese kOnnen eben
in den Streitigkeiten über Morgantine gelegen haben. Ueber die Stellung, welche in
dieser Zeit Kamarina nach der in ihr herrschenden Partei einnahm, sind die Bemer-
kungen Schubring's in dem citirten Aufsatze S. 498—500, lehrreich.
S. 4. Gorgias als Sprecher der leontinischen Gesandtschaft nicht von Thukyd.
genannt, sondern von Diod. XII, 53. Vgl. Grote IV, 102 n. 24. S. femer Plat. Hipp.
26»
• V
404 Anhapg III. Belege und Erlttiitürungen.
maj. 282 und Pans. VI, 17, 8, der auch Tisias zu den Gesandten zu rechnen scheint.
Dieser sprach wohl für Syrakus.
S. 4. Beziehungen der Athener znm Westen. Bei Herod. VIII, 62 sagt
Themistokles rifjuig (ilv — xofiisvfu&a fs 2!iQiV rrfv tv *IxaXir^ , V^fQ V***^^«?*? ^^ ^^"
fx naXttiov hl. — Ueber Thurii s. die später anzuführenden Schriften von Müller und
Schiller. — Aus Ol. 86, '4 = 433/2 haben wir einen Vertrag zwischen Athen und Rhe-
^ion, enthalten in einer jetzt im brit. Mus. befindlichen Urkunde, welche zuletzt heraus-
gegeben ist im Corpus Inscriptionum Atticarum, Berol. 1873 fol. n. 33, p. 16. Sonst ist
von einer Bundesgenossenschaft zwischen Athen und den Stammverwandten des We-
stens nichts Actenmässiges bekannt. Dass ein förmlicher Vertrag zwischen Athen and
Segesta bereits vor 415 v. Chr. anzunehmen ist, werden wir bald sehen. Eine andere
Spur athenischer Beziehungen zum Westen liegt in einer durch Tzetzes zu Lykopbron
732 erhaltenen Stelle des Timaios (fr. 99 M). Hiemach hat der athenische Nauarch
Diotimos in Neapel der Parthenope einen d^oico; lufinadixog eingerichtet, oti ai^-
rrjyoi cur rdSv l^Srjva^tov ^noXifid rotg ZtxfloTg. Ein Diotimos erscheint bei Thnk. I,
45 vor Kerkyra; dies wird der von Timaios gemeinte sein; dass derselbe aber Feld-
herr in Sicllien war, ist anderweitig nicht bekannt. Ebenso wenig wissen wir, in
welcher Veranlassung er nach Neapel kam, aber die nicht zu bezweifelnde Thatsache
selbst, dass im Anfange des peloponnesischen Krieges ein athenischer Flottenführer
sich eine Zeitlang in Neapel aufhielt, ist für die Kenntniss der Beziehungen Athens
zum Westen sehr werthvoll. ~ Ueber Handelsbeziehungen zwischen Athen und Etru-
rien, Metallarbeiten aus Etrurien nach Athen, Thonwaaren in umgekehrter Richtung
s. 0. Jahn, Einleitung zum Katal. d. Münchner Vasensammlung p. CCXLIII. In Be-
treif der Münzbeziehungen Etmriens zu Athen s. Mommsen R. G. P. 203 , der die
Silberstücke von Populonia als Nachprägungen der von Solon in Athen geschlagenen
Münze betrachtet.
S. 4. Bei Thuk. I, 36 sagen die Kerkyräer, dass ihre Insel es ermögliche, eine
Flotte nach Sicilien zu schicken.
S. 4 ff. Der Verlauf des ersten athenischen Krieges auf Sicilien wird
geschildert nach Th. HI, 86. 88. 90. 99. 103. 115. 116. IV, 1. 24. 25. 58—65. Ueber
Diod. XII, 53. 54 und lust. IV, 3 ist oben S. 365 gesprochen. lust. IV, 3 redet so
von Rhegion, dass man glauben müsste, es habe „bereits vor dem peloponnesischen
Kriege anfgehOrt ionisch zu sein" Grote IV, 99 n. 19. Das war natürlich nicht der
Fall. Es scheint vielmehr bei lustin eine Verwechselung mit der Occupation Rhegion 's
durch die Kampaner (Polyb. I, 6) zu 'sein. Bei lustin ist vieles möglich.
S. 5. Das TiFQinoXtov erwähnt von Th. III, 99. 115. Vielleicht sind für diesen
Ort sogar Münzen geprägt worden. Es giebt nämlich kleine Silbermünzen: Weibl.
Kopf. Rev« Herakles, den Löwen bekämpfend, mit der Inschrift IIEPIfJOAlStN oder
jlKPinOASlN TtJTANATANy welche in Unteritalien gefunden werden und offenbar
Unteritalien .angehören. Man findet bei Sambon, Recherches snr les monnaies de la
prcsquilo italique. Napl. 1870. 4. p. 345. 346 die über diese Münzen aufgestellten An-
sichten vereinigt. Sambon bezieht sie nach Millingen^s anfänglicher Ansicht auf unser
Peripolion und das bei Thuk. erzählte Factum; die Söldner, welche Peripolion ver-
theidigten, waren darnach aus Pitana in Lakonien. Später hat Millingen die Münzen
für tarentinisch , und Peripolion für einen tarentinischen Grenzort erklärt. Momm-
sen hat nach Strab. V, 4, 12 an ein samnitiscfaes Peripolion gedacht. Aber Sambon
weist darauf hin, dass alle samnitischen Münzen vor dem Bundesgenossenkriege von
Bronze sind. Die betreffenden Münzen gehören jedenfalls Unteritalien an, ob aber
dem Gebiete von Tarent, Herakleia oder Lok ri, das kann man nicht entscheiden.
S. 5. Bei Th. III, 115 ist mit Bloomfield statt ttiv ZixtXitoitnv zu lesen: röiv
Za Buch IV, Kap. 1 n. 2, Seite 4—10. 405
S. 6. Die Schnelligkeit, mit der man gefährdete Schiffe verlässt, um sich selbst
zu retten, ist charakteristisch für das Alterthum, im Gegensatz zur modernen Marine.
Seemännisches £hrgefUhl war wenig vorhanden.
S. 7. üeber Hermokrates vgl. C. v. Osenbruggen, De Hermoerate Syracu-
sano. Hag. 1842. 4. A. Steins, De Hermoerate Syracusanorum imperatore. Monast.
1S6S. 8. Timalos hatte nach Polyb. XII, 25 (Fe 97 M.) dem Hermokrates eine Rede
in den Mund gelegt, die mehr einem rhetorischen Uebungsstücke glich. Man muss
indess bedenken, dass man sich in der BlUthezeit der Rhetorik befand ; da mögen bis-
weilen sonderbare Staatsreden gehalten sein.
S. S. Die athenischen Feldherren werden beschuldigt ^ sich haben bestechen zu
lassen: Arist. Vesp. 240, nebst Schol. dazu, wo Demetrios und Philochoros citirt
werden. Ich hätte , worauf ich von befreundeter Seite aufmerksam gemacht werde,
im Texte noch mehr hervorheben können, dass ein Theil der Unternehmungen des
ersten Krieges sich durch den Einfluss der Rheginer erklärt, welche die athenische
Streitmacht gewissermassen für sich in Beschlag nehmen. So erklärt sich auch die
hartnäckige Feindschaft der Lokrer gegen Athen. Dass die athenischen Feldherren
aber auch unter dieser Voraussetzung nicht von dem Vorwurfe der Fahrlässigkeit
freigesprochen werden können, zeigt der Verlust von Messana.
Zweites Kapitel«
S. 8. 9. Ueber die neuen Streitigkeiten in Sicilien, das Schicksal LeontinTs'
und die Sendung des Phaiax Th. V, 4. 5. Schubring, Historisch-geographische Stu-
dien über Altsicilien. Rh. Mus. N. F. 28, S. 119 giebt den Weg, welchen Phaiax
durch Sioilien nahm, an. Den Eindruck, welchen die Gesandten von Sicilien nach
Athen mitbrachten, giebt die Einleitung des sokratischen Dialogs Eryxias wieder.
Damals ist in Athen nach demselben Dialog auch eine syrakusanische Gesandtschaft
gewesen, bei der sich der nlovattorttTog toiv Sixikttariov xal ^IiaXuoriov befand; wir
wissen nicht, wer es war.
S. 9. Ueber den Hügel S. Basilio vgl. die Schrift von M. De Mauro, Sul colle
di S. Basilio, volgarmente detto Casale. Gat. 1861. S. Man vgl. bes. p. 135 ff. der
Schrift, wonach sich auf diesem Hügel manche Ueberreste des Alterthums gefunden
haben, z. B. Münzen, Vasen, Köpfchen ans Thon, Gräber, Cistemen und, was das
merkwürdigste Ueberbleibsel ist, eine in den Fels gehauene Höhlung, die durch
30 viereckige Pfeiler, welche eine Decke von Quadern tragen, in 7 Gänge in der
Richtung von N. — S. , und in 6 Gänge in der Richtung von 0. — W. zerlallt und
wahrscheinlich als Wasserbehälter gedient hat. Ueber die Lage des Hügels s. p. 36
der Schrift.
S. 9. Ueber die Lokrer, welche in Messana als enoixot gewohnt haben Th. V, 5.
Ueber den Begriff ^notxog vgl. W. Vischer, Lokrische Inschrift von Naupaktos im
Rh. M. 1871 p. 35 u. 89.
S. 10. Ueber den ferneren Inhalt dieses Kap. s. Th. VI, 1—32.
S. 10. Der Grenz flusB, um den es sich handelt, ist nach 0. Benndorf, Die
Metopen von Selinunt. Berl. 1873. 4, S. 29 nicht der Halikyas, sondern der Mazaras.
Er sieht nämlich in den Worten von Diod. XII, 82 : tkqI x^^Q*^^ a/LttfiaßriTfjai/xov no-
jttfAov ti\v x^Qav rdiv dia<f>(QOf4^t'(oy oo^^ovrog, eine Hindeutung auf Diod. XI, 86:
TifnX x^Q^s 1VS nQog Mnl^oiQü) notttfit^, wo hinzugefügt wird, dass die Städte nicht
aufhörten, einander feindlich zu sein; er verwandelt deshalb auch XI, 86 AilvßaCoig
in £ilivovv%Coig,
8. 10. Nach Diod. XII, 82 haben sich die Egestäer auch nach Syrakus mit der
406 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
Bitte um Hülfe gewandt. — Beriefen sich die EgeatUer in Athen auf ein zwischen
Athen und Segesta bestehendes Bündnissf Th. VI, 6 sagt. Tt^v yevofiinjv inl
T(g Tovs \4&riva{ovg, wo AiovrCvtav auch zu ^vf4fjtttx^€tv gehören künnte. Deutlich aber
• ist bei Th. VI, 10 die Stelle in der Bede des Nikias: tj^ttg Jk ^Eyearttiotg J^ ov<ft
^vfifitix^ig fog ttdtxovfA^votg o^iiog ßorj&ovfiiv, und VI, 13: xa^ ro loinov ^vfi^axovg fitf
7ioi(Ta&m &aniQ iiti&a^tv, wo der Rath natürlich nur dann angemessen ist, wenn die
Egestäer schon Bundesgenossen waren. Thukydides nimmt also die Existenz eines
Bündnisses zwischen Segesta und Athen an, auf welches sich die EgestSer bei ihrer
Bitte um Hülfe beriefen. Dass Diod. XII, 83 ein solches nicht kennt, ist fttr uus
bei dem von uns eingenommenen Standpunkte von keiner Bedeutung. Wenn Curtius
G. G. II, 699 sagt, im Falle, dass ein solches Bündniss bestanden hatte, würden die
Egestäer sich nicht erst an Akragas, Syrakus und Karthago gewandt haben, so ist
hiergegen zu sagen, dass Athen ja um so viel entfernter war, und auch vor 6 Jahren
den Leontinern nur durch die erfolglose Sendung des Phaiax zu helfen versucht
hatte. — lust. IV, 4 schildert in seiner beliebten Weise die Gesandten der CatinienscB
als Schutzflehende in Athen: sordida veste capillo barbaque promissis etc. — Die
Betrügereien der Egestäer den athenischen Gesandten gegenüber schildert Thuk.
VI, 46. Hier sind bemerkenswerth die Worte von den Weihgeschenken auf dem Eryx :
a ovta aQyvQÜ nolX^i nkiita tjJi' oi/'iv an oXiytjg ^vya^eatg XQ^f^t^taftf naQflx^jo' welche
Grote IV, 113 geradezu so deutet, dass sie vergoldet gewesen seien, aber ovia
ttQyvQtt, in Wirklichkeit nur aus Silber gearbeitet, einen viel geringeren Werth ge-
habt hätten, als sie zu haben schienen. Dieser Sinn ist in den Worten des Thuky-
dides nicht nothwendig enthalten. — Wenn bei Thuk. als Hauptschätze des Aphro-
ditetempels (piaXat , pivoxotti und ß^vfiianigta angeführt werden , so ist ein Vergleich
der Schatzverzeichnisse des Parthenon, die man bei Michaelis zusammengestellt findet,
lehrreich. Auch auf der athenischen Akropolis . spielen im Schatze der Athene die
tf^idXai eine sehr grosse Rolle, viel weniger kommen die otvoxom (Michaelis, Parthenon
S. 301, 57) und die d^v^iajtiQttt vor (Michaelis, Parth. S. 2961); vgl. im allgemeinen
die Uebersicht bei Michaelis S. 314. Diese athenischen Schatz Verzeichnisse zeigen,
was alles unter der nXXti xaraüxturj ovx oXiyri begriffen gewesen sein kann, von der
Thukydides spricht ; Michaelis bringt es unter die Abtheilungen : Bildwerke, Kränze,
Prozessions-« und Opfergeräth, Mobiliar, Kassen, Waffen, musikalische Instrumente,
weiblicher Schmuck , Gewänder. Wenn ohne Zweifel auf dem Eryx wie in Athen,
wo sicher ein sehr viel reicherer Schatz war, die aXXij xarnaxivt} an Zahl der Stücke
die der drei von Thukydides genannten Kategorien übertroffen hat, so sind dennoch
diese deswegen von Thuk. gut gewählt, well es gerade die heiligen Grefässe xrt
iSoxnv sind. So nennt in ähnlicher Weise Auson. de monoss. p. interr. 5 die turi-
bula paterae und lanccs, und es ist bemerkenswerth, dass auch in den sicilischen
Privathäusem noch zu Cicero's Zeit die patella grandis, patera und turibulum aus
Silber bei den Wohlhabendea nicht fehlen durften (Verr. IV, 21).
S. 11. Ueber Alkibiades vgl. G. Hertzberg, Alkibiades als Staatsmann und
Feldherr. Halle 1853. 8. C. Deimüng, Alkibiades. Neues Schweiz. Mus. III. Bern
1863. S. 307—394, und die in Paulys R. E. I, 673 verzeichneten Schriften. — üebcr
Nikias vgl. W. Julius, De Nicia demagogo et belli duco. Traj. 1858. 8 und den Art.
bei Pauly V. Sein Auftreten in der Volksversammlung, als es sich um die sicilischc
Expedition handelte, ist ähnlich dem des Hekataios von Milet vor dem ionischen
Aufstande, der zuerst gegen den Krieg sprach, dann aber, als der Krieg unvermeid-
lich war. die kräftigsten Rüstungen verlangte. Nach der Inschr. CInsor. Atticarum I.
Berol. 1873. fol. n. 182 wäre die Reihenfolge der Feldherren gewesen: Alkibiades,
Lamacbos , Nikias. — Wenn ich auf die Lage Atben's und die griechischen Zustände
Zu Buch IV, Kap. 2, Seite 11—16. 407
überhaupt nicht specieller eingegangen, bin, so geschieht es, weil das alles bei Curtius
besser gesagt ist, als ich es zu thun vermöchte.
S. 11. Andoc. de pace 30 hat die sonst nicht tiberlieferte Nachricht, dass die
Syrakusaner kurz vor der grossen Expedition nach Sicilien eine Gesandtschaft nach
Athen mit dem Ersuchen geschickt hätten, in die athenische Bundesgenossenschaft
aufgenommen zu werden, eine Nachricht, die Grote IV, 125, n. 69 für ,^änz]ich un-
wahr" erklärt. Vielleicht ist es eine Verwechselung mit der oben aus dem Dialog
Eryxias angeführten Gesandtschaft: Jedenfalls war beim Ausbruche des Krieges keine
officielle syrakusanische Gesandtschaft in Athen, sonst wäre man in Syrakus nicht so
vom Kriege überrascht worden. Doch sind wahrscheinlich Freunde des Hermokrates
damals in Athen gewesen, welche ihm das dort Vorgefallene meldeten (Thuk. VI, 33} ,
so wird auch jener früher anwesende nlovatiiTaiog ein Freund des Hermokrates ge-
wesen sein.
S. 12. Aus V. 218 ff. der Troades des Euripides, welche im J. 415 aufgeführt
worden sind, sieht man, wie sehr sich die Gedanken der Athener damals mit Sicilien
und Italien beschäftigten. Nach dem unglücklichen Ende der sicilischen Expedition
polemisirt im J. 412 v. Chr. Euripides in seiner Helena, 750 ff. gegen Wahrsagerei.
S. 12. Grote IV, 185 sucht zu beweisen, dass die Athener nicht die ausschwei-
fenden Hoffnungen von der sicilischen Expedition hegten, welche Plut. Nik. 12 ihnen
beilegt. S. auch dens. IV, 125 n. 69. Die Führung des Krieges durch Alkibiadcs
selbst ist ihm ein Beweis dafür. So gilt ihm auch des Alk. Rede in Sparta bei
Thuk. VI, 89—92 als ein grosser Roman. Allerdings log Alkibiades den Spartanern
viel vor. Seine eigene Kriegführung beweist nichts, denn er wollte zunächst nur sein
diplomatisches Licht leuchten lassen; seine Abberufung unterbrach seine Wirksam-
keit. Dass man allgemein den Athenern selbst weitgehende Absichten beilegte, zeigt
ausser anderen Stellen Paus. I, II, 7.
S. 14. Der Beschluss der Expedition findet statt a/Äa ^qi Thuk. VI, 8, also Ende
März; die Abfahrt der Flotte ^^qovc fnaovyjos Thuk. VI, 30, also Ende Juni 415. -—
Ueber Meton vgl. auch Ael. V. H. XIII, 12.
> S. 15. Während bei Aosch. de falsa leg. 54 und bei And. de pace 8 die Angabe
gemacht wird, dass seit dem Frieden des Nikias 7000 Tal. in der Burg deponirt und
400 oder 300 Trieren erbaut waren, was unglaublich ist, erfahren wir aus der In-
schrift Gl n. 76, dass wenigstens 3000 Talente in dieser Zeit zurückgelegt wurden.
S. 15. Zu den bei Plut. Nik. 13 zusammengestellten Vorbedeutungen kommt
noch eine Notiz bei Paus. VIII, II, 12: j^drjvaCoig öh fxavtevfAa ix .^(aöoivrig 2:tx(-
Uttv riX&tv oixO^tiV rj J^ ov tioqqu} ri/f noXitog ^tnfUa Xoqog iarlv ov /nfyag' ol
d^ ov avfÄipQOvrjaapTfg lo tfQijfiipov tg t€ vntQOQCovg atQttTt^ttg n{)0T]/9riaav X(t\ ig rov
^voaxoaCtov noUfxov, In Betreff des Namens des Hügels hcisst es bei Suid. s. v.
aixfXfC^tv: *^yrjaikttov ^^Qx^^f^^f? yevia^ai Trv^oxQrjarov ÜtxiXiav ffvXaTTfO&ai xttl top
f.th Ttiv vrjiJov ?/€«!' cT«' ivXnßtlag xn\ ig lov TQiaxiXfj Xoifovxaxa Tfjv l^TitxrjVf (p xelrai,
To ot'ofitt rovto 2ixiXCa, xajnXvütu rov ßlov fjinxofievov, Ueber den Ursprung des Na-
mens dieses Hügels hat gehandelt E. Curtius, Sikelia bei Athen im Rh. Mus. VIII,
133—137, welcher meint, dass der Hügel von seiner Lage bei den drei Schenkelmauern
iQiaxhXrig genannt worden sei, und später erst den Namen Sikelia erhalten habe, weil
die lusel Sicilien als xQiaxtXrig bekannt war. In meiner Abhandlung La Triquetra nei
monumenti dell' antichitä, in der Rivista Sicula. Pal. 1871 habe ich dagegen wahr-
scheinlich zu machen gesucht, dass, wie nach Paus. I, 28, 3 Sikcler die Mauern der
athenischen Akropolis gebaut haben sollen, so auch seit alter Zeit ein Hügel bei Athen
Sikelia heissen konnte, den man dann, weil offenbar wirklich seine Gestalt etwas drei-
eckiges hatte, mit Erinnerung an die Gestalt der Insel tQiüx^Xrig nannte.
S. 16. Das Adonisfest war während der Volksversammlung, in der Demostratoa
Anhaog 111. Belege und Erläuterungen.
i. LjBistr. 487 ff. Nach Piut. Alk. IS und Nile. 13, scbefnt es vielmehr,
in die Zeit fielen, welche der Abfuhrt nüher stand. Das Adonisfett
«BBcr in den Summer als in den März, s. d. Art. Adonii in Pauly's
iiDd ich miiehte die Stelle der Lysiatrata nicht als unbedingt bewei-
;htcn, dass das Fest während der von Thukydides (VI, 25 iat der
Seecliilderten groasen Beratbung gefeiert wurde. £s ist nicht sicher,
des Demostratoa, von denen Aristuphanes spricht, dieselben sind,
. VI, !5 angedeutet werden. Demostratos wird noch später über
itand gesprochen haben, und darauf bezieht sich dann Aristophanee.
lies der Zweck war, den die Boschädiger der Bermen im Aage
mehr zu entscheiden, tu Alterthum fand die Meinung Verthoidiger,
a sicitisclio Expedition hatten verhindern wollen -, die Korinther seien
iaen; s, Plut. Alk. IS; Kratippos t>ei Pseudopiut. vit. or. 11, I, p. S31
einer verdorbenen Stelle ; vgl. H II p. 76. Dieselbe Annahme findet
Ar. Lysistr. 1094 aus Philochoroe (Fr. llO bei M 1, 402), und ob-
ast dabei die falsche Behauptung aufstellt, Thukydides habe diu
Alkibiadcs zugeschrieben, so kann deshalb die Angabe in Betreff
loch richtig sein. Was nun die Sache selbst angeht, so ist es aller-
cnpassende Erwartung, dass ein solcher Vorfall als ein bilses Omen
1 und sich als ein Hindernies fUr den Zug nach Sicilien erweisen
ro Frage ist nber. ob, wenn die Korinthor die Verstümmelung der
iigt hatten , es ihnen möglich gewesen wäre r ihre Absicht in Aus-
;en. Ohne Zweifel waren es Athener, welche die That ausführten,
ZD nüthtgen Vertrautheit mit der Stadt nur von Athenern ausgeflibrt
i^ie sollten Athener sich von Korinthem dazu haben überreden Isssent
a annehmen, dass die Vorspiegelung gebraucht worden sei, der Uus
iades fallen. Aber selbst dann bleibt es unwahrscheinlich, daea
n von notorischen Feinden gewinnen Hessen. So bleibt nur eine sehr
keit, dass die Verstümmelung der Hermen von den Korinthem ver-
eei, um den Zug nach Sicilien zu hintertreiben, und das 6«gentheil
■er. — Ueber den Eiudruck, welchen die Hermen Verstümmelung auf
ivbikerung machen musste, spricht sehr gut Grote IV, 129 ff. 163 ff.,
; von modernen Vorfallen, welche beweisen, wie sehr solche Dinge
n ktlnnen.
Drittes Kapitel.
r den Inhalt dieses Kapitels s. Thuk. VI, 32—53. worauf Thukydides
)n H»rmodioB und Aristogeiton erzühlt, dann folgt wieder in c. 60
le Krieg,
äerechnnng der Zahl der Haonecbaft nach Boeokh, SUMtshaus-
isft der Trieren ohne Hopliten 25,46Q
i 5,100
ihiltzen. Schleuderer, Hegarer 1,300
der Hopliton, nach Abrechnung der zu den Trie-
gehürigen 1340 Mann 3,760
lebst Dienern und 60 Ruderern 110
PentekoDteren 120
35,860 tbam.
Zu Buch IV, Kap 2 u. 3, Seite 16—23. 409^
Hierbei rechnet B. die Mannschaft einer jeden Triere, nach Abzug von 10 dazu
gehörigen Hopliten, zu 190, die der 2 Pentekonteren nur zu 120 Mann; er nimmt ferner
an, dass die zur Schiffebemannung gehörigen Hopliten keine besonderen Diener hatten,
und hat endlich die Zahl der Ruderer für ein Pferdeschiff nach den Seeurkunden
bestimmt. Man vgl. ferner C. Wölfflin, Die Organisation der ersten sicilischen Expe-
dition, im Neuen Schweiz. Museum, VI, 3. Basel 1866. S. 251—254. Nach ihm sind
die 34 bundesgenüssischen Trieren fflr die militärische Action bestimmt. Da die 60
schnellsegcIndeiL athenischen Trieren 700 Epibaten hatten, so sind für die 34 bundes-
genössischen 400 zu setzen, also vertheilen sich die 5100 Hopliten so: 1500 Athener ,
1000 Freiwillige, 1500 Bundesgenossen. — axovTtarai werden nicht erwähnt; bei den
Syrakusanem war dagegen diese Waffe wichtig; vgl. Th. VI, 67; VII, 5; VI, 78;
VII, 11. Nach VII, 33 waren auch aus Kamarina und Gela solche den Syrakusa-
nem zu Hülfe gekommen. Dagegen zeichnen .sich nicht aus die syrakusanischen
Hopliten ; vgl. Th. VII, 43. 45. 84. Den Syrakusanem fehlte die taktische Durch-
bildung; sie marschirtcn nicht geschlossen; VI, 69 wird ihre Schaar wenig schmei-
chelhaft ol Ttlfioyfg genannt. Von den athenischen Feldherren war Nikias mehr als
Führer der Hopliten tüchtig, Demosthenes als Führer des leichten Fussvolkes. Des-
halb sammelt letzterer gerade solches, unter anderen auch axorrtarai, Th. VII, 31.
42. 45. Vgl. auch VII, 67. — Ueber von den Athenem für die Expedition aufge-
wandtes Geld s. Corp. Inscr. Attic. I. Berol. 1873. fol. n. 180—183. In 182 werden
Ol. 91, 1, also vor dem Abgang der Expedition, kleinere Summen (das erste Mal ttbßr
10 Tal., das zweite über 14 T.) an Alkibiades, Lamachos — der dritte Name fehlt —
bewilligt; in 183 in Ol. 91, 2 einmal über 100, das zweite Mal, 17 Tage später, 4 Tal.
2000 Drachmen.
S. 20. It^&rji'ayoQas og dr^fiov n^oüruTfig ^v Th. VI, 35. Ueber die <Jif/u. nQoax.
s. d. Anm. z. folg. Buche.
S. 20. Ueber die Aufnahme der Athener von Seiten der italischen Städte
berichtet Diod. XIII, 3, dass sie von den Thuriera navtwv ürvxov tiSp iptlav&qianfovy
und in Betreff der Krotoniaten heisst es Xttfiovres ayo^th, in völligem Gegensatz zu
Th. VI, 44 Die Autorität des Thukydides gestattet nicht, dem Diodor in Betreff
Thurii's zu folgen. Eine schon von Eratosthenes als falsch nachgewiesene Anekdote
über die Fahrt des Alkibiades nach Sicilien haben Gic. Att. VI, 1, 18, Schol. Arist.
ap. Creuz. ad Plot. de pulchr. p. 465 und Gramer, Anecd. Ox. I, p. 7, 11 s. Fragm.
61 des Duris bei M II, 483. — Nach Th. VII, 14 waren die Athener für die Ver-
proviantimng auf Italien angewiesen , woher sie auch Bauholz bezogen : Th. VII, 25.
S. 22. Die Qeschichte von der Eroberung der attvCdig mit den nach Phylen
geordneten Bttrgerverzeichnissen bei Plut. Nik. 14, wo hinzugefügt wird, dass die
Wahrsager fürchteten, dies möchte die Erfüllung des XQV^H^^ sein, tbg */4&9ivaiot
U]\l>oviat 2vQaxovalovg anavjag. Später sagte man, di^s Orakel sei vielmehr durch
Kallippos in Erfüllung gegangen.
S. 22. Die Gewinnung von Eatane stellt Polyaen. I, 40, 4 als das Resultat
einer verabredeten List dar. Front. II, 6, 6 setzt statt Katane irrig Akragas. Das
bei dieser Gelegenheit genannte Theater kann wirklich in Katäne der Ort der Ver-
sammlung gewesen sein.
S. 23. Die Kamarinäer sagen den Athenem nach Th. VI, 52 : aif^at ra oQxta
thtti fit^ vrfl' xaiaTiltovrtjv ^'AOrivn((av d^x^a&ai , was sich auf die am Anfang des
Krieges nach Th. II, 7 von Sparta aus den sicilischen und italischen Dorera gemach-
ten Weisungen bezieht, deren Inhalt also von den westlichen Bundesgenossen Spartaks
eidlich bekräftigt worden war. Auch III, 71 kommt so ,ui^r vy,t in Kerkyra vor. Wir
haben hier die Spur eines völkerrechtlichen Grundsatzes, über dessen Verbreitung es
erwünscht wäre, noch aus anderen Quellen etwas zu wissen: ein einzelnes Kriegs-
*
,f
\
1.
r
410 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
Bchifif, welches einem mit den Bundesgenossen in Krieg befindlichen Staate angehört,
wird ohne Bedenken zugelassen, mehrere nicht. Atkders ilerod. V, 85.
S. 24. Unter den gefangen genommenen Bewohnern von Hykkara soll auch die
berüchtigte Lais gewesen sein, d. h. eine der Buhlerinnen dieses Namens, von denen
Ath. XIII» 574 £ ausdrücklich zwei unterscheidet, und es ergiebt sich aus eben
dieser Stelle, dass man sie filr die jüngere hielt. Um zunächst die Herkunft der Lais
aus Hykkara festzustellen, so heisst es bei Schol. Ar. Plut. 179: Xi^qd^f^ai y«Q tfaatv
avttjp (v ^ixilCfjt noXi^viov Jivog äXovtoi vno Nixlov intiriv ' <oyfi&ijvai J? vno Koqiv^
i^iov ztpog xal ntfiif&fjvai dt^ov r^ ywatuCi big Koqiv^v, Offenbar ist Hykkara ge-
meint. Ferner sagt Plut. Alk. 39 von der IMmandra, der Geliebten des Alkibiiides:
lavjtig Xiyovat (^vyat^ga yiviad-nt, Aatön t^v KoQivO^iav (Akv nQogayoQevS^uaay ^ ix ^i
^YxxaQonf 2^txeXtxov TtoUafiaroe aixfidXtajov ytvofiiviiv. Bei Schol. Ar. Plut. }79 heisst
es ferner: «Criy dk d-vyarrjQ ijv TiftaydQag (so Hemsterh. für "EntfiavÖQag) ^tig (i'Yxxa-
Qiav jrig JSiXtXiag rjv ' tavTt}V tU *I*tXo^iv^ T(fi ^id-VQafdßonoi^ öiJtox€ ^liovvOiog 6 iv
SixUli^ rvQttvvog, Die Notiz von Philoxcnos findet sich übrigens nicht in den besten
Handschriften, Kavennas und Yenetus, denen auch das obige Xrffp&Jivai etc. fehlt.
Dass Lais aus Hykkara war, sagen femer: Plut Nik. 15 ; Paus. II, 2, 5; Ath. XHI,
588. 589. St B. s. v. '^xxttQa, Kgaarog und EvxaQnia, wonach auch aus diesen Orten
Lais sein sollte. Wenn es nun wahr ist, dass sie im J. 415 erbeutet wurde und da-
mals 7 Jahre alt war, so ist es immerhin noch möglich, dass sie Tochter der Timandra
war : es konnten ja Beide in Hykkara gefangen genommen und an verschiedene Per-
sonen verkauft worden sein. Aber dass Athenaios in der angeführten Stelle XIU, 574
Recht hatte, diese 422 geborene Lais für die jüngere zu erklären, davon kann ich
mich nicht überzeugen. Nach Ath. XIII, 588 bildete Apelles die Lais zur Hetäre aus.
Apelles BlÜthezeit fällt um 330 : es ist also nicht einzusehen, wie er die 422 geborene
zu ihrem Geschäfte soll angeleitet haben. Man hätte also, wenn die im J. 422 ge-
borene die jüngere wäre, noch eine jüngste anzunehmen, im ganzen drei. Anderer-
seits weist nichts auf die Nothwendigkeit hin, eine ältere anzunehmen als die 422
geborene. Lais wird zu dem Olympiasieger Eubotas, dessen Sieg Ol. 93:= 408 v. Chr.
stattfand, in Beziehung gesetzt, nach Ael. V H X, 2; da ist es nicht unmöglich, an
die 14jährige Lais aus Hykkara zu denken. Ebenso kann die Lais, welche mit Euri-
pides ein Liebesverhältniss hatte, die 422 geborene sein, da Euripides 405 starb.
Wenn sodann die ältere (Pauly BE IV, 735) zuAristipp in Beziehung gesetzt wird,
so hindert auch hier wieder nichts, an die Hykkarerin zu denken. Wenn nun nach
dem Vorhergehenden uns nichts nöthigt, eine ältere Lais als die 422 geborene und
415 In Gefangenschaft gerathene anzunehmen, so passen andererseits nur für eine
jüngere als diese, ausser dem oben von Apelles Berichteten, Beziehungen, welche der
Lais. zu Demosthenes beigelegt werden (lebte 381 — 22), bei Gell. I, 8; Schol. Ar.
Plut. 179; Ath. XIII, 588, und die Erzählung, dass sie Zeitgenossin der Phryne war,
mit der sie in der Zahl der Liebhaber wetteifern wollte. Nach allem Vorhergehenden
müssen wir die Nachricht des Ath. XIII, 574, dass die Hykkarerin Lais die jüngere
war, für einen Irrthum erklären; nur so findet man einen Ausweg aus der sonst un-
löslichen Verwirrung der Nachrichten, die wir über Lais aus dem Alterthum haben,
einer Verwirrung, die auch den neueren Gelehrten, wie z. B. Grote IV, 167 n. S9
aufgefallen ist. — Ueber der L. Grab berichtet Paus. II, 2, 4. 5, dass es in Korinth
war, mit einer Löwin darauf (auch Anspielung auf den Namen Lais), die einen Wid-
der in den Klauen hielt, ^an 6k xal äXXo iv SiaoaXit^ AaiJog (fafitvov fiv^a (hat.
In Thessalien soll sie von Weibern erschlagen sein. Ob es die Hykkarerin war, die
in Thessalien starb, wissen wir nicht. — Vgl. über Lais lacobs Vermischte Schriften
IV, 398 ff., worauf der Art. in Pauly's RE IV, 733 — 35 beruht, und Göller, De
situ etc. p. 151 — 153. Eine Geschichte der Lais von B. Le Youz de Gerland, Par
Zu Buch IV, Kap. 3, Seite 24. 411
1756. 12, ist rielieicht ein Boman. — Die Einwohner von Carini haben davon gehört,
dass Lai8 aus ihrer Stadt war , und G. Pitr6 berichtet in seinen Oanti popolari Sici-
liani. Pal. 1870. I. p. 94, dass ihm die Geschichte von einem Landmann so erzählt
wurde : La Bedda (bella) di Liccari, la piü bella donna di questo mondo, abitava un
paese vicino al mare. Un giomo vide approdare un bastimento e scenderne molta
gente guerriera che assalto Liccari e gH dicde il sacco e 11 fuoco. GH abttanti parte
fuggirono, parte rimasero morti, parte prigioni, ma la Bedda di Licoari, in grazia
della sua straordinaria beiiezza, fu salva, tanto che a breve andare sotto la prote-
zione e coli' aiuto di quct forestieri, potö fqndarc una nuova Liccari a un miglio della
precedente. Vgl. auch S. Salomone- Marino, La storia nei canti popolari Siciliani, im
Archivio storico siciliano. I. Pal. 1873, p. 52, wo in einem Volksliode vorkommt, dass
sie alle Menschen und neun Kaiser der Levante beherrscht hat.
S. 24. Von der Beute von Hykkara sagt Thuk. VI, 62: ravdQcino^a an^üoaav
Kn\ iy^yovto i^ avtiöv ifxoai xal ixarov räXavTa. Vgl. Grote IV, 167, der im Texte
der Meinung ist, die Worte bedeuteten : den sikanischen Landsleuten gegen ein Löse-
geld zurückgeben. Doch giebt er in d. ^0 zu, es k((nne an46oaav fUr ani^ovto stehen.
Das ist offenbar richtiger, da die Athener die Sklaven zuerst mit nach Katane in's
Lager nahmen; auch die Geschichte der Lais bestätigt es. Grote freilich erzählt die
BUckkehr nach Katane erst später.
S. 24. Ueber Preise der Sklaven bei den Griechen vgl. Büchsenschütz, Besitz
und Erwerb S. 200 ff. Wenn Alexander für mehr als 30,000 gefangene Einwohner
der Stadt Theben 440 Talente löste (Diod. XVII, 14), so kann man annehmen, dass
die 120 Talente, welche die Hykkarer einbrachten, für etwa 8000 Personen einkamen;
sodass man, da doch Manche geflohen sein werden, auf eine Bevölkerung von 9—10,000
Einwohner für Hykkara schliessen kann. Nach Diod. XXIII, 18 nehmen die Römer
bei der Eroberung von Panormos pro Mann 2 Minen als Lösegeld; bei den Theba-
nem kommt allerdings faicht 1 Mine heraus; jenes war aber auch Lösegeld, was bil-
ligerweise höher sein musste. Unter Umständen bringt freilich auch der Verkauf von
Kriegsgefangenen mehr ein, so bei Diod. XV, 47 für die Mannschaft von 9 Schiffen,
also ca. 1800 Mann 60 Talente, d. h. 2 Minen für den Mann; in Bhegion soll als
Lösegeld von Dionys nach Diod. XIV, 111 1 Mine pro Mann, nach Arist. Oecon. II
3 Minen gefordert sein. Vgl. auch Schömann Gr. Alt. 11^ S. 11 und 12.
S. 24. Thuk. VI, 62 sagt: h lobg nSv I^ixeliSy ^vfifinxov^ ntQtinXivottv, Thq-
kydides äussert sich nicht darüber, wo diese Sikeler wohnten, ob es die nördlichen
waren, denen die Städte Apollonia, Kephaloidion, Alontion u« A. gehörten, oder die
südlichen, von denen neuerdings besonders genau gehandelt hat Schubring, Histo-
risch-geographische Studien über Alt-Sicilien. S. 107 ff. Von den mittleren kann nicht
die Bede sein, weil sie zu Schiffe erreicht werden. Aber die südlichen Sikeler waren
verhältnissmässig recht unbedeutend, während die nördlichen wichtige Städte und eine
lange Küstenausdehnung besassen, sodass ich annehme, dass diese letzteren von Thu-
kydides gemeint sind. Ueber die Sikeler spricht Thukydides noch VI, 88. Hier
unterscheidet er die nqhg t« nt^Cn fiäkXov von den Ttjv (uiaoyaiay ^x^vitov. Jene
waren Unterthanen der Syrakusaner, aber von ihnen sind ol nolXot schon abgefallen ;
die letzteren, Welche schon vorher unabhängig waren, sind ebenfalls zu den Athenern
übergegangen. Die Grenze zwischen den der Küste (der Ebene) nahen und den im
Inlande wohnenden Sikelera können wir im Sinne des Thukydides nicht mehr ziehen.
Bemerkenswerth ist, dass Thuk. VI, 88 den inländischen Sikelern nicht noUig, son-
dern ofxiiaetg zuschreibt, über welchen Ausdruck Poppo zu dieser Stelle ausführlich
gehandelt hat. An offene, nicht von Mauern umgebene Orte, kann hier unmöglich
gedacht werden, solche konnten niemals unabhängig gewesen sein. Es muss damit
nur auf ein weniger imposantes Aeussere, das diesen sikelischen Städten im Vergleich
412 Anhang III. Belege und Erläuternngen.
mit den griechischen eigen war, hingedeutet sein. — Dass auch die siidlichen Sikeler,
die Einwohner von Hotyka, Hybla, su den Athenern abgefallen waren, sieht min
ans der Geschichte des Rückzuges der Athener, die in dieser Richtung befreundete
Orte zu finden hofften.
YiertesKapitel.
Ueber den Inhalt desselben vgl. Thuk. VI, 63—93.
S. 26. Ueber die Aufstellung iy nXatai^ vgl. RUstow, Griech. Kriegswesen
S. 1S5. — Nach Thuk. VI, 71 gingen die Athener nicht n(nkg to Uqov. Plnt. Nik
16 erklärt diese Massregel. Diodor's Ausdruck (XIII, 6), die Athener seien m
*Olvfi7iiov xvQioi geworden, ist entweder ungenau oder falsch. Nach Paus. X, 2S, 3
wurde ein syrakusanischer Priester als Wächter des Heiligthumes zurilckgelasscn, und
die Athener raubten nichts. Nach Polyaen I, 39, 2 hat Nikias auf dem Felde vor
dem Lager jQißolovg — Fussangeln — legen lassen, wodurch die syrakasanischeD
Reiter in Unordnung geriethen, während die athenischen Pel tasten, welche ou^
vTiodfjftaja hatten, die Feinde tüdteten. Grote IV, 171 n. 98 bemerkt: ^lut. Nik
16 sagt, Nikias sei einige Tage in seiner Position geblieben, bevor er nach KaUne
zurückkehrte. Die Sprache des Thukydfdes deutet aber an, dass die Athenieoser
am Tage nach der Schlacht zurückkehrten." Letzteres scheint mir nicht richtig, ist
auch an sich nicht wahrscheinlich. Man brauchte doch sicherlich einen Tag zor
Sammlung der Gebeine und Auslieferung der Leichen, einen anderen aber zur Eis-
schiffung, so kann der plutarchische Ausdruck oliyiatf fifjitQioif immerhin richtig sein,
und Thukydides ist nicht unbedingt dagegen.
S. 28. Man würde als selbstverständlich ansehen , dass die bei Thuk. Yl, •>
erwähnten Befestigungswerke der Syrak usaner im Winter 415/4 unter der AnOsicht
der drei neuen Feldherren ausgeführt worden sind , wenn nicht Thuk. VI, 96 aic
Frühjahr 414 sagte, dass die drei neuen Feldherrn irvyxat^ov a^ri 7ia()€ikri(f6tf; j'^
aQxn»', sodass anzunehmen ist, dass die 15 erst ihre Zeit abgedient haben und daon
erst die schon erwählten drei ins Amt getreten sind ; der Amtsantritt scheint mit
Frühlingsanfang stattgefunden zu haben. Die Syrakusaner waren für gewöhnlich ii
Allem ebenso langsam wie ihre Feinde.
S. 29. Thukydides giebt sehr ausführlich die Verhandlungen in Kamarina: Bedf
des Hermokrates c. 76 — 81 ; des Eudemos c. 82—87.
S. 30. Die den Athenern zu Hülfe kommenden Ty rr^ener (Thuk. VI, SS. Ii>^
VII, 53. 54) wären nach Grotef. Zur Geogr. von Altitalien, IV, 39 aus Kampsnlen tp
den Samnitem vertriebene Etrusker. Da die Athener sich von Etrurien Hülfe erbeten
hatten, wo Städte {^auv iv noXimv inaydlofji^ym' Th. VI, 88) erwähnt werden, di«
den Athenern wohlgesinnt waren, so sind sie aus dem eigentlichen Etrurien gekoDBien
Fünftes Kapitel.
Ueber den Inhalt dieses Kap. vgl. Thuk. VI, 94—103.
S. 31. Thuk. VI, 94 sagt: naQ^nktvaat' inl M(yd(}afp nöy iv rp J^ixdtt} - '
xnl il^oi^ne fnl §QVfna r« itSf 2vQnxoa((av xtxi ov^ iXovTfs — wo allerdings Megsr*
nicht als Angriffsobject ausdrücklich genannt ist. Nach Göller wäre das k^»^
Styella; nach Schubring, Umwamlerung des megarischen Meerbusens S. 456, wireö
Megara selbst gewesen, obschon dies ,;dem Historiker selbst vielleicht nicht recbt
klar" war.
Zn Buch IV, Kap. 4—7, Seite 26—44. 413
S. 32. In der Erzählung der plötzlichen Landung der Athener bei Syrakus sagt
Thnk. VI, 97 : ol Sh ^Ad-rivaloi TavTfjg rfjc vvxrbg rj ffttyiyvo^uirrji riulQtt f^rjTaCorrOf xal
flaS^ov avrovg — . Hier ist ein Fehler, die fUraaig ist, wie Thuk. soeben gesagt hatte,
die der Syrakusaner auf der Wiese am Anapos. Es ist deshalb, wie auch Poppo ge-
sehen hat, zu emendiren : ot Ji ^A&ftvniot ravftjg t^c w^to?, 5 r J imytyyofi^tfi^ Vf^QV
f^r}T((C,rTo , UttS^ov avrovg, d. h. die Athener aber fuhren heimlich in der Nacht vor
dem Tage, an welchem sie, d. h. die Syrakusaner, ihre Musterung hielten, mit dem
gesammten Heere nach Katane ab u. s. w.
S. 37. Herakleides Thuk. VI, 103 ist ein anderer als VI, 73; s. Poppo zu 103
und Xen. Hell. I. 2, 8.
echstes Kapitel.
Ueber den Inhalt dieses Kap. vgl. Thuk. VI, 104— VII, 7.
S. 38. Ueber Gylippos Herkunft, welcher ein Mothax, d. h. Sohn eines Spar-
tiaten und einer Helotin, aber adoptirt war, s. Schümann Gr. Alt. l-"^. 211. Gyl. wird
bei Thuk. VIII, 5 Harmost genannt.
S. 38. Ueber den Sturm, der den Gylippos aufhält, s. Thuk. VI, 104. Von
Taras ausfahrend naQinUi triv *itajjav xal «Qnaad'ftg vn «vffiov xara lov TeQivulov
xoknovy Sc fxnvti ravrrji fifyag xara ßoQ^uv iatiixtog^ anoif^Qitat lg to TtiXnyog^ xoX
nnXn> x^tfjLaa&iig fg tu fidltöja rtp Ta^nyii n^ogfitaytt. Hier ist zunJichst die Er-
wähnung des terinäischen Busens auffallend, da dieser ein Theil des tyrrhenischen
Meeres ist, also bei der Fahrt des Gylippos nicht in Betracht kommen konnte. Wahr-
scheinlich liegt eiu Irrthum des Thukydides vor. Sodann will Grote IV, 202 n. 26 iairjxfog
auf Gylippos beziehen, wie es scheint, von der irrigen Voraussetzung ausgehend, dass
Gylippos .,nach Taras zu kommen versuchte." Aber was sollte er da, wo er ja schon
gewesen war? x. ßoQ, iar. muss den Nordwind bezeichnen, der ihn nach Süden trieb,
worauf ihn ein anderer Wind — ntiXiv ;ifei,a«orö^fiV — wieder nach Tarent jagte.
S. 40. Bei Thuk. VII, 2 ist in den Worten o di (Gylippos) yira oder yerag to
Tf TfTxo^ h Tj nuQo^ifi jtuv I^txfXtSv iltov, der Name eines Kastells enthalten, dessen
Lage unbekannt ist. — Ueber die Art, wie Gylippos sich in Syrakus den Oberbefehl
verschaffen musste, berichtet Polyaen I, 42, 2. Man muss zugeben, dass den Syra-
kusanem wohl einige Bedenken aufsteigen konnten, ob Gylippos nicht am Ende Sy-
rakus ganz und gar Sparta unterwerfen wtirde.
SiebentesKapiteL
Ueber den Inhalt dieses Kap. vgl. Thuk. VII, 7—17; 21—28; 31-41.
S. 43. Bei Thuk. VII, 13 heisst es in der Depesche des Nikias, dass die S^vo*
ot f4iv in avTOfioXiag nQotfaaii aniQxovrtti y WO allgemein an der Richtigkeit des
Ausdruckes gezweifelt wird; vgl. Th. Forssmann in den Actis soc. phil. Lips. ed. F.
Ritschelius I, 399. ff. und Bitschi dazu. Nicht rechte Beachtung scheint die Ansicht
Grote's gefunden zu haben, der IV, 213 n. 46, die handschriftliche Lesart vertheidi-
gend, sie so erklärt : sie gehen nach Syrakus und sagen dort, sie seien äen Athenern
entlaufen, um den Syrakusanem beizustehen, während sie ebenso wenig Interesse für
Syrakus haben unid sich nur dem Dienste entziehen wollen.
S. 44. Bei Thuk. VII. 16 wollen einige nach einer Pariser Handschrift statt 20
Tal. 120 lesen, Diod. XIII, 108 hat 140, und es ist klar, dass, wenn Eurymedon nur
20 mitbrachte, dies von keiner grossen Bedeutung war. Die von Boeckh , Ol Gr. I
I!
414 Anbang III. .Belege und Erlänterungon,
n. 144 p. 20S hierüber gemachten Bemerkungen werden wegfUllig, da die betrefTende
Inschrift nicht in Ol. 91, 3, sondern 91, 2 gehurt.
S. 48. Bei Ath. III, 108. 109 kommt der von Thnk. VII, 33 l^gras genannte
König als "y^Qrog vor; im Drama ZixtXin des xto^tpJoTrotos ^riut/T^iog, von dem wir
mehr als dies eine Fragment erhalten wünschten. Das Stück behandelte offenbar die
sicilische Expedition der Athener. Vgl. Bernhardy Gr. Lit. II, 2, 525.
S. 49. Ueber die an den Schiffen angebrachten Veränderungen spricht Thak.
VII, 36. Ueber das einzelne derselben vgl. Graser, De veterum re navali. Berol.
1864. 4 an verschiedenen Stellen, insbesondere über das nptipag ^wHfivnvy d. h, die
vordere naQe^tiQta^a, rndcrfreie Stelle, verkürzen p. 2S; über die fTnarfSfg nnd nv-
7fin(öf<: p. 24 n. 1 und lab. III, 14 e und f, auch t^ib. II, 9 1 und m.
S. 50. Der die List mit dem Frühstück angab, war ^^(^(artav o TTv^^{xov Ko-
Qh'lhtoq nach Thuk. VII, 39, womit tibereinstimmt Polyaen. V, 13, 2. Nach dems.
V, 32, 1 war es dagegen TfXeaiyixog KoQhthtog.
Achtes Kapitel.
lieber den Inhalt dieses Kap. vgl. Thuk, VII, 42—72.
S. 55. Ueber die Mondfinsterniss (Thnk. VII, 50] s. Ileiss, Die Finsternisse
während des peloponnes. Krieges. Köln 1834. 4. p. 11. — Polyb. IX. 19 verwechselt
die Zeiten ; er versetzt die Finstemiss in die Zeit nach der letzten grossen Seeschlacht
und lässt sie die Rolle spielen, die in Wirklichkeit die List des Hcrmokrates spielte.
S. 58. Nach Thuk. VII, 59 ist der Eingang des grossen Hafens hxtw ara^imt
jualiara, in Wirklichkeit noch weniger, nicht viel mehr als 1000 Meter.
NennteR Kapitel«
Ueber den Inhalt dieses Kap. vgl. Thnk. VII, 73— VIII, 1.
S. 62. List des Hermokrates Polyaen. I, 43, 2 nnd ungenau Front. II, 9. 7.
Vielleicht bezieht sich auch Front. II, 9, 6 auf die Athener.
S. 65. Nach Plut. Nik. 27 ward Demosthenes gefangen genommen, nfQl r^r ITo-
XvCijleiw ttvXijv. Die Worte bei Thuk. VII, 81 von dem ummauerten Grundstück : 6doi
Jk (p&(v TS xal (v»fv, deutet Grote IV, 262 so: der Weg führte hindurch. — Kai-
listratos Paus. VII, 16, 5. S. auch Lysias, 20, 24 ff., der Details über die Thätig-
keit dieser Reiter hat. Unter ihnen war der Sohn des Polystratos, der manche Athe-
ner befreite und soviel Beute machte , dass die €K>ttin einen Zehnten von über 30
Minen erhielt.
S. 68. Ueber einen noch zu seiner Zeit in Syrakus vorhandenen (xftfiivtir h\
l^Qip) angeblich von Nikias herstammenden kostbaren Schild spricht Plnt. Nik. 28.
S. 70. In Betreff des Datums der Schlacht am Assinaros macht Grote TV,
267 n. 11 darauf aufmerksam , dass Kameios und Metageitnion sich nicht nothwendi-
gerweise vüllig decken müssen, so dass es nicht sicher der 16. Metageitnion war.
Grote setzt die Niederlage auf etwa 25 Tage nach der Mondfinsterniss, also etwa auf
dan 21. September, was zu dem fisTontiQov Thuk. VII, 79 passt. £r sagt mit Recht, dass
Clinton den Zwischenraum zwischen der Mondfinsteniiss und dem Rückzüge an sehr
zusammendrängt. Ebenso macht es Westermann im Artikel PelopofinesiacQm belinm.
in Paulys R £ V, 1302. Folgende Betrachtung zeigt dies. Wenn der Rückzng.
nach gewöhnlicher Annahme, am 10. Sept. endigt, beginnt er am 3ten. Also ist am
1. Sept. die Entscheidungsschlacht. Nun brauchten die Syrakusaner, nach Diod-
Zu Buch IV, Kap, 8 u. 9, Seite 48—71. 415
XIII, 14, 3 Tage, um den Hafen zu schliessen ; also konnte die vorhergehende Schlacht
erst am 28. Aug. stattgefunden haben. Da war aber in Wirklichkeit erst die Mond-
finstemiss. Aber auch gleich am Tage nach der Mondfinsterniss kann die Schlacht
nicht stattgefunden haben. Denn bei Thuk. YII, 51 heisst es von den Syrakusanern:
avfTTfiQtSvTO Tj^u^gag oant «VToTg f^oxow ixttvttl sltai * infiSrj dk xaiQog ^v, xjj uh TfQOTt-
Qattt etc., wonach wir wenigstens 3 Tage, wahrscheinlich aber mehr, zwischen der
Mondfinsterniss und der ersten Schlacht annehmen mlissen. Setzen wir diesen Zwi-
schenraum auf 5 Tage , und nehmen wir wieder 5 Tage Zwischenraum an zwischen
der Ersten und zweiten Seeschlacht, so fallt die erste Seeschlacht auf den 3. Sept.,
die zweite auf den 9., der Abmarsch auf den 11., und der Untergang am Assinaros
auf den 18. September. Wir kommen also Grote sehr nahe und dürfen die Schlacht
am Assinaros zwischen den 18. und 20. September ansetzen. — *^H Hi^'tjxtv rj ffiSnaxfi
yQ(tfiju(tttt Zenob. IV, 17. — Thesauros der Syrakusaner in Delphi von der Beute im
athenischen Kriege Paus. X, 11, 5. — Resum^ des athenischen Verlu.stes Ael. V H
V, 10: 240 Schiffe und 40,000 Hopliten.
S. 70. Unendliche Rede des Nikolaos Diod. XIII, 20—27. Er ist ein alter sy-
rakusanischer Q^ii'^^i'» ^^^ seine beiden Söhne im Kriege verloren hat und dennoch
zur Menschlichkeit gegen die Gefangenen rath, während Gylippos, dessen Rede c. 28
—32 berichtet wird, Härte empfiehH.
S. 70. Beurtheilung des athenischen Unternehmens bei Isoer. de pace 29, wo
die Zahlen richtiger sind als bei Diod. XIII, 21. ■— In Betreff der Beurtheilung des
Unternehmens, seiner Aussichten auf Erfolg und der Gründe seines Misslingens, spricht
sehr gut Grote IV, 173 n. 103 über die Stelle bei Thuk. U, 65, und erklärt dessen
Behauptung von den Athenern : ov t« Trgoaffooa roTg of/o/n^k'oig intyt.yvtooxovrfq richtig
dahin, dass sie sich besonders auf die Abberufung des Alkibiades beziehen, die dem
Unternehmen Schaden brachte. — Unserer Behauptung, dass der Versuch der Athener
der einzige war» der gemacht worden ist, Osten und Westen der hellenischen Welt zu
verbinden, wird man nicht das Factum der Unternehmung von Alexander und Pyrrhos
von Epiros entgegenstellen wollen. Diese bedeuteten im Osten so gut wie nichts;
sie wären immer nur Herren Westgriecbenlands geworden.
S. 71. Ich glaube eine bei Gelegenheit der Niederlage der Athener durch die
sicilischen Griechen geschlagene Münze mit Sicherheit nachweisen zu köpnen. Es
ist ein geloisches Didrachmon, bekannt gemacht neuerdings durch Dr. F. Imhoof-
Blumer unter den Münzen seiner reichen Sammlung, welche er beschrieben hat in den
Berliner Blättern für Münz-, Siegel- und Wappenkunde Bd. V, woselbst es auf Tafel
LIII n. 8 abgebildet ist. Imhoof beschreibt dieses Didrachmon folgendermassen. Ar. 5.
gr. 8, 52. rEAAZ. Unbärtiger Kopf des gehörnten Flussgottes mit Diadem linkshin,
das Ganze in einem Lorbeerkranze. Rev. Behelmter Reiter rechtshin, das bärtige
Gesicht von vom, mit flatterndem Mantel, mit einem Speer in der erhobenen Rechten,
einen ebenfalls behelmten, sonst nackten und rücklings zu Boden fallenden Krieger
erstechend, welcher sich mit einem ovalen Schild zu schützen sucht. Zu dem von
I Imhoof über das sonstige Vorkommen dieser Münze Bemerkten kann hinzugefügt wer-
den, dass ein anderes Exemplar, ans dem Funde von Schis6 herstammend, sich in
der Sammlung de Luynes' befindet, sowie eins, von Imhoof stammend, in Berlin
(8. SchubriDg, Die Münzen von Gela in den Berl. Bl. u. s. w. VI, S. 148), endlich,
dass diese Münze bereits, mit der Inschrift, beschrieben ist von F. Munter in seinem
Anctarium Siciliae numismaticae, in den Miscellanea Hafniensia p. 192, wo noch be-
merkt ist, dass nach einem Briefe von Calcagni diese Münzen sich nicht selten in
Sicilien fanden. Imhoof selbst setzt sie in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts.
Wenn wir nun berücksichtigen, dass die ungewöhnliche Lorbeereinfassung des Averses
eine Bedeutung haben muss, und femer, dass nach Thuk. VII, 33 die Geloer beson-
"9*
-^v
4l6 Anhang III. Belege und Erlftuternngen.
ders durch Reiterei den Syrakusaneiii halfen, während die Starke der Athener in den
HopHten beruhte, wird man die Deutung nicht unwahrscheinlich finden « dass, sowie
der Avers mit dem Kranze auf einen Sieg der durch den Flussgott vertretenen Stadt
Überhaupt, so der den Fusssoldaten besiegende Reiter auf den Sieg einer durch ihre
Reiterei starken Stadt Über einen durch seine Fusssoldaten sich auszeichnenden Feind
deutet. Wir haben keine grossere Begebenheit derjenigen Zeit, in welche Imhoof
diese Münze setzt, als eben die Besiegung der Athener; und dass die Geloer auf
ihren Antheil an diesem Siege stolz waren, lässt sich denken. — Gegen diese von
Schubring .am angeführten Orte kurz mitgethcilte Deutung hat sich neuerdings erklärt
A. von Sallet, Zeitschrift für Numismatik, Berlin 1873, I, S. 89: „Auch die von Holm
herrührende Deutung des Reiterkampfes auf den seltenen Didrachmen von Gela (Im-
hoof und in Berlin) auf den athenischen Krieg ist vOllig zweifelhaft, wenn auch diese
Didrachmen etwa in die Zeit unmittelbar nach dem peloponnesischen Kriege fallen
dürften.'' Als Motiv für seine Ablehnung sagt von Sallet vorher: ,.es liegt nicht im
Charakter der griechischen Kunst, einzelne — Ereignisse auf ihren officiellen Denk-
mälern zu feiern." v. S. wird zugeben müssen, dass Ausnahmen von dieser Regel
vorkommen konnten. Dass sie wirklich und zwar in Sicilien vorkommen, zeigen die
bekannten selinuntinischen Tetradrachmen, welche nach allgemeiner Annahme die
Reinigung des Stadtbodens feiern. £ine solche Ausnahme war denn auch wohl hier
gestattet und rechtfertigte sich durch die Grösse des Triumphes. Eine Betrachtung
der in Frage kommenden Münze zeigt aber., wie ich meine, dass hier wirklich eine
solche Ausnahme vorliegen muss , denn der gestürzte Krieger findet sich nicht auf
allen Münzen mit dem kämpfenden Reiter; es giebt deren ohne ihn, und wo or fehlt,
ist das Feld der Münze ebenso gut gefüllt. Er ist also recht eigentlich ohne künst-
lerische Noth wendigkeit hinzugefügt, ja mit ein wenig Zwang an die Seite dea Feldes
gebracht. Weist das nicht darauf hin, dass wirklich äussere Gründe die Veranlassung
gaben, ihn hinzuzufügen? Niemand wird läugnen, dass der kämpfende Reiter die
Volkskraffc der Geloer bezeichnen muss. Wenn dann ein besiegter Fnsssoldat hin-
zugefügt wird, muss das nicht ein besiegter Feind sein? Auch das wird man nicht
läugnen können. Und warum dann nicht die Athener, wenn die Münze gerade aus
dieser Zeit ist, und die Athener eben als Hopliten sich auszeichneten?
Indem ich mit dem Vorhergehenden meine Annahme gegen die Zweifel eines so ge-
. wiegten lifünzkenners wie von Sallet gehalten zu haben glaube, möchte ich auch einen
der zahlreichen syraknsanischeti Tetradrachmentypen als bei derselben Gelegenheit
geschaffen erklären. Dieses Tetradrachmon findet sich abgebildet bei Torr. LXXVl,
13, jedoch ungenau, da es statt — ISIN nur — iON haben kann. Auch bei Mi
Suppl. n. 493, und im Cat. Santangelo 8495 sind dieselben Münzen beschrieben,
von denen sich auch im Berliner Kabinet mehrere Exemplare finden. Ihr weib-
licher Kopf hat eine mit einem Mäander gezierte Haube und näher der Stirn einen
in stärkerem Relief hervortretenden Lorbeerkranz, der auf den meist vemutzten
Exemplaren nicht sehr deutlich hervortritt. Ein Lorbeerkranz findet sich auf dem
Kopfe des Avers der syrakusanischen Tetradrachmen sonst nur auf denjenigen, ,
welche dem für das Damareteion gehaltenen Dekadrachmon gleichzeitig sind (Torr.
LXXV, 4), welches selbst ebenfalls den Lorbeerkranz hat (De Luynes, Choix VIII, 1,
Uultsch, Damareteion n. 1). Bei dem Damareteion deutet der Lorbeerkranz sicher
auf den Sieg bei Himera. So ist die Deutung des Kranzes auf unserem Tetradrach-
mon auf einen grossen Sieg der Syrakusaner durchaus motivirt. Da es nun in die
zweite Hälfte des 5. Jahrh. v. Chr. gehört (es hat — /OiV), so ist nicht unwahrschein-
lich, dass es bei Gelegenheit des Sieges über Athen geprägt ist. Man durfte den Sißg
am Assinaros dem von Himera für ebenbürtig halten.
ZuBnch IV, Kap. 10, 72—76, u. Buch V, Kap. 1, Seite 77. 78. 417
ZehntesKapiteL
Quellen: anfangs Thuk. VIII, 26. 28. 29. 45. 50. 78. 79. 83^85. 104—107; sodann
Xen. Hell. I, 1, 11—31; 2, 8-15; 3, 13, nebst Diod. XUI, 34. 38-41. 45. 46. 47.
49 — 51. 63—65. lieber die Chronologie Xenophon's vgl. £. Yölkerling, De rebus Si-
cutis etc. Berol. 1868. 8. p. 10—15.
S. 72. Nach Diod. XIII, 34 schicken die Syrakusaner den Lakedämoniem 35
Trieren zu Hülfe, die XIII, 61 zurückkommen. Siehe o. S. 373. Nach Diod. XIII, 45
hatten in der Schlacht bei Dardanos die S3rrakusaner ro Xaihv xigag.
S. 76. Bei Pylos sind nach Diod. XIII, 64 die Spartaner xara fthv d^uXnjjav
%v^€xu vavatv, wv TjOav al fikv ano ZixikCag nivit. Nach Diod. XIII, 65 halfen einige
^x 2ixiUag den Megarem gegen die Athener, die einen Einfall in Megaris machten.
S. 76. Hermokrates' Betheiligung an der Gesandtschaft nach Persicn Xen. Hell.
I, 3, 13. Vgl. K. Trieber in den N. Jahrb. 1870. Bd. 101, S. 185.
Fünftes Buch«
Erstes Kapitel*
Ueber die nächste Zeit vgl. bes. £. Yölkerling, De rebus Siculis ab Athenien-
sium expeditione ad prioris belli punici finem gestis. Berol. 1868. 8, der p. 10 ff. über
die Chronologie handelt.
S. 77. Mommsen, B. G. I^ 499 sagt, dass „nach der Vereitelung der grossen
Entwürfe des Alkibiades Syrakus unbestritten dastand als die erste griechische See-
macht.^ Sollte das nicht immer noch Athen gewesen sein? Nur ein Staat, mit aus-
wärtigen Besitzungen oder ein solcher mit langer Küstenstrecke, hält eine wirkliche
Seemacht. Sonst ist sie zu kostspielig und wird bald vernachlässigt. So war es in
Syrakns. Wo war im J. 406 die syrakusanische Seemacht (Diod. XIII, 80)? Nur
unter Dionys war Syrakus eine Seemacht von Bedeutung , aber auch Dionys bat zur
See wenig wirklich geleistet.
S. 77. öylippos und die Syrakusaner Tim. (Fr. 102 M) ap. Pfut. Nik. 19. 28
und Comp. Tim. 2. Bekanntlich hat sich später Gylippos durch Unterschleif entehrt
Diod. XIII, 106.
S. 76. Diokles und seine Gesetzgebung. Die Schrift J. G. Hubmann, Diokles,
Gesetzgeber der Syrakusaner. Amberg 1842. 4. kenne ich nicht. Vgl. auch La Mantia,
Storia della legislaz. civile e criminale in Sicilia. I. Pal. 1858 p. 96—100. Diodor han-
delt von D. XUI, 33—^35. Wichtig auch Ar. Pol. V, 3, 6: h IlvQaxovaaig o ^ijfjos
afriog ytvofAivog r^g vlxng lov noX/fiov rov nQog l^-d^rfyfUovg ix noXnt(ag dg ^rj^ox^u-
Tlav fjLtUßnXar. Nach Diod. XIII, 35 haben auch andere Städte Siciliens des Diokles
Gesetze gehabt, bis alle Sikelioten des römischen Bürgerrechtes theilhaft wurden.
Diodor's Schlussworte deuten auch darauf hin , dass die Quellen über Diokles nicht
sehr klar und reichlich flössen. Tod des Diokles Diod. XIII, 33 ; über den des Cha-
roudas Diod. XII, 19. Wenn Kephalos und Polydoros nach Diod. XIII, 35 nur iSriyyital
Tov vofAo&irov wai'en, so beweist dieser Ausdruck allerdings noch nicht die Un Ver-
ständlichkeit der Sprache. Es gab an verschiedenen Orten Exegeten als Amt: in
Sparta einen i^rjyrjTrig imv AvxovQydiovy i^riytiral oattav xai U^dSv in Athen ; die Exe-
geten dienten überhaupt als Ausleger des heiligen Rechtes, und nur im übertragenen
Sinne als solche des weltlichen. Vgl. Chr. Petersen, Das heilige Hecht bei den
Holm, Oeioh. Bioiliens. II . 27
4t8 Anhang III. Belege und Erläuterungen .
Griechen. Philologus. Supplementbd I, S. 194. — Wem die Vermiithang zu gewagt
scheinen sollte, dass der Gesetzgeber Diokles Jahrhunderte früher lebte, der erinnere
sich, dass derselbe Diodor, der ihn in das 5. Jahrhundert gesetzt hat, auch den Cha-
rondas in das 5. Jahrhundert setzte. Vgl. auch Br. de Pr. p. 210.
S. 78. loh stelle hier Notizen Über die syraknsanische Verfassung der
damaligen Zeit , mit Blicken auf andere Zeiten , zusammen. Eine solche Znsammen-
stellung hat bisher besonders Völkerling p. 24 — 34 s. angef. Schrift gemacht. Was
ihre Entwiekelung betrifft, so ist nur der durch Diokles bewirkte Umschwung zur
vollständigsten Demokratie zu verzeichnen, demokratisch war Syr. schon zur Zeit
des athenischen Krieges regiert. — In Betreif der Eintheilung des Volkes ist die
dorische in 3 Phylen anzunehmen, welche sich auch ergiebt aus dem Berichte des
Cicero über die Wahl des Araphipolos des Zeus ,(Verr. II, 5}) ex tribus generibus,
was 3 Phylen bezeichnen soll; Cicero hat offenbar nicht ex trifons tribubus sagen
wollen. Dass die Borgerverzeichnisse nach den Phylen geführt worden, sieht man
für die Zeit des athenischen Krieges aus Plut. Nik. 14: aavidat, lig Sg nnty^^tf ovto
xara qvXuQ avrovg ol ZvQnxoatot-, diese Tafeln lagen im Olympieion vor der Stadt.
Vielleicht hängen mit der Eintheilung des Volkes in 3 Phylen auch die Zahlenver-
hältnisse von Beamten in einzelnen Fällen zusammen. So Hesse sich die Zahl der
Feldherrn im athenischen Kriege — anfangs 15, dann 3, erklären. Man könnte auch
die Zahl der Vormünder für Hieronymus: 15 nach Liv. XXIV, 6, damit in Verbindung
bringen. Vielleicht steht damit auch die nicht selten vorkommende Zahl der aiis-
erwählten Soldaten: 600, in Verbindung. Wir finden diese bei Diod. XI, 76; Tbuk.
VI, '96 und VII, 43; Polyaen. I, 43, 1. Bei Diod. XXII, 13 sind jedoch 200 Hesse-
nier darunter. In zwei andern Fällen, wo« auch die Zahl 600 vorkommt, kann sie
ebenfalls nicht mit der Phylenzahl in Beziehung gebracht werden: Diod. XIII, 95,
Leibwache des Dionys, und XIX, 5. 6, Hetärie, welche die Stadt beherrscht und von
Agathokles gestürzt wird. Jedenfalls ist die Vorliebe für die Zahl 600 bemerkena-
werth. — Dass die Phylen die Grundlage der Heereseintheilung bildeten, ergiebt sieh
schon aus dem Charakter des Volksheeres und wird bewiesen von Thuk. VI, 100:
ol filv Xvoaxoaioi 7 vlriv filav xaraXtnoytfg ifvXnxa rov otxodofiiifjLttrog etc. Nach Thuk.
III, 90 ordneten sich auch die Messenier so. — In politischer Beziehung erweist sich
schon vor Diokles der Hanptsitz der Macht als in der Volksversammlung ruhend;
vgl. die Geschichte des Duketios und des athenischen Krieges, sowie Thuk. VII, 55.
Vorsitzende der Volksversammlung sind nach Thuk.^VI, 41 die ür^nttiyüi,' von denen
alsbald die Rede sein wird. Diod. Xli 92 heissen diese Vorsitzenden «Qx^ng^ und
ebenso XIII, 91. An letzterer Stelle, wo die Volksversammlung geschildert wird, in
der Dionjrs die bestehende Regierung stürzt, wird erzählt, dass Dionys die azQartfyoi
anklagt, und dass die uQ^ovreg ihn deswegen mit Strafe belegen. Es ist nach dem
Zusammenhang unwahrscheinlich, dass diese ttQ^rovTtg die OTQariiyoi selber waren.
Also hat sich damals das zur Zeit des athenischen Krieges bestehende Verhältnisa,
dass die Feldherren in den Volksversammlungen präsidirten, geändert. Nun ist nach
Diod. Xm, 34 durch Diokles eingeführt worden, xXri^tp rag n^itg 6ioix(ia&at, nnd
doch ersehen wir aus Diod. XIII, 91 , dass eben diese Vorschrift bei der Wahl der
Feldherm nicht zur Anwendung kam. Wir haben also anznnehmen, dass ein Paukt
der diokleischen Vervollständigung der Demokratie darin bestand, dass die crr^anf^
von der Leitung der Volksversammlung entbunden wurden und dieselbe dnroh's Loos
gewählten Beamten zufiel. In der Discussion kann nach Thuk. VI, 41 der Vorsitzende
das Wort verweigern; bei Diod. XIII, 91, nach der Zeit des Diokles, ist ihm nicht
mehr gestattet , einem Redner das Wort zu entziehen , er kann nur noch eine Geld-
strafe auflegen. Nach Plut. Apophth. reg. (Hutt. VIII p. S9) fand, als Dionys d^
der Tyrannis bemächtigte, in der Volksversammlung cur Bestimmung der Reihenfolge
Zu Buch y, Kap. 1, Seite 78. 419
der Bedner eine Losung statt, bei welcher das Alphabet benutzt wurde. Da sich bei
Thuk. VI, 32 ff. und Diod. XIII, 19. 28 keine Hindeutung auf ähnliches findet, und
Diokles ja überhaupt das Loos einführte, so ist anzunehmen, dass auch diese Losung
der Redner eine von Diokles eingeführte demokratische Massregel war. Für den Modus
der Abstimmung in der Versammlung kommen folgende Ausdrücke vor: /ff^orovf/i^f/^
von der Wahl zum Feldherrn (Gelon) bei Polyaen I, 27, 1 ; i/;j;f/ /^£öf.^cr bei Diod.
XIII, 43 und Öfter; bei Diod. XI, 92 (Sache des Duketios) wird die Sache durch
o ^rjfios fßo«, abgemacht. — Omina waren für die Verhandlungen von Einfluss : ß^ov-
tal und öioarifiiat. verhindern in Dion's Zeit die Wahlen von Feldherren. Dass Volks- .
Versammlungen auch unter Dionys bestanden, zeigt die Geschichte desselben, z. B.
Diod. XIV, 64 und Arist. Oecon. 1349 A 34 Bekker, — Unter dem Volke in Waffen
haben eine zugleich militärische und politische Bedeutung die InnfTg, als welche nur
Wohlhabende erscheinen: Diod. XIII, 11-2; XIV, 7. 9. 44. 64; Plut. Dion 42. 44 —
hier werden Innug und yt'tüQi/joi zusammengestellt. Die inmls waren auch in Sparta
die Blüthe der Jugend. Die Krieger von Syrakus erhielten atviiQiatov, Verpflegungs-
geld : Polyaen. I, 43, 1 ; bei Diod. XIII, 95 , wo offenbar von den syrakusanischen
Bürgern und nicht von Söldnern die Rede ist, heisst es /uia^Sg, Nach Thuk. VI, 72
müssen sich die Bürger selbst ihre Waffen verschaffen ; es sind also nur Wohlhabende
Hopliten und natürlich erst recht nur solche Reiter, in deren Corps sich also natur-
gemäss die reichere Jugend sammelte. Die Würde eines XnnuQxog kommt bei Polyaen.
I, 43, 1 vor. Eine besondere Gattung Reiterei waren die bei Herod. VII, 158 erschei-
nenden IniioSQOfioi \i/ilol. — ■ Nach Thuk. VI, 68 kämpfen die Syrakusaner nnv^riful,
d. h. alle Waffenfähigen bis zu einem gewissen Alter treten unter Waffen; i^^raatg
und xardloyos tcöv iv ^^Xixhf werden Plut. Nik. 14 erwähnt. — Die Beamten des
Staates werden natürlich vom Volke gewählt: Thuk. VI, 72. 73, und werden von
demselben abgesetzt Thuk. VI, 103, auch noch nach Diokles die OTQaTrjyoi Diod.
XIII, 91. In Betreff der Zahl der atQajuyol herrscht grosser Wechsel. Im atheni-
schen Kriege anfangs 15, dann 3 (Thuk. VI, 72. 73). Vor Dionys nach Plat. Ep. VIII,
354, wo übrigens ein historischer Irrthum in der Sache vorkommt, 10; 22 kommen
vor Plut. Dion 29; 25 bei Plut. Dion 38; während der Belagerung durch Marcellus
werden 6 gewählt, Liv. XXV, 29; 2 Feldherren kommen, in gefährlicheren Zeiten,
vor: Polyb. I, 8; Plut. Dion 3. Neuwahlen fanden zu Dion*s Zeit ^igovg /ueöovyTog
statt: Plut. Dion 38. lieber die Befugnisse eines ajQaT'^og (in diesem Falle aller-
dings nur ein einzelner) ist Diod. XIX, 6 lehrreich, wo Agathokles als Feldherr
xvQiog irig ^vvafiiiog ist; sowie aber ein auswärtiger Krieg droht, kann er xttrayQa-
(f€iv ovg nQoatqoUo OTgarKÖTag; fÜr gewöhnlich hat der Feldherr also nur das Bür-
geraufgebot zu seiner Verfügung. — Von anderen Beamten sind aus Phylarchos (Fr.
45 M ) bei Ath. XII, 521 ywaixovofioi bekannt, ohne deren Erlaubniss die Frauen
selbst am Tage nicht ausgehen durften. Es werden gewisse Bedingungen hinzuge-
kommen, sein, und schliesslich war es nur eine Fixirung der Sitte. Auch durften nach
demselben die syrakusanischen Frauen (Jiri xoofAeta&at j^Qvat^f jlijj^ «v&ivä qogtTv ^j\if
ia&rjTftg l/fif noQtf'VQfig i^Qvaag naQvtfng, ^«v firi rtg avriov ff^X^QV ^t<^^P<< elvm
xoiv^. — • Um zur Bekleidung eines Amtes fähig zu sein, war beim Beginn des athe«
nischen Krieges nach Thuk. VI, 38 ein gewisses Alter erforderlich. — Einer beson-
deren Besprechung bedarf der Charakter der cfif^oi; nQoaTarai. Sie kommen vor
Thuk. VIi 35; Diod. XIII, 91. 92. Manche haben in ihnen Beamte gesehen, so Völ-
kerling, der sie mit den Volkstribunen Roms vergleicht. Wenn derselbe jedoch (p. 31
n. 6) bei Diod. XIII, 91 eine creatio der ^ij/nov nQoataTai angegeben findet und
ebendaraus auf das Vorhandensein eines förmlichen Amtes dieses Namens schliesst,
so ist der Qrund nicht zutreffend, denn bei Diod. XIII, 91 sind unter den n^oaraTat
die atQ»Trjyo£ zu verstdien. Auch XIII, 92 ist der ngoaraTrig Dionysios argarrjyog.
27*
420 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
Die Wahl bezieht sich also auf die Strategenwürde, nicht auf die zum naoaranig.
^rifioif n^arartti wurden vielmehr in Syrakus diejenigen genannt, welche ohne ein
speciell dazu berechtigendes Amt es sich zur Aufgabe gemacht hatten, das Volk von
Syrakus in seinen Rechten zu schützen. Auch in vielen anderen Städten kommen
öiifjiov nQoajdrai vor, von Müller, Dorier II, 139. 136 fUr Beamte gehalten, so in
Argos, in Mantineia (Xen. Hell. V, 2, 3). Bemerkenswerth ist auch die Stelle ans
Theopomp St. B. S. v. /Ivfjifi : nQoojttrai <fi r»)^ TtoXfiof tionv tiSv fih ZvQmtovalmv
^/ifhjyis xnl 'U^ct3eksiJfig , Tiuy Je fitaS^otfoQutv ^yiQxiXaos , WO allerdings eine wirkliche
Regierung der Stadt gemeint ist; aber diese Stadtvorstcher haben mit den Volksvor-
stehem nichts zu thun. Schömann, Gr. Alt. I, 1S4 sagt: „Stellen, in denen man an
ein Amt zu denken genOthigt wäre , giebt es keine.'' Gewisse Stellen beweisen da^
gegen deutlich, dass man unter noonraxn^ sich keinen Beamten zu denken pflegte.
So heisst bei Xen. Mem. I, 2, 40 Perikles nQoatärfie Tif^ nolitog, wo doch kein Amt
gemeint ist, und in der akragantinischen Inschrift C. I. Gr. n. 5491, wo die nQoiattt'
fiei'Qt rot) ^lifÄov gepriesen werden, ist unter diesen sogar ein Fremder. S. auch Gröte
IV, 142 n. 39. — Nicht ohne politische Bedeutung waren die Diener — vnniQirnt —
der Behörden; s. hierüber unten in der Geschichte des Dionys. — Eine Losung der
Richter hat man geschlossen aus Diod. XIII, 91 , wo Dionys dem Volke den Rath
giebt, Tov xara rovg vofious xlrjgoy zur Venirtheilung der Feldherren nicht abzuwarten,
d. h. wahrscheinlich die zu bestimmter Zeit eintretende Wahl der Richter durch das
Loos. — Ueber die Finanzen von Syrakus spreche ich unten bei Gelegenheit der-
jenigen des Dionys. — Mit dem Begriff Bürger ist der des Grunde igenthttmers eng
verbunden, auch noch zur Zeit des Dionys; s. Diod. XIV, 10; doch giebt es unter
Dionys auch einen o;rXoi ano Ttjg x^Q^if d- h. ländliche Arbeiter ohne Verm($gen, die
nicht etwa Sklaven sind: Diod. XIV, 18. — In Betreff der Sklavenverhältnisse ist
die Geschichte bei Polyaen. I, 43, 1 bemerkenswerth. Die sich empörenden Sklaven
sind offenbar griechischer Herkunft ; aus irgend einer unterworfenen Stadt stammend.
Unter Dionys wurden Sklaven bisweilen in Freiheit gesetzt und bewaffnet. Unterricht
für Sklaven in Syrakus Ar. Pol. I, 2, 2. — Bemerkenswerth ist schliesslich noch die
Stelle Demosth. Lept. 161 , wo die Syrakusaner vor Dionys als ^tifioxoatovft^roi xal
(f-oQovg KaQx^^oviovg nQariofifvot bezeichnet werden. Damach hätten sie von den
Karthagern Abgaben eingetrieben. Aber wir können nicht sagen, in welcher Weise
dies geschah. Vielleicht geht es nur auf Steuern, die man in Syrakus von karthagi-
schen Kaufleuten erhob, welche dort sich niedergelassen hatten. Denn es ist kaum
anzunehmen, dass karthagische Ortschaften Siciliens den Syrakusanem zinspflichtig
gewesen wären, und auch aus einer Stelle des Timaios (Fr. 89 M} beim Schol. Pind.
Pyth. II, 3, wonach Gelon den Karthagern auflegte /^j^/ürtrix (fg<fiQ6tv, kann man
nicht schliessen, dass dies eine regelmässig wiederkehrende Abgabe gewesen sei.
S. 78. Krieg zwischen Syrakus und den chalkidischen Städten.
Lys. Or. 20, 24 ff. ; der oben erwähnte Sohn des Polystratos hat den Katanäem als
Reiter dienen müssen. Allerdings ficht Scheibe (Lysias ed. Teubner 1872 p. LI) diese
Deutung an und will unter Aenderung des Textes die Notiz auf frühere Zelten be-
ziehen. Doch sind Aenderungen unnöthig und die Deutung auf früheres unwahr-
scheinlich. Diod. XIII, 56. Diod. XIII, 95. ist Leontini im J. 405 v. Ohr. ff^v^ov
Toig 2vQaxova£oig\ auch kommen Akragantiner dahin Diod. XIII, 89.
S. 79. Expedition der Karthager nach Sicilien. Diod. XIII, 43. 44
über den Ursprung des Krieges. Ueber die karthagischen Verhältnisse s. A. Schäfer,
Zur Geschichte von Karthago, im Rhein. Museum XV, p. 398 ff., sowie VOlkerling,
p. 37—43. Man hat für das Jahr 409, wie für 480, die Frage aufgeworfen, ob Kar-
thago freiwillig und gern oder ungern und gezwungen den grossen Krieg führte.
Diese Frage wird für das J. 409 in ersterem Sinne beantwortet von Niebahr, Vorträge
Zu Buch V, Kap. I, Seite 78—81. 421
r
Über alte Geschichte III, 199. Die BetrachtuDg der Sachlage giebt die richtige Ant-
wort. Die Politik Karthago's verlangte, die Westspitze Siciliens nicht ans den Händen
zu geben. Deshalb niussten die Karthager thnn, was zu deren Behauptung nöthig
war, und das thaten sie. Die Mittel zur En-eichung dieses Zweckes, der fUr sie eine
Lel)ensfrage war, mussten sich nach der Grösse der gegnerischen Kräfte richten.
Erobenings- und Rachekriege waren als solche der Stadt Karthago fremd; aber de»
Feldherren ward soviel Spielraum gelassen, dass die von der Stadt beschlossenen
Kriege dazu ausarten konnten. Vgl. auch die Bemerkungen in der Abhandlung von
0. Meltzer, Vorarbeiten zur Geschichte der Karthager auf Sicilien bis zum J. 415.
Dresden 1S69. 8. bes. 8. 33—35.
Das Haus Magon's.
Magon
I
Hannon
Hasdrubal Hamilkar
Hannibal HasdTSSaf Sapho , fbeimmera
(lustin. AlX, 1. 2). Himilkon Hannon II Gisgon
s. Schäfer R. M. \ in Selinus
XV, 397—400
Himilkon tOdtet Hannibal
sich 396 V. Chr. f vor Akragas.
S. 81. Kampf gegen Selinus. Quelle Diod. XIII, 54 — 59. Zu den Bd. I
S. 394 genannten Schriften Über Selinus, kommen seitdem noch : Bullettino della Com-
missione di Antichita e Belle Arti di Sicilia n. 4. Pal. 1871. 4 mit Artikeln von S. Ca-
vallari und mir; dasselbe Bullettino n. 5. Pal. 1872 mit einem topographischen Auf-
satze von S. Cavallari und einer Karte von dessen Sohn, ^dem Ingenieur Cristof.
Cavallari; sodann Anzeige des Bullettino n. 4 im Bull, des Instituts, Rom 1872, durch
0. Benndorf; J. Schubring, Die neuen Entdeckungen von Selinunt, Archaeol. Ztg.
1873, nebst Taf. 71 , einer verkleinerten Wied(*rgabe der Karte in Bull. 5; 0. Benn-
dorf, Die Metopen von Selinunt, mit Untersuchungen über die Geschichte, die Topo-
graphie und die Tempel von Selinunt, Berlin 1873. 4 und Bullettino della Commiss.
n. 6. Pal. 1S73. mit Aufs, von S. Cavallari. Manches ist endlich noch in den ver-
schiedenen Schriften Über die von Cavallari entdeckte Inschrift im ApoUonion von
Selinus enthalten, deren Bibliographie hier nicht gegeben werden kann. Sie fin-
det sich bei Benndorf, Metopen, S. 27; hinzugekommen sind seitdem G. Frosina-
Cannella, Sopra Tiscriz. greca ultfmamente trov. in Selinunte, Rom. 1872. 4 und die
neueste Publication der Inschrift iü A. Saunas, Relazione del real museo di Pa-
lermo, Pal. 1873. 4. Tav. 2, der p. 50 und 51 ebenfalls bibliographische Notizen Über
die Erklärung der Inschrift giebt. — Die Stadt Mazara wird bei Diod. XIII, 54 als
das IfjL-noQiov am Flusse Mazaros bezeichnet; Ma^nQfi von St B. als (/qovqiov ZfXt-
vovvtCwv bezeichnet; bei Diod. XXIII, 9 i6 MatnQiv ((qovqiov genannt. Vgl. über
diese Stadt Schubring, Topogr. von Selinus, S. 36 ff. Bei Diod. XIII, 54 steht femer
tU ^vo fjii{}ri dnlli xr\v ^vrautr , was nicht mit Reinganum , Selinus S. 75 durch die
zwei Theile sich erklärt, in welche die Stadt Selinus zerfUtlt, sondern durch die von
den Karthagern , wie diesmal , so in der ersten Belagerung von Himera 481 , in der
zweiten 409, in der von Akragas, endlich wenigstens in ähnlicher Weise in der von
Syrakus 396 befolgten Praxis, eiuen Theil des Heeres als Reserve aufzustellen. —
Da die Entfernung von Selinus nach Syrakus ca. 140 Millien beträgt, so hätte bei der
neuntägigen Dauer der Belagerung ganz gut, was ich gegen VOlkerling p. 51 be-
:\ ,<
A .
422 Anhang lU. Belege und ErlKuteningen.
merke, Hülfe auB Syrakus zu rechter Zeit kommen können. Die Boten konnten in
2 Tagen nach SyrakuB gelangen, die Syrakusaner in 5 Tagen nach Seiinas. '— In
Betreff der Truppenzahl folgt Diodor, wie man aus den Angaben über die Belagerung
von Himera sieht, den Berichten des Timaios. Yölkerling 49 setzt in diesen Krieg
die Geschichte des Theron Polyaen. I, 28, 2 (s. Bd. I, S. 153) und nimmt bei Diod.
XIII, 59 die handschriftliche Lesart avfAnnffovTixtog an, indem er die Oonj. Reiske's
ap/iißfßovUvx^g abweist; doch passt Yölkerling's Deutung von aufineiftitv. wegen der
Worte rotg noUiaig nicht. — Die Einwohnerzahl von Sei- schätzt Volk. 47 nach Diod.
XIII, 57. 58 auf 30,000; da 16,000 ermordet, 5000 ge&ngen wurden, 2600 nach Akra-
gas flüchteten, endlich Viele in den Häusern verbrannten , so mögen wohl 30,000 und
mit den Sklaven 60,000 herauskommen. Schubring S. 24. 25 seiner ersten Abh.
nimmt 24—30,000 streitbare Männer an, aber die 16,000 Getödteten sind nicht bloss
Männer, und die 6000, welche Uermokrates nach Diod. XIII, 63 als Bürger nach
Selinus verpflanzt, sind nicht bloss ehemalige Selinuntier. CavaÜari im Bull. d. Comm.
V, p. 8 schätzt nach dem Flächeninhalt der Stadt ihre Einwohnerzahl auf 40,000.
Wenn wir für den von ihm nicht mitgerechneten. Osttheil 20,000 annehmen, so kommt
auch die Zahl von 60,000 heraus, die jedenfalls nicht zu hoch gegriffen ist, da die Stadt
Diod. XIII, 44 als nolvavSqovaa bezeichnet ist. — Die Strassen von Selinus anvtonoi
genannt, Diod. XIII, 56. Es ist nicht leicht, die vorhandenen Ruinen von Selinus mit
der Darstellung der Belagerung und Eroberung der Stadt durch Diodor in Einklang zu
bringen. Ich darf hier wohl von Schubring's anfMnglicher Ansicht (Topogr. von Se-
linus S. 30} absehen, wonach eine doppelte Mauer vorhanden war und die innere erst
am 9. Tage fiel, da er sie in seiner zweiten Abh. (1873) aufgegeben hat, wie denn
in der That der Text Diodor's sie nicht stützt. Es ist auf die anfangs von Seh.
weniger berücksichtigte Stelle Diodor's (XIII, 57) zu achten: hU ^^ ^n^ «yoQtiv avr-
d^afji^vnov füv 2^Xivow%ifov, woraus sich ergiebt, dass nach Eroberung der Mauern
die Einwohner auf den Markt zusammengedrängt werden, wobei besonders zu beach-
ten ist, dass die Akropolis keine Rolle in der Vertheidigung spielt. Es ergeben sich
hieraus zwei Fragen. Wo war die Agora von Selinus? Warum kommt die Akropolis,
die doch jetzt noch deutlich ummauert ist, gar nicht bei der Erstürmung der Stadt
vor? 1) Die Agora setzte Schubring anfangs in die Senkung zwischen Akropolis und
Nordstadt. Nachdem aber Cavallari (Bull. 5) sie innerhalb der Akropolis gesetzt, hat
auch er sich dieser Ansicht angeschlossen, wogegen Benndorf eine dritte Ansicht
aufgestellt hat. B. ist nämlich der Meinung, dass Selinus von An&ng an ebensowohl
auf dem Osthügel wie auf dem Westhügel lag, „wie die Mutterstadt Megara sich um
eine doppelte Akropolis ausbreitete'' (S. 6) . So umschloss auch den Oßthttgel dieselbe
gemeinsame Befestigung (S. 13). Demgemäss nimmt er an, dass zwischen Ost- und
Westhügel in der Nähe des Hafens sich der Markt befunden habe, nach der Vor-
schrift Vitruv's (I, 7, IJ, „der innere etwas höher gelegene Theil des mittleren Thaies
war ohne Zweifel vorzüglich dafür geeignet" (S. 14). Nach dieser Ansicht Benndorf s
ist Selinus von vom herein eine sehr grosse Stadt, und es ist das jeden^Us sehr
bemerkenswerth, dass der Tempel F architektonisch den Tempeln C und D sehr nahe
steht, sodass, da diese in die älteste Zeit der Stadt gehören, auch der Ursprung von
F und somit Anlagen auf dem Osthügel in eine sehr alte Zeit gehören müssen. Den-
noch ist aus der Natur des Terrains, welches West- und Osthügel trennt, ein Ein-
wurf gegen Benndorfs Ansicht zu entnehmen. Es ist so wasserreich, dass es passen-
der als die Grenze der Stadt betrachtet wird. Dazu stimmt auch die auf CavallarFs
neuer Karte deutlich hervortretende Erstreckung eines Hafenbeckens weit in's Land
hinein zwischen Ost- und Westhügel. So ziehe ich denn vor, die älteste Stadt Se-
linus nur westlich von diesem Hafenbecken anzusetzen ; der Süd- und der Nordhügei
entsprechen den beiden megarischen Akropolen, und die Agora war östlich von der sie
Zu Buch y, Kap. 1, Seite 82—84. 423
trennenden Senkung, nach dem Hafen zu. In Betreff des Osthtigels nimmt Cävallari,
Bull. n. 6 p. 17 an : „che cola fosse un sacro recinto destinato a celebrarri feste nazionali,
dove potevano liberameute concorrere anche gfi antichi abitatori di tntto 11 territorio
Selinuntino, senza avere il bisogno di penetrare ncIF Acropoli e nella cittä.'' 2) Um-
mauerung der Akropolis. Dass der jetzt als Akropolis bezeichnete Stadttheü, dessen
Mauern in ihrem gegenwärtigen Zustande allerdings von Hermokrates herrühren, doch
schon vor Hermokrates Mauern hatte, ergiebt sich daraus, dass die vorhandenen
Mauern drei verschiedene Constructionsweisen zeigen, welche Bull. d. Comm. n. 4f
p. 8 und n. 5, p. 2 und 7 charakterisirt worden sind. Von diesen besteht die erste
aus dein Stein* des Hügels selbst und ist stufenförmig nach aussen angelegt (was viel-
leicht die Annahme von grossen Treppen veranlasste, die zur Akropolis hinaufführen
sollten, und die Benndorf S. 11 n. 1 auf andere Weise erklärt); die zweite besteht
aus besserem Stein und ist kunstgerechter gemacht; die dritte kennzeichnet sich als
in Eile und durch Hermokrates gemacht dadurch, dass sie architektonische Fragmente
enthält. Es sind also n. 1 und 2 älter als Hermokrates. Dass nun dennoch diese
Befestigung keine Rolle bei der Belagerung spielte, scheint mir von der von Diodor
bezeugten Vernachlässigung der Mauern der Stadt herzurühren, Diod. XUI, 55 : rdiv
xdXfov ot'tT fivrivovv intfAiluav mnoirj/iivot . So werden sie besonders auch die Mauer
zwischen Akropolis und Stadt vernachlässigt haben, schon um nicht durch eine starke
gegen die Stadt gesicherte Burg es einem Bürger zu erleichtern, Tyrann zu werden,
lieber die Belagerung sagt Schubring (Arch. Ztg.), dass der nürdliche Theil der Stadt
bestürmt wurde. „Gerade der nördliche Theil der Stadt hatte die alten, schwachen,
nie ausgebesserten Mauern, die erwähnt werden, und die fast spurlos verschwunden
sind. Die Thürme der Karthager standen im Thale; der Kampf um die mit 4en
Widdern bald eingestossenen Mauern dauerte auf den Abhängen neun Tage ; am zehn-
ten Tage zog sich der Strassen- und Barrikadenkampf von Norden nach Süden und
wurde Abends auf der Agora im Süden entschieden."
S. 83. Kampf gegen Himera. Diod. XHI, 59-62. In c. 61 ist dion^Q iifalvno
falsch. Was hierauf folgt, ist, wie aus dem Folgenden sich ergiebt, Bath des Diokles ;
es müsste also heissen : 6i6niQ hpri avfjiq^QHv avroig. — Abweichende Ansichten über
den Ursprung des den Abzug der Syrakusaner bewirkenden Gerüchtes Grote V, 637;
über den Abzug: Niebuhr, Vorträge HI, 207. Die Einwohnerzahl von Himera wird
von VOlkerling 52 auf 40,000 berechnet. Ich rechne so : nach Diod. XIU, 60 machten
6000 Himeräer den Ausfall mit; andere blieben zurück, natürlich wenigstens 2000,
zur Deckung der Mauern und Thore, das macht zusammen wenigstens 8o00 waffen-
fähige Männer zwischen 16 und GO Jahren, woraus man auf eine Zahl von 32,000
freien Einwohnern schliessen kann; nimmt man ebenso viele Sklaven, so kommen
64,000 Einwohner heraus. Diod. XIII, 60 lässt die Karthager unvermuthet überfallen
werden, bei Front. Strat. III, 10, 3 heisst es dagegen: Hann. castra sua capi de in-
dustria passus est, iussis recedere Poenis etc. Wer mag die karthagisch gesinnte
Quelle dieser Darstellung gewesen sein ? Vielleicht, wie ein Freund meint, die Einlei-
tung des Silenos (s. Bd. I, S. 310); auch an Philinos (ebendas.) könnte gedacht werden.
S. 84. Diod. XIV, 47 : Moxvrj noXig ^v oTiotxos KaQfr^öovCbjv. Ueber den Cha-
rakter der karthagischen Herrschaft s. Diod. XIV, 65, wonach die Unterthanen die
vofÄoi behielten, aber tfOQoi zahlen mussten. Ueber den Ausdruck iniKgareia und
seine Verbreitung spricht 0. Meltzer in dem Aufsatze : Zu Timaeos von Tauromenion,
N. Jahrb. 1873 Bd. 107 S. 234—237, in welchem er nachweist, dass derselbe in Sici-
lien gebräuchlich war und besonders von Timaios angewandt wurde.
424 AnfasD^ in. Belege vnd Erliotempgeii.
Zweites Kapitel.
S. S5. Die Zeit der Rückkehr des Hermokrates nMh Sidlioi behmndelt Vül-
keding p. 5S n. 1. 'Nach Diod. XIII, 63 kommt er zarildc als DioUea Arehoo war
409/S y. Chr. Nach Xen. Hell. I, 4, I ist dagegeo Herrn. Anfang 40S ▼. Chr. in Goi^
dimn. Nach Diod. XIII, 75 fallt Hermokr. unter dem Archon Enktemon 4e<^/i, also
wohl An&ng 407. Es ist also dnrchaas keine Unmöglichkeit Torbanden, dass Her-
mokrates noch frfih im J. 40S nach Sicilien zurückkommen konnte, 'wenn er aach
Anf. 408 in'Gordium war. Dennoch hat GroteV, 644 n. 6S gemeint, einen doppelten
Hermokrates annehmen zn müssen, so dass der in Gordinm anwesende nicht der
nnsrige gewesen wäre. Nach Aem. Müller, De Xenoph. bist. gr. parte priori. Lips.
1856 ist Hermokr. 409 in Messana nnd Selinos, geht dann wieder nach Asien aorück.
ist 408/7 in Gordinm nnd 407/6 in Sicilien, wo er fällt Aach dieser Ausweg ist nicht
nothwendig. — Bei Polyb. XII, 25 k ist ein Irrthum in Betreff des Hermokrates ; wieder
ein Beweis, dass Pol. die alten sicilischen Verhältnisse nicht genau kannte. — Unter
denen, die sich Hermokrates anschlössen, waren nach Diod. XIII, 63 auch 1000 Hi-
meräer. Diese Hessen sich offenbar auch mit in Selinos nieder 'ganz klar drückt siidi
freilich Diodor hierüber nicht aus), und so erklärt sidi die Thatsache, dass him&-
räische Münzen mit dem Vordertheil eines Ungeheuers existiren, welche als Contre-
marke ein Eppichblatt tragen. Diese himeräischen Münzen sollten in Selinus Cours
haben. Vgl. A. Salinas, Di alcune monete Imeresi. Nuove mem. d. Ist. Lips. 1865. 8. —
Die Art, wie Diokles seine Opposition gegen die Bestattung der Qebeine motivirt,
beruht nur auf Vermuthung, ist aber die einzig wahrscheinliche.
S. 87. Gründung von eiQßi« durch die Karthager Diod. XIII, 79: die Stadt
heisst später Bl^fiai.'. Polyb. I, 21 hat StQ^tt^v rtSv '/fi€Qaitov ; I, 39 aber steht der
Accus. SiQfAuv. Die Einwohner bei Diod. XX, 56: StQ/itrat; auf Münzen ^£P.4f/T.^JV.
Cic. sagt Thermae, die Einw. Thermitani. Ueber Th. vgl. Faz. 218. 19 Cl. 350>-52.
D. 252—255. B. Romano, Antichitä Termitane. Pal. 1838. 8. Sav. Ciofali, -Topografia
di Termini - Imerese e suoi dintomi. Pal. 1868. 8. — Nach der Zerstörung von Himera
durch die Karthager und der Gründung von Thermae kommen noch Himeiäer und die
Stadt Himera in folgenden Stellen vor: Diod. XIII, 114— 405 v. Chr., Ol. 93, 4;
XIV, 47—397 V. Chr., Ol. 95, 4 ; XIV, 56—396 v. Chr., Ol. 96, 1 ; XIX, 71 Cfuf^}
—314 V. Chr., Ol. 116, 3; auch bei Frontin III, 4, 4 aus der Geschichte des Dionys
ohne Jahresbestimmnng. Wenn an diesen Stellen (mit Ausnahme der des Frontin, wo
überhaupt eine Verwechselung vorzuliegen scheint, indem wie bei Polyaen. V, 2, 9
die nur auf Bhegion bezügliche Geschichte auch auf Himera übertragen wurde), von
dem wirklichen Himera (Bonfornello) , wohin ja (wie nach Sybaris), obschon Diod.
XI, 49 sagt: SUfidviv ao/xrjros fi^xQ* '^^^ ^"^^ Vf^^s xaigtHiv, Einwohner zurückge-
kehrt sein konnten, die Rede wäre , so müsste diese Stadt doch nachher bald wieder
zu Grunde gegangen sein, da in römischer Zeit durchaus Thermae als Erbin und Stell-
vertreterin des alten Himera erscheint. Doch ist es im Gegentheil klar, dass in den
vorher genannten Stellen nur Thermae gemeint ist, und klar beweist dies Plut. Pomp.
10, wo ri*IfA€QiU<av Tiolig für Thermae gesagt ist. Wenn die Stadt auch nicht mehr an
der alten Stelle lag iind einen neuen Namen angenommen hatte, so konnten sich die
Einwohner dennoch 'IfifQuioi nennen. Wirklich kommt auf Münzen von Thermae
IMEPAlilN wenigstens als Zusatz zu 9EPMITAN vor, und wenn Brandis Recht
hat, die himeräischen Kupfermünzen in das 4 . Jahrh. zu setzen, auch der Name Himera
allein. Ein ähnlicher Fall ist der der Bewohner von Phintias, die sich Geloer genannt
haben, wie Inschriften von Licata beweisen. Hierüber hat ausführlich gesprochen:
Schubring, Historisch-geographische Studien über Altsicilien, im Rhein. Mus. N. F. 28,
Zu Buch V, Kap. 2, Seite 85—87. 425
S. 76 und 77. Wir haben also die Einwohner in den oben angeführten Stellen als
die Einwohner von Thermae zu betrachten. Dann bleibt nur noch zu erklären, iwie
es kommt, dass, da doch die Stadt f9^%m von den Karthagern im J. 407 mit Libyern
besetzt wurde, dieselbe schon 405 eine durchaus griechische ist, w^ie sie in eben jenen
Stellen erscheint. Die Ursache der Veränderung liegt darin, dass bald auch in diesen
Gegenden die Griechen wieder die Oberhand bekommen; in Folge davon strömten
viele Griechen nach^'hermae zusammen, und die Libyer zogen fort, noch bevor die
karthagische Herrschaft in Thermae aufhOrtc. Ein rascher BevÖikerungswechsel , wie
er in Thermae stattgefunden haben muss , ist auch sonst in dieser Zeit nichts' uner-
hörtes in Sicilien ; so ist Tauromenion im Verlaufe weniger Jahre von Sikelem, Söld-
nern und Griechen besetzt worden, und Halaisa (s. u.) von Karthagern und Griechen.
Die Karthager machten nach ihren grossen Erfolgen einen Anlauf zur Kolonisation
der Nordk liste; es hatte aber keinen Fortgang. Uebrigens zeigen die Münzen, dass
eine Zeitlang die Karthager grosse Hoffnungen auf Thermae setzten und es znm Mit-
telpunkt ihrer Macht in diesen Gegenden zu machen dachten. Es giebt Silbermünzen :
Weiblicher Kopf (Hera) mit Stephanos, wie auf Münzen mit den phönicisehen Buch-
staben aja, QEPMTTAN. Rev. Herakles sitzend, bei Leake, De Luynes, Inihoof,
Torr. XC, 3. 4, Didrachmen und Obole; auch die d^n syrakusanischen entsprechen-
den Tetradrachmen mit 9EPMITAN (sehr selten, ein Ex. in Paris Mi 280), scheinen
nur der karthagischen Zeit von Thermae anzugehören. Dagegen sind die Bronzemün-
zen offenbar später.
S. 87. Krieg Karthago's gegen Akragas. Diod. XHI, 80 ff. In das Heer
nimmt Hannibal nach Diod. XIII, 80 Mßvag xal <P0(vtx(tg xu\ rtSv noXutx^p rovf
XQariarovq, Diese letzteren (natürlich auch 4>oivtx€g) sind die Bürger von Karthago;
die vorher genannten ^Polvtxiq dagegen sind die Bewohner der tyrischen Kolonien
Utika, Tunes, Olupea n. A., die nicht geradezu als Unterthanen, sondern vielmehr als
Bundesgenossen betrachtet wurden. — Akragas. Einwohner, Reichthum und Luxus
Diod. XIII, 81—84. Man vgl. Schubring's Historische Topographie von Akragas. Lpz.
1870. 4. an verschiedenen Stellen, bes. S. 28—38. Was die Einwohnerzahl betrifft,
so war nach Diod. XIII, 90 Akragas bewohnt vno av^gwv (fxoai fivQifiJtav. L. D.
VIII, 63 giebt 800,000 an , welche Zahl Siefert, sowie Schubring S. 28 nicht unpas*
send erscheint, wenn man die Sklaven mitrechne und das ganze Gebiet der Stadt
berücksichtige. — Die Grube beim Tempel der Conoordia war Kornmagazin nach
Schtibring, Akragas S. 33. lieber die Alkmene des Zeuxis Plin. XXXV, 62. Vasen
sind besonders gefunden worden auf dem von uns als Nekropolis bezeichneten Hügel.
Weberei, Bleistempel Schnbring 79, nach Salinas, Piombi antichi Siciliani. Rom. 1864.
(Ann. deir Instit.). Eine Serie von Bleistempeln anderer Art hat derselbe veröffent-
licht: Piombi antichi Siciliani. Primo articolo. Pal. 1871 (Ann. d. Inst. 1866). —
nXXiag oder TdXiag Diod. XIII, 83. 90. Der HolUng oder HcXltg, von dem eine
Geschichte bei Stob. Flonl. LXII, vol. II, 367 Mein, erzählt wird, ist offenbar, wie
auch gewöhnlich angenommen wird, unser GelliaB oder Tellias. Stob, hat die Ge-
schichte ix r(Sf ZtQtivov itnofjitnri^ovivunTtov. Der Humor, den in ihr Pollis kundgiebt,
entspricht ganz dem des Tellias bei Diodor. — Die Geschichte von den betrunkenen
Jünglingen Athen. II, 37. Das Wort des Empedokles von den Akragantincrn L. D.
VIII, 63; nach Ael. V. H. XII, 29 sagte es Piaton, — unwahrscheinlich, denn damals
war Akragas unbedeutend. — In den Fels gehauene Weinfässer^ sind in Sicilien auch
sonst gebräuchlich gewesen. Sie haben sich vorgefunden am Aetna bei Via Grande,
nach Alessi, Storia di Sicilia III, 376, und es waren dort so viele, dass die Gegend
davon den Namen Bottaccie erhielt. Solche Anlagen scheinen phöpicischer Herkunft
zu sein. Man vergleiche folgendes Gitat aus Renan bei Lenormant, Manuel de l'hi-
stoire ancienne de FOrient. Par. 1869 III p. 122 : La Ph^nicie estle seul pays du monde
,v
426 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
oü rinduatrie agricole ait laiBs6 des reste« grandioaeB. . . . Dana la r^on de Tyr cea
reates d'une primitive 6conomie ruatique se rencontrent presque aur chaque hauteur et
toi^oura avec le mdme caractere, vaatea travanx dans lea roca, — nombre Enorme de
citernea, de cavea, de cuvea d une grandeur extraordinaire. Lea Phöniciena Qonstmi-
aaient une piacine» un preaaoir, pour F^ternit^. Man aieht, daaa vielea von dem akra-
gantiniachen Luxua auf phüniciachen , zunächat alao karthagiachen Vorbildern be-
ruhte — auch an den kolossalen Fiachteich dürfen wir hier decken. Der Gedanke
kann nicht von der Hand gewieaen werden, daaa der Theil Siciliena, welcher den
Karthagern erlag, achon in aehr hohem Grade von der ihnen eigenen materiellen
Kultur durchdrungen worden war. Ich bemerke noch , wegen der groeaen Verbrei-
tung des verdienstlichen Werkea, daaa Guhl und Koner, das Leben der Griechen und
Römer. 3. Aufl. 1872 S. 169 mit Unrecht von „Pithoi, welche in den Felaenkeüem des
Galliaa zu Agrigent lagerten^ sprechen. Diod. XIII, 83 ist deutlich: iQiaxoalovg nt^v^
t$ avTfjc riji nixQag rtt^rjufvas. £a kann alao von einem Lagern der Fäaaer nicht die
Rede sein. •— Belag erung von Akragaa. In Betreff der Orte, wo aich die beiden
karthagiachen Lager befanden, atimme ich mit Grote V, 649 not. 101 Uberein, und
weiche von Siefert 41 und Schubring, Akragaa 66. 67, der Siefert'a Ansicht aufge-
nommen und weiter auagefUhrt hat, ab. Die Sachlage iat folgende. Nach Diod. XIII,
85 errichten die Karthager zwei Lager fiiav /uh inl nptoy Xotfwy, iq^ a»v tovs tc ^ißii^ag
Htti Tirac ToJy Aißwov ira^av ttg j§tQaxiiS(ivQlovg- t^v cT akl^ ovx «nm&iv i^s noXetJi
noirjaa^tvoi ratfQqj ßa^hkitf xa\ x^Q"^^ iKQtfkaßov, Weiter wird dann in cap. 87 er-
zählt, daaa Himilkon den zu Hülfe heranrückenden Syrakusanem die Iberer, Kam-
paner, und einige andere, im ganzen 40,000 Mann, entgegensendet ; dieae Truppen
werden von den Griechen geacblagen. Die beaiegten karthagischen Truppen fliehen
hii triv ngog *u4xQayavri nec^fjißoXiiPy was bald darauf noch einmal so ausgedrückt
wird: ol fih ovv (f(vyovtes juetd naafjg aaifaXeias duati&riaav etg tiiv nQog t§
nola naQ€fißoXriv — man aieht, daaa daa Lager, wohin aie aich retten, dasjenige ist,
welchea oben ala ovk «7nu9tv rtis noXttog befindlich bezeichnet wurde. Weiter heisat
ea dann, daaa Daphnaioa, der jene Iberer u. a. w. besiegt hatte, getongte dg t^ itnh
Ttoif ßttQßoQtav fxliXfifdfi^vtiv arQaronideiav , und dass er iv ravTri 7titQevißaX€v. Es
ist also klar, dass das Lager, welchea verloren geht, daajenige war Ini nvuw Xotf^v,
Diea war aber gerade daa, in welchem die Iberer gestanden hatten. Erwägt und
combinirt man alle dieae Punkte: die Griechen kommen von Oaten her; ihnen
ziehen die Iberer und andere entgegen: 40,000 Mann; die Iberer und andere, eben-
falls 40,000 Mann, hatten ein Lager knl iivtav X6tf>fav\ sie werden geachlagen; die
Griechen nehmen diea Lager; ao kommt man zu dem Schlüsse, dass dieses Lager
östlich von der Stadt war. Und es ist klar, dass, wenn die Karthager zwei Lager
aufschlugen, ea ein Gebot der Vernunft war, das eine davon östlich von Akragaa zu
legen. Denn aie muaaten daa befürchten, waa geachah, daaa nämlich von Osten her
den Akragantinern Hülfe kommen würde. Daa zweite Lager aber, welchea als ovx
anti&iv xTig TioUatg gelegen bezeichnet wird, war dann im W. der Stadt. Das ei^ebt
sich daraus, dass nach c. 87 die Griechen die Geschlagenen f^ixQ*^ ^^^ noXttog xave-
Jfm^ttv, worauf sich die Beaiegten in das Lager ngog j§ noXti retteten. Wäre dieaea
im Oaten von Akragaa geweaen, so hätten sie nicht bis zur Stadt verfolgt werden
können. Schubring, Akragas 66. 67 setzt beide Lager im W. der Stadt an, das ini
zirtop Xoifiüv auf dem Gipfel des Monserrato, das mit Graben versehene km Abbange
des Monserrato nach dem Flusse Hypaas, und sagt S. 67, die geschlagenen Karthager
hätten sich gerettet ^in das Lager bei der Stadt", dann hätten sie auch diea aufge-
geben und aich „in das andere Lager auf dem Gipfel des Toros'* (Monserrato) zurück-
gezogen. Aber Diodor sagt nirgends, dass sie das als olnt anta^tv rffg noX^vg
bezeichnete aufgegeben haben ; sie blieben vielmehr in demselben. Nach dem Vor-
Zu Buch V, Kap. 2 u. 3, Seite 88—93. 427
hergehenden müssen die zwei Lager folgendermassen angesetzt werden : das ovx aftta-
»riv T^f noXetjg befindliche grössere, besser verschanzte, am unteren Abhang des
Berges Monserrato (wie Schubring) ; das i7t£ iiytov lotfcav östlich von der Stadt, weiter
von ihr als jenes, nach Favara zu. Dies wird genommen, nicht aber jenes. — lieber
das Local der Schlacht zwischen Daphnaios und den Karthagern spricht Schubring,
Historisch-geographische Studien etc. Rhein. Mus. N. F. 28, S. 134. — Steinigen von
Feldherren kommt noch vor: Akrotatos in Akragas Diod. XIX, 71; L. Cinna in Rom
von Veteranen mit Steinwürfun angegriffen App. B. C. II, 126. Tac. Eist. II, 29 im
römischen Heere. So ist auch wohl das uiaie ßaXXeiv bei Thuk. VI, 84 zu verstehen.
In anderer Weise oben Xen. Hell. I, 2, (3. — In Betreff der Angriffspunkte auf die
Mauern von Akragas stimme ich mit Schubring überein. Dass das Gürabmal Theron's, das
nach ZIII, 86 niedergerissen werden soll, also dagelegen haben muss, wo die Mauern
angegriffen wurden, nicht da lag, wo das jetzt tomba di Terone genannte Monument
steht, ergiebt sich aus dem Zusammenhang. — Bei Diod. XIII, 86 braucht man x^^ffn^
TOP naga rriv noliv norafiov nicht mit Dindorf in t. tt. t: noXiv tonov zu verändern.
Wo der Fluss, unmittelbar die Stadt berührend, sie schützte, konnte er zugeschüttet,
mithin abgeleitet werden. — Aus den Belagerungsgeschichten von Akragas und Sy-
rakus geht hervor, dass damals das Begraben der Leichen gebräuchlich war ; auch in
den Nekropolen von Selinus, über die wir neuerdings durch Gavallari Aufschluss
erhalten haben im Bullettino della Commissione no. 5. Pal. 1872. 4 sind Skelette ge-
funden worden , und zwar sowohl in der nördlichen älteren , wie in der westlichen
jüngeren Nekropolis. ^— Listen bei Grelegenheit der Belagerung von Akragas: List
des Daphnaios: Polyaen. V, 7; List des Himilkon Polyaen. V, 10, 4; Frontin. III,
10, 5. — Nach Diod. XIII, 89 war der Weg nach Gela voll ywanttSv xa\ naiSmv
ayttfxl^ 7ra(}9^ivoic , aH r^v awtjd-ri rgviftiu tfs odomoQlav avvrovov %a\ xaxonadftuv
vniQayovöav fjmaßaXkofXivdn SuxaQti^ovvy xov (foßov rag ypvxag ^xtttvovrog.
Drittes Kapitel.
S. 93. Dionysios der ältere, lieber ihn: J. F. G. Retter, Sioula Dionysio-
rum tyrannis ex antiquitate repetita, Giess. 1726. 4. Guil. Schweckendieck, De Dio-
nysio priori, Siculorum tyranno, Gott. 1832. 8. Göttling, Zur Charakteristik Diony-
sius' des Aelteren, in s. gesamm. Abhandl. aus dem class. Alterthum, Bd. I Halle
1851. 8. S. 352—80. B. Niehues, De Dionysio majore Syracusanorum tyranno, Monast
1856. 8. Todt, Dionysius I. von Syrakus. Progr. von Treptow a. R. 1860. 4. H. Krü-
ger, De Dionysii majoris vita, Lips. 1868. 8, sowie die betreffenden Abschnitte des
Grote'schen Werkes, Bd. V und VI der deutschen Uebersetzung; Plass, Tyrannis der
Griechen II, 197—240; E. Laichmann, Gesch. Griechenlands vom Ende des pelopon-
nesischen Krieges, Bd. 2, Lpz. 1854, S. 239 — 287, welcher letztere eine Sammlung
der von Dionys berichteten Gharakterziige gegeben hat, in den N. Jahrb. XV. Supple-
mentband, Lpz. 1849, S. 306—12. — Sein Geburtsjahr. Er wird Tyrann im Früh-
jahr 405 V. Ghr., Ol. 93, 3; er war damals nach Gic. Tusc. V, 20 25 Jahre alt, ist
also geboren 430 v. Ghr. — Seine Herkunft. Er war Syrakusaner; das zeigt seine
Betheiligung an der Politik in Syrakus , und wird gesagt von Val. Max. I, 7 ; Sohn
des Hermokrates nach Diod. XIII, 91 ; Polyaen. V, 2, 2. Nach Gic. Tusc. V, 20 war
er bonis parentibus et honesto loco natus, nach Polyb. XV, 33 kx ^rifioriKijg xal
taniirijg vno&immg oQfiri&fCg. Bei Plut. Apophth reg. (Hutt. VIII) heisst er Mtwiij^ xaX
nivrig\ Diod. XUI, 96 sagt: ix ygafiftariu^g xal toü rv^ovrog idtnirov — iytvijdri
Tvgawog. Nach Hellad. ap. Phot. cod. 279 wäre sein Vater ovrjXärrig gewesen. Das
ist nicht glaublich, da Dionys ein gebildeter Mann war, was sein Verkehr mit Her-
428 Anliang III. Belege und ErlKaterungen.
mokrates und anderen Leuten dieses Ranges und seine späteren literarischen Be-
schäftigungen und Liebhabereien (Dichtkunst s. u., Geschichte Snid. s. v. .liopifotos,
Medicin Ael. V. H. XI, 11) beweisen. Isokr. V, 26 nennt ihn nokXoorog SvQaxovai&v.
Jedenfalls steht fest, dass er nicht von vomehmer Herkunft war. Beim Beginn seiner
Öffentlichen Laufbahn war er yQttfifdttttvg Diod. XIII, 96; Deinosth. in Lept. 162 und
Polyaen. V, 22: vnriQtTtÜv xal yQ€c^uar(viov rot^ aTQarijyoig ; hntinitni sind ünterbe-
anite, d. h. Beamte, die nur Befehle der -vorgesetzten Behörde zu erfüllen haben.
Schümann, Griech. Alterth. P, 425. Dass ein vnrfQ^Trjg unter Umständen eine nicht
geringe Persönlichkeit war, sieht man aus der Geschichte des Empedokles, s. Bd. I
S. 4'M. Ein vTitioirtig der arQftrifyoi konnte höchst wichtige Functionen zu versehen
haben. Man bedenke, dass die azQarijyoi wechselten, und dass daher in den Händen
<Ier stehenden Beamten nothwendigerweise die Details der Militärverwaltung lagen.
Ein erster vnrig^Tijg der atQaxriYoi konnte somit unter Umständen das Amt eines
Kriegsministers oder eines Generalstabschefs zu versehen haben. — Vorbedeutun-
gen seiner Macht: Val. Max. I, 7, 6; Tertull. Opp. p. 346 Rig. (M 11, 200),
Dionysii Siciliae tyrannidem Himeraea quaedam somniavit, Heraclides prodidit; Schol.
Aesch. de falaa leg. ; femer Cic. Div. I, 33; Ael. V. H. XII, 46; Plin. VIII, 64. Nach
Cic. Div. I, 20 träumte seine Mutter, dass sie einen Satyr geboren. — Dionys ge-
langt zur Macht; seine ersten Thaten: Diod. XIII, 91—96. Bei Diod. XIII, 91
wird erzählt, wie Dionys zu ungesetzlicher Verfolgung der Feldherren auffordert, riuv
J* nQ)^6vtoiv Cvf*i'OVVtfov rov /liovvatov xata rovs vofiovg tag 9ogvßQvvta, 4*iXi(rros
— — t^iriae ra nQoarifxa — — uaX nQogixi flnoviog oti xad^* oXtiv rriv rifUgav , ar
C%uiovr f&iXioaiv, ixrioH tu^vqiov vn^Q avrov etc. Es war also gesetzlich, Rednern,
die gegen die Ordnung fehlten, nicht das Wort zu entziehen, sondern eine Geldstrafe
aufzulegen. Einen ähnlichen Gebrauch finden wir im republikanischen Florenz. 1260
nahmen die Sanesen und die verbannten florentiner Ghibellinen Deutsche in Sold
und suchten nun die Florentiner zur Schlacht hervorzutocken, um sie dann mit Hülfe
der Deutschen zu besiegen. Dies ist wenigstens die Ueberlieferung bei Villani, der
Buch 6, Gap. 77 die Vorfälle in der florentinischen Volksversammlung erzählt. Teg-
ghiaio warnt vor dem Kriege. Si levö Messer Cece de' Gherardini per dire il simiglianie
ch' avea detto Messer Tegghiaio: gli anziani gll comandaro che non dicesse, e era
peoa libbre cento chi aringasse contra il comandamento degli anziani. II Cavaliere
le volle pagare per contradire la detta andata; non vollono gli anziani, anzi rad-
doppiarono la pena; ancora volle pagare, e cosi infine* libbre trecento, e quando an>
cora volle dire e pagare, fu comandamento pena la testa e cosi rimase.
S. 93. Wenn Plat. Ep. VIII, 354 sagt, dass die Syrakusaner 10 Feldherren ge-
steinigt haben, so ist das mit Grote V, 656 n. 14 für eine Verwechselung mit den
Vorfällen bei Akragas zu halten.
S. 95. üeber Hipparinos Diod. XVI, 6; Plut. Dion 3; Ar. Pol. V, 5, 6; vgl.
Ar. Pol. V, 4, 5; V, 8, 3. 4. Nach Plat. Ep. VIII, 353 und Plut. D. 3 wäre Hip-
parinos College des Dionys gewesen ; das passt doch auch nicht einmal bei der ersten
Wahl. — S. 95. Ueber die Leibwache Ar. Pol. III, 10, 10, wo Jemand den Syra-
kusanem vorschlägt dem Dionys (nur) Tooovrovg rovg (fvlnxag zu geben, womit er
keinen Schaden thun könne; Polyaen. V, 2, 2. — S. 96. Dionys wird Tyrann
Anf. 405 V. Chr. ; er stirbt nach 38jähr. Herrschaft nach den Lenäen des J. 367 v. Chr.
Das Marm. Par. lin. 63 verwechselt, indem es 408 v. Chr. angiebt, sein erstes Auf-
ti-eten mit seiner Erwerbung der Tyrannis. lust. V. 8 setzt in 405/4 das exilinm des
Dionys, worüber Völkerl. 88 unten spricht. Nach Pkit. Symp. VIII, 1 starb Euripf-
des an dem Tage x«5^ ijv iyet'vii9tj /liovvaiog 6 nQtaßvtffiog röiw iif ZixtUtf rv^armp.
Es mUsste heissen (y€r^&ri seil. rvQavrog, so sagt Diodor XIII, 96, welcher XIII, 103
den Tod des Euripides erwähnt. — Aus meiner ganzen Darstellung geht hervor, dam
Zu Buch V, Kap. 3, Seite 93—99. 429
ich die allgemein angenommene Unterscheidung zwischen der älteren und der jünge-
ren Tyrannis für Sicilien nicht anerkenne. Dionys und Agathokles sind ebenso
wie Phalaris und Gelon Producte der inneren Entwickelung der Staaten , die aller-
dings durch die auswärtigen Verhältnisse • beeinflusst wurde. Noch Agathokles ist,
wie die älteren Tyrannen» ein Product der demokratischen Reaction gegen die
Oligarchie. *
S. 97. lieber die Apoliobildsäule bei Gela fügt Diod. XIII, 108 Details
hinzu. Es ist zu bemerken, dass die Statue des griechischen KoloniengrUnders Apollon
die sch(5n8te Beute war, welche die Punier dem phönicischen Kolonistengotte schicken
konnten : Melkarth hatte Apoll besiegt. Nach Schubring, Studien S. 8t , war der Apollo-
tempel auf dem Monte Longo, westlich von Gela. Derselbe, S. 95 ff., erklärt die
Östlich von Terranova befindliche Säule (S. Bd. I, S. 135), die gewöhnlich für einen
Ueberrest des Apollotempels genommen wird, für einem Persephonetempel angehtfrig,
mit Erinnerung an Herod. YII, 153.
S. 97. Ueber die Schlacht bei Gela habe ich Bd. 1, S. 392 unten und aus-
führlicher bereits in meinen Beiträgen zur Berichtigung der Karte Siciliens S. 30 ge-
sprochen; auch das von Siefert, Gelon, Alt. 1867. 4. dagegen auf S. 29 Bemerkte
vermag mich nicht umzustimmen. Etwas anders als ich fasst Schubring die Sache
auf, der in s. Hi8t.-geogr. Studien über Alt-Sicilien , Eh. M. N. F. 28, S. 65 ff. dar-
über handelt. Ihm stimmt bei 0. Meltzer in der Anzeige meines 1. Bandes, N. Jahrb.
1873, S. 233. Auch er erklärt, wie ich, die Annahme eines westlich von (xela fliessen-
den Stromarmes für nothwendig zum Verständniss der Belagerung, aber aus anderen
Gründen als den von mir vorgebrachten. Mit seinen Gründen hängt auch seine An-
setzung des karthagischen Lagers zusammen , der ich nicht völlig beistimmen kann.
Dies Lager ist bei ihm etwa Vs einer deutschen Meile lang, was mir zu viel scheint.
Wenn er ferner S. 83 sagt, die Worte Diodor's XIII, 108, Himilkon habe sein Lago(
naQu TOf Ttottt^uov aufgeschlagen, nöthigten uns, anzunehmen, dass es sich am Flusse
entlang zog, so ist das richtig; aber es folgt nicht daraus, dass es nicht auch am
Meere war, im Gegentheil, Diod. XIII, 110 steht: xal yecQ ovtf toxv^tofi^t^ov to (j^qos
ilX^v antxv to nag« tov ctlyiaXov Trfg axQaronidetag — also zog sich das Lager auch
am Meere entking und ist südlicher anzusetzen als Seh. thut. Femer sagt Seh. 85,
dass der Ort, wo die Flotte angriff, zu trennen sei von dem, wo die Italioten an-
greifen. Deshalb braucht der M. Longo noch nicht zwischen beiden zu sein. End-
lich sagt Seh. 84: mit den Keltern Hess 'Dionys d$e etwa schon ausgeschifften Pro-
viantzüge auf dem Wege vom Meere zum Lager abfangen. Seh. nimmt als Landungs-
punkt der Flotten die Gegend westlich vom M. Longo an. Dann ist aber ein Abfangen
von Zügen zwischen diesem Orte und dem karthagischen Lager unmöglich. Griechische
Reiter konnten nicht zwischen das Meer und das karthagische Lager dringen und
noch weniger ihren Raub in Sicherheit bringen. Aber aus Diod. XIII, 109 ergiebt
sich auch eine andere Thätigkeit der Reiter. P. sagt: roTg ^ innhvaiv xal raTg
vavaXv indQKTO ras ayoQas dqaiQeia^ai tag xo/utioftivag roTg JTa^/i^Joi'/o/c (x tfjg Mag
imxQauiag, d. h. die Schiffe lauerten den zur See, die Reiter den zu Lande gebrach*
ten Yorräthen auf. Die Reiter schwärmten also nördlich vom Lager, das nicht die
Ebene einnahm, sondern vielmehr auf dem Mte Longo und nördlich davon war. So
war es zugleich fest, dicht bei der Stadt und nahe dem Meere, drei wichtige Yor-
theile, welche die Schubring'sche Ansetznng nicht in demselben Masse bietetr Offen-
bar griff die griechische Flotte das Lager fast direct an. Durch die Schubring'sche
Entdeckung des Flussarmes westlich von der Stadt ist aber das richtige Yerständniss
des diodorischen Berichtes über die Schlacht an der Hand der localen Ueberreste erst
möglich geworden.
S. 99. Schicksal der Frau des Dionys. Diod. XIII, 112; XIY, 44 nebst Plut
430 Anhang III. Belege nnd Erläuterungen.
Dion 3, wonach sie sich selbst tödtet. In dem Roman Chariton's kommt eine Tochter
des berühmten Hermokrates unter dem Namen Kalirrhoe vor.
S. 99. Topographisches über Haus und Werfte des Dionys s. bei Schubring,
Achradina, Rh. Mus. N. F. 20, 8. 15 ff.^S. 34-36. Noch heute sieht man in der
Gegend, wo Dionys Rohr benutzte, um die Thorfliigel zu verbrennen, solche Rohr-
haufen^ Sowohl Diod. XIII, 75 (Ende des Hermokrates), wie XIII, 113 (Dionys),
kommt das Thor der Achradina in Verbindung mit der ayoQa vor. Bei Cic. Tusc.
y, 23 kommen die portae Achradinae vor, wo das Grabmal des Archimedes ist.
S. 100. Die Geloer und Kamarinäer kommen nach Leontini, die Inntlg nach
Aetna: Diod. XIII, 113 wo AXtvfiv aus XIV, 7. 58 statt ^AxQfn^tvnv von Wesseling her-
gestellt ist. Bei Xen. Hell. II, 3, 5 steht fälchKch Kttinrriv, und es ist durch itm-
arakriaay das feindliche Verhältniss der Reiter zu Dionys verdunkelt. Dass bei Diod.
XIII zwischen 113 und 114 eine Lücke ist, sah Niebuhr, Vortr. über alte Gresch. III.
212. 213; vgl. Grote V, 672, n. 14.
S. 101. Der Friede noch 405 im Herbst geschlossen, nach Grote V, 673, ViSlkerl.
191, gegen Niebuhr, Wachsmuth, Aem. Müller, Niehues, welche 404 annehmen. -> Der
nach Diod. XIII, 114 nach Afrika abziehende Himilkon lässt nach XIV, 8 Kampaner
(pvXnxrji 'ivixa rcSv xata ZixiUnv lonnv. Wahrscheinlich besetzen diese Halaisa.
das nach XIV, 16 zur Zeit dieses Friedensschlusses von den Karthagern gegründet
sein soll.
Tiertes Kapitel.
^ Quelle desselben bes. Diod. XIV, 7 — 9. 34. 37. 40 — 47.
S. 101. Spuren der Schiffshäuser des Dionys: Schubring, Aohradina 26.
nach Diod. XI V, 7. Dass alle Wohnungen der Stadt vertheilt wurden, beweist der
Ausdruck titg oixiag bei Diod. 1. 1. Die zu Bürgern gemachten Sklaven nannte Dio-
nys vsonoXiras Diod. 1. 1. — Das Anweisen von Städten an neue Einwohner, nnter
Austreibung der alten, kommt schon vor Hom. Od. 4, 176, wo Menelaos dem Odys-
seus eine Stadt geben will, fiiav nohv t^ttianaSag, d. h. xfvtoaag.
S. 102. Ermahnung zum Ausharren, an Dionys gerichtet von Heloris (mit
Erwähnung des hratfiov) und Fhilistos (rot; axflovg ibcofifrov) Diod. XIV, 8; von
Heloris und Megakles Diod. XX, 78 ; statt Heloris Ellopides genannt Ael. V. H. IV,
8; vgl. Flut. Cat. maj. 24, Flut de rep. sen. ger. I [ng); nach Liv. XXIV, 22 hat
Dionys selbst gesagt, man dürfe nicht freiwillig zuriicktreten. Nach Tim. ap. Flut
Dion 35 leugnete Fhilistos, das Wort gesprochen zu haben, tov ax^lovg kXx6ftivw ist
Erinnerung an das Wort des Iros zu Odysseus Od. 18, 10. Dionys selbst sieh stand-
haft zeigend Flut. Apophth. reg. (Hutt. VIII, p. 90). Isoer. 6. 49 nimmt an, die
Worte seien gesprochen, als die Karthager Syrakus bedrängten.
S. 102. Dass die Kampaner über Agyrion nach Syrakus zogen, sagt Diod.
XIV, 9, worüber oben S. 371. Zur Sache bemerke ich gegen Grote, dass, wenn die
Kampaner sonst keinen Freund hatten, bei dem sie ihr Gepäck ablegen konnten, als
Agyris, sie wohl zu ihm gehen mussten. Wenn aber Agyrion aus dem Wege lag, so
diente der Umweg dazu, die zu überfallenden Feinde sicherer zu machen. In Betreff
des Kampfes um Syrakus s. Schubring, Bewässerung von Syrakus, Fhilol. XXII,
S. 621.
S. 103. Die Geschichte der Stadt Enteila wird trefflieh durch ihre Münzen
erläutert. Es sind Münzen dreifacher Art von ihr vorhanden : 1 } alte Silberroünzen .
Frau an einem Altar. - Rev. Ochs mit Menschenkopf. 2) Kampanische Münzen in Silber
und Bronze : bärtiger oder weiblicher Kopf. Rev. Fferd oder Fegasos. 3} Münzen aus
Zu Buch V, Kap. 4, Seite 99—103. 431
rOmisoher Zeit (Torr. XXIX, 3 — 8). Man sieht aus den kampanisohen Münzen £n-
tella's, dass diese Stadt sich unter den Kampanern einer gewissen Bltttbe erfreute. —
Auch in Aetna haben die Kampaner auf den Rev. ihrer Münzen das Pferd gesetzt,
sodass, da auch Münzen rümischer Zeit von Aetna vorhanden sind, auch hier sicli die
Geschichte der Stadt deutlich in den Münzen ausprägt. Vgl. Saunas, Le monete delle
antiche citt4 di Sicilia, Tav. III, wo 2 — 5 die kampanischen, 6—18 die der römi-
schen Zeit angehangen Münzen sind. No. 1 ist eine Zeus-Eleutheriosmünze, welche
nach dem Sturze der Kampanerherrschaft durch Timoleon, Diod. XYI, 82 geprägt
ist. — Eine andere von Kampanem bewohnte Stadt Siciliens war Nakone. Ihr
Name ist erhalten von St. B. : Naxorti, Berkel und Holste lesen nach einer Glosse bei
Suidas: Naxtivri. Sonst kommt sie in den Schriftstellern nicht vor. Aber es sind Münzen
von ihr vorhanden, von denen eine erst seit Kurzem bekannte sie als von Kampanem
bewohnt erweist. Die schon länger bekannte Münze ist: Weibl. Kopf NAKONAION.
Rev. Bakchos auf einem Maulthier sitzend, 3 Kugeln Mi I n. 437 abgeb. Mi S. I pl.
XI, 11. Diese Münze stammt aus der Zeit vor der Niederlassung der Kampaner in
Nakone. Diese Niederlassung hat zuerst nachgewiesen De Luynes, Sur quelques m^-
dailles des Campaniens en Sicile, Ann. d. Inst. I, p. 150—155, nachdem eine dahin
gehörige Münze publicirt worden war von Millingen, Anc. coins. 1821, p. 33, Taf.
II, 14. Seitdem haben über diesen Gegenstand gehandelt: Friedlander^ Nakone und
die Münzen der sicil. Kampaner, Berl. Bl. f. Münz-, Siegel- und Wappenkunde I,
1863, S. 266; Taf. XII; G. Romano, Nacona e i Campani in Sicilia, Ann. d. Inst.
1864, p. 55—67, nebst Tav. d'agg. C. endlich Fr. Imhoof-Blumer, Inedita m. Samml.
altgr. Münzen, Berl. Bl. V, nebst Taf. LIV, 12 und 13. Friedländer ist zu dem Re-
sultat gelangt, dass N. eine Seestadt war. Bei dem Interesse der Sache wird es
gestattet sein, die in den cit. Schriften behandelten Münzen einer genauen Betrach-
tung zu unterwerfen. Einige derselben gehören unzweifelhaft Nakone an. Diese haben
die Inschrift NAKSiNAZ oder NAKaNAIilN und einen weibl. Kopf auf der einen,
einen Pegasos oder ein Pferd auf der anderen Seite. Dagegen ist es zweifelhaft, ob
diejenigen Münzen, welche nicht den vollen Stadtnamen tragen, überhaupt Nakone
angehören. Friedländer schreibt Nak. folgende Bronzen zn.^ Lorbeerbekränzter Kopf
des Poseidon. Rev. Dreizack mit 2 Delphinen und NA. Nun sind ganz ähnliche Münzen
bekannt von Hieron (Torr. CIV, 1—6) und Syrakus (Torr. LXXXI, 4), nicht mit NA,
wohl aber mit anderen Buchstaben, die sicher keine Initialen von Städtenamen sind,
sodass ich es nicht für nothwendig halte, dass gerade das NA diese Bedeutung
haben sollte. Die ähnliche, von Imhoof angeführte Münze ohne NA steht und fällt mit
der Friedländer'schen. Eine zweite, von Imhoof hinzugefügte Münze, hat einen bär-
tigen lorbeerbekränzten Kopf und im Rev. einen Krieger, hinter demselben N. Hier
erinnere ich an die bei Torr. XL VIII abgebildeten ähnlichen Mamertinermünzen, die
nur nicht N haben, das mir jedoch allein nicht für Nakone zu sprechen scheint. Die
dritte von Imhoof Nakone beigelegte Münze, wird von demselben jetzt richtiger Aetna
zugeschrieben. — Romano schreibt Nakone folgende Münzen zu: Lorbeerbekr. un-
bärtiger Kopf. Rev. Kantharos, 3 Kugeln und NA. Auch hier bleibt die Attribution
höchst zweifelhaft. Aus dem Dreizack der von ihm Nakone zugeschriebenen Münze
hat Friedländer geschlossen, dass N. eine Seestadt war. Nach dem obigen muss das
dahingestellt bleiben; Gorcta, Delle antiche citta della Sicilia d'ignota situazione,
Nap. 1869. 4. p. 35 hält S. Gono bei Riesi (der Namenähnlichkeit wegen) für Nakone.
Münzen der kampanischen Stadt Calatia, die keine Seestadt war, haben übrigens auch
einen Dreizack. Es verdient bei dieser Gelegenheit bemerkt zu werden, dass unter
den kampanischen Städten Italiens gerade diese Stadt durch die Anwendung des
Pferdetypus den sicilischen Kampanermünzen am meisten entspricht; sonst ist der
menschenköpfige Stier das kampanisohe Wappen. Vgl. Sambon, Recherches sur les
432 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
monnaiea de la presqu'ile italique etc. Naplea 1870, pl. XII, 49. Aus Samniom haben
den Pferdetypus Benevent undLarinuui; Sumbon pl. XIII, 6 u. 12. In Apulien haben,
ihn Arpi und Salapiae, was vielleicht für die sicilische Greschiehte von Bedeutung ist
(S. u. zu Kap. 9). Ich spreche hier noch die Vermuthung aus, dass die sicilischen
M Unzen, welche nachdem auf ihnen befindlichen Monogramm bald Tauromenion, bald
Atabyrion zugeschrieben werden, vielmehr den Kampanern Siciliens gehören. Das
Mon. kann auch KAM aufgelöst werden. Ueber diesen Gegenstand bei einer anderen
Gelegenheit. — Bie Stellen über die Kampaner in Sicilien unter Dionys I. sind -. Diod.
XIII, 44. 62. (80.) 85. Die in diesen Stellen erwähnten Kampaner sind die ersten, welche
nach Sicilien kamen. Nach Romano wären es die Tynrhener gewesen, von denen Thuk.
VII, 53. 54 als von HUIfstruppen der Athener spricht. Aber Diod. XIII, 44 sagt:
OUT Ol riüar hno tdßv Xakxidifav roig ^A&tiynloiQ (ig ro¥ n^off ^vgaxovaiovg noXtfiov
jjifiiaB-tofiivoi, xnl fitta rrjv rittttv TtajaninXtiniotig ovx «if/or rovg fnad-odoTTJaorrag,
d. h. sie waren zu spät in Sicilien eingetroffen. Andere kommen vor: XIII > 80;
XIY, 8. 9. 15. 58. 87. Romano in der angef. Abhandlung nimmt noch andere Kam-
panermttnzen Siciliens an;, doch bedarf dies weiterer Prüfung, lieber Osker in Ua-
laisa s. unten. Ort Italion bei Katane Diod. XXIV, 0.
S. 103. Dionys und Lysandros. Derselbe Spruch beiden zugeschrieben Plut.
de glof. AI. I, 9; Plut. Lys. 2; PI. conj. praec. 2; PI. Apophth. reg. und Lac. —
S. 104. Verfahren des Spartaners Aristos (Diod. XIV, 70 ^^/ri;;) in Syrakus Diod.
XIV, 10. Nach Plut. Pelop. 31 schicken die Lakedämonier dem Dionys arQnTfiyovg
xftl a^fioOTttg.
S. 104. Die Annahme einer älteren Burg an der Stelle des Athenetempels, die
Amoldt, Timoleon S. 107 nach Raoul-Rochette zu billigen scheint, ist unstatthaft.
Zur Zeit des Dionys stand der sog. Athenetempel bereits (Bd. I, S. 244), also kann
die nach Diod. XIV, 10 neuummauerte Burg dort nicht gestanden haben.
S. 104. Zum Waffenraub bei der Ernte (Diod. XIV, 10) vgl. das Verfahren
des Phalaris bei Polyaen. V, 1, 2.
S. 104. Die Leontiner wieder selbständig und chalkidisch Diod. XIV, 14 und
Xen. Hell. II, 3. 5; über die Zeit, ob vor oder nach dem Frieden Völkeri. 99. 100.
S. 104. Die Eroberung verschiedener Städte (Diod. XIV,. 14. 15) seUt
Plass II, 215, n. 3 mit Recht nicht in das Jahr 403 allein. S. hierüber ob. S. 3<>8.
S. 105. Ueber Katane s. Ad. Holm, Das alte Catania, Lüb. 1S73. 4. — Was
Naxos anbetrifft, so findet sich der Name 11P0KAH2: auf naxischen Münzen und
wurde schon von Carelli auf diesen Verräther gedeutet. Aber der Kleinheit der
Schrift wegen muss er auf den Münzen flir einen Künstlernamen gelten, und dass
Künstler und Staatsmann identisch waren, das anzunehmen haben wir keinen Grund.
Aber gleichzeitig sind beide Proklos allerdings. Man vorgleiche über den Künstler
Prokies A. von Sallct, Die Künstlernamen auf griechischen Münzen, Berl. 1870. 8.
S. 34. 35. Derselbe erwähnt S. 35 eine aus dem Besitze von Sambon, der sie schon
in seinen Recherches sur les anciennes monnaics de Tltalie meridionale. Nap. 1863. 4.
p. 24 (in der Ausg. von 1870, p. 142) besprochen hatte, in das Berliner Münzkabinet
übergegangene naxische Silbermünze: Apollokopf. Rev. Sitzender Satyr (Diobol), mit
der Prokiesmünze in Stil und Typus übereinstimmend, und mit der Inschrift iVKO/ro.if/
statt NABl^N' Sie ist nach meiner Ansicht von den Naxiern in Mylai geprägt wor-
den, wo diese ja eine Zeit lang (394 v. Chr.) eine neue Heimath fanden, s. Diod. XIV,
87. — Details der Eroberung von Naxos, das einen Hafen besitzt, bei Polyaen. V, 2, 5.
S. 105. Hadranon. Gründung Diod. XIV, 37; Name der Stadt daselbst
•WJo«j/oi^, ebenso XVI, 68; XVI, 69 die Einwohner "Adgavlittt, ebenso XXIII, 4,
auf den Münzen AJPANITAN , St B *A^Qavov noltg £ixu/ag iv Jj Atrvy norafiov
ofjtavu^ov l/oi'crit* kfytrai di xal ünainxSg *A^q«vioc. Hier vermutbet Meineke eine
Zu Buch V, Kap. 4, Seite 103—108. 433
Ltt^e,-die er ansflUIt: liyetnt ik xol agaevixtif [6 l4^(>avos' o TtoXfTjjg] ^A^Q^viog,
Ich luibe Bd. I, S. S40 lidgavtot als Fhisflnamen genommen. Ueberdies kann de^ Fluss
nicbt l^^Qtxvov geheiBsen haben , eodase der Ausdrack des St B schlecht bleibt, ro
I4&^v6v hat aueh Plut. Tim. iSL 16. Nymphodor bei Ael. H A XII, 20: "Mq(cv6c
lau n6Xic, Vgl. Ebert, Diss. Sic. I. Regim. 1825. 8, p. 183. 184. Bei Sil. XIV, 250
beisst die Stadt HadraniUD; bei Plin. III, 91 kommen die Hadranitani Tor; von
Cicero werden Stadt und Einwohner meines Wissens nicht erwähnt, was sehr auffal-
lend ist. ^ Vgl. Faz. 237, Gl. 408, Houel III, 24—20, nebst PI. 155. 156. Biscari,
Viaggio etc. Pal. 1817. 8, p. 57—60, der Mauerreste aus Quadern ohne MSrtel, SttttE^
mauern, auf denen nach localer Tradition der Hadranostempel gestanden haben soll,
o. A. erwShnt. Gio. Sangiorgio Mazsa, Storia di Adem6, Oat. 1820. 8, mit 8 Kupfer-
tafeln. D. 233. Die Münzen s. bei Saunas, Le Monete delle cittÄ etc. Tay. 2.
S, 105. Halaisa. Grrttndung von Halaisa Arohonideios Diod. XIV, 16. N^h
0. Meltier, in N. Jahrb. 1873, Bd. 107, S. 232 ist die Notiz Diodor's 1. 1.: tivh 64
ipaaiv vno KftQxri^tnfiüiv ixria&eu rriv "jUai-actv nttS^ tv »aigcv '//u/Axwv rtjv ngeg tov
jHivvaiw iigi^vftv Ivoiiiattr^, auf die Kampaner zu deuten, die nach XIV, 8 Himilkon
damals in Slcilien zurtfckUess. Die xipig sind wohl Ephoros, wie XIII, 109 und
XIV, 62. Der in der grossen Inschrift CI 5594 In Halaisa vorkommende FIuss 'O^«-
xwevoQ beweist Anwesenheit von Oskem auch hier, was Meltzer's Annahme bestätigt,
und zugleich beweist, dass die tivig nicht im Unrecht waren. In derselben Inschrift
kommt das von Diodor 1. 1. erwähnte ^AnoXXMvuov als Ugov tov jinokhavog vor;
ebendas. erscheint auch ein *u46quvuIov, Auf den Münzen von Halaisa, die spät sind,
erinnert der Typus des Apollokopfes an das ^AnokXiov^tov bei Diodor; es wird auf
ihnen zu dem Stadtnamen APX hinzugefügt; auf einer römischen Münze steht
HALAESA AROCHONIDA. — Die Notiz Diodor's 1. 1., dass noch andere Orte des
Namens Halaisa in Sicilien seien, hat Schubring im Bericht über seine Reisen in den
Monatsber. der Berl. Akad. 1866, S. 756 zu der Vermuthung verwerthet, dass ein
anderes Halaisa das heutige S. Agata, ebenfalls an der Nordkttste, gewesen sei. — Bei
Cic, Verr. ü, 7 und 75 Halaesa, bei Plin. IH, 91 Hiüesini. — Vgl. Faz. 227. 228. CK
354—358, (G. Lancil. Castello, princ. di Torremuzza) Storia di Alesa, racc. da Seli-
nunte Drogonteo, Pal. 1753. 4, n^bst desselben Diss. sopra una statua di marmo>
scov. nelle rovine deir antica citt4 di Alesa. Pal. 1749. D. 267.
S. 107. In den an der Mauer Arbeitenden sieht Nitzsch, Graoehen S. 47 einen
besonderen Arbeiterstand. Mit Unrecht, denn es heiset bei Diod. XIV, 18: rov ano
Tj^c x^9^^ oxXov Ti&Qoixnv, und zwar wählt er nur rovg iv^itovg avdgas aus. Das sind
also alle nicht wohlhabenden auf dem Lande wohnenden Leute: Ackerbauer, Hirten
und Handwerker. Ueber die Mauer spricht Schubring, Bewäss. von Syrakus 622, wo
er auch nachzuweisen sucht, dass Dionys schon damals auch die südliche Mauer be-
endet haben müsse; XV, 13 gebe Diodor dann nur ein Resum6 der gesammten Ar-
beiten. Aehnlioh wie Schubring denkt Volquardsen S. 104 über Diodor XV, 13. Ich
kann es nicht als nothwendig betrachten, dass die ganze Mauer bereits vollendet sein
muaste, als die Karthager die Stadt belagerten. Schubring, Achradina S. 27 will bei
Diod. XIV, 18 ro tiqog rot; *B$a7rvXoig vnagx^^ ttt^og in r. n. r. ^E^ctTr. aQ^ft r. an*
dem. Ueber die Latomie BufSfilaro spricht Schubring, Bewäss. etc. S. 624.
S. 108. Ueber die Rüstungen des Dionys Diod. XIV, 41—43; Rttstow, Griech.
Kriegswesen S. 207. Von den Tempeln wurden die Trgovaoi und »nie^odofÄot als
Werkstätten benutzt: Diod. XIV, 41. — Dass nicht erst von Dionys Penteren gebaut
sein sollen, dafür hat man Herod. VI, 87 citirt, wo bereits eine nevTrigi)^ vorkommt,
aber Sehömann hat im Greifswalder Lectionacat. 1838 gezeigt, dass hier ntpisrtigig
zu lesen ist. Bai Plin. VU, 207. 2ü8, wo die Fortschritte im Kriegsohiffsbau aufge-
zählt werden, heisst es : quadriremem Aristoteles Carthaginienses, quinqueremem Mne-^
Holm, Gesch. Sicilicns. II. 28
•knmrim.M 1
434 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
Bigiton Salaminios, sex ordinum Xenagoras Syraousios (sc. primos feciase). Letzteres
geht dann ohne Zweifel auf Dionys. — Bei Diod. XIV, 42 will Schubring, AcbraoUna
27 statt des sinnlosen tov vvv xniov^ivov Ufiivog lesen : rov viou oder toS Anxxicv
xaL Itft, — Dass Dionys ein xQvnrhv vitaQtov hatte^ sagt Polyaen. Y» 2, 14; es war
natürlich in seiner Burg.
S. 109. Doppelehe des Dionys Diod. JCIV, 44, wonach beide Hochzeiten n^Qk
tov avthv xQOPw Stattfanden, nach Plut. Dion 3 waren sie nßiie^ /<«$; XIV, 107 die
Antwort der Rheginer. Bei Ael. V H XII, 47 und XIII. 10 ist Verwirrung in den
Namen der Frau und der Schwester Dion's. Dies Beispiel einer Doppelehe ist hin»
zuzufügen in dem betr. Abschnitt von Hermann's PrivatAlterthnmem f 29, 7. Nach
Plut. Tim. 6 wollte D. anfangs die Tochter des Lokrers Aristeides heirathen, s. daa.
dessen Antwort.
S. HO. Den Vergleich der Verfolgung der Karthager mit der siciliaiii-
schen Vesper macht Grote V, 695. Die Stelle Diod. XIV, 46 von der Verfolgung der
Karthager wird ansftthrlich erklärt von 0. Meltzer N. Jahrb. 1873, Bd. 107, 8. 233.
Er denkt bei den lotnol ZiKtlewai besonders an Messana und glaubt, dass die in
Syrakus und diesen sikeliotischen Städten wohnenden karthagischen MetOkenkolo-
nien älter sein möchten als das 6. Jahrh. v. Chr. Da sonst keine uralten Ph5nicier-
niederlassungen in den sikeMotisehen Städten erwähnt werden, kann ich in unserer
Stelle auch keinen Beweis dafUr finden : ovx hUyot i^v AuQXfiSwtufv fxovr 4r raXc
ZvQnxovüatg heisst doch nicht : Mitglieder einer uralten phOnicischen Kolonie, sondern
aus Karthago ausgewanderte Leute.
Fttnftes Kapitel.
Hauptquelle Diod. XIV, 47 — 77.
S. 111. Die Belagerung von Motye ist von Schubring, Motye — Lilybaeum,
Phiiologus XXIV, 1, S. 49 ff., nach den hierüber vorhandenen Berichten der Alten:
Diod. XIV, 48—53 und Polyaen. V, 2, 6 behandelt worden. Wir haben durch diese
Arbeit eine klare Einsicht in die Belagerung gewonnen: doch sind noch nicht alle
Schwierigkeiten gelüst, welche, in der Bestimmung der Punkte, an denen die Schiffe
lagen, und in dem Nachweis der Strecke, welche von den griechischen Schiffen zu
Lande zurückgelegt wurde, bestehen. Diod. XIV, 48 sagt, dass Dionys seine Kriegs-
schiffe na{>a rov atsnkouv xov Ufiivog ivttilxiiae. Schubring deutet diese Worte S. 54
so: „um den Worten Diodor's möglichst gerecht zu werden, müssen wir uns denken,
dass die Kriegsschiffe auf dem Continent zwischen Punta Palermo und dem Orte, wo
der Molo an das Land stiess, standen.'' Punta Palermo liegt südlich vom Molo; Seh.
denkt sich also den Standort der griechischen Kriegsschiffe südlich vom Molo; ao
äussert er sich auch S. 59 : „Die Kriegsschiffe standen an der Sttdostseite des Hafens.''
Nun ist aber bei dieser Annahme folgende Schwierigkeit. Diese Kriegsschiffe wer-
den, wie wir aus Polyaen lernen, über eine 20 Stadien (21/2 Millien) breite Landzunge
in's äussere Meer geschafft. Wo ist dieselbe zu suchen? Sie kann nur ganz im'Norden
der Bucht angenommen werden, und das thut auch Schubring, indem er, um dort
Land zu bekommen, wo jetzt Wasser ist, voraussetzt, dass die Insel Borrone mit
dem Festlande bei S. Teodoro zusammengehangen habe (S. 56). Aber nach Schubring
lagen, wie wir sahen, die Schiffe gar nicht an dieser Landzunge, sie lagen nach seiner
Ansicht südlich von dem Damme,, den Dionys neu machte, und waren somit durch
diesen Damm von dem Gewässer getrennt, welches an die Landzunge' stiess. Indem
nun Seh. diese Schwierigkeit keineswegs verkennt, sagt er S. 58: J)ie Schiffe wur-
den zu Lande nach einem 20 Stadien breiten, ebenen und lehmigen Orte unter der
Zu Buch V, Kap, 5, Seite 109-M6. 435
Landzunge gebraoht, diese Strecke wurde mit Brettern belegt und die Schiffe
auf Walzen von dem inneren in's äussere Meer hinttbergeroUt/^ Es war bei der An^
Setzung der Schiffe aUdlich vom Damm allerdings nothwendig, dass sie zu Lande nach
dem 20 Stadien breiten Orte gebracht wurden, über den man sie dann hinüberrollte.
Aber gesagt wird es nirgends. Und wenn es geschehen wäre , so hätte es doch nur
auf Walzen geschehen kOnnen, und dann wäre einfach von den Schriftstellern zu
melden gewesen, dass nicht 20 Stadien, sondern etwa 30, denn soviel betrug dann
die ganze Strecke, auf Walzen zurückgelegt wurden. Da dies nicht gesagt ist, niuss
es als unwahrscheinlich angesehen werden, dass die Schiffe südlich vom Damme
atänden, und es ist eine andere Erklärung der Stelle zu suchen. Wir haben zunächst
den 20 Stadien breiten, das äussere vom inneren Meere trennenden Raum zu finden.
Wir erhalten ihn noch nicht, wenn wir nur die nördlichste Inselspitze mit dem Oap
S. Teodoro verbinden; wir müssen einen Schritt weiter gehen und aus dem sehr
seichten Golfe noch mehr Land liinzufügen und annehmen, dass derselbe sich damals
bis in die Nähe von Motye selbst erstreckte. Erst dann ist das Land hier etwa 20
Stadien breit. Dann müssen wir aber auch annehmen, dass hier, nordwestlich von
Motye, die Kriegsschiffe des Dionys standen, woraus folgt, dass hier der ttgjrlovg
rov Xtfjiivos war, von welchem Diodor spricht. Dann bedeutet Af/4171' nicht mehr die
gesammte Bucht von Motye» die man auch als dessen Hafen betrachten kann, sondern
vielmehr einen inneren Hafen, der hiernach nördlich von Motye anzunehmen ist.
Dionys stellt sich nach Diod. XIY , 50 in\ ih otofxa rov Xifjtivog auf, d. h. auf der
Landzunge, über welche die Schiffe geschafft wurden, und konnte so mit seinen
Katapulten seine Flotte in ihrem Kampfe gegen die Feinde unterstützen. ^ Aehn>
lieber Transport von Flotten über Land kommt vor in Hannibars Kampf gegen Ta-
reut, Polyb. YIU, 36, s. Lorentz, De vett. Tarent. reb. gestis. II Lucc. 1841. 4^ der
p. 24, not. 10, Graev. Thes. ant. It. IX p. 5 citirt, wonach Gonsalvo von CQrdova
dasselbe bei Tarent that. Auch Sultan Muhammed verfuhr so bei der Belagerung
von Constantinopel, s. Biogr. g6n^r. Bd. XXXII, p. 843.
S. 111. Bei Diod. XIY, 48 haben die Handschr. *JlyxvQai. Aber aus XIY, 54
sieht man, dass 'uiXixvat zu lesen ist. Aus XIY, 48 ergiebt sich, dass Halikyai nicht
zu den sikanischen Orten gerechnet wurde ; es war also damals offenbar ely misch.
S. 113. Yersiegelte Ordres an die Flottenfllhrer Diod. XIY, 55; Front.
Strat. I, 1,2; Polyaen. Y, 10, 2. Bei Diod. XIY, 55 ist statt iis rr^v Aißvriv zu lesen :
^n\ rr^ AtXvßatov axgecv.
S- 113. In diesen Krieg und in diese Periode desselben muss die von Polyaen.
Y, 10, 5 erzählte Geschichte gehören von dem Kampfe zwischen Himilkon und den
Feldherren des Dionys, ntQl ro KQovto»; welches Einwohner hat. Yielleicht ist hier
an den Monte Pellegrino zu denken. -^ Es bedarf nicht der Bemerkung, dass Ti-
maios' Zahlen glaublicher sind.
S. 114. Die Einnahme von Messana stellt Plass II. 219 so dar: „Weil indess
die messenischen Reiter in des Dionys Heere dienten und Orakelsprüche auf diesen
hinzuweisen schienen, fiel man nicht ab, brachte Weiber, Kinder und Kostbarkeiten
in Sicherheit und zog nach dem festeren Peloris, um sich hier zu vertheidigen. So
rückte Himilkon in Messene ein und hielt daselbst Winterquartiere.^ Ich finde nicht,
dass mit diesen Worten die Ueberlieferung Diodor's (XIY, 56. 57} in annehmbarer
Weise umgeformt ist. Gegen Plass leugnet Niehues 42, n. 22, dass Him. in Messana
überwinterte ; die Karthager hätten vielmehr vor Syrakus überwintert. — Gleich nach
der Seeschlacht bei Katane Sturm, wie sich ergiebt aus der Bede des Theodoros bei
Diod. XIY, 68; etwas später nach XIY, 61.
S. 116. In die Zeit vor der Belagerung von Syrakus gehört die von Polyaen.
28*
436 Anbaiig III. Belege und ErlftuteruDges.
V, 2, 8 erzählte List des Dionys mit den Kftstellen, durch deren Beeatgmng die Feinde
ihre Macht schwächten.
S. 116. Topographie der Belagerung von Syrakos, welche Ton Diodor
ausführlich XIV, 61—76 erzählt ist. AlB Himilkon mit seineM Heere tot Syrakus
eingetroffen ist, xauoxiivüfatv iv r$ fv Jios vtipt d. h. das Hauptquartier des Feld*
herm war am Olympieion. Von dem Heere selbst, welches rö loiirw nlH&ot genannt
wird, heisst es dann : iy ttp nttQttxetfiivp roTiip xmttötQatonidkvctv, Kni/ttw r^ rnUm^
araJiovs ^Mixa. Da der Anapos in dieser Gegend etwa 12 Stadien Ton den Mauern
von Syrakus entfernt ist — bei Plut. Dion 27 sind 10 Stad. angegeben — so ist dM
Lager nürdlich vom Anapos anzunehmen. Weiter heisst es in o. 63 , dass er r« t^s
^j^xgnätv^g Ttgotiautor besetzte und die Tempel der Demeter und Köre beraubte, so-
wie, dass er Gräber niederriss, unter andern die des Gelon nnd der Demarete. Er
hat also auch die Neapolis südwestlich vom Theater besetzt. Dann macht er (c. 63)
eine Mauer um sein Lager und baut 3 ipQovgia am Meere : ro fihv inl r«£f UXtififtv^w,
To ^ inl fiiaov rov Xifi^vog, ro Jk xara rov v€w rov /Itig, Die Lage des ersten ist
klar, es sollte die Einfahrt in den Hafen schützen, das zw^te haben wir uns an der
Punta Caderini (Daskon) zu denken; das dritte endlich entsprach der Pollchne (c. 72};
es ist also fUr dies Fort die Angabe „am Meere" nicht genau. So beherrscht er mit
diesen 3 Forts und dem Lager , dessen nördlichere Lage durch die Aeusserung in
c. 70 bestätigt wird; dass die Athener tiiv avtifv na^tfAßol^y gehabt hätten, den
ganzen Süden von Syrakus. Den Angriff macht Dionys von Westen her : negul^nv
inl ro trjt Kvttviis Uqw , welches westlich vom Olympieion jenseits des Ajiapoa war
(c. 72). Dionys lässt nun Reiter und Söldner einen Scheinangriff auf to tt^s rnv
fitüoyciov dyaT€u'ov fii^og des Lagers machen und greift mit den Übrigen Truppen
die (pQovQia an, sowie nebenbei auch noch, wie es scheint, das Lager selbst, in wel*
chem sich jetzt auch das karthagische Hauptquartier befand. Nun wird zuerst das-
jenige Fort von Dionys genommen, „welches Polichne heisst" (c. 72) , also dringt hier
Dionys zwischen Sumpf und Lager ein und fasst die Feinde im Centmm. Wenn nnn
weiterhin den Reitern ein Theil des Erfolges gegen das Daskonfort zugeschrieben
wird, so ist anzunehmen, dass dies andere sind als die, welche das Haupth^^r an-
gegriffen haben. — Zuletzt schlägt (c. 74) der siegreiche Dionys sein Lager am Olym-
pieion auf; die Feinde sind überall abgeschnitten. — Grote V, 706, n. 105 bezieht
auf diesen Krieg das Manöver des Leptines bei Polyaen. Y, 8, 2. ^ Bei Diod. XIV,
62 ist von üs&fofnvai an Confusion, Gr. V, 7ü9 n. 107.
S. 118. Von der Seuche im karthagischen Heere spricht Diod. ZIV, 71 sehr
ausfuhrlich ; man hat mit Recht gefunden , dass Diodor's Quelle und Diodor selbst
hier ein Seitenstttck zur thukydideischen Beschreibung der Pest in Athen haben
geben wollen.
Sechstes KapiteL
Hauptquelle Diod. XIV, 78. 87. 88. 90. 91. 95. 96. 100—109. 111. 112. In c. 93
ist eine Geschichte von Uparäischen Seeräubern erzählt.
S. 122. Von dem von Diodor XIV, 78 berichteten Vorfall mit den Söldnern
scheint eine abweichende Darstellung erhalten bei Polyaen. V, 2, 1. Damach war
Dionys in Lebensgefahr, rettete sich aber durch Demttthigung. Am Schluss heisst
es: ^lovvaios ovx ig /attxgap h AsovUvois ni(ftaxiia«g avtois r^v iavtov SvBttfiWt
annvtug xurrpcovriatv. Dann hätten diese Söldner allerdings Leontini nicht lange
gehabt. Diod. 1. 1. ist Midfiaiovg Conj. Oluver's für das handschr. Mt^if^ralovt,
\
Zu Bach V, Kap. 5 u. 6, Seite li6*-123. 437
S. 12s. Die Gründung der Stadt TwSttQig erzählt Diodor XIV, 78. Ptol.
nennt sie Twdmqiov. Einw. bei Diod. XIV, 69 Tw^oQitn^^ auf Münaen TYN/IA-
Pf TAN, lat. Tyndaritani. In Betreff der Wahl des Namena ist an beachten , dass
Diod. XrV, 78 sagt : of Miooiinoi r^y noXiv »pofÄuaar Tw^ufU^a^ und die Messenier
besonders die Dioskuren verehrten; vgl. Paus. III, 26, 3, wonach sie sagten tohg
Ato^ovQovf jiiäklov u aifTotc xal ov Aaxtdaiftioyiotg nQogfptiiv, Vgl. Welcker, Griech.
GOtterl. II, 425. Uebrigens galt Tyndaris schon als altheiliger Ort. Orestes kam da-
hi^, nachdem er sich in Rhegion hatte sühnen lassen, und er brachte, wie es scheint,
den Kultus der Artemis , die später in dieser Gegend verehrt wurde , mit sich {nsQl
tfis €VQio(tag rüp ßovitoXixttv vor den Ausg. Theokrifs). Nun war allerdings die Ar-
temis Limnatis Messenien und Lakonien gemeinsam, und am Fusse der Burg Ithome
war ein Tempel dieser Göttin; dennoch scheint die Stadt Tyndaris Artemis nicht
besonders verehrt lu haben. Die Münzen, welche vorzugsweise die Dioskuren 1 so-
dann den alten Heros Agathymos, die Helena und andere Gtötter zeigen, haben,
wie es scheint, Artemis nicht, sodass ich annehmen möchte, dass in der Wahl des
Namens Tyndaris durch die messenisohen Kolonisten und in der verhältnissmässigen
•Zurücksetzung des alten Artemiskultus etwas demonstratives gegen Lakonien liegen
eollte. — Vgl. über Tyndaris Faz. 231. 32. Gl. 367 --70. F. Ferrara, Anticfai edificii
ed altri monumenti in Sicilia. Pal. 1814. 4, mit 4 Kupfern, welche erste Lieferung
eines nicht weiter fortgeführten Werkes von Tjrndaris handelt. Serradif. V, 48 ff.,
der sonderbarer Weise auf S. 49 die von Diod. XTV, 78 dem Dionys zugeschriebenen
Kriegsthaten den Tyndaritanem zurechnet. D. 274—76. Auf den Einflnss der 1000
Lokrer, die nach Diod. XIV, 78 Messana neu gründen halfen, scheint Sambon, Re-
eherches sur les monnaies de la presqu'tle Italique. Napl. 1870. 4. p. 339, die von
ihm p. 336 unter No. 5 und 6 beschriebenen lokrischen Didrachmen zurückzuführen,
welche einerseits den geflügelten Blitz, andererseits den einen Hasen verschlingenden
Adler zeigen, was ja einen Sieg über die Hasenstadt, d. h. über Messana, andeuten
kann. Mir scheint diese Deutung nicht ganz passend. Man kann doch nicht sagen,
dass die 1000 Lokrer Messana besiegt haben.
S. 123. In Betreff Messana^s ist noch zu bemerken, dass nach Paus. IV, 26, 2
nach der Schlacht bei Aigospotamoi die Messenier in Naupaktos nach Italien und
Sicilien gingen; vgl. Diod. XIV, 78, und umgekehrt die in diesen Ländern befind-
lichen Messenier nach der Schlacht bei Leuktra nach dem Peloponnes zurückkehr-
ten. — Nach Polyaen. V, 2, 17 nimmt Dionys Messana; wann? — Was ist femer unter
Amphipolis bei Polyaen. V, 2, 11 zu verstehen? — Bei Diod. XIV, 78 ist handschr.
Lesart Zfifvfov, wofür Oluv. ZfQyifTioy^ Dind. Mivairov lesen will.
S. 123. TttvQOfjiiviov. Nach Diod. XIV, 59 gründen es Ol. 96. 1=396 v. Chr.
Sikeler, von Himilkon unterstützt; nach c. 96 belagert es Dionys Ol. 96, 3^:394
V. Chr.; nach c. 96 erobert es Dionys Ol. 97, lss:392 v. Chr. und setzt Söldner dort
als Bewohner ein ; nach Diod. XVI, 7 vereinigt Ol. 105, 38=358 v. Chr. Andromachos
die aus dem von Dionys zerstörten Naxos noch übrigen Bürger und gründet Tauro-
menion, so genannt ano r^f in\ rov Tavgov fiov^C' Dies hat G. F. Unger, Die Ab-
fassungszeit des sogen. Skylax, im Philol. 33, S. 38. 39 falsch verstanden, indem er
annimmt, dass Naxos 358 v. Chr. durch Uebersiedelung seiner Bewohner nach Tau-
romenion entvölkert wurde ; Naxos existirte, wie wir wissen, lange nicht mehr. Tau-
romenion bezeichnet Strabon VI, 2, 3 als eine Gründung rmv iv "^ßXr^ Zayxlaümf, mit
welcher Notiz Cluver nichts zn machen wusste. Amoldt, Timoleon S. 92 macht dar-
aus eine .»sikelische Ansiedlung der Zanklaier ans dem grösseren Hybla,'' und auch
Schabring , Umwandemng des megarischen Meerbuaens 4$3 , scheint an Sikeler zu
denken. Aber dann waren es keine Zanklaier und man hätte statt ZttyxXnfatr ZiKt-
luv zu lesen. Wenn ZayKXaiw richtig ist, können wir uns die Sache nur in folgender
438 Anhang TU. Belege und ErlSuterangen.
Weise denken. Als Messana durch Himilkon zerstört wurde, lOste sich der alte Bür-
gerverband im Grossen und Ganzen auf. Diod. XIV. 78 lässt allerdings die Annahme
zu, dass viele alte Messeoier in die mit Lokrem, Medmäem und peloponnesisehen
Messeniern neubevölkerte Stadt zurückkehrten, aber alle werden es nicht gethan
haben. Die alten ZanklSer, die ja sich immer etwas von den Messeniern geschieden
hielten, gingen nach Hybla, wahrscheinlich dem aetnäischen, und von da nach Tau-
romenion. Wenn somit in Tauromenion ein starkes ionisches Element war (Naxier
und Zankl&er), war nichtsdestoweniger die of&cielle Sprache der Tauromenit^er der
dorische Dialekt , wie man aas den Inschriften sieht. Tauromenion hatte eine ge-
mischte Bevölkerung, welche des dorischen Dialektes sich amtlick bediente, weil, als
die Stadt entstand, der Einfluss von Syrakus in Slcilien überwog. — Die Einwohner
bei Diodor XVI, 7 TavQOfifvtrai ; auf den Münzen TAY PO M ENI Tut Df, lat. Tanrome-
nitani. — Vgl. über Tauromenion Faz. 56, Cl. 107—14, Houel II, 31—55. J. Gartella
e Rocco, Breve relazione de' piü rimarchevoli antichi monumenti esistenti nella citti
di Taormina, in der Nuova Raccolta di Opuscoli IV, Pal. 1791, p. 1 und von dems.
Lettera intorno a' pregi dell' antica citti di Taormina in den Opuscoli XV, Pal. 1 774,
p. 141, sowie Discorso storico-critico intorno all' origine della citt4 di Taormina, dett.
dal Sgr. Lor. Geta Caraccioli, Opusc. XVIII, Pal. 1777, p. 153—242. Serradifalco V,
31 ff. D. 456—62, endlich die Publication einer schon älteren Arbeit: G. Di Giovanni,
Dissertazioni sulla storia civile di Taormina, volgarizzam. con aggiunte di A. Pieral-
lini, Pal. 1870. 8. — Nach Diod. XIV, 88 gab efr wenigstens zwei Akropolen in Tau-
romenion. Er sagt von Dionys: fitäg fjilv atcp^TroXuoe ixv^iivOi — fjurn dh ravta tig
t6 €t€qov fi^Qog naQdtmamv tUriytty^ tr^if dvpafjiv tfg t^ noXiv. Wenn das richtig
ist, so hat man anzunehmen, dass das jetzt sogen. Castello di Taormina und das
noch höher gelegene Felsennest La Mola die beiden Akropolen gewesen seien. Da
es jedoch vorher bei Diodor nur heisst : tkqI ttiv xttia r^v texQonoXiv (pvXax^y, so ist
in Diodor's oben citirten Worten ein Fehler zu vermuthen und statt fnag ftiv äxQ. zu
lesen r^p fjih «xq. Dann haben wir nur eine Burg, und diese ist das jetzige Castello.
Es heisst bei Diodor, dass die Sikeler den Dionys /{ vTKQdf^itov xonmv bedrängen»
das war dann bei La Mola. Die Münzen scheinen erst der hieronischen Zeit an-
zugehören, da die aus Silber geprägten dem Litreniusse folgen. Sehr zahlreich
und theilweise' sehr schön sind die Typen der Bronzemünzen, unter denen die
auf Apollon bezüglichen hervorragen. Mit dem Archagetas knüpfte Tauromenion an
Naxos an.
S. 124. Nach Diod. XIV, 88 steilen sich mit den Akragantinem auf die republi-
kanische Seite die Meaaiinoi, welche rove ra Jioi^vaiov (fQwovvrttg vertreiben. Nach
Grote VI, 7, n. 10 passen die Messener nicht hierher, die ja nach Diod. XIV, 78
nur aus Freunden des Tyrannen bestehen. Auch mir scheint nach dem Znsammen-
hange Mtaarjvioi falsch und vielmehr KafiaQ^vaioi zu lesen. — Das am Schluss von
Diod. 88 erzählte gehört offenbar schon in Ol. 96, 4.
S. 124. Grossgriechenland. Ueber Sybaris Diod. XI, 90; XII, 10. Kriege
delr Tarentiner Diod. XI, 52; Paus. X, 10, 6; X, 13, 10; Siris Str. VI, 1, 15; lust.
XX, 2; Herod. VIII, 62. Metapont Mannert, Italia II, 232. Ueber Thurii Schiller,
De rebus Thuriorum, Gott. 1838. 4 und Th. Müller, De Thuriornm republica, Gott.
1838. 4; Diod. XII, 23. Grotefend, Zur Geographie und Geschichte von Alt-Italien,
Hannov. 1841. 4, Heft IV, nimmt S. 42 an, dass der Bund der italischen Städte gegeft
Dionys es war, der sich stolz zuerst Grossgriechenland nannte. — Die Lukaner (d. i.
Söhne des Lichtgottes Leukos), A^imavot bei Diod. und Strabon, Aovuavol bei Ptol.,
auf ihren Bronzemünzen isl ihr griechischer Name AYKIANOIf ihr oskischer im Gen.
plur. AOYKANOM s. Friedländer, Die oskischen Münzen, S. 57. Vgl. überh. Str.
V, 3, 1 ; VI, 1, 1. 2. Sie erscheinen schon vor dem peloponnesisehen Kriege. El
Zu Buch VI, Kap. 6, Seite 124—131. 439
erzählt nämlich Polyaen. II, 10, sowie Frontin. 11, 3, 12, von den Kriegen cTer
Thnrier gegen die Lukaner, unter der Anführung des tLleandridas, des Ytftsers'des
Gylippo«. Vgl. Th. Müller, De Thur. rep. p. 30. 31 und R. Loreatz, Veterum Ta-
rent. res gestae I, p. 9, n. 8, der mit Eecht annimmt, dass die Lukaner damals noch
weiter im Innern wohnten, sodass vielleicht eine Verwechselung derselben mit dea
Chonem oder Oenotrem obwalte; so kommen auch bei Str. VI, 1, 15 die Samniter
zu früh vor. Dauernd in die G^chichte Grossgriechenlands greifen sie jedenfalls erst
seit Ol. 96, 396 v. Ohr. ein: Diod. XIV, 91. — Ueber die italischen BevOlkerungs-
verhältnisse vgl. auch Nissen's Templum. — Die MUnzen der Lukaner: Sambon, Re-
oherches etc. p. 258 und Friedländer, Die oskischen Münzen, S. 57; sie schliessen
sich theils an Metapont an (Silbermlinze Sambon pl. 20, 25), theils stimmen sie mit
*<len brettischen ttberein, Friedländer 1. 1. — Vgl. 6. Antonini, La Lucania 2 voll.
Nap. 1795—97. 4, wovon Parte I in vol. I die Geschichte behandelt. .— Auch Dionys
giebt Bürgerfrauen an Söldner Diod. XIV, 66.
S. 129. Bei Diod. XIV, 101, wo Aäov Oonj. Niebuhr's für Xahv xal ist, wird
statt iXni^oc zu lesen sein inavodov.
S. 130. Heloris ist nach Diod. XIV, 103 der Sjrakusaner n^^tvyoig /liovvmov.
Der Name des Flusses richtig bei Polyb. I, 6 und Polyaen. V, 3, 2, falsch bei Diod.
XIV, 104.
S. 131. Ueber Kauion ia Diod. XIV, 106. Abermale ward die Stadt, von Bar-
baren, zur Zeit des Pyrrhos zerstört Str. VI, 1, 10; Paus. VI, 3, 12, und die Ein-
wohner gründeten ein neues Kaulonia in Sicilien: St B h. v., wo es heisst (^an xal
aXXrj ZaiiXtag. Diese wird für die Calloniana des It. Ant. gehalten. So sagt auch
Schubring, Hist.-geogr. Studien über Al^-Sicilien, Rh. Mus. N. F. 28, S. 117: Callo-
niana kommt in die Gegend von Sommatino und Ravanu3i^ zu liegen , und es ist in
diesem Namen die von St B erwähnte Stadt Kaulonia wiederzofiaden. Ueber das ita-
lische Kaulonia vgl. Mannert 194; Sambon, Recherches 317; R. Rochette, Obeerv.
Bur les types des monnaies de Oaulonia in M4m. de TAoad. des Inscr. T. XIV, 2 ;
Ad. Holm, La Triquetra, Pal, 1871. 8, p. 25.
S. 131. Bei dem Namen ded Rheginers Phyton denkt man an Ibykos aus Rhe-
gion, der nach Suidas 4>vtCov Sohn war. — Von der Eroberung Rhegion's spre-
chen auch Front. III, 4, 3, Philoetr. vit Apoll. 7, 2 und Arist. Oec. II, 1349 B, der
von Diod. XIV, Hl abweichend so erzählt: 'Priyiov 6k xaraXapoiv, ixxXtjaiav awaya-
ytjv tine diort dixa(ag fjilv av f^av^gano^ia&eTfv vn avtov ^ vvv fiivxoi rä ffg rbv
noXefxov avriXiafiiva ;^(>7y/'rrra xof4iaafJ€vog xnl vti^q ixuarov otouaxog TQfts fAvag atf'ijaiiv
ttvrovg' ol 6k ^Prjytvoif oaa not fftf ttinolg anoxtXQVfAfiiva , (fjupavij inoCowf, xnl ol
nnoQoi Traget rtov tvnQQtoiiQOiv xnl naga TtSv ^ipiov ^avet^ofiivoi InoQtattv S ixiXeve
XQfIftata* Xaßtav 6i ravitt nag ahrmf tä rc acSfittra ravta ovdkv i^rrov tini^oTOf rd ts
tt tote rflf uTioxfXQVfjifiivtt ffitfavij anavta ^Xaßev. Hiemach hat sich Dionys viel
schlechter benommen, als nach Diodor, ich glaube daher nicht, dass man den diodo-
rischen Bericht auf Timaios zurückführen kann, der nach Volq. S. 87 gerade für die
Eroberung von Rhegion Diodor's Quelle sein soll, weil er das schlimmste von Dionys
berichtet : wir sehen hier, dass Diodor eben nicht das schlimmste hat. — Bei Polyaen.
V, 2, 9 ist offenbar Himera für Rhegion gesetzt. — Zerstörung von Rhegion Strab.
VI, 1,6. — Dionys, nicht zufrieden, Rhegion erobert zu haben, wollte die Rhe^ner
auch moralisch vernichten und Hess sie vom Mimendichter Xenarchos, Sophron's
Sohn, als feige darstellen: Suid. s. v. ^Pr^yivovg, cf. Ebert, Dlss. Sic. Regim. 1825.
d, p. 186—191. — Dionys Hess sich einen Palast in Rhegion errichten, wo Platanen-
pflanzungen Staunen erregten. Plin. Xü, 7 sagt hieriiber: Dionysius prior Siciliae
tyrannus Rhegium in urbem transtulit eas domus suae miraculum , ubi postea factum
gymnasium. — Wem die Hervorhebung der Bedeutung des Dionys zu stark erscheint.
440 Anhang III. Belege und Erläaterangen.
der bedenke, dase ein Erfolg der Karthager auch die an sich 14is8Jgen Perser za
grösseren Anstrengungen angetrieben haben würde.
Siebeates Kapitel.
S. 133. Befestigung und Versohttnerung von Sjrakus IHod. XV, 13. Damals
erhielt Syrakus den Umfang, welchen Str. VI, 2, 4 zu 180 Stad. angiebt. Athen
hatte nach Thuk. II, 13 mit den langen Mauern und den Häfen 178 Stadien Um&ng.
Selbst Aurelian's Rom kam Syrakus an Umfang nicht gleich, und das augnatoische
bleibt weit hinter der sicilischen Grosestadt zurück.
S. 133. Gründung von Lilybaion Diod. XXII, 10. Ueber Lilybaion besonders
Schubring. Motye-Lilybaion, im Philologus, 24, S. 49--82, mit 1 Karte.
S. 134. Ueber Kr o ton und seine Lage Liv. XXIV, 3: AeL V H XU, 61. Vgl
R. Grosser, Geschichte und Aiterthümer der Stadt Kroton, 2'Thle. Minden 1866.
67. 8. Dionys herrschte 12 Jahre Über Kroton nach D. Hai. XX, 7, nach welchem
Dionys auch ^InnmiKig nviarriafv ix r^c iaurtStv ovg dn^yayev iig £ixMav, Grosser
S. 64 meint, die Nichterwähnung der Eroberung Kroton's deute auf eine Verstümme-
lung des diodorischen Werkes an dieser Stelle, wir sahen, dass auch anderes aus
dieser Periode des Dionys bei Diodor fehlt: es sind also Fehler in der Disposition
seines Werkes. Vgl. auch lust. XX, 5.
S. 134. In diesen Wirren scheint auch Terina eine Bolle gespielt zu haben.
Ueber dasselbe vgl. ausser Bd. I, S. 409 Sambon , Recherches etc. p. 363 , der über
die aus der Aehnlichkeit terinäischer MUnztypen mit den Typen anderer Städte %n
erkennenden Bündnisse der Stadt Terina mit anderen Städten spricht. Die Münze
No. 23 erinnert durch ihre Inschrift JIAN^INA an eine Münze von Hipponion;
No. 25 an rheglnische Münzen , an Münzen von Medma und an Obole mit der In-
schrift NOYKPINSIN, über welche Sambon p. 341 spricht, indem er StB s y. Nov-
xQltt, das eine Stadt Tyrrheniens genannt wird , vielmehr auf eine Stadt am tyrrhe-
nischen Meere deutet, nach ihm Nocera am Savuto, südlich von Cosenza. No. 2S
erinnert mit dem Hasen des Rev. an Messana; Ko. 29 mit dem Seebebs an Kroton.
So scheinen allerdings diese Münzen zu zeigen, dass Terina, welches sich in seinen
Münzen an so viele Städte anschloss, eine Zeitlang eine Art von Mittelpunkt für
föderative Bestrebungen in Grossgriechenland gebildet hat, wahrscheinlich gegen
Dionys, und deshalb spreche ich hier so ausführlich davon. Ueber Terina's Schicksal
drückt sich Sambon p. 363 ungenau aus, indem er sagt, Dionys habe das Gebiet der
Stadt den Lokrem gegeben, denen nach p. 334 die Gebiete von Kaulonia, Scylla-
cium, Mesma, Hipponium , Terina zu Theil geworden sein sollen. Aber Diod. XIV,
106. 107 nenüt nur Kaulonia und Hipponion; Str. VI, 1, 10 Skylletion. Nach Diod.
XVI , 5 hatten die Bruttier Terina im J* 356 v. Chr. ; Hannibal zerstörte es nach
Str. VI, 1, 5.
S. 134. Thurii und Boreas Ael. VH XII, 61.
S. 134. Plünderung des Tempels der Here Lakinia Ath. VII, 541 nach Aristo-
teles. Ueber das Gewand s. Gnhl und Koner, Leben d. Gr. u. R. S. 196.
S. 134. Beziehungen des Dionys zu den Ländern des adriatischen
Meeres: Diod. XV, 13. 14. Daselbst (c 14) wird die parische Kolonie auf der Insel
Pharos erwähnt und XV, 13 heisst es: an^ixtav aniotakxa^i tlg tov \4dgiar ov nol-
Xoig n^otfQov tnoiv ixTixws vv n6Xtv xi^v ivofittCofiiytiv Aiaaov, Lissos lag auf dem
illyrischen Festlande. Nun sagt aber Ps. Skymnos v. 413. 414: viiaoq xar avfv^
^ Ifattv, ^faaa liyofiirtjf £vQttxo0i^v Ifj^vaa r^y anoix/ttv. Diese Insel lasa, jetzt Lissa
genannt, während Pharos jetzt Lesina heisst, war also auch eine syrakusanische Ko-
Ztt Buch y, Kap. 7, Seite 133—135. 441
.loiiie. Skyl. 23 nennt 4»aQQg vijaos *EU.riv\g xal "iaaee vijaog xal noXeis ^ElXfivlSig
«vTit«. Inde«! nun so von Dlodor Lissos alt Kolonie des Dionys beseicfanet wird,
von Skymnos Ibse als syrakusanische Kolonie, ist Müller zu Skyiax (G. Min. I, 30) auf
den Gedanken gekommen, daas bei Diodor statt Maaw za-scfareiben sei *'i<faav. Er
ftthrt Niebuhr an, der in seinen Kl. Schriften I, p. 117 Issa als dionysische Kolonie
beaeichne, also auch wohl bei Diodor einen Fehler annehme. Man vgl. darüber auch
B. Rochette, Histoire des ötabliss. col. des Grecs, übersetzt bei Oapozzo, Memorie
a. H. w. II, 140. 141. R. Roch, schreibt die Kolonie in Issa ebenfalls der dionysischen
Zeit zu. Anderer Ansicht ist Grotefend, Zur Geogr. und Gresch. von Altitalien IV,
.35, welcher annimmt, dass Issos keine syrakusanische Kolonie war, und dass, wenn
Skymnos sie als solche bezeichnete, dies nur daher rührte, dass Issa von Skylax 23
mit Pharos zusammen genannt wird , bei der Gründung von Pharos aber die Parier
von Dionys unterstützt wurden. Auch in diesem Falle müsste man wohl eine Ver-
wechselung von Issa mit Lissos annehmen, nur nach entgegengesetzter Richtung
hin. — Ferner war nach Str. VII, 5, 5 TgttyovQtov auf dem Festlande, nahe bei Issa
gelegep, ^laaiiav Tttiafia. Auch bei Polyb. XXXII, 18 stehen TifayoCquiv und ^Enfnw
unter den Issiem. So ist die Schlussfolgerung erlaubt, dass diese beiden StUdte mit-
telbar syrakusanischen Ursprunges waren. Von dieser Ansicht ist geleitet : Kiepert,
Atlas von Helhis , 3. Ausg. Karton auf T&fel XII. Hier finden sich an der Küste
zwischen Tragyrion und £petion Siculi angegeben. Bei Plin. III. 141. 142 finde ich
in dieser Gegend Sicum und Siculotae. — ^A^Qiag gegründet von Dionys nach Etym.
m. h. V., vgl. .Plin. III, 120. 121 die ausführliche Beschreibung von Atria an der
Pomttndung, wo die fossa Philistina erwähnt wird. Nun wissen wir aus Plut. Dion
11, dass Philisfbs, als er aus Syrakus verbannt wurde, zu Freunden Big rdv *ASQ(nv
g^ng. Dieselben Worte: ttg rov ^Aögin^ , kommen auch bei Diod. XV; 13 vor, aber
hier bedeuten sie: in das adriatische Meer; vgl. G. Koch, Comment. in Plut. vit.
Dionis, 1862. 8, p. 13. Das Zusammenti'effen der Namen Philistos und Atria an der
PomUndung beweist, dass das von Dionys gegründete ^A^Qittg die dort gelegene Stadt
dieses Namens war, und nicht etwa die gleichnamige Stadt in Picenum, wofür andere die
dionysische Kolonie gehalten haben, wie 0. Müller, Etrusker I, 145 und noch neuer-
dings Sambon, Recherches etc. p. 73. An das Hatria der Pomündung denkt dagegen
wieder H. Genthe, lieber den etruskischen Tausehhandel nach dem Norden, Frankf.
1873. 4, S. 23. Hatria an der Pomündung war schon eine alte Stadt; sie wird von
Liv. V, 33 als Tuscorum colonia bezeichnet. In der Nähe der Stadt sind mehrfach
Vasen gefunden worden, besonders spätere mit rothen Figuren, vgl. Jahn, Einleitung
in die Beschreibung der Vasensämmlung des Königs Ludwig, S. LXXIV, auch Vasen
mit absichtlicher Nachahmung des alten Stils, ders. S. LXXI. — lieber Ankon Str.
V, 4, 2 : *Ayxiav f^kv 'EkkijMief ZvQttxoveltav nriOfAtt riSv (fvyovrtav triv ^lovvahv tVQttv-
vida. Bei Plin. III, lU lesen wir: Numana a Siculis condita, ab iisdem colonia An-
cona. Solin. 2, 10: Anconam a Siculis. Dass Siculi in Picenum in altor Zeit ge-
wohnt haben, vor den Umbrem, Etruskern und Ghdliem, habe ich Bd. I, S. 360 eben
aus Plin. lU, 111 vermuthet, und halte es für wahrscheinlich, dass Numana auf
aolchen altsikelisohen Ursprung von Plinius zurückgeführt wird. Indess lag es ja an
der Küste (Mannert, Geogr. von Italia I, 462), und so könnte es auch aus dionysi-
scher Zeit stammen.
S. 135. Bei Diod. XV, 13 muss Delphi mit Dodona verwechselt worden sein.
S. 135. Plünderung des Tempels der Eileithyia zu Pyrgoi Str. V, 2, 8. Diod.
XV, 14 berichtet es, ohne den Namen der*Gottheit zu nennen. Arist. Oec. II, 1349 B
nennt sie Leukothea, ebenso Polyaen. V, 2, 20. Bei Beiden wird weiter berichtet,
wie Dionys die vavrat um die von ihnen gemachte Beute betrügt. .Bei Ael. V. H. I,
20 werden Apoll und Leukothea genannt. Allerdings ist Leukothea als Seegottheit
442 Anhang III. Belege nnd Erläuterungen.
wabrschemiicher m dem Hafenorte als Eileiihyia; dennoch wird letzterer Name rich-
tiger Bein, eben weil man nicht sieht, weshalb man auf ihn verfallen sein sollte, weira
er nicht überliefert war.
S. 136. Blindniss des Dionys mit den Galliern lustin. XX, 5.
S. 1 36. Ueber das YerhÜltniss, in welchem Dionys zu den Tarentinern stand,
giebt die Erzählung bei Polyaen. Y, S, 2 Anfschluss. Leptines fährt von Lakedaimon
zurück und steigt mit den Schiffsleuten in Tarent an's Land. Diese lässt das taren-
tinische Volk ungeschoren, weil es Lakonier sind ; Leptines aber will man ergreifen,
und er kann sich nur durch eine Verkleidung wieder an Bord retten. Wann dies
geschehen, lässt sich nicht bestimmen: merkwürdig sind die vielen lakonischen See-
leute. Dagegen unterhielt Dionys officiell sehr freundliche Beziehungen zn Tarent;
Euphor. ap. Ath. XV, 700 Über ein prachtvolles Geschenk des Dionys im Prytaneion
zu Tarent.
S. 137. Dionys und Konon, Lys. de bon. Arist. 19 ff. Vgl. A. Schäfer, The-
mistokles und Hieron. Lysias' Olympische Rede. Philologns 18^ 187^190, der mit
Westermann daran festhält, dass Lysias auch als Gesandter in Syrakus w:ar. — Es
ist nicht zu verkennen, dass bei den asiatischen Hellenen die Interessen des Handels
einen mächtigen Impuls zum Frieden gaben.
S. 137. Dionys |hilft Sparta 387 v. Chr. Xen. Hell. V, 1, 26—28. — D. hilft
Sparta 373 v. Chr. Diod. XV, 45—47. ; Hell. VI, 2, 33-^36. Dionys, Iphikrates und
die Athener Diod. XVI, 57. — S. 138. D.'s Truppen im Peloponnes 369 v. Chr.
Xen. Hell. VII, 1 , 20—22 ; Diod. XV, 70. Ueber die griechische Reit»«i RUstow.
Gr. Kriegsw. S. 135. — S. 139. D. hilft Sp. 368 v. Chr. Xen. H. VII, 1, 28-32;
Diod. XV, 72 ; Plut. Ages. 33. In dem Bericht von der .,thränenloseV Schlacht und
den Freudenthränen in Sparta steckt rhetorische Uebertreibung.
S. 139. D. Wohlthäter Athen's CI 85^ nebst 85« und vol. I, p. 897, sodass sich
369 V. Chr. ergiebt. Vgl. Br. de Pr. p. 269, n. 4; £p. Phil. 10 in Demosth. ed.
Bekker, Lps. 1854, I, p. 110. Das Dekret des Bündnisses zwischen Athen nnd Dio-
nys nach dem fragm. Text in Eph. arch. n. 30 und Bangab6, Ant. hellen. II, p. 36 ff.
n. 379 scharfsinnig restituirt und erläutert von A. Kirchhoff, Philol. 12. 571 ff.
S. 14G. Des D. Gesandtschaft nach Olympia. Diod. XIV, 109; XV, 7; Lys.
fragm. or. 33 ap. Dion. Hai. jud. de Lys. 29; Cram. anecd. Paris. I, p. 303. Grote
VI, 25 u. 29 setzt die Rede des Lysias in Ol. 99—384 v. Chr. , und nimmt 2 Sen-
dungen des Dionys Ol. 98 und 99 an (VI, 23). Vgl. auch Gr. V. 367. 368. Aber
die von Grote hervorgehobene Verschiedenheit des Eindruckes, den nach Diod. XIV,
lu9 und XV, 7 auf Dionys die von ihm erlittene Niederlage machte, scheint nur anf
schlechter Darstellung Diodor's zu beruhen. Volq. 104 ist gegen Grote. AusUlhrlieh
A. Schäfer, Themistokles und Hieron von Sjrrakus. Lysias' Olympische Rede. Phi-
lologus .18, 187—190. Seh. ist der Ansicht, dass die Begebenheit allerdings in Ol. 98
gehöre, meint aber, dass bei der politischen Stellung des Lysias gegen Sparta der
Vorgang .»nicht Lysias zum Urheber hat.** Der Standpunkt der Rede ist der der po-
litischen Freunde Xenophon's, zu denen auch Themistogenes von Syrakus (Xen. Hell.
lU, r gehörte. Aehnlich wie Lysias drückt sich Isokrates in seinem Panegyricas
aus, der 380 v. Chr. in Olympia vorgetragen wurde. Nach seiner Orat. ad Phil. 34
hatte er derb an den Dionysios geschrieben.
Ol. 99 =»384 V. Chr. liess der Sieger im Stadion, der Kauloniat Dikon sich als
Syrakusaner ausrufen Diod. XV, 14; Paus. VI, 35 {{fnl xQnuaai).
&. 141. Dionys und Artazerxes, welche bei Diod. XV, 23 ol (Afytütot r«r
rdrc öwaatwv genannt werden, werden auch von Aristid. Panath. I, p. 177 Jebb
zusammengestellt. Der Schol. dazu sagt von Dionys ovroc y^q v^^^ ßcvUfnvoi
Zu Bach V. Kap. 7 u. S, Seite 136-144. 443
S'o; tify^EXXicJa /ucrct rov INöüov uiQfattodai , ix€ivov drjXiaüttvTOf €tvii3, log EffOQog
hrooit.
Achtes Kapitel.
S. 142. Kriei: mit Karthago. Diod. XV, 1^-17. Schon oben (S. 373) ist die
auffallende Kürze und UnbeBtimmtheit der Darstellung besprochen. Man sieht nicht :
zogen die Karthager in Sicilien nach Osten vorwärts? zog Dionys gegen sie, die ihn
vielleicht erwarteten? Meine Vermnthung, dass das Kgonov bei Diod. XV, 16 die
ElQxjii ist, hat wenigstens nichts gegen sich; Heirkte war jedenfalls ein Kqohov,
und das nahe Panormos wird XV, 17 genannt. Wenn wir indess berücksichtigen,
dass auf einer Münze von Himera ( Imhoof - Blnmer , Griechische Münzen, in Berl.
Blätter V, S. 13 ff., abgeb. Taf. LIII, 9) Kronos dargestellt und mit Namen genannt
ist, so konnte das bei Diodor genannte Kronion auch der S. Calogero zwischen Hi-
mera und Thermae sein. A. Schäfer, Zur G^sch. von Karthago, Rh. Mus. N. F. XV,
391, liest bei Diod. XV, 16, wo der Name des Sohnes fehlt: avrl Ji ixidov (des
Magen) arQt€Ttijfhv xariarriaav *jivpmva top vtov avrov viov fjilv navteXiSg, ffQovtifiatog
(F* fvyevoug ovra xal JtdtpoQov avSg^it^e, — Dass Dionys den Karthagern die Kriegs-
kosten in Raten bezahlte, schliesst Grote VI, 36 wohl mit Recht aus Plat £p. VII,
333: ffJlA* &an(Q vvv xovvavtCov^ 6 natriQ avrov tfoQOv ird^aTO tfiQUv rolg ßaQßiiQOig,
- Die Karthager 378 v. Chr. Ol, 100, 3 in Italien Diod. XV, 24.
S. 143. Abmauerung der Sttdspitze Italiens, von Dionys projectirt Str. VI,
1, IG; nach Plin. III, 10 vielleicht ein Kanal, der dort möglich wäre.
S. 143. Letzter Krieg des Dionys gegen Karthago. Sein Tod Diod. XV, 73;
der Tod zunächst veranlasst ^i« to nXfj^g reSv ffx<poqrid'4vr(ov vyQiav bei Gelegenheit
des dramatischen Sieges in Athen, ^ach lust. XX, 5 insidiis suorum interficitnr.
Vgl. Plut. Dion 6 über Dion und den jüngeren Dionys beim Tode des älteren. lustin.
1. 1. erzählt vorher: dux belli Anno Carthaginiensis erat; cujus inlmicus Suniatus,
potentissimus ea tempestate Poenorum, cum odio ejus graecis literis Dionysio adven-
tum exercitus et segnitiam ducis familiariter praenuntiasset, comprehensis epistolis pro-
ditionis ejus damnatur. — Flottenmanöver des Anno Polyaen. V, 9. — Leichen-
begängniss des Dionys Diod. XV, 74. Plut. Pelop. 34; Athen. V, 206, wonach
Timaios wegen der nvga des Dionys bewundert wird; offenbar war er der Erbauer
des Scheiterhaufens. ' Nach Cic. N. D. III, 35 wurde Dionys in Tympanidis rogum
illatus. Begraben wurde Dionys nach Diodor 1. 1. xard t^v dxgonoXiv ttqcs raig ßa~
aiXioi xttXovfiävatg nvXnig. — Diod. II, 5 Sagt, dass Dionys ix fdiäg t^g rtoy ^vga^
xoa(<av noXiiog i^rfyayev inl rag argat^/ag neC^v fjikv Siodixa fivgtä^ag, Inmig 6k
fiVQlovg xn\ diaxiUovg^ vavg 61 }iaxg«g iS ivog Xifji4vog t^xgaxoolag. Das ist nicht mit
einem Male geschehen; vgl. Diod. XIV, 47; XTV, 103, sowie Ael. V. H. VI, 12.
S. 144. Urtheil des P. Scipio über Dionys Polyb. XV, 35. Zeugniss des
Theophr. mgl xmgwv ß' bei Phot. (M IV, 288). Urtheil des Isokrates V, 26. Plut.
de sera num. vind. 7 (Hutt. X): axonu yng^ d /tiovvaiog iv dgx^ t^g rvgavv£6og
eJtoxE 61XIJV, tog ov6e\g av *EXXiiv<ov ^xci £ixiX(av dvdotttxov vnh Ktxgx^^ovCtav yiro^
/uiiriv, Plut. Dion 7: ttdftfittvxtvovg Jsff/novgt olg 6 ngtaßvwegog ^lovvaiog ^rj S€6€^
Ijävijv ttnoXiinuv ifiv fiotagx^av. — Im Text wäre vielleicht Dionys als Organisator
des Militärwesens noch mehr hervorzuheben gewesen. Hierin mnss er einzig dage-
standen haben.
S. 144. Fioünzwirth Schaft des Dionys. Die nach SyrakuS verpflanzten
Krotoniaten sind 5 Jahre arrXtjtg Diod. XIV, 106. — Ueber den Zehnten s. Degen-
kolb^ Die lex Hieronica, Berl. 1861, S. 89. — Schiffsgeld Aristot. Oecon. II, p. 1349 B.
444 Anhaiig III. Belege und £rläateniiigen.
DionyB lässt anfangs die Bürger %w Qewfnnang einer Stadt <fvo atatijoag haarov
geben und giebt das Geld wieder zurück; dann nimmt er ea €lg tn^ vavniiytur. —
Viebgeld Arist. Oecon. II. — Verkauf der amvr^ ri nag* avrov ebendas. — Steuer
von 200/0 Arist. Pol. V, 9, 5. Vgl. Dio Cassins 47, 16; 48, 31 über ähnliche Maß-
regeln der Triumvim. Nach Flut. Apophth. reg. merkt Dionys, dass die Bürger
nichts mehr haben, als sie anfangen ihn au verlachen. — Zinngeld Ar. Oec. II, 1. 1.
ebendas. wie er Geld von den Bürgern geliehen hat und sich nun alles Geld bringen
ISsst, worauf es weiter heisst iniuo^f/as ;(fa(Mt»r^^a iUSmni ri^ ^^x/*V ^^ Svrauivjfv
dQtiXuiig, x«^ t6 r< oifgilofiivov nfortqov awiijreyxuv nQof avwop, d. h. sie Heferten
ihm so, was er ihnen schuldig war. Dieser prapnurn;^ ist eine Contremaike. Uns ist
von solchen dionysischen Contremarken kein Beispiel erhalten. Ueber das Zinngeld
auch Poll. IX, 79. Eine andere Spur der Finanzwirthschaft des Dionys habe ich nach
mittelalterlichen sicilianischen Yolksüberlieferungen nachgewiesen im AreUvio storico
Siciliano I, 1873, p 201^206. ^ Eine andere Münz Verschlechterung oder ReductioD
hat man ans Poll. IX, 79 geschlossen. Hier heisst es: xal ro voftiafAiuov jittaQoq
dqaxfJtng Ta/viv avtl fitäg, womit zusammengestellt wird Poll. IX, Wl : ro fdirroi £t-
xfXixov Tttlnvrav iXa/iorov ta^viVf t6 fM^v iifjifftror, mg *jigt0jorilrig liyti, r^rrm^ag xa\
tlxoai tovg vovfifiovg^ rb (f^ varfQOv dvtidtxttj dvvaadxti 6k tbv rovfifior t^iet iifiioßoha.
Suchen wir zunttchst diese letzte Stelle in ihrer Bedeutung zu würdigen. Sie besagt,
dass das sicitische Talent das kleinste war, aber nicht immer denselben Wertfa hatte,
sondern dass sein Werth um die Hälfte sank. Anfangs betrug es nach Aristoteles 24
uuromi, später nur 12. Nun hat man sich anderweitig Kenntniss* vom sicitiachen Taleat
zu verschaffen gewusst. Aus den Zahlen der grossen tauromenitanischen Inschrift hat
man nachgewiesen (Franz, Eiern, epigr. gr. p. 221 ff.) , dass das sicilische Talent in
120 Li treu getheilt war, und aus dem bei Diod. XI, 26 angegebenen Werthe des
Damareteion weiss man, dass 120 Litren gleich 24 attischen Drachmen waren. Wenn
nun Pollux sagt, dass das sicilische Talent anfangs 24 nummi, dann 12 nummi ge-
golten habe und ein nummus gleich 11/2 Obolen gewesen sei, so entsteht die Frage, wie
sich diese Angaben vereinigen lassen mit dem aus Diedor bekannten Factum, dass das
Talent den Werth von 24 Drachmen hatte ; auch wird das Verhältniss des nnmmus zur
litra bestimmt werden müssen. Ueber diesen Gegenstand hat sich zunächat Mommsen
geäussert in s. Geschichte des rüm. Münzweseos S. 80. Er hat ohne weiteres ange-
nommen , dass vovfifiog ursprünglich gleichbedeutend mit litra sei. Daraus folgt, dsss
das sicilische Talent ursprünglich 120 nummi hatte. Wenn nun Pollux aus Aristo)-
teles berichtet, dass das alte sicilische Talent 24 nummi hatte, so ist daa nicht das
wirklich alte, sondern ein bereits verschlechtertes, und zwar auf den fünften Tbeil
seines Werthes herabgesetztes. Wenn wir uns aber umsehen, von wem diese Ver-
schlechterung ausgegangen sein könnte, so bietet sich uns Dionys dar, der zu solchen
Finanzoperationen sehr geneigt sein musste. Nun findet sich sonst keine dem ent-
sprechende Nachricht aus dem Alterthum, wohl aber die oben sus Pollux angeführte:
ro vöfjitiifittTiov riitaQag ^Qa^/nag taxvev ärrl fiiag. Wenn hier gesagt wird, dass
durch Dionys eine Drachme den Werth von vieren bekam,* so entspricht das aller-
dings nur unvollkommen dem, was wir veriangen würden, denn nach diesen Ver-
hältniss wären aus 120 Litren nicht 24, sondern vielmehr 30 geworden, und das ^Ite
Talent^ hätte 30 Litren gehabt. Indem nun trotzdem Mommeea diese SteUe zu seiner
Combination benutzt, ist er gezwungen, sie für ungenau au erklären. Pollux hätte
sagen sollen: nipwe ^Qa/jing statt i4xrnQag dQaxfing. Aber noch an einem anderen
Punkte sieht M. sich genöthigt, eine üngenauigkeit anzunehmen. Numsus soll gleich
Litra sein. Während nun in der oben angeführten Stelle Aristoteles sagt, dass ein
nummüs gleich P/t Obolen sei, sagt er anderswo (Poll. IX, 80), die Litra Swm^^i
oßokhv 4iyirtnov. Ein äginäischer Obol beträgt 1,03 gr., drei halbe Obole. d. h. atti-
Zu Bttch y, Kap. 8, Seite 144. 445
scher Wührtiiig 1,09 gr., während man aus der weiteren arisioteliBchen Angabe (Poll.
IX, 81), dasB ein JixalitQüv ein korinthischer Stater, d. h. ein attitches Didrachmon
sei, sowie aus der diodorischen Stelle Über das Damareteion mit Recht geschlossen
hat, dass eine sicilische Litra nur 0,87 gr. betrug. Hiemach wäre in der aus Poll.
IX, 87 angeführten Stelle: ro fi^ptoi 2:ix€Juxov etc. der Fehler anzunehmen, dass der
nummus drei halbe Obole betragen habe, sowie in der anderen Stelle: ar«l ro »^o-
fitOfittTtov etc. der Fehler, dass die Zahl 4 statt 5 geaetet wäre. — Nach Mommsen
hat Hultsch die Sache untersucht: Jahn's Jahrb. 1862, 8. Heft, S. 661. Er nimmt mit
Mommsen an, dass von Anfang an nummus und litra gleichbedeutend waren, er nimmt
femer mit ihm an, dass Dionys den Werth der litra herabsetzte, und dass das «{»xaioy
jctkavTov bei Poll. IX, 87 das von Dionys herabgesetzte ist, aber er findet in der
Stelle IX, 79 keinen Fehler, während er den in IX, 87 zugiebt. Es handelt sich für
ihn daram, die zwei einander scheinbar widersprechenden Nachrichten: i) eine
Drachme galt 4 Drachmen und 2) 24 Litren treten an die Stelle von 120, von denen
die erste bei PoUux ausdrttcklich steht , die zweite aber aus PoUux durch Interpre-
tation entnommen wird, mit einander zu vereinigen. Das scheint ihm dadurch ge-
schehen zu kennen, dass er annimmt, es sei von Dionys durch eine einem Staat»-
bankerott gleichkommende Massregel die Geltung der Silberdrachme vervierfacht, die
der Silberlitra verfünffacht worden; es brauchten also in Zukunft für jedes Talent
alter Schuld, das 24 Drachmen oder 120 Litren entsprach, nur 6 Drachmen oder 24
Litren zurUckgezahli zu werden. Der Name Talent und die Eintheilung in 120 Litren
blieb, sodass nun eine .Mttnzlitra 5 Rechnungslitren, 1 Mttnzdrachme 20 Bechnungs-
litren entsprach. Diese Ansicht hat viel eigenthttmliches. Es fällt auf, dass nach
derselben nicht alle Münzen gleichmässig an Werth erhöht worden sind, sondern die
kleinen in anderem Verhältniss als die grossen. Bisher galt eine Drachme 5 Litren,
nun plötzlich nur 4. Wer also in seinem Vermögen mehr LitrenstUcke hatte, kam bei
dieser Wertherhöhnng der Münzen in entschiedenem Vortheil gegen den, welcher mehr
Drachmen hatte. Und wie stand es mit den Stücken, die zwischen Litra und Drachme
in der Mitte lagen? Galten sie hinfort das fünffache von früher, wie die Litra,- oder
nur das vierfache, wie die Drachme? Und wamm überhaupt diese ungleiche Verän-
derang des Bestehenden? So löst auch Hnltsch's Annahme die Schwierigkeit nicht.
Dieselbe ist indess, wie wir sahen, hauptsächlich nur dadurch entstanden, dass die
Stelle Poll. IX, 79 mit der anderen bei Poll. IX, 87 in Verbindung gebracht worden
ist. Wenn man indess die Stelle IX, 79 genauer ansieht, so findet man, dass sie
gar nicht den Sinn hat, welchen ihr Mommsen und Hultsch beilegen. Sie ist im Zu-
sammenhang mit dem Vorhergehenden zu verstehen. P. sagt : rov^ fiivtot Zv^axo^
alovg xttTTiT^Qip nor^ avi a^VQiov vofxloat ^lovvaiog xatriPayxttüfy * xal t6 voftiafiaTiou
rlxraQag ^Qn^fiag ^Arrixag ta^viv avtl fitäg. Die letzten Worte handeln gar nicht
von Silbermünzen wie man gemeint hat, und somit gar nicht vom Werthe von Talent,
Drachme, Litra u. s. w, sie handeln nach dem Vorhergehenden nur von Zinnmünzen,
und es wird gesagt, dass diese, im Werthe von 1 Drachme, doch 4 Drachmen gal-
ten; es wird nur der fictive Werth angegeben, welchen Dionys seinen Zinnmünzen
beilegte, von einer Herabsetzung des Talents u. s. w. ist gar nicht die Bede. Wir
haben also auch nicht nach den Mitteln zu suchen, Poll. IX, 79 mit IX, 87 zu ver-
einigen, da sie sich nicht widersprechen. Was bleibt nun für IX, 87 übrig? Dass
das alte sicilische Talent 24 nummi hatte, das spätere 12. Es veranlasst uns jetzt
nichts mehr dazu, das „alte'* so zu deuten, dass es ein nur wenige Jahre unter Dionys
Bestehendes gewesen sei (an sich schon eine bedenkliche Erklärang, da sie Aristo-
teles eine grosse Unkenntniss über das wirklich alte Talent zumuthet) ; es war wirk-
lich ein altes. So wird denn auch wegfällig, dass ursprünglich nummus gleich litra
in Sicilien war, wir können vielmehr aus der diodorischen Nachricht über das Dama-
446 Anhaog III. Belege und Erläuterungen.
reteion schliessen, daas der sicilische nummus «nfiings eine Drachme war, denn das
Talönt hatte damals 24 Drachmen und nach PoUux in alter Zeit 24 nummi. So war
in Tarent der Nummus ein Didrachmon. Dass die Litra im 3. Jahrh. v. Chr. noch
denselben Werth (auch als Rechnungsmttnze) hatte, wie im 5. Jahrh., sieht man dar-
aus, dass die hieronischen Münzen gerade so, wie die geionischen und das Damare-
teion, nach Massgabe einer Litra von 0,87 gr. eingetheilt waren. Sp&ter betrug dann
der nummus nach Arist. bei Poll. IX, 87 drei halbe Obole. So bleibt nur die Un-
genauigkeit des Aristoteles ttbrig, der bei Poll. IX, 79 und 80 Litra und äginSischen
Obol gleichsetzt. — Anleihen, davtiüdfievog naQa ttSv noXtiwv xifv^p^ar« Arist. Oecon.
II, 1349 B. Mündelgelder ebendas. So machte es auch Agathokles Diod. XX, 4. An-
leihen der Syrakusaner zur Zeit des athenischen Krieges Thuk. VII, 4S.
Besonders in Folge des Verfahrens des Dionys waren nach Plut Tim. 2 die
meisten Stüdte vno ßaQßaQüfr fdtyndtov xal fttQaiit^imv a/uia&iov besetzt. Folgende
Uebersicht zeigt, dass mit diesen Worten nicht zuviel gesagt ist. Selinus wird von
den Karthagern zerstOrt, Himera ebenfiills, 409 y. Chr., jenes ersteht nur schwach,
dieses gar nicht wieder. Thermae wechselt schnell seine Bewohner, denn von den
Puniern gegründet, hat es bald griechische Bevölkerung. Akragas hat seit der
Zerstörung 406 bis Timoleon ca. 340 nur geringe Bedeutung. Gela wird von den
Karthagern zerstört 405, Diod. XIII, 113, die Einwohner gehen nach Leontini; später
{397 V. Chr.) ist der Ort wieder bewohnt, Diod. XIV, 47, aber nur schwach, nach
Diod. XIV, 68; auch in Dion's Zeit kommt Gela vor, Diod. XVJK 9; erst durch Ti-
moleon wird es wieder bedeutend Plut. Tim. 35. Kamarina verliert seine Bewohner
im J. 405' Diod. XIII, 111. 113; hat bald wieder Einwohner, ist jedoch nur schwach
bevölkert, Diod. XIV, 47. 68 ; es wird erst durch Timoleon bedeutender Diod. XVI, 82.
Leontini von Dionys erobert Diod. XIV, 15 (s. auch XIII, 113 und XIV, 14), von
ihm an Söldner gegeben [s. oben S. 436) ; in dieser Beziehung ist von Bedeutung,
dass in Leontini Vasen mit oskischen Komödienfiguren gefunden worden sind, 0. Jahn,
Einleitung in die Beschreibung der Vasensammlung König Ludwig's. S. CCXXVIII.
L. kommt in Dion*s Geschichte vor. Timoleon schafft die Einwohner nach Syrakus
Diod. XVI, 82; unter Agathokles und spSter kommt L. wieder vor. Katane an
Kampaner 'gegeben Diod. XIV, 15; vgl. XIV, 66 und 68; auch spSter noeh jeden-
falls mit gemischter Bevölkerung, s. Holm, Das alte Catania, Lttb. 1873. 4. Naxos
wird zerstört. Tauromenion erhalten erst Sikeler, dann Söldner, dann Griechen,
s. oben S. 437. Messana wird von den Karthagern zerstört, dann von Dionys mit
Fremden hergestellt Diod. XIV, 78, 396 v. Chr. Dass alle diese Städte unter der
dionysischen Dynastie entweder nicht autonom waren oder ganz unbedeutend, ist somit
klar, woraus sich als natürlicher Schluss ergiebt, dass sie keine eigene MÜnzprSgung
hatten. Dieser Annahme widersprechen die Thatsachen nicht; sie bestätigen sie viel-
mehr. Ich glaube nicht, dass Silbermünzen jener Städte aus der beregten Zeit nach-
gewiesen werden können. Es tritt also mit dem J. 400 ein wichtiger Abschnitt in
der Geschichte des sicilischen Münzwesens ein. Bis dahin haben wir die mannigfal-
tigen Münzen der verschiedenen sicilischen Städte; nun münzt eine Zeitlang ununter-
brochen nur Syrakus. Dies Factum lässt sich auch aus dem schönen Friedländer-
Sallet'schen Berliner MUnzkatalog herauslesen, wo der vollkommene Stil in Sicilien,
durch wenige Münzen anderer Städte eingeleitet, fast nur von Syrakus vertreten
wird, bis zuletzt ein paar Münzen von Tauromenion, Gela, Messana kommen, die
jedenfalls nachdionysisch sind. — Ihre Namen haben die Dionyse nicht auf ihre
Münzen gesetzt. — Wie Dionys I. gegen hellenische Städte verfährt, so auch Lyvander,
z. B. gegen Sestos. — Es ist bemerkenswerth , dass im Mittelalter der Hohenstanfe
Friedrich IL, ein ebenso guter Politiker wie Dionys, ihm auch in der Verpflanzung
ganzer Einwohnerschaften ähnlich war. Er hat in Sicilien Augusta und Terranova
Zu Buch V, Kap. 6, S. 144—148. 447
gegründet, Centorbl, Oapizzi und Traina wüst gelegt. Vgl. Amari, Stör, dei Mnsulm.
di Sicilia III, 616.
S. 146. lieber die Münzen der Karthager in Sicilien vgl. Numismatique
de l'ancienne Afrique. Vol. U. Gopenh. 1861. 4, p. 74 — 84 (die folgenden Seiten be-
handeln die nach der Ansicht des Verf. in Afrika geschlagenen Münzen) und W. S.
W. Vanx, On the coins i'easonably presumed to be those of Carthage, Lond. 1863, 8,
der selbst sagt, dass seine Ansichten fast durchgängig dieselben sind mit denen der
Verf. der Numismatique. In beiden Werken werden übereinstimmend für in Sicilien
geprägt erklärt die Tetradrachmen, welche die Inschriften: 1) Kart-chadasat, *2) Ma-
chanat, 3} Ammachanat, 4) Scham machanat, 5} Mechasbim haben,' von denen die erste
offenbar Karthago bedeutet, die zweite bis vierte Festung bezeichnend, auf Panormos
als den Ort der Prägung geht, während No« 5 wahrscheinlich qnaestor bezeichnet.
Die Typen dieser Münzen sind: 1} Cereskopf. Bev. Palme hinter einem Pferd. 2) Vor-
dertheil eines Pferdes mit fliegender Nike darüber. Bev. Palme. 3) Ebenso ohne Nike.
4) Pferd mit Nike darüber. Bev. Palme. 5) Herakleskopf mit der Löwenhaut. Bev.
Pferdebüste mit Palme dahinter. 6) Weiblicher Kopf. Bev. Pferdebüste mit Palme.
7) Weiblicher Kopf mit eigenthümlicher Mütze. Bev. Schreitender Löwe mit Palme
dahinter. Inschrift 1 kommt vor auf Typ. 1. 2. Inschr. 1 und 2 auf Typ. 2. 3. 4.
Inschr. 3 auf Typ. 5. 6. Inschr. 4 auf Typ. 6. 7. Inschr. 5 auf Typ. 5. Sodann
kommen dieselben Typen bloss mit einzelnen Buchstaben statt der vollständigen In-
schriften, und endlich auch ohne alle Inschriften vor. Die einzelnen Buchstaben deuten
die Verf. der Numismatique theils als Abkürzungen der oben angeführten Worte,
theils als solche von Namen sieilischer Orte; Vaux sieht darin Magistratsnamen; an
Ortsnamen möchte auch ich nicht denken. Doch sind in Herakleia punische Münzen
geprägt, aber mit ganzer Inschrift: ms melkart, Tetradrachmen, in den Typen den
syrakusanischen ähnlich, abgeb. bei Ugdulena, Snlle monete punico-sicnle Tav.* I,
No. 18; vgl. den Friedländer -Sallet'schen £jitalog No. 631. Von den Münzen von
Thermae, die, obschon mit griechischer Inschrift, doch der karthagischen Herrschaft
anzugehören scheinen, ist oben S. 425 die Bede gewesen. Auffallend ist, dass Typus 7
auch in Leontini mit der Inschrift AEONTINON vorkommt, Totr. XXXIX, 1, ein
Exemplar bei Di Stefano in Gatania; der Bevers auch in Hyele mit der Inschrift
HEAHTSIN, Friedländer-Sallet No. 542. Wie ist das zu erklären? — In Betreff der
Münzen mit AJA kann ich hier nur die mir bekannten Typen angeben» eine ausführ-
liche Besprechung des Gegenstandes mit den Belegen auf einen anderen Ort verspa-
rend. I. Silber. 1] Jugendlicher Kopf. Bev. Menschenköpfiger Stier. 2) Jugend-
gendlicher Kopf. Bev. Protome eines menschenköpfigen Stieres. 3) Pallaskopf. Bev.
Schwan über Wellen. 4) Jugendlicher Kopf. Bev. Springendes Pferd. 5) Adler über
Hase. Bev. Delphin, Muschel. 6) Weiblicher Kopf. Bev. Quadriga. II. Bronze.
7) Weiblicher Kopf. Bev. Springendes Pferd, darüber Helioskopf. 8) Weiblicher
Kopf mit breiter Binde. Bev. Menschenköpfiger Stier, darüber Heiioskopf. 9) Sprin-
gendes Pferd. Bev. Protome eines menschenköpfigen Stieres. 10} Jugendlicher lor-
beerbekränzter Kopf. Bev. Pegasos. 11) Hahn. Bev. 6 Kugeln. Ueber die von Einigen
auf einzelnen dieser Münzen vorgezogene Lesart ZIZ kann ich hier nicht sprechen ;
vgl. Ugd. Tav. II, No. 6 und Friedländer-Sallet No. 632.
S. 146. Volksversammlungen in Syrakus unter Dionys Diod. XIV, 45. 64.
Arist. Oecon. II, 1349 B: ixxXriaiav noir;attg,
S. 147. Steinbruchgefängnisse Ael. Y. H. XII, 44. Plut. Dion 29. Cic Verr.
y . 55. Dass Mich. Angelo da Caravaggio auf die Aehnlichkeit der Grotte mit einem €re-
hörgang aufmerksam machte, sagt Mirabella in s. Beschreib, von Syrakus unter No. 131 .
S. 147. Dionys liess tödten fxvQlovs n ^«^ nkUovg Plut. de fort. AI. H, 5; vg\.
Grote VI, 42, n. 104.
448 Anhang III. Belöge und Erlinterungen.
8. 147. Gtoachiditett von der Grausamkeit des Dionys Plnt. Dion 9. Tra^
bant getödtet, Marsyas wegen eines Traumes getödtet Oic. Tuse. V» 20 ; einen schwats-
haften Barbier lässt er an's Kreuz schlagen Plut. de garr. 13 ; 8tfhne des Lokrers Ari-
steides getödtet Plut. Tim. 6. lieber Antiphon s. o., fXbex s. Verwandten s. n. —
Argwohn Plut. Dion 9; Cie. Tuse. V, 20: vom Scheeren und Brennen des Bartes
und von den Yorsiehtsmassregeln in seinem Palaste. Dionys stets gi^ansert: Diod.
■XIV, 2; versebopt den trunkenen, tödtet den nttchtemen Jüngiing Piut. Ap. r^.
[Hutt. VIII, 91). D. will sich ein Mittel angeben lassen, nachstellende Feinde her-
auszufinden Plut. Ap. reg.; Polyaen. V, 2, 3; Stob. IH, 42; ISsst tac fiovaovffyov^
xul Tffc irai^mg ausforschen und foltern Polyaen. V, 2, 12; List: Polyaen. Y, 2, 4;
List gegen Söldner Polyaen. Y, 2, U; sonstige Listen Polyaen. Y. 2, 14^16, wo In
Ubemerkenswerth ist, dass Dionys den Bttrgem auf Feldzügen erst 100 Stad. von
der Stadt Waffen gab; Spione: nQogayiuy^dcu Plut. Dion 28 [nvf xaXoufUyvg n^og-
aytoyi^ac) , it(Mgayufy(Zg Plut. de curios. 16. Ygl. die 7tOTay»y£^ig Ar. Pol. Y, 9, 3.
Ygl. Müller, Dor. 11, 154 Anm. GOttling, Gesamm. Abh. I, 365 und Über Hierons
ähnliches Yerfahren Bd. I,^ S. 420. Dionys veriieirathet die Frauen der Altbttrger
mit den Neubürgem Diod. XIY, 66.
S. 148. Behandlung von Yer wandten. Yerbannungen Diod. XY, 7; Plui.
Dion 11; Plut. 1. 1. und Nepos Dion 3 sagen , dass Philistos pnt nach dem Tode
Dionys' I. zurückkehrte, während Diodor Philistos und Leptines zusammen surttck-
kehren lässt; Leptines aber fällt nach Diod. XY, 17 bei Kronion. Die andere, ans
Plut. Tim. 15 hergenommene Schwierigkeit, welche Grote YI, 29, n. 71 vorzuliegen
scheint, kann ich nicht finden. D. lässt die Mutter seiner lokrischen Gattin tOdten,
welche beschuldigt wurde ftatufpagf^axevitv t^ *A^iatofi«xV[^i Plut. Dion 3. Bei Plut.
de fort. AI. II, 5 heisst es von ihm fit^ti^ tinonvi^ac und n^ous tov ad^hfov,
ähnlich Ael. Y. H. XIII, 45 , nur dass hier steht firit^Qa ^idq^igt ifa^fAdxotg, Es
wird seine Mutter mit seiner Schwiegermutter, der Lokrerin, verwechselt sein. D. will
seine Mutter nicht verheirathen, da er die Naturgesetze nicht zu überwinden vermOge ;
Plut. Ap. reg. Dionys, Polyxenos Plut. Dion 21.
S. 148. Dionys und Damokles Cic. Tuse. Y, 21; Philo ap. Euseb.praep. ev.
YIII, 14; Hör. Od. III, 1, 17; Pers. Sat. III, 40; Macrob. Somn. Scip. I, 10; Boetfa.
cons. ph. UI, 15; Sidon„ Apoll. III, 13. — Cheirisophos Schmeichler Dionys' des
älteren Ath. YI, 249.
S. 148. Die Geschichte von den zwei Freunden. Dämon und Phintias nach
Aristoxenos nt^l Ilv&ayo^ucov fiiov, welcher die Geschichte von Dionys in Korinth
gehört hatte, bei lambl. vit. Pyth. 233 und Porph. v. P. 59; hier wird es veran-
staltet, um die P3rthagoreer auf die Probe zu stellen. Kurz im Cod. Laur. LYI, 1 in
einer Aufzählung von ipiXttaiQoi fol. 15 v so erzählt: if^vrUtg xal ddfinv üvqqumov^
aiot nvS^yoQiioi- iv tov M^v xmtaxQi&^vrog vno ÖMvvaUv 6 MriQoc iviyywJ9aro
ano^avälv Itcv ixeZvoe fAfi $XSi^ r$ toQtOfiivri (fol. 16 r) flfi^t^y ^ ^h t^ ^^Q^ ^^vf
idtovg dmrticidfievog, iX&a>v tijg iyyvffs tov ifUov tjXeü&iQtif^i ' &avfiäfmg Si o rv^yvog
xuxttvov «tnlkvoi x«l tqItov iavrw ni/jotg <fUov awiiQi&firiaev, Femer Cio. de ofF.
m, 10, Tuse. Y, 22; Fin. II, 24; Diod. X, 4; Yal. Max. lY, 7 ; Pseudoquint. deel.
16; Lactant. inst. Y, 17, Moerus und Selinuntius nach Hygin. 257 (hieraus Schiller);
Euephenos und Eukritos nach Polyaen. Y, 2, 21, wo die Begebenheit folgender-
massen eingeleitet wird: Pythagoreer aus Parion (Kemer) in Mysi^, hindern die
Metapontiner, sich an Dionys anzuschliessen , daher der Zorn des Tyrannen. Er
bemächtigt sich des Euephenos , dieser bittet um Frist , inti itvixßotog d^tltpfj iaU
fiQi iv ITaQitfi etc. Ygl. E. Rohde, Die Quellen des Jamblichos in seiner Biogr.
des Pythagoras, Rh. M. N. F. XXYII, S. 56, n. 1 , der für das Fortleben der Ge-
schichte im Mittelalter auf die Gesta Romanorum c 108 verweist, wo die pytha*
Zu Buch V, Kap. 8, Seite 147—150. 449
goreischen Freunde zu zwei Räubern geworden sind. Auf orientalische Analogien
macht aufmerksam Mordtmann, in der Gartenlaube 1869, S. 151 ff. Die eine findet
sich in Meidani's Sprichwörtern der Araber; diese Geschichte ereignet sich unter
dem Könige Numan von Hira und der die Bürgschaft übernehmende ist ein Christ;
die andere ist aus einer arabischen Handschrift gezogen; sie ist dadurch merkwür-
dig, dass der Hinzurichtende nicht einen persönlichen Freund, sondern einen der
Richter zum Bürgen erwählt.
S. 149. Gottlose Streiche des Dionys Ath. XY, 693; Arist. Oec. II; Ael.
V. H. I, 20; Plut. Is. et Os. 71 ; Cic. N. D. III, 34; Val. Max. I, 1 aus Cicero, wo
Olympia im Peloponnes und £pidauros falsch sind. Nach Polyaen. V, 2, 19 lässt er
die ava^r^fxara des Asklepios verkaufen, dann wieder einziehen. In der Rede des
Theodoros bei Diod. XIV, 67 wird Dionys 6 in aatßf^tf ^myofjaafi^vog genannt.
S. 14Q. Verhältniss zu seinen Frauen Plut. Dion 3.
S. 150. Dionys will Dichter sein Diod. XV, 7, wo auch gesagt wird: rovg iv
TovTote ^o^av fxoftas fÄtmiiunaTo, Bekannt ist besonders Richelieu's Verhältniss zu
Corneille. Bei Richelieu sind Argwohn und Grausamkeit fast in demselben Masse
vorhanden gewesen wie bei Dionys, und auch an persönlichem Muthe hat es dem
französischen Minister ebenso wenig gefehlt, wie Dionys. R. hat, wenn er die katho-
lische Religion auch nicht verachtete, doch als Cardinal sich mit Protestanten gegen
den Kaiser verbündet ; endlich ist es sCin eigen thümliches Zusammentreffen, dass seine
berühmteste Waffenthat, sein eigentlichstes Kriegswerk, die Eroberung von La Ro-
chelle war, wie die glänzendste That des Dionys die von Motye, und dass auch bei
La Rochelle ein aufgeschütteter Damm das Mittel der Eroberung bildete. — Vgl. über
Dionys als Dichter femer Cic. Tusc. V, 22; Plut. Tim. 15; sowie Bemhardy, Griech.
Lit. II, 2, 58 ; Welcker, Die griechischen Tragödien S. 1229—1236 ; Meineke Anal. Alex,
p. 136 f., Ders. Com. Graec. I, 361 ff. — S. 150. Dionys und Philoxenos Diod. XV,
6; Plut. de fort. AI. II, 1; de 4;ranqu. 12; Ael. V. H. XII, 44; Cic. ad Att. IV, 6;
Athen. I, 6. 7; Suid. s. v. Schol. in Ar. Plut. 179 und 290. Luc. de merc. cond. 35;
adv. ind. 15; Schol. Theoer. id. 7. — S. 150. Dionys lässt den Tragiker Antiphon
tödten Ar. Rhet. II, 6; Plut. de Stoic. repugn. 37; Plut. de adul. 27; Philostr. vit.
Soph. I, 15, 3. Das beste Erz, hatte Antiphon gesagt, sei das, woraus die Statuen
von Harmodios und Aristogeiton gemacht seien. — S. 150. Dionys dichtet besonders
Tragödien Ael. V. H. XIII, 18; war nicht tpihyyiXm Ael. 1. 1.; kauft die Schreib-
tafel des Aischylos Luc. adv. ind. 15; de non aud. cai. 14; Cic. Tusc. V, 22; Plut.
de fort. AI. II, 5; Amm. Marc. XV, 5; kauft die Schreibtafel des Euripides Vita
Eurip. Havn. Neue Wörter des Dion3r8 Äthan, bei Ath. III, 98 ; Hellad. Epp. Socr.
35. Stücke des Dionys : ^Aßwvig Ath. IX, 401 ; Das Fragment von Haupt im Hermes
III, 141 hergestellt. "Alnfii^va Stob. Serm. XCVHI, vol. III p. 228 Mein. "Exrogog
XvTQa Tzetz. Chil. V, 178. Arj^a Stob. CV, vol. IV p. 18 M. S. Beruh. II, 2, 59,
der nach Mein, in Schol. II. XI, 515 auch ACvog als Titel findet, handschr. iv Xt/i^,
Der berühmte Vers: ^ yaQ Tvgawlg adtxlag fiiJTtig t[(f>v steht Stob. Flor. XLIX, vol.
n p. 285 Mein. Vgl. überhaupt Nauck, Trag. Gr. rell. p. 617. — Paiane Ath.
VI, 260.
S. 151. Der jüngere Dionys über seinen Vater Plut. Tim. 15. Geistreiche Worte
des älteren D. mehrfach gelegentlich aufbewahrt. Plut. Ap. reg.: nifog tov nv&o/nevov,
ei axoXd^ot, fxtjdinors if4ol tovto ^vfißa(ri. D. bevorzugt einen Schlechten, damit die
Syrakusaner Jemand anders mehr hassen als ihn. Plut. Sol. 20 : Gesetze des Staates
und Gesetze der Natur. Plut. de fort. AI. I, 9: toi;; iitv nalSag «otQttyaloig, rovg
<r ttv^Qag oQxoig f^anaräv. II, 1 : an ein Versprechen erinnert, sagt er: /^i; svtfQai-
vofievog vno aov nag ov ^dfg /(»övor, €V(pgava »ayto a€ ralg iXnlaiv — flüchtigen
Gennss mit flüchtigem Genuss vergeltend; II, 5; de audit. 7; sui laud. 10; Dion 5;
Uolm, G«8oh. SicilienB. U. 29
450 Anhang III Belege und Erlänteningen.
Galb. 1 : über die Tyrannen von Pherae. Zuletzt Sieg in Athen Diod. XV, 74 ; Taete.
Chil. V, 180. — EttbuioB verspottet den Tyrannen in einem Dionysios betitelten
Stücice Ath. VI, 260. Der komische Dichter Ephippos rechnete es unter die Qualen
/liovva(ov ^Qct/jai:* ixfiad-tiv Ath. XI, 482.
8. 152. Schriftsteller an seinem Hofe, lieber Philoxenos und Karkinos
8. unten. Aischines der Sokratiker L. D. II, ö3. — Aristippos. Vgl. bes. H. de Stein,
De philosophia Gyrenaica, Gott. 1655. S, p. 57 ff. Wenngleich die meisten Ge-
schichten von Aristipp in Syrakus sich auf seinen Aufenthalt daselbst zur Zeit des
jüngeren Dionys beziehen, so gehen doch deutlich auf seinen Aufenthalt daselbst zur
Zeit des älteren Schol. Luc. adv. Menipp. p. 20, 7 {na(}^y Jtowaii^ rtß nQtaßvxt);] und
Uegesand. ap. Ath. XII, 544 (Aristipp und Antiphon). Nach Galen. I, p. b ed. Kfihn
kam Arist. nach Syrakus in Folge eines Schiffbruches. Da nun nach Acro z. Uor.
£p. I, 17, 23 ff. Plato ^invenisset enm naufragum*', so wird auch der erste Aufenthalt
des Aristipp in Syrakus mit dem Phiton's gleichzeitig gesetzt — um 389 v. Chr. —
Xenarchos Suid. s. v. 'Pijyivovg.
S. 152. Theoporap und Eubulos über D. Ath. VI, 260. 261. D. itptlJdo twi-
XütnoövTttiVf onatf navatoptai oi ^LVQftxoatot rov ^unvuv xai ^(d-vcxiOB-a* fitr alirilwy
Plut. Ap. Reg. Nach demselben giebt er dem, der sich einen Acker kaufen will, alles
Geld zurück. Nach dems. schilt er seinen Sohn, dass er nicht verstehe mit dem Geide
sich Freunde zu erwerben. Hunger ist nach ihm der beste Koch Plut. Inst. Lac. 1.
Cic. Tusc. V, 34.
S. 153. Dionys und Plato n. Siehe Hermann, Geschichte der platonischen Phi-
losophie S. 63. 65. H. Th. Karsten, De Piatonis quae feruutur epistolis. Traj. nd
Bhen. 1864, p. 128. 133. K. Steinhart, Piaton's Leben, Lpz. 1873. b, mit der besonnenen
Beurtheilung von 0. Heine in N. Jahrb. 1873, Bd. 107, S. 321 ff. In Betreff der Glaub-
würdigkeit der Reisen Platon's nach Sioilien, hat man Folgendes zu bedenken. Sie sind
durch eine doppelte Ueberlieferung festgeatellt, einnuil durch die Biographen Platon's,
und sodann durch die Erzähler sicilischer Dinge. Die letzteren müssen jedenfalls als
unbefangenere Berichterstatter gelten, und von dem aus solchen Quellen von Plutarch
Ueberlieferten kann somit Gebrauch gemacht werden. Die Zeit von Platon's Aufenthalt
bei Dionys I. ergiebt sich aus Ep. VII, 324, wo gesagt wird, dass Piaton damals 40
Jahre alt war. Diese Angabe passt ziemlich gut, da PI. wahrscheinlich Ol. 87, 3 ge-
boren ist, da er ferner auf Aigina verkauft sein soll, und Aigina gerade Ol. 97, 4—
98, 2 mit Athen in Krieg war. Hermann setzt deshalb Platon's Aufenthalt in Syrakus
389 V. Chr. Ol. 97, 4. PI. ging nach Sicilien, nach Uegesandros bei Ath. XI, 507 rm
^vaniüv x^Q'^* ebenso nach Appul. de dogm. Plat. I, 4; L. D. III, 18; um einen Staat
nach seinem Sinne zu gründen nach Plut. phil. c. princ. 4, Themist. Or. 17, 215; nach
seinen Feinden aber des syrakusanischen Wohllebens wegen, Olymp, vit. Piat. Vgl. Diud.
XV, 7 ; L. D. III, 16; P4ut. Diou 45. Manche, wie Zeller in Pauly R. £. VI, 1686, Todt,
Dionys 26 und Karsten 134, nehmen an, dass Dion den Piaton nach Sioilien gesogen,
nach Nep. Dion 2 ; doch halte ich dies ftir eine Verwechselung mit der zweiten Reise ;
zur Zeit der ersten übte Dion schwerlich schon einen solchen Einfluss aus und war
auch wohl noch nicht so geistig entwickelt, dass er auf einen solchen Wunsch ver-
fallen wäre. Er wird erst durch Piaton in die Philosophie geführt sein. Grote VI.
32. 33 denkt sich die Sache so : PI. kommt nach Sicilien, um den Aetna zu studiren,
und auch nach Syrakus, wo er durch pythagoreische Empfehlungen Dion kennen lernt
der sich fttr ihn begeistert und ihn dem Dionys empfiehlt. — Xenophon, Sohn des
Gryllos, hält sich nach Ath. X, 427 bei Dionys auf. Wann?
S. 154. Venetische Pferderace durch Dionys verbreitet Str. V, 1,4. Sie war
schon vorher bekannt, und wird bereits von Alkman erwähnt.
S. 155. Dionys selbst Chirurg Ael. V. H. XI, 11.
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Zu Bach V, Kap. 8, Seite 152—156.
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452 Anhang III. Belege und Erläaterungen.
Neuntes Kapitel.
S. 156. Ueber des jüngeren Dionys und Dion's Geschichte vgl. J. Zenzes,
De Dionysio minore Syracusanorum tyranno, Berol. 1870. 8. Th. Lau, Das Leben
des Syrak&saners Dion, Prag 1860. 8, sowie die bereits oben citirte Schrift von
H. Th. Karsten, De Piatonis qvae feruntur epistolis. Traj. ad Rh. 1864. 8, endlich
ausser Grote auch Lachmann II, S. 288—310.
S. 157. Lebensweise des jüngeren Dionys. Worte seines Vaters Über ihn in
Betreff des ivög. iltv». yvvaiov und der Benutzung des Reichthumes zur Gewinnung
von Freunden Plut. Ap. reg. Dionys macht Hoizarbeiten Piut. Dion 9. Bei Geie-
* genheit einer Widmung ^Anoklioyog vlov kavrov avriyoQivaev Piut. de fort. Alex. II, 5.
Die quadrigae alborum equorum bei Llv. XXIV, 5 beziehen sich wohl auf den jün-
geren Dionys. — Dass bei seiner Thronbesteigung Dionys IL ca. 28 Jahre alt war,
beweist Zenzes p. 15: Heirath des Dionys 398 v. Chr., andererseits hat Dionys II.
im J. 356 einen Sohn Apollokrates, den er in der Burg zurücklässt. Nach lust XXI,
1 und Diod. XV, 74 war seine Herrschaft anfangs mild. Dionys tOdtet seine Brüder
lust. XXI, 1 ; Ael. V. H. VI, 12. Das ist, wie Br. de Pr. 275 mit Recht bemerkt,
jedenfalls übertrieben ; es könnte nur Hermokritos sein, der damals umgebracht wurde ;
die anderen kommen noch später vor. — Ueber die Macht Dionys' 11. Ael. V. H. VI, 12;
Nep. Dion 5; Diod. XVI, 9; Plut. Dion 14. — Fortsetzung der Politik seines Vaters
im Osten durch Dionys II: Xen. Hell. VII, 4, 12, wonach Diopys für die Spartaner,
welche damals Dion das Bürgerrecht gaben, gegen die Thebaner im J. 366 eintrat;
Diod. XVI, 5 : xatic (f^ t^v 'JnovXCav (Füo itiiXug UtiOi, ein von Grote VI, 54 bezweifeltes
Factum. Vgl. jedoch Zenzes p. 18; diese Städte werden auch bei Diod. XVI, 10 als
xara top ^A^qCuv befindlich erwähnt. Die Existenz dieser Kolonien ist so wenig in
den Besitz der Geschichte Übergegangen, dass Mommsen, Unterital. Dialekte S. 93
sich dahin äussert, es würden keine griechischen Kolonien an der apulischen Küste
erwähnt. Vielleicht waren die zwei Städte Arpi und Salapiae, welche den l'ypus
des springenden Pferdes auf ihren Münzen haben. S. Sambon, Recherches p. 196,
n. 1. 2. 6, p. 197, n. 16. 21 und p. 216, n. 1. 2. 5, p. 217, n. 8. Vielleicht nahm
Dionys besonders kampanische Söldner zu Kolonisten in diesen beiden Städten, so
würden sich jene Typen erklären. Eine SilbermUnze von Arpi (Sambon pl. XV, n. 5)
erinnert mit Demeterkopf im Avers, spr. Pferd mit Stern im Rev. sehr an sicilische
Münzen. Allerdings liegt von diesen Städten nur Salapia an der Küste, Arpi mehr
im Innern ; aber das kann kein Hinderniss für unsere Annahme abgeben, da die syn-
.kusanische Herrschaft auch hier sich sehr wohl in's Innere erstrecken konnte. Uebri-
gens sollen Elpiae und Salapiae bereits Kolonien von Kos und Rhodos gewesen sein :
Müller, Dor. I, 112.
S. 157. In Betreff des Krieges mit Karthago sucht Zenzes 15 n. 6 zu beweisen,
dass er nicht sogleich durch einen Friedensschluss beendigt worden ist, wie man nach
Diod. XVI, 6 annehmen müsste ; der nach Plut. Dion 14 noch bestehende Krieg mit
den Karthagern und der bei Plut. Dion 16 erwähnte (noX^/uov ttvoe iuneaoyras) schei-
nen ihm Fortsetzungen des noch von Dionys I. begonnenen Krieges zu sein, der erst
364 V. Chr. beendigt wurde.
S. 158. Trinkgelage des Dionys. Arist. in Syrac. pol. (M II, 172) ap.Ath. X, 435;
Plut. Dion 7 ; Ael. V. H. II, 41 : Die ganze Familie trunkliebend ; Nachricht über die
Gelage, in denen der berühmte Philosoph Xenokrates (rj riSv XoiSv ioQTy) siegte, und
über die verschiedenen Kränze, die er erhielt, und die er t^ '^Qf^v ^^ ^9^ ^^"^ &vgw'
ioTtoTi aufsetzte; Ath. X, 437 ; L. D. IV, 8; Sat. (fr. 2 M III, 160) ap. Ath. XH, 541.
Ob Duris fr. 31 (M II, 477) ap. Ath. XII, 535 : /fiovvatos ^varCSa xn\ xQvaovv ar^ror
Zu Buch V, Kap. 9, Seite 156--161. 453
inl TiiQovTf fiftiXdfißttve jQttyixov auf Dionys IL geht? S. auch unten bei Kap. 10
am Ende der Note über Dionysios und Dionysos.
S. 158. Dions Herkunft Dlod. XVI, 6; Plut. Dion 3; nach Nep. 10 wäre er
Im J. 408 geboren. Sendungen Dion's, besonders ngog Kagx^6ov(ovg Plut D. ö. Dion's
Einfluss bei Dionys Plut. D. 6. 7. Nach Jamblich. vit. Pyth. 199 hat Dion dem Piaton
mit Aufwand von 100 Minen ein vom Pythagoreer Philolaos verfasstes Werk ver-
schafft, vgl. L. D. VIII, 1, 15; etwas anders zwei Notizen bei L. D. VIII, 7. Bei
Plat. Ep. VII, 347 wird das Vermögen Dion's auf 100 Talente geschätzt. Das Rai-
sonnement bei Plut. D. 10 ist vollkommen der Sachlage entsprechend«
S. 159. Pia ton geht nach Syrakus auf Dion's Veranlassung: Plut. D. 10. Er
kam bald nach dem Regierungsantritt des jüngeren Dionys Nep. D. 3; Plut. D. 11;
vgl. Plat. Ep. VII, 327. Nach dems. VII, 329 wäre Dion 4 Monate nach Platon's
Ankunft in Syrakus von Dionys aus Sicilien entfernt worden. In Betreff der Zelt
seiner RUckkehr nach Griechenland macht schon Plass n, 244, 1 darauf aufmerksam,
dass sie durchaus nicht feststeht. Nach Corsini, Symb. litt. p. 112 wäre Plat. 367
— 65 in Sicilien gewesen. Das beruht auf der Annahme, der zu Anfang Plat. Ep. II
erwähnte Besuch Platon's in Olympia habe nach diesem Aufenthalte in Sicilien statt-
gefunden. Aber Karsten hat p. 19 und 129 nachgewiesen, dass diese Anwesenheit in
Olympia dieselbe ist , wie die in Ep. VII, 350 erwähnte , die in das Jahr 360 fällt.
Somit lässt sich hieraus nichts über die Dauer des zweiten Aufenthaltes Platon's in
Sicilien schliessen. — Aufzug beim Empfang Platon's Plut. D. 13; Nep. D. 2; Plin.
VU, 30 (hier fälschlich Dionys I. zugeschrieben); Sol. 32, 6: Ael. V. H. IV, 18. -
Grote VI, 49 vergleicht in Betreff des Einflusses, den Piaton auf Dion ausübte, den-
jenigen , welchen der Philosoph Sphairos ein Jahrhundert später auf die spartanischen
Könige Agis und Kleomenes hatte. — In Betreff des Zustandes, in welchem der Ge-
setzgeber einer Stadt dieselbe finden muss, damit ihm seine Aufgabe erleichtert werde,
vgl. Plat. Legg. IV, 709. 710: <P4qe rfi}, vofio^^ja, tC aoi xal nw^ noXiv f^^voav dt^fisv,^
Sar ix Ttop lointov avTog ripf vroliv IxavtS^ diotxrjaai; — Tvgavvov/u^ijv ftoi <foT€ r^
nohVf (fi^att ' TVQavvoe cT Harof v^s xcrl fiviijutov xal eiffiad^rfg xal avd^eiof xal fjLeyU'
kon^fnrjs (fvafi. «^»"/»ff» Tipo^t^fC» ^^ xat äXXo, äXia t6 ysvia&ai ri in ttvrov
vof4,o9ärtfv tt^iov intt(vov xaC tiva Tvjpiv ih raifTOP ayayitv avrto, — ix rvQovvCdog
aQlatipf ff'Tjs yiviad-ai noXtv av, tag (paivei, fjierd vofio&irov yi axgov xal tvquvvov
xoOfiioVf xal ^^tfjtt TC xal raxi^or av fiernßaXetv (ig tovto ix tov rotovrov. Das passt
einigermassen auf Syrakus unter Dionys II. > d. h. auf die Situation völlig, und was
den Charakter des Tyrannen anbetrifft, so war es wenigstens erlaubt, Hoffnungen zu
hegen. Ich freue mich, in der Würdigung dieser Stolle mit 0. Heine, N. Jahrb. 1873,
S. 328 übereinzustimmen. Vorliebe für die Geometrie am syrakusanischen Hofe dnrch
Piaton eingeführt Plut. de adul. et am. 10. Nach dems. c. 10 fin. behandelte Piaton
den Dionys nicht nachsichtiger als andere Schüler.
S. 161. Entfernung Dion's Diod. XVI, 6, wonach Dion, als er von der
Absicht des Dionys ihn zu tödten, hört, to /nh ngeSrov ixQv<fi&fj TiaQa t^ai rmv ifiXtov,
^era dt ravia ftpvyev ix rijg ZixiX(ag elg JleXonovvrjoov, Anders Plut. D. 14 nach
Timaios, wo ihn Dionys €v&vg, wg elx^ , sig axauov setzt, was der Darstellung in
Plat. Ep. VII, 329 entspricht, wonach er ihn a/nucQov eig nXoZov ifAßtßdaag, iS^ßaXtr
ajlfjL(og\ nach Nep. D. 4 navem ei triremem dedit, qua Corinthum deveheretur. Nach
Plut. D. 17, Val. Max. IV. 1 hat sich Dion auch in Megara aufgehalten; Diod. XVI,
6 erzählt sogleich sein Bestreben, gegen Dionys Krieg anzustiften. Dass Dion schon
366 in Hellas war, ergiebt sich aus Plut. D. J7: xaintg avtoTg totc ngo&vfjitog inl
rovg Sr^ßalovg avfxfiaxovvrog (nämlich Dionys), also ist Diodor's Angabe, XVI, 6, der
Dion's Entfernung aus Syrakus erst Ol. 105, 3—358 v. Chr. berichtet, falsch. Diodor
hat, wie so oft, sich Thatsachen für ein bequemes Jahr aufgespart.
454 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
S. 162. Grund der Entlassung Platon's nach Plut. D. 16: iv rovrqt if^ no-
kifiov iivog ifiTnaovTog «non^fin^i rov Ularmva. Hiertfber äussert sich 0. Heine,
N. Jahrb. 107 , S. 329 , indem er bei der Benutzung solcher Nachrichten nur eine
„nicht ganz unmögliche Dichtung" herauskommen sieht: ,,nian weiss weder, welcher
Krieg gemeint ist, noch sieht man, von welchem Einfluss ein Krieg auf dies persön*
liehe Verhältniss sein konnte." Von diesen Einwürfen wäre der zweite von Bedeu-
tung, wenn sich nicht klar machen Hesse, dass ein Krieg allerdings von Einfluss auf
jene Verhältnisse sein mtisste. Man erwäge Folgendes. Dion war bereits entfernt,
und Dionys- konnte Piaton nur dadurch zurückhalten, dass er mit ihm umging und so
in ihm die Hoffnung erweckte, etwas für Dion und die gute Sache thun zu kOnnen.
Wenn nun ein Krieg ausbrach, so musste Dionys offenbar Syrakus verlassen, und im
Felde hätte er, wenn er auch Piaton mit sich genommen hätte, doch nicht viel mit
ihm verkehren können; ihn aber in Syrakus zurückzulassen, ging auch nicht an, da
Piaton selbst nicht wünschen konnte, allein und ohne Zweck dort zu bleiben. So
war es selbstverständlich, dass Piaton unter diesen Umständen gehen durfte, wohin
er wollte. So zeigt die Prüfung einzelner durch Plutarch überlieferter Angaben, dass
seine Nachrichten über die Zeit Dionys' II. nicht unwahrscheinlich sind, und wir sind
um so mehr berechtigt, uns ihm, dem aus anderen Gründen gewählten Führer, anzu-
schliessen.
S. 162. Die Zeit der dritten Reise Platon's ist ebenfalls nur ungefähr zu
bestimmen. Corslni setzt sie 361. 360; vgl. Plass II, 246, 2. Er war zurück beiden
olympischen Spielen Ol. 105 — 360 v.Chr., wo er mit Dion zusammentraf. Ferner
erzählt Plut. Dion 19, dass, als Piaton nach Syrakus gekommen war, Helikon eine
Sonnenfinsterniss vorhersagte, die bald darauf eintrat. Diese fand statt Ol. 104, 3—
361 V. Chr. am 12. Mai um 4 Uhr Nachmittags s. Zenzes p. 29 nach Barth61^my. ~
Ueber die dritte Reise Plut. Dion 17—21; L. D. III, 1, 16; Nep. Dion 3. 4. Diodor
hat beide Reisen nicht. — Piaton wird das letzte Mal von Dionys entfernt, nach
Plut. Dion 19 wegen Platon's Anhänglichkeit an Dion; nach Plat. £p. VII, 348—350
in Folge eines Aufstandes, dessen Herakleides beschuldigt wurde, der in's karthagische
Gebiet und von da nach Korinth floh; daher Streit zwischen Piaton, Theodotes und
Eurybios einerseits und Dionys andererseits. Nach Diod. XVI, 6 ist Herakleides da-
gegen mit Dion fortgegangen. — Das Wort Platon's beim Abschied an Dionys Plut.
D. 20 von L. D. III, 21 auf den älteren Dionys bezogen. — S. 163. Scheidung der
Arete'vou Dion Plut. D. 21 ; Nep. D. 4. — S. 164. Dion unterstützt Piaton in Athen
Plut. D. 17; Ath. XI, 508. Nach Onetor hat Dionys dem Piaton 80 Talente geschenkt
L. D. ra, 9.
S. 164. Nach Plat. £p. VII, 350 hat Piaton den Dion nicht zum Kriege an-
getrieben; nach Cic. Cr. III, 34 ad liberandam patriam impulit, instruzit, armavit;
nach Ael. V. H. III, 17: ^Utova xitrriyayev eig ZixfUar. Man war also im Altertfaum
der Meinung, dass Piaton Dion angetrieben habe, und der Verf. der Plat. Briefe
sucht Piaton dagegen zu vertheidigen. Dass die Akademie antrieb, ist dagegen klar:
Curtius G. G. III, 544. — Nach Diod. XVI, 6 hat Dion auch die Korinther ersucht
aw^Tiikttßia&ttt Trjg fXsv&fQittg tuiv ZvQaxoaitov, über den Erfolg seiner Bitten ist nichts
gesagt. — Die Stimmung Dion's schildert Ar. Pol. V, 8, 17. — Dem Demosthenes
erschien Dion's Versuch hoflnungslos : adv. Lept. 179. — S. 165. Mondfinstemiss 9. Ang.
357, Zenzes 30, — Ueber die Schiffe Dion's Plut. D. 25 ; Diod. XVI, 6 ; Nep. D. 5 ; nach
Dem. Lept. 162 ein nloiov argoyyvXov, ebenso Synes. ad Paeon. 108. — Bei Plut
D. 24 ist nach naai wohl sogleich zu lesen: idiq di ngos avrov. — Genossen Dion's
nach Plut. D. 22:25, nach Diod. XVI, 10:30. Soldaten nach Plut. D. 22:800,
nach Diod. XVI, 9: 1000, nach Ael. V. H. IV, 8 : 2000; nach Ar. Rhet. ad AI.
9 : 3000. ^ S. 166. Name des Befehlshabers von Minoa noQaXos bei Diod. XVI, 9;
Zu Buch V, Kap. \) u. 10 Seite 162—170. 455
Jfi/vceXof bei Plut. D. 26. — S. 168. Die Ma^naioi bei Diod. XVI, 0, die Dindorf
jetzt schon ganz fortlässt, sind offenbar nur aus den KafjttQii^atoi durch Irrthum der
Abschreiber wiederholt. S. Bd. I, 365. Schubring, Histor.-geogr. Studien über Alt-
sicilien im Rh. Mus. N. F. XXVllI, S. 13o zieht es vor, zu emendiren und will
Kaijfufvtttoi lesen. — Nach Diod. XVI, 9 lässt DIon sich 5000 Rüstungen nachfah-
ren, die nach Plut. D. 29 später in Syrakus ankommen' als nach Diod. XVI, 10. Nach
Plut. D. 27 hat Dion 5000 Bewaffnete, als er vor Syrakus ankommt; nach Diod. XVI,
1) hat D. vor Syrakus bald 20,000 Bewaffnete, und nach XVI, 10 beim Einzug in die
Stadt 50,000. — S. 167. Die Geschichte nHt dem Boten Plut. D. 26. Dass der Bote
eine Strecke zu Lande zurücklegt, motivirt sich durch die Ungewissheit Über den
augenblicklichen Aufenthaltsort des Dionys. ^ Bei Plut. D. 27 wird das handschr.
MttXQas in "^AnQag emendirt. — S. 168. Bei Plut. D. 29 steht xaTu ras MinUdnq
TTiUftff, wo man mit Recht emendirt: Tifuvttidag. Bei Plin. III, 89 kommt die Quelle
Temenites vor, s. Bd. I, S. 341. — Wenn Plut. D. 29 sagt, dass Dion m'i^h J^n riii
\4xQ«^iy^St und dann zum Volke von der Sonnenuhr herab sprach, so ist dies nicht
genau ausgedrückt, denn die Sonnenuhr stand im unteren Theile der Achradina.
Lachmann S. 300 nimmt an, dass Plutarch vernruthet habe, die Akropolis müsse höher
gelegen haben als die übrige Stadt, weil eben eine Akropolis gewöhnlich höher liegt;
und es ist in der That ein solcher Irrthum nicht unwahrscheinlich. — lieber rar ntr-
ränvl« Bd. I, 389. Sie sind wohl nicht identisch mit den ßaaiXkfi xaXovfjiivaig nvXais
bei Diod. XV, 74 , die ich vielmehr als ein inneres Burgthor betrachte. S. meinen
Plan. — S. 108. lieber die militärischen Massregeln Dion's zum Schutze der Stadt
und zum Angriff auf die Burg spricht Schubring, Achradina 45. — lieber die List
des Dionys Diod. XVI, 12; Plut. D. 30; Polyaen. V, 2, 7; lust. XXI, 2. — S. 169.
Die Ortsbeschreibung der Schlacht ist bei Diod. XVI, 12 offenbar verdorben. Vgl.
Schubring, Achrad. 45. — 800 Söldner des l^rannen sind im Kämpfte gefuHen, nach
Dtod. XVI, 13.
Zehnten Kapitel.
S. 170. KttQxivos (Welcker XtiQjcTvog). Der Name bedeutet Krebs, das Münz-
Symbol von Akragas, woher die Familie des Dichters stammt. Vgl. über diese Dich-
terfamilie Welcker, Griech. Trag. p. 1016 ff., Meineke, Com. Gr. I, Exe. 1; Beruh.
II, 2, 54. Den älteren K. verspottet Ar. Pax 787. lieber Xenokles Ar. Ran. 96; Thesm.
175. Er war JtoJfxafAtixavog nach Plat. ap. Schol. Pac. 792, siegt mit einer Tetralo-
gie Ael. V. H. II, 8; seine Dichtung erkennbar nur in der Parodie Ar. Nub. 1266 ff.
lieber den jüngeren Karkinos Suidas; Plut. de glor. Ath. 7, wo seine Aerope citirt
wird. „Eine Reihe von Fragmenten (neun Titel werden citirt Welcker p. 1062—67)
zeigt, dass er einen glatten, fliessendon Stil (s. die längste Stelle Diod. V, 5) schrieb»
löit einer Neigung fllr Sentenzen; sie klingen aber matt" Bemh. 1. 1. Die 16 Verse
bei Diod. V, 5 behandeln die Beziehungen der Demeter und Persephone zu Sicilien.
K. war nach Diodor oft in Syrakus anwesend.
S. 170. Nach Suid. S. v. jiiovvaiog — ■ viog rov StxiUag rvQ«pvov »nl aiftog
TVQavvog xal (fiXoaoffog iniaroXag xa\ ne^l reav noirjfiattov 'B?ri/«(>/MOv. Eudok. Viol.
p. 136 TVQavvog <ftX6ao<fog. — Nach Plat. Ep. VII, 341. varfQov Ji xal axovia yeyQa-
tfdvai avTov ntQk iv tot« i^xovat ist mit 0. Heine, N. Jahrb. 1873, Bd. 107, S, 328
anzunehmen, dass es unechte, unter Dionys' II. Namen verfasste philosophische
Schriften gab. — Von der nicht löblichen Thätigkeit des Mimendichters Xenarchos,
des Sohnes des berühmten Sophron, ist oben bei Rhegion die Rede gewesen, vgl.
Bemh. II, 2, 469.
456 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
S. 170. 4*1 ko^ivoe. üeber ihn Suid. h. v., Eudokia; Hesych. s. v. Jovlt^ra,
Er war in Sicilien bei Dionys Paus. I, 2, 3; Ath. I, 6; Diod. XV, 6; in den Lato-
mien Luc. de merc. cond. 35 : Suid. s. v. flg XatofiCag und anayi /*€ ilg tag laro-
fUas und ^Pilo^ivov yQafdfiaTiov \ Diogen. VIII, 54; Prov. Vat. IV, 37; Apostol. XIX,
26 ; Vn, 70 : er schrieb nur O, d. h. ov, auf die Bitte des Dionys, zu kommen. Ur-
sache der Ungnade nach Ath. 1. 1. und Schol. Ar. Plut. 170 und 290 das Verhältniss
des Dichters zur Geliebten des Tyrannen Galateia. Er giebt seinen xlfjQog in Sicilien
auf: Plut. de vit. aer. al. S (Hutt. XII), den er natürlich der Freigebigkeit des Dionys
verdankte. Schriften : KvxXioxfj { raXärsia, worauf Ar. Plut. 790 anspielt, also schon
Ol. 97, 4 bekannt; vgl. Schol. Ar. 1. 1.; Ael. V. H. XII, 44; Ath. I. 6. 7; Scbol.
Theoer. XI, 1; VI, 7. Eine Reconstruction des Ganges des Gedichtes versucht 0.
Ribbeck, Die Idyllen des Theocrit , Preuss. Jahrb. Juli 1873, S. 73. 74. Wenn ich
S. 152 und 170 den Entstehungsort des Gedichtes nach dar Sage (Ael. 1. 1.) bezeich-
net habe , so liegt darin natürlich nicht eine Billigung derselben , mit der ja auch
Diod. XV, 6 nur dann stimmt, wenn hier die weitere Nachricht fehlt, dass er später
doch auf längere Zeit in die Latomien kam. — ^ieinvov Ath. XI, 476. 487 ; XIV, 643
und sonst. — Ktofiaatijg Suid. s. v. ^AvtiyivCdrig. — Mvaoi Ar. Pol. VIII, 7, 9. —
Vgl. über Philozenos L. A. Bepglein. De Philoxeno, Gott. 1843. 8. W. Klingender, De
Phlloxeno, Marb. 1845. 8. Ausgabe des Philoxenos, Timotheos, Telestes, von G. Bip-
part, Lips. 1843. 8. — Parasiten desselben Namens bei Ath. I, 5. 6; VI, 239. 241
u. sonst. Suid. Ar. Ban. 934 u. sonst. S. den Art. Philoxenos in Pauly's R. £.
S. 172. Archestratos von Gela. Titel seines Werkes ^HSvn^&eia , andere
Ausdrücke» wie demvoloyta, yaar^ovoftCa u. a., bezeichnen nur mit charakteristischem
Ausdruck den Inhalt. Von Ennins in s. Hedyphagetica stark benutzt, s. Enn. ed.
Vahlen p. 166 ff., p. XCI. Sammlung der Bruchstücke bei Schneider in s. Ausgabe
der Hist. anlm. des Aristoteles, Lips. 1811. 8, p. 42 ff., vgl. LIII — ^LXXV, von Busse-
maker in den Didot'schen Poetae bucolici, Par. 1851, p. 77—86; W. Ribbeck im Rk.
Mus. 11, 200-~225; Bemhardy II, 2, 484. Bemh. giebt sich grosse Mühe Arch. zu
vertheldigen, dem er es zum Ruhme anrechnet, dass er gegen die ,,falsche Künstelei
der Syrakusaner und Italioten'' eifert. Das kommt aber darauf hinaus, dass er findet
(Ath. Vn, 311), diese verstünden gute Fische nicht zuzubereiten, sondern verdürben
sie mit Essig und Silphion, wodurch denn freilich nicht gerade bewiesen wird, waa
Bemh. beweisen möchte, dass Arch. kein „Vergnügung" war. — Vgl. auch den Art.
in Pauly's R. E. und von Sicilianem : I Frammenti. della gastronomia raccolti e vol-
garizzati da Dom. Scina, Pal. 1823. 8. A. Di Giacomo, Sopra un frammento di Ar-
chestrato, im Giom. di scienze iett. edarti per la Sioilia, Pal. 1825, T. XI, p.^230. —
C härm OS aus Syrakus recitirte nach Ath. I, 4 bei Tafel Verse auf die Speisen und
war in Messana sehr beliebt. Aehnlich Pamphilos der Sicilier Ath. I, 4. — Auch
ein &avfiatonoi6g bei Alexander war aus Syrakus: Philistides, nach Ath. I, 20;
XII, 538. — Polyxenos der Sophist (Plut. Ap. reg.) bei dem jüngeren Dionys. —
Die Beliebtheit Platon's in Sicilien beweist der Umstand, dass sein Schüler Her-
modoros mit den Schriften seines Meisters einen förmlichen Handel trieb, namentlich
nach Sicilien, Zenob. V, 6.
S. 172. Von Philosophen hielteii sich ausser Piaton bei Dionys ü. auf:
Aischines der Sokratiker L. D. II, 63. Er ging J» anoglav dahin L. D. 61 ; III, 36;
war vertraut mit Aristippos L. D. II, 82, mit Piaton, Plut. de adul. et am. 39, wonach
ihn Piaton dem Dionys empfahl. Aristippos s. Plut. Dion 19, L. D. 11, 77. 80,
s. auch unten. Vgl. Bern. Serio, Intorno air Influenza della filosofia di Aristippo sui
costumi dei Siciliani in den Effemeridi scientif. e letter. p. la Sicilia 1833 und 1834,
wo jedoch dem Aristipp zugeschrieben wird, was in der Zeit und in der Verfassung
von Syrakus lag. Eudoxos, der berühmte Astronom, kam nach Syrakus zu Dionys,
Zu Buch V, Kap. 10, Seite 170—173. 457
vielleicht zu D. 11., aber nur Platon's wegen: Ael. V. H. VII, 17. Sein Lehrer in der
Medicin war der Syrakusaner Philistion, L. D. VIII, 86 nach Kallimachos. Schüler
des Eudoxos war der oben erwähnte Helikon von Kyzikos, Fiat. £p. XIII, 360. —
Eine zusammenhängende Darstellung des literarischen Treibens am dionysischen
Hofe habe ich deshalb nirgends gegeben, weil diese Tyrannen die Förderung von
Literatur und Wissenschaft nie ernstlich im Auge hatten. Es kamen aus verschie-
denen Grttnden tüchtige Leute nach Syrakus; aber der syrakusanische Hof erhielt
durch sie nicht einen besonderen Charakter , wie ihn der hieronische erhalten hatte.
Piaton, Aristipp, Aischines, Eudoxos, Philoxenos haben keine ihrer geistigen Bedeu-
tung entsprechende Stellung bei Dionys I. und IL eingenommen. — In dieselbe Zeit
fallen noch 4 berühmte Sicilianer, die auswärts lebten : der Arzt Henekrates, berühmt
durch seinen Hochmuth (er nannte sich Zeus) , der in seinem Auftreten seinen Lands-
mann Empedokles copirte, Ath. VII, 289: der Kyniker Moni mos, Sklave in Ko-
rinth, zur Zeit da Diogenes dort lebte (L. D. VI, 3], beide aus Syrakus; Timagoras
von Gela und Simias von Syrakus, die sich als Schüler des Stllpon der megarisohen
Schule anschlössen, L. D. II, 12, 2. 3. Die megarische Schule musste für Sicilianer,
bei denen die Traditionen eines Gorgias lebten , viel anziehendes haben , vielleicht
gehören auch Euklid und Stilpon direct oder indirect Sicilien an. Aeltere sicilische
Philosophen waren ausser den bekannten gewesen : Empedotimos (Suid. h. v.); Petron
von Himera, schon von Hippys erwähnt (Plut. de def. or.) ; Ekphantos von Syrakus
(Stob. Ecl. I, 16); Hiketas von Syrakus, der zuerst die Axendrehung der Erde be-
hauptet hat (Gic. Ac. pr. 2, 39 nach Theophrast). Vgl. V. Di Giovanni, Storia della
filosofia in Sicilia. Pal. 1873. vol. I.
S. 173. Ueber den Widder handeln Heydemann, Der Bronzewidder im Museum
zu Palermo, Archäol. Ztg. 1870, nebst Abbild, nach einer Photographie; Lewis, On
a bronze ram now in the museum at Palermo, Journal of Philology, vol. IV; Ant.
Salinas, Relazione del Real Museo di Palermo, Pal. 1873. 4, p. 41. 42, sowie auch
D. 78, wo man das Historische kurz zusammengestellt findet.
S. 173. Ueber die sicilischen Stempelschneider ist jetzt zu vergleichen
A. von Sallet, Die Künstlerinschriften auf griechischen Münzen, Berl. 1871. 8, spea
S. 47 — 50. Wir kennen die Namen folgender Künstler, die Stempel für sicilische
Münzen geschnitten haben. Kimon. S. Sallet S. 29. Er ist besonders durch seine
schönen Dekadrachmen auf die Nachwelt gekommen, hat aber auch syrakusanische
Tetradrachmen gearbeitet. Der Typus der kimouischen Dekadrachmen ist der mit
dem Netze. — Euainetos Sallet S. 17. Ebenfalls Dekadrachmen und syrakusanische
Tetradrachmen, er hat aber auch katanäische Tetradrachmen und Drachmen gemacht ;
s. hierüber Ad. Holm, Das alte Catania, Lüb. 1873. 4, S. 42. 43, und endlich auch
für Kamarina gearbeitet; s. Sallet's Ztsohr. für Numismatik I, 289. Das EYAl auf
kamarin&ischen Didrachmen ist von Salinas nach schwachen Spuren EYUi: (Examen
etc. pl. XV, 7), von Leake, Numism. Hell. p. 53 EYM (rivog) gelesen. Der Kopf-
schmuck auf seinen Dekadrachmen besteht aus Kornblättem , wie nachgewiesen hat*
Salinas, Del tipo delle teste muliebri nelle monete di Siracusa, in Bull. d. comm.
No. 6, Pal. 1873, p. 21 ff. — Von folgenden Künstlern haben wir syrakusanische
Tetradraohmen. Eumenos. Sallet 22 nebst Salinas, Examen de quelques contrefa^ons
antiques des t^tradrachmes de Syracnse. Rev. Num. 1864 mit pl. XV. Köpfe mit Netz
oder Aehren, Salinas, Del tipo etc. p. 22. — Eukleidas, Sali. 21. Weiblicher Kopf mit-
Helm en face, auch Kopf mit Netz, Salinas, 1. 1. — EYS, wahrscheinlich Euthymos,
Sali. 21. — Phrygillos, Sali. 38. Kopf mit Aehren. — Sosion — so Salinas, Examen
p. 7, nach einem Northwick'schen Exemplar — oder Soson — so Sali. 3() nach einem
Münchner und einem Sambon'schen. — IIAPME, wahrsch. Parmenides, Sali. 33 —
Nur ausserhalb Syrakus thätig: Exakestidas, Sali. 16. Kamarinäische Tetradrachmen
458 Anhang III. Belege und Eriätiterungeo.
und Didrachmen/ letzt, bei Salinas, I. 1. pl. XV, 6. -- Herakleidas , Sali. 26. Kata-
näisehe Tetradraohmen , abgeb. bei Salmas, Le monetc delle citta etc. Tav. 19 n.
17 u. 20. — Choirion, Sali. 41. Katanäische Tetradrachmen und Drachmen; abg. bei
Salinas, Le monete, 19, 19 u. 32. — Prokies, Sali. 34. Katanäische Tetradracfamen
(Salinas 19, 21) und naxiiM^he Didrachmen. — Zu den -bisher genannten Silbermünzen
kommen auch syrakusanischo Goldmünzen von Kimon und Euainetos, wie gezeigt hat
De Luynes, Rev. Nnm. 1840, p. 21: Weibl. Kopf. Rev. Herakles mit dem L(5wen
kämpfend. Auch auf einer syrakusanischen Bronzemünze haben sich die Kttnstler-
initialen 4>PY gefunden : Weibl. Kopf. Rev. Rad mit £YPui und Delphinen. V^l.
Raoul'Rochette, Lettre k M. Schom p. 83 und die Abbild, am Ende der Vorrede. —
Von allen genannten Künstlern scheint keiner auch für aussersicilische Städte gear-
beitet zu haben, denn es ist nicht sicher, dass IIAPMK auf Münzen von Thurii den
syrakusanischen Parmenides bezeichnet. — Eine besonders merkwürdige Thatsaefae
ist, dass nidht selten zwei Künstler an derselben Münze gearbeitet haben» indem einer
den Stempel für die Vorderseite, der andere den für die Rückseite machte. Auf diese
Thatsache hat zuerst der Hzg von Luynes in der Rev. Num. 1843 aufmerksam ge-
macht; sie ist dann von Imhoof bei Sali. 19 weiter nachgewiesen worden. So kommen
zusammen vor : Eumenos und Euthymos, Eumenos und Euainetos (in doppelter Weise,
Sali. 19), Eumenos und Eukleidas, Phrygillos und Euthymos. Aus solchem Zusam-
menwirken der Künstler ergiebt sich Übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre
Gleichzeitigkeit. Bei diesen Paaren kommt Kimon nicht vor; dennoch war er offen-
bar Zeitgenosse der anderen, da er mit Euainetos sowohl in Dekadrachraen wie in
Goldmünzen gewetteifert hat. — Es fragt sich nun, in welche 2^it diese Künstler
gehören. Von den hierüber geäusserten Ansichten können nur die der beiden be-
deutendsten Forscher, Salinas und v. Sallet, berücksichtigt werden. Ersterer in der
cit. Abh. Del tipo etc., lässt ihre Thätigkeit um 430 v. Chr. beginnen. Etwas später
als Salinas scheint Sallet sie zu setzen , indem er S. 40 sie ^mehrere Decennien vor
Philipp von Makedonien'' setzt; vgl. auch S. 7. S. 92 des ersten Heftes seiner Zeitschr.
f. Numismatik sagt derselbe : „Die Dekadrachmen sind nicht in der Zeit des Verfalles,
317—289 unter Agathokles, sondern fast 100 J. früher geprägt.'* Mir scheint es am
richtigsten, die Zeit jener Künstler um 400 zu setzen ; eine genauere Bestimmung für
alle zu treffen , wird unmöglich sein. Auf die Zeit -um 400 deutet im Allgemeinen
der Umstand, dass im Namen Eumenos sich bald E bald H angewandt findet. Denn
wenn auch keine bestimmten Nachrichten darüber vorhanden sind, wann in Svrakns
die langen Vocale eingeführt wurden, so ist es doch wahrscheinlich, dass es ein wenig
vor 400 geschah. Auf die Zeit um 410 deutet sodann der andere . Umstand , dass
unter den Münzen mit Künstlernamen katanäische und naxische sind, unter jenen
solche mit dem Namen Euainetos. Nun sind Katane und Naxos 403 v. Chr. von
Dionys erobert worden, und Naxos entstand unter diesem Namen nicht wieder. Aller-
dings Hesse sich gegen die Folgerung, dass jene Münzen vor 403 geprägt sein müssen,
zweierlei anführen. In Betreff Katane's, dass die Stadt unter demselben Namen fort-
bestand. Aber sie hatte erstens grösstentheils unhellenische Bevölkerung, und sie
stand zweitens unter Dionys, Grund genug zur Annahme, dass sie nicht prägte, jeden-
falls nicht mit den alten Stempeln. Auch Sallet, 2^itscbr. flir Numism. I, 21'], ist der
Meinimg, dass die katanäischen Münzen des Euainetos vor 403 fallen. In Betreff der
Stadt Naxos ist die Thatsache von Bedeutung, dass es mit den naxischen Prokles-
münzeu völlig übereinstimmende, mit NEOnOAl bezeichnete giebt, die also aus einem
neuen Naxos stammen. Ich habe jedoch (S. 432) wahrscheinlich zu machen gesucht,
dass diese Münzen in Mylai geprägt sind, wo die Naxier sich um 394 v. Chr. auf-
hielten. So kann Prokies sehr wohl schon vor 403 für Naxos gearbeitet haben. Wenn
nun so jene Künstler schon vor 405 für Kamarina (Euainetos), vor 403 für Naxos
Zu Buch V, Kap. 10, Seite J 73— 175. 459
arbeiteten, so wird dennoch eine Hauptthätigkeit derselben, die für Syrakua, theil-
weise nach 400 zu setzen sein, und zwar insbesondere die an den Dekadrachmen, die
höchst wahrscheinlich für Dionys I. geprägt sind, wohl im Wetteifer mit den aller-
dings früheren akragantinischen Dekadrachmen. Dies ist auch die Ansicht Sallet's,
der S. 211 annimmt, dass die Dekadraphmen des Euainetos einige Zeit nach 400 ge-
prägt sind. Er setzt freilich hinzu: „wenn es derselbe Euainetos ist,'' aber warum
sollte er es nicht sein? Warum sollte nicht Euainetos etwa von 400—380 gearbeitet
haben? es wäre dann durchaus nicht unannehmbar, dass er schliesslich, der ver-
änderten Kunstrichtung entsprechend, selbst seinen Stil ein wenig geändert hätte.
S. hierüber die schönen Bemerkungen Sallet's, Kttnstlerinschr. S. 19. 20. — Die Ar-
beiten der syrakusanischen Stempelschneider der Zeit um 400 sind nicht ohne EinBuss
nach aussen und auf die spätere Zeit geblieben. So sind die sohönsten punisch-sici-
lischen Tetrad raehmen : Weibl. Kopf. Bev. Pferdebüste vor Palmbaum, in ihrem Avers
eine Nachahmung des von Euainetos geschaffenen Typus, der in Syrakus später noch
sowohl unter Agathokles, wie auch unter Hiketas, wieder aufgenommen wurde ; s. De
Luynes, Rev. Numism. 1840 und 1S43. Nachahmung einer Euthymosmünze weist
Sallet 21 in einem roheren punischen Tetradrachmon nach. Endlich kommt der von
Kimon geschaffene Kopf auf kilikisohen Münzen vor, z. B. des Phamabazos 378—373,
s. Brandis, Das Münz-, Mass- und Gewichtswesen u. s. w. S. 350. 351. Dies Factum
beweist zugleich , dass Kimon für Syrakus zwischen 400 und 380 arbeitete, und giebt
andererseits einen interessanten Beleg für die Kulturströmung auf dem Mittelmeere. —
Die Dekadrachmen haben sämmtlich — ISIN.
S. 173. Klage über das sinnliche italische und sicilische Leben Plat. Ep.
VII, 326. Geschichte von den Pythagoreem Neanthes (Fr. 22a bei M III, 7} bei
Jambl. Vit. Pyth. 189. Aeusserung des Polyarchos: (Fr. 5 bei M II, 276) bei Ath.
XII, 545. — Sklavenschulen in Syrakus Ar. Pol. I, 2, 22.
S. 175. Schmeichler kurzsichtig Ath. VI, 249 (das. 250 dasselbe von Hieron);
Theoph. ap. Ael. V. H. VI, 12; Plut. de adul. 13; iust. XXI, 2. JtowaoxoXaxeg
Theophr. bei Ath. X, 435. Schmeichler Damokles Ath. VI, 249. 50; das. über die
gemeine Gesinnung der Schmeichler des jüngeren Dionys.
;S. 175. DionysioB und Dionysos. ,S. Bachofen, Das Mutterrecht. S. 321. Hier-
her gehörige Thatsachen sind folgende : D» II. ward in Korinth Metragyrt s. u. Sohn '
einer Lokrerin, beging er in Lokri Ausschweifungen, die nach Bachofen's Darlegung
an alte Sitten dieser Stadt sich anschliessen. Er beschenkte Piaton und Aristipp mit
langen Purpurkleidern, die als weibliche bezeichnet werden, S. Empir. Pyrrh. 3, p. 169
Bekk. ; vgl. die anderen Stellen über diesen Gegenstand, welche zusammengestellt sind
bei H. V. Stein, De philos. Cyrenaica, Gott. 1S55. 8. p. 67 ff. Nach Dio Chrysost.
Or. 37 (Corinth.) p. 526 Emp. gab es Standbilder Dionys' des älteren, welche ro
oxrjfjia tov ^tovvöov hatten, natürlich wirkte auch der Name Dionysios zu der An-
nahme gerade der Dionysosattribute mit. Es entsteht hier die Frage, ob sich Dio-
nysios auch Altäre errichten Hess, auf denen man ihm als Dionys opferte. Das ist
nicht überliefert, aber durchaus wahrscheinlich. Wir werden auch hier an Lysandros
erinnert, welcher der erste Grieche war, der sich Altärb errichten Hess. Wir sind
über den Fortgang dieser Vergötterung der sicilischen Tyrannei wenig unterrichtet,
und es lässt sich insbesondere von Dionys 11. und Agathokles in dieser Beziehung
nichts bestimmtes nachweisen (höchstens dass sich nach Plut. de fort. AI. II 5 Dio-
nys II. ^AnoXkvtvog vtov nannte), aber bei dem Besten von allen, bei Hieron IL, ist
doch ersichtlich, dass sein Bild auf den Münzen an Herakles erinnern sollte (Torr.^
XCIX, 1—4), sowie auf den bekannten Philistismünzen seine Frau offenbar als Per-
sephone erscheint. — Möglicherweise gehört auch die bekannte Geschichte von den
xaXKnvyoi, welche Ath. XII, 554, wie es scheint, nach Klearchos erzählt, in die
460 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
Zeit Dionys' II. oder I. Wenn 554c die Worte ot toti aus Klearchos sind, miisste
die Gegebenheit etwas vor Klearchos vorgefallen sein. Da indess Klearchos Schüler
des Aristoteles war, so passt auch dann noch die Zeit der Dionyse. Man ist geneigt,
einen Kultus der sinnlichen Schönheit, wie er in dieser Geschichte hervortritt, etwa
in die Zeit des Praxiteles zu setzeti (ca. 350 v. Chr.). Ueber die fHr eine Kallipygos
gehaltene Aphroditestatue in Neapel s. Bemoulli, Aphrodite, Lpz. 1873, S. 341 ff.
Die daselbst S. 342 nach Müller, Arcbäol. 377, 2 angegebene Replik in Syrakus ist
ebenso wie die S. 286 nach Müll. 377, 5 angeführte Anadyomene, nichts anderes als
die S. 255 beschriebene, 1804 gefundene Aphrodite des Museums von Syrakns, in der
einige eine Kallipygos (weil in Syrakus gefunden), andere eine Anadyomene (wegen
des Delphins) sehen wollten.
S. 175. Handel von Massalioten in Syrakus: Demosth. adv. Zenothemin, ge>
halten nach Ol. 106, 2. Die Massalioten Hegestratos und Zenothemis haben eine
Schurkerei mit einem dem Hegestratos gehörigen Schiffe vorgehabt, das Korn von
Syrakus nach Athen brachte.
S. 176. Ueber die syrakusaniscben Münzen •— Cereskopf mit Delphin. Rev. Pe-
gasus — ähnliche Münzen von Emporiai s. de Luynes in der Rev. Numism. 1^40,
p. 85 — 88. — Ueber den Münzfund von Rosas in Spanien, wo sicilische Obole und
Litren von alterthUmlichem (xepräge nebst Münzen von Emporiai gefunden wnrden,
deren Gepräge von grösster Aehnlichkeit war, s. Archäologische Zeitung (Anzeiger)
1862. S. 289.
Elftes Kapitel.
S. 177. Die Geschichte von dem Briefe berichtet mit umständlicher Schilderung
auch Polyaen. V, 2, 7.
S . 177. Verschiedene Angaben über die Truppenzahl , mi t der Herakleides
nach Syrakus kam, s. bei Plut. Dion 32 und Diod. XVI, 16. Vgl. Grote VI, 81, n. 103.
Ueber Herakleides selbst Plat. Ep. VU, 348. 349.
S. 178. Ueber die Abweichungen , der Quellen in Betreff des Todes des Phili-
stos s. o. S. 374.
S. 179. Nicht klar ist die Beziehung einer Notiz, die sich bei St. B. s. v. Mfiri
aus Theopompos findet. Es heisst dort: nQoataxai Sl rijs noUws ^aav rtSv füv ^v-
Qccxovöitov *ui9^if xal *HQttxki(dfig , idSv (fi futfd-otpoQtov *j4Qx^ktxoe. Wenn die hier
genannten Söldner die auf Seiten der syrakusaniscben Bürger kämpfenden sind, so
kann man die genannten Worte nur auf die Zeit beziehen, wo Dion zeitweilig nicht
in Syrakus war. Aber es ist auch möglich, obschon nicht wahrscheinlich, dass die
Söldner die dionysischen in der Burg sind; dann gehörte die Notiz in die Zeit vor
der Ankunft des Nypsios. Der Ausdruck nQoatnxfjg ist ein allgemeiner, der eben
andeuten soll, dass die betreffenden Personen ausserordentliche Aemter bekleideten.
Ob der hier genannte ^A&fivig der bekannte Schriftsteller Athanis ist, lässt sich nicht
entscheiden.
S. 179. Kampf zwischen Dion's Söldnern und den Syrakusanem bei Dion's Ab-
zug nach Leontini Diod. XVI, 17 und Plut. D. 39. Nach letzterem fallen von den
Syrakusanem ov nolXoC. nach Diodor: noXknhg anoßalovrfs anextanriattv. Es liegen
also verschiedene Quellen vor.
S. 180, Ueberfall des Nypsios. Diod. XVI, 18—20; Plut. D. 41-46. Nvii'tog
ist N'eanoUrrjg nach Diodor und Plutarch. Ich erkenne in dem Namen dieses Nea-
politaners einen oskischen Namen. Wir finden auf einer Inschrift in Ischia einen
NYMH'IOZy s. Mommsen, Unteritalische Dialekte S. 197, die oskische Form Numsius
Zu Buch V, Kap. 10. 11, Seite 175—187. 461
weist Mommsen 1. 1. S. 282 nach. Aus Numsius ist später Numisius und bei den Römern
Numerius geworden. Mir scheint es durchaus nicht auffallend, wenn die sicilischen
Griechen ihn statt Nympsios vielmehr Nypsios nannten. So war zu Timoleon's Zeit
Mamerkos ein Italiker, kein Grieche. Die Ueberschwemmung Siciliens mit Italikem
muss damals gross gewesen sein. — Bei Diodor haben wir nach genauer erzählter
Seeschlacht Ueberfali des Nypsios in der Nacht; afia cT ^^/^^ schicken die Syraku-
sauer zu Dion ; dieser kommt und siegt. Bei Piutarch ist in Betreff der Seeschlacht
nur die Notiz r^aaaQag ttSv v€iSv ^Xaßov specieller als bei Diodor ; dann Angriff des .
Nypsios, vielleicht noch in der Nacht; zu Dion wird geschickt, nach c. 42, 3 i\fi4^itg
xfcratfe^ofiiifTit; Berathung in Leontini; ytvofi^vrig vvxtog (c. 44), ziehen sich die Söld-
ner in die Burg zurück; die Syrakusaner werden Ubermttthig, schliessen Dion aus;
noch in der Nacht bricht Nypsios wieder hervor , ngoütvaijs tijs iifAiifag ( c. 45 ) , also
am zweiten Tage wird Dion wieder aufgefordert zu kommen; in der Nacht (c. 46 fin.)
werden die Söldner besiegt, und c. 47 beginnt sodann mit den Worten 17^^^« «T log t^v,
Diodor verschweigt also den zweiten Ausfall des Nypsios ganz und drängt alles in eine
viel kürzere Zeit zusammen, sodass ihm auch für die Erzählung des Wankelmuthes
der Syrakusaner kein Raum bleibt. Wenn Diodor's Darstellung ein Exoerpt aus Ti-
maios sein sollte, so wäre es wenigstens ein solches, bei dem man von dem excer-
pirten Schriftsteller nicht viel wiederfinden würde.
S. 180. In topographischer Beziehung ist zu beachten, dass Schubring,
Achradina S. 47 bei Plut. c. 42 statt tov xiv^vvov jiQog rr^v *j4xQa^ivTiv nXtjaiaCovtog
lesen will triv *jiQx- nXin^ovvxoq. Allerdings ist der plutarchische Ausdruck bedenk-
lich. Wenn die Soldaten die Häuser plünderten, so ist anzunehmen, dass es die in
Achradina waren , doch ist möglich , dass sie sich nach der Erstürmung der Hauer
sogleich links in die Neapolis gewandt hätten, statt das eigentliche bewohnte Achra-
dina , das A. auf der Höhe, zu stünnen , welches wegen der vielen Steinbruche an
seinem Südrande leichter zu vertheidigen war.
S. 181. Nach Diod. XVI, 20 kommt Dion ngog ja 'E^ajivka, nach Plut. 45 €tg-
ißaXs dia taiy nvliov dg Tr,v 'Rxarofintdov kiyofjLivriv; ixajo/Ltnf^og ac.JlTod bezeichnet
eine Halle von 100 Fuss Länge.
S. 182. <PaQa^ ^TraQTiatijg Plut. D. 49; Comp. Tim. 2; Ath. XII, 536, wegen
seiner TQvtfri vielmehr für einen 2:tx(XiioTrig gehalten. — lieber die Lage der Stadt
N^a spricht Schubring, Akragas S. 3; sie muss 180 Stadien oder 22 Hill, östlich
von Akragas gelegen haben. — Nach Plut. D. 49 hätte Dion 700 Stad. , also über
17 deutsche Meilen, in 15 Stunden zurückgelegt.
S. 184. In Betreff der Gesinnung Di on's vgl. Plut. D. 52, in Betreff seiner
Verfassungspläne 53: imvoti di rrjv fiiv axoaTov ^fifjtox^ajiav, tag ov noXtretcfv alXic
navronoiliov ovaav noXiUitaP xaru tov Illartova (Resp. VÜI. 557 d) xoXovitv, Aa-
xatpixov Si 7« xai KQrjTtxov ox^fJin fiii^afi€vog ix (fi//uot; xal ßaaiUiag itQiaxoxQarlav
Mxov xriv imaraTovaav xal ßftaßfvovaav ra fifyiaxat xa&tüTavai, xal xoafiiiv. Diese
Scheu vor der vollen Demokratie theilten übrigens damals Manche, wie das klar her-
vorgehoben wird Plut. Tim. 22: H^^Ufi xal fiiaog el^t navrag üyogäg xal nohrtCag
xal ßrifiarog, i^ tiv aviifvaav avxoig ot nliiaxot tiSv Tv^dwtov. Es ist sehr bemer-
kenswerth, dass noch in der Mitte des 4. Jahrh. v. Ohr. die alte Anschauung von
der Tyrannis als von einem Product der inneren Entwickelung der Staaten herrscht ;
es zeigt sich hier der Unterschied, den man jetzt zwischen der älteren und jüngeren
Tyrannis zu machen pflegt, als nicht begründet, wie er denn auch für Syrakus nicht
vorhanden ist. — Natürlich wollte Dion die Burg, die er nicht niederriss (Plut. D.
53), gebrauchen, um dem Volke seine Verfassung aufzuzwingen.
S. 187. lieber Kallippos Plut. D. 17. 28. 54; Ath. XI, 508, wonach er Mit-
schüler Dion's bei Piaton war. Pkit. Ep. VII, 333, wonach die Freundschaft aus
462 Anbang III. Belege and Erläüterangen.
f^emeinsehafdicher Theilnahme an Mysterien entstanden wäre. Nach Hot. D. 53
erhielt K. 20 Tal. yon den Feinden Dion's. Vorsichtsmassregeln des K. Nep. D. 9. —
Aeussernng der Veraweiflung Dion's Plut. Ap. R. (Hutt. VIII, 93).
S. 188. Leichenbegängniss Dion's durch die Syrakusaner Nep. D. 10. Grab-
Schrift Anth. Pal. VII, 99, übersetzt von Appul. Apol. — In der Geschichte Dien'»
iBt das gute Verhältniss bemerkbar, in welchem er zn den {Karthagern steht. Doch
darf man darin nicht eine Bestätigung der Beschuldigungen der Camarilla (S. 161)
finden. Wenn es sich um eine Anklageschrift gegen Dion handelte , w&re allerdings
manches zusammenzubringen , und vor allem würde die Landung in Minoa nic^t als
das Werk des Zufieills, sondern als die Folge einer Verabredung mit den Karthagern
erscheinen. Es wUre dann das Unternehmen Dion's ein mit karthagischer Hülfe un-
ternommener Versuch , sich selbst an Dionys' Stelle zu setzen. Aber der letzte Tbeil
der Geschichte Dion's widerspricht dem ; es bedürfte neuer Voraussetzungen, um seine
Muthiosigkeit zu erklären, und für diese natürlich denkbaren Voraussetzungen fehlt
jeder Anhalt. Bei dem Zustande unserer Quellen ist das im Texte gesagte aliein
Geschichte; alles andere entfernte M($glichkeit , die ich indess nicht umhin konnte
hier anzudeuten.
S. 189. Angebliche Münzen Dion's. Vgl. Gius. Romano, Sopra aicune
monete che ricord. la sped. di Agatocle in Afnca, Par. 1862. 4 und die Abh. von
De Luynes in der Rev. Numism. 1S40 und 1843. — Romano nimmt an, dass die be-
kannten Pegasosmünzen durch Dion in Syrakns und Sicilien eingeführt seien. Hier-
nach wäre eine engere Verbindung zwischen Dion und Korinth anzunehmen, als nach
den Historikern vorauszusetzen ist; vgl. Diod. XVI, 6 und Pint. D. 53, wonach die
Verbindung schwerlich zum Vollzug gekoipmen ist. Merkwürdig ist allerdings, dass
es eine Pegasosmünze mit der Inschrift jiEONTTTfON oder — S2N giebt (Brit. Mu-
seum nach Leake und Sammlung Lentinelli in Syrakus) , da in der Geschichte Dion's
seine Beziehung zu dieser Stadt sehr deutlich hervortritt, aber da Romano selbst
diese leontinische Münze vielmehr in die Zeit Timoleon's setzt, so wird auf dies Ar-
gument nichts.^u geben sein. — Nach Romano hat Dion bereits auf Zakynthos, wo
er vor seiner Abfahrt nach Sicilien verweilte, angefangen, Münzen zu prägen, und
zwar aus Elektron, nämlich die, welche im Avers einen Apollokopf, im Rev. einen
Dreifuss haben. Romano sucht dies dadurch zu beweisen, dass er aus Mus. Hunt.
Zakynthos Xo. 1 eine Münze anführt, welche bei diesen Typen im Rev. die Inschrift
ZA .LISINOS hat. Sie wiegt 11 gr. Dieses Nominale gab jedoch nach Romano Dion
in iSyrakus auf und prägte nur folgende 3 Elektronmünzen: 1) Apollokopf. Rev.
Artemtskopf. Gew. 6,85 — 6,55 gr. 2) Apollokopf. Rev. Dreifuss 3,66 — 3,50 gr.
3} Apollokopf. Rev. Lyra 1 ,85 gr. Femer wären nach Romano aus der dionisehen Zeit
auch die ältesten syrakusanischen Kupfermünzen: 1) Pallaskopf. Rev. Stern zwischen
Delphinen. 2) Pallaskopf. Rev. Hippokamp. 3) Weiblicher Kopf. Rev. In 4 Theile
getheiltes Quadrat. 4) Weiblicher Kopf. Rev. Rad, darin 2 Fische und SYPA. 5) Pal-
laskopf Rev. Polyp. 6) Areskopf Rev. Pegasos. Diesen Ansichten Romano's stehen
die allerdings wenig'er ausführlich entwickelten anderer Gelehrten schroff entgegen.
De Luynes will die Pegasosmünzen vielmehr der Epoche Timoleon's zuschreiben, s. u.
bei Timoleon. In Betreff der Elektronmünzen hat sich sodann A. v. Sallet, Zeitschrift
für Numismatik I, S. 92 dahin ausgesprochen , dass die mit Apollokopf und Dreifuss
oder Lyra später sind als Dion. wohl aus dem 3. Jahrh. v. Chr., s. auch Fiiedländer-
Sallet, Katalog der Berliner Münzsammlung, zu No. 425. Er führt keinen Grund fOr
seine Entscheidung an ; wir werden alsbald eine Thatsache kennen lernen , die viel-
leicht mit zu derselben beigetragen hat. -^ Was nun noch die Kupfermünzen betriül,
so ist zu bemerken, dass man mit grösserem Rechte die unter No. 1 und 2 ange-
führten bereits in den Anfkng des 4. Jahrh. v. Chr. setzen wird. Diese Ansicht ist
Zu Buch V, Kap. U. u. 12, Seite 188-190. 463
heutzutage ziemlich verbreitet, und de Luynes selbst scheint sie getheilt zu haben,
was ich aus folgendem Umstände schliesse. £r besass von Nr. 2 ein Exemplar, das
in Motye gefunden war, und er hat in seiner Sammlung diesen Umstand mit dem
Jahr der Zerstörung von Motye, allerdings ungenau, notirt. Zufälliger Weise be-
sitze auch ich ein in Motye gefundenes Exemplar derselben Münze, und ich bin
ebenfalls geneigt, sie, da Motye seit 397 v. Ohr. nicht wieder bewohnt worden ist,
deshalb für vor 397 geprägt zu halten. — Wenn nun so de Luynes die Ansichten
Bomano's nicht theilt, hat er selbst die Ansicht aufgestellt, dass der Typus des Zeus
Hellanios von Dien herstamme. Diese Münzen finden sich -abgebildet bei Torremuzza
Taf. 82. De Luynes erklärt die Geeignetheit des Zeus Hellanios für Dion dadurch, dass
dieser nach Sicilien gekommen sei , unterstützt von Freiwilligen aus ganz Griechenland.
Wenn nun deren Zahl auch nicht eben gross war — denn Dion hatte vorzugsweise
Söldner bei sich, so war die That Dion's immerhin eine Befreiung Siciliens durch
Hellas. Aber ein Umstand spricht auch gegen diese Annahme. Mit Sicheriieit lassen
sich die Münzen mit Zeus Hellanios erst nach Agathokles nachweisen (s. u.), und es
muBs deshalb durchaus. zweifelhaft erscheinen, ob sie wirklich schon mit Dion auf-
treten. Hierbei ist noch bemerkenswerth, dass der Kopf, welcher als Zeus Hellanios
bezeichnet ist , vollkommen derselbe ist mit dem Apollokopf der besprochenen Elek-
tronmünzen, die somit auch als späteren Ursprungs betrachtet werden dürfen; — es
mag sein, dass dieser Umstand mit zu dem Urtheil beigetragen hat, welches v. Sallet,
wie wir sahen, über die Zeit dieser Münzen fällte. — So haben sich alle positiven
Vermuthungen über die dem Dion zuzuschreibenden Münzen als angreifbar und schwan-
kend erwiesen, und man kann mit Becht ganz im G«gentheil sagen, dass, da sidi
aus der grossen Reihe syrakusanischer Münzen keine aussondern lassen, die entschie-
den auf Dion hinweisen, er überhaupt im Münzwesen von S3nrakus keine Neuerungen
herbeigeführt haben wird. Wie die Dionyse die alt«n Typen der syrakusanischen
Silbermünzen beibehalten haben, so hat es offenbar auch Dion, der so kurze Zeit
Regierende, gethan : neue führte erst Timoleon ein, der Neugründer von Syrakus.
Zwölftes Kapitel.
S. 190 ff. Ueber Timoleon vgl. J. F. J. Amoldt, Timoleon. Eine biogra-
phische Darstellung, Gumb. 1850. 8. Vgl. femer die Ausgabe von Plutarch's Aemi-
lius PauUus und Timoleon von J. Ch. Held, Solisb. 1832. 8 und dessen Prolegomena
in Plutarchi vitam Timoleontis'in 3 Kapiteln, erschienen zu Baireuth 1831. 1834.
1837. 1841, ferner die Ausg. von Plutarch's Timoleon durch 0. Siefert, Lpz. 1861 ;
den Abschnitt in Grbte's Griech. Geschichte VI, S. 110—158 der deutschen üeber-
setzung; denjenigen bei Lachmann II, 310—329 und den Artikel Timoleon in Pauly's
K. E. VI, 2, 1976 — 80 von Cless. Ich verweise besonders auf Amoldt's Schrift, in
deren Anmerkungen alle Detailfragen mit grösster Gründlichkeit und in einer Aus-
führlichkeit behandelt worden sind, wie sie für mich bei dem Umfange dieses Buches
nicht zu erreichen war.
S. 190. Kallippos' Herrschaft über Syrakus Diod. XVI, 36. Ueber die Zeit-
bestimmung vgl. Plut. D. 56. 57, wonach Dion an den Koreen ermordet wurde, die
nach Diod. V. 4. 5 als Erntefest (Ebert, 2:ixiX. 30) wohl in den August fielen; also
da er nach Diod. XVI unter dem Archen Diotiiios ermordet wurde, wohl 354 v. Chr.
Anf. Ol. 106, 3. Nach Diod. XVI, 36- waren in Ol. 106, 4—353 v. Chr. zwei Auf-
stünde gegen Kallippos; es ist mit Amoldt S. 52, n. 50 zu vermuthen, dass Diodor
den ersten derselben hätte in Ol. 106, 3 setzen sollen. Bei einem dieser beiden Auf-
stände konnte der Philosoph Ekidemos aus Kypros umgekommen sein, der Grenosse
464 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
Dion'B (Plut. D. 22), der nach Oic. de div. I, 25 quinquennio nach dem Tode des
Alexander von Pherae starb, dessen Tod in 358 v. Chr. fällt. Vgl. Am. S. 52, n. 50.
Witz des KallippoB über den Verlust von Syrakus und den Gewinn von Katane.
Plut. D. 58: (paaU' nvTOv^ itnfiv, oji noltv dnoX<ol€X(bg rvQOkvriajiv kflrupfv, der sich
nach meiner Ansicht nur dadurch erklärt, dass xanpoVf Schüssel, auch rv^xrijanv,
Käsereibe, bedeutete. Schicksal der Familie Dion's Plut. Dion 58; Tim. 33. Nach
Demosth. inkg *Po{}fAio)vos ^ 03 (KnXUnnov tov vvv ovjog iv ZixtXUt) scheint (denn
Demosthenes könnte sich ja geirrt haben) Kallippos, als die ßede gehalten wurde,
Ol. 107, 3 — 350 V. Chr. noch gelebt zu haben; vgl. Am. 55, n. 75. — üeber das
eigen thUmliche Messer, mit welchem Dion ermordet wurde Plut. D. 58.
S. 191. Ende des Hipparinos Ath. X, 436; Parthen. Narr. 24. Hipparinos
scheint es mit Dion's Anhängern gehalten zu haben-. Br. de Pr. 285. ~ lieber Ny-
saios Ath. X, 436; Ael. V. H. II, 41; Plut. de sera num. vind. 16. — Dionys in
Lokroi Str. VI, 1, 8; Ar. Pol. V, 6, 7; lust. XXI, 2. Seine Schandthaten daselbst
nach Klearchos von Soloi bei Ath. XII, 541; Ael. V. H. IX, 8; vgl. Grote VI, 108.
Die Zeit der Rache musste für die Lokrer damals gekommen sein , als Dionys nach
Syrakus znrUckgekehrt war. — Dionys in Bhegion Diod. XVI, 45. Nach Str. VI,
1, 7 fjiiQog Ti TOV xriafioLtog aralafituv *t>oißiav ixaleafr\ nach Plut. de fort. AI. II, 5
nannte er sich selbst Apollon's Sohn.
S. 192. Leontini's Schicksale Diod. XVI, 16. 36; Plut. Tim. 1.
S. 192. Raubschiffe, von sicilischen Tyrannen geschickt Liv. VII, 25. 26.
— S. 193. Anführer der Karthager Hannon nach Diod. XVI, 67; Magon nach
Plut. Tim. 17 ff., während nach dems. c. 19 Hannon nur zur See commandirt. Die
Details der karthagischen Rüstung nach Diodor 1. 1.
S. 193. Weissagung über den Untergang des Griechenthums in Sicilien Plat. £p.
VIII, 353. In £p. VIII. 356 wird der Rath gegeben, ein dreifaches Rönigthum, nadi
Analogie des zweifachen . in Sparta, aus Dionys, Hipparinos und dem Sohne Dions
bestehend, für Syrakus zu bilden.
S. 194. Frühere Geschichte Timoleon's. Von Held wird in s. Aufgabe
der plutarchischen Biographie des Aemilius P. und des Timoleon p. 539 als Geburts-
jahr Timoleon's 411 v. Chr. angenommen, Ol. 92, 2. Allerdings ist der Grund, auf
den er sich bei dieser Annahme stützt , nicht zutreffend , denn die Schlacht der Ko-
rinther gegen die Argiver und Kleonäer, in der Timoleon nach Plut. Tim. 4 seinem
Bruder Timophanes das Leben rettete, wird nicht mit Held in das Jahr 393 y. Chr
— Ol. 96, 4 gesetzt werden können, worüber ich sogleich sprechen werde. Nichts-
destoweniger passt das Jahr 411 als Geburtsjahr Timoleon's ungefähr. Denn, wenn
dasselbe angenommen wird, war Timoleon, als er 337 v. Chr., Ol. 1 10^ 4 starb, 75 Jahre
alt, was anzunehmen nichts hindert. Nach 400 v. Chr., Ol. 95, 1 kann er wenigstens
unmöglich geboren sein, dann wäre er nur 62 Jahre alt geworden. Wir dürfen also
annehmen, dass T. im J. 410 v. Chr. geboren ist. Den Geburtstag Timoleon's ent-
nimmt man aus der Nachricht des Nepos (Tim. 5), dass Tim. seine HauptschUcjiten
an seinem Geburtstage gewonnen habe , dann wäre es, nach der Schlacht am Krimisos
zu urtheilen, der 27. Thargelion gewesen. Da aber Plutarch diese Nachricht nicht
hat, so ist sie als Beweis für den Geburtstag Timoleon's von zweifelhaftem Werth, in
anderer Beziehung wird noch unten von ihr die Rede sein. — Der Name des Vaters
des Timoleon ist bei Diod. XVI, 65 Tiraainetos, bei Plut. Tim. 3 Timodemos. — Was
nun die oben erwähnte Schlacht der Korinther gegen die Argiver und Kleonäer be-
trifft, so kann man sie nicht mit Held für die zwischen den Mauern bei Korinth im
J. 393 gelieferte halten. Denn in dieser Schlacht waren auf beiden Seiten Korintfaer:
Xen. Hell. IV, 4. Sie entspricht daher nicht der Andeutung bei Plut. Tim. 4.' Da-
gegen hat passender Rehdantz den Krieg des J. 368 v. Chr., Ol. 102, 4, welcher von
Zu Buch V, Kap. 12, Seite 194^197. 465
Xen. Hell. VII, 1, 25 erzählt wird, hierher gezogen. In diesem Kriege schlössen
unter Chabrias bei Epidauros Athener und Korinther die Argiver ein. Allerdings
werden die Kleonaer nicht mit genannt, aber das kann kein Beweis gegen diese
Annahme sein. Einen schwerer wiegenden Gegengrund hat Arn. 35 gefunden zu
haben geglaubt, indem er sagt, Chabrias habe nur Miethstruppen aus Korinth gehabt
und korinthische Adlige wie Timoleon würden doch nicht als Söldner unter Chabrias
gedient haben. Aber Xenophon*s Bericht sagt gar nicht, dass Chabrias nur Söldner
aus Korinth hatte. Er sagt : vno if rtov ^f rcr XaßQiov ^ivwv xal *A&fivaCatv xtd Ko-
ffir(^iwv. Es sind also die Söldner von den athenischen und korinthischen Bürgern
in Chabrias' Heer vollkommen gesondert, und Xenophon widerspricht keineswegs der
Annahme, dass Korinther als Bürger ihrer Stadt gegen Argiver in dieser Sbhlacht
im Kampfe waren. Wir dürfen also einstweilen die Schlacht des J. 368 als die von
Plut. Tim. 4 gemeinte betrachten. Nach Plut. Tim. 4 und Nep. Tim. 1 hat sich
Timophanes wirklich der Tyrannis bemächtigt, ebenso nach Ar. Pol. V, 5, 9; nach
Diod. XVI, 65 wäre es beim Versuche geblieben. Vorzugsweise aber ist die Ver-
schiedenheit gross zwischen Plutarch und Diodor in Betreff der Zeit, wann Timo-
phanes ermordet wurde. Nach Diodor fand dieselbe statt um oder kurz vor Ol. 108,
3 _ 346/5 V. Chr. , und beim Eintreffen der syrakusanischen Gresandtschaft war der
Process Timoleon's noch unentschieden. Nach Plutarch waren dagegen bereits 20 Jahre
seit dem Morde verflossen. Plutarch's Ansetzung stimmt aus allgemeineh Gründen
besser als die diodorische ; es braucht in dieser Beziehung nur darauf hingewiesen zu
werden, dass wir uns den Tyrannen Timophanes wie den Tyrannenmörder Timoleon
eher als vierzigjährig, denn als sechszigjährig zu denken haben. Wir können aber
auch, wenn wir Plutarch folgen, die Tyrannis des Timophanes besser in die sonst
bekannte korinthische Geschichte einreihen. Nach Xen. Hell. VII, 4, 6 nahmen
nämlich die Korinther Ol. 103, 3 — 366/5 v. Chr. Miethstruppen an, um sich gegen
Argos und Athen zu sichern; dies war dann die Gelegenheit, welche Timophanes
benutzte, um sich der Tyrannis zu bemächtigen. Dann ist er 364 v. Chr. — Ol. 104, 1
ermordet worden. Vgl. Am. S. 38 ff. — lieber den doppelten Namen des Sehers,
den Theopomp Satyros, Ephoros und Timaios aber Orthagoras nannten (Plut. Tim. 4),*
vgl. Arn. 36. — lieber den Mord des Timophanes vgl. Plut. T. 4 ; Plut. p;-aec. reip.
13; Nep. T. 1. Nach Plut. Mord auf der Burg; nach Diod. XVI, 65 durch Timoleon
selbst auf dem Markte. Dass Telekleides ebenfalls gegenwärtig war, schliesst Grote
VI, 1 12 aus Plut. T. 7 , wo Telekleides zu Timoleon sagt : av vvv xaXtoc ayatv^ar^s,
xvQavvov ttvi^QfpUvai ffoSofifv, ap dk (favXtos , ad€X(f6v. Diod. XVI, 65 schreibt diese
Ansicht dem Senate von Korinth zu. Ueberall in der Vorgeschichte Timoleon's sieht
man, wieviel besser Plutarch gearbeitet hat als Diodor. Nach Nep. T. 1 war Timo-
leon nicht in dem Zimmer, wo der Mord geschah.
S. 195. Die Zeit der Abfahrt Timoleon's nacfi Sicilien bestimmt sich nach
Amoldf s tiberzeugender Ausführung S. 81 ff. auf den Frühling des J. 344 v. Chr. —
zweite Hälfte von Ol. 108, 4; welches Resultat übereinstimmt' mit Clinton F. Hell.
App. X» p. 282 Kr. Nach Held, Proleg. II, 2, 4 Herbst 345; so auch Volq. 97. 98;
Zahl der Schiffe Timoleon*a Diod. XVI, 66 rixtugag TQi^Qug nlriQuiaag xal xa^vrav"
xovaag xQ€lg. Nach Plut. Tim. 8 wie im Texte. Nach Ar. Rhet. ad AI. 9 kommt er mit
9 Trieren den Syrakusanern zu Hülfe.
S. 197. Fahrt der Karthager nach Syrakus nach Diod. XVI, 67 Ol. 108, 4,
richtiger Ende 108, 3 — 345 v. Chr. Vgl. Am. 71. — Nach Diod. XVI, 68 nimmt
Hiketas Syrakus 3 Tage vor dem Eintreffen Timoleon's in Rhegion. Nach Diod. XVI,
68 Verfolgungsversueh der Karthager [ineßaXovxo) als Timoleon nach Tauromenion
entkonunt; Plut. Tim. 11 erwähnt nur die Sendung einer Gesandtschaft dahin. Das
Einlaufen voal50 karthagischen Trieren in den grossen Hafen von Syrakus erwähnen:
Hol», Oesch. SicUiens. II. 30
466 . Anhanfe III. Belege und Erlauteningeti.
Diod. XVI, 69, Afist.Rhet. ad AI. 9 und Plut. Tim. 17. Fttr die Zeitbestimmung
dieses Ereignisses sind die ersten beiden wertfalos, weil Arist. sich allgemein aus-
drückt , Diodor aber überhaupt die Reihenfolge der Begebenheiten dieser Zeit verwirrt
hat. Aus Plut. Tim. 17 hat dagegen Grote VI, 12(3 mit Recht geschlossen, dass die
Einfahrt der 150 Schilfe erst nach, der Besetzung Ortygia's idurch Timoleon stattfand.
Nach dems. c. 11 Ist dagegen schon vorher eine karthagische Flottenabtheilnng im
syrakusanischen Hafen; es ist also klar, dass wir eine doppelte Einfahrt karthagi-
scher Schiffe anzunehmen haben.
S. 198. In Betreff der Eroberung von Syrakus durch Timoleon behauptet
Diöd. XVI, ()S, dass gleich nach der Schlacht bei Hadranon Ol. 108, 4 nach unserer
Annahme Frlihj. 341 v. Chr. Timoleon Epipolae und Tyche tiberfiel und crobert^^;
ferner XVI, 69, dass er Ol. 109, 1 — 344/3 v. Chr. Achradina und Neapolis in seine
Gewalt bekam, XVI, 70 endlich, dass er Ol. 109, 2—343/2 v. Chr. auch Ortygia
erhielt. Plut. Tim. 13 sagt dagegen, dass 50 Tage nach llmoleon's Ankunft anfSici-
lien Ortygia von Dionys an ihn überliefert wurde, und dass er erst später die anderen
Stadttheile e^iiielt. Für Plutarch sprechen Rhet. ad AI. 'd und Nep. T. 2 nw unent-
schieden, wie auch Am. 102 ztrgiebt. Aber die Innere Wahrscheinlichkeit ist für
Plutarch. Es versteht sich von selbst, dass Diod. XVI, 68 nicht Recht haben kann,
. wenn er angfiebt , dass nach der Schlacht bei Hadranon die Korinther „im Lauf* von
da nach Syi*akus gelangten und es nahmen. In Betreff der Veranlassung der falschen
Angaben Diodor's, welche natürfich eine Folge der falschen Zeitbestimmung der Erobe-
rung Ortygias sind, stellt Amoldt S. 102 die Ansicht auf, dass bei Diodor eine Ver-
wechselung der Zerstörung "der Burg von Ortygia, welche erst nach der Einnahme der
übrigen Stadttheile 343 v. Chr. stattfinden konnte, init ihrer Einnahme in Ft>Ige des
Abzuges des Dionys eingetreten ist; während Volq. S. 99 die Ansicht aufgestdlt hat,
dass die Notiz bei Diod. XVI, 71, Theopomp habe seine sicilischen Geschichten mit
diesem Jahre (Ol. 109, 2 — 348 v. Chr.) und der Vertreibung des jüngeren Dionys
{hcTiTtoat^ ^UovvgCov tov nwrigov) geschlossen, den Diodor bewogen habe, unter Vor-
aussetzung der Richtigkeit dieser Angabe seine Auszüge aus Tlmaios darnach urnzn-
modeln. Volquardsen's Ansicht ist wahrscheinlicher , nur muss man sie da'hin erwei-
tem, dass die ganze Geschichte der Eroberung von Syrakus bei Diodor aus Theopomp
stammt. Volq. 101 schreibt den Fehler, ins J. 343 die Vertreibung des Dionys statt
der Schlacht am Krimisos zu setzen , det von Diodor benutzten Literatorgeschicbte
zu. Diese sofl Apollodor sein (Volq. 12), und es wäre möglich, dass derselbe einen
solchen Fehler begangen hätte. Man kann jedoch nicht glauben , dass Diodor dieser
Notiz zu Liebe die Details in XVI, 68 und 09 erfunden haben sollte, was man doch
nftch Volq. annehmen müsste. Einfacher tind natürlicher ist die Annahme , dass die
ganze falsche Ansetzung der successiven Eroberung von Syrakus wirklich von Theo-
j[)omp herstammt, und wer sie nicht billigt, thut es nur, weil er nun einmal der Theorie
von der einen Quelle nicht untreu werden will, einer Theorie, die einer solchen Treue
nicht werth ist. — Bei der üebergabe von OrtygiA schweigt Plutarejh von Bedingun-
gen; nach Kep. T. 2 hat sich Dionys auf Gtade und Ungnade ergeben (cum intsr-
ficere posaet, nolult — wohl nur Phrase) ; nach Diod. XVI, 70, der dfesmal Glauben
verdient: imoonovdov ^^orta tA fdia ^^QijfiftTa,
S. 199. Dionysios in Korinth. Dahin gebracht wird er -nach Plut. Tim. 13
fnl Uliig v*w\-, nach Polyb. XII, 1 tadelte l^maios unpassender Weise den Theopomp,
dass er Eitatt eines Kriegsschiffes ein Handelsschiff genannt ; auch Diod. XV7, 70 sagt :
ir jLttxQ^ fftQttyy'eXfp nloitif, er Stimmt also mit Theopomp ifberein , worüber ich oben
gesprochen habe (S. 377). Grote VI, 123, n. 67 bemei^t mit Recht, dass Pölybios
ohne genügenden Grund unpassend finde, dass Timaios den llieopomp berichtigt habe.
Die Sache ist niclrt so unwichtig, wie Polybios meint. Wenn Timoleon den Dionys
• Zu Buch V, Kap. 12 u. lii, Seite 198-201. 467
•
in eiaer Triore, also in eiaem schnell fahrenden Sliaatsschiffe nach Korinth sandte; so
behandelte er ihn ehi*envoller, als wenn er ein Handelsschiff für ihn nahm. Die Fahrt
in ei Dem Handel sschiife wäre schon ein Zeichen, sehr gefallener Grösse gewesen. Dies
dachte vielleicht Theopouip selbst, und deswegen Hess er Dionys auf einem Handels-
schiffe die Fahrt machen. — Dionys in Leukas landend Plut..!?. 15. — S. 199. Anek-
doten über Dionys II. Plut. Tim. 14. 15; lust. XXI, 5; Ael. V. H. VI, 12; XII, 60;
Plut. Ap. r. Sprichwort Jiovvatog Iv Ko^yC^ö^ip von den Lakedämoniern Philipp ge-
genüber gebraucht Bei lustin I. 1. zuletzt: inter has tarnen dissimulationum artes
insimulatus est adfectatae tyrannidis, nee aliter quam dum contemnitur, liberatUB est.
Nach Klearch bei Ath. XII, 541 hat Dionys als jutfTQayvQTris sein Leben beschlossen.
Schulmeister ist er geworden nach Aristox. bei Porph. vit. Pyth. 59 und Jambl.
V. Pyth. T^'^, femer nach lust. XXI, 5 und Val. Max. VI, 9; hier propter inopiam;
nach Gic. Tusc. III, 12 usque eo imperio carere non potuit; ferner Cic. ad fam. IX,
Ib, 1; Luc. somn. 23; Ov. ex p. IV, 3, 39. 40.^ Ueber diesen Gegenstand, welcher
im vorigen Jahrhundert Viele interessirt zu haben scheint, werden folgende Schriften
citirt: F. G. Roloff, Nov. vet. auctorum qui Dionysium F. Siciliae tyrannum literas
Corinthi docuisse tradunt, vindiciae. Traj. a^ Viadr. 1737. 4; femer Dissertatione
posteriore praetermissa quaedam de Dionysiis Siciliae tyrannis in acad. Frideric. a. d.
III non. Maj. 1736 publ. tuebuntur F. G. Rolof&us ac G. L. Roloffius. Praemittitur
Gel. Heumanni epist. de Dionysfo. 4; sowie J. M. Wenck, Bex in ludo s. de Diony-
sio II tyranno, a magistrorum numero non segregando, Darmst. 1752. — In Korinth
sah Aristoxenos den Dionys und hörte von ihm [noXitixtc v/^tv dtr^ytizo) die Geschichte
des Dämon und Pfaintias Jambl. vit. Pyth. 233. Uebrigens vgl. in Betreff der Peri-
patetiker als Quellen das oben S. 375 gesagte. — Zusammenkunft mit Philipp von
Makedonien wohl Ol. 100, 3/4 — 337 v. Chr., als der König von Makedonien wegen
des beabsichtigten Perserkrieges die Abgeordneten aller Griechen nach Korinth berief
Arnoldt S. 118 nach Böhnecke, Forschungep I, S. 564; vgl. Gem. Pleth. Hell. I, 41.—
Dionys in Korinth gestorben Ael. V. H. IX, 8. — Das Mobiliar des jüngeren Dionysios
vom Tyrannen Dionysios von Herakleia gekauft Memnon bei Phot. 224 (M. III, 529).
Dreizehntes Kapitel.
S. 200. Nach Plut. T. 2 t sind die Namen der Anführer der korinthischen Hülfs-
truppen /liivaQx^^ ^"^^ JrfifiaQirog , bei Gem. Pleth. Hell. I, 48 steht /iij/naoxog und
S. 201. BQitttQi werden von Diodor genannt bereits im J. 445 v. Chr. XII, 22,.
doch misbräuchlich. Vgl. über sie Str. V, 3, 1 und VI, 1 ; Diod. XVI, 15, wo Bov-
Qlovg xHQtaaäfAfvot nur Besiegen derselben bedeuten kann. Nach lust. XXIII, 1 sind
sie im Walde erzogene Lukaner, welche Räuber werden und mit Hülfe einer Frau
Namens Brattia ein von 600 Afrikanern besetztes Kastell des Dionys erobern, worauf
sie sich ex nomine mulieris Bruttii nennen : Nachbildung der älteren Sagen, in denen ein
Volk nach dem Namen eines Königs heisst. «Kiepert, Er laut, zum Schulatlas der alten
Welt, stellt den Namen der ^^rrioi mit dem der keltischen BQ^xtavol zusammen,
dabei erinnernd, dass er auch die Sikeler für Kelten halte. Vgl. Nissen, Templum S. 126
—129, der sich dahin entscheidet, dass die Brettier ein ver sacrum der Lukaner waren,
und passend Paus. X, 17, 9 über den Namen ^%t Baka^ol vergleicht. — Vgl. über die
Bruttier G. Barrii de antiqn. et situ Calabriae, Rom. 1737. fol., nebst Aceti proleg. dazu.
0. Fazioli, Ricerche sn i Bruzl, Nap. 1839—46, III voll. fol. — Ueber die sehr schönen
Münzen der HgitTioi vgl. Mionnet, PI. LXV, sowie Sambon, Recherches etc. p. 313 ff..
Die brettischen Münzen zeigen einerseits Aehnlichkeit mit denen der Lukaner (Fried-
30»
468 Anhang III. Belege und firlSuterujigeA.
länder, Oskische Münzen S. 57), andererseits mit denen des Agathokles (Aoordniui^
des Haares des Apollokopfes, abgeb. im Catalogue of the greek eoina of tbe British
Mnsenm. Italy. Lond. 1873, p. 323) und besonders des Königs Pyrrlios; sie scheinen
hauptsächlich um das Ende des 4. Jahrh. v. Chr. und in der ersten Hälfte des 3. ge-
prägt zu sein und lassen auf eine nicht geringe Bildung des Volkes schliessen.
S. 201. Katane dem Timoleon nützlich Plnt. Tim. 18.
S. 202. Aus den Worten Plut. Tim. 18: tpqa^dpisvoq rhv neQlßolov r^c '^X9^^^-
vr^q xa\ ovvarjjttg lolg i^vfiaai tiqos TTjy ax^nolty haben Amoldt und Siefeit ge-
schlossen, dass Achradina nicht bis an den grossen Hafen reichte. Gegen sie
Schubring, Achradina S. 49. Wenn in awaipag die Herstellung von etwas noeh nichl
dagewesenem ausgedrückt sein sollte, so mOsste sie es auch in ^^|a/ifro; sein, und
das ist unmöglich. Also ist beides, die Ummauerung von Achradina und die Ver-
bindung dieser Ummauerung mit der Akropolis in Ortygia, nur die Wiederheratellung
eines schon frilher vorhanden gewesenen Zustandes. Aber es liegt auch die Veranlaasusg
der Angabe Plutarch's klar vor. Soeben noch hatten Achradina und Ortygia, die
beiden Schwesterstädte, sich feindlich gegenüber gestanden, und während dieser Feind-
schaft hatte der alte Zusammenhang ihrer Festungswerke am Hafen unterbrochen
werden müssen: die Befestigungen sCf essen nicht mehr an einander. Jetzt musste
Timoleon den alten Zusammenhang wiederherstellen. Ebendasselbe gilt auch von den
Worten: ifQu^a^ivog i6v nfgCßolov tijg *AxQ»^^viig. 'Achradina, sonst durch Mauern
von Tyche und Neapolis getrennt, hatte in der letzten Zeit dieselbe Herrschaft ge-
habt wie diese Stadttheile. Man hatte deshalb die Mauern zwischen Achradin* einer-
seits und Tyche und Neapolis andererseits geschwächt und lückenhaft gemacht. Jetzt
war Achradina in die Hand des Beherrschers von Ortygia gefallen; deshalb wurde
schnell der Mauerring von Achradina wiederhergestellt.
S. 203. Nach Diod. XVI, 69 ziehen sich die Karthager tig triv iSiav inix^äfant
zurück, nach Plut. T. 20 sig Aißvtiv. Hanno's Verschwörung nach Inst XXI, 4. Wer
die Combination gewagt findet, muss bedenken, dass uns aus dem Alterthum fast nur
Berichte über Factisches erhalten sind. Alles Memoirenhafte, besonders wenn es in-
ternationale Verhältnisse betrifft, fehlt. Auch in Betreff des Agathokles können meine
Comblnationen gewagt erscheinen, dennoch glaube ich, dass auch mit den von mir
vermutheten geheimen Beziehungen zwischen Syrakus und Karthago das Mass der
wirklich vorhandenen noch nicht erschöpft ist.
S. 204. Zerstörung der Zwingburg mit allgemeiner Theiinahme des Volkes auch
in Perugia 1860.
S. 204. In Betreff det Ausbildung der Demokratie durch Timoleon vgl. Plut.
T..24; Diod. XVI, 70, nebst Arn. 146, n. 91, der die Fälle aufzählt, in denen unter
Timoleon das Volk entschied: Plut. T. 33 (Hber Hiketas' Familie); Plut. T. 34 and
Polyaen. V, 12, 2 (über Mamerkos); Plut. T. 37 und Neg». T. 5 (Tim.*s P^txsess;;
Plut. T. 39 und Diod. XVI, 90 (Ehrenbezeugungen) ; Plut. T. 38 (wann ein Korinther
zum Feldherm gewählt werden soll). Wenn man jedoch bedenkt, dass schon zii Du-
ketios' Zeit die syraknsanische Volksversammlung ähnliche richterliche Befugnisse
ausübt, wie hier in Sachen des Mamerkos, und dass nach Ar. Oec. II selbst Dionys
das Volk befragte, so wird man obige Fälle nicht als besonders charakteristisch för
die durch Timoleon gestärkte Demokratie ansehen,
S. 204. Ueber den Amphipolos handelt Ebert, SiTuii^v p. 108 — 130. Die
Stellen sind: Diod. XVI, 70; Cic. Verr. II, 51; IV, 61. Als Amtsname für einen
Priester kommt Amphipolos in Sicilien vor: in Kentoripa CI 5742: Au t^^m if^qt-
noXivaag, ferner in Melite CI 5754 aiKftnoXevaag ^^f^ Avyevarip. Sonst in Aigot
erwähnt : ^AnoHtavog aiA^Cnolog bei Plut. Qu. gpr. 24 , wo jedoch Ebert 120 das Wort
als Amtsname nicht mit Sicherheit erkennen will. — Analogien der Jahresbenennang
Zu Buch V, Kap. 13, Seite 201-207. 469
nach Priestern finden sich vielfach, in Sicilien wird nach Ausweis der Inschriften das
Jahr nach Priestern bezeichnet: in Gela inl ItQanoXov CI 5475, in Akragas ^nl Uqo-
^vztt CI 549J , und so war es auch auf der Insel Melite , inl hgo&vrov CI 5752. —
Ueber die genera bei Cic. Verr. II, 51 ist oben S. 418 gesprochen. Die Neuerung,
welche Timoleon beim Amphipolosamte einführte, bestand ohne Zweifel nur darin,
dass es jährlich wechselte, und dass da^ Jahr nach dem jedesmaligen Amphipolos
benannt wurde: ein Dank gegen Zeus, dass er die Stadt befreit hatte, eine Erinne-
rung an die dem Zeus Eleutherios zu der Zeit gewidmete Verehrung, da die Deino-
meniden vertrieben wurden. Diese Betrachtung spricht überdies dafür, dass, wenn
die* Zeus Eleutheriosmünzen wirklich älter sein sollten als Timoleon, jedenfalls durch
ihn der Typus besonders in Aufnahme kam. S. unten über Timoleon's Münzen. —
Namen von syrakusanischen Amphipoloi sind aus Inschriften nicht bekannt, in den
Schriftstellern kommen nur folgende vor: bei Diod. XVI, 70 der erste, Kallimenes,
bei Cic. Verr. II, 51 Theomnastus, und IV, 61 Heraclius. Von der Schenkung des
römischen Bürgerrechtes (nach Diod. XVI, 70 und XIII, 35) wird im 3. Bande die
Rede sein.
S. 205. Schilderung des Zustandes von Syrakus in seiner Verlassenheit bei
Plut. T. 22 : 4 f^^v ^v SvQttxovaaig «yoqd Si i^rifiCav ovxto^ nöXXr\v xai ßa&iiav
i^i<fvatv vltiv , aMTTf Tovg tnnovg h ßvry xarttvifAca&ai , rtiSv innoxofjoti' fv ry X^V
»nrotxitfiivioVf al dk aXXat noXeiSj nXtjv 7ravrtX<Sg oXiytav iXaqjfov iyivovto /Ltearal xal'
Qvtav ayQltov e\A. Hier ist ciXXai, noXitg sonderbar, da Plut nur von Syrakus zu
reden hat ; aber es auf die Stadttheile von Syrakus zu beziehen , welche allerdings
noXfig genannt werden können, ist doch auch nicht möglich , weil «yoga und aXXat
noXfig keinen richtigen Gegensatz bilden. — In Griechenland waren damals ähnliche
Zustände wie in Sicilien, s. H. Dondorff, Der Verfall des hellenischen Lebens 400 —
338, in der Ztschr. für Gymnasialwesen 1872, S. 542. Vgl. Isoer. Archid. 28; Isoer.
Phil. 40. 50. Isocrates dachte daran, aus Heimathlosen Kolonien in Kleinasien zu
gründen.
S. 205. Nach Äthan, bei Plut. T. 23 kamen 50,000 neue Bürger ans Italien
und Sicilien, 10,000 aus Griechenland, nach Syrakus. Ich nehme die 60,000 wegen
des Gegensatzes in c. 25 als Bürger; sodass Frauen und Kinder nicht mitgezählt sind.
Nach Diod. XVI, 82 kamen 5000 neue Bürger aus Korinth; nach demselben gingen
40,000 nach Syrakus, 10,000 erhielt Agyrion. Ueber letztere Stadt s. oben S. 372.
Seltsam ist der von Diodor 1. 1. gebrauchte Ausdruck üg xriv ^vQoxooictv rr^v a^tai-
OiTov. Ueber diese Frageir s. Am. S. 135 ff., der auch S. 137 darauf aufmerksam
■macht, dass die Kolonisten nicht so schnell in Griechenland zusammengebracht wer-
den konnten. Allerdings begünstigte der oben erwähnte Zustand Griechenlands eine
solche Auswanderung.
S. 206. Von dem Verkauf der Bildsäulen ausgenommen die des Gelon Plut. T.
23, und nach Dio Chrys. or. 37 auch eine des Dionysios als Dionysos. S. o. S. 459.
S. 206. Krieg mit Hiketas Diod. XVI. 72. Friede Diod. XVI, 77, in dem Jahre,
wo die Karthager kamen Ol. 110, 1 — 340/39 v. Chr. Nach Am. 141 war der Friede
schon* ein Jahr früher. Er erinnert daran , dass nach Diod. XVI, 73 IHmoleon eine
Abtheilung Söldner von 1000 Mann unter Deinarchos und Demaretos nach dem
Wßsten aussendet (Plut. T. 24} , damit sie nicht müssig seien ; da musste denn wohl
kein Krieg mehr mit Leontini sein. Ueber Hiketas und Leptines ferner Plut. T. 24.
S. 206. Ueber Entella Diod. XVI, 73.
S. 207. Feldzug gegen die Karthager. Das Jahr herkömmlich nach Diodor
alB Ol. 110, 1 — 339 V. Chr. angenommen. Dagegen Cless in Pauly's R. E. VI, 1979,
der die Sohlacht am Krimisos Ol. 109, 3 — 342 ansetzt, und in ausführlicher Darle-
gung Volquardsen S. 99, der Ol. 109, 2— M3 v. Chr. annimmt. Nach ihm zeigt
470 Anhang III. Belege und Erläuternngen.
Plut. T. 21. 22, dasB bald, nachdem in so kurzer Zeit ganz Syrakus bcfi^it war, man
Troilui' TToXffiov ix ^^ißviji erwartete, und zwar hovg öfQtf. Ob er aber zu der erwar-
teten Zeit wirklich stattfand, d. h. ob die Karthager mit ihren Vorbereitnngen in
einem Jahre fertig wurden, ist eine andere Frage. Vor der Schlacht bei Himera
brauchten sie nach Diod. XI, t drei Jahre zu ihren Bilstungen. Sonach ergiebt sich,
dass das diodorische Jahr der Schlacht am Krimisos unwahrscheinlich ist; ob aber
dieselbe 343 oder 342 geliefert wurde, kann man nicht entscheiden. 343 wünschten
die Karthager den Römern GlUck zu ihrem Siege iiber die Samniten (Liv. YII, 3^;,
in Folge des nach Liv. VII, 27, 34S , nach Diod. XVI, 60, 344 geschlossenen Ver-
trages . sie hatten also damals Müsse sich um fremde Angelegenheiten zu bekümmern.
S. 207. Zahl der Truppen Timoleon's Plut. T. 25 und Diod. XVI, 7R. In der
Comp. T. heissen die Söldner «t«*to/. Vgl. Am. 156. 157.
S. 208. Der Krimisos. Ich habe in meinen Beitr. z. Bericht, der Karte des
alten Sicil. S. 19 nachgewiesen , dass der S. Bartolomeo Krimisos hiess. Aber die
Schlacht kann dort nicht geliefert sein , weil er zu weit nördlich fliesst. Man mnss
also annehmen, dass der Fluss von Enteila ebenfalls Krimisos hiess; so gab es in
Sicilien zwei Himeras, zwei Hypsas. In Betreff der genaueren Bestimmung der Lo-
calität der Schlacht ist, da uns Schubrings Forschungen noch nicht vorliegen, eine
Auseinandersetzung von V. Di Giovanni nachzulesen, die sich in einer Note s. Escur-
sione archeologica II, in der Zeitschrift La Sicilia, Pal. 1865, p. 345 findet. Er geht
von der Betrachtung aus, die Karthager hätten die Absicht gehabt, die syraknsa-
nische Besatzung von Entella zu überfallen. Nun sagt allerdings Plut. T. 25 nur im
allgemeinen, sie seien gegen die Korinther gezogen, d. h. gegen Deinarchos und De-
maretos, die nach c. 24 in die karthagische Provinz gezogen sind, wo sie Tiolui
noXXag den Karthagern abnehmen. Aber bei Diod. XYl, 73 wird als wichtiges Re-
sultat dieses Feldzuges hervorgehoben: (xQuirfattv S^ xal tfjg ^EvH)Jifig. War aber
einmal Entella von den Griechen erobert, so musste eine der ersten Aufgaben der
Karthager darin bestehen, diese Stadt wiederzugewinnen, und so ist Di Giovanni'8
Voraussetzung vollkommen begründet. Weiter findet nun Di Giovanni das Flussthal
des Beiice östlich von Salaparuta durchaus der Schilderung entsprechend, welche die
alten Schriftsteller von der Gegend geben, in welcher die Schlacht stattfand. Di Gio-
vanni lässt die Schlacht stattfinden ne' luoghi dove corrono a perdersi nel fiume Be-
iice altri circostanti torrenti e da una parte della ripa si offrono caverne e sprofondi
cui accenna chiaramente Plutarco (c. 2S : fo Tti^tov to tkqi avtov vno nolXtrg ovrayxtiaq
xa\ qtiQa^yttg vnoxiifjiivov) e al presente hanno nome di gtotte nere. Und weiterhin;
la pianura che il fiume Beiice cuopre delle sue acque quando ingrossa, e da* mulini
detti della donna, sino all' ultimo mulino o mulino vecchio di Salaparuta, e le caviti
e fosse (o i torrenti) sono sopra ai primi mulini avvicinandosi alla via dIBntella. Hier-
bei ist liur ein Punkt zu beachten. Nach Di Giovanni wäre die Schlacht am Beiice
da geliefert worden, wo derselbe aus den beiden Quellfltissen schon zu einem einzigen
geworden ist; dagegen spricht aber der Name Krimisos. Der Bolice hiess Hypsas.
sobald er>aus ^en zwei QuellflUssen sich vereinigt hatte ; Krimisos hiess nur der eine
dieser beiden und zwar der östliche, der bei Entella. Da nun die Schlacht am Kri-
misos, nicht am Hypsas stattfand, müssen wir sie an den Beiice sinistro verlegen, der
ebenfalls, wie die Karte zeigt, eine Ueberschwemmungen ausgesetzte Niederung durch-
strömt. Daraus ergiebt sich, dass die Karthager bereits den westlichen Beliee über-
schritten hatten, was die Schriftsteller nicht erwähnt haben. — Das Omen mit den
Adlern, von denen der eine eine Schlange trägt, der andere aber gewaltig schreit
(Plut. T. 26), erinnert an die akragantinischen Münzen, nur dass auf diesen 2 Adler
in der beschriebenen Weise nicht mit einer Schlange, sondern nur mit einem Hasen
vorkommen; die Schlange erscheint mit einem einzigen Adler. — Bei Polyaen. V,
Zu Buch V, Kap. VA, Seite 207-214. 471
X2, 'S fuhrt Tiiuoleou vor der Schlacht eineo xQV^.^og au. — Bei Diod. XVI, 77 fehlt
hinter nojafiov wahrscheinlich der Name und hinter fAVQitop das Wort nQXffiltov. —
Mit Beeht bemerkt Arn. 165, dass bei Diod. XVI, 79^. 80 eine so schnelle Beendi-
gung der Schlacht, wie sie aus Plutarcb's Darstellung zu entnehmen ist, nich^ ersicht-
lich wird; dieser Umstand lässt auf Verschiedenheit der Quellen fUr die beiden Schrift-
aielWr sohliessen. — Zu dem Trlij&os ixnta^aTMp aQyvgav r« xal ;(^vadttf bei Diod.
XVI, 81 vgl. man Diod. XIII, 88, wo bei der Belagerung von Akragas den unzufrie*
'deoieQ Söldnern als Pfand gegeben werden ra Tfa^ä rmv ix KaQx^^Soya^ 0TQaTtvof4,iv(ov
noTTiQta , ^wa» gegen die Zweifel von Am. 167 zu bemerken ist. Das Datum der
SoUaeht nach Am. 162, n. 77 der 7. Juni (339).
S. 210. Zum Feldherrn erwählt Geskon, Annon's Sohn, nnfvya^tvfjiivoq Diod.
XVI, 81. Von seinen Schicksalen spricht auch Polyaen. V, 11.
S. 211. ' Die Schicksale der treulosen Söldner werden anders berichtet bei Plut.
T. 30 als bei Diod. XVI. 82. — Wenn Plut. T. 30 sagt: ovnoi ngov^gov "ßX^ai
Xi»ti<f«f^^r(Mf KuQxvJovltüv, so kommen doch hellenische Söldner in karthagischem
Dienst schon bei d^r Eroberung von Selinus Diod. XIII, 58 und bei der von Motye
vor, Diod. XIV, 53. — Bei Plut. T. 30 ist VfT«f Conj. für das handschr. 'Ugdg. —
Die Beschuldigung, an der Plünderung des delphischen Tempels Theil genommen zu
haben, ward auch gegen Archidamos und seine Leute gerichtet Diod. XVI, 24.
S. 212. KakavQlav steht bei Plut. T. 31. Dafttr hat Kind vermuthet FaXtgiav
oder rakttQCav. Soll das G^liano sein, wofUr Galaria gehalten wird, so passt es
nicht, da Gägliano zu weit nördlich liegt. KaXnvQiav wird richtig sein; dieser Ort
la^ dann südlich vom Damyrias.
S. 213. Ueber den Frieden mit Karthago Diod. XVI, 82; Plut. T. 34. Be-
dingungen: laq fihv 'EXlvividag noXus andtfag IXev&^QUf (ivtui j top öl''jl}.vx9r xaXov-
fAtvov TfoiafAov oQiQV flvci tijg ixar^gtov InixQUTiiag , Piod. 1. 1. Hieraus folgt nicht,
wie Manche angenommen haben, dass der Halykos ein Fluss westlich von Selinus
war, d. h. der Fluss von Halikyai. Mit Recht sagt darüber Am. 179. 180, dass ge-
rade aus der ausdrUckliöhen Erwähnung, dass die griechischen Städte frei sein sollen,
sich ergiebt, dass der Halykos nicht im Westen der westlichsten derselben, Selinus,
floss, denn danp wäre die ausdrückliche Erwähnung der Freiheit der Griechenstädte
Überflüssig gewesen, da es einer Garantie ihrer Freiheit von Syrakus jetzt nicht mehr
bedurfte. Der Friedensschluss besagte, dass die Griechenstädte frei sein sollten, wo
sie auch lägen; im übrigen sollte aber das Gebidt der Karthager wie zuvo^* an den
Halykos (Platani) reichen. Man darf hinzufügen, dass gerade, weil schon in einem
früheren Friedensvertrage (383 v. Chr.), den Diod. XV, 17 anführt, der Halykos als
GrenzflusB genannt wird, der Name Halykos hier (XVI, 82) nicht ohne besonderen
Zusatz in einem anderen Sinne gebraucht werden durfte; eine solche Zweideutigkeit
in einem . Friedensvertrage hätte Veranlassung zu endlosen Streitigkeiten gegeben.
Dass Selinus von karthagischem Gebiete eingeschlossen war, lässt sich auch daraui^
schliessen, dass IMmoleon sich nicht so sehr um diese Stadt kümmert, wie um die
anderen Städte der Südküste. Bei Plut T. 35 werden nur Gela und Akragas als
Städte, in welche Timoleon Kolonisten sandte, erwähnt; Selinus nicht.
S. 214. Plut. T. 34: mgl to ^«v/ua tT}v ''JßoXov. Hier emendirt Clnvev 'l^Xaßov,
und man ist ihm gewöhnlich gefolgt. Aus dem Lex. Ms. Apostol. hat D'Orville 405
"AßoXog als Flussnamen in Sicilien nachgewiesen. Choirobosc. in Theodos. ap. Bekk.
Ind. Anecd. p. 1299 hat !///?oHaf, a, ovo/ua noiafiov; Bekk. Anecd. I, p. 322: ^j4ßoXw^
nojafAog inl Tavgofisvitfiv. Ein Fluss bei Tauromenion passt natürlich nicht in den
Rückzug des Mamerkos. St. B. nennt bei "AßoXka noXig SixiXlag keinen Fluss. Dies
AboUa ist vielleicht das heutige Avola, auch diese Gegend passt nicht für den vor-
liegenden Fall. Wenn somit auch Abolos ein «ieilischer Flussname ist, so passt doch
472 Anhang IIT Belege und Erläuterungen.
für den Rückzug des Mamerkos der Alabon zu gut, aL» dass man nicht einatweiten
an ihn denken sollte. — -Ueber den Namen Mamerkos s. Mommsen, Unterital. Dia-
lekte S. 356. — Ueber Mam. macht Grote VI, 148 not. 117 'die Bemerkung, dass er.
- wenn er nach Nep. Tim. 2 aus Italien kam, jedenfalto ein Grieche war, nach den
Versen zu urtheilen , die Ptut. T. 31 von ihm berichtet. Das ist nicht nothwendig
Auch ein Sabeller konntcTso viel Griechisch lernen, dass er in dieser Sprmdie an dichteD
vermochte.
S. 215. Tim.'s Sorge für die hellenischen Städte der Insel Plut. T. 35; Diod.
XVI, 82 (Eamarina). Ueber Agsrrion ebendas.
S. 216. Timoleon's Tod nach Am. 191 : 336 v. Chr. —Ol. 110, 4, nach Fortman.
Hiero p. 50 : 337 v. Chr. — Nep. T. 5 : proelia maxima natali suo die fecit omnta
quo factum est, ut eins diem natalem festum haberet universa Sicilia. Dies ist du
älteste uns Überlieferte Beispiel einer Geburtstagsfeier im Alterthum ; s. Chr. Petersen,
Ueber die Geburtstagsfeier bei den Griechen in Jahrb. f. class. Philol. 2. Supplementbd.
Lpz. 1856. 57, S. 298. Wir dtlrfen die Feier seines Geburtstages durch das Volk als
historisch betrachten , woraus allerdings noch nicht folgt, dass er an diesem Tage seine
Hauptsiege gewonnen hat.
8. 218. Ueber Timoleon's Frömmigkeit Plut. T. 36. Praec. reip. ger. 2tK
Nep. T. 4. Die AhxQ^ajla kommt sonst nicht als Grottheit vor.
S. 218. Nicht auf Timoleon^ passt die von Am. 193 ttber ihn gemachte Bemer-
kung: „dass in der Politik das reinste Streben nutzlos bleibe, wenn man es nicht
versteht, nur das zu sehen, was ist, und nur das zu wollen, was sich erreichen lässt '-
Timoleon hat gesehen, was war, nämlich Schwäche und Verwirrung, and nur das
gewollt, was sich erreichen Hess, nämlich Kräftigung des hellenischen Elementes anf
Sicilien. Ueber die Zukunft vermag Niemand etwas, und es ist kein Vorwurf für
Timoleon, dass ein Agathokles nach ihm kam. Die Geschichte rühmt Solon, Perikles,
Karl als grosse Männer. Und wie lange hat die Monarchie Karl's gedauert? Perikles
hat seiner Stadt Einrichtungen gegeben, die ohne dauernden Beistand eines Perikles
schwerlich zum Heile des Volkes gereichen konnten, und Solon hat es noch eriebt,
dass an Stelle der Freiheit die Tyrannis in Athen trat. Niemand kann behaupten,
dass Timoleon die Herrschaft des Agathokles verschuldet hat. Hätte er sie etwa
durch eine andere Verfassung verhindert? durch welche? durch eine aristokratische f
Es gab eine natürliche Aristokratie schon lange nicht mehr 'in Syrakus, und als bald
nach Timoleon's Tode sich eine künstliche Aristokratie, eine Oligarchie, in der Stadt
bildete , da war gerade diese es , welche die Tyrannis nach sich zog. Also brachte
gerade das Verlassen der Bahnen Timoleon's den Syrakusanem Unglück. Amoldf s
Worte passen dagegen vollkommen auf Dion's Bestrebungen. — Mit Recht citirt Grote
VI, 155 für Timoleon's Stellung in Syrakus das Wort des Xenophon, Oeoon. 21, 12
von dem (^(Tor, ro i&eXovrtov aQ^tip * auiftog Sk 6i6ojat rois aXiidipAc <ro>if>Qcavvy rirf-
Xeofiivotg.
S. 218. Münzen des Timoleon. G. Romano, Sopra alcune monete etc. Parigi
1862. 4 nimmt an, dass der Typus des Zeus Eleutherios in allen drei Metallen von
Timoleon in Syrakus eingeführt wurde: 1) Gold. Zeuskopf. Rev. Pegasos. 2} Silber.
a) Zeuskopf. Rev. Pferd, b) Zeuskopf. Rev. Pegasos. 3) Bronze, a) Zenskopf. Rev.
Blitz, b) Zeuskopf. Rev. Pferd. Derselben Ansicht ist der Herzog von Luynes in
der Revue Numismatique 1843. Dagegen nehmen Brandis, Münz-, Maass- und Ge-
wichtssystem u. s. w. S. 277 und C. Gemmellafo, Cenno sopra una moneta ined.
' d'Imera im Giorn. Gioenio 1856, p. 26^32, an, dass der Typus des Zeus Eleutherios
in Sicilien älter ist. Von den Pegasosmünzen (Münzen mit korinthischen Typen), die
ja nach Romano in Syrakus zuerst von Dion geprägt wurden , lässt derselbe jedoch
Einige deutliche Hinweisungen auf Timoleon tragen. So deutet er das TI auf einer
Zu Buch V, Kap, 13, Seite 215—218, 473
derselben (No. 24 bei Romano^ auf Timoleou, und die Binde auf derselben Münze
darauf, dass ihm, wie Plut. T. 8 erzählt, im delphischen Tempel eine geweihte Binde
aufs Haupt fiel; in No. 21 und 22 deutet nach Romano eine Fackel auf das Omen,
welches ihm, ebenfalls nach Plut. T. 8, bei der Abfahrt zu Theil wurde. — Diese Pe-
gasosmünzen (Pallas- oder vielmehr Aphroditekopf; s. Curtius Monatsber. der Berli-
ner Akad. 1869, S. 475; Rev. Pegasos) betrachtet als die wahren Timoleonmfinzen
Raoul-Rochette, Sur les mM. Siciliennes de Pyrrhus etc. p. 244, wobei er seine
Lettre ä M. le Marquis Arditi in den Ann. d. Inst. I , p. 340 ff. citirt. Ebenders.
erklärt sich gegen die von Haus, Esame della entehre medaglia antiea, battnta in
nome di tutti i Siciliani, im Giom. delle scienze etc. XYIII, p. 71 ff. aufgestellte An-
sicht, wonach die Münzen mit der Inschrift SIKEAISiTAN aus Timoleon's Zeit sein
sollen; diese Münzen sind allerdings später, wie ihr Kunstcharakter zeigt. — Von
den Münzen mit korinthischem Typus sagt Friedländer, Das Münzkabinet, Berl. 1871,
S. 47,^ dass sie ,, vielleicht der Zeit Timoleon's angehören." Auch Curtius, Griech.
Colonialmünzen , in v. Sallet's Zeitschrift f. Numismatik I, 1, 1873, S. 15 sagt: „So
kehrte Syrakus zu den korinthischen Typen zurück , als es , durch Timoleon befreit,
sich gleichsam neugegründet als dankbare Tochter fUhlte ; auch in etwas älteren Serien
tritt zuweilen der Pegasos selbst mit Koppa wieder aui." Letzteres beruht auf der
Notiz V. Sallet's in der Wiener Numismat. Zeitschrift 1870, p. 277—70, wonach sich
in Berlin eine Pegasosmünze befindet , welche ZYPAK02ISIN und 9 hat. Ob aber
diese Münze, in der v. Sallet eins der wenigen Beispiele einer Goncordienmünze steht,
älter ist als Timoleon*? Nach allem angeführten darf daran festgehalten werden, dass
von Timoleon die S3rrakusanischen Pegasosmttnzen stammen. — Nach meiner Meinung
hat Timoleon auch den Zeus-Eleutherios -Typus in Syrakus eingeführt. Wir sahen,
dass der Pegasos auch bei diesen Münzen eine wichtige Rolle spielt. Allerdings setzt
Brandis 1. 1. die Zeus-Eleutherios-Münzen aus Bronze viel früher; aber diese Ansetzung
häng^ zusammen mit der Mommsen'schen Theorie von der Herabsetzung der Litra auf
V5 durch Dionys (von Brandis hauptsächlich als eine Erhöhung des Kupferwerthes
auf das Fünffache aufgefasst), die von mir oben bestritten ist (S. 445). Wie sehr es
zu Timoleon's sonstigem Yerüthren stimmen würde, wenn er den Zeus auch dur^h
Prägung von ^Münzen mit Kopf und Namen desselben geehrt hätte, sahen wir oben.
Der Zeus-Eleutherios-Typus findet sich, ausser in Syrakus, auch in Agyrion, Henna
und Aitna, wo er überall die durch Timoleon bewirkte Befreiung von Tyrannenherr-
schaft bezeichnen wird. Von Agyrion und Aitna ist bei Diod. XVI, 82 ausdrücklich
berichtet, dass Timoleon die dortigen Tyrannenherrschaften aufgehoben hat, sodass,
wenn wir in diesen Städten Zeus-Eleutherios-Münzen finden, diese sehr wohl von Timo-
leon herrühren können, und so ist um so mehr für die Einführung des Zeus-Eleuthe-
rios-Typus auch In Syrakus durch Timoleon eine überwiegende Wahrscheinlichkeit
vorhanden. — Durch Timoleon erst ward es wieder möglich, dass sich eine Münz-
prägung von Bedeutung ausserhalb Syrakus bildete. Es würde sich für den Nach-
weis der Richtigkeit dieser Behauptung besonders um Akragas und Gela, als *der
bedeutendsten Städte, handeln. Doch kann ich von Akragas nur Bronzemttnzen in
diese Zeit setzen, während von Gela Schubring mit Recht eine Silbermünze, die be-
kannte Eunomiamünze, in diese Zeit gesetzt hat (Schubring, Münzen von Gela S. 146}.
Schliesslich erwähne ich noch , dass Romano auch den auf Münzen von Hadranon,
Kentoripa, Tauromenion sich findenden Apollokopf für von Timoleon herrührend er-
klärt; Beziehungen Timoleon's zu diesen Städten liegen bei Diod. XVI, 68. 69. 82 vor.
474 Anliang III. B6leg;e uad ErMiiiterangen.
Sechstes Buch.
ErstesKapiteL
S. 219. Ueber AgathoklesG. Hamning, De Agatbocie Sioulo, Tr^. lSa5. 8.
Klinkmüller, De prineipatu Agatfaoclis lustino ducc^, Sor. 1844. 4. 0. Kalmus, Leben
des Agatbokles. I. Treptow 1865. 4. H. Wiese. De Agathoole SyracusaiK>riim ty-
raoDo, Mouast. 1867. S, sowie Ferrari, Der Krieg des. Agatbokles gegen K^^rthago. l.
Bril. 1872. 4, nebst Plass, Tyraunis II, 269—96; Grote VI, 737—780 und d. Art. in
Pauly's B. E. I, I, 527 — 34. Ein Programm von Chevalier, Prag 1869 über Aga-
tbokles kenne ich nicht.
S. 219. Jugend des Agatbokles. Ag. starb nach Diod. XXI, 16 (Hoesch.)
72 Jahre alt, nach einer Regierung von 2$ Jahren, im J. 289 v. Chr., er war abio
geboren 361 v. Chr. Es irrt Luc. Macr. 10, der ihm ein Alter von 75 Jahren giebt,
trotz seines Citates des Timaios. Vgl. Plass II, 270, n. 1. Zum Geburt^ahr 361
stimmt auch die Angabe des Polyb. XII, 15, dass er 18 J. alt nach Syrakus kam,
nämlich im J. 343 mit den damals von Timoleon herbeigezogenen Kolonisten; nach
Diod. XIX, 2 wäre er freilich 7 Jahre alt nach Syrakus gekommen. — Ag. Sobn
eines Töpfers und selbst TQpfer Plut. Ap. r. (Hutt. VIII, 92); Plut. de sui lau<te 13 ;
Polyb. XII, 15; XV. 35; Diod. XIX, 2; lust. XXU, 1. - Sagen Diod. XIX, 2. In
der grösseren Zahl derselben sieht Ferrari nur eine Nachdichtung der Cyrussage ; fUr
das Omen des Bienenschwarmes cit. er Plin. XI, 55; Val. M. I, 6, 4; Liv. XXIV, 10;
Ael. V. B. XII, 45. 46. Vgl. über G«lon Bd. I, S. 2U, über Dionys oben S. 4%S,
über Hieron II. lustin. XXIII, 4. — Unsittliches Leben des Agath. in seiner Jugend
Diod. XIX, 3; Tim. (Fr. 145 M) ap. Polyb. KU, 15; lustin. XXII, 1.
S. 220. Bei lust. XXII, 1 ist Aetnaeos falsch, da es offenbar die sogieioh ge-
nannten Kampaner sind, die trotz Diod. XVI, 82 in Aetna wohnen. Es musste nach
Diod. XIX, 3 Agrigentinos heissen. — Die Zeit der Heirath des Agatbokles läset
sich aus dem Umstände schliessen, dass er nach Diod. XX, 34 im J. 309 einen erwach-
senen Sohn hatte, der, selbst im J. 307 getödtet, einen Sohn hinterliess. Also mag
sich Ag. um 333 verheirathet haben. S. Fortman, Hiero p. 5o not. — Bei Diod.
XIX, 4 hätte statt xat^f46v€v fv 'IraUif stehen müssen : än^l&tv iis 'IraXiav.
S. 223. Ag. in Verbindung mitHamilkar nach lust. XXII, 2: peculiaria in ipsum
(Amilc.) officia sui repromittens (Ag.), qua spe inpletus Amilcar societatem cum eo
motu eins potentiae iungit, ut quantum virium Agathocli adversus Syracusanoe de-
disset, tantum ipse ad incrementa domesticae potentiae reciperaret. In diesen Worten
liegt die Absicht Hamilkar's, sich zum Herrscher von Kartha^ zu machen, angedeutet,
was man bisher nicht genügend erkannt hat. Ag. erhielt von Ham. 5000 Afrikaner
nach lustin. Auch Diod. XIX, 6 deutet eine frühere Verbindung mit den Karthagern
an: rot;; aur^ TtQortQoy avfÄnoQfvd-ivzas n()hg KuQx^^^vCovg, Der bei Diod. XIX, 5
erwähnte Eid firidh hnvma&r^oia&tti rjjl dtifioxQaritf ist bei lust. XXU, 2 in obsequia
Poenorum inrare, er hat also zugleicb versprochen, die Karthager nicht zu befehden.
Bei Diod. XIX , 65 werden aw&ijxM zwischen Agatbokles und den Karthagern an-
gedeutet.
S. 224. Die 600 heissen bei Diod. XIX, 5 avr^^gior, cap. 6 iT€a^t(€(, bei lust.
XXII, 2 senatue. Als Häupter werden von Polyaen. V, 3, 8 Tisarchos, Anthropinos
und Diokles genannt.
Zu Bm:h VI. K^p. J ". -'. Seite 219— 2H:3. 475
1
Zweites Kapitel.
S. 22<). Polyb. IX, 2:^ behauptet von Agathokles, 'dass, nachdem er otuoTuros
xnßa T^j' xftraaKevqv rf^s t^vraarfiag gGWQBen. sei, er spater rnufQornjog doxii ytyovivat
x€H nQtfoinrog. — Einfaches Auftreten des Agathokles — ovxi tftadijfia aviXaßtv ovrf
^o(tvifot)ovg dxtv ovrt 6vgivrtv^(Kv iCffltüafv — und Sorge für Wehrhaftigkeit der
Stadt Diod. XIX, }). Auch als er den KOnigstitel annahm, legte er kein Diadem an
Diod. XX. 54.
S. 226. Belagerung von Messana, Polyaen. V, 15 etwas abweichend jerEählt
bei Diod. XIX, 65, wo karthagische Gesandte die Eroberung der Stadt verhindern
durch Berufung auf avy&^ai. Grote u. A. bringen mit Unrecht den erst später auf-
tretenden zweiten Hamilkar in diese Geschichte hineinv Der Zusammenhang ist fol-
gender. In Sicilien gebot noch der erste Hamilkar, der Agathokles begünstigte;
aber die Behindernng des Ag. in der messenischen Angelegenheit ging vom kartha>
gisohen Senate selbst aus. Diod. XIX, 71 haben wir wieder die den Ag. fördernde
Vermittelnng des ersten Hamilkar; Syrakus, d. h. Agathokles, sollte die Hegemonie
haben. XIX, 72 wird deshalb auch Hamilkar vom karthagischen Senate getadelt.
S. 226. Akrotatos von den Aki*agantinem geholt Diod. XIX, 70. Droysen,
Hellenismus II^ 94 sagt , die Akragantiner übergehend : „Die Tarentiner nahmen den
Spartaner-KOnig Akrotatos in Sold."* Akr. war nicht König. Dr. hat hier, wie auch
sonst in diesem Abschnitt, den Tarentinern mehr Einfluss und Macht sugeschrieben,
als sie hatten. — Bei Diod. XIX, 71 schliessen Akragantiner, Geloer nnd^ Messenier
mit Ag. Frieden; c. 102 sind die Messenier die einzigen Feinde des Agathokles, und
doch komnlt ebendas. Akragas als feindlich vor.
S. 231. Zu bemerken, ist die Aeusserung von Diod. XIX, 72: x'^qU y«Q rwr
av/Lt^axtov xcti kov älktov rtav fx ^vQrtnovätüv xnraygaff^vttov iig thv OTQardap uia^o-
(poQovg inil^xiovg il^f TteCovg fiii> fivQ^ovg, Innug i5h TQtaxtXiovg nfvTrtxocfiovg. Die
xarayQatf^ftfg sind also ausgehobene Bürger, und Ag. hat an Söldnern nur 10,000
zu Fuss und 3500 Reiter. Wenn wir dagegen lesen (Diod. XVI, 9), dass die von
Dionys I. hinterlassene Macht betrug: 100,000 M. zu Fuss und* 10,000 Heiter, welche
nicht syrakusanische Bürger gewesen sein können, so sieht man, dass Agathokles
mit mehr Syrakusanem und weniger Söldnern regierte als Dionys. Hierbei ist aller-»
dings nicht zu übersehen, dass wohl die meisten Syrakusaner unter Timoleon herein-
gekommene Neubürger waren ; es fehlte ihnen die alte Anhänglichkeit an Syrakusens
frühere freie Verfassung. Auch die anderen sicilischen Städte stellen dem Agathokles
Tmppen, Diod. XIX, 72. XIX, 71 wird ihr Verhältniss so bestimmt rag cT' iMm
ndaag avrovofdovg eimi, rrjv rfyt^oviav i^ovriav £vQaxoa((t)v.
S. 232. Der zweite Hamilkar Gisgonis filius genannt von lust. XXII, 3. Nach
Diod. XIX, 106 kommt er erst im J. 3)1 v. Chr. nach Sicilien; aus lustin ist jedoch
zu schliessen , dass er bereits vor diesem Jahre dort gewesen ist , offenbar seit dem
J. 314, wo der erste Hamilkar abgesetzt wurde Diod. XIX. 72. Vgl. A. Schäfer im
Rhein. Mus. XV, 393—395, Wiese p. 33 und Grote VI, 742, über dessen Irrthum in
Betreff des ersten Auftretens des zweiten Hamilkar oben gesprochen ist.
S. 232. Handabhauen von den Karthagern geübt Diod. XIX, 103. Grote VI,
745 n. 25 bemerkt, dass sogar Caesar das tbnn Hess: B. G. VIII, 44. Bei Diod. XIII,
57 sind es die Hände der Getödteten, die umhergetragen werden.
S. 233. Schlacht gegen die Karthager am Eknomos Diod. XIX, 108. 109; kurz
, abgefertigt von lust. XXII, 3. Vgl. Schubring, Hist.-geogr. Studien über Altsicilien,
im Rh. Mus. N. F. XXVIII, S. 134: „Die Schlacht wurde lange verzögert, bis die
Griechen von einem Hinterhalte aus Detaohements der Karthager vernichteten. Dieser
476 AnhaDg III. Belege und Erläuterangen.
Hinterhalt wird hinter der Kuppe nördlich von Casa Ferrami, 53 Meter hoch, verbor-
gen gewesen sein." Nachdem die Griechen geschlagen sind, flieht ein Theil „nach
Norden am Fluss entlang, ein Theil durch denselben nach dem Lager."* C. Filib.
Pizzolanti, Delle memorie istoriche deü' antiea citta di Gela, Pal. 1753. 4, hält das
heutige Licata für Grela, wo dann allerdings die geographische Disposition dieser
Schlacht einige Schwierigkeiten macht. Er kann dann natürlich den Eknomos nicht
mehr flir den Berg unmittelbar an Licata erkl&ren, er muss ihn etwas weiter nach
Westen setzen. Er nimmt deshalb an, dass das karthagische Phalarion S. Nicoolo-
Polixia war, und dass Agathckles in Rakalmallina, Östlich vom Himeras, aber nörd-
lich vom Stretto, stand, wo man, worauf P. Gewicht legt, den Fluss zu Fuss durch-
schreiten kann. S. Niccolo und Rakalmallina sind 5 Mill. von einander entfernt, was
die 40 Stadien ausmacht, Über die sich nach Diod. XIX, 109 der Rückzug ausdehnte.
Bei dieser Anordnung der beiden Lager bleibt immer die Frage, warum Agathokles,
der ja Gela, nach Pizzolanti, Licata hatte, sein Lager soweit nOrdÜch von dieser Btadt
legte, wenn die Feinde so nahe im Westen, bei Polixia, standen , und wie er es an-
fing, als Geschlagener wieder in ihre Nähe, nämlich nach Gela-Licata zu rttcken. Es
ist also Pizzolanti B Annahme: Grcla = Licata , unmöglich. — Bei Diodor bleibt eine
Schwierigkeit. XIX, 109 sagt er von den geschlagenen Griechen: ^(fevyov <r ol fiiv
üg rov ^JfiiQuv norafiov , ol (T tig trir n€tQ(fißoXiiv, Auch die in das Lager Fliehen-
den mussten ja über den Fluss. Schabring's oben cit. Erklärung : ,^ein Theil am Fluss
entlang, ein Theil durch denselben nach dem Lager" entspricht wenigstens nicht den
Worten Diodor's.
S. 234. In diese Zeit scheint die von Polyaen. VI, 41, 1 erzählte Begebenheit
zu gehören. — Wann erobert Agathokles Leontini: Polyaen. V, 3, 2?
Drittes KaplteL
S. 235. Zug des Agathokles nach Afrika Diod. XX, 3—18; 29—34; 38--44;
54 — 72, wo auch die gleichzeitigen sicilischen Begebenheiten erzählt sind. lust. XXH,
4—8. Ferrari, Der Krieg des Agathokles u. s. w. S. 19 ff.
S. 236. Nach lust. XXII, 4 ziehen 1600 Syrakusaner aus der Stadt fort; von
Mord ist keine Rede. Anders Polyaen. V, 3, 5.
S. 237. Datum dbr Sonnenfinstemiss Wiese 39 n. 1.' Bei Frontin I, 12, 9 ist
aus der Sonnenfinstemiss eine Mondfinstemiss gemacht.
S. 238. Verbrennung der Schiffe Diod. XX, 7; lust.« XXII, 6. ^ Dass
Agath. sich bemühte, sich rechtzeitig Schiffe wieder zu verschaffen, sieht man aus
der Notiz bei App. B. Pun. 67, dass sich von Ag. angelegte vet^w in Hippagreta
, zwischen Karthago und Utika befanden. — Wegen des Yerbrennens der Schiffe vgl.
Thuk. III, 85 und Diod. XVH, 23.
S. 238. Ueber den Marsch des Agath. spricht Grote VI, 750 nach Barth,
Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeeres I, 131 — 133.. B. nimmt an,
Ag. sei gelandet an der Ostseite des westlich von Cap Bon (Prom. Mercurii) gelegenen
Meerbusens. Hier, finden sich sehr ausgedehnte Steinbrüche, entsprechend Diod.
XX, 6 : unoßtßaaas r^ 4vva/jiv jiQog rag xaXovfiivai uiaxo^iag. Auch Megalepoh's
(Diod. XX, 8} setzt B. hierher. — lust. XXU, 5 bezeichnet die karthagischen Städte
als sine uUis munimentis. Vgl. Grote VI, 750, n. 38. Nach Procop. B. Vand. I,
5,. 15 Hess auch Geiserich alle Städte seines Gebietes, ausser Karthago, aus Mistrauen
unbefestigt, was dann ihre Eroberang durch Belisar begünstigte.
S. 238. Es heisst bei Diod. XX, 8: nqog thv uitvxov Tvvrita »alovfi€vov
'^^vafiv^ag ^)^iiQwCaro ti^ nokiv^ anix^vCuv KoQX^^^^og diCx*^(ovg Crttdiüvg, Hier ent-
Ztt Buch VI, Kap. 2 n. 3, Seite 234—252. 477
stehen zwei Fragen: ist ^evxos Tvvmg gleich Tt^; nnd lAt die Zahl 2000 lichtig?
Wesseling nimmt die beiden Städte als verschieden an; Grote VI, 75], n. 40 dage-
gen für identisch. Da nun Tunes bekanntlich nahe bei Karthago liegt (120 Stad.
nach Pal. I, 67, XIV, 10; 15 mp. nach Liv. XXX, 9), so nimmt Grote einen Irrthnm
in der Zahl 2000 an. Gr. erinnert daran, dass Tunes oft der Ausgangspunkt der
Operationen gegen Karthago war: im J. 396 Diod. XIV, 77 ; bei Begulus Polyb. I, 30;
bei Matho und Spendius P0I..I, 73. So ist es auch in unserem Kriege Diod. XX, 17
der Fall. Es fragt sich nur, ob XX, 17 und XX, 8 dieselbe Stadt gemeint ist. Da
nun XX, 8 steht: xarioxatpi rag nolnQ^ WO auch Weiss-Tunes inbegriffen ist, XX,
1 7 aber Tunes Mauern hat, so nehme ich Weiss-Tunes als von Tunes verschieden an.
Die 2000 Stadien bei Diodor XX, 8 halte ich jedoch unter allen Umständen für falsch.
S. 239. lieber Bomilkafs Absichten lust. XXII, 7, wo er selbst auf Amilca-
rem, patruum sunm, hinweist. — Schlacht bei Diod. XX, 10^13. Grote VI, 752
findet die karthagische Macht: 40,000 M. zu Fuss und 1000 Reiter, nicht zu gross,
da noch im 3. pun. Kriege die Stadt 700,000 £inw. hatte : Str. XVIII, 3, 15. — Be-
schreibung der ehernen Bildsäule des Kronos Diod. XX, 14. — Nach Movers, Phö-
nicier I, 300 wurden anfangs einzige Kinder als Opfer verlangt.
S. 242. Zwei Gesandtschaften nach Syrakus nimmt an Wiese p. 46.
S. 242. Grote VI, 755, n. 48 spricht Über die sich ans Diod. XX, 17 ergebende
Lage von Hadrumetum. Wegen des dort gesehenen Feuers mttsste es HamamalTsein.
Da aber aus anderen Gründen wahrscheinlich sei, dass Hadrumetum bei Susa lag, so
sei Diodor's Angabe unrichtig, und er hätte in diesem Zusammenhange nicht von
Hadrumetum sprechen sollen.'
S. 243. lieber die Lage des £uryelos mit Rücksicht auf den von Diod. XX,
29 gewählten Ausdruck iS^ntaif;av, welcher anzudeuten scheint, dass der Enryelos
ausserhalb des Festungsringes von Syrakus lag, habe ich oben S. 386 gesprochen.
S. 246. Echetla, welches Diod. XX, 32 im Znsammenhange mit den €(ebieten
von Leontini und Kamarina erwähnt, sucht Schubring, Studien u. s. w. Rh. Mus.
N. F. XXVIII, S. 112 in Vizzini oder Licodia.
S. 247. Sohn und Enkel des Agalhokles heissen bald Archagathos. bald Aga-
tharchos.
S. 249. Heber die Zustände in Kyrene vgl. Grote Vi, 761 ff. Ders. 765 über
den neginXovg des Ophelias nach Str. XVIII, 3, 3. — Die Soldaten des Oph. hatten
auf dem Marsehe eine Zeitlang nur Lotos zu essen: Theophr. H. PI. IV, 3. >- lieber
den Marsch Diod. XX, 42; Grote VI, 766, n. 86 vergleicht die Schilderung bei Lucan.
Phars. IX, 382 — 940. -r lieber den Ontergang des Ophelias berichtet auch Polyaen.
V, 3, 4, dass Ag., nachdem er erfahren üpai (piXonatia, o/ti^^oy avrtp rov t^iov vlov
oUytüp IjfAtQtSv. So wird des Ophelias Aufmerksamkeit von Agathokles abgezogen,
und dieser kann ihn überfallen und tödten.
S. 252. Bei Diod. XX, 54 ist a(ptartix6tag schwer erklärlich , da Agath. Utika
ja noch nicht gehabt hatte. Deshalb conj. Wiese 54, n. 2 avTecf^rixoTac, Grote VI,
768, n. 93 ovx dtptaxrixoTag, Vgl. Polyb. I, 82. A. Schäfer, Rh. Mus. N. F. XV, 397
vertheidigt jedoch aiftatiixojag durch die Erklärung: Utika sei wie andere nobilis-
simae urbes (lust. XXII, 6) zu Agath. ttberg^angen, dann aber wieder zu Karthago
zurückgetreten.
S. 252. Da nach Diod. XIX, 7 1 Agath. Selinus den Karthagern abgetreten hatte,
so konnte statt üg ^eXtvovvra XX, 56 etg t^v JEeXtvowriav gelesen werden. — Den
Umstand, dass bei Diod. XX, 56 Kepfaaloidion und Heraklei« zusammen ge-
nannt werden, hat man zur Erklärung der Münzen benutzt, welche beider Städte
Namen zusammen tragen. Diese MüAzen sind zum ersten Mal genau beschrieben
478 Anlianf? III. Belege und Krlatiteningeii.
worden von Dr. Imhoof-Blamer in den Berliner Blättern u. s. w. Bd. V. Die Inschrift
ist auf dem A^vers EK KE^t^AAOr.ilOY, auf dem Revers HPAKAEiaTAN, Es ist
also eine Münze der Stadt Uerakleia, aber die Einwohner derselben stammen aas
Kephaloidion. Es wäre wUuschenswerth, die Gelegenheit angeben zu können, bei der
eine solche Besiedelung Herakieia's durch Kephaloiditaner stattgefunden hat. Positive
Kachrichten darüber fehlen. Nun war Uerakleia noch zur Zeit Dion's karthagisch
und hiess Minoa Diod. XVI, 9; Plut. D. 25; wurde aber, da es östlich vom Halykos
liegt, durch Timoleon hellenisch. Wie nun Timoleon flir neue Einwohner in Akragss
und Gela sorgte, wird er es auch mit Uerakleia gemacht haben, und diese Uera-
jkleioten sind nach unseren MUnsen aus Kephaloidion gekommen. So erklärt sich die
Inschrift. In derThat ist bei Diod. XIX, 71 Herakleia wieder eine hellenisebe Stadt.
Auf dem Zuge des Agath. durch die Insel sind nach Romano die bei Cammarata
gefundenen Münzen vergraben worden, welche den Ausgangspunkt fiir die Schrift
Sopra alcune monete etc. Par. Ib62. 4 bilden.
S. 253. Ueber die von Eumachos (Diod. XX, 57. 58) eroberten Städte sagt Grote
VI, 770, n. 97, es sei ein vergebliches Bemühen, sie genau bestimmen zu wollen.
,,Das zweite Hippuakra soll Hippo Regius sein, Toka mag vielleicht 'Fueoa Terebin-
thina in Byzakion sein.''
S. 254. Bei Diod. XX, 00 ist für ^y rj noXu vielleicht zu lesen Iv nn tiöIh.
S. 254. Die etruskische Hülfe für Agath. (Diod. XX, 61) ist ein interessantes
Factum. Die Etrusker sind 'den R5mem im J. 307 feindlieh, weangleloh niclit in
offenem Kriege. Die Römer schliessen 306 einen Vertrag mit Karthago. Allerdings
hat Ag. auch sonst etruskische Söldner (Diod. XIX, 106; XX, 11; XXI, 3); aber die
18 Schiffe sind doch von Stadtbehörden geschickt. So ist das Zusanmenstehen von
Etrurien und Syrakus^m J. 307 gegen Rom und Karthago bemerkenswerth.
S. 255. Ag. nimmt den Königstitel an Diod. XX, 54, nachdem Antigenes ihn
angenommen hatte, 307 v. Chr. Droysen, Uellenism. I, 454 hat jene Annahme durch
Antigonos 'in 306 v. Chr. gesetzt, woraus dann auch i"^ A^Üiokles sich dasselbe
Datum ergäbe. Diodor bringt sie bei Agathokles in Verbindung mit dem Angriff aaf
Utika, äer 307 zu setzen ist. > Uebrigens brauchte sich Agadiokies in dieser Hinsicht
nicht nach Antigonos zu richten; er konnte Dionys vor Augen haben; s Kirchhoff
im Philol. XII, 576. Es ist jedoch keineswegs sicher, dass Droysen Recht hat, eine
Anzahl von Begebenheiten in 306 zu setzen, die nach Diodor in 307 fallen.
S. 256. Zur Opferung der schönsten Gefangenen durch die Karthager (Diod.
XX, 65) citirt Grote VI, 773, n. 10 Herod. VII, 180 von den Persern.
S. 257. Rückkehr des Agathokles nach Afrika erst im J. 306 nach Plass H.
287, der nachzuweisen sucht, dass hier, wie oft, Diodor zu viel in ein Jahr zusam-
mendrängt.
S. 258. Vertrag zwischen Rom und Karthago im J. 306 nach Liv. IX, 43; vor-
her im J. 348 nach Liv. VII, 27-, 344 nach Diod. XVI, 69. Die Verträge stehen bei
Polyb. III, 22 ff., der freilich den ersten in das J. 509 v. Chr. setzt. Dass diea jedoch
irrig ist, hat Mommsen, Rom. Ghronol. S. 320 ff. erwiesen. Vgl. Mommsen, R 0.
19, 417. 419. 500; dazu jedoch auch Aschbach, Ueber die Zeit des Abschlusses der
zwischen Rom und Karthago errichteten Freundschaftsbündnisse, Sitzungsber. derphil-
hist. Classe der Wiener Akademie. 1859, und bes. S. 434 daselbst. Das Jahr 3U6 ist
also von grosser Bedeutung: Auseinandersetzung zwischen Rom und Karthago; Auf-
geben Afrika's durch Agathokles ; definitiver Auseinanderfall des grossen makedoni-
schen Reiches: Rom und Karthago bleiben als Hauptmächte auf dem Schauplätze.
Zu Buch VI. Kap. 3 ii. 4, Seite 252— i6S. 479
Yiertes KftpiteL
Hauptquelle Diod. XX, 71. 72. 77. 79. 89. 90. 101. 104. Fragm. des XXI. Boches.
8. 258. Des Agathokles Grausamkeit gegen Segesta Diod. XX, 71. Grote VI,
77G vergleicht damit die That der Pheretime in Barka bei üerod. IV, 202. Man
künnte der Ansicht sein, dass nicht zur AlMchreckung, sondern nur um Geld zu be-
kommen, Agathokles in Segesta gewüthet habe, doch glaube ich das nicht.
S. 258. In den Friededsbedingungen Diod. XX, 79 deuten die Worte rac nolng
Tifiaac Tag ngotiQov vn aifzove yiyfvrifjiivag darauf hin, dass die alte Halykösgränze
wiederhergestellt wird. — Nach Val. Max. 7,4,1 wäre Friede zwischen Karthago
und Agathokles geschlossen worden, während dieser noch in Afrika stand. S. über
die UnmöglKhkeit solchen Friedens A. SchSfer im Bh. Mus. N. F« XV, S. 394.
S. 260. Bei Diod. XX, 89 statt «vo tw^s loifov wohl ano tov loipov zu lesen,
da der X6<fos schon erwähnt ist. — lieber die Orte ToQyiov und *L4fißuefg bei Diod.
XX, 89 spricht Corcia, Delle antiche citt& della Sicilia d'ignota situazione, Nap.
1 S69. 4, p. 52 .ff. ; für Togyiov ist die handschr. Lesart roQytov , schon von Cluver
jedoch in Togyiov emendirt, nach Hesych. T&^iov o^og h £ixiUtfy onov veoTttvovatv
oi yvnes, a(f* ov xal avrol roQyot. Corcia findet Tögyiov in Galtavuturo, was castello
degli avoltoi bedeute, wieder.
S. 260. Der bei Diod. XX , 90 vorkommende unklare Ausdruck : dniij xQ^vov
avaX<6aag ttg ri^ rcS»* noUfJLi^v nagudootv^ von D&iuokrates gebraucht, ist von Piass
II, 291 richtig so gedeutet worden , dass er sich auf die nun folgenden zwei Jahre
bezieht. £r enthält nicht etwa eine Becapitulation. Deshalb unterlässt es Diodor,
der diese Andeutung für genügend gekalten haben muss, in den nächsten Jahren von
Sicilien zu sprechen, und es kommt in den 3 folgenden Jahren von sicilischen An-
gelegenheiten nur der Ueberfall von Lipara vor.
S. 261. Expedition nach Lipara Diod. XX, 101. Kallias handelte ausfuhrlich
davon, wie er auch von den Bömem ausftlbrlich handelte , mit denen Ag. in Berüh-
rung gekommen sein muss. Die Bemerkung über die Bache der Götter ist offenbar
Timäisch.
S. 261. lieber Kleonymos Diod. XX, 104; Liv. X, 2; Ar. mir. 78, vgl. J. J.
Bospatt, Kleonymos von Sparta in Italien, Philologus 23, 72 ff. Gegenüber der
Ueberschätzung der Wirksamkeit des Kleonymos durch Droysen II, 95. 96, vgl. die
kurze und treffende Charakteristik bei Mommsen B. G. I^ 378.
S. 261. Agathokles und Kerkyra Diod. XXI, 2. Droysen I, 559. 560, der in
Anm. 14 dieser Seite auseinandersetzt, welche Beziehungen zwischen Ptolemaeus und
Agathokles sich aus der kerkyräisohen Expedition des Agathokles schliessen lassen.
Hierher geh(ht Polyaen. V, 3, 6, da Phoinike, wie Droysen 560 nachweist, die Ker-
kyra gegenüberliegende Stadt ist. Allerdings giebt der unerwartete Ausgang des
Krieges um Kerkyra dem Gedanken Baum , ob nicht die GrOsse des agathokleischen
Sieges übertrieben ist.
S. 262. Agathokles überfällt Kroton, Diod. XXI, 3. 4; Inst. XXIII, 1. — Ueber
des Ag. Verbindung mit Pyrrhos Plut. Pyrrh. 9. 10; Diod. XXI, 4. In Betreff der
Heirath des Pyrrhos und der Lanassa sagt Droysen I, 577 Anm. 57 : „Offenbar musste
Ptolemaeus diese Verbindung befördern, damit der Vertreter seiner Sache in Grie-
chenland desto grössere Gewalt erhielt/
S. 262. Auch der Tyrann Nabis von Sparta trieb ein Seeräubergeschäft im Grossen,
Polyb. XIII, 8 ; ebenso der l'yrann Kleon von Sikyon Ael. V. H. XII, 43.
S. 263. Agathokles und Hipponion Diod. XXI, S: inivtiov des Ag. in Hip-
poüion Str. VI, 1. 5. Ueber viioQi^ des Ag. in Hippagreta in Afrika s. o. S. 476.
480 Anhang IIT. Belege und Erläuteningeu.
S. 263. Tod des Agathokles. Diod. XXI, 16 spricht von Gift. Inst. XXIII, 2
redet von vis morbi, was keinen Widerspruch gegen Diodor enthält, da der morbus
ja aus Gift entstehen konnte. Dagegen entstehen allerdings bei ihm die Streitig-
keiten zwischen Sohn und Enkel aus dieser desperatio. Das Gejammer bei Instin
rUhrt Br. de Presle 333 wirklich. Politische Gründe für die Rücksendung der Theoxena
wirksam : Droysen I, 602 und 560.
S. 264. Urtheil ttber Agathokles Polyb. XV, 35. Ag. selbst auf TOpferei hin-
weisend Diod. XX, 63; Flut. Ap. R. (Hutt. VUI, 92), wo auch andere Anekdoten
von Agathokles. Ag. empfindlich wegen seiner KahlkOpfigkeit Diod. XX, 54; Ael.
V. H. XI, 4. '
S. 264. Nach Ar. Mir. 106 findet Ag. bei den Peuketiern an einer Hirsehkuh
eine ihr von Diomedes angelegte /oilx^ füll, die er üq ro rov Awq Uqov stiftete
Aehnliche Sagen bei vielen Völkern. Hier sollte sie den Agathokles als würdigen
Nachfolger des Diomedes in der Achtung und dem Gehorsam der Einwohner Cala-
briens bezeichnen.
Fttnftes Kapitel.
S. 266. Timaios. Nach Suid. ^Avd^ouaxov TavQofiivCtfis. Nach Diod. XXI. 17
tfvyndfy&tU vn l4ya&oxk^ovg (x rrj^ 2iJifU»g. Müller, Fr. bist. gr. I, p. L nimmt an,
das sei 310 v. Chr. geschehen, wollir er Diod. XX, 4 citirt. Doch ist hier von Mord
die Rede ; freilich spricht lustin anders s. o. Ich denke vielmehr an Diod. XIX, 72,
wonach Agath. 314 v. Chr. nach dem Frieden mit den hellenischen St&dten der Insel
aSfiSi TTQogriyiTo rag noUtg xal tu x^Q^'^- Damals wird Ag. auch Tauromenion an
sich gebracht haben, und Timaios ist vielleicht sofort nach Athen gegangen, wo er
nach Polyb. XII, 25 h nfvrijxovra awe^tis hrj, nach dems. XII, 25 d oxf^hv hti ntr-
T^xovra zubrachte. Falls er wirklich sogleich nach Athen ging, kann mit MfiUer 1. 1.
angenommen werden, dass er nach Verlauf der 50 Jahr^ wieder nach SicUien zurSck-
kehrte ; da aber mOglich ist, dass er sich zuerst noch anderswo aufhielt, kann er auch
in Athen gestorben sein. Auch lieg^ in den Worten des ^Timaios bei Pol. XU, 25 h
nicht nothwendig, wie Mttller meint, dass er, als er sie schrieb, nicht mehr in Athen
war. Ueberdies wird einem OOjährigen Manne eine Seereise nicht gerade leicht, und
zur See mttsste er doch Athen verlassen haben. — Ueber den Stil des Timaios nr-
theilen Cic. de or. II, 14; Brut. 95; Dionys. Halic. II, p. 15; Plut. Nik. 1. — Ti-
maios von der Geburt Alexander's bei Cic. N. D. II, 27 (Fr. 137); über den Tod
des Euripides Plut. Symp. Qu. VIII, 1 (Fr. 119); über Hermokrates De subl. IV, 3
(Fr. 103) und Plut. Nik. 1 (Fr. 104) ; über Alexander und Isokrates De subl. IV, 1
(Fr. 138); Rede Timoleon's vor der Schlacht Polyb. XII, 25 (Fr. 134); Rede des Her-
mokrates Polyb. XII, 25, 0. p. (Fr. 97). — Siehe übrigens das ttber Timaios Gesagte
Bd. I, S. 311. 12.
S. 269. Dikaiarchos. Vgl. Dicaearchi fragmenta ed. Fuhr, Darmst. 1841.
Müller in den Fragmm. bist. gr. II p. 225 ff. und von Sicilianem I frammenti gred di
Dicearco, raccolti, tradotti ed illustrati dal d. Celidonio Errante. 11 voll. Pal. 1823. 8.
Vgl. V. DitJiovanni, Storia della filosofia in Sicilia. Vol.^ I, PaL 1873. 8, p. 80-S3.
Nach Suid. *t>€td(ov, ^ixehtStrigt ix noletog Meaaifvrig, 'jiQtatoxihovg äxovarijc, qnlo-
aoifog xal ^riitoQ twI yttouiTQrig. Beziehungen zum Peloponnes Cic. ad Att. VI, 2»
und wegen der von Suid. erwähnten Schrift xarafAftQi^aeig jüv iv ITtXonornjaip 6^m.
— Seine Lehre von "der Seele Cic. Att. XIII, 32; Cic. Tusc. I, 10; I, 31 (Fr. 62 und
65 M) (animos esse mortales) ; in jener Stellß wird der sermo quem Corintbi habitum
tribus libri exponit, in dieser tres libri qui Lesbiaci vocantnr, erwRhnt. Die Seele
Zu Buch VI, Kap. 4 u. 5, Seit« 26;i— 27a* 481
Harmonie der vier Elemente Plat. plac. phil. IV, 2, 5 (Fr. 64 M), de hominum interitu
Cic. cons. ad Tutl. (Fr. 68 M). Wenn man bedenkt, dass die vier Elemente des Di-
kaiarchos im Grunde dieselben sind wie die des Empedokles, so erscheint es bemer-
kenswertb» dass auch bei Empedokles die harmonische Mischung der Elemente eine
wichtige Rolle spielte (Bd. 1, S. 272). Allerdings haben wir keine eigentliche
Seelenlehre von Empedokles-, aber ist denn eine Seelenlehre mit den Grundsätzen
des Dikaiarchos vereinbar? Auch Dikaiarchos' Festhalten an der Weissagung stimmt
zu der Zauberlehre des Empedokles. Ich kann nicht umhin, hier Reminiscenzen eines
sicilischen Philosophen an einen anderen zu finden. Ueber Weissagungen Plut. plac.
phil. V, 1, 4 (Fr. 70 M); Cic. de div. I, 50 (Fr. 69 M). Di Giovanni sucht den Wi-
derspruch zwischen der Materialität der Seele und der Möglichkeit der Weissagung
durch die Annahme zu beseitigen, dass D. einen Unterschied zwischen der sterblichen
Seele und dem unsterblichen Geiste gemacht habe. Titnl r^g tis TQOifwriov xara-'
ßdanüs Ath. XIV, 641; XIII. 594 und Cic. ad Att. VI, 2 (Nachtheil der Lage Grie-
chenlands) (Fr. 71— 73M), dass ein guter Staat kein Seestaat sein müsse-. Plat. Legg.
V, 747. — D. regum cura permensus montes Plin. H. N. II, 162 (Fr. 53) ; Höhe des
Atabyrios : Gemin. elem. astron. (Fr. 5S). — Landkarten L. D. V, 51 ; Cic. ad Att.
VI, 2; yrig ntQioJoe erwähnt lo. Lydus de menss. p. 164 (Fr. 52). Scheidung der
Länder rouj tv!hi((t ax^nit^ Agathem. Fr. 55 M. Ausdehnung der Erde ebendas.
(Fr. 54); die Erde globosa Marc. Cap. VI, 590 (Fr. 53). — Ueber die negiiiyijaig
'EXkidog Malier Geogr. min. I, 297 ff., sowie 238 ff., nebst Einleitung L ff. und LXXX,
sowie Müller, Fr. hist. gr. II, 230 ff. — h nQuini» tkq) ßitar erwähnt L. D. III, 4
(Fr. 24;. — Ueber des D. homerische Studien, Sengebusch, Homerica dissertatio prior
p. S4--86. — 7r*(>k "Alxaiov Ath. XV, 668 (Fr. 34), xorraßos und Xotrayri als sicilische
Wörter nachgewiesen von Dikaiarchos Ath. XI, 479; XV, 666; vgl. 0. Jahn, Kotta-
bos auf Vasenbildern, im Philologus XXVI, 2, S. 218 ff. - Ueber Sophokles, Euri-
pides und Aristophanes s. die Fragmente 37 — 42 bei M. — Ueber die Wettkämpfe
s. die Fragm. 43-47 M. — Ueber den ßiog'EXXdJos spricht ausführlich Müller p. 228 ff.,
der auch die Ansichten Anderer erwähnt. — m^l rijg h 'fXt'tfi &vafag Ath. XIII, 603
(Fr. 19 M). — Die Fragmente des T^inoXtrixog Fr. 22. 23 M, vgl Osann, Beitr. z.
griech. n .röm. Literat. II, p. 9 ff. Die Fragmente stehen bei Ath. IV, 141 ; Phot. 37
[il^og noXiiiing ^ixaiuQXfxov]; vgl. auch Cic. ad Att. XIH, 32. — Vorlesung der
TioXiTiCa ZnitQTiaT(3v in Sparta nach Suid. s. v. ^lixaittQx^g. — Dass Cicero zu seinem
Buche de gloria den Dikaiarchos benutzte, nahm Osann an.
S. 272. Euhemeros. Ueber ihn werden bereits in Panly's R. E. folgende
Arbeiten citirt : Sevin, Recherches sur la vie et les ouvrages d'Evh^möre, in den M^m.
de l'Acad. des Inscr. T. VIII, p. 107 ff.; Fourmont, Dissertation surl'ouvrage d'Evh^-
m6re ebendas. XV, 265 ff. ; Foucher , Sur le Systeme d'Evh^m^re ebendas. XXXIV,
435 ff., 462 ff. ; XXXV, 1 ff.. 39 ff. ; ferner Abschnitt in Fabricii Bibl. Gr. III, p. 616;
in Creuzer's Symbolik I, 1 , p. 113 ff. der älteren Ausgabe ; Böttiger, Ideen zur Kunst-
mythologie I, p. 186—195; Hoeck, Kreta III, 326 ff.; Lobeck, Aglaoph. I, 138 ff.;
Clinton, Fast! Hellen. I, p. 481 ff. Dazu ist noch gekommen: ein Aufsatz Über
Euhemeros in Gerlach, Historische Studien I, p. 137—154; Ganss, Quaestiones Euhe-
mereae, Kempen 1860. 4; C. M. Kan, De Euhemero, Gron. 1862. 8. — Ueber die
Stellung des Euhemeros in dem System der Mythologie s. auch Preller in Paulys
R. E. V, 348; über die neueren Euhemeristen vgl. Petersen, Griech. Mytholo«:ie in
Erach und Gruber's Encycl. Sect. I, Bd. 82, S. 29. 30. Narbone in s. Bibliografia
Sicola, Pal. 1850, I, p. 35 citirt noch: Frammenti raccolti etc. da Celidonio Errante,
s. 1. et a. und Gius. Grosso Cacopardo, Memorie di Evhemero, nel Maurolico No. 6,
Mess. 1833. Nur in geographischer Beziehung behandelt Euhemeros: Ph. H. KUlb,
Holm, Qeiich. SiciUonA. II. 3 1
482 Anhang III. Belege und Erlftatenmgen.
Länder- und Völkerkunde in Biographien, Berlin 1846, Bd. I, S. 137—141. — Euhe-
meros aus Kos: Ath. XIV, 658; aus Tegea Flut. plac. phil. I, 7; aus Akragas Clein.
AI. Protr. p. 20 Potter; Amob. adv. gentes IV, 29; nach gewöhnlicher Annahme
aus Messene, nach Polyb. bei Strab. II, 4, 2; Ael. V. H. II, 31 u. A. Gewöhnlich
wird dies Messene für das sicilische gehalten; doch muss man gestehen, dass ein
besonderer Grund dafür bisher nicht vorgebracht worden ist. Gauss meint, dass der
freidenkende Philosoph wahrscheinlicher ans einer Kolonie stamme als aus dem eigent-
lichen Griechenland, wo in religiösen Dingen nicht dieselbe Freiheit herrschte. Der
Grund ist nicht sehr triftig, denn er lebte keinenfalls viel in Sicilien und hat doch
die Freiheit gehabt, welche Gauss für die Aufstellung seiner Lehre in Griechenland
vermisst. — Das Epitheton B(Qyatog, welches ihm Eratosthenes beilegte Str. II, 4, 2
und I, 3, 1, bezieht sich nur darauf, dass er ihn für einen LUgner erklärte; der als
Lügner berüchtigte Antiphanes hatte seine Vaterstadt Berga in Verruf gebracht. —
Nach Diodor VI bei Euseb. praep. ev. II, 2 war Euhem. Zeitgenosse des Königs
Kassandros, der Ol. 122, 3 starb, und in den letzten drei Jahren seiner Regiertm^
wohl zuerst die Müsse fand, an die Veranstaltung von Seefahrten zu denken. — to
TQlrov TJ}f IfQaq atayQat^tis citirt von Ath. XIV, 658; leQttl avayQaifttC pflegten in den
Tempeln vorhanden zu sein. Bericht über den Inhalt des Werkes bei Diodor VI.
erhalten in Euseb. Praep. ev. II, 2; femer Diod. V, 41 — 46, wo die Insel Panchaia
beschrieben wird, ohne dass freilich des Euhemeros Name genannt ist. Panchaea ward
für wirklich existirend auch von den Römern gehalten: Verg. Georg. III, 139; IV.
379; Ov. Met. X, 309; Tib. III, 2, 33. Vgl. Ktilb I, 141. Die übrigen Stellen, in
denen Notizen aus Euhemeros gegeben werden, sind nach der Reihenfolge bei Kan,
p. 40 if.: Lactant. de falsa rel. I, 17 (Venus); Ath. XIV, 658 (Harmonia); Hygin
II, 12 (Minerva); 13 (Pan) ; 42 (Venus); Minuc. Felix, Oct. p. 189 (Geburt und Gräber
der Götter) ; Etym. M. s. v. ßQOjo^, Es urtheilen femer über ihn Cic. N. D. I, 42;
Plut. Is. Ob. 23; Sex. Emp. adv. Math. I, 17; Festus s. v. Sus Minervam; Lact, de
ira-ll; Amob. adv. g. IV, 29; August. Civ. D. VI, 7; VII, 26; Theophil. ad Antol.
III, p. 75; Lydus de mens. p. 224. — Von den Atlantiera spricht Diod. III, 56— f»l.
— lieber die Uebertragung des Euhemeros in's Lateinische durch Ennins, wovon
Fragm. erhalten sind bei Lactantius, s. Vahlen, Ennianae poesis reliquiae, Lips. 1^54.
Quaestiones Ennianae p. XCIII. Gegen Vahlen nimmt Gauss p. 9 an, dass die Ueber-
tragung des Ennius in Prosa war.
S. 276. Philemon nach Str. XIV, 5, 8 aus Soloi in Kilikien, nach Suid. Hcsyeh.
Eudok. und dem Anon. itfQl xto^. aus Syrakus, nach dem Anon. seit Ende Ol. 112
in Athen als dramatischer Dichter aufgetreten. Unter seinen Stücken war auch ein
S! 276. Ueber Achaios, Sosiphanes, Apollodoros s. die Literaturgeschichten.
Eudoxos L. D. Vin, 8, 5. — Boiotos Ath. XV, 698 und Alex. Aet. ibid. 699. -
Ueber Kall las und Antandros ist die Hauptstelle Diod. XXI, 17; vgl. dens.
XXI, 16. Antandros wird nur an jener Stelle erwähnt; Kallias auch sonst; vgl.
Müller, Fr. H. Gr. II, 382. 383. In Fr. 1 ist von den Paliken die Rede; in Fr. 2
von der IlavoQfiittg , in Fr. 3 von der Heilung der durch Schlangenbiss Vergifteten
durch den Speichel gewisser Leute (noch jetzt beobachtetes Factum) ; in Fr. 4 von
den liparischen Inseln; in Fr. 5 von Kom. — Von Athanas ist Bd. I, S. 309 aus-
führlich dre Rede gewesen.
S. 276. In Betreif der den Sikelioten eigenthümlichen Bildung ist zu erwiihnea,
dass Diod. XXII, 5 von Apollodoros, Tyrann von Kassandreia, sagt: dx^ <f^ rir^tf*'-
xöT« ifjv Zix(X(av tvQttvvoig. — So kommt bei Gurt. VIII, 5 ein ex Sicilia Cleo, noo
ingenii solum , sed etiam nationis vitio adulator, vor. Das waren die natürlichen
Zu Buch VI, Kap. 5, 3eite 276 u. 277. 483
Folgen der Tyraunenherrschaft. Der Spartaner Pharax ward wegen seiner rgvtfij yiel-
mehr fUr einen Sikelioten gehalten: Ath. XII, 536.
S. 276. Kunstwerke aus Ag.'s Zeit Diod. XYI, 83. Inder v^aos wird erwähqt
der olxog 6 ifyjxovTuxXtvog genannt, welcher dta ro ßuQQQ tiov ^gyojv vnsQai^tav topg
t«5v S-idiv vaovs iTnatiftuaiccs hv^iv vno lov daifioviov xignvvtaS^ilg. Man darf wegen
der Aehqlichkeit dieser Geschichte mit der des alten Agathokles Diod- VIU, 9 eine
Verwechselung mit diesem annehmen. .Die in der Achradina gelegei^ Ruine Caaa
dei sessanta letti verdient natUrlleh nicht diesen Namen, Denn. 341. Ausserdem 7r(3(>;/oi
naQ« Tor fiixQov l^^iva, die in Hosaik den Namen Agathokles trogen. Endlich Kunst-
werke im Athenetempel Cic. Verr. IV, 55.
S. 277. Münzen des Agathokles. Mit Agathokles' Namen bezeichnet sind
folgende Classen:
1) Gold, ä) PaUaskopf. Rev. Geflügelter Blitz : ArA90KAK0£ BAZrAEOZ.
b} Weiblicher Kopf mit Elophantenkopffell bedeckt. Rev. Pallas, geflügelt, speer-
werfend ; Eule ArABOKAHOj:. Diese Münze , von der nur ein einziges Exemplar
bekannt ist, welches sich im Wiener kaiserlichen }i[abinet befindet, ist am besten
abgebildet auf der Tafel zur Schrift von Dr. Imhoof-Blumer, Die Flügelgestalten der
Athene und Nike auf Münzen, Wien 1871. 8, No. 2. Der weibliche Kopf stellt nach
meiner Ansicht die Theoxena, dritte Gemahlin des Agathokles dar ; ich spreche über
diesen Gegenstand an einer anderen Stelle.
2) Silber. Weiblicher Kopf K0PA2, Rev. Nike ein Tropaion befestigend oder
in den Helm einen Namen eingrabend; Triquetra AFAeOKAEOJS:.
3) Bronze. Kopf der Artemis Soteira. Rev. Geflügelter Blitz AFAeOKAEOi:
BAXIAEOi:.
In Betreff dieser Münzen äussert sich G. Romano, Sopra alcune monete scoverte
in Sicilia, che ricordano la spedizione di Agatocle in Africa, Par. 1862. 4 dahin, dass
2 zuerst in Afrika geprägt worden und dann in Syrakus besser nachgeprägt worden
sei. Es giebt nämlich Exemplare von nachlässig geschnittenem Stempel und solche
von besserem, la und 3 sind später als 2, weil jene den Zusatz BASIAEOS zum
Namen tragen. Nach meiner oben von 1 b gegebenen Erklärung ist auch diese Münze
später, da Agathokles erst spät die Theoxena heirathete. Romano hat ferner be-
merkt, dass die früher begonnene Prägung der Pegasosmiinzen von Agathokles fort-
gesetzt wurde, und dass man diesem Fürsten diejenigen dieses Typus verdankt,
welche mit A^ und a^ bezeichnet sind, indem jenes Monogramm Agathokles, dieses
Antandros bedeute.
Den Einfluss des Agathokles auf das sicilisehe Münzwesen behandelt nach einer
besonderen Seite hin meine Schrift: Ad. Holm, La Triquetra ne' monumenti deir
antichitä, Pal. 1871. 8. Estratto della Rivista Sicula, Die. 1871. Ich habe hierin
nachzuweisen versucht, welchen Gang das Symbol der Triquetra durch die verschie-
denen Länder der alten Welt gemacht hat, welches seine ursprüngliche Bedeutung
war und wann sich dieselbe modificirt hat. Ursprünglich Symbol der Hekate und des
Mondes, ist es erst von Agathokles zum Symbol der dreispitzigen Insel Sicilien ge-
macht worden. Wenn dies richtig ist, haben wir also anzunehmen, dass die ältesten
sicilischen Münzen mit der Triquetra, auch wenn sie nicht den Namen des Agathokles
tragen, dennoch erst aus der Zeit dieses Fürsten stammen. Es handelt sich hier vor-
zugsweise um die jüngsten syrakusanisehen Tetradrachmen. Ihr Typus ist folgender :
Weiblicher Kopf mit Kornblättem. Rev. Quadriga, darüber Triquetra, darunter Buch-
staben : fi/, Nl^ NK, ff>l. Der Typus des weiblichen Kopfes ist derjenige , welchen
Euainetos geschaffen hat, was natürlieh nicht beweist, dass er nur zu Euainetos Leb-
zeiten gebraucht wurde, wodureh allerdings die Münzen 100 Jahre älter würden.
Auch unter dem noch späteren Hiketas ward der Typus des Euainetos gebraucht.
31*
484 Anhang III. Belege nnd Erläaterangen.
Da die wegen der Triquetra dem Agathokles zuzuschreibenden Tetradracfamen die
erwähnten Buchstaben haben, so gewinnt die von Romano gemachte Bemerkung, dass
diese Buchstaben auf Agathokles hindeuten, an Wahrscheinlichkeit Freilich U&sst sich
nicht verkennen, dass darum noch nicht bewiesen ist, dass a Agathokles bedeu-
tet. Es kommt nämlichj auch auf einer Goldmünze vor, die sich durch die In-
schrift lEPONOS als diesem KOnige angehOrig kund giebt. S. Raoul-Roehette, M e-
dailles siciliennes de Pyrrhus, pl. 1, n. 15. Durch Zusammenstellung der Typen lassen
sich auch noch andere Münzen der Zeit des Agathokles zuweisen. Einen recht
eigenthümlichen Charakter hat der weibliche Kopf, welcher sich auf den agathoklei-
schen Silbermttnzen findet und durch die Inschrift als Kopf der Kora bezeichnet ist.
Er trägt einen Aehrenkranz, und das Haar hängt in zwei Massen im Nacken. Ganz
denselben Kopf haben aber die bei Torrem. LXXIII , 18 und LXXIV, 3—5 abgebil-
deten syrakusanischen Tetradrachmen, die somit auch der agathokleischen Zeit zu-
geschrieben werden dürfen. Wenn man nun sieht, dass von diesen LXXIII, 18 eben-
falls eine Triquetra und a^ hat, so findet man darin eine Bestätigung der obigen
Combinationen, und sieht man ferner, dass bei den übrigen (LXXIV, 3—5) sich statt
der Triquetra ein Stern findet, so wird man geneigt, auch dieses Beizeichen , wenn
nicht geradezu der agathokleischen Zeit allein, so doch jedenfalls der späteren Zeit,
etwa dem 3. Jahrh. v. Chr. zuzuschreiben. Ein ganz ähnlicher Typus, wie die soeben
besprochenen Tetradrachmen ihn zeigen, findet sich auch auf Bronzemttnzen. So hat
in Bomano's angeführter Schrift No. 31 denselben Kopf wie der auf den Tetradrach-
men des Agathokles befindliche, nebst der Inschrift 2YPAK02:iSlN. Rev. Biga im
Galopp, darüber Stern, bisweilen Triquetra, darunter verschiedene Buchstaben, ge-
wöhnlich A oder A. S. auch Torr. LXXXV, 4 — 14, daselbst 3 ist eine Quadriga.
So würden auch diese Bronzen in die agathokleische Zeit gehOren. Dieselbe Anord-
nung des Haares, wie auf den genannten Münzen, hat auch der Kopf der Münzen bei
Torr. LXXXV, 18—21, deren Revers eine Fackel in einem Kranze zeigt. Auch hier
wäre deshalb agathokleische Zeit oder wenigstens Einfluss derselben zu vermuthen. —
Nach Romano zu No. 27 gehören auch die BronzemUnzen : Pallaskopf: Rev. Pegasus
Torr. LXXXIIl, 18 oder statt des Pegasus ein Reiter Torr. LXXXI, 12. 13 der Zeit
des Agathokles an. Der Reiter kommt später unter Hieron viel vor. — Nach Ro-
mano 32 ist noch aus agathokleischer Zeit die Bronzemünze : Lorbeerbekränzter Apollo-
kopf mit losem Haar im Nacken; Rev. Pegasus mit Buchstaben Torr. LXXXII, 14—19;
unter diesen Buchstaben findet sich auch k wie auf der Goldmfhize des Agathokles
bei Torr. CI, 1. Dasselbe Zeichen £ findet sich auch auf den erwähnten Bronzemünzen
mit weiblichem Kopf und Gespann im Revers. Bemerkenswerth ist übrigens, dass
die Goldmünze von Syrakus mit weiblichem Kopf, dem in ähnlicher Weise das Hasr
im Nacken lose hängt, abgebildet bei Raoul-Rochette, M^dailles sicil. de Pyrrhus PI.
I, 13. 14 und bei de Luynes, Choix de m^d. gr. pl. VII, 10 (nach R.-R Kopf der
Hera), auch schon von R.-Rochette p. 268 der Abhandlung in die Zeit des Agathokles
gesetzt wird. Derselbe p. 270 setzt in dieselbe Zeit die Münze: Pallaskopf; Rev.
Schiessende Artemis (Gold und Silber Torr. LXVIU, 18 und LXXI, 1). — Endlich
hat Romano in seiner Schrift: Iconografia numismatica dei tiranni di Siracusa, P^l.
1858. 4 nachzuweisen versucht, dass wir sogar auf einer Münze (Bronze) das Portrait
des Agathokles haben. Es sind die Münzen, deren Avers einen Herakleskopf, nnd
deren Revers einen Lüwen mit einer Keule darüber zeigt. Im Herakleskopf sieht
Rom. ein Bild des Agathokles. Doch hat er in seiner späteren Schrift: Sopra aicune
monete etc. an dieser Ansicht nicht mehr so unbedingt festgehalten, die sich nicht
hinreichend begründen lässt. Daran freilich kann kein Zweifel sein, dass diese Münzen
der agathokleischen Zeit angehören, das zeigen schon die Ueberprägungen, zu deren
Besprechung ich jetzt Übergehe.
Zu Buch VI. Kap. 5 u. 6, Seite 277. 278. 485
Es ist durohaos nichts seltenes, dass Münzen benutzt wurden, um andere Münzen
darauf zu prägen , aber keine sicilischen MUnzen sind so häufig zu diesem Behufe
benutzt worden als die agathokleischen. Man kann nicht umhin, darin einen Beweis
des Hasses und der Abneigung zu sehen, welche die agathokleische Herrschaft ein-
geflösst hatte, und welche so gross war, dass man nach der Beendigung derselben
jede Gelegenheit benutzte, um die Erinnerung daran auszulöschen. Die MUnzen, welche
in dieser Weise verwandt worden sind, sind die folgenden Brohzemünzen : -1) He-
rakleskopf; Bev. Löwe. 2) Soteirakopf; Rev. Geflügelter Blitz. 3) Weiblicher Kopf;
Rev. Gespann. Nur No. 2 trägt den Namen des Agathokles, aber die gleiche Ver-
wendung von 1 und 3 fügt einen neuen Beweis zu den früher beigebrachten hinzu,
dass auch sie agathokleisch sind. Ueber diese Münzen sind folgende Typen geprägt
worden, ein akragantinischer und zwei syrakusanische : 1) Apollokopf; Rev. Zwei
Adler über einem Hasen, Akragas. Saunas XIV, 15 — 20. 2) Lorbeerbekrän^er
jugendlicher Kopf ^102: E^AANIOY (der von de Luynes bereits Dion zugeschrie-
bene Typus); Rev. Adler über einem Blitz. Torr. LXXXIV, 5. 3) Herakleskopf mit
Löwenrachen; Rev. Pallas Promachos ZYPAKOSISIN, vgl. Romano zu No. 31 und
dess. Iconographie etc. p. 20 pl. No. 8. Der Typus der Pallas Promachos stammt,
nach Ausweis der Groldmünze des Agathokles 11>) übrigens schon von diesem Fürsten
her, nur mit dem Unterschiede, dass die agathokleische Pallas Flügel hat, die andere
nicht. — Urtheil über die Münzen der agathokleischen und pyrrhischen Zeit: Fried-
länder-Sallet, Das königliche Münzkabinet, Beri. 1873, S. 133.
Sechstes Kapitel.
Ueber die Zeit vom Tode des Agathokles an handeln schon die Hieron
betreffenden Schriften , besonders das gründliche Werk : J. C. H. de Gaay Fortman,
De Hierone Hieroclis filio Syracusano, ZwoU. 1835. 8. A. Petry, Hieron II. von Sy-
rakus, Elberf. 1861. 4. Schneiderwirth im Heiligenstädter Programm 1861, sowie der
Artikel Hieron in Pauly's R. R. III, 1299—1309 von Haakh.
S. 278. lieber die Eroberung Messana's durch die Mamertiner Polyb.
I, 7; Diod. XXI, 18. Hiemach freundliche Aufnahme, dann verrätherischer Ueberfall.
Anders Festus s. v. Mamertini: Mamertini appellati sunt hac de causa: cum de toto
Samnio gravis incidisset pestilentia, Sthenius Mettius eins gentis princeps convocata
civium suorum contione , exponit se vidisse in quiete praecipientem Apollinem , ut si
vellent eo malo liberari, ver sacrum vovercnt, id est, qnaecunque vere proximo nata
essent, immolaturos sibi. Quo facto levatis post annnm vicesimum, deinde eiusdem
gener is incessit pestilentia. Rursum itaque consultus Apollo respondit non esse per-
solutum ab iis votum, quod homines immolati-non essent, quos si expulissent, certe
fore ut ea clade liberarentur. Itaque ii iussi patria decedere cum in parte ea Siciliae
consedissent, quae nunc Tauricana dicitur, forte parantibus hello cemere Messanensi-
bns auxilio venerunt nitro eosque ab hoste liberarunt provinciales. Quod ab meritum
eorum ut gratiam referrent, et in suum corpus communionemque agrorum invitarunt^
eos et nomen acceperunt unum ut dicerentnr Mamertini, quod coniectis in sortem
duodecim deorum nominibus Maraers forte exierat, qui lingua oscorum Mars signifi.
catar, cuius historiae auctor est Alfius libro primo belli Carthaginiensis. Allge-
meiner drücken sich aus Zonar. VIII, 8 und Str. VI, 2, 3. Bei Dio Cass. Exe. Val
40 heisst eS: Kafinnvol (fQOVQtTv avriiv (Messana) vn 'AyaS^oxliovs Ta/^^yTtg, aqttyiig
T€ jMv inix^iQiiov inoiijaavfo xnl r^y noXiv xarioxov. Ueber die Erzählung des Alfius
bei Festus bemerkt mit Recht Mommsen, Die unteritalischen Dialecte, Leipz. 1850. 4,
S. 196, dass sie ganz den Charakter einer städtischen Tradition der Mamertiner selbs
486 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
tiügt. Offenbar ist die gutmüthige Ackertheilung der Messaner gefälscht. Wie sich
die späteren Mamertiner ihrer Eroberung schämten, mögen sie auch ihres Ursprungs
sich geschämt und sich aus dem zusammengelaufenen Schwann eines Condottiere in
einen heiligen Lenz der Samniter verwandelt haben, nachdichtend die alte National-
sage, welche die Samniter aus einem heiligen Lenz der Sabiner heryorgehen Hess-
Nicht verwerfen möchte dagegen Mommsen die Erzäfflung von der Benennung des
Volkes nach dem erloosten Gotte, und ebenso ist ihm die Erwähnung des Apollo, der
in der sabinischen Sage nicht vorkommt, nicht zufällig, er mag neben dem Mamers
als specieller Patron der Mamertiner gegolten haben. Letzteres wird dureh eine in
Messina vorhandene Inschrift in oskischer Sprache bestätigt, welche nach Mommsen
l. l. 196 den ersten Jahren der Existenz der Mamertiner in Sicilien angehört. Sie ist
in Mommsen's genanntem Buche S. 193 am correctesten abgedruckt und lautet ZTENi:^
KAAimX ZTATTIUIZ \ MAPAZ rrOiVnT[E2 NlYMSälWZ \ NIBJAEHi
OrnSENZ I ETNETM TSILTO MAMEPTII^O \ AITITEAAOYNHt XAKORO,
d. h. Stenius Calinius Statii fil. Mara Pomptius Nnmerii f. meddices fecerunt et po-
pulus Mamertinus. Apollini sacrum. Es weihen also in dieser Inschrift die beiden Me-
dices und die Gemeinde der Mamertiner etwas dem Apellunes, und man sieht hieraus,
dass Apoll von den Mamertinem hoch geehrt wurde, was sich Übrigens auch aus den
mamertinischen Münzen ergiebt. Was es ist, das gewidmet wurde, wissen wir nicht.
Mommsen denkt an die Stadtmauer selbst. Die Inschrift wurde an dem Platze Giu-
decca gefunden (M. 193). La Giudecca ist nach Dennis 475 gleich Str. Cardines; die
alte Stadtmauer könnte also sehr wohl da gelaufen haben. Die Inschrift belehrt uns
über die Verfassung der Mamertiner dahin, dass sie zwei Medices an ihre Spitze hatten,
womit es, wie M. 196 sagt, nicht im Widerspruch steht, dass wir sie im Kriege gegen
Hieron von einem Feldhenn [arQaTrjyos) Kios angeführt finden (Diod. XXII, 13). £s
ist damit zu vergleichen, was Strab. VI, 2, 3 von den Lukanem sagt: ihre Ver-
fassung sei sonst demokratisch gewesen, im Kriege aber sei von den Magistraten ein
König ernannt worden — ähnlich wie bei gefährlichen Kriegen in Rom die Consuln
einen Dictator ernannten. — Das Jahr der Occupation Messana*s dttrch die
Mamertiner ist nicht überliefert. Sie wird gewöhnlich in 2S4, auch in 282 gesetet.
Schubring in seinen historisch-geographischen Studien über Alt-SidKen, im Bh. Mus.
N. F. 28, S. 69, entscheidet sich für 287 v. Chr. Mir scheint es besser, die 9 Jahre des
Hiketas von 288—79 zu setzen, sodass auch die Einnahme von Messana in 288 fiele.
— Die Münzen der Mamertiner (fast nur Bronze) sind grösstentheils sehr schön.
Mit oskischer Inschrift MAMEPTINOYM ist nur eine bekannt: Artemiskopf nach r.
Bev. Omphalos. Inschrift, Friedländer, Osk. Münzen, Taf. VIII. Sie haben also sehr
schnell die griechische Sprache für gewisse officielle Zwecke angenommen. Ob sie
auch noch Messanioi sich genannt, ist nicht so klar. Allerdings ist der kämpfende
nackte Mann auf dem Rev. der mamertinischen Münzen bei Torr. XL VIII, 1—4 ganz
ähnlich dem Pheraimon auf der Münze Torr. L, 6, deren Avers den Peloriaskopf hat,
und der Peloriaskopf ist sonst mit einem Revers verbunden, der die Inschrift ME£-
XANTSIN trägt , sodass also jene Pheraimonmünze aus der Zeit sein wird , aus der
die sonstigen Pheraimonmünzen sind, aber darum ist doch noch nicht gewiss, dass
diese Zeit die mamertinische ist , wenngleich nicht geläugnet werden kann, dass der
kämpfende Mann ein sehr gutes Symbol der kriegerischen Mamertinergemeinde sein
würde. Indess spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieser Typus erst durch
die Mamertiner aufkam; dann wäre erwiesen, dass sie sich sowohl Messanioi wie
Mamertinoi nannten. — Der erwähnte Typus, ein nackter Krieger, kehrt in verschie-
denen Variationen auf dem Revers mamertinischer Münzen wieder, bald kämpfend,
bald ruhig stehend, bald ein Pferd am Zügel haltend, bald auf einem Felsen sitzend.
Torr. XLVIII und XLIX giebt die Belege hierzu. Der das Pferd führende JttngHog
Zu Buch VI, Kap. 6, Seite 278. 487
wird auf Münzen von Nuceria, wo er ganz ähnlich vorkommt, für einen der Dloskuren
gehalten, s. Friedländer, Osk. Münzen, S. 21 und Taf. IV. Der Avers dieser Münzen
hat entweder Areskopf, Zeuskopf oder Apollokopf. Andere Mamertinermünzen haben
im Rev. eine nach rechts stürmende Pallas, etwas verschieden von der auf lukani-
sehen Münzen befindlichen, Friedländer T. VIII, 1 u. 5. Ein anderer Typus des Rev.
ist die stehende Nike, ähnlich eine capuanische Münze, Friedländer, T. III, 15. Ein
anderer ist der stossende Stier; derselbe Typus findet sich in Tauromenion und Sy-
rakus. Andere sind : der Adler , auf einem Blitz), mit oder ohne Schlange ; Hermes
mit Widder; ein Gespann; ein Hund. Auf dem Avers findet sich ausser den oben
genannten Köpfen noch der Herakleskopf. Merkwürdig ist eine Imhoofsche Münze,
auf der der Apollokopf des Avers die Beischrift APXAFETAZ hat, während der
Rev. Blitz und Traube nebst MAME hat; der Avers ist ein Beleg für die oben
erwähnte Tradition von dem Ursprung der Kolonie. — Ausbreitung der ma-
mertinischen Herrschaft. Plut. Pyrrh. 23: noXla rolg "EXkriaiv ivoxlovyrwv,
iviove ^k xal ifOQoig nenotij/jiiveDv vTTOTtXsis. Nach dems. 24 sind 10,000 Mamertiner
gegen Pyrrhos nach Italien hinübergegangen. Mit den Karthagern sind sie verbündet
nach Diod. XXII, 7. Doch haben sie das punische Gebiet nicht geschont Polyb. I, 8.
Also waren sie nur gegen Pyrrhos mit den Karthagern verbündet. Polyb. I, 8 sagt
von den Mamertinem : noXla fiiQii tti^ ZixtUaq ((poQoXoyow, Sie hatten jioXXa ifQovgia
nach Diod. XXII, 13. Nach Diod. XXIII, 2 haben sie Kamarina und Gela avanrn-
Tovg gemacht. Endlich haben sie sich sogar an Akragas gewagt, wenn Fortman
1. 1. p. 65 not. Recht hat, folgende Worte bei Polyb. I, 43 auf die Mamertiner zu
beziehen : x<t^ ov xai^v imßdXovjo naQaanov6iTv avrovg (die Akragantiner) ol reSv
ZvQaxovaCtov fita&otpogoi y welche Stelle Schubring, Akragas S. 76 mit Recht dunkel
nennt. Die Mamertiner würden hier als ehemalige syrakusanische, d. h. agathokleische
Söldner, die sie ja auch waren, bezeichnet. Sie hätten, ehe sie Messana überfielen,
sich Akragas' verrätherisch zu bemächtigen versucht, der Ausdruck nct^aaTrov^ftv ist
der genaue Ausdruck für das, was sie in Messana thaten, vgl. Diod. XIV, 9 von
Entella und Polyb. I, 10 von Rhegion.
S. 278. Hiketas Diod. XXI, 18; XXII, 2, wo es heisst: ^yivr^as (St xal 'Ixitag
TiQog aXXi^Xovg noXifxov ivarrjaofievoi nageraSayro negl top ''Yß?Miov, Schubring, Hi-
storisch-geogr. Studien über Altsicilien S. 110 nimmt an, dass b"YßXaiog einen Berg
bezeichne. „Das wäre dann die kalte, steinige, wilde Hochebene im Westen von
Ragusa.'' Hybla Heraia ist nämlioh nach ihm Ragusa. Dass bei dem Hyblaios an
das südliche Hybla zu denken ist, ist klar ; ich glaube nur nicht, dass 6 "YßXaiog einen
Berg bezeichnet, ich sehe vielmehr einen Flussnamen darin, nach Analogie von Mo-
jvxavog. Münzen des Hiketas giebt es nur aus Gold. Weiblicher Kopf 2:ypaJ(0-
SIQN; Rev. Nike in einer Biga EIIIIKETA Torr. CII, 1—3. Das inl bezeichnet
den Hiketas als Magistrat, nicht als König. Ueber den Typus des Kopfes s. oben
S. 459. Torr. CII, 4 hat zwar dieselben Typen in Silber, aber nur nach Haverkamp.
S. 278. Phintias Diod. XXII, 2: Gründung von Phintias, anfängliche Grau-
samkeit, dann Milde des Herrschers; 7: Traum. Nach Schubring, Stud. S. 69 ff.
regierte Phintias etwa von 286 — 280. Derselbe hat ausführlich nachgewiesen, dass
nicht, wie bisweilen angenommen wird, Phintias es war, der Gela zerstörte. Akragas
hat karthagische tfQovQa zur Zeit des Pyrrhos, Diod. XXII, 10: nv t^/oi', ontog fAtj
fPiviCag dwaativor^ axmSv. Dennoch mögen die Karthager im ganzen mit Phintias
befreundet gewesen sein. Ausdehnung seiner Herrschaft. bis Agyrion Diod. XXII, 2.
Ag. wird hier wieder von Diodor eine gewisse Ehre gegeben. Münzen des Phintias
giebt es nur in Bronze. Während auf dem Rev. sich beständig der Eber findet, hat
der Avers 1) Apollokopf, 2) Artemiskopf, 3) Korakopf Der Artemiskopf ist der auf
den Bronzemünzen des Agathokles , der Korakopf der auf den Silbermünzen desselben
488 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
Königs Torr. CVII, 1—5. — Ueber die Stadt Phintias («/»»y?»«?, n^os] handelt be-
sonders Schubring in der erwähnten Abhandlung: Historisch-geographische Studien,
Abschn. I, woselbst besprochen werden: die Gründung und Lage von Phintias, die
gelolschen Inschriften in Phintias. Seh« setzt die Zerstörung von Gela durch die
Mamertiner 282 v. Chr , die Gründung von Phintias 281 oder 280. — Phintias erwähnt
bei Diod. XXIV, 1; Cic. Verr. lU, 192 (Phintiam); Ptol. 4*&iw&ia (etwas Uindein-
wärts; ausserdem hat er noch im Westen, an der Mündung des Sossfos IltviCa .
Vgl. Faz. 136. 137. CI. 261--63.D. 311. Endlich handelt Schubr. noch S. 13ß ff. über
die Stadt Phintias der Geloer, woselbst er ihre inneren, sich aus den Inschriften
ergebenden Verhältnisse erläutert. Von den Inschriften, die die Einwohner als Geloer
bezeichnen, sind nach Schubring 75 zwei von Gela mit nach Phintias gebracht, zwei
andere aber in Phintias geschrieben.
S. 279. (:foiv<av DHal. XX, 8. Plut. Pyrrh. 23. Bei Diod. XXII, 7 ön^wi,
offenbar falsch.
S. 280. Ueber Rhegion's Eroberung durch die Kampaner Polyb. I, 6. 7; III, 26;
App. Samn. 9, 1, 3; DHal. XX, 4. 5; Diod. XXII, 1-3; DioC. p. 170 Mai, p. 589 Val.
S. 281. Pyrrhos in Sicilien. Summarisch berichtet Paus. 1, 12, 5, wo es zum
Schlüsse heisst, dass P. mit seinen Epiroten gegen die Karthager eine Seeschlacht
habe liefern wollen, tot« dl o Uvqqosi «c ^TTii."^»;, inTs vavalv lg Ttiimtia avrj^^iTo
ftetg loiTiats, Nach Dio C. p. 169 M ix nokXov x(*oiov StxMag itfiifitvoq. Ueber
die Hauptquellen, Diod. XXII : Plut. Pyrrh. 22—24 ; D Hai. XX,. 8. 9 ; lust. XXIIr 3
ist oben S. 379 die Rede gewesen. Von Neuem vgl. Niebuhr's Rom. Cksch. III und
die anderen römischen Geschichten; Droysen, Hellenismus U, 90 ff., 146 — 156; Plass.
Tyrannis II, den Artikel Pyrrhos in Pauly's R. E. und die kleine Schrift von G. Hertz-
berg, Rom und König Pyrrhos, Halle 1870. 8.
S. 281. Ueber die Veranlassung und den Beginn des Zuges des Pyrrhos nach
Sicilien äussert sich Plut. Pyrrh. 22: t^xw ix ZtxtKng aiSg^g jixQdytdra xal ZvQn-
xovüag xnl A^ovttvovg iy^HQ^Cofteg avrifi , und ebendas. Kiytav €vd-vg iiim^i^it itQo-
Siaktiofitvov, £an(Q et<o&€i, raig noUai. Es war also des Pyrrhos bemerkenswerthe
Gewohnheit, zuvörderst die Diplomatie wirken zu lassen.
S. 282. Einen Vertrag des P. mit Rom, den App. Samn. 12 mit den Worten
fAitit Jtjv (nax^iv xal rag nQog 'PtofiiUovg aut^&ijxttg itg £ixeliav diinhi andeutet, weist
Droysen II, 147 n. 120, mit Recht zurück.
S. 282. Die Chronologie der Thaten des Pyrrhos auf Sicilien lasst sich aus den
Quellen nicht mit Sicherheit entnehmen. Plass II, 300 ist zu dem Ergebniss gelangt,
dass Pyrrhos, der im J. 278 nach Sicilien kam, im FrÜhj. 277 den Krieg gegen Kar-
thago begann, aber erst 276 zur Belagerung von Lilybaion schritt. Droysen II, 153
setzt dagegen die Belagerung von Lilybaion bereits in 276. Jedenfalls ist P. erst
276 wieder in Italien.
S. 282. Ueber die ersten Erfolge des P. in Sicilien vgl. DHal. XX, 8, wo So-
sistratos als Beherrscher von Syrakus, Thoinon als Phrurarch bezeichnet werden,
sowie Diod. XXII, 8.
S. 283. Diod. XXII, 10 sagt: xal JiQtottjv noXtv 'HQuxkunv TiQogriyaytTO, ifQOv-
pnatXti TtQogixäQrjöttv. Hier ändert Cluv. ^ACtUvag in Ma^a^ov; Corcia, Delle anticbecitta
di Sicilia, Nap. 1869. 4, p. 49 nimmt die Aenderung an, und mit der Motivimng, dass
zwischen Herakleia und Selinns keine andere Stadt sei als Mazara. Gerade dies zeigt
aber, dass die Conj. nicht richtig ist. Wir verlangen nach Herakleia eine Stadt zwi-
schen Herakleia und Selinus, aber Mazara liegt nicht dort, sondern westlich von Se-
linus. Es mnss also bei Azones sein Bewenden haben.
S. 283. Die Karthager haben nach 2i0naras VIII, 5 aus Furcht vor Pyrrhos
-Zu Buch V, Kap. 6, Seite 279—286. 489
Söldner aus Italien zu Hülfe genommen. Dr. II, 152, n. 134 meint, diese SOldner
könnten, ^da Lukanier, Bruttier, Samniten allen Anlass hatten, Pyrrhös' ("einde nicht
zu unterstützen, doch nur aus dem römischen Italien und dann nur mit römischer
Bewilligung gekommen sein.'' Aber Leute, die Geld verdienen wollen, fragen nicht
nach Gründen hoher Politik. Wenn Dr. in ders. Anm. sagt: „Diodor's Schweigen
(über die Anwesenheit von Römern in Lilybaion) ist wohl bedeutsam»^ so vergisst
er, dass wir nur Excerpte aus Diodor haben.
S. 2S5. Ueber das Verfahren des P. gegen die Sikelioten spricht ausführlich
DHal. XX, 8. Vgl. Dio Cass. p. 177. 178. Mai und p. 59ü Vales., in der Ausgabe
von L. Dindorf, Lpz. 1863, I, p. 67 und 68.
S. 285. Nach lustin. XXIII, 3 : conserto proelio cum superior fuisset hätte Pyrrhos
vor seinem AbZuge noch einen Sieg über die Karthager erfochten; ich nehme viel-
mehr einen Irrthum lustin's an. — Die 20,000 M. zu Fuss und 3000 Reiter, mit denen
Pyrrhos aus Sicilien nach Tarent kommt (Plut. Pyrrh. 24), entsprechen der Zahl der
Truppen, die er das erste Mal hatte (Plut. P. 15). Niederlage zur S^eo in der Meer-
enge durch die Karthager Plut. P. 24; App. Samn. 12. — Pyirhos und die Mamer-
tiner (S. 289) Plut. P. 24.
S. 286. Münzen des Pyrrhos, in Sicilien geprägt. Vgl. Raoul-Rochette,
Memoire sur les mMailles siciliennes de Pyrrhus etc. in den M^m. de l'Acad. des
Inscr T. XIV, 2, Par. 1840. t, mit 2 Tafeln. Die Angaben bei Droysen II, 151 können
in ihrer Kürze irrige Ansichten über die hierher gehörigen Münzen erwecken, besonders
als ob, was nicht der Fall ist, die sicilische und die dodonaische Gottheit auf der-
selben Münze figurirten. Die höchst wahrscheinlich Sicilien angehörigen iMünzen sind :
1) Gold, a) Artemiskopf; Rev. Nike, mit Kranz und Tropaion schwebend BA-
ZIAESIZ nrPPOY Torr. CHI, 1—3.
b) Pallaskopf; Rev. wie bei a. R. Roch. I, 2.
2) Silber, a] Korekopf, fast gleich dem der agathokleischen Tetradrachmen ; Rev.
Pallas Promachos , ähnlich wie auf den syrakusanischen Bronzemünzen, deren Avers
einen Herakleskopf enthält (abgeb. bei Torr. LXXXIIl, 1 — 4), und von denen oben
die Rede war, da sie über agathokleische Münzen geprägt sind. BAüTAESi^ IIYP-
POY. Abgeb. bei R. Roch. I, 1—3. Hier hat No. 1 hinter dem Kopf eine Fackel,
wie bei Torr. LXXXV, 7, hinter dem freilich etwas anderen Kopfe No. 3 aber eine
Biene, wie Torr. LXXXV, 3, von welcher Münze oben die Rede war.
b) Zeuskopf mit Eichenkranz. Rev. Hera — nach R. Roch. Ceres — sitzend
BAZrAESlZ nyPPOY. Abgeb. R. Roch. I, 7.
c) Jugendlicher behelmter Kopf; Rev. Verschleierte Frau auf einem Hippokamp
sitzend, einen Schild vor sich haltend BAZIAEas HYPPOY R. Roch. I, 4. 5.
3) Bronze, a) Verhüllter Kopf der Phthia (Mutter des Pyrrhos) 4>efA2:\ Rev.
Blitz BAZTAEÜZ IIYPPOY Torr. CHI, 11. 12. Der Blitz ist ähnlich wie auf den
Bronzemünzen des Agathokles, nur ohne Flügel ; bei Leake indess geflügelt. R. Roch.
253 hält den Kopf des Avers für einen Herakopf.
b) Korakopf wie in 2a; Rev. Ceres sitzend BAZTAESIX HYPPOY R. Roch. I, 8.
c) Pallaskopf; Rev. Nike Tropaion errichtend jB^-T/^ÄiZ^" 77 YPPOY. Bei Torr.
CHI, 8 statt Pallaskopf vielmehr Areskopf.
d) Pallaskopf Rev. Aehre in einem Kranze BAZfAEOZ HYPPGY Torr. CHI, 9.
e) Artemiskopf. Rev. Nike, Tropaion tragend BAJSfAEnz HYPPOY Torr,
cm, 10.
Nach R. Rochette wären auch die Münzen mit der Inschrift ZIKEA/SITAN,
die Alessi, Lettre 4 M. Gerhard, in Bull. d. Inst. 1833, p. 8—15, der Zeit Hie-
ron*s II. zuschrieb, von Pyrrhos, der ja nach Polyb.* VII, 4. 5 König aller Sikelioten
wurde.
490 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
Beziehungen zu den Münzen des Pyrrhos zeigen die der B^itjtot. Sie haben
auch 1} Die kämpfende Pallas Sambon p. 315, No. 12. 13. 2, Die auf einem Hippo-
kamp sitzende GOttin (Thetis; Sambon 314, No. 7, pl. 23, 25. 3; NikeTropaion krän-
zend Samb. p. 315, No. 10. 11, pl. 24, 45.
Siebentes KApitel.
S. 286. Bei Plaut. Menaechm. II, 3 lesen wir: Non ego te nori, Menaechmum,
MoBcho prognatum patre? Qui Sjracusis perhibere natus esse in Sicilia. Ubi rex
Agathocles regnator fuit et iterum Pintia, tertium Liparo qui in morte regnum
Hieroni tradidit, Nunc Hiero est. Diese Stelle eines Komikers hat zuerst als ein
historisches Document betrachtet Reineccius in s. Historia lulia II, p. 419 ff., der die
beiden sonst nicht vorkommenden Herrscher Pintia und Liparo als Nachkommen des
Agathokles betrachtet. Die Unmöglichkeit dieser Annahme hat Hkh. in Pauly's B. £.
III, 1301 nachgewiesen. Doch glaubt derselbe im Ubiigen mit den von ihm citirten
Burigny (Röfiexions sur un passage de Piaute in den H6m. de TAcad. des Inscr-
XXXiy, p. 95 ff.}, Sainte-Croix (M^m. sur les anciens gouvernements de Sicile, ibid.
XLVIII, p. 137] und Visconti, Iconogr. grecque II, p. 26 ff., dass die Namen histo-
risch sind, obschon er einige dichterische Ungenauigkeiten bei Plautus anninmit.
Richtiger urtheilte schon Casaubonus in seinem Commentar zu Polyb. I, 7. Aus
Münzen hat die Existenz syrakusanischer Herrscher Namens Phintias und Liparo be-
weisen wollen Calcagni, De' r^ di Siracusa Finzia e Liparo, non ricordati dalle storie,
riconosciuti ora con le monete. T. I, Finzia, Pal. 1808; T. II, Liparo, Pal. 1809. Für
den ersteren liegt ihm der Beweisgrund daftlr, dass die bekannten Phintiasmttnzen nicht
einem akragantinischen , sondern einem syrakusanischen Herrscher angehören, darin,
dass der auf ihnen sich findende Artemiskopf mit dem Artemiskopf auf syrakusani-
schen Hitnzen vollkommen identisch ist, während andererseits Artemis, wie Calcagni
meint, in Akragas gar nicht verehrt wurde. Letzteres ist natürlich ebenso unbe-
weisbar wie unglaublich ; in Bezug auf ersteres aber muss man sagen, dass es nicht
unmöglich ist, dass MUnztypen von einer Stadt auf die andere herübergenommen wur-
den. Es ist also für Phintias der Beweis nicht geführt, dass er ein Syrakusaner war.
Noch weniger aber ist Liparo's Existenz bewiesen. Hierfür beruft sich G. auf eine
SUbermünze, die er folgendermassen boschreibt: Männlicher Kopf nach r. AllIAPOY-
Rev. Pegasus KL Aber, wie Millingen, Ancient coins of greek eitles and Kings,
Lond. 1831. 4, pl. I, No. 25 zeigt, ist die von Calcagni gemeinte Münze eine krotonia-
tische, sie hat nicht AlIIAPOY, sondern AI2:aP02:, und nicht KI, sondern JCA
AJsaros ist der Fluss von Kroton. Vgl. Sambon, Recherohes etc. p. 327, No. 55, sowie
für eine ähnliche Bronzemünze, abgeb. pl 24, No. 43, pag. 328, No. 82. — In die Kate-
gorie der Namen auf — Ü.N, die mit Ortsnamen zusammenhängen, können ausser den
Bd. I, S. 402 angeführten mit mehr oder weniger Sicherheit noch gerechnet werden:
Andron Polyaen. V, 2, 4; Pacon Diod. XIX, 10. Patron, ein lykischer Name, den
Bachofen, Lykien S. 19 selbst mit der Stadt Patara in Verbindung setzt; Neon ein
Korinther Plut. Tim. 18; Menon Diod. XXI, 18; Akion Vater des Kamarinäers
Psaumis , ein anderer Akron Freund des Empedoklos ; Stilpon , Name eines Philo-
sophen aus Megara und eines Feldherrn des Agathokles, Diod. XXI. 8; Stilpai, Stadt
in Siciiien, nach St. B. Umgekehrt soll von Selon Soloi abgeleitet sein : Plut. Sol. 26.
S. 287. Hieron. Vgl. die oben citirten Schriften. H. ward nach Polyb. VII, 8.
Liv. XXIV, 5 und Val. Max. VIII, 13 über 90 Jahre alt; nach Luc. de longaev. n>
aus Domotr. Callat. starb er 92 Jahre alt. Er starb 215 v. Chr., ist also 307 v.Chr.
geboren. Hieron's Jugend. Nach lust. XXIII, 4 patre Hieroclito, nobili viro, cuioa
Zu Buch VI, Kap. 7, Seite 286. 287. 491
origo a Gelone manabat. Man sieht an dem falschen Namen des Vaters wieder die
Unzttverlässigkeit des lustinus. Richtig sagt Paus. VI, 2, 12 'Uqiov *l€Q9xX^ovg\ so
sagt auch die in Syrakus aufbewahrte Inschrift, abgedruckt CI No. 5368. Nach Polyb.
VII, 8 ou nXovtov, ov So^av^ ov^ itegov ov^iv ix T^f tvx^i %J0ifA0v naqttknßiov. Nach
Zpn. VIII, 6 ovT€ TittTQoS'tv inufavitav ^x^y ttvti, fttit^o&ev d^ xal dot/jlci^ TrQogiixtov.
Nach Flut. Marc. 14 war Archimedes sein avyy^v^g. Die Mutter eine Magd-, Aus-
setzung des Knaben; andere Wunder lust. XXIII, 4. — Ein syrakusanisches Heer
zur Zeit des Agathokles in Friedenszeit im Lager bei Aetna Diod. XXI, 16. —
Mergana bei Polyb. I, 8 ist nach Haltaus, Greschichte des ersten punischen Krieges
S. 90 Morgantion. — Zwei Feldherren gewählt, Polyb« I, 8 ; gerade wie einst Hippa-
rinos und Dionysios; Plnt. Dion 3, oder wie Megakles und Dion, Plut. D. 30. Einer
von beiden verschwindet dann nach einiger Zeit und lässt dem anderen die Herrschaft.
S. 287. Heirath des Hieron. Philistis. Nach Polyb. I, 9 heirathet Hieron
die Tochter des angesehenen Syrakusaners Leptines; aber weder Polybios, noch sonst
ein alter Schriftsteller, hat den Namen der Frau Hieron's überliefert. Nach Plut.
Dion 1 1 hat eine Tochter des Leptines , Bruders des Dionysios I. , den Historiker
PhilistoB geheirathet. So erklärt sich das Zusammenkommen beider Namen in der
hieronischen Zeit. Offenbar war der Schwiegervater Hieron's ein Nachkomme des
Historikers Philistos und der Tochter des Leptines, daher nannte er seine Tochter
Philistis. — Leptines kommt als agathoklei scher Feldherr vor Diod. XX, 56 u. 62,
im J. 307 V. Chr.; es ist vielleicht der Schwiegervater Hieron's. Es wäre interessant
zu sehen, wie dieselbe Familie von Dionys bis Hieron in hohen Staatsämtern auf der
Seite der Tyrannen blieb. Nun kommt bei Diod. XVI, 45 u. 72 ein Leptines als Feind Ti-
moleon s vor, in den Jähren 351 u. 342, und dieser könnte ein Sohn des nach Diod. XV,
17 im J. 383 gefallenen Bruders des Dionys gewesen sein. Der im J. 307 genannte
Leptines würde dann für den Enkel des 342 verbannten zu halten sein, lieber die In*
Schriften des Theaters s. unten. — lieber die ganze Philistisfrag« : Torremuzza, Siciiiae
inscr. p.66. Th. Panofka, Lettera al Duca di Serradifalco sopra una iscrizione del teatro
Siracusano. Poligr. Fiesolana. 1825. 8. F. Osann, De Philistide Syracusanorum regina,
Giessen 1825. 4. Raoul-Rochette, Memoire sur les m^dailles siciliennes de Pyrrhus et sur
quelques inscriptions du meme äge et du mSme pays. M^m. de Tacad. des Inscriptions
T. XIV, 2 mit einer Tafel Inschriften ; die Abhandlung ist auch abgedruckt in seinen
M^moires de numismatique et d'antiquit^ p. 49—1 19; endlich A. Salinas, Di due monete
della regina Filistide, Fir. 1869. 8 (aus dem Periodico di Numismatica e Sfragistica I, 5).
Dass Mannert in s. Geographie Sioiliens S. 336 Münzen wie Inschrift der Philistis für
moderne Fälschung erklärte, erwähne ich nur der Curiosität wegen. Die früheren An-
sichten über die Persönlichkeit der Philistis hat Torremuzza zusammengestellt. Osann
und Panofka haben zu gleicher Zeit das Richtige gefunden. Ob auf den Münzen wirk-
Jich das Porträt der Philistis sich finde, darüber sind abweichende Ansichten aufgestellt
worden. R. Röchet te, auf die Aehnlicbkeit des Kopfes mit dem Demeterkopf auf den
Münzen, welche die Inschrift i:iKEAlSlTAN tragen,' hinweisend, nimmt an , dass es
ein Demeterkopf sei. Gins. Romano, Iconografia numismatica de' tiranni di Siracusa,
Pal. 1858. 4 schliesst sich p. 6 der Ansicht R. Rochette's an, wobei er jedoch dar-
auf Nachdruck legt , dass man so bekomme una specie di apoteosi che rappresen-
tolla sotto le forme di Cerere, also eine Darstellung der Philistis als Göttin. Salinas
ist für einfaches Porträt der Philistis. Unter der Voraussetzung, dass es Poi'trät der-
selben sei, hat man sogar seit Torremuzza auf den Umstand Grewicht gelegt, dass
nicht überall der Kopf eine Person desselben Alters verräth , man hat gemeint , das
Porträt der Philistis in versohiedenen Lebensattem zn besitzen. Dem gegenüber hat
R. Roohette darauf hingewiesen, dass sich solche Verschiedenheiten hinlänglich durch
die Verschiedenheit der Stempel erklären. Neuerdings ist durch eine Entdeckung
492 AnhaQj^ III. Belege und Erlänterangcn.
W. Helbig's die ganze Frage ihrer Entscheidung , und zwar in dem seit Osann mi
Panofka angenommenen Sinne zugeführt worden. Man lese den Aufsatz desseibci
Hieron IL und Philistis auf einem agrigentiner Relief. Rhein. Mus. XXVII, 1, S. l'
— 156. Es befindet sich nämlich im Brit. Museum ein im Meere bei Girgenti ^tW
denes Marniorrelief ; abgeb. Ancient Marbles in the British Museum X, Taf. 32, wer
ches 2 Kolossalköpfe, nach rechts gewandt, enthält, einen männlichen und einer
weiblichen, von denen erstcrer den hinteren Theil des letzteren deckt. Der mänDÜcr'
Kopf entspricht dem Kopfe auf der Münze bei Mionnet, pl. 68, 2, der weiblicbc
ß8, 8. Es sind also üieron und Philistis, die hier dargestellt sind, und Heibig svt
,,die Züge auf den Münzen stimmen mit den auf dem Relief ersichtlichen volUtüodif'
überein ; die Anordnung der Binde und des Schleiers am Kopfe der Philistis ist \ik-
wie dort dieselbe.'' Es trägt nämlich der männliche Kopf einen Helm, der weiblich
eine aus zwei Streifen bestehende Binde. Durch das Relief, dessen Kunstch&rakter
insofern merkwürdig ist, als es eine doppelte Fläche hat, indem der Kopf Hierttsi
erhabener , derjenige der Philistis flacher gebildet ist, letztere auch ein mehr en Ut'
gebildetes Auge hat, wie in der älteren Kunst, wird, was früher fast sicher vxr, m
völlig sicher, denn, wie Heibig mit Recht sagt, die neben Hieron dargestellte Fra
kann keine andere sein als dessen Gattin. — In Betreff der Chronologie de:
Machterlangung Hieron's sind, den Quellen entsprechend, verschiedeDe Aosiit
ten aufgestellt worden. Paus. VI, 12, 2 sagt von Hieron: t^j/ ai^xh^ ^^X^^ hu ^'f-
Man sieht, dass vor *OXi>fi7Ti«Sog die Zahl g' fehlt. Ol. 126, 2 ist 275 v. Chr. D:p?
als richtig angenommen, wäre die erste Folge, dass bei Lncian. de longaev.. r-
Hieron 70 Jahre regiert, diese Zahl auf 60 zu beschränken wäre. So erlangte flie^i
also die Herrschaft 275 v. Chr. Damit stimmt Inst. XXIII. 4 post profectiooem <
Sicilia Pyrrhi magistratus Hiero creatur und Zon. VIII, 6 tt»p ZvQoxaaiw xp«Ti,'jp,
/u*Fff T^ tov JTvftQov ^wyriv. In Betreff der Regiemngszeit des Hieron sagt Polyb
VII, 8 Ifij Tttvjfixovjn xnl ritiaQa flaatlivaag. Wenn wir nun berücksichtigen, diS
nach dems. I, 9 er ßaatlthi nQogr^yoQivi^vi nach der Besiegung der Mamertiner »i
Longanos, so ist daraus zu schliessen, dass diese Schlacht stattfand im J. 269v.(br
Dies nimmt auch Casaub. zum Polyb. I, 9 an. Nun folgt aber auf diese Notii \*^
Pol. I, 10 sogleich die Erzählung von der Einmischung der Römer auf den Wödsc-
einer Partei unter den Mamertinern; und daher hat Hkh. in Pauly's B. £. VIA'^'
jenen Feldzug, sowie die Erhebung Hieron's zur Königswürde in 265 v. Chr. gesetit
seine Wahl zum Feldherrn fällt dann 269, und von dieser Erhebung zum Feldhem
rechnet nach seiner Meinung Polyb. die 54 Jahre, die er ßaatXtvattg gelebt h«btn
soll. Dagegen führt Fortman p. 29 und 93 aus, dass mehrere Expeditionen BieroQ^
gegen die Mamertiner zu unterscheiden seien: 1) Polyb. I, 8, 271 oder 270 v CIl'
n€(Qa noiag nach der Eroberung Rhegion's durch die Römer, wobei nach Zon. ^^" ^'
auch schon Hieron geholfen hätte; 2) die, in welcher die Schlacht am Longtoos vtf-
fiel, 269 v. Chr.; 3) muss eine neue Expedition angenommen werden, welche die &^
mischung der Römer zur Folge hatte, sodass über die Jahre 269—65 nichts überlieiert
ist. Es kann nämlich (Fortman p. 93) diese Expedition nicht dieselbe sein, vie di^
welche mit seiner Ausrufung zum König endete, weil nach Diod. XXII, 13 nach der
Schlacht am Longanos (wo übrigens Diodor den Hieron schon König nennt), die Ma-
mertiner bereit waren, ^*** Ixuri^ltig anavTav rtp ßua%lii, wenn nicht Hannib»! eiö'^'^
Trappen eingeführt hätte {nach Diodor ^' d. h. 40 Soldaten, wofür Wesseling / ^ ^^
1000 liest). Man dachte also damals in Messana noch nicht an die Römer. - ^^^
ich glaube mit Fortman, dass man auf die summarische Darstellung bei Poiybios l '
kein chronologisches System bauen kann. Da Zonaras schon 271 Hieron Feldh^^
sein lässt und die Angabe über die Regienmgszeit Hieron's (Polyb. VII, S; <^^° '^^'
Zu Buch VI, Kap. 7 u. 8, Seite 287—299. 493
fang der Königshemchaft Hieron's in 269 setzt, so stimme ich F. bei. Es ist zu
beachten, 1} dass Polyb. I, 8 Tia^a noJag nach der Einschliessung Rhegion's durch
die Römer Messana von den schon von Hieron geführten Syrakusanern angegriifen
werden lässt, was doch auch eine chronologische Bestimmung enthält, und 2) dass
Polyb. I, 8 ausdrücklich die Wahl Hieron's zum Feldherrn von seiner Wahl zum
Könige unterscheidet: xar^atfiaftr UQ/ovrag -^ — xal rov ufin ravta ßuaiUvanria
'fi^tova, dass er dann I, 9 enähh ßaa$Xfvg ngoiriyoQtvfhii, und dass derselbe Polybios es
ist, der ihn VII, 8 54 Jahre lang König sein lässt, sodass er hier offenbar nicht, wie
Hkh 1304 annimmt, an seine Wahl zum Strategen dachte. — Ohne klare Begründung
sind die Zahlen bei Brunet de Presle S. 386. Plass II, 306—8 ist für die Jahre 275
und 270; er citirt noch Krüger zu Clinton F. H. Append. X. Man vgl. auch die
Anm. 6 bei Droysen II, S. 268, welcher jedoch nicht zugeben will, dass gleich nach der
Schlacht am Longanos die Karthager die Burg von Massana besetzt, hätten ; Hieron habe
nur „aus Rücksicht auf die Punier" (S. 269) die Eroberung von Messana unterlassen.
Solche Rücksichten sind schwer glaublich. Dass ^zwischen dem Siege am Longanos
und der Einmischung der Römer mehrere Jahre liegen,^* ist vollkommen richtig, aber
nicht so, dass auch die Karthager sich nicht schon gleich eingemischt hätten.
S. 29t. Die Schlacht am Longanos Pol. I, 9 und Diod. XXII, 13. Dieser
hat die falsche Form uiolxavoq, Ueber die geographischen Fragen, die sich hieran
knüpfen, habe ich Bd. I, S. 345 gesprochen.
S. 298. Der Parallelismus zwischen Hellas und Sicilien lässt sich so darstellen :
Schlacht bei Salamis : Schlacht bei Himera :
Blüthe von Athen ; Herrschaft der Stadt BlUthe von Syrakus und Akragas ; die
in staatlicher und literarischer Hinsicht. Sikeler unterworfen ; Empedokles u. s. w.
Peloponnesischer Krieg:
Spartanische Hegemonie; Dionys
Epaminondas Timoleon
Die Makedonier. Agathokles und Hieron.
(Siehe S. 494,: Genealogie von Agathokles und Hieron II.)
Aehtes KApitel.
S. 299. Ueber Theokrit's Leben ist ausser den unten angeführten Schriften
von Fritzsche, Ädert und Finkenstein besonders zu vergleichen^. J. Hauler, De Theo-
criti vita et carminibus diss. inaug. Frib. 1855. 8. — Th.'s Herkunft. Suid. llQa^a-
yoQov xul ^lUvi^g, ol d^ Sifil^ov, ^v^uxoatog' ol öi tfaai KtSov * fitTtpufjaf d^ iv 2^v^
(^axovaaig. Kos als Geburtsort Theokrit's haben unter anderen angenommen: Ahrens
im Philologus VII, 412, und Fritzsche, der jedoch selbst auf die von Ameis in Jahn's
Jahrb. 1846 (Bd. 45) p. 197 angeführten Gegengründe hinweist. Nach dem ihm in
den Mund gelegten (XXII) Epigramm der Anth. Pal. IX, 434 ist er etg äno raw
nokltSv SvQaxoaltar , vtof fl^a^nyo^ao 7i(Qtxk(tTtJ9 ri *i>iXivijg. Es ist hieraus mit
Bergk zu schliessen, dass der Vater als ein Mann aus dem Volke, die Mutter da-
gegen als von edler Abkunft betrachtet wurde. Nach dem yirog des Dichters in den
Handschriften Theokrit's war er £vQt(x6aiog t6 yivog, nargog I^ifuxidou (richtiger £4-
fit^ov) tog avTog ifrjai (Id. 7, 21), hfioi di ro ^i^i^iJa fntifVfAOv (hat Hyovai * Jo*€t
yag aifiog jtg jifv jiQogoilfiv tJrai^ naiiQn J* ia^rixivai Ilga^ttyofmv »ai fitjrlga *9>iUvav.
Dass Theokrit Simichidas genannt wurde, erklärt Schol. Id. 7, 21 so: r/aal (f^ joioviov
uno nttjQlov (Cod. L. narQtatov] xXfif^tivai £if4ix^dov roi; JliQtxXfofg r"7v 'ÖQ/ofifv^tof.
Hier emendirt Hauler nnt^utov und erklärt so : Simichidas war des Theokrit Stiefvater,
494
Anhang III. Belege und ErlUoteningen.
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weshalb dieser sich nach ihm nannte. Perikles kam, als die Thebaner Orchomenos
zerstörten, 346 v. Chr. nach Kos, sein Sohn Simichidas heirathete später die Mutter
des selbst in Syrakus geborenen Theokrit So erklärt sich auch die Hervorhebung
von Orchomenos in Id. 16, 104. Ohne Zweifel hat Hauler die Notiz des Schol. Id.
7, 21 richtig erklärt. Deshalb ist jedoch die Sache selbst noch nicht nothwendig
richtig. Mir scheint vielmehr auch der Name Simichidas auf Sicilien hinzuweisen.
Wenigstens kommt Slmichos meines Wissens nur als sicilischer Name vor, als der
eines allerdings fabelhaften Tyrannen von Kentoripa, bei Porphyr, vit. Pyth. 21,
Hierzu kommt noch, dass im 7. Idyll im Ganzen drei angenommene Namen vorkom-
men : Lykidas , Sikelidas , Simichidas. Unter diesen Umständen kann ich der her-
kömmlichen Erklärung derselben, wonach bei den beiden letzten die Namen der Vät^r
für die der SOhne gesetzt sein sollen, kein grosses Gewicht beilegen; auch Sikelidas
scheint mir nur auf Sicilien hinweisen zu sollen. — Die Stellen Theokrit's, welche
Sicilien als seine Heimath bezeichnen, sind: Id. 11, 7: 6 KvxXwijj 6 nao tcfiiv; 28, 16:
d^fierigag ano /.'^oio;, was unmittelbar darauf als Syrakus erklärt wird; endlich
16, 8: ccl dk (die Chariten) axv^o^ivm yvfÄvoTs noaXv ofxttJ* ttiaiv, — Theokrit's Zeit.
Ausführlich handelt hierüber Hanler p. 16 — 30. Am spätesten setzt den Theokrit
Munatus beim Schol. vnoS'. id. 17, wonach er noch zur Zeit des Ptolemaios Philo-
pator gelebt hätte, der von 222 — 205 regierte. Hauler zieht hi^pfür auch den Vers
des MoschoB 3, 100 herbei, wo Theokrit als noch lebend erwähnt wird. Da nun Mo-
sches Freund des Aristarchos war, dieser aber um 235 geboren ist, so müsste aller-
dings Theokrit noch um 220 gelebt haben. Aber da die bei Moschos vorhergehenden
Verse unächt sind, so ist die Deutung der betreifenden Erwähnung Theokrit's unklar.
Wir haben somit keine Veranlassung, Theokrit noch um 220 als lebend zu betrachten.
Im Argum. Id. 4 wird er als um Ol. 124 = 284 v. Chr. blühend bezeichnet, d. h. um
den Anfang der Regierung des Ptolemaios Philadelphos. Auf die Zeit dieses Königs
weisen auch die theokriteischen Gedichte selbst hin, bes. Id. 16 und 17. Die Dati-
rung dieser Gedichte ist besonders von Hauler einer ausführlichen Untersuchung un-
terworfen worden. In Betreff des 17. Idylls stimme ich mit Hauler durchaus übercin.
Ueber das 16. kommt Hauler in seiner längeren Auseinandersetzung (p. 27 — 29} zu
dem Resultate, dass es in 265 v. Chr. falle. Da nach v. 76 ff. ein Krieg mit Kar-
thago zu drohen scheint , so muss ich annehmen , dass das Gedicht in die Zeit fällt,
da die Karthager durch ihr Eindringen in Messana die Hoffnungen vereitelt hatten,
welche Hieron auf den Sieg am Longanos setzen durfte, s. Diod. XXII, fin., also in
269 V. Chr., nach dem oben (S. 492) über die Machterlangung Hieron's Gesagten.
Hauler p. 29. 30 hat auch für Id. 14 die Zeit festzustellen gesucht und 240 v. Chr.
angenommen, in welchem Jahre nach seiner Meinung Theokrit wieder in Syrakus
anwesend war. Aber wenn auch das Gedicht in Sicilien spielt, so berechtigt doch
nichts dazu, den Dichter selbst in Sicilien anwesend zu denken und das Jahr 240
auch nur annöhemd zu vermuthen. — Theokrit's Lehrer und Freunde geben weitere
Daten für Theokrit's Chronologie selbst. Nach seiner Lebensbeschreibung nxovaxriq
yfyove 4»iXTiTä xaX l^axlrinta^ov iv fivrjfiot'ivH (Id. 7, 40). Ueber die Zeit des Phi-
letas spricht nach Suidas Hauler p. 7—9, er setzt p. 9 dieselbe zwischen 340 und 270,
und wir haben allerdings bis 340 zurückzugreifen, da er nach Suidas bereits zur Zeit
des Philipp von Makedonien lebte. Vgl. über die übrigen Freunde Hauler p. 9—13.
Dass Aratos in Kos sich um 274/3 aufhielt, hat Usener nachgewiesen : Epigramm von
Knidos, Rh. M. N. F. XXIX, S. 42. Um dieselbe Zeit muss nach dem Vorhergehen-
den Theokrit in Kos gelebt haben. Hauler ist auch der Ansicht, dass ein Aufenthalt
Theokrit's in Samos wahrscheinlich ist. — Der dunkele Vers Ovid. Ibis 551 : Utve
Syracosio praestricta fauce poetae» Sic animae laqueo sit via clausa tuae, — hat
einem Schol. zu der falschen Behauptung Veranlassung gegeben, dieser Dichter sei
496 Anhang III. Belege und Erläuternngen.
Theokrit, der auf Hieron's Befehl hingerichtet sei, weil er dessen Sohn durch Schmäh-
gedichte beleidigt habe. Ueber die üandschriften. Scholieu und Ausgaben Theokrit's
vgl. Bernhardy, Griech. Liter. 3. Ausg. II, 2, S. .509—71. Ich habe in den Citaten
die deutsche Uebersetzung von Moerike und Notter, Stnttg. 18.Ö5. 8 benutzt. —
S. 304. Die bukolische Poesie. Vergl. von neueren Darstellungen: Giov. Yen-
timiglia, De' poeti Siciliani libro primo, Nap. 1(563. A, nur die bukolischen Dichter
des Alterthums behandelnd. Finkenstein, Arethusa oder die bukolischen Dichter des
Alterthums I, Berl. 17S9. 4. Naeke, Opuscula philologica I, Bonn 1842. 8. J. Ädert,
Theocrite, Geneve 1843, 8. Welcker, Ueber den Ursprung des Hirtenliedes in s. Kl.
Schriften I, Bonn 1844. 8. A. Th. H. Fritzsche, De poetis Graecorum bucolicis. Gisa.
1844. 8. Notter, vor s. Uebersetzung Theokrit's, Stuttg. 1855. Zimmermann, vor s.
Uebcrs. Stuttg. 1856. D. Scinä, Storia letteraria di Sicilia dei tempi Greci, Pal. 1859.
8, p. 239—291. 0. Ribbeck, Die Idyllen des Theokrit in den Preuss. Jahrbüchern
Juli 1873, S. 58—99, und die sonstigen von Fritzsche in s. kleinen Ausgabe (2) S. 4
zusammengestellten Schriften, sowie den Artikel von L. Schmidt in Pauly's R. £. I,
2 und Bernhardy, Gr. Lit. II, 2, 554—574. — Ursprung dor Bukolik. Abhand-
lung nf()l tljg tifQiafatg xm> ßovxoXixcjy vor den Handschriften der Bukoliker. Ihr Inhalt
ist im Texte wiedergegeben. Femer von lateinischen Grammatikern Probus und Ser-
viuB zu Anfang i^irer Comm. zu Verg. Bucol., Donat. vit. Verg. c. 21 ; Isid. Orig.
I, 38, endlich Diomedes, De oratione III, p. 483 Putsch, p. 486 Keil, die ich als
eigentbümliehe Varianten bietend hierher setze. Bucolica dicuntur poemata secundum
Carmen pastorale conposita. Instituta autem sunt, sicut quidam putant, in Laconia.
vel, ut alii, in Sicilia. Nam inter Lacedaemonios et Siculos varia fuit conditio.
A Siculis autem origo quae trahitur, haec est. Ant(;quam Hiero rex Syracusas ez-
pugnaret, morbo Sicilia laborabat. Variis et adsiduis caerimoniis Dianam placantes
finem maus invenerunt, eandem Lyaeam cognomiuaverunt, quasi solatricem malonim.
Inde res in consuetudinem ti'acta est, ut greges rusticorum theatrnm ingredorentor et
de Victoria canerent, habitus vero huius modi videbatur. Erat panis magnus omnium
ferarum imagine conpletus et uter cum vino et follis cum omnium leguminum genere.
Inerat et Corona in capite et in manu pedum clavatum , atque ita victorum fores mul-
titudo circumibat, Carmen in victoriam, quam adepti fuerant, canebant, et de eo folle
limina frugibus spargebant. Nonnulli et in Italiam et in Lydiam et in Aegyptam
transisse creduntur (kann nur bezeichnet haben, dass auch in Lydien solch Wandern
von Hirten mit Gesaug gebräuchlich war), quos Lydiastas et bucolistas appellaverunt.
Quamquam est et alia opinio, circum pagos et oppida solitos fuisse pastores, conpo-
sito cantu precari pecorum et frugum hominumque proventum atque inde in hune
diem mauere nomen et ritum Bucolicorum. Putant autem quidam hoc genus carminum
primum Daphnin conposuisse, deinde alios conplures, inter quos Theocritnm Syracu-
Sanum quem noster imitatur. Die nt^l t^^ (vq, angeführten griechischen Verse, welche
die Hirten singen , haben pnapeisches Metrum ; sie sind jedoch, zu zweien vereinigt,
fast ganz den sogen, bukolischen Hexametern gleich , d. h. solchen , die eine Cäsur
nach dem vierten Dactylus haben. Diese Cäsur findet sich bei Homer, aber öfter
bei Theokrit. Nach Plotius de mctris p. 2632 Putsch, haben Daphnis oder Thyrsia
sie erfunden. Worauf sich bei Diomedes die Nachricht von der Eroberung von Sy-
rakus durch Hieron bezieht, lässt sich nicht sagen. Vielleicht ist von Daphnis die
Rede auch bei Isid. Or. 3, 21, wo die handschriftliche Lesart ist: fistulam quidam
putant a Mercurio inventam, alii a Fauuo quem Graeci vocant Pana, nonnulli eam ab
Idi (oder uno) pastore Agrigentino ex Sicilia, wo vielleicht statt Idi zu lesen ist:
Daphnide. — Anderweitige Herleituug der bukolischen Poesie. Ath. XIV, 619 von
Diomos. Sonst kommt Diomos als Liebling des Herakles in Attika vor. Daphnis als
Erfinder der Bukolik Diod. IV, 84. Stesicboros Erfinder der Bukolik nach Ael. V. H.
Zu Buch VI, Kap. 8, 8. 304—310. 497
X, 18. — Ueber die grosse Bedeatung des Wettkampfes für alle Richtungen des
Lebens der Griechen, und wie die WettkUmpfe in alle geistigen Bestrebungen hinein-
spielon, s. d. Art. «ydürfs in Pauly's R. E. I, 1, 572. — Eine interessante Beziehung ,
zwischen der Volkspoesie , welche der Bukolik zu Grunde lag, und gewissen in Sici-
Ken besonders gepflegten literarischen Bestrebnngen ergiebt sich aus der Erwägung
folgender Stelle der Abhandlung von F. Nietzsche, Der Florentinische Traetat Über
Homer und Hesiod. Rhein. Mus. N. F. XXVIII., S. 220: „Was für einen Sinn kann
es nnn haben, dass inmitten einer 'Sehule der Rede* eine so ausführliche Erzählung
vom Wettkampfe der beiden ältesten und berühmtesten Dichter ihren Platz hatte?
Ich sehe eine einzige Möglichkeit ein ; es ist jener Wettkampf das gi-osse Einleitnngs-
Stück im Lehrbnche des Aleidamas, in dem durch das berühmteste mjrthische Exempcl
das Wesen der gorgianischen Beredsamkeit als uralt dargestellt werden sollte. Der
grösste und weiseste DichAr, Homer , wird als Zeuge und Repräsentant jener Kunst
des Extemporirens, cr/<JiWC<ff, der Redemanieren di« ßQaxvTattov , dt« yvt^fimi*, Jr'
tthiyfiartov n. s. w. vorgeführt, nach der auch sonst iiblichen Sitte der grossen grie-
chischen Neuerer und Entdecker, sich durch Homer gleichsam sanctioniren zu lassen-
Welche Wichtigkeit Aleidamas , nach dem Vorgange des Gorgias , auf den «vtoaxi-
ötttOfiog legt, erörtert Vahlen, Der Rhetor Alkidamas, Berichte der Wiener Akademie
d. Wissenseh. 1864, p. 22 ff.'' Ich habe im Texte über die Wichtigkeit der Räthsel-
frage und der Improvisation für die sicilianische Volkspoesie, zunächst der neueren
Zeit, gesprochen. Hier sehen wir, wie einerseits die sioilische Rhetorik, andererseits
die volksthttmliche hellenische Poesie ebenfalls beides in hohen Ehren hält. Dies ge-
stattet einen für Siciliens Kultur in doppelter Beziehung wichtigen Schluss. Wenn
Gorgias dergleichen Exempel nahe lagen , so wird er sie in Sicilien selbst gefunden
haben, wo noch heute diese Geistesübung im Gebrauche ist. Wir erhalten also erstens
ein ziemlich sicheres Zengniss über eine verbreitete Art der sicilischen Volkspoesie,
die wir sonst noch nicht so direct kennen gelernt hatten, und wir sehen zweitens
von neuem bestätigt, dass Gorgias ein echter Sicilianer und seine Schöpfung, die
Rhetorik, eine echt sicilische Kunst war. — Beziehungen zum Hirtenleben bei Hermes
Preller, Griech. Mythologie I, 249; bei Pan ders. I, 460; bei Apoll I, 168; bei Ar-
temis Hymnia I, 190 nach Paus. VIII, 5, 8; XIII, 1. Ueber den musikalischen Trieb
der Arkadier spricht Polyb. V, 20. — Aneh fttr den von mir hervorgehobenen me-
lancholischeren Charakter der sicilischen Hirtenpoesie lässt sich die moderne Analogie
anführen. Ein Sicilianer M. Raeli Romano spricht in der Rivista Europea, Firenze,
Ott. 1873, p. 292 über den Charakter der siciiianischen Poesie und sagt: Uno del
tipi a noi piü eomuni puoi ravvisare nel semplice e neghittoso pastore, che in sul
meriggio, sdraiato al rezzo, innalza gli occhi al sole e imbocca 1a silvestra zampogna,
d'onde trae fiebili suoni che rompono i silenz! monoton! della campagna. Es ist
völlig die Situation des ersten theokriteischen Idylls mit seinem Klagegesang auf
Daphnis* Tod.
S. 310. Id. 7. Ueber den Schauplatz des Gedichtes, ob Kos oder Unteritalien
s. Fritzsehe I, 197, welcher auch die von andern darüber aufgestellten Ansichten
bespricht. Mir scheinen die für Kos sprechenden Gründe Übenviegend ; doch kann
ich V. 1 h Tov 'Mfvra nicht für richtig halten. Es moss ein Fluss von Kos gemeint
sein. Da nun 5, 123 ebenfalls h tovZ^Xivra, und sicher von einem unteritalischen
Flusse, vorkommt, so halte ich es nicht für möglich, dieselben Worte im Anfange
von Id. 7 von einem ganz anderen Haieis '^u verstehen, und ich nehme mit Fr. an,
dasB in 7, 1 der Name ursprünglich anders gelautet hat. In Lykidas vermuthet
Ribbeck S. 79 not. den Kreter Astakidas, erwähnt von Kallimachos Epigr. 24 (22).
Dies Epigramm zeigt weite Verbreitung der Hirtenpoesio zur Zeit des Theokrit; die
Bukoloi scheinen nicht blos in Kos, sondern auch in Alexandria zu Hause gewesen
Holm, Qesch. Siciliens. II 32
49S Anhang III. Belege und Erläuterungen.
zu sein. — ISovxoXoi (loa Kratinos Ath. XIV, <J.i8. — Man vgl. vom Kvxloftfß des
Euripides v. 49 ff. mit Theokrit's Id. 4, 45; 5, 3; 5, 100; 8, 79. — üeber Phi-
loxenos s. o. S. 456. — Ueber Herroesianax Schol. Theoer. 8, 55. — Ueber Eriphanis
Klearchofl bei Ath. XIV, C19. Vgl. Ribbeck S. 61. — Ueber Sositheos Bernhardy
Gr. Lit. II, 2 (3), S. 74. — S. 316. Id. 5. Auf meine Zweifel über die Gerechtigkeit
des Schiedsprnches antwortet Ribbeck 67, der mich jedoch nicht überzeugt. Komatas
taugt nicht mehr als Lakon. — S. 316. Id. 10. Nach Ath. XIV, 619 heisst das Lied
der Schnitter Airv^Qütig. — 8. 316. Id. 1. Dass in diesem Gedichte dem Daphnis
Schicksale zugeschrieben werden, die sich mit den sonst von ihm berichteten nicht
verejnigen lassen, sah D. J. van Lennep in seiner Disput, de Dapbnide Theocriti et
aliorum. Comm. inst. Belg. class. III, vol. H, 1820, p. 157 ff. Doch stimmt die
Deutung, welche Lennep dem Gedichte giebt, die Auffassung des Verfaältoisaes des
Daphnis zur Aphrodite u. s. w. nicht ganz mit der un8r%en ttberein, die sich viel-
mehr an die von Fritzsche anschliesst. S. I, 11 — 13 |der grossen Ausgabe, wo die
sonstigen Schriften citirt werden, in denen dieser Gegenstand behandelt ist. Die
Ansichten der früheren hat ausfuhrlich entwickelt K. Fr. Hermann, De Daphnide
Theocriti, Gott. 1853. 4. Herrn, unterscheidet fUr unser Gedicht zwei Mädchen, qna-
rnm alterius fastidio molestias amori creaverit, alterius desiderio eiusdem vim ex-
pertus Sit. Sputer hat noch darüber gehandelt Bücheier in den Neuen Jahrb. f.
Philol. 1860, Bd. 81, p. 359; zuletzt A. Krumbholz, Quacstionum Theocritearum spe-
cimen primnm, Drcsd 1873. 8. (Rostocker Dissertation). — S. 317. Id. 27. Der von
Fr. II, 213 versuchte Beweis der Unächtheit des Gedichtes hat in so weit keine Be-
gründung, als er sich darauf stützt, dass der Daphnis von Id. 27 nicht der alte sici-
lische Heros sei. Es ist klar, dass nicht überall , wo bei Theokrit ein Daphnis vor-
*kommt, es* jener alte Heros ist. Wer die Identität des Daphnis in den theokriteischen
Gedichten ausser Id. 27 festhalten will, wird genöthigt, zu ziemlich willkürlichen
Deutungen seine Zuflucht zu nehmen, wie solche z. B. K. Fr. Hermann hat aufstellen
müssen, der aus jenen Gedichten in der cit. Abhandlung eine recht bunte Geschichte
zusammensetzt. Daphnis heirathet die Nais (8, 93 ) ; aber diese Heirath ist nicht
amoris, sondern aü}(^{)oavvTjg praemium. Nun kann er diese Flussnymphe nicht oft
sehen, darf aber dennoch nicht mit einer andern Verkehr haben (Sage bei Diodor nnd
Aelian). Eine nicht mit Namen genannte x(oQa (1, 83) ist in ihn verliebt; er aber
flieht sie und verliebt sich dagegen in eine ^fr^a^ eine Fremde (7^ 73), welche ihm
nicht zu Theil wird, das ist der Grund, weswegen er stirbt. Man kann unmöglich
diese complicirte Geschichte annehmen, und wird zugestehen müssen, dass Daphnis
bei Theokrit nicht überall derselbe ist. In Id. 6 und 8Jsind es gewöhnliche Hirten,
die den Namen Daphnis führen, und so ist auch für Id. 27 die Annahme eines ge-
wöhnlichen Hirten dieses Namens statthaft, in Id. f und 7 dagegen ist es der alte
Heros. Wo ein Daphnis als handelnde Person in einem theokriteischen Gedich'te auf-
tritt, ist es ein beliebiger Hirt (Id. 6. 8. 27); der jalte Daphnis kommt nur in den
Reden oder Liedern der handelnden Personen vor; es ist von ihm die Bede Id.
1. 7. Dass dieselben Namen nicht immer dieselben Personen bei Theokrit bezeich-
nen, hat Fr. selbst in der kl. Ausg. zu 4, 3S nachgewiesen. — S. 317. Id. 11 ist von
Seume in seinem Spaziergang nach Syrakus übersetzt. — S. 319. Den Contrast
zwischen Stadt und Land läugnet bei Theokrit Beruh. Gr. Lit. II, 2, 493. 94.
Gegen ihn Fr. Kl. Ausg. S. 10 Anm., der in Betreff des 7. Idylls vollkommen Recht
hat. Aber Id. 7 ist ja eben der Vertreter der künstlichen Bukolik, das Gedicht , in
welchem die verkleideten Stadtherren Schäfer spielen; so ist in diesem Gedichte- der
Contrast zwischen Stadt und Land ein wesentliches Moment des Ganzen. Ebendes-
wegen aber beweist Id. 7 für die wirklichen bukolischen Gedichte Theokrit's nichts. —
Id. 8. 9. 3 als sicilische, 4. 5. 10 als italische Lieder charakterisirt von Hauler p. 65,
Zu Buch VI, Kap. 8. Seite 316-319. 499
der deswegen annimmt, daas Theokrit auch in ünteritaiien sich eine Zeitlang aufge-
halten habe , was nicht unwahrscheinlich ist. Es ist bemerkenswerth , dass in den
italischen Idyllen ein derberer, realistischerer Ton herrscht. — S. 319. Id. 18. Nach
der vTioS-hfStq hat Th. einiges ^x xov TtQwrov ^rr/aixoQov 'El^vrjg genommen. In v. 49
findet sich eine Reminiscenz an Sappho. Dagegen scheint in v. 30 eine Entlehnung
aus dem Orient vorhanden zu sein. v. 29 — 31 lauten: IfntQu Sre Xt^or «r^J()«^f xoajuog
itQovQif */I xaTKft xvTittotaaog 5 «(»^«rt Sitfoalog innog SlSs xnl « ^odoxQfog *KX4va ^a-
xf6a(fjLovi Hoa/Aog Das Gleichniss mit dem thessalischen Pferde ist dem> Uebersetzer
Notter so sonderbar vorgekommen, dass er es S. 19 eine ,^chlimme", „unschickliche"
Vergleichung nennt. Wir können aus diesem offenen Oeständniss wenigstens das
entnehmen, dass einer sich innerhalb der Grenzen der hellenischen Gfedankenwelt be-
wegenden Anschauung der Vergleich* sehr auffallend vorkommt. Um so nothwen-
diger wird es, eine Erklärung des Ursprunges eines solchen Gleichnisses, wenn sie
einige Wahrscheinlichkeit hat, nicht von der Hand zu weisen. Die orientalische
Analogie ist gegeben durch die Stelle des Hohenliedes 1, 9, welche in der grie-
chischen Uebersetzung so lautet: rtu YnTup ^ov (v apfiaai 4>aQnio mfjiodoad ae , ri
nlrialov ftov. Vergl. über diesen Gegenstand die kleine Schrift: Stäudlin, Theokpt's
Idyllen und das Hohelied, in Paulus' Memorabilien , Jena 1791. 2. Stück S. 162 ff.
Stäudlin fUhrt noch eine Reihe anderer Stellen an , in • denen ebenfalls Anlehnung
au das Hohelied bei Theokrit stattfinde; sie sind jedoch nicht beweisend, mit Aus-
nahme einer. Er vergleicht Theokr. 18, 20 — 29 mit Hohel.:6, 8—10, wo in beiden
Gedichten zuerst die Zahl der anderen Frauen (Hohe!.) oder Mädchen '(Theokr.)
berichtet wird, nämlich 60 und 80 im Hohenlied, 4 mal 60 bei Theokrit, worauf
dann in beiden Gedichten folgt, dass die eine doch noch schöner ist als alle an-
deren, und das wird durch Vergleichungen gezeigt, bei denen in beiden Gedichten
die Morgenröthe eine Rolle spielt. Die gleiche Folge ähnlicher (bedanken in bei-
den Gedichten ist bemerkenswerth und schwerlich dem Zufall zuzuschreiben. Die
Art der Entlehnung ans dem Orient giebt Stäudlin S. 162 dahin an, dass ,,nach
mehreren Auslegern Theokrit an dem Hofe des Ptolemaeus Philadelphus durch den
Kanal der 70 Dolmetscher aus dem Hohenliede geschöpft habe.'* Jedenfalls ist klar,
dass es Theokrit in Aegypten möglich sein musste, den Charakter und manche ein-
zelne Proben orientalischer Poesie kennen zu lernen, sodass eine directe oder indi-
recte Entlehnung von 18, 30 und von 18, 20—29 aus dem Hohenliede durchaus nicht
als unwahrscheinlich bezeichnet werden kann. Ich fUhre noch, da Stäudlin's Abhand-
lung wenig bekannt zu sein scheint , die von Stäudlin in dieser Beziehung citirten
Kritiker an: Warton ad Theoer. 23, 26; Schwebel ad Bion. 8, 1; Hariess ad Theoer.
18; S. Wesley, Dissert ad lib. lobi, Lond. 1736 diss. 4, p. 27; Lowth, De sacra
poes. Ebraeorum p. 613. üebrigens darf nicht tibersehen werden, dass in Betreff der
Form und einiger Ausdrücke von Theokr. 18, 29—31 eine heimische Reminiscenz vor-
zuliegen scheint an die angeblich vou Homer improvisirten Verse : *Avt^og f^iv aji<favog
nalfffg, nvQyot dk nokmog, "fnnoi if* av n^SCov xoüfiog, vrjeg cfi Oalnaarjg , Aaog J*
tiv ayoQ^aixtt^ud'og iigoQtiaa^ttt u. s. w., vgl. Nietzsche im Rh. Mus. N. F. XXVIII,
S. 248. — Den orientalischen Ursprung der bukolischen Poesie überhaupt, nicht die
Entlehnung einzelner Stellen, sucht nachzuweisen L. de Sinner, La po^sie bucolique
chez les Grecs. Extr. du Journal g^n^ral de Instruction publique s. I. et a. Seine
Beweisführung ist folgende. Wie kommt es, fragt er, dass nicht Griechenland, das
doch ein so entwickeltes Hirtenleben hatt«, die bukolische Poesie hervorgebracht hat,
sondern gerade Sicilien? Die Heimath des Hirtenlebens und der Hirtenpocsic ist
Asien. Die asiatische Hirtenpoesie konnte leicht nach Nordafrikijk verpflanzt werden,
und ebenso leicht erklärt sich der Uebergang von hier nach Sicilien, zumal da die
Karthager so lange einen Theil der Insel beherrscht haben. S. citirt als Beleg für
32*
500 Anhang III. Belege und Erläuterungen.
den Verkehr afrikanischer Hirten mit griechischen in Sicilien Id. 1, 23 — 25 und fbacht
auf das Vorhandensein des Refrains, wie im Thcokrit, so im Hohenliede, aufmerksam.
Sinner's Hypothese entbehrt des Beweises. Ueberliefert ist im Gregentheil dorischer
Ursprung der Hirtenpoesie. — Für den Einfluss des orientalischen Elementes auf die
sicilische Poesie sind auch von den italienisclien Gelehrten manche eingetreten, unter
andern der berühmte Gioberti in seinem Primato p. 508, citirt von VinC. Di Giovanni,
Del genio Orientale nelia poesia antica e modenia Siciliana p. 173 ff. des ersten Bandes
seiner Filologia e Letteratura Siciliana, Pal. 1871. 8, der sich auch selbst für die
Annahme dieses Einflusses entscheidet. — S. 321. ddvXli^v; Demin. von fMo^,
in nachtheokriteischer Zeit Benennung der Gedichte Tbeokrit's, obechon in der Ab-
handlung Tifgl tijs TiSv ßovxoXtxiov iniyQttffijf p. 7 Fr. der Name als von Tkeokrit
selbst herrUhrrad angegeben ist. Es ist klar, daas üJuXXiov soviel bedeutet wie
fnxQov noirj/aa; das beweist die angeführte Abhandlung p. 7 Fr., femer Isid. Origg.
], 39: idyllium paucorum versuum, distichon duorum, monostichon unlus, endüeh
der Gebrauch, welchen Plin. ep. 4, 14 von dem Worte macht, indem er epigrammats,
idyllia, eclogas als Bezeichnung seiner kleinen hendecasyllabi anwendet. Dagegen ist
nicht so klar wie es kommt, dass tiJvlXiov ein kleines Gedicht bedeutet. Verschie-
dene Ansichten darUber hat sehon [die angeführte Abhandlung aufgestellt: ano rov
ffJovi, Tj d-ctoQ^a oder ano tov Mto to ofiom ' ioixorfs yitQ .xotQ n^qtinotq ^Mv oi
Xoyoi, oder endlich: weil ein Gedicht (2Joi loyou^ d. k. eine Art der Bede ist. Vgl
über diesen Gegenstand W. Ohrist, lieber das Idyll, in den Verhandlungen der
26. Versamml. der Philologen in Würzburg, Lpz. 1869, p. 40—58, der, wie vor ihm
L. Schmidt in Panly's R. E. I, 2, 2517 an den auch in der erwähnten AbhaBdlnng
n€Ql TTjg ttSv ßovx. iniyg. angedeuteten Gebrauch des Wortes für die Arten der Pin-
darischen Melik denkt. Andere deuten: kleine Bilder, so Fr. Kl. Auag. S. 31 nnd
Bernhardy II, 2, 568 („wir denken unwillkürlich an Genrebilder^), Sinner meint ein-
fach : Form ist Gedicht , also ist : kleine Form = kleinee Gedicht. Die Sache wird
sich schwerlich ganz aufklären lassen. — S. 321. Nach Suidas hat Theokr. noefa ge-
schrieben: n^oizlSsg^ iXn^JeSf vfjivoi, ri()(oh'ai , iniX^Jiitt fi^ltf, iXtyitig^ tafift9i, im-
yQttfÄfxaTtt, Für unächt erklärt sind von Reinhold, De genuinis Theocriti carminibus et
suppositiciis, Jena 1819, alle Idyllen nach 4em 18. , nebst 12 u. 17; gegen ihn hat Wissowa,
Theocritus Theocriteus, Bresl. 1828, den Bestand Theokrits vertheidigt ; yon D. Heinsias
20. 27 ; von Reiske 25. j24 ; von Warton 21. 17 und 18, von G. Hermann 23; von Eich-
Stadt 22. 26 ; von Ahrens 18—28 ; v. 0. Härtung, Quaest. Moscheae. Bonn 1865 alle Epie«.
S. 321. Bion, nach Suid. s. v. B^ox^uos auf dem Landgute Phlossa bd Smyrn»
geboren, lebte nach dem, Moschos zugeschriebenem Rlageliede auf ihn, grOsstentbeils
in Sicilien, wo er an Gift starb (v. 126). Auf die unächten vv. 94—99 kennen keine
Zeitbestimmungen gebaut werden. — Moschos nach Suid. s. v. Afo'a/o^ ein yvm(»'
fiog des Aristarchos. Vgl. die eingehende Chfirakteristik beider in Bemh. 6r. Lit.
II, 2, 502—4.
S. 322. Gebrauch des Wortes ßovxoXog, ßovxoXnx^€iv. Moschee sagt in
seinem Klagelied auf Bion 8 — 12: '^(>;^<7« ^^ixfXixal rtS nivS^og^ ^9X^''^ Mtiicm.
'yiJovee, nl nvxtvoiaiv o^vQOfjitvat norl (fvXXoig, Ndfiaa». tm; £tx(Xjoitg ayyiiXtett ins
^yige&oiaag, Om Biiov xid-vax^v 6 ßaixoXog, ojji auv avrf Kai to fiiXog r49rmxf *«l
üiXfTOy /IwQig aoidd. Es wird also Bion als ßtoxoXog bezeichnet. In v. 20 desselben
Gedichtes heisst er auch 6 ralg dy^Xataiv i^da/nog, und In v. 59 ff. wird Galateia
eingeführt, wie wir auch unter Bion's Gedichten ein sehr niedliches Fragment habev,
worin Galateia vorkommt. Dass er ein wirklicher Hirt gewesen, ist nirgends ersicht-
lich; offenbar war er es nur in dem Sinne, wie der Lykidas des 7. theokriteisehen
Idylls, den er auch in seinem eigenen 7. Idyll angebracht hat: er nahm die Maske
eines Rinderhirten an. Also steht ßwxoXog im uneigentlichen Sinne. Nicht anders
Zu Buch VI, Kap. 8, Seite 321 -323. 501
steht es um fitokoltaC^tv bei Bion und Moschos. Eigentlich bukolisches im ursprüng-
lichen, theokriteischen Sinne ist wenig in Bions Gedichten; dennoch heisst es von
ihm bei Moschos 3, 126: alX* inl Koti^t} ^ixtXixov ji Uytuve xal adv ri ßüjxolida^ev,
wo augenscheinlich ßovxoXta^tiv für Dichten , Singen, überhaupt steht. Das bestätigt
sich durch Bion's Id. 3, worin Kypris zum Bion kommt und ihm sagt: fÄÜniiv
fioi, (f>iXe ßtSra, Xtißtttp xov "Egatra (f/Jacrx£ — worauf er ihn lehrt oaa ßioxoX(aaßov,
und der Gegenstand dieser Poesie ist nach v. 7. 8 die Erfindung der Musikinstru-
mente, also nicht ein specielles Uirtenthema. Es bedeutet also bei Bion und Moschos,
denen sich natürlich ein Freundeskreis angeschlossen hatte, ßoirnoXin^dv : Dichten,
wie ein verkleideter ßovxoXog es thut, dem nicht bloss die eigentlichen Hirtenstoffe,
sondern alle lieblichen, sanften, traurigen Stoffe zur Verfügung stehen ; das eigentlich
heroische, kräftige, wird ausgeschlossen. Dem entspricht bei Bion 7, 10 die Anfüh-
rung des ßmxoXog Paris. — So sahen wir schön zweimal eine Gesellschaft von Freun-
den, die sich den Namen ßovxoXoi beilegten und als solche zarte Lieder sangen: in
Kos zur Zeit Theokrit's und in Syrakus unter Bion und Moschos. Aber diese Ver-
kleidung blieb noch lange beliebt. Wir finden an einem ganz verschiedenen Orte, in
römischer Zeit, eine sogar sehr gut organisirtcj Gesellschaft von ßovxoXot : in Perga-
mon in Klcinasien, nach Ausweis der von C. Curtius im Hermes VII, 1 , S. 39 publi-
cirten Inschrift No. 12, in welcher die pergam.enischeh Bukoloi ihren Vorsteher, der
den Titel Archibukolos führt, Soter, den Sohn des Artomidoros, ehren, weil er in
frommer und würdiger Weise einen dem Dionysos als Führer — xad^tjyefitiip — geweihten.
Mysteriendienst geleitet hat. Nach dem Namen verzeichniss den 18 bukoloi folgen die
Namen der 2 v^vodiöaaxaXoi — worauf 2 ebenfalls der Gesellschaft angehörige 2*#Aiiv#ot
namhaft gemacht werden ; den Schluss macht ein /oQtjyog, Es haben sich hier also die
bukoloi zu Dionysosmysterien vereinigt. (Einiges nach mündl. Aeusserungen üsener's.) ■
S. 323. Ich führe aus dem Vaterlande der Bukolik einen frappanten Beleg für
die in gewissen Jahrhunderten herrschende Neigung zur Nachahmung des Hir-
tenlebens an. Vino. Di Giovanni (f 1627) berichtet in seinem Palermo restaurato
p. 95 der Ausgabe von Di Marzo, Pal. 1872. 8, vol. X der Biblioteca storica di Si-
cilia: Quivi (an einem Orte der Umgegend von Palermo) il dottor Gio. Guglielmo
Bonincontro si fece un luogo pastorale, con capanne, tuguri, un boschetto ed altri
Inoghi silvestri. Era di umor filosofico ; si vestiva di pastore e da ninfa facea vestire
sua moglie ; c sonando ora sue ciaramelle (Sackpfeife) ora i flauti a guisa di pastore,
con sua moglie si prendeva diletto o spasso ; cosa non solamente di gusto a lui , ma
di sommo piacere a chi lo vedeva e sentiva. Es muss uns jetzt sonderbar erschei-
nen, dass ein ernsthafter, vielleicht bejahrter Doktor mit seiner Frau den Hirten
spielte und sich darüber freute, wenn andere sich das Schauspiel betrachteten. —
S. 323. üeber die Arcadia vgl. P. Emiliani-Giudici, Storia della letteratnra italiana.
Fir. 1865, vol. II, p. 266 ff. Die arkadische Gesellschaft ward in Rom gegründet,
aber in zwei Jahren gab es in ganz Italien über 1300 Arkadier, sämmtlich Dichter.
In allen bedeutenderen Städten waren Zweiggeseli Schäften , unter Oberhirten (custodi
di mandra) stehend. Die Statuten enthielten folgenden bezeichnenden passus : in coetu
et rebus Arcadicis pastoritius mos perpetuo, in carminibus autem et orationibus,
quantum res fert, adhibetor. Es sollte also in der Arcadia gerade so zugehen, wie
auf Kos und bei Bion und Moschos : man nennt sich Hirt und beobachtet die äusseren
Formen des Hirtenlobens, macht aber darum nicht bloss Hirtengedichte. Bei Bion und
Moschos hat die Poesie einen bestimmten sanften Charakter, und daran fehlte es Huch
der Arcadia nicht, deren Zweck sogar war (Emiliani-Giudici II, 270), dem herrschen-
den schlechten Geschmacke in der Poesie entgegenzutreten und dieselbe in eine na-
türlichere Bahn zu lenken. In Bezug auf die Organisation können der Arcadia aber
mehr die pergamenischen Bukoloi gleichgestellt werden.
502 Anhaug III. Belege und Erläuterungen.
Neuntes Kapitel.
S. 325. Das syrakuslanische Theater. Cic. Verr. IV, ^3 in der Beschrei-
bung der Neapolis: quam ad summam theatrum maximum. Nach Diod. XVI, 93 war
es das schönste Siciliens, da ihm das von Agyrion fAtta xo küv 2vQ€t7toa£iav xakkiüjov
luv xarn Six^Xiav erseheint. Die Stelle bei £ust. Od. III, 68 Über Demokupos My-
rilla ist Bd I, S. 426 citirt. Mit dem syrakusanischen Theater zusammenhängende
Vorfälle werden erwähnt Diod. XIII, 94 : ^iaq J* ovar^s iv laTs 2vQax9vaaic rtiv &ifnv
T^f ttJialXttyrf^ itiv ix tov d^eaTgov na^ijv tig rt/v noktv (o .Itovvaieg)^ Plut. Dion3S;
Piut. Tim. 34 (Tod des Mamerkos) und 38; lust. XXII, 2, wo Agathocles populum
in theatrum ad concionem vocari iubet. -— Von Neueren berichten über das syraku-
sanischo Theater: Mirabella, Syrac. N. 136; Bonanni p. 77 der Ausgabe Pal. 1717
fol.; speciell handelt über das Theater von Syrakus Cos. Gaetani, Memoria suU' antico
teatro e gli antichi acquidotti Siraousani, con tav. in rame, im 7. Bande der Nuova
Kaccolta di opuscoli etc. p. 171—190. Von Reisenden führe ich an: Bartels III, 126
— 136; Munter, Deutsche Ausgabe 358—64; Houel III, p. 85—92 und Fl. 147—149;
nach ihm hat über der Nymphengrotte an der Fels wand ein Triglyphenfries existirt
pl. 149; er bildet ebendas. die in der Latomia del paradiso von ihm gesehenen um-
gestürzten Pfeiler mit Treppenstufen ab. Kephalides II, 28 ff.; Hughes I, 98 ff . ;
Parthoy 18S— 190. Die betreff. Abschnitte in den Beschreibungen von Syrakus von
Logoteta und Capodie.ci liegen mir nicht vor. Leake spricht über das syrakuaanische
Theater in den 1839 geschriebenen Topographical and historical notes on Syracuse
in den Transactions of the Royal Society of Literature 2 Ser. vol. 3, Lond. 1850,
p. 237 — :a7, spßciell p. 271 ff.; Dennis p. 349. Am ausführliehsten und durch die
von Cavallari herrührenden Tafeln lehrreichsten ist Serradifalco IV, p. 132 — 143;
Taf. 16—22. Auf der malerischen Ansicht Taf. 17 erscheint das Theater noch gerade
89 durch den Aquäduct verbaut und mit Bäumen besetzt, wie im vorigen Jahrhun-
dert bei Houel. Vgl. endlich Wieseler, Theatergebäude und Denkmäler des Bühnen-
Wesens, GÖtt. 1851. 4, p. 27. 28, und desselben Griechisches Theater; in der Allg.
Encycl. (Ersch und Gruber) I, 83,' S. 187. — Die Inschriften des llieaters. Zu-
erst wurden gefunden die von Keil 3 und 7, im J. 1756, durch den Grafen Ges. Gae-
tani, 8. dessen soeben citirte Memoria, bes. p. 176; vgl. auch Biscari, Viaggio per
tutte le antichitä della Sicilia, Pal. 1817, p. 89. Die Inschriften sind zuerst heraus-
gegeben worden von A. Pigonati, Stato presente degli antichi monumenti Siciliani,
Nap. 1767, fol. tav. XII, woraus sie dann mitgetheilt hat Torromuzza in s. Siciliae
inscriptionum coUectio, Pan. 1784. fol. p. 65. 66. Die Inschrift von Keil 2 fand der
Cav. Landolina im J. 1S04, s. Miliin, Magasin encydopödiquo 1805, T. VI, p. 381;
Memorie encidopediche Romane sulle belle arti 1806, T. 1, p. 2S. Die Inschriften
der Keile 4 und 5 soll der Pfarrer Logoteta gefunden haben s. Mem. encicl. p. 151. —
Alle aufgefundenen Inschriften hat J^andolina in einer Copie im syrakusanischen Mu-
seum zusammengestellt, wonach sie herausgegeben sind im Classical Journal 1812,
T. VI, p. 391. Femer finden sie sich bei Donaldson,' Suppl. to the antiquities of
Athens, Lond. 1830. fol. p.48— 5J, Taf. 4. 5; Th. Mommscn, im Rhein. Mus. IV, 1845,
S. 626; vgl. Bull. d. Inst. 1846, p. 84; endlich Franz iu Ol ür. n. 5369 in ausführlicher
Behandlung nebst p. 1242. Von ihnen handeln ferner: Osann und Panofkajn den oben
(S. 492) citirten zwei Schriften über die Philistis; Letronnc im Journal des Savants
1827, p. 387 ff.; Göttling im Rhein. Mus. II, 1834, S. 103 ff., S. 189 ff.; Raoul-Ro-
chette im Journal des Savants IS.'iO, p. 64 ff. und in der oben bei Gelegenheit der
Philistis citirten Abhandlung in den Memoires de Tlnstitut. XIV, 2, 1S40, p. 257 ff.,
wo auf planche II die Inschriften von Keil 2. 3. 4. 7 abgebildet sind. Bei Serradifalco
Zu Biicli VI, Kap. 9, Seite 325-327. 503
tav. XX sind 2. 3. 4. 5. 7 abgebildet. — Von Keil 1 ist keine Inschrift vorhanden;
die Mauer ist schlecht erhalten. — Keil 2 enthält BA2l!AIZZA2 NHPHr/tOZ. Ueber
die Nereis Paus. VI, 12, 3; Polyb. VII, 4, 5; lust. XXVIII, 3 und obon S. 494. —
Keil 3. BAZIAIXZAZ 4»IAfZTI.iOZ S. oben S. 491. — Keil 4. BA£tA
NO2:. Es ist zu ergänzen BAZIA[E:}2: rEAa]N02: oder BAi:rA[ESl2: IEPSI]N02l,
S. unten. — Keil 5. Nach frllher gesehenen Spnren ist die Inschrift herzustellen
AI 02 OAYMHIOY. Göttling las nur noch ZOAY , Raoul-Rochette nur 2. Die
Wasserleitung, welche üb^ diesen Theil der Sitze des Theaters fllhrte, ist Schuld
an der Zerst((rung dieser Inschrift. — Keil 6. Hier las Landolina IT AN, ,.J AN. .
Haonl-Rochette nur ein 2, Güttling nichts. — Keil 7. [HP]AKAE02 [K]PA[TEPO]
4>P0N0Z ist die wahrscheinlichste Lesart der von verschiedenen Gelehrten in ab-
weichender Weise gelesenen Inschrift. — Keil 8. LandoKna hat A. .,A.,.P Jetzt
ist nichts mehr vorhanden. — Keil 9. Landolina fand ein 7, jetzt ist nichts mehr
da. Den Grund der Ansetzung der Namen an der Maner hat 'am besten GOttling
dargelegt; Kaoul-Rochetto hat mit Recht an Tae. Ann. II, S3 erinnert: equester
ordo cunenm Germanici appellavit, qni luniorum dicebatur. In Betreff der Verthei-
lung der Namen hat ebenfalls Göttling die wahrscheinlichsten Ansichten aufgestellt.
Der mittlere Keil ist dem olympischen Zeus, dem höchsten, speciell in Syrakus ver-
ehrten Gotte gewidmet, rechts, im Osten, schliessen sich Menschen, links andere
Götter an. Nach den von Landolina gesehenen Bachstaben des 6. Keils vermuthet
Göttling hier IIANTPO^POY AAMATP02, in Keil 8 und 9 hätten dann die Namen
Artemis und Apollon gestanden. Für Keil I nimmt Gröttling den Namen des Königs
Gelon in Anspruch, woraus folgt, dass in Keil 4 Hieron's Name stand. Diese Ver-
muthungen haben viel fUr sieh; freilich ist in Keil 6 die Ergänsnng problematisch
und man vennisst unter den geehrten Gottheiten nngem Athene, deren Name sich in
K. 6 einfügen lässt. In Betreff der Menschennamen ist auffallend, dass FhilistiB und
Nereis nebeneinander stehen und ihnen nur ein menschlicher Name vorsteht, in Keil 4,
wo es zweifelhaft ist, ob man G^lon oder Hieron lesen soll. Wenn nämKch den Platz
in Keil 4, der als der Mitte am nächsten, der ehrenvollste ist, Hieron einnimmt und
ihm seine Gemahlin Philistis folgt, warum kommt dann nicht vor Nereis zuerst deren
Gemahl Gelon? Ich möchte deswegen annehmen, dass Hieron seinen eigenen Naiften
keinem Keile geben Hess, dass neben dem Keil des olympischen Zeus sich der des
Gelon befand, (Keil 4), worauf dann in 3 und 2 in der richtigen Rangordnung Phi-
listis und Nereis und zuletzt Hieronymus folgte. Die Verrauthung Göttling's, dass
Bilder der betreffenden Personen sich über den Namen be&nden, steht auf schwachen
Füssen.
S. 327. Ueber die Gegend oberhalb des Theaters bandelt ansftlhrlich
Sehubring, Bewässerung von Syrakus, Pfailol. 22, 591: „Bevor das Theater in den
Felsen eingeschnitten war, führte oben, wo später die obersten Sitzstofen sich be-
fanden, eine tiefe, gleichfalls in den Felsen gehauene Gräbeiißtrasse von 0— W daran
vorbei, die heute noch fast ganz eriialten ist. Sie beginnt auf dem Rttcken zwischen
^em Ohr des Dionys und dem Theater, und setzt sich über dem Theater und dann
weiter westlich fort, wo sie in einem grossen Bogen anf das Plateau heraufftihrt Als
nun das Theater gebaut vrnrde, nahm man die südliche Wand der Gräberstraeee, so-
weit sie im Bereich des Theaters liegt, weg und machte den Weg selbst zu dem
Corridor, welcher das Theater mit Säulenhallen umzog. Die nördliche Wand hin-
gegen ist unverletzt geblieben und über dem freundlichen Theater ragt noch die
Frontwand mit den ernsten. Grabkammem hervor, zwischen welchen man auf zwei
Felsentreppen zum Plateau heraufsteigen kann. In dieser Wand befindet sich nun in
der Mitte das von den ciceroni sogenannte Nympheum, rechts und links von Grab-
grotten umgeben, selbst eine ähnliche Höhle. Das Nympheum ist weiter nichts als
504 Anhang III. Belege und Erläuterangen.
ein die Übrigen an Pracht überragendes Qrabgewülbe. Es bat auch Nischen und unten
in diesen die behauenen Steinbänke, auf welche die Todtenvasen gestellt zn werden
pflegten. In verhältnissmässig viel späterer Zeit führte man nun hier das Wasser
des von ihm benannten Nympheumaquäductes hinein/' Die so festgestellte Thatsache,
dass eine vorhandene Gräberstrasse durch das Theater zerstOrt werden musste, er-
klärt sich wohl am besten durch die schon früher von una ausgesprochene Annahme.
dass das Theater anfangs viel kleiner war und weniger Sitzreihen hatte; so konnten«
Theater und Gräberstrasse neben einander bestehen. Bei ^er Erweiterung des Thea-
ters musste dann eine Wand der Gräberstrasse zum Opfer fallen.
S. 327. lieber dasOhrdesDionys Serrad. IV, 146. 149. lieber die Ansicht
des Abb6 Chaupy s. Bartels III, 133.
S. 328. Der grosse Altar wird erwähnt 'von Diod. XVI, S3: xal o nX^aiov
Xoyov. Nach Capodieci Antichi monum. di Siracusa, Sir. 1S16, vol. II, p. 17. 18 ist
dieser Altar durch Ausgi'abungen in den Jahren 1780 und 1813 entdeckt worden.
Ueber ihn handelt Serrad. IV, 146—148, nebst Tav. 14 und Vignette auf p. 116.
P. 146 sagt Serradifalco : fn per lieta fortuna negli scavamenti del 1839 discoperto.
Seine Existenz war also wieder vergessen worden. Ueber den Altar zu Olympia
spricht Paus. V, 13, den von Parion beschreiben Guhl und Koner, Leben der Griechen
und Römer S. 54; den von Pergamon Ampelius c. 8, vgl. Brunn, Bull. d. Ist. 1871
p. 28 ff. Opfer der 450 Stiere Diod. XI, 72.
S. 328. Festung aufEpipolac. Mirabella beschreibt, was er davon gesehen
hat, an dem Orte Mongibellisi befindlich^ unter No. 190 seines Planes als Labdalon;
über diesen Irrthum 8, oben S. 387. Er sagt: stupenda hodieque vestigia superdnnt.
Ipse cum quaedam inter ruinas saxa commensurassem , novemdecim palmos longa , et
lata ad proportionem inveni. Unter No. 191 bespricht er dann die via spbterranea, die
er selbst aufgefunden haben will , sie ist tarn lata planaque , ut duo equites iunetim
peruadere possint. Integra fahrt er fort, apparebat scala cochlearis, per cuins gradua
adscendebatur ad castellum Labdalum, eaqu« tam lata et plana, ut equis insidentes
per illam non pedetentim, sed cursim et magno impetn descendere atque ascendere
possint. Femer erwähnt er die annull vivo saxo incisi, sowie die grosse Höhe des
^ Ganges. Mehr auf die topographische Disposition der Mauern eingehend, besehreibt
Bonanni die Festung p. 90 und 91 der Ausg. Pal. 1717; er nennt sie richtig Euryelos
und redncirt etwas die Wunder des von Mirabella gepriesenen unterirdischen Ganges.
Im 18. Jahrh. fand die Festung besonders Beachtung bei Munter, der S. 367 — 71 der
deutschen Ausgabe davon spricht, und S. 368 einen kleinen Plan davon giebt; er
nennt sie Labdalon. Ebenso Bartels III, 120—124, der MUnter's Zeichnung am Ende
des Bandes vergrössert wiedergiebt. Houel erwähnt die Festung nicht. Am ge-
nauesten ist Cavallari auf Tafel 26 und 27 des vierten Bandes von Serradifalco, wo
im Texte S. 150 — 153 die Anlagen beschrieben werden* — Es musste bei einigem
Kostenaufwand noch manches durch Ausgrabungen zu finden seii^i; so ist der von
Munter und Bartels erwähnte runde Saal unter dem Festungshofe bei Cavallari nicht
mehr vorhanden. Munter sagt S. 370 darüber: „In der Mitte unter der Festung, wo
die Uauptgänge zusammenlaufen , war ein grosser runder und gewölbter Saal . das
schönste von allen solchen Gewölben, die ich in Unteritalien gesehen habe.^ Ebenso
Bartels S. 123.
«
Die culturhistorische Seite von Hieron's Regierung ist mit dem bisher Besproche-
nen noch lange nicht erschöpft, es wird noch manches seine Zeit Betreffende im
3. Bande seinen Platz finden, in dessen Bereich ja auch der grösste Theil seiaar
Zu den Karten und Plänen. 505
Regierung fällt. Nur das rein griechische musste hier besprochen werden. Dagegen
hat alles, was mit Rom zusatnmenhängt , sei es dlrect Sicillen berührend, sei es in-
direct, in Folge der Beziehungen zwischen Rom und Karthago, wenn auch theilweise
schon in diesem Bande angedeutet, doch in eingehender Darstellung dem dritteu Bande
vorbehalten werdeft müssen, der, wenn der erste im Grossen und (ranzen Sicilien
allein, dtfr zweite Sicilien in seiner Beziehung zu Griechenland behandelte, Sicilien
in seiner Verbindung mit Italien gewidmet sein wird.
IV.
Zu den Karten nnd Plänen.
VIII. Ich freue mich, für diesen Band auch filr Syrakus die inzwischen ver-
öffentlichten Generalstabskarten haben benutzen zu können. Für die Hauptkarte habe
ich auf die Wiedergabe der modernen Wege u. s. w. verzichten müssen, da das Bild
der Belagerung dadurch verdunkelt worden wäre. Im Carton habe ich dagegen die
Generalstabskarte mit ihren jetzigen Wegen u. s. w. wiedergegeben , die hier schon
deswegen wichtig sind, da die Wege (abgesehen von der durch zwei Parallelstriche
kenntlich gemachten Chaussee) noch dieselben sind wie im Alterthum.
IX. Mit Benutzung der Karte zu Schubring's Akragas, Lpz. 1870. 4, die ihrer-
seits auf der Generalstabskarte fusst. Wenn auf dieser Karte von einem „sogen.
Asklepiostempel^ die Rede ist, so denke, ich das zweifelnde Beiwort im 3. Bande zu
rechtfertigen.
X. Ich habe die betr. Generalstabskarte auf I : 100,000 reducirt, wodurch die
Uebersichtlichkeit sehr gewonnen hat. Meine Abweichungen von Schubring sind
S. 434 gerechtfertigt. Für Lilybaion bin ich durchaus Schubring gefolgt.
XI. Hier hat keine Reductionlstattgefunden. Mein Exemplar dieses Blattes der
Generalstabskarte ist so undeutlich, dass ich die Zahl beim Theater, 125, falsch ge-
lesen haben kann. Smyth hat nämlich 847 engl. Fuss. Ders. giebt für das Kastell
1305', für Mola 1585'.
XII. Auf den Monte Longo setze ich nach Schubring den Apollotempel.
XIII. üeber diese Epoche liegt der Plan bei Serradifalco vor, von dem ich, wie
man sieht, in einzelnen Punkten abweiche. Die Stellen der Alten für die einzelnen
Nummern sind: 1) Diod. XIV, 7. Bei Plut. Tim. J 22 bezeichnet in den Worten oi-
uovov triv ax^av aXXa xal rag'oixCa^ xnl tu fjivijfiara t(3p rvQavvwv arivQdpfv das
Wort axQa die Befestigunga werke der Burg, die oixiai und ^iij^rrra den Inhalt der-
selben. Nach PI. T. 22 an Stelle der «xQa durch Timoleon die dtxaatiiQia, — 2) Diod.
XIV, 7. — 3) Plut. Dion 29. — 4) 5) Diod. XV, 74 von Dionys II : tov naHoa fn-
yaXoTiQtntog &nt(ßng xara t^v axQonoXtv TtQog raig ßaaiXCov xaXovftiratg nvXaig, Da die
Burg natürlich ausser dem äusseren Eingang, den nivranvXa, noeh manche innere
Thore hatte, so sind die ßaa. n. als ein inneres prächtiges Thor aufzufassen, etwa
wie sich im Innern des Kastells von Neapel der Triumphbogen des Königs Alfons
befindet. — 6) Plut. D. 29. — 7) tiiv axQonoXiv nnixtCxiatv Plut. D. 29. Diod. XVI,
12: ano »uXtirtrig efg d^aXaimv. Doch kann sie im 0. nur bis an die Mauer des
506 Anhang IV. Zu den Karten nnd Plänen.
Arsenals gegangen sein. Nach Diod. XVI, 19 sind TrvXa* darin. — 8j Diod. XIV, 7. -
9) Das Arsenal des grossen Hafens ist su verstehen Diod. XIII, 112, nnd auch nod
Diod. XIV, 49 s. Schubring, Aehradina 8. 29. — 10) Diod. XIII, 75. 113; Plot
D. 29. — U) Diod. XIII, 75. 113; Cic. Thsc. V, 23. - 13) Diod. XVI, 83. -
U) Flut. D. 29 nach Emendation. -- 15) 16) Diod. XIV, 18; XV, 13. — 17) Diod.
XVI, 20; Ltv. XXIV, 32; XXV, 25. — Nach letzterer Stelle war das Thor Hex&pyh
nicht in Tyche, denn Marcellus Ist durch Hexapyla eingedrungen und hat dennoch
l^che nicht borUhrt. — 18) Flut. D. 45. — 19) S. oben S. 386 u. 477. — 20—24} S. oIm-d
S. 436.
XIV. Dagala bezeichnet 6ine corrente meno rapida in modo che Ferba e g\i arbusti
potessero ivi crescere libcramente , S. Cusa, La palma, Pal. 1873, p. 57. FUr dies«
Gegend hat mir auch eine Kartenskizze von der Hand des Prof. V. Di Giovanni, der
aus Salaparuta stammt, vorgelegen.
Berichtigungen.
3. 47 Z.
17 V.
0.
sUtt 250 lies 200.
- 127 -
21 V.
u.
- Verfassers lies Verfahrens
- 176 -
20 V.
n.
- Diony's lies Dion's.
- 195 -
13 V.
u.
- a34 344.
- 264 -
21 V.
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- dem F. lies der F.
Druck T*n Breitkopf «nd Hirtel Id Leipzig.
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zur Zeit der athenischen Belad 1 r" i )^
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Das Terrain ncuhden Karten des K. Italien.^
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6 Wiese wo dJfusferunq gehalten w
7 Aufgang der Athener.
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19 Euryelos.
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