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Full text of "Geschichte Siciliens im alterthum"

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GESCHICHTE 

SICILIENS 

IM 

ALTERTHUM 

VON 

AD.  HOLM. 


ERSTER  BAND. 

MIT  SIEBEN  KARTEN. 


LEIPZIG, 

VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN. 
1870. 


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ERNST  CURTIUS 


UND 


GEORG  GROTE 


GEWIDMET. 


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VOIlBEDE. 


Das  Werk,  dessen  erster  Band,  das  Resultat  längerer  Studien, 
hiermit  der  Oeffentlichkeit  übergeben  wird ,  ist  ein  Versudi ,  die  alte 
Geschidite  der  interessantesten  Insel  des  Mittelmeeres  auf  geogra- 
phischer Grundlage  in  der  Weise  zu  behandeln,  dass  ausser  der 
Politik  auch  die  Kultur  eingehend  berücksichtigt  wird.  Es  sollte 
gleichsam  eine  detaiUirtere  Ausführung  des  in  grösseren  Werken 
über  alte  und  besonders  griechische  Geschichte  Vorgetrageoen  sein, 
in  Werken ,  die  in  ihrer  Umfassung  des  räumUch  Getrennten  zugleich 
den  allgemeinen  Hintergrund  zeichnen,  von  dem  sich  die  Schicksale 
eines  einzelnen  Laoides  abheben.  Und  in  dieser  Hinsicht  ist  vor 
Allem  die  Griechische  Geschichte  vcm  EanST  Cuarnis  als  ein  Buch  zu 
nennen,  das  mit  der  Falle  von  bedeutenden  Gesichtspunkten,  die  es 
in  seiner  eminent  künstleriscfhen  Anordnung  eröfEnet,  die  nOthwen- 
dige  Ergänzung  einer  Specialgeschichte,  wie  der  vorliegenden,  bildet. 
Die  Forschung,  zumal  an  Ort  und  Stelle,  kann  noch  sehr  viel  in  der 
Geographie  und  Geschichte  des  alten  Siciliens  aufklären;  das  vor- 
liegende, ans  den  Quellen  gearbeitete  Buch  sollte  das  gewonnene, 
vielfach  zerstreute  Material  zusammenfassen  und  dadurch  eine  Grund- 
\a%fd  für  weitere  Studien  schaifen.  Sehr  erwünscht  würde  es  mir 
insbesondere  sein ,  wenn  es  Solchen ,  die  die  Insel  selbst  bereisten, 
vor  oder  während  ihrer  Reise  sich  als  nützliches  Hülfsmittel  erwiese. 


VI  Vorrede. 

Dankend  erkenne  ich  die  Förderung  an,  welche  die  Vorstände 
der  Bibliotheken  zu  Hamburg  und  zu  Göttingen  meinen  Studien  da- 
durch  gewährt  haben,  dass  sie  mir  werthvolle  Werke  (von  denen 
manche  jetzt  in  Folge  eines,  durch  die  Fürsorge  des  Lubeckischen 
Senates  veranstalteten  grösseren  Ankaufes  in  der  WELCKER'schen 
Auction  sich  auf  der  hiesigen,  in  philologischer  Beziehung  nunmehr 
wohl  versehenen  Bibliothek  befinden)  zur  Benutzung  nach  Lübeck 
sandten,  sowie  die  Bereitwilligkeit,  mit  der  die  Conservatoren  des 
Cabinet  des  M^dailles  der  Kaiserlichen  Bibliothek  zu  Paris  mir  die 
Durchmusterung  der  sicilischen  Münzen  dieser  reichen,  bekanntlich 
auch  das  de  Luynes'sche  Kabinet  umfassenden  Sammlung  erleich- 
terten. 

Manche  Anregung  zu  eingehenden  Studien  über  Sicilien  brachte 
mir  der  Umstand ,  dass  der  Dr.  th.  und  ph.  J.  F.  Böttcher  ,  Conrektor 
der  Kreuzschule  zu  Dresden,  mir  kurz  vor  seinem  im  Juni  1863 
erfolgten  Tode  seine  Collectaneen  über  das  alte  Sicilien  überliess.  Sie 
betreffen  hauptsächlich  die  Syrakusanische  Geschichte,  vornehmlich 
des  4.  und  3.  Jahrhunderts  vor  Chr. 

Den  grössten  Dank  bin  ich  jedoch  meinem  Collegen  und  Freunde 
Dr.  JuLHJS  ScHCBRiNG  schuldig,  der  mir  nicht  nur  die  Benutzung  der 
bisher  photographisch  vervielftJtigten  Blätter  (20)  der  höchst  aus- 
gezeichneten, vom  Kön.  Ital.  Generalstabe  unter  der  Leitung  des 
Obersten  dE^  Ybcchi  ausgearbeiteten  Karte  Siciliens  ermöglicht,  son- 
dern mich  auch  in  sehr  vielen  Fällen  durch  werthvolle  Notizen  über 
Punkte  der  Geographie  oder  Geschichte  des  alten  Siciliens  unterstützt 
hat.  Seine  neueste,  demnächst  in  demselben  Verlage  wie  das  vorlie- 
gende Buch  im  Druck  erscheinende  Arbeit  über  das  alte  Akragas 
hat  es  mir  möglich  gemacht,  die  Specialkarte  dieser  Stadt  (Blatt  III) 
zu  geben,  die,  wie  die  übrigen  dem  Bande  beigegebenen  Karten  und 
Pläne,  Qine  vielleicht  besonders  den  alterthumskundigen  Reisenden  in 
Sicilien  willkommene  Ergänzung  der  vorhandenen  Kartenwerke  über 
die  alte  Welt  sein  wird.    Auch  der  aus  den  Generalstabskarten  ge- 


Torrede.  "VH 

zogene  Anhang  HI  wird  mit  seinen  neuen  und  umfassenden  Angaben 
gewiss  von  Vielen  gern  benutzt  werden. 

Zur  vollständigen  Trennung  des  Textes  von  den  in  Folge  der 
eingehenden  Berücksichtigung  der  Geographie  ziemlich  umfänglichen, 
übrigens  immer  möglichst  kurz  gefassten  Erläuterungen  bewog  mich 
der  Gedanke,  dass  sowohl  jener  dadurch  an  Lesbarkeit  gewinnen 
würde  —  und  ich  muss  gestehen,  dass  ich  mir  nicht  blos  Gelehrte 
als  Leser  desselben  gewünscht  habe  —  als  auch  diese,  wenn  nur 
der  Gegenstand  der  Bemerkungen  und  Gitate  kurz  angegeben  würde, 
besser  im  Zusammenhange  durchgenommen  werden  könnten,  als 
wenn  Noten  unter  dem  Texte  stehen.  In  den  Citaten  zu  den  litera- 
rischen und  philosophischen  Abschnitten  (z.  B.  Epicharmos,  Empe- 
dokles)  habe  ich  ein  noch  grösseres  Maass  halten  zu  müssen  geglaubt, 
als  in  den  übrigen.  Dagegen  habe  ich  die  Maasse  der  Tempel  etc.  aus 
Serra  di  Faico  vollständig  mitgetheilt,  um  den  sich  dafür  Interessiren- 
den  das  Auüsuchen  des  kostbaren  und  sehr  seltenen  Werkes  zu 
ersparen. 

In  der  Orthographie  der  fär  Sicilien  wichtigen  griechischen  Eigen- 
namen habe  ich  die  ursprünglichen  Formen  möglichst  beizubehalten 
gesucht;  in  sehr  bekannten  Namen  (Syrakus,  Aetna)  war  es  freilich 
nicht  möglich;  auch  kann  hier  und  da  eine  Inconsequenz  vorgekom-  , 
men  sein. 

Dass  ich  in  der  Angabe  von  Höhen,  in  der  Beschreibung  der 
Tempel  etc.  nicht  stets  dieselben  Maasse  anwende,  kommt  daher,  dass 
ich  mich  jedesmal  an  meine  Quelle  angeschlossen  habe ;  die  Genauig- 
keit hätte  bei  einer  von  mir  gemachten  Reduction  gelitten. 

Bei  den  modernen  sicilischen  Ortsnamen  kann  hin  und  wieder 
die  Form  des  Dialekts  der  Insel,  der  u  für  o,  v  für  b  setzt,  z.  B.  vagnu 
für  bagno,  statt  der  italienischen  Form  vorkommen;  man  findet  eben 
beide  gedruckt,  wie  Spaccafumo  und  Spaccafomo. 

Ich  brauche  nicht  erst  zu  versichern ,  dass  jede  Berichtigungen 
bringende  Kritik  meiner  Schrift  mir  im  Interesse  der  Sache  erwünscht 


Vm  Forrede. 

ist.  Ich  bin  mir  ihrer  Mängel  wohl  bewusst,  wage  aber  zu  hoffen, 
dass  sie  dessen  ungeachtet  den  Freunden  der  schönen  Insel  und  ihrer 
wechselvollen  Geschichte  nicht  ganz  unwillkommen  sein  wird  —  wie 
sehr  auch  mein  Versuch  hinter  der  Bedeutung  des  Gegenstandes 
zurückgeblieben  sein  mag. 

Diesem  ersten  Bande,  fbr  dessen  zweckmässige  und  schöne 
Ausstattung  der  Verleger,  wie  man  finden  wird.  Alles  gethan  hat,  soll 
baldmöglichst  der  zweite,  weniger  mit  Anmerkungen  versehene, 
nachfolgen. 

Lübeck,  den  28.  Okt.  1869. 

Ad.  Holm. 


Inlialtsyerzeiclmiss. 


Erstes  Badh. 
Erstes  Kapitel.  gelte 

Eialeltaiis: 1 

Lage  SiellienB  S.  1.2.  Natur  2.  3.  Gescliiclite  3—5.  Inhalt  des  Baches  5. 

Zweites  Kapitel. 

Die  BodeiiTerMltiilsae  der  insel 5 

Sieilien  naeh  der  Annahme  der  Alten  ursprünglich  ein  Theil  des  Festlandes  6.  7. 
Meerenge?.  Charybdis  7— 9.  Namen  der  Insel  im  Alterthum  9.  Küsten  9.  Vor* 
gebiige  vnd  Buchten,  die  im  Alterthnm  vorkommen  9  —  13.  Gebirge  13  — 17. 
Aetna  17— 26.  Flüsse  und  ihre  antiken  Namen  26—34.  Produkte  34—36.  Klima  36. 
Nebeninseln37.  Liparen37 — 41.  U8tika41.  Aegaten41.42.  Maltesische  Gruppe  42. 

Drittes  Kapitel. 

Sagen 42 

Poseidon  42.  Kronos  43.  Demeter  43.  Persephone  44.  H^haistos  44.  Aetna  45. 
Zeus  45.  Aphrodite  45.  Herakles  45—47.  Daidalos  und  Eokalos  47.  Minos  und 
die  Exeter  48.  49.  lolaos  49.  Aristaios  49.  Sieilien  und  Troja  49.  Egesta  49.  50. 
Odysseus  50  ff.  Eyklopen  50.  51.  Aiolos  51.  52.  Laistrygonen  52.  53.  Skvlla  und 
Charybdis  53.  54.  Thrinakia  54.  Ealypso  54.  Aeneas  55.  Orestes  55.  Argo  55. 
Gräber  auf  den  Vorgebirgen  56.  Arethusa  56.  Galateia  56.  Daphnis  56.  57. 

Tiertes  Kapitel. 

IMe  Urelnwolmer 57 

Iberer  57.  Sikaner  58.  Städte  der  Sikaner  59—62.  Sikeler  62—65.  Städte  der 
Sikeler  65  ff.  Mittlere  Gruppe  66—69.  Südliche  Gruppe  69. 70.  Nördliche  Sikeler- 
Städte  70—72.  Henna  72.  73.  Trinakia  73.  Kultur  der  Sikeler  74.  fieligion  der- 
selben 75.  Die  Paliken  75—77.  Demeter  77—79. 

Ffinftes  Kapitel. 

Die  PhSnider  ud  die  Elymer 79 

Die  Phönicier  79.  Niederlassungen  derselben  auf  Sieilien  80.  Nachricht  des  Thu- 
kydides  darüber  80.  MerkmalOi  an  denen  sie  zu  erkennen  80.  Phönieische  Nieder- 
lassungen an  der  Ettste  81—85.  Motye  83.  Panormos  84.  85.  Soloeis  85.  Nieder- 
lassungen im  Innern  85.  86.  Elymer86— 90.  Segesta  90.  Eryx  90.  Entella  90. 
Kreter  90.  91.  Palaistiner  91.  Thurm  Bavch  in  Palermo  91.  Phönicier  auf  den 
Nebeninseln  91.  92.  Gottheiten  92  ff.  Baal  92.  93.  Hera  93.  Aphrodite  93.  Ha- 
dranos  94.  95.  Orion-Nimrod  95.  Beschäftigungen  der  Phdnicier  Siciliens  96.  Ihr 
Einfloss  auf  die  Insel  96.  97. 


X  Inhalt. 

Sechstes  Kapitel. 

^  Seite 

Spuren  der  Utegten  Bewohner  SicUlenB 97 

Phönicische  Bauwerke  auf  Gozzo  und  Malta  98.  99.  Aehnliches  in  Sicilien  99. 
Kyklopische  Mauern  100.  101.  Cefalü  100.  £ryx  100.  Grotten  (Ddieri)  101—105. 
Zweck  derselben  105.  6.  Gräber  106.  Werke  des  Daidalos  106.  7. 

Zweites  Buch. 
Erstes  Kapitel. 

Aelteste  Bezlehnngren  zwlBChen  Hellas  und  Slcillen 108 

Beziehungen  der  Hellenen  zum  Westen  108.  Schwierigkeiten  der  Fahrt  nach 
Westen  109—11.  Hellenische  Spuren  in  Italien  111.  Eyme  111—13.  Poseidon  in 
Sicilien  (lonier)  113.  ApoUon  113.  Aetolier  113.  Anapos  114.  Or^gia  114. 
Artemis  114.  Akamanier  114.  Kreter  115. 

Zweites  Kapitel. 

Gründung  der  hellenischen  Kolonien  in  Sicilien 116 

Dorier,  lonier,  Achäer  im  Westen  116.  17.  Chalkis  118.  Gründung  und  Lage  von 
Naxos  118.  19.  Gründung  und  Lage  von  Syrakus  120—29.  Sage  und  Geschichte: 
Archias  120.  21.  Alte  Beziehungen  von  Syrakus  zu  anderen  Städten  122.  Ortygia 
122.  23.  Arethusa  123.  24.  Häfen  124.  25.  Doppelstadt  Syrakusai  125.  Achradina 
126.  Latomien  127.  Katakomben  127.  28.  Ausdehnung  der  Achradina  128.  Olym- 

Eieion  und  Vorstadt  Polichne  129.  Mtinztjrpen  von  Syrakus  129.  Gründung  und 
■age  von  Leontinoi  130.  Gründung  und  Lage  von  Katana  130.  31.  ElaUipolis  und 
Euboia  131.  Die  Megarer  131.  Trotilon  131.  Gründung  und  Lage  vonMegara 
Hyblaia  132.  Gründung  und  Lage  von  Zankle  mit  Blick  auf  Rheg^on  132.  33.  My- 
lai  133.  34.  Die  Rhodier  1 34.  Gründung  und  Laffe  von  Gela  135.  Gründung  und 
Lage  von  Himera  135.  36,  von  Selinus  136 — 38.  Mazara  138.  Die  Selinuntischen 
Bäder  138.  Herakleia  138.  Gründung  von  Akragas  138.  L^e  der  Stadt  139--41. 
Syrakusanische  Kolonien  141.  Akrai  141.  Henna  142.  43.  Kasmenai  143.  Kama- 
rina  143.  Griechische  Niederlassung  auf  Lipara  143.  44. 

Drittes  Kapitel. 

Politische  Geschichte  der  sicilischen  Städte  bis  znm  Anfange  des  5.  Jalirhan- 

derts  vor  Clir. * 144 

Allgemeine  Beziehungen  der  hellenischen  Kolonien  zu  ihren  Mutterstädten  145. 
Innere  Verhältnisse  der  Kolonien  145.  Aristokratie  der  Gründer  145.  Heue  An- 
kömmlinge 145.  Innere  Unruhen  146.  Dreifache  Folge  derselben:  Gründung 
neuer  Kolonien ;  Tyrannis ;  Gesetzgebungen  146.  47.  Die  erste  derselben  sichtbar 
in  der  Geschichte  von  Syrakus  147.  48.  Gamoren  daselbst  147.  Angebliches  Kö- 
nigthum  147.  Agathokles  147.  Gründung  von  Kolonien  148.  Mfinzwesen  148. 
Die  zweite  Folge  sichtbar  in  der  Geschichte  von  Akragas  149 — 52.  Tyran- 
nis des  Phalaris  149— 52.  Sein  Stier  150-52.  Des  Phalaris  geschichtliche  Stellung 
in  Sicilien  152.  Gela  152.  Telines  153.  Selinus  153.  Himera  153.  Leontini  153. 
Die  dritte  Folge  sichtbar  in  der  Geschichte  von  Katana  153  ff.  Gesetzgebung  des 
Charondas  153  —  56.  Wahrscheinliche  Ausdehnung  der  Gebiete  der  hellenischen 
Städte  156.  57.  Kleinheit  dieser  Gebiete  158.  Handel  158.  l^orhener  158.  Stel- 
lung Lipara's  158.  Beziehungen  der  griechischen  Kolonien  Siciliens  zu  den  Urein- 
wohnern 158.  59.  Münzwesen  159.  Pnönicier  160. 

Tiertes  Kapitel. 

Literatur  nnd  Knnst  derselben  Zeit 160 

Epische  Poesie  160.  Eumelos  160.  Kynaithos  160.  Lyrische  Poesie  160.  Stesicho- • 
ros  161  ff.  Sein  Leben  161.  62.  Seine  Gedichte  162  —  66.  Vortrag  derselben  bei 
Festen  166.  Palinodie  166-68.  Sicilischer  Charakter  des  Stesichoros  168.  69. 
Ibykos  ans  Rhegion  169.  Andere  zeitweilig  in  Sicilien  sich  aufhaltende  Dichter : 
Arion,  Sappho,  Theognis  170.  Aelteste  Kunstdenkmäler  der  sicilischen  Griechen 
170.   Selinus  170.  Tempel  0  daselbst  170  ff.  Metopen  desselben  172  ff.  Beschrei- 


Inhalt.  XI 

Seite 

bnng  derselben  172—74.  Stil  derselben  174.  Farbenspuren  an  ihnen  175.  Tempel 
D  in  Selinns  175.  Sogenannter  Artemistempel  auf  Ortygia  175.  Klearchos  aus 
Rhegion  176.  Sicilisohe  Münzen  176. 

Fünftes  Kapitel. 

Religion.  Phiiosopliie.  Pythagoras 176 

Kulte  der  sicilischen  Griechen  177.  Fluss-  und  Quellgottheiten  177.  Apolion  177. 
Zeus  177.  Athene  178.  Demeter  und  Persephone  178.  Artemis  178.  Dionysos  178. 
Aristaios  178.  Hermes  178.  Poseidon  179.  Here  179.  Ares  179.  Aphrodite  179. 
Asklepios  179.  Hephaistos  179.  Hestia  179.  Pan  179.  Herakles  179.  Dioskuren 
179.  PheraimonundLeukaspis  179.  Tyche  179.  Nike  179.  Musen  179.  Altar  der 
zwölf  Götter  179.  Feste  der  sicilischen  Griechen  179.  80.  Philosophie  180.  Xeno- 
phanes  Yon  Kolophon  181.  82.  Sein  Naturstudium  in  Sicilien  und  den  umliegen- 
den Inseln  182.  Theagenes  yon  Bhegion,  Vertheidiger  Homer's  182.  Pythagoras 
183  ff.  P.  geht  nach  Unteritalien  183.  Grossgriechenland  und  seine  hauptsächlich- 
sten Städte  183—86.  Pvthafforas  in  Grossgriech^nland  186  ff.  Sein  Einfluss  auf 
Sicilien,  angeblicher  und  wirklicher,  190.  Ekphantos  und  Empedotimos  von  Syra- 
kus  190.  Petron  yon  Himera  190. 

Drittes  Buoh. 
Erstes  Kapitel. 

Krieg  mit  den  Karthagern.  Gelon 192 

Karthago  192.  Verfassung  desselben  193.  Die  Karthager  in  Sicilien  gegen  Pent- 
athlos  194.  Malchus  in  Sicilien  195.  Dorieus  195  ff.  Bedeutung  seines  Versuchs, 
am  Ednyps  in  Afrika  eine  Kolonie  zu  gründen  195.  96.  Dorieus  in  Italien  und 
Sicilien  196.  Der  Krotoniat  Philippos  197.  An  die  Karthager  gerichtete  Auf- 
forderung des  Xerxes,  ihm  zu  helfen  197.  Sicilien  um  500  y.  Chr.  197.  Gela  197. 
E^leandros  197.  Hippokrates  197.  Skythes  yon  Zankle  198.  Sk.  zieht  asiatische 
lonier  nach  Sicilien  198.  Sonstige  Beziehungen  zwischen  den  kleinasiatischen 
Griechen  und  Sicilien  198.  Phokäer  198.  Dionysios  aus  Phokäa  198.  Anaxilas 
von  Bhegion  199.  Die  Samier  bemächtigen  sich  Zankle's  199.  Kadmos  aus  Kos 
199.  Zankle  Messana  genannt  200.  Mtlnzen  des  Anaxilas  200. 201.  Krieg  des  Hip- 
pokrates gegen  Syrakus  201 .  Früherer  Krieg  zwischen  Kamarina  und  Syrakus 
201.  Schlacht  am  Heloroa  201.  Tod  des  Hippokrates  202.  Gelon  bemächtigt 'sich 
der  Herrschaft  über  Gela  202.  G.  richtet  sein  Augenmerk  auf  Syrakus  202.  Ver- 
hältnisse daselbst  202.  Gelon  Herr  yon  S3rrakus  203.  G.  yergrössert  Syrakus  203. 
6.  yerpflanzt  Einwohner  yon  Gela  dahin  203.  Schicksal  yon  Kamarina  203,  yon 
Megara  und  £nboia203.  4.  Theile  yon  Syrakus  204.  Phormis  yon  Mainalos  204. 
Theron  yon  Akragas  204.  Seine  Familie  205.  Terillos  yon  Himera  205.  Krieg  mit 
den  Karthagern  205.  Belagerung  yon  Himera  und  Schlacht  daselbst  206.  7.  Friede 
207.  8.  Damareteion  208.  Beute;  Sklayen;  öffentliche  Arbeiten  208.  Zeit  der 
Schlacht  bei  Himera  209.  Griechische  Gesandtschaft  an  Gelon  209.  Gelon's  Weih- 
geschenke nach  GriechenUnd  210.  Scheinbare  Niederlegung  der  Herrschaft  210. 
GeIon'sTod211.  Leichenbegängniss  211.  Charakterzüge  yon  Gelon  21 1 . 

Zweites  Kapitel. 

Hieron 212 

Hieion  und  Polyzelos  213.  Conflict  mit  Theron  213.  Himera  213.  14.  Gründung 
Aetna's  214.  Rettung  der  Lokrer  215.  Sieg  über  die  Etrusker  bei  Kyme  215.  Ko- 
lonisation yon  Pithekusai  2i5.  Charakter  Hieron's  216.  Sein  Hof  216.  Simonides 
217.18.  Bakchylides  219.  Pindaros  219  ff.  Seine  auf  Sicilien  bezüglichen  Oden 
221  ff.  AnHieronselbstrPyth.  11221.22.  IVth.  lU  222.  Pyth.  I  222-24.  Ol. 
I  224.  An  Chromios:  Nem.  I  225.  Nem.  lA  226.  An  Ageslas  den  lamiden 
CR  VI  226.  Auf  Theron's  Bruder  Xenokrates  Pyth.  VI  227.  An  Theron  selbst 
Ol.  U  und  Ol.  in  227.  28.  An  den  Flötenspieler  Midas  Pyth.  XU  229.  Aischylos 
229—31.  Epicharmos  231  ff.  Sein  Leben  232.  Ursprung  der  griechischen  Komödie 
233.  Stücke  des  Epicharmos  234.  35.  Weisheit  des  Epicharmos  236.  37.  Andere 
Schriften  des  Ep.  237.  38.  Phormis  238.  Deinolochos  238.  Slcilisches  Theater 
238.  39.    Xenophanea  239.    Pythagoras  von  Bhegion  240.    Hieron  und  Themisto- 


xn  iiiittu. 

kies  240.  41.  Hieron'B  und  Gelon's  Geschenke  nach  Hellas  241 .  Theron's  Tod  242. 
Krieg  des  Thrasydaios  mit  Hieron  und  Sturz  des  Thr.  242.  Pindar's  12.  Ol.  Ode 
an  Ergoteles  von  Himera  und  2.  Isthm.  Ode  an  Thrasybulos,  den  Sohn  des  Xeno- 
knites  242.  43.  Hieron  und  Mikythos  243.  44.  Hieron's  Tod  244.  Sogen.  Athene- 
tempel auf  Ortygia  244.  Tempel  des  Olympischen  Zeus  vor  Syrakus  245.  Wasser- 
leitungen von  Syrakus  246.  Tempel  F  m  Selinus246.  Seine  Metopen247.  Wasser- 
leitungen von  Akragas  248. 

Drittes  Kapitel. 

Stars  der  Tyrannen 249 

Kurze  Begierung  des  Thrasybulos  249.  Aufetand  der  Syrakusaner  249.  Entfer- 
nung Thraaybul's  250.  Dankfeste  250.  Aufstand  der  Söi&er ;  ihre  Besiegang  251. 
Katana  erhält  seine  alten  Bewohner  252.  Gongress ;  Reorganisation  der  sioilischen 
Gremeinden  252.  ELamarina  von  den  Geloem  wiederhergestellt  252.  Pindar's  4. 
und  5.  Ol.  Ode  an  den  KamarinSer  Psaumis  253.  Münzen  von  Gela  und  Kama^ 
rina  253.  MUnoen  von  Katana  und  Leontini  254. 

Tiertes  EapiteL 

Bürgerliche  Yerhftltiiisse  bis  sam  Kriege  mit  Athen 254 

Syrakus;  Korax;  Tyndarion;  Petalismos  255.  Kriege  mit  den  Etruskem  256. 
.akragas ;  Einführung  vollkommener  Demokratie  durch  Empedokles  256.  Angeb- 
licher Krieg  zwischen  Egestäem  und  Lilyb&em  257.  Akragas  und  Motye  257. 
Der  Sikeler  Erhebung  unter  Duketios  257  ff.  Duketios  besiegt  nach  Korinth  259. 
Nach  Sicilien  zurückgekehrt  grtindet  er  Kaiakte  260.  Stirbt  261.  Uebergewicht 
der  Syrakusaner  261.  Hellenisirung  nicht  griechischer  Städte  der  Insel,  durch  die 
Münzen  bewiesen  262. 

Fflnftes  Kapitel. 

Literatur  and  geistiges  Leben  derselben  Zeit 263 

Empedokles  263.  Sein  Leben  263  —  66.  Seine  Schriften  266.  67.  Seine  Lehren 
267  ff.  E.  als  Arzt  und  Zauberer  274—76.  E.  und  die  Aegrpter  276.  77.  Bhetorik 
in  Sicilien  entstanden  277.  Korax  und  Tisias  277.  78.  Allgemeine  Bemerkungen 
über  Rhetorik  und  Sophistik  276  — 81.  Gorgias  von  Leontini  281.  Sein  Leben 
281—83.  Seine  Lehre  und  seine  Schriften  283—86.  Sophron  und  der  Mimos  287. 88. 

Sechstes  Kapitel. 

Bildende  Kunst 288 

Selinus.  Tempel  A  288.  89.  Tempel  E  289.  Farbenspuren  desselben  289.  90.  Me- 
topen  290—92.  Tempel  G  292-94.  Tempelchen  B  294.  Akragas  294.  Sogenann- 
ter Tempel  der  Juno  Lacinia  295.  96.  Sogen.  T.  der  Concordla  296.  97.  T.  des 
Herakles  297.  98.  T.  des  Zeus  Olympioe  298  ff.  Gigantenfiguren  desselben  300.  i. 
Sogen.  T.  des  Kastor  und  PoUux  302.  Sogen.  Ceres-  und  Proserpinatempel  302. 
T.  des  AsklepioB  302.  Antiker  Tempel  im  heutigen  Gi^nti ,  jetzt  S.  Maria  de' 
Greci  und  die  Kathedrale  303.  T.  von  Segesta  303.  4.  Tempel  von  Gela  und  Hi- 
mera 304.  Sarkophage  von  Oannita  304.  Demophilus  von  Himera  305.  Münzen  305. 
Vasen  305.  6.  Andere  Thonarbeiten  306. 


I.   üeberslcht  der  antiken  und  modernen  Bearbeitungen  der  Geschichte  des 
alten  Slciliens  oder  einzelner  Thelle  derselben  in  historischer  Folge .  .  .  307 

1.  Alterthum  (Quellen)  307—19.  2.  Neuzeit  (Hülfsmittel)  319-26. 

IL  Belege  und  Erlftnternngen 327 

Zu  Buch  I,  Kap.  1,  327.  28.  Kap.  2,328-51.  Kap.  3,351—55.  Kap.  4, 356— 70. 
Kap.  5,  370—77.  Kap.  6,  378—80.  Buch  II,  Kap.  1,  380.  sl.  Kap.  2,  381—97. 
Kap.  3,397—402.  Kap.  4,  402—8.  Kap.  5,  408-10.  Buch  III, Kap.  1,410— 19. 
Kap.  2,  419—29.  Kap.  3,  429.  30.  Kap.  4,  430—32.  Kap.  5,  432-37.  Kap.  6, 
437—46. 

m.  Yerzeiohniss  wiohttgerer  H4hen  des  nordwestlichen  Slciliens  in  Metern, 
naeh  den  Karten  des  K^nigl.  ItaL  Generalstabs     446 

IT.  Zn  den  Karten  nnd  Plftnen 453 


Erstes  Bnck 


Erstes   Kapitel. 


Einleitang. 

Llas  Mittelländische  Meer,  das  gegenwärtig  einen  Theil  der  Bedeutung 
wiederzuerlangen  beginnt,  die  es  im  Alterthum  und  im  Mittelalter  für  den 
Weltverkehr  hatte,  zerfällt  durch  die  von  der  Hauptmasse  Europa's  nach  Süden 
auslaufenden  Halbinseln ,  denen  noch  Inseln  vorgelagert  sind ,  in  drei  Theile 
von  ungleicher  Grösse  und  verschiedener  Gestalt.  £s  ist  zunächst  die  griechische 
Halbinsel ,  welche  mit  dem  lang  hingestreckten  Kreta  und  dem  von  Afrika  aus 
nur  wenig  vortretenden  Barka,  dem  Gebiete  des  alten  Kyrene,  die  Grenze  eines 
ersten  östlichen  Theiles  andeutet ,  worauf  dann  das  schmale  Land  der  Apen- 
ninen  und  seine  hauptsächlichste  Nd)eninsel  durch  ihr  Vorspringen  nach  Afrika 
zu  den  mittleren  Theil  von  dem  westlidien  absondern.  Aber  von  diesen  drei 
Meeresbecken  können  die  beiden  östlichen  recht  wohl  als  Eines  betrachtet  wer* 
den,  im  Gegensatz  zu  dem  dritten,  westlichen,  dessen  Sonderung  von  jenen  in 
mehreren  Bezidiungen  deutlich  hervortritt.  Zunächst  in  Lage  und  Ausdehnung. 
Denn  das  westliche  Becken  bildet  nicht  eine  auf  gleicher  Linie  weiter  gehende 
Fortsetzung  der  beiden  anderen ;  es  schliesst  sich  im  Nordwesten  an  das  mittlere 
an  und  behauptet  seine  nördlichere  Lage  bis  zum  Ende.  Es  ist  aber  auch  durch 
eine  schärfere  Grenze  von  ihnen  gescliieden ,  als  jene  unter  sich.  Wo  die  ita- 
lische Halbinsel  nach  Südwesten  hin  ausläuft,  da  ragt  ihr  die  einzige  Landspitze 
von  Bedeutung,  welche  die  sonst  so  stumpf  abgerundete  nordafrikanisehe  Küste 
besitzt,  entgegen ,  und  der  Raum  zwischen  bdden ,  an  sich  ein  wenig  grösser 
als  die  Entfernung  zwischen  dem  Peloponnes  und  Barka ,  wird  zu  zwei  Dritt- 
theilen  ausgefüllt  durch  die  Insel  Sicilien ,  die  unähnlich  Kreta ,  sich  gerade  in 
der  Richtung  ausdehnt,  welche  durch  eine,  die  entgegenstrebenden  Continente 
verbindende  Linie  bezeichnet  wird.  Die  Entfernung  der  Westspitze  Siciliens 
von  Afrika  beträgt  nicht  mdiir  als  i  6-^4  8  geographische  Meilen,  und  von  Italien 
ist  die  Insel  nur  durch  den  an  seiner  sdimalsten  Stelle  etwa  ein  Drittel  einer 
deutschen  Meile  breiten  Faro  di  Messina  getrennt. 

Holm,  Getich.  Sicilieot».  1.  \ 


2  Erstes  Bach.    I.  Einleitung. 

So  kann  man  denn  die  Insel  Sicilien  in  mancher  Beziehung  als  das  Cen- 
trum des  Mittelmeeres  betrachlen.  Sie  ist  es,  die  seinen  nordwestlichen  Theil 
von  dem  südöstlichen  scheidet ;  sie  ist  es,  welche  die  beiden  Welttheiie,  Europa 
und  Afrika ,  verbindet.  Sie  musste  in  der  Geschichte  der  Völker  und  Staaten 
des  Mittelmeeres,  welche  einst  die  Weltgeschichte  war,  eine  höchst  bedeutende 
Rolle  spielen,  und  sie  wird  eine  ähnliche  Bedeutung  wiedererlangen,  sobald  die 
Kultur,  die  einen  grossen  Theil  der  Küsten  des  Miltelmeeres  verlassen  hatte,  in 
ihre  altbekannten  Stätten  von  Neuem  eingezogen  sein  wird. 

Sicilien,  die  grösst«  der  Inseln  des  mittelländischen  Meeres  (532  Quadrat- 
meilen) und  zu  gleicher  Zeit  die  reicht  und  noch  immer  die  civilisirteste  der- 
selben, ist,  obgleich  seine  Natur  sich  in  mancher  Beziehung  der  afrikanischen 
nähert,  dennoch  mit  Entschiedenheit  als  eine  Fortsetzung  Italiens  zu  betrachten, 
von  dem  ein  so  schmaler  Streifen  Wassers  es  trennt.  Die  Berge  jenseits  der 
Meerenge  von  Messina  entsprechen  in  ihren  Bestandtheilen  den  diesseitigen,  die 
vulkanischen  Erscheinungen  des  südlichen  Italiens  treten  in  Sicilien  in  noch 
grösserem  Massstabe  auf,  die  Naturprodukte  der  Insel  endlich  sind  im  Wesent- 
lichen dieselben  wie  in  ünteritalien. 

Und  dennoch  bildet  die  Insel  ein  eigenthümliches,  in  sich  abgeschlossenes 
Ganzes :  das  zeigt  deutlich  die  Geiätaitung  des  Bodens ,  welche  von  der  Unter- 
italiens wesentlich  abweicht.  Während  vsir  hier  eine  sich  lang  hinziehende 
Gebirgskette  erblicken,  die  bald  schroflf  zum  Meere  abföUt,  bald  von  Ebenen 
umsäumt  ist,  stellt  Sicilien  sich  vielmehr  als  ein  Hochland  dar,  aus  dem  sich 
noch  höhere  Gebirge  erheben.  Von  der  Südküste  a|i  steigt  der  Boden  allmählich 
auf,  um  zum  Nordrande  ziemlich  schroff  abzufallen.  Es  ist,  als  ob  sich  auf 
dieser  Insel  die  verschiedenen  Bodenelemente ,  welche  das  lang  hingestreckte 
Italien  gebildet  haben ,  noch  einmal  in  kleinerem  Baume  mit  desto  grösserer 
Kraft  hätten  concentriren  wollen.  So  thürmen  sich  denn  Bergzüge  aus  primären 
und  secundären  Massen  und  vulkanische  Bildungen  der  mächtigsten  Art  neben 
und  über  einander  in  Sicilien  auf,  und  lassen  für  Tiefebenen,  wie  das  conti- 
nentale  Italien  sie  doch  besitzt ,  fast  keinen  Raum  übrig.  Die  Insel  ist  einer 
dreieckigen  Bui^  zu  vergleichen ,  deren  Gebäude  von  der  äusseren  Mauer  an 
nach  Innen  immer  höher  ansteigen,  und  die  mit  einer  Reihe  hoher  Wartthürme 
die  Umgegend  weithin  beherrscht. 

Mit  dem  Charakter  des  Bodens  der  Insel  hängt  natürlich  auch  die  Physio- 
gnomie der  Landschaft  sowohl  an  sich,  als  durch  den  von  jenem  bedingten 
Anbau  zusammen.  Während  der  den  Norden  Siciliens  durchziehende  Wanderer 
sich  an  vielen  Punkten  von  einer  höchst  wilden  Gebirgsgegend  umgeben  sieht, 
in  der  wenig  mehr  als  dürftige  Weidekräuter,  höchstens  Cactus  oder  Oelbäume 
gedeihen,  macht  ein  grosser  Theil  des  Südens  vielmehr  den  Eindruck  eines 
flachen,  aber  höchst  fruchtbaren  Landes. 

Nur  in  einem  Punkte  stimmen  beide,  Norden  und  Süden,  überein:  in  dem 
Mangel  an  Wäldern.  Das  Hochland  ist  nur  an  wenig  Punkten  mit  Waid  bedeckt 
und  die  höchsten  Spitzen  sind  überall  kahl ,  so  dass  es  für  Sicilien  charakteri- 
stisch ist ,  wenn  der  Reisende  in  der  Mitte  des  Landes  von  hohen  Punkten  aus 
gewahrt ,  wie  zwischen  wilden  Gebirgsrücken  grüne  Thäler  ohne  alle  Bäume 
sich  hinziehen.  Dieser  Mangel  an  Wald  hat  die  weitere  Folge,  dass  es  in  Sicilien 


Natar  Siciliens.  3 

wenig  eigentliche  Flüsse  giebl.  Manche  der  auf  dei\  Karten  angegebenen  ver- 
schwinden in  den  heissesten  Monaten,  Juli  und  August,  vollständig.  Alle  aber 
haben  nur  während  der  Regennionate,  November  bis  März,  eine  einigermassen 
bedeutende  Tiefe ,  und  selbst  die  grössten  unter  ihnen  sind  auch  dann  meist 
nur  auf  wenige  Tage  so  tief,  dass  sie  nicht  mehr  durchwatet  werden  können. 

Dieser  Mangel  an  Wald  und  fliessendem  Wasser  hat  jedoch  für  die  Insel 
nicht  die  Nachtheile  herbeigeführt ,  die  man  nach  dem  Beispiele  mancher  süd- 
lichen Länder  erwarten  sollte.  Ihre  Fruchtbarkeit  hat  wenig  darunter  gelitten. 
Das  ausgedehnte  Hochland  besitzt  einen  schw  eren  Boden ,  der  die  im  Winter 
aufgenommene  Feuchtigkeit  ziemlich  lange  behält,  und  überdies  tritt  im  Sommer 
starker  Thau  an  die  Stelle  des  fehlenden  Regens. 

So  ist  denn  trotz  jenes  einen  Mangels  die  im  Uebngen  mit  Allem  ausgestattete 
Insel ,  was  eine  Lage  unter  dem  sechsunddreissigsten  bis  achtunddreissigsten 
Breitengrade  nur  gewähren  kann,  eines  der  schönsten  und  fruchtbarsten  Länder 
Europa's.  Hier  sinkt  das  Thermometer ,  ausser  auf  den  höheren  Beiden ,  fast 
nie  auf  den  Gefrierpunkt  herab ;  hier  fangen  bei  den  ersten  Regengüssen  im 
Oktober  und  November  die  Wiesen  an  zu  grünen ;  hier  blühen  die  Mandelbäume 
im  Februar,  liefern  die  Kirschbäume  ihre  ersten  Früchte  am  Ende  des  April 
und  wird  im  Juni  das  Getreide  eingeerntet ;  hier  bedecken  den  ganzen  Winter 
hindurch  reife  Gemüse  die  Felder  und  zieren  Citronen-  und  Orangenbäume  die 
Gärten  mit  ihren  goldfarbenen  Früchten.  Diese  Insel  war  im  Alterthum  eine 
stets  reicb  gefüllte  Kornkammer,  und  sie  hat  auch  in  der  neueren  Zeit,  wo  in 
Folge  verschiedener  Ursachen  der  Anbau  auf  derselben  so  w^eit  herabgesunken 
ist,  dass  in  manchen  Gegenden,  wo  Korn  gebaut  werden  könnte,  Zwergpalmen 
und  anderes  Gestrüpp  den  Boden  bedecken ,  doch  immer  noch  so  viel  Getreide 
hervorgebracht ,  dass  die  Regelung  der  Ausfuhr  desselben  lange  Zeit  hindurch 
ein  Hauptgegenstand  der  Sorge  der  Regierung  war.  Noch  jetzt  sind  über  58% 
des  Bodens  mit  Korn  bebaut,  25%  Weideland,  über  lO^o  der  Gartenkultur 
gewidmet,  nur  3%  mit  Wald  bedeckt,  während  auch  etwa  3%  wüst  liegen 
oder  mit  Gebäuden  besetzt  sind ;  mit  Ausnahme  der  vierten  Ziffer  kein  ungün- 
stisies  Verhältniss. 

Wer  vermöchte  zu  entscheiden ,  ob  nicht  an  dieser  grossen  Fruchtbarkeit 
Siciliens  die  fortdauernde  Wirkung  des  unterirdischen  Feuers  einen  grösseren 
Antheil  hat,  als  es  auf  den  ersten  Blick  scheint?  Jedenfalls  tragen  die  vulkani- 
schen Erscheinungen  viel  dazu  bei,  der  Insel  einen  eigenthümlichen  Charakter 
zu  verleihen ,  und  selbst  der  Aetna  verbreitet  nicht  nur  Schrecken  und  Ver- 
derben durch  die  verwüstende  Glut,  die  er  ausspeit,  sondern  auch  Fruchtbarkeit 
und  Segen ,  wenn  nach  vielen  Jahren  sich  endlich  die  Oberfläche  der  harten 
Laven  in  eine  höchst  ergiebige  Erde  auflöst. 

Schön ,  reich  und  wohlgelegen ,  wie  also  die  Insel  ist ,  war  sie  ein  wün- 
schenswerther  Besitz  in  den  Augen  aller  Fremden,  die  das  Verlangen  nach 
neuen  W^ohnsitzen  oder  der  Trieb  nach  Herrschaft  und  Reichthum  aus  den 
Grenzen  ihrer  Heimath  lockte.  Die  Insel  ist  wohl  gross  genug ,  um  ein  Reich 
für  sich  bilden  zu  können,  dem  es  an  nichts  Nothwendigem  fehlen  würde,  wenn 
auch  der  Verkehr  mit  der  übrigen  Welt  vollkommen  abgeschnitten  wäre ,  aber 
sie  ist  nicht  gross  genug,  um  mächtigen  fremden  Eroberem  dauernd  zu  wider- 


4  Erstes  Buch.    l.  Einleitung. 

stehen,  und  daher  hat  Sicilien  so  oft  seine  Herren  gewechselt  und  seine  Ge- 
schicke so  oft  von  fremden  Thronen  herab  geleitet  sehen  müssen.  Zu  der  Ur- 
bevölkerung der  Insel  traten  von  Osten  her  Phönicier  und  Griechen ,  und  die 
Nähe  Afrika's  veranlasste  die  Karthager  zu  Niederlassungen.  Die  Griechen 
hatten  nicht  mehr  Recht  als  die  Phönicier  und  Karthager  auf  den  Besitz  der 
Insel,  aber  v^ührend  diese  Semiten,  die  sich  auf  Sicilien  bereicherten,  ihm 
keinen  andern  Ersatz  dafür  bieten  konnten,  als  die  Einführung  in  den  all- 
gemeinen Völkerverkehr,  und  vielleicht  gewisse  Cultm*en  und  Industrieen, 
brachten  die  Griechen  das  schönste  Geschenk  mit,  die  Bildung,  die  sie  selbst 
auszeichnete ,  und  deren  in  einzelnen  Beziehungen  eigenthtlmliches ,  von  dem 
Hellenenthum  des  eigentlichen  Griechenlands  abweichendes  Gepräge  auch  der 
karthagisch  bleibende  Theil  der  Insel  annehmen  musste.  Unter  den  griechischen 
Städten  aber  ragte  Syrakus  hervor,  eine  Zeit  lang  vielleicht  die  grösste  und 
schönste  Stadt  der  alten  Welt,  eine  Stadt,  die,  selbst  freilich  nur  zu  bald  die 
Beute  einheimischer  Tyrannen,  dennoch  durch  die  von  ihr  gegen  die  drei  wich- 
tigsten Staaten  des  Alterthums  bestandenen  Kämpfe  den  grössten  und ,  es  ist 
nicht  zu  läugnen,  den  heilsamsten  Einfluss  auf  die  Geschicke  der  Welt  ausgeübt 
hat.  Sie  hat  die  Athener  übei*wunden,  als  sie  im  Uebermuth  einen  Krieg  unter- 
nahmen ,  der  seinen  Urhebern  kein  dauerndes  Glück  bringen  konnte ,  selbst 
wenn  er  von  einem  augenblicklichen  Erfolge  begleitet  gewesen  wäre ;  sie  bat, 
was  noch  mehr  ist ,  durch  ihre  energischen  Kämpfe  gegen  Karthago ,  das  Hel- 
lenenthum des  Westens  vor  der  drohenden  Uebermacht  der  Semiten  geschützt, 
und  sie  hat  endlich,  als  Rom  die  Aufgabe  übernahm ,  den  Kampf  mit  Karthago 
fortzusetzen,  durch  langjähriges  treues  Ausharren  beim  Bunde  mit  der  grossen 
italischen  Republik  nicht  wenig  zum  endlichen  Siege  des  Occidentes  beigetragen. 
So  ist  Sicilien  im  Alterthum  nicht  blos  der  Schauplatz  entscheidender  Begeben- 
heiten der  Weltgeschichte  gewesen ;  es  hat  selbst  ein  bedeutendes  Gewicht  in 
die  Wagschale  der  Entscheidung  geworfen. 

Solche  Anstrengungen  erschöpften  endlich  die  Kraft  der  Insel;  sie  beugte 
sich,  Syrakus  nur  nach  zähem  Widerstand,  den  Römern,  die  hier  zuerst  die 
Annehmlich£.eit  der  Herrschaft  über  Fremde  kennen  lernten  und  ihre  Vortheile 
anfangs  missbrauchten.  Aber  allmählich  verschwanden  die  schlimmen  Folgen 
der  Herrschaft  Roms;  mefir  und  mehr  machten  sich  die  Vortheile  geltend,  die 
es  gewähren  musste,  demselben  Reiche  anzugehören,  dem  bald  sämnitliche 
Küsten  des  Mittelmeeres  in  Frieden  und  Wohlstand  sich  einfügten,  und  Sicilien 
verdankte  der  Römerherrschaft  überdies  die  rasche  Theilnahme  an  dem  grössten 
Segen,  den  diese  Herrschaft  überhaupt  gebracht  hat,  der  Verbreitung  des  Chri- 
stenthums. 

Seit  dem  Untergange  des  römischen  Reiches  hat  Sicilien  noch  einmal  eine 
Zeit  der  Blüte  gehabt,  die  Epoche  der  saracenischen,  normannischen  undhohen- 
slaufischen  Herrschaft.  Dann  sind  trauinge  Zeiten  gekommen,  Zeiten  des  lang- 
samen Zurückgehens  in  mateiieller  wie  in  geistiger  Beziehung ,  eines  Verfalles, 
bei  dem  zum  Glück  der  Charakter  des  Volkes  unversehrt  geblieben  ist.  Erst 
unsere  Tage  haben  den  Beginn  eines  Umschwunges  gesehen,  der  in  seinen  Er- 
schütterungen noch  fortdaueit,  von  dessen  heilsamen  Früchten  aber  bereits 
einige  gereift  sind.     Noch  immer  beruht  indess  der  Stolz  des  Siciiianers  auf 


Geschichte  der  Insel.  5 

seiner  Vergangenheit   und   vor  Allem  auf  dem,    was   seine  Insel   im  Aller- 
ihum  war. 

Diese  Zeiten  zu  schildern  ist  der  Zweck  der  vorliegenden  Schrift,  welche 
rail  gleicher  Ausführlichkeit  die  Kulturgeschichte,  wie  die  politische  Geschichte 
der  Insel  behandeln  wird.  Wenn  Kriege  und  Staatsumwülzungen  ohne  allen 
Zweifel  deti  mächtigsten  Einfluss  auf  das  gesammte  Leben  eines  Volkes  aus- 
üben, so  gilt  dies  doch  eben  so  sehr  von  seiner  Literatur  und  Kunst,  un(f  das 
LebeA  seiner  Dichter  und  Weisen  kann  weder  an  Interesse  noch  an  Werth  dem 
seiner  Staatsmänner  und  Regenten  nachstehen.  Allerdings  wird  die  Rtlcksicht 
auf  die  üeber sichtlichkeil  der  Darstellung,  welche  durch  allzu  grosse  Fülle  und 
Mannigfaltigkeit  des  Stoffes  nur  zu  leicht  getrübt  würde,  es  nöthig  machen,  in 
der  Geschichte  eines  Volkes,  bei  welchem  für  die  politische,  wie  für  die  kultur- 
geschichtliche Seite  die  Quellen  gleich  reichlich  fliessen,  jene  entschieden  vor- 
wiegen zu  lassen.  Wo  aber,  wie  für  das  alte  Sicilien,  alle  Ueberlieferung  nur 
fragmentarisch  ist,  da  fällt  ein  solches  Bedenken  weg,  und  es  wird  im  Gegen- 
theil  wttnschenswerth,  dass  Alles,  was  von  der  Geschichte  des  Landes  bekannt 
ist,  gesammelt  und  in  einer  seiner  Bedeutung  für  dasselbe  entsprechenden 
Ausführlichkeit  dargestellt  werde.  Und  bei  Sicilien  darf  die  Kulturgeschichte 
um  so  weniger  zui'ücktreten,  da  ein  Hauptreiz,  den  die  Insel  auf  den  Betrachter 
ausübt,  gerade  kulturgeschichtlicher  Art  ist.  Auf  die  Entwickelung  der  griechi- 
schen Literatur  hat  diese  Insel  einen  nicht  ganz  unbedeutenden  Einiluss  aus- 
geübt, und  in  der  Geschichte  der  griechischen  Kunst  ist  sie  für  uns  wenigstens, 
die  wir  nur  nach  dürftigen  Resten  von  derselben  urtheilen  können ,  von  sehr 
grosser  Bedeutung.  Denn  eiri  eigenthümliches  Schicksal  hat  gewollt,  dass 
Sicilien  mehr  Ueberbleibsel  der  griechischen  Architektur  bewahrt  hat,  als 
irgend  ein  anderes  Land,  Atlika  allein  ausgenommen.  Wie  nun  der  Reisende 
in  Sicilien  mit  Bewunderung  die  antiken  Tiümmer  beschaut,  welche 'alle 
Wechselflille  der  Insel  überdauert  haben  ,  so  wird ,  wer  die  Geschichte  dieses 
Landes  schreiben  will ,  einen  bedeutenden  Platz  der  Betrachtung  der  gewal- 
ligen Ruinen  von  Syrakus,  Akragas ,  Selinus ,  Segesta  und  Tauromenion  ein- 
räumen müssen,  die  ein  beredtes  Zeugniss  der  einstigen  Grösse  und  Schönheit 
jener  Städte  und  der  hohen  und  geläuterten  Künstliche  ihrer  Einwohner  sind. 


Zweites  ^Kapitel. 
Die  Bodenverhältnisse  der  Insel. 

Die  Geschichte  eines  Landes  kann  ohne  vorläufige  Kenntniss  der  natür- 
lichen Verhältnisse  desselben  weder  richtig  aufgefasst,  noch  gründlich  dar- 
gestellt werden.  Das  Land  ist  der  Boden ,  aus  welchem  ein  grosser  Theil 
dessen,  was  sich  auf  ihm  befindet,  hervorgewachsen  ist,  und  mit  welchem 
auch  die  Handlungen  und  Schicksale  des  Volkes  in  einer  nicht  blos  äusserlichen 
Verbindung  stehen. 


6  ,    ^  Erstes  Buch.    II.  Die  Bodenverhältnisse  der  Insel. 

Doch  erfordert  nicht  jede  Landesgeschichte  eine  gleich  ausführliche  geo- 
graphische Grundlage.  Während  bei  einem  Lande ,  dessen  Bewohner  sich  in 
ihm  selbst  von  den  ersten  Vorstufen  der  Bildung  bis  zu  ihrem  Gipfel  empor- 
gearbeitet haben,  die  genaueste  Kenntniss  seiner  Natur  geradezu  von  unschätz- 
barem Werthe  für  das  Verständniss  ihrer  Geschichte  ist,  ist  dies  in  minder 
hohem  Grade  bei  einem  solchen  der  Fall,  das  eine  fremde,  schon  in  bestimmter 
Wei9e  ausgeprägte  Kultur  bei  sich  aufgenommen  und  nur  weiter  fortgebildet 
hat.  Ein  solches  Land  war  Sicilien.  Die  Eigenthümlichkeit  weder  der  Semiten 
noch  der  Hellenen ,  die  auf  ihm  wohnten ,  kann  in  ihren  Grundzügen  mit  der 
Natur  der  Insel  zusammenhängen,  und  für  die  später  oflfenbar  vorhandene, 
eigenthümlich  sicilische  Nationalität  ist  sicher  der  Charakter  der  fremden  Ele- 
mente, welche  sie  bilden  halfen,  von  ebenso  grosser  Bedeutung  gewesen,  wie 
der  der  Sikeler  und  der  sicilischen  Natur.  Es  würde  also  unangemessen  sein, 
der  Geschichte  Siciliens  im  Alterthum  eine  so  detail]ii*te  Schilderung  des  Bodens, 
wie  sie  für  Griechenlands  Geschichte  so  lehrreich  ist,  zu  Grunde  legen  zu  wol- 
len. Wir  müssen  uns  auf  einen  kurzen  Ueberblick  des  Wichtigsten  beschränken, 
wobei  natürlich  die  antiken  Namen  und  Verhältnisse  einen  Hauptgegenstand 
der  Mittheilung  bilden  werden. 

Es  war  eine  im  Alterthum  sehr  verbreitete  Meinung,  dass  Sicilien  einst 
keine  Insel,  sondern  ein  Theil  des  Festlandes  Italien  gewesen  sei.  Von  den 
Zeiten  des  Aischylos  an ,  der  in  einem  von  Strabon  aufbewahrten  Verse  den 
Namen  der  Stadt  Rhegion  von  dem  Durchbruche  der  Gewässer  herleitete ,  bis 
herab  zu  denen  des  Claudianus  und  Isidorus  findet  sich  die  Ansicht  von  der  in 
vorhistorischer  Zeit  geschehenen  Losreissung  Siciliens  bei  Dichtern  und  Pro- 
saikern ausgesprochen,  und  Jenen  galt  als  Urheber  der  Trennung  Poseidon,  der 
mit  seinem  Dreizack  das  Land  gespalten  habe.  Es  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass 
der  bedeutungsvolle  Name  Rhegion  viel  dazu  beitrug,  dieser  Ansicht  allgemeine 
Verbreitung  zu  verschaffen.  Indess  war  sie  keineswegs  eine  blos  etymologische 
Mythe.  Die  Alten  glaubten  von  manchen  dem  Festlande  nahe  liegenden  Inseln, 
dass  sie  ursprünglich  nur  Halbinseln  gewesen  seien,  und  es  findet  sich  in  dieser 
Beziehung  bei  ihnen  die  scharfsinnige  Theorie ,  dass  die  von  den  Küsten  ent- 
fernten Inseln  aus  dem  Meere  emporgestiegen ,  die  denselben  nahe  liegenden 
durchgängig  von  .ihnen  losgerissen  wären.  Wenn  nun  Poseidon  als  Urheber  der 
Trennung  genaniit  wird ,  so  deutet  dies  zunächst  auf  ein  Erdbeben  als  Veran- 
lassung derselben  hin.  Der  erwähnten  wissenschaftlichen  Theorie  entspräche 
dagegen  mehr  die  andere,  ebenfalls  mit  dem  Namen  Poseidon^s  verträgliche 
Annahme,  dass  stets  wiederholtes  od^r  plötzliches  Anstürmen* der  Meeresflut 
die  schwache  Landenge  zerrissen  habe,  und  in  diesem  Zusammenhang  würden 
wir  uns  an  die  weitere,  im  Alterthum  geäusserte  Vennuthung  erinnern  dtirfen. 
dass  urprünglich  das  Schwarze  wie  das  Mittelländische  Meer  Binnenseen  ge- 
wesen seien,  bis  der  Anprall  der  Wogen  des  Pontus  den  Bosporos,  und  sodann 
die  sich  weiter  ergiessende  Flut  des  Mittelmeeres  die  Strasse  von  Gibraltar 
gebildet  hätten.  Jedenfalls  lag  es  bei  Sicilien  um  so  näher,  eine  einstige  Ver- 
bindung mit  dem  Festlande  anzunehmen,  je  aufmerksamer  man  die  eigenthüm— 
liehe  Natur  der  Westküste  Italiens  betrachtete ,  wo  an  einigen  Punkten  Inseln 
der  Küste  nahe  liegen,  an  anderen  sich  Vorgebirge  finden,  die  nur  durch  nie- 


Meerenge.  7 

drige  Sumpfstrecken  mit  den^  Lande  zusammenhängen,  und  bei  einem  geringen 
Steigen  der  Flut  ebenfalls  zu  Inseln  werden  würden.  Was  bei  dem  Vorgebirge 
von  Circeji  unvollendet  blieb,  wäre  dann  bei  Sieilien  zum  Vollzug  gekommen. 
Die  späteren  Jahrhunderte  haben  die  Annahme  der  Alten  bald  getheilt,  bald 
bekämpft ;  die  heutige  Naturwissenschaft  enthält  sich  der  Entscheidung.  Denn 
wenn  die  Gleichheit  des  Gesteines,  aus  welchem  die  Gebirge  zu  beiden  Seiten 
der  Meerenge  bestehen,  sowie  die  geringe  Tiefe  derselben  für  die  Meinung  d^s 
Alterthums  sprechen,  so  laufen  doch  die  Uferlinien  keineswegs  so  parallel,  dass 
man  eine  .durch  Zermssung  des  Landes  entstandene  Rinne  zu  sehen  glaubt. 
Uebrigens  ward  im  Alterthum  auch  die  Meinung  geäussert,  dass  ganz  Sieilien 
durch  vulkanische  Kräfte  aus  der  Tiefe  des  Meeres  empoi^ehoben  worden  sei. 

Das  Meer,  das  die  Insel  umgiebt ,  hiess  im  Norden  das  Tyrrhenische,  im 
Osten ,  bis  nach  Griechenland  hin ,  das  Siciiische ,  —  früher  das  Ausonische, 
obwohl,  wie  Strabon  sagt,  nie  Ausoner  an  seinen  Ufern  wohnten  —  nach  Afrika 
zu  endlich  das  libysche.  Das  zweite,  das  als  besonders  tief  galt,  führte  bis- 
weilen auch  in  ungenauer  Weise  den  Namen  Ionisches  und  Adriatisches  Meer, 
und  solcher  Mannigfaltigkeit  der  Meeresnamen  entsprechend ,  hatte  denn  auch 
die  Strasse  von  Messina  die  verschiedensten  Namen  im  Alterthum,  und  hiess 
nicht  blos  siciiische,  sondern  auch  skylläische,  rheginische,  tyrrhenische,  ja 
adriatische  Meerenge.  Thukydides  nennt  sie  geradezu  Charybdis. 

Den  Anfang  des  Canals  kann  auf  italienischer  Seite  entweder  die  Land- 
spitze della  Galera,  oder  noch  besser  das  Gap  bezeichnen ,  welches  schroff  mit 
etwas  ausgewaschenem  Fusse  in's  Meer  hineinragend ,  das  Schloss  von  Scilla 
trägt,  das  alte  Skyllaion.  Dieser  Punkt  ist  von  der  Farospitze  nach  Capit.  Smyth^s 
Messungen  6074  Yards  entfernt.  Von  hier  bis  zum  Capo  Pezzo  ist  die  Küste 
des  Festlandes  der  sicilischen  am  nächsten.  Smyth  mass  von  diesem  Voi*gebirge 
nach  dem  schräg  gegenüberliegenden  sicilischen  Dorfc  Ganziri  3971  Yards; 
nach  der  Karte  des  Italienischen  Generalstabes  zu  urtheilen,  .betrüge  die  Breite 
der  engsten  Stelle  3200  Meter.  Bei  Capo  Pezzo  beginnt  die  italienische  Küsten- 
linie ,  die  bisher  in  südwestlicher  Richtung  sich  erstreckt  hatte ,  gerade  nach 
Süden  abzulenken,  und  die  siciiische  folgt  ihr,  jedoch  bei  weitem  nicht  mit 
derselben  Entschiedenheit ,  so  dass  die  beiden  Ufer  allmählich  immer  .weiter 
auseinander  treten.  Der  vorspringende  Hafenarm  von  Messina  unterbricht  allein 
diese  Richtung  der  sicilischen  Küste.  Der  auf  seiner  Mitte  an  dem  am  weitesten 
meerwärts  gelegenen  Punkte  stehende  Leuchtthurm  ist  von  dem  gegenüber- 
liegenden italienischen  Vorgebirge  deU^  Orso  5427  Yards  entfernt.  Auf  dieser 
ganzen  Strecke ,  bis  zum  Capo  delle  Anni ,  dem  alten  Vorgebirge  Leukopetra, 
wo  die  italienische  Küste  zuerst  wieder  entschieden  nach  Osten  abbiegt ,  ist 
die  Strasse  auf  italienischer  Seite  von  einem  schnell,  doch  nicht  schroff  zu  dem 
nahen,  über  4000  Fuss  hohen  Beiigrücken  des  Aspromonte  aufsteigenden  Hügel- ' 
lande  eingefasst,  das  etwas  längere  Flüsschen  nährt,  als  dies  auf  der  gegenflber 
liegenden  sicilischen  Küste  der  Fall  ist,  wo  der  Gebii*gskamm  dem  Meere  noch 
näher  tritt,  sich  aber  nur  zu  3000  Fuss  erhebt.  £twa  in  der  Mitte  der  Küsten- 
strecke zwischen  Capo  Pezzo  und  Capo  delle  Armi  liegt  in  paradiesischer 
Gegend,  aber  an  einem  schlechten  Ankerplatz  Reggio,  das  alte  Rhegion,  Mes- 
sina schräg  gegenüber,  dessen  Leuchtthuim  von  der  Kathedrale  von  Reggio 


S  Erstes  Buch.    IL  Die  Bodenverhältnisse  der  Insel. 

nach  Smyth  43187  Yards  entfernt  ist.  Die  Entfernung  des  Capo  delle  Armi  von 
dem  gegenüber  liegenden  Capo  Grosso  bei  Itala  ist  um  die  Hälfte  grösser. 

Diese  Meerenge  nun ,  deren  Längenausdehnung  von  Scilla  nach  Leuko- 
petra  etwa  32  Million  beti*ägt,  war  durch  ihre  eigenthümlichen  Strömungen 
eine  der  merkwürdigsten  für  die  Alten.  Hier  sah  man ,  ähnlich  wie  in  dem 
Euripos,  der  Euboea  von  Boeotien  trennt,  ein  regelmässiges  Auf-  und  Abfluten.- 
Zweimal  innerhalb  24  Stunden  ergoss  sich  die  Strömung  von  dem  tyrrhenischen 
Meere  nach  dem  sikelischen  zu ,  und  zweimal  in  umgekehrter  Richtung.  Auf 
diese  Strömungen ,  die  man  aus  dem  Zusammenfliessen  der  beiden  .durch  die 
Stfasse  verbundenen  Meere  erklärte,  hatte  überdies,  wie  auf  die  Ebbe  und  Flut 
im  Ocean ,  die  Stellung  des  Mondes  Einfluss.  In  diesem  so  eigenthümlich  be- 
wegten Meere  war  aber  besonders  merkwürdig  ein  gefährlicher  Strudel  in  ge- 
ringer Entfernung  von  Messana,  der  die  Schiffe  umdrehte  und  in  die  Tiefe  zog. 
Seit  uralter  Zeit  machten  diese  Strömung,  diese  Strudel,  die  Meerenge  berühmt . 
und  gefürchtet.  Sie  gaben  die  Veranlassung  zu  den  Schiffermährchen  von  der 
Charybdis^  und  noch  aus  dem  Mittelalter  spricht  von  ihren  Wundem  die  Ge- 
schichte von  Cola  Pesoe,  der  wie  ein  Fisch  im  Wasser  lebte  und  vor  den  Augen 
einer  grossen  Menschenmenge  zweimal  den  vom  König  Friedrich  von  Sicilien  in 
den  Strudel  geworfenen  goldenen  Becher  wiederbrachte,  bis  beim  dritten  Ver- 
suche der  Abgrund  ihn  behielt.  Jetzt  wissen  wir,  dass  die  Alten  über  die  Strö- 
mungen der  Meerenge  Richtiges  überliefeit  haben ,  und  dass  das ,  was  sie  von 
den  Wirkungen  des  Strudels  sagen,  wenn  auch  vielleicht  theilweise  übertrieben, 
doch  nicht  gänzlich  falsch  ist.  Nach  der  besten  Quelle,  den  Nachrichten  Smyth 's, 
ist  das  Resultat  der  vielfach  von  einander  abweichenden  Beobachtungen  folgen- 
des. In  der  Mitte  der  Strasse  geht  eine  Hauptströmung  abwechselnd  nach  Nor- 
den und  nach  Süden,  mit  einer  Schnelligkeit  von  2 — 5  englischen  Meilen  in  der 
Stunde.  3ene  wird  die  ansteigende  Strömung  oder  Flut,  diese  die  herabsteigende 
oder  Ebbe  genannt,  Bezeichnungen,  die  auch  schon,  wenn  gleich  in  etwas  ab- 
weichender Weise,  aus  dem  Alterthum  von  Strabon  überliefert  werden.  In  der- 
selben Richtung  hält  sie  in  der  Regel  6  Stunden  lang  an  und  verwandelt  sich 
dann  nach  einer  Pause  von  13 — 60  Ifinuten  in  die  entgegengesetzte.  Diese 
Strömungen  stehen  unter  der  Herrschaft  des  Mondes,  ausgenommen  wenn  starke 
Winde  hinzukommen.  Im  Allgemeinen  beträgt  das  Steigen  und  Sinken  des 
W^assers  nur  wenige  Zoll,  doch  ist  vor  dem  Frühlingsäquinoctium,  wenn  Sonne 
und  Mond  der  Erde  am  nächsten  sind,  ein  Aufsteigen  von  18 — 20  Zoll  bemerkt 
worden.  An  den  beiden  Küsten  gehen  Strömungen,  welche  dem  mittleren 
Hauptstrome  entgegengesetzt  sind ,  die  aber,  wenn  dieser  durch  starken  Wind 
kräftiger  geworden  ist,  fast  ganz  verschwinden.  Sie  bilden  hie  und  da,  wo  sie 
den  Mittelstrom  berühren,  besonders  in  der  Nähe  von  Landspitzen,  kleine  Wir- 
bel, von  welchen  ausser  dem,  der  in  der  Nähe  des  C.  diFaro  selbst  beobachtet 
wird,  besonders  derjenige  merkwürdig  ist,  der  sich  unfern  der  Spitze  des 
Hafendammes  von  Messina  befindet.  Es  scheint,  dass  hier  das  gegenüberliegende 
Capo  Pezzo  den  Mittelstrom  nach  Westen  treibt,  und  da  ausserdem  der  sidlische 
Seitensti*om  durch  die  vorspringende  Hafensichel  Messina's  etwas  nach  Osten 
abgelenkt  wird ,  so  konnte  sich  an  dem  Berührungspunkte  Beider  ein  Wirbel 
oder  vielmehr  eine  bewegte  Stelle  bilden,  die  eine  Tiefe  von  70 — 90  Faden  hat, 


Küsteo.  9 

lieren  Bewegung  aber  keineswegs  zu  allen  Zeiten  gleich  gross  ist.  Kleine  Fahr- 
zeuge können  hier  beschädigt  werden ,  und  Smyth  hat  sogar  ein  Kriegsschiff 
von  74  Kanonen  durch  den  Strudel  herumgewirbelt  gesehen.  Der  Strudel  heisst 
jetzt  Reroa  oder  Garofalo  (die  Nelke). 

Der  unvergleichlich  viel  breitere  Kanal,  welcher  Sicilien  von" Afrika  trennt, 
bietet  doch  auch  eine  ähnliche,  wenngleich  keineswegs  so  regelmässig  sich 
wiederholende  Erscheinung  dar.  Es  ist,  ausser  einer  unbestimmten  Ebbe  und 
Flut,  welche  sich  ^0 — 20  Zoll  erhebt,  die  besonders  in  der  Gegend  von  Mazara 
bemerkte  Marobia,  die  durch  Windstille  und  trübe  Luft  verkündigt  wird.  Dann 
erhebt  sich  plötzlich  das  Meer  um  fast  2  Fuss  und  stürzt  mit  grosser  Gewalt 
gegen  das  Land,  von  wo  es  in  wenigen  Minuten  wieder  zurückkehrt,  den 
Schlamm  aufwühlend  und  Seepflanzen  entwurzelnd.  Dies  dauert  eine  halbe 
Stunde  bis  zwei  Stunden  abw^echselnd  fort.  Eiije  Spur  dieser  eigenthümlichen, 
von  Smyth  als  das  ResultM  eines  Kampfes  von  West-  und  Südostwinden  be- 
zeichneten Erscheinung  findet  sich  im  Alterthum  in  der  vereinzelten  Nachricht 
von  einem  Aufkochen  des  Meeres  an  der  Südküste  von  Sicilien. 

Die  Insel  führte  im  Alterthum  in  historischer  Zeit  nur  den  einen  Namen 
Sicilien.  Sikanien  hiess  sie  vor  der  Ankunft  der  Sikeler,  also  nur  in  der  Urzeit, 
und  Trinakria  nannten  sie  die  Dichter,  die  sich  natürlich  auch  gerne  des  Wortes 
Sikania  bedienten,  mit  einem  Namen,  welcher  wahrscheinlidi  nur  eine  Umbil- 
dung des  homerischen  Thrinakia  ist,  das  keineswegs  sicher  mit  Sicilien  identi- 
licirt  werden  kann.  Es  fehlt  nicht  an  poetischen  Beiwörtern  der  Insel,  die  von 
ihrer  charakteristischen  Gestalt  hergenommen  sind ,  und  im  spätem  Alterthum 
hat  man  als  Symbol  Siciliens  eine  jetzt  Triskeles  oder  Triquetra  genannte  Figur 
gewählt,  gebildet  aus  drei  wie  die  Speichen  eines  Bades  —  oft  um  ein  im  Mit- 
telpunkte befindHches  Gesicht  —  angesetzten  gebogenen  Menschenbeinen ,  ein 
Symbol,  das  übrigens  ursprünglich  nichts  mit  Sicilien  zu  schaffen  hat. 

Ich  betrachte  nun  zunächst  die  Küsten  der  Insel ,  welche  für  die  alte  Ge- 
schichte derselben  eine  weit  grössere  Bedeutung  haben ,  als  das  Innere,  wobei 
die  Thatsache  nicht  zu  übersehen  ist,  dass  der  Boden  Siciliens,  und  insbesondere 
seine  Küsten,  sich  langsam,  aber  stetig  heben,  eine  Thatsache,  die  manche  Ver- 
schiedenheit zwischen  jetzt  und  ehemals  erklärt.  Die  Italien  zunächst  gelegene 
Landspitze,  d ie  Pe  I  o  r i s ,  jet«t  C.  di  Faro,  wird  von  einigen  alten-  Schriftstellern 
als  hodi  bezeichnet,  während  eine  Hindeutung  auf  ihre  wahre  Beschaffenheit 
sieh  in  der  Sage  findet,  dass  Orion  sie  in's  Meer  geschüttet  habe.  Es  ist  in  der 
That  nur  eine  niedrige,  theilweise  sandige  Landzunge.  Jene  irrige  Bezeichnung 
ist  dem  Namen  Peloris  —  die  Riesige  —  entnommen,  ein  Name,  dessen, Ur- 
sprung von  der  gewöhnlichen  Tradition  nicht  in  befriedigender  Weise  angegeben 
wird.  Es  heisst,  dass  Libyer,  vielleicht  Karlhager,  hier  ihren  Steuermann 
Peloros,  von  dem  sie  sich  verrätherischer  W^eise  in  einen  Meerbusen  ohne  Aus- " 
gang  geführt  glaubten,  erschlagen  und  dann,  zu  spät  ihren  Irrthum  erkennend, 
dem  Opfer  ihrer  Unwissenheit  ein  Denkmal  am  Ufer  errichtet  hätten.  So  wollte 
man  denn  auf  der  Landspitze  einen  Grabhügel  -und  eine  Bildsäule  des  Peloros 
finden.  Später  fügte  man  noch  die  genauere  Bestimmung  hinzu,  dass  das  Schiflf 
das  Hanmbars  gewesen  sei,  der  auf  seiner  Flucht,  sei  es  von  Italien  nach  Afrika, 
sei  es  von  Karthago  nach  Asien ,  durch  die  Meerenge  gekommen  sei.    Die  den 


10  Erstes  Buch.    II.  Die  Bodenverhältnisse  der  losel. 

Hannibal  hineinmischten,  beachteten  nicht,  dass  schon  hei  Thukydides  der 
Name  Peloris  vorkommt.  Der  Kern  der  Erzählung ,  der  ja  auf  irgend  einen 
andern  Karthager  gehen  könnte,  stützt  sich  auf  die  Thatsache,  dass  denen,  die. 
zumal  von  Süden  her,  die  Strasse  durchfahren,  wirklich  eine  Zeitlang  die  Meer- 
enge wie  ein  Binnensee  oder  wie  eine  Bucht  ohne  Ausgang  erscheint,  ist  jedoch 
offenbar  eine  Nachahmung  einer  ähnlichen  Sage ,  welche  sich  an  den  Euripos 
knüpft.  Hier  lag  die  böotische  Stadt  Salganeus,  die  ihren  Namen  von  einem 
*  Steuermann  erhalten  haben  soll,  der  die  Flotte  des  Xerxes  führte,  und  den  der 
persische  Admiral  Megabates  aus  demselben  Verdachte  erschlug,  wie  bei  Sicilien 
die  Libyer  den  Peloros.  Die  Symmetrie  der  beiden  Erzählungen  ist  auffallend. 
Hier  der  Euripos,  dort  die  so  ähnliche  Meerenge  von  Messina,  hier  Perser,  dort 
Karthager,  die  beiden  Erbfeinde  der  Griechen.  Man  könnte  nun  den  Namen 
Peloris  einfach  von  dem  gewaltigen  Gebirge  herleiten ,  das  schon  bei  Messana 
das  tyrrhenische  Meer  von  dem  sikelischen  trennt ,  und  das  auch  Peloros  ge- 
heissen  hat,  wenn  nicht  eine  dritte  Herleitung  noch  wahrscheinlicher  wäre. 
Orion,  der  ja  die  Landzunge  gemacht  haben  soll,  wird  der  Riese  gewesen  sein, 
von  dem  es  den  Namen  hat,  und  es  wäre  nicht  unmöglich,  dass,  wenn  man 
wirklich  in  alter  Zeit  daselbst  ein  Pelorosgrab  fand,  auch  dies  sich  ursprünglich 
auf  Orion  bezogen  hätte.  Eigenthümlich  ist  noch,  dass,  wie  hier,  wo  die  Meer- 
enge durch  einen  gewaltsamen  Durchbruch  des  Wassers  entstanden  sein  soll, 
so  auch  in  Thessalien,  wo  der  Durchbruch  der  Gewässer  das  Land  trocken  legte, 
sich  in  der  Sage  der  Name  Peloros  in  den  Vordergrund  stellt. 

Unfern  von  der  Spitze  befindet  sich  ein  See  von  runder  Gestalt.  Von  hier 
an  beginnt  das  Land  sich  zu  heben ,  und  zwischen  diesem  H(dienzuge  und  der 
Strasse  von  Messina  liegt  ein  zweiter,  jetzt  mit  dem  ersten  durch  einen  Kanal 
verbundener  See  von  länglicher  Form,  der  aus  zwei,  noch  im  Alterthum  unter- 
schiedenen Seen  vereinigt  ist.  Einem  dieser  drei  wurden  wunderbare  Eigen- 
schaften beigelegt.  Die  neuere  Forschung  möchte  ihnen  denselben  geologischen 
Charakter  und  somit  denselben  Ursprung  zuschreiben ,  wie  dem  Hafenbecken 
von  Messina,  das  dem  Krater  eines  erloschenen  Vulkanes  gleicht. 

Von  jetzt  an  begleitet  in  sehr  geringer  Entfernung  der  immer  höher  an- 
steigende Kamm  des  Gebii^ges  die  Ostküste  der  Insel.  Auf  dieser  Küstenstrecke, 
welche  die  pelontanische  und  in  späterer  Zeit  auch  die  tauromenitanische  ge- 
nannt wurde ,  und  wo  fortwährend  die  Felsen  bis  nahe  an's  Ufer  treten  und 
dem  Wege  wenig  Raum  lassen,  finden  sich  die  Vcu^gebirge  Drepanon,  Ar- 
gen num  und  Kokkynos  erwähnt,  deren  Lage  sich  nicht  genau  bestimmen 
lässt.  Der  letzte  Theil  derselben  hiess  auchKopria,  das  schmutzige  Ufer, 
angeblich  weil  dort  Ueberreste  aller  Art  von  Fahrzeugen,  welche  in  der  Strasse 
von  Messina  zu  Grunde  gegangen  waren,  an^s  Land  gespült  zu  werden  pflegten, 
und  allerdings  ist  diese  Thatsache ,  die  indess  mit  dem  Namen  Kopria  nichts 
gemein  zu  haben  scheint,  auch  durch  neuere  Beobachtungen  bezeugt.  Den  Ab- 
schluss  dieser  Strecke  macht  das  bereits  aus  vulkanischen  Massen  gebildete 
Gapo  Schisö,  die  niedrige  Landspitze,  auf  der  das  alte  Naxos  stand. 

Südlich  hiervon  wird  die  Ktlstenlinie  von  den  einem  so  häufigen  Wechsel 
der  Gestalt  unterworfenen  Abhängen  des  Berges  Aetna  gebildet.  Hier  zieht 
sich  über  den  nicht  selten  mehr  als  300  Fuss  hohen,  aus  schwarzen  und  rothen 


Küsten.  11 

Schichten  hßstehenden  Uferfelsen  eine  wellige  Ebene  hin,  die  allmählich  in  den 
mit  einem  Vegetationsgttrtel  umgebenen  Kegel  des  Vulkanes  übergeht.  Ein 
wenig  nördlich  von  Gatania  ist  der  unbedeutende  Porto  di  Lognina ,  welchen 
die  einheimischen  Gelehrten  meistens  für  den  im  Mittelalter  durch  Laven  ver- 
nichteten Hafen  des  Ulysses  erklären,  den  Plinius  in  diesem  Theile  der  sici- 
lischen  Rtlste  kennt.  Hier  tritt  das  Ufer  mehr  und  mehr  nach  Westen  zurück, 
um  erst  da,,  wo  das  Aetnagebiet  in  die  Ebene  übergeht,  in  südöstlicher  Richtung 
wieder  vorzurücken.  So  wird  der  Golf  gebildet,  der  nach  der  fast  im  innersten 
Winkel  desselben  liegenden  Stadt  der  Golf  von  Gatania  heisst ,  und  der  seinen 
letzten  Abschluss  im  Süden  erst  durch  das  breite  Vorland  erhält ,  welches  im 
Alterthum  Xiphonia  oder  Tauros  genannt  wurde  und  jetzt  in  seiner  süd- 
lichen Uauptspitze  den  Namen  G.  S.  Groce  führt.  In  dieser  Gegend  treten  die 
Gebirge  auch  der  Küste  wieder  näher ,  als  dies  auf  der  von  Sanddünen  ein- 
gefassten  Südseite  des  Golfes  von  Gatania  der  Fall  war,  und  das  Ufer  des  rund 
vorspringenden  Küstentheils ,  dessen  Hauptspitze  so  eben  genannt  wurde,  ist 
felsig.  Der  südlich  davon  liegende  Megarische  Busen ,  an  dessen  Anfang  eine 
sich  nach  Süden  erstreckende  Halbinsel  gegenwärtig  die  Stadt  Augusta  trägt, 
hat  indess  wieder  eine  ziemlich  niedrige  Küste,  von  der  sanfte  Höhenzüge  nach 
dem  etwas  entfernten  Gebirgskamme  laufen ,  und  unmittelbar  vor  dem  Anfang 
des  kleinen  Dammes,  der  die  Halbinsel  Magnisi ,  das  alte  Thapsos,  mit  dem 
Festlande  verbindet,  haben  sogar  Salinen  angelegt  werden  können.  Aber  von 
Neuem  treten  die  Felsen  als  letzte  Ausläufer  des  Gebirges  dicht  an^s  Ufer  in  dem 
auf  die  Meeresbucht  Trogllos  folgenden  breiten  Landvorsprunge ,  der  den 
festländischen  Theil  des  alten  Syrakus  trug ,  und  der  mit  der  südlich  daran 
hängenden  Insel  Ortygia  eine  Art  von  Wiederholung  des  Gapo  S.  Groce  und 
der  Halbinsel  von  Augusta  bildet.  Und  eine  eben  solche  Wiederholung  des 
megarischen  Busens  mit  seinen  niedrigen  Ufern  im  Westen  bildet  der  ihm  an 
Grösse  freilich  bedeutend  nachstehende,  aber  besser  abgeschlossene  grosse 
Hafen  von  Syrakus ,  der  im  Süden  von  dem  Ortygia  ziemlich  nahe  kommenden 
felsigen  Vorgebirge  eingefasst  wird,  welches  heutzutage  Massa  e  Oiivero,  in 
seinem  obem  Plateau  Isola  oder  il  Mondio  heisst  und  bei  den  Alten  den  Namen 
Plemmyrion  führte.  Ob  der  südliche  Auslauf  desselben,  das  jetzige  Gap 
Murro  di  Porco ,  der  bei  Ptolemäus  angeführte  G her son es os  war,  muss  da- 
hingestellt bleiben. 

In  ihrem  ferneren  Verlauf  nach  Süden  bleibt  die  Küste ,  wenn  sie  gleich 
keineswegs  hoch  ist,  ziemlich  schroff  und  wifd  mehr  und  mehr  öde.  Die  Alten 
erwähnen  auf  dieser  Strecke  nur  das  lange  Vorgebirge,  das  jetzige  Gapo 
Lognina,  und  einen  Ankei*platz  Naustathmos,  vielleicht  den  südlich  von  dem 
eben  genannten  Gap  gelegenen. 

So  sind  wir  zur  südöstlichen  Spitze  Siciliens  gelangt,  zumPachynos, 
mit  welchem  Namen  bei  den  Alten  vielleicht  nicht  blos  die  niedrige,  felsige 
Halbinsel,  welche  die  Ostseite  des  kleinen  Porto  di  Palo  bildet,  und  die  jetzt  den 
Namen  G.  Passaro  führt,  während  das  Fort  di  G.  Passaro  etwas  weiter  östlich 
auf  einer  kleinen  Insel  steht,  bezeichnet- worden  ist,  sondern  auch  die  ganze 
'  anstossende,  in  viele  kleine  Landzungen  auslaufende  Gegend,  die  sich  nicht 
bedeutend  über  die  Meeresfläche  erhebt  und  ziemlich  kahl  ist.     Dann  gehört 


12  Erstes  Buch.    II.  Die  Bodenverhältnisse  der  Insel. 

zum  Pachynos  auch  noch  das  Odysseische  Vorgebirge,  vielleicht  das  jetzige 
Capo  di  Castelluccio ,  in  geringer  Entfernung  weltlich  von  der  Sttdostspitze  der 
Insel,  ein  Vorgebirge,  das  der  Sage  nach  früher  Kakra  hiess,  bis  daselbst 
Odysseus,  durch  ein  Traumgesicht  erschreckt,  ein  Denkmal  der  Hekabe,  auf 
die  er  am  thracischen  Gestade  den  ersten  Stein  geworfen  hatte,  und  einen  Tempel 
der  Athene  errichtete,  worauf  das  Vorgebirge  den  Namen  des  Helden  von  Ithaka 
erhielt.  Dem  Vorgebirge  Pachynos  —  im  engeren  Sinne  —  und  dem  des  Odys- 
seus lagen  nach  ihnen  benannte  Häfen  nahe.  Smyth  hat  die  Vermuthung  auf- 
gestellt, dass  jener  in  dem  Thal  zu  suchen  sein  mochte,  welches  sich  unterhalb 
des  heutigen  Ortes  Pachino  vom  Meere  aus  in's  Innere  erstreckt,  und  das  einen 
See  mit  Salzwasser  enthält;  wenigstens  lehrt  der  Augenschein,  dass  hier  früher 
eine  Meeresbucht  war;  der  Hafen  des  Odysseus  aber  ist  ohne  Zweifel  die 
schmale  seichte  Bucht  von  La  Marza  neben  dem  Dorfe  Castelluccio,  obwohl  auch 
hier  die  Vermuthung  nahe  liegt,  dass  er  sich  noch  über  den  salzigen  Sumpf, 
der  sich  im  Grunde  der  Bucht  befindet,  erstreckt  habe. 

Die  Südküste  der  Insel  bietet  weniger  Abwechslung  dar ,  als  die  bisher 
geschilderte  östliche.  Die  Gebirgskämme  sind  entfernter ,  und  das  Land  senkt 
sich  von  ihnen  sehr  allmählich  zum  Meere  herab ,  so  dass  dieses  sich  grösste^— 
theils  von  Hügelland  eingefasst  zeigt.  Erst  nach  Westen  zu  wird  das  Verhältniss 
etwas  anders.  Hier  treten  die  Berge,  in  denen  man  theihveise  die  letzten  Aus- 
läufer des  Hauptgebirges  der  Insel  erkennt ,  eine  kurze  Strecke  weit  der  Küste 
näher,  und  der  unfern  vom  Meere  gelegene  höchste  Punkt  von  Gii'genti,  sowie 
der  S.  Calogeroberg  bei  Sciacca  erheben  sich  mehr  als  4  000  Fuss  Ober  den 
Meeresspiegel  (350  und  390  Meter).  Hier  ragen  aber  auch  hinter  den  Ufer— 
bergen  die  Höhen  des  Hauptgebirgs  selbst  hervor,  und  die  hohen  und  schroffeii 
Gebirgsmassen  der  Umgegend  von  Caltabellotta  sind  vom  Meere  aus  deutlich 
sichtbar.  Gute  Häfen  hat  die  Südküste  nicht.  Die  Alten  sind  mit  Namen  ein- 
zelner Punkte  derselben  ungemein  sparsam.  Von  Vorgebirgen  erscheint  nur 
das  einzige  Bukra  oder  Bruka ,  das  jetzige  C.  Scolambri,  eine  niedrige  Land- 
spitze, und  unmittelbar  vor  demselben  wird  der  Hafen  Kaukana  genannt,  der 
also  nur  der  heutige  Porto  Longobardo  sein  kann.  Smyth  vermuthet,  dass  auch 
hier  das  Meer  einst  weiter  in's  Land  hineinging  als  jetzt. 

Die  berühmte  westliche  Spitze  Siciliens,  das  Lilybaion,  jetzt  C.  Boeo, 
ist,  dem  Charakter  der  Küste  von  Sciacca  an  entsprechend ,  niedrig  und ,  wie 
die  Peloris ,  sandig ,  und  Untiefen  setzen  sie  noch  2  Millien  weit  in*s  Meer  hin- 
aus fort.  Hier,  wo  die  kymäische  Sibylle  begraben  sein  soll,  war  ein  berühmter 
Brunnen,  der  sich  noch  zwischen  den  Mauern  der  Stadt  Marsala  und  dem  Ende 
des  C.  Bo6o  findet.  Der  einst  vielgenannte,  jetzt  seit  1570  vernichtete  Hafen 
von  Lilybaion,  der  sich  im  Norden  von  Marsala  befand,  konnte,  nach  den  Mes- 
sungen von  Smyth,  höchstens  12 — H  Fuss  Tiefe  haben,  denn  in  dieser  Tiefe 
stösst  man  bereits  auf  den  Felsgrund.  Nördlich  von  diesem  Vorgebirge  zieht 
sich  eine  Bucht  hin,  die  an  der  einen  Seite  von  dem  sich  sanft  erhebenden, 
jetzt  Terra  Spagnuola  genannl<?n  Lande  ,  auf  der  andern  von  zwei  Inseln,  Bor— 
rone  im  Norden  uud  Longa  im  Süden ,  eingefasst  wird.  In  der  Mitte  des  so 
gebildeten,  ziemlich  seichten  Meeresbeckens  liegt  eine  dritte  Insel ,  S.  Pantaleo. 
Alle  drei  werden  gegenwärtig  Isole  di  Stagnone  genannt.    Wir  werden  später 


,  '  Gebirge.  13 

sehen,  dass  S.  Pantaleo  eine  wichtige  phönicische  Niederlassung,  die  Stadt 
Motye ,  trug..  Im  Norden  wird  die  Bucht  wiederum  von  einer  niedrigen  Land- 
spitze abgeschlossen,  dem  Gapo  S.  Teodoro,  das  im  Alterthum  Aigi thallos 
oder  Aigitharsos,  später  Akellos  genannt  wurde. 

Die  Küste,  welche  bis  zum  IBryx  noch  denselben  Charakter  behält,  wie 
bisher,  ändert  ihn  von  da  an.  Der  Gebirgskamm  läuft  auf  der  ganzen  Nordküste 
der  Insel  nahe  dem  Meere  hin,  und  sie  besitzt  überdies  eine  grosse  Anzahl  von 
Vorgebirgen ,  die  schroif  in  die  See  abfallen  und  tiefe  Buchten  zwischen  sich 
einschliessen.  Es  ist  daher  merkwürdig ,  dass ,  wenn  wir  von  Mylai  absehen, 
das  in  seinem  andern  Namen  Chersonesos  auf  die  Landzunge,  die  es  trägt, 
hindeutet,  v(m  Allen  nur  Eines ,  das  jetzige  G.  Hasiculmo,  ein  breites  frucht- 
bares Vorland  unfern  von  €.  di  Faro,  unter  dem  Namen  Pha la krion  bei  den 
Alten  vorkommt.  So  sind  wir  denn  weder  für  C.  S.  Vito  noch  für  C.  Rama,  die 
die  geräumige,  von  dem  allen  Segesta  beherrschte  Bucht  von  Castellamare  um- 
scbliessen,  weder  für  G.  Gallo  noch  für  G.  Zafarana,  die  natürlichen  Grenzen  des 
Seegebietes  von  Palermo,  nicht  für  das  G.  Orlando  noch  für  das  steile  C.  Calav^, 
die  die  schiene  Bucht  von  Brolo  begrenzen,  im  ßtande,  die  antiken  Namen  anzu- 
geben. Und  doch  fehlte  es  auch  im  Alterthum  dieser  Küste  nicht  an  leben- 
digem Verkehr;  das  beweist  die  grosse  Zahl  der  Städte,  die  uns  hier  begegnen 
werden ,  und  unter  denen  vor  Allen  die  Stadt  )>des  grossen  Hafens«  Panormos 
hervorragt.  Wenn  übrigens  im  Allgemeinen  die  Nordküste  der  Insel  im  Ver- 
gleich mit  der  südlichen,ais  die  schroffere  bezeichnet  werden  muss,  so  sohliesst 
dies  natürlich  nicht  aus,  dass  in  den  die  Vorgebirge  verbindenden  Uferstrecken 
das  Land  sich  sanft  zum  Meere  hin  abdacht,  und  so  entstehen  einerseits  Ebenen, 
wie  die  von  Gastellamare,  Garini  und  Palermo,  während  anderswo  auf  dieser 
Küste,  —  wie  besonders  in  dem  Kaie  Akte  genannten  Theile  derselben  zwischen 
CeCalü  und  C.  Orlando  —  die  Verbindung  von  Fels,  Baumgrün  und  Wasser  die 
reizendsten  Gemälde  hervorbringt.  Die  Nordküste  ist  gegenwärtig  der  Sitz  der 
ausgedehniesten  Kultur  des  Oelbaumes  in  Sicilien. 

Das  Innere  Siciliens,  vom  Aetna  abgesehen,  ein  zusammenhängendes  Hoch- 
land, wird  von  einem  Hauptbergrücken  durchzogen,  der  sich  vom  pelorischen 
Vorgebirge,  der  Nordküst«  nahe,  nach  dem  Westende  der  Insel  erstreckt ,  und 
als  dessen  umfassendsten  antiken  Namen  wir  den  der  Nebrodischen  Berge 
ansehen  können.  Strabon  nennt  von  den  Gebirgen  der  Insel  ausser  dem  Aetna 
nur  dieses. 

Der* nordöstlichste  Theil  desselben,  oder,  wie  Andere  sich  ausdrücken, 
seine  nordöstliche  Fortsetzung  ist  das  Neptunische  Gebirge,  dessen  Gottheit 
in  einem  auf  der  Peloris  von  Orion ,  dem  Schöpfer  des  Vorgebirges ,  erbauten 
Tempel  verehrt  wurde.  Es  ist  schon  oben  bemerkt  worden ,  dass  auch  der 
Name  Peloros  diesem  Gebirge  beigelegt  worden  sein  muss ,  was  besondei^s  da- 
durch bestätigt  wird ,  dass  die  Küste ,  neben  der  dieses  Gebirge  hinzieht ,  die 
peloritanische  hiess.  Es  enthält  die  ältesten  Gesteine  der  Insel :  Gneiss,  Glim- 
mer und  Thonschiefer,  hie  und  da  mit  Granit  durchsetzt  und  von  festem  Kalk- 
stein bedeckt,  der  am  Ende  dieser  Kette  zu  einem  schönen,  bunten  Marmor 
wird.  Es  erhelbt  sich  schnell  zu  einer  nicht  unbedeutenden  Höhe.  Der  Monte 
Dinnamare  bei  Messina  hat  eine  Höhe  von  314  2  Fuss  und  der  Monte  Senden 


14  Erstes  Buch.    II.  Die  Bodeaverhältnisse  der  Insel. 

oberhalb  Itala  eine  solche  von  31 90.  Der  Gebirgskamm,  der  hier,  wo  die  Meer- 
enge][ein  Ende  hat,  etwas  weiter  von  der  Küste  zurücktritt,  behält  doch  bis 
hinter  Taormina  noch  dieselbe  südwestliche  Richtung  bei,  um  erst  dann,  beim 
Monte  Cieri,  nach  Westen  abzubiegen.  So  dürfen  wir  diesen  Punkt,  an  welchem 
auch  das  Urgebirge  aufhört ,  als  die  Grenze  des  Pelorischen  oder  Neptunischen 
Bergzuges  betrachten.  Besondere  Theile  desselben  hiessen  Ghalkidikos  und 
Senes,  jenes  ein  Berg,  dieses  nach  der  wahrscheinlichsten  Annahme  ein  mehr 
oder  weniger  ausgedehntes  Thal  nahe  bei  Messana.  in  demselben  Gebirge  wer- 
den zwei  Engpässe  erwähnt,  der  von  Tauromenion  und  der  von  Mylai,  wor- 
unter Zugänge  nach  Messana  von  jenen  beiden  Städten  her  zu  verstehen  sind. 
Jener  ist  die  Wegesenge  an  der  Küste  bei  S.  Alessio.  Hier  erhebt  sich  der  aus 
gelbem  Kalkstein  bestehende  Berg  schroff  aus  der  See ,  und  die  Strasse  hat  in 
den  Felsen  gehauen  werden  mtlssen.  Moderne  Befestigungswerke  zeigen  die 
Bedeutung ,  die  man  noch  lange  diesem  Punkte  beigelegt  hat.  Der  Pass  vDn 
Mylai  ist  der  Weg  über  das  Gebirge,  den  noch  heutzutage  der  Reisende  zwi- 
schen Messina  und  Milazzo  zurückzulegen  hat.  Auf  seinem  höchsten  Punkte 
steht  ein  verfallener,  mittelalterUcher  Wartthurm  und  ein  Telegraph,  6  Millien 
\  on  Messina ;  dies  ist  der  Ort,  von  dem  Solin  sagt,  dass  man  von  ihm,  wie  von 
einer  Warte,  beide  Meere,  das  tuscische  und  das  adriatische,  d.  h.  das  sikelische 
erblicken  könne.  Die  Aussicht  von  diesem  Punkte  ist  prachtvoll.  Auf  der  einen 
Seite  die  Meerenge,  die  einem  Flusse  gleicht,  der  in  die  weite  See  mündet,  ein- 
gefasst  hier  von  den  rauheren ,  aber  malerischeren  Abhängen  des  neptunisdien 
Gebirges ,  dort  von  den  sanfter  aufsteigenden  Höhen  des  Festlandes ,  auf  dem 
Scilla ,  S.  Giovanni  und  Reggio  deutlich  sichtbar  sind ,  während  Messina  halb 
durch  die  Berge  versteckt  ist ,  und  nur  die  grüne  Hafensichel  aus  dem  blauen 
Meere  deutlich  hervortritt.  Auf  der  andern  Seite  überschaut  man  fast  die  ganze 
Nordküste  Siciliens  und  sieht  fem  im  Meere  die  Aeolischen  Inseln  daliegen,  unter 
denen  Stromboli  besonders  das  Auge  auf  sich  zieht. 

Die  Hauptgebirgskette,  die  in  ihrem  weiteren  Verlaufe  von  Monte  Cieri 
nach  Westen  aus  secundärem  Gestein,  Sand-  und  Kalkstein ,  besteht,  führt 
westlich  von  der  Stadt  Gangi,  etwa  unter  dem  Meridian  von  Cefalü,  heutzutage 
den  Namen  Madonie.  Hier  erreicht  der  Pizzo  di  Palermo  eine  Höhe  von  6320 
Fuss.  Man  hat  in  diesem  Gebirge  mit  Recht  den  MonsMaroneus  der  Alten 
wiedergefunden. 

Weiter  im  Westen ,  um  die  Quellen  des  F.  Torto  bildet  das  Gebirge  einen 
Knotenpunkt ,  von  dem  hauptsächlich  nach  zwei  Richtungen  hin  Gebirgszüge 
auslaufen,  der  eine  nach  Nordwesten  sich  in  der  Nähe  der  Nordküste  haltend,  der 
andere  nach  Südwesten.  Dieser  Letztere  scheint  zunächst  die  Gemelli  colles 
der  Alten  enthalten  zu  haben,  wenn  nämlich  auf  den  Umstand,  dass  der  gewal- 
tige 1 570  Meter  hohe  Berg  von  Cammarata  in  auffallender  Weise  eine  doppelte 
Spitze  zeigt ,  in  dieser  Hinsicht  etwas  zu  geben  ist.  Weiterhin  wird  er  beson- 
ders nördlich  von  Bivona  (M.  Rose  1 436  Meter)  und  in  der  Gegend  von  Galta- 
bellotta.  wo  der  Gastellberg,  der  diese  Stadt  überragt,  eine  Höhe  von  949  Meter 
hat,  [zu  einem  Bergiande  von  ziemlich  rauhem  Charakter,  welches  deswegen 
auch  in  den  Sclavenaufständen  am  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  vor  Chr.  zu 
einem  Hauptschauplatze  des  Kampfes  wurde,  dem  Kratasgebirge  der  Alten. 


Gebirge.  15 

Als  einen  der  iSus8ersten  Ausl^iufer  dieses  Bergzuges  haben  wir  den  schon  er- 
wähnten S.  Calogero-Berg  bei  Sciacca  zu  betrachten ,  der  sich  nahe  dem  Meere 
390  Meter  über  dasselbe  erhebt.  Er  ist  von  CaUabellotta  nur  etwa  2^2  geo- 
graphische Meilen  entfernt.  In  ihm  ,  von  dessen  mühsam  zu  ersteigender  Höhe 
man  eine  weite  Aussicht  über  die  Küste  von  Capo  Granitola  im  Westen  bis  jen- 
seits Girgenti  im  Osten  und  auf  die: am  südwestlichen  Horizont  hervorragende 
Insel  Pahtellaria  hat,  darf  man  einen  der  Berge  wiederfinden,  die  nach  der  auf 
ihnen  verehrten  Gottheit  den  Namen  Krön  ios  trugen,  wenn  anders  der  Name 
Cranius ,  den  dieser  Berg  in  den  ersten  christlichen  Jahrhunderten  geführt  zu 
haben  scheint,  mit  Kronios  identisch  ist. 

Der  zweite,  sich  der  Nordküsta  nähernde  Arm  des  Hauptgebirgsrückens  der 
Insel  erreicht,  nachdem  er  nördlich  von  Corleone  in  der  Bocca  di  Busamara  zur 
Höhe  von  1 673  Meter  angestiegen  ist,  südlich  und  westlich  von  Palermo  in  den 
beiden  durch  den  Lauf  des  Oretbus  getrennte^  Berggruppen  eine  nicht  un- 
bedeutende Höhe  —  in  jener  der  P.  di  Neviera  südlich  von  Belmonte  848  Meter, 
in  dieser  der  Monte  Cuccio  4050  Meter  — ,  und  seihe  Ausläufer  sind  es,  welche 
die  oben  genannten  Vorgebirge  C.  Gallo,  C.  Bama  und  G.  S.  Vito  bilden.  Aus 
dem  Alterthum  sind  keine  Namen  berichtet,  die  sich  auf  dieses  Gebirge  beziehen 
lassen.  Die  von  Südwesten  über  dasselbe  nach  Palermo  führenden  Passe  hiessen 
die  selinuntischen ;  man  kann  sich  den  Weg  von  Monreale  nach  S.  Giuseppe  (Jato) 
darunter  vorstellen,  der  die  grosse  Senkung  zwischen  den  oben  genannten  bei- 
den Berggruppen  benutzt.  Den  westlichen  Endpunkt  dieses  Gebirges  bildet  der 
im  Alterthum  hochberühmte  Eryx,  jetzt  M.  San  Giuliano,  der,  obwohl  nicht 
durch  eine  Tiefebene  von  dem  Bergzuge,  den  er  abschliesst,  getrennt,  dennoch 
nach  allen  Seiten  hin  isolirt  dazustehen  scheint  und  so  ein  verkleinertes  Abbild 
des  Aetna  darbietet.  Sein  754  Meter  hoher  Gipfel  schaut  weithin  über  das 
westliche  Meer  und  die  Aegatischen  Inseln.  Die  nach  C.  Gallo  und  nach  C.  Bama 
sich  hinziehenden  Gebirgsarme  schliessen  eine  reizende,  sidi  zum  Meere  ab- 
dachende Ebene  ein,  die  sogenannte  Sala  (d.  h.  Ebene)  von  Garini,  und  ebenso 
breitet  sich  zwischen  C.  Bama  und  dem  Berglande,  das  sein  Ende  im  C.  San 
Vito  hat,  die  noch  ausgedehntere  und  üppigere  Sala  di  Partinico  aus,  die  die 
Araber  des  12.  Jahrhunderts  zu  dem  Lobe  begeisterte,  dass  sie  selbst  die  Ebene 
von  Cordova  an  Fruchtbarkeit  übertreffe. 

Wirklich  von  dem  Berglande  vollkommen  getrennt  ist  dagegen  der  nördlich 
von  Palermo  gelegene  Monte  Pellegrino,  dessen  alter  Name  Heirkte  war.  Im 
Osten,  Norden  und  Süden  vom  Meere  bespült,  ist  er  im  Westen  durch  die  frucht- 
bare Tiefebene  der  Conca  d^oro  (goldene  Muschel)  von  der  gerade  hier  sich  über 
3000  Fuss  erhebenden  Uauptkette  völlig  gesondert;  er  selbst  hat  eine  Höhe  von 
1 955  Fuss.  Er  ist  nur  auf  der  Palermo  zugewandten  Seite  bequem  zuganglich, 
nach  den  übrigen  Seiten  hin  fullt  er  ganz  schroff  ab.  Polybios  giebt  seinen  obem 
Umfang  zu  400  Stadien  an  [i^j^  geogr.  Meilen) ;  das  ist  um  ein  Drittel  zu  viel. 
Der  Berg  ist  besonders  durch  den  langen  Aufenthalt  der  Karthager  unter  Ha- 
milkar  im  ersten  punischen  Kriege  berühmt  geworden.  Im  Mittelalter  war 
Wald  auf  ihm  gewachsen,  jetzt  ist  er  kahl.  Man  sieht  von  der  Höhe  des  Berges 
die  Küste  bis  zum  G.  Orlando,  den  schneeigen  Gipfel  des  Aetna,  die  Aeolischen 
Insebi  und  das  einsame  Ustica. 


lg  Erstes  Buch.    H.  Die  Bodenverhältnisse  der  lasel. 

Die  Abhänge  der  beiden  westlichen  Arme  des  Haupt42;ebirgsrückens  der 
Insel  füllen  nicht  die  ganze  Spitze  derselben  aus :  sie  reichen  nur  bis  zu  einer 
von  Sciacca  nach  Trapani  gezogenen  Linie ;  der  Boden  jenseits  derselben  kann 
im  Wesentlichen  als  flach  bezeichnet  werden. 

Wir  haben  jetzt  noch  von  den  Seitenästen  zu  sprechen ,  die  der  Haupt- 
stamm des  Gebirges  nach  Süden  aussendet.  Der  bedeutendste  derselben ,  die 
Herrischen  Berge  der  Alten,  beginnt  in  der  Gegend  der  Stadt  Gafigi .  von 
wo  er  sich  in  südöstlicher  Richtung  nach  Gastrogiovanni  und  weiter  nach  Gala- 
tagirone  hinzieht,  um  dann  etwas  mehr  nach  Osten  abzubiegen.  Nachdem  er 
die  neue  Richtung  einige  Meilen  verfolgt  hat,  drängt  er  sich  in  einer  Gegend, 
als  deren  Grenzpunkte  man  die  vier  Städte  Vizzini  und  Chiaramonte  im  Westen, 
Sortino  und  Palazzolo  im  Osten ,  bezeichnen  kann ,  zu  einer  Berggruppe  zu- 
sammen, in  der  vorzüglich  die  Gipfel  Monte  Lauro,  Monte  Rosso  und  Monte  S.  Ve- 
nera hervorragen.  Dies  von  vielen  Schluchten  durchzogene  Bergland  strahlt  nach 
.verschiedenen  Seiten  kleinere  Bergzüge  aus.  Einer  derselben  zieht,  bei  Sortino 
beginnend,  nördlich  vom  Anaposflusse,  demselben  parallel  nach  Osten.  Er 
heisst  zuerst  Serra  di  Buon  Giovanni,  sodann  Montagne  Monte  und  mit  all- 
gemeinem Namen  Crimiti.  Dies  felsige  Waldgebirge  ist  der  Thymbris  der 
Alten.  Es  hat  seine  Fortsetzung  im  Südosten  im  Felsplateau  des  alten  Syrakus, 
mit  dem  es  durch  einen  niedrigen  Kamm,  nordwestlich  von  Belvedere  zusam- 
menhängt. Unmittelbarer  schliessen  sich  jedoch  an  dasselbe  im  Norden  die 
Berge,  welche  ihre  Gewässer  in  die  megarische  Bucht  entsenden ;  dies  sind  die 
durch  ihren  Honig  berühmten  Hybläischen  Berge  der  Alten.  Ein  andei*er 
Ast,  von  dem  ebengenannten  durch  das  Thal  des  Anapos  getrennt,  läuft  über 
Bagni  in  das  Vorgebirge  Plemroyrion  aus.  Diesem  Gebirge  gehörte  der  Ak r ä i - 
sehe  Fels  an ,  der  in  der  Geschichte  des  grossen  Krieges  z\^ischen  Athen  und 
Syrakus  eine  für  die  Athener  so  verderbliche  Rolle  spielte ,  dessen  Lage  aber 
noch  nicht  befriedigend  nachgewiesen  ist.  Sodann  geht  ein  Bergzug  aus  der 
Gegend  von  Palazzolo  weiter  nach  dem  Vorgebti*g»Pachynos  hin.  In  entgegen- 
gesetzter .  •  westlicher  Richtung  von  dem  Gebirgsknoten  bleibt  um  das  heutige 
TeiTanova  zwischen  dem  Gebirge  und  dem  Meere  eine  ausgedehnte  Ebene, 
welche  die  Alten  die  Geloischen  Gefilde  nannten,  und  die  durch  ihre  Frucht- 
barkeit berühmt  war. 

Ein  anderer  vom  Hauptgebirgszug  der  Insel  ausgesandter  Seitenast  ist  der- 
jenige, welcher  westlich  vom  südlichen  Himeraflusse  nach  Süden  zieht.  Nach- 
dem er  Ausläufer  in  derselben  Richtung  weiter  bis  an  die  Mündung  dieses 
Flusses  gesandt  hat,  wendet  er  sich  selbst  mit  seiner  Hauptmasse  nach  Westen, 
wo  er  sich  noch  über  Girgenti  hinaus  erstreckt.  Von  einzelnen  ihm  angehörigen 
Bergen  ist  besonders  der  inselgleiche  Ekno mos  berühmt  geworden,  der  so- 
wohl in  der  Geschichte  des  Phalaris,  als  auch  in  späteren  Kriegen  vorkommt. 
Es  ist  der  Berg,  weicher  die  Stadt  Alicata  tiberragt,  der  jetzige  Poggio  di  S.  An- 
gelo.  In  unmittelbarer  Nähe  von  Akragas  lagderToros,  wahrscheinlich  die 
Anhöhe  westKch  von  der  Stadt,  jenseits  des  Flusses.  In  demselben  Gebirge 
befindet  sich  etwa  7  Millien  nördlich  von  Akragas ,  links  von  der  Strasse ,  die 
von  Girgenti  nach  Palermo  führt,  eine  der  grössten  Naturmerkwiirdigkeiten 
Siciliens ,  der  Schlammvulkan  Maccaluba.    Man  erblickt  einen  Hügel  in  Form 


Aetna.  17 

eines  abgestumpften  Kegels ,  etwa  eine  halbe  Millie  im  Umfang.  Der  thonige 
Boden  ist  mit  weiten  Rissen  in  allen  Richtungen  durchzogen  und  mit  zahlreichen 
kleinen  Kratern  bedeckt ,  die  einen  halben  bis  zu  zwei  und  einem  halben  Fuss 
hoch  sind.  Aus  diesen  Oelfnungen  steigen  fortwährend  Luftblasen  empor, 
welche  beim  Platzen  kleine  Ströme  eines  feinen ,  kalten  Schlammes  ergiessen. 
Die  EruptioneD  sind  stärker  bei  warmem,  als  bei  regnichtem  Wetter.  Bisweilen 
hört  man  Getöse  wie  von  abgefeuerten  Kanonen,  und  es  soll  vorkommen ,  dass 
Schlamib  und  Steine  über  30  Fuss  hoch  in  die  Luft  geschleudert  werden.  Es 
heisst,  dass  in  früherer  Zeit  alle  fünf  Jahre  Eruptionen  dieses  Vulkans  Statt  ge- 
funden  hätten ;  im  1 8.  Jahrhundert  war  er  lange  still  und  wurde  wenig  be> 
achtet,  bis  im  Jahre  i  777  unter  anfangs  dumpfem,  dann  donnerähnlichem  Getöse 
sieh  die  Hauptöfifnung  erweiterte  und  Schlamm  und  Thonstttcke  auswarf.  Aehn- 
liches  kommt  auch,  an  anderen  Punkten  der  Umgegend  von  Girgenti  und  sonst 
in  Sicilien  vor.  Von  den  alten  Sdiriftstellem  erwähnt  es  nur  Solin,  doch  nennt 
er  keiuNi  Ortsnamen,  so  dass,  wenn*er  auch  ohne  Zweifel  besonders  die  Mac- 
caluba  im  Auge  hatte,  er  doch  auch  das  Phänomen  für  ziemlich  verbreitet  in 
dieser  Gegend  gehalten  zu  haben  scheint. 

Alle  diese  Gebirge  bestehen ,  ebenso  wie  die  zwischen  ihnen  sich  hin* 
streckenden  Ebenen,  aus  Kalkstein ;  nur  im  Val  di  Noto,  im  südöstlichen  Win* 
kel  SicUiens,  findet  eine  eigenthümliche  Abwechslung  von  übereinanderliegen- 
den Kalk-  und  Lavaschichten  Statt. 

Abgesondert  von  den  bisher  genannten  Bergen,  die  das  eigentliche  Gerüste 
der  Insel  bilden,  ragt  im  Osten  Siciliens  der  gewaltige  Kegel  des  grössten  euro- 
päischen Vulkans,  des  Aetna,  empor.  Im  Norden  wie  im  Westen  erheben 
sich  ihm  gegienüber  die  verschiedenen  Zweige  des  Hauptgebirgszuges  der  Insel, 
von  denen  er  nur  durch  die  Thäler  zweier  Flüsse  getrennt  ist,  welche  im  Nord- 
\^esten  des  riesigen  Berges  unfern  von  einander  entspringen  und  sich  nördlich- 
und  südlich  vom  Aetna  in  das  sicilische  Meer  ergiessen.  Es  ist,  als  hätte  sich 
hier  in  uralter  Zeit  ein  tief  einschneidender  Meerbusen  ausgedehnt,  der  dem  all- 
mählich aufsteigenden  Vulkan  Platz  machte.  Der  Umfang  des  Berges  beträgt  etwa 
100  englische  Meilen,  sein  grösster  Dui'chmesser  ist  von  Norden  nach  Süden.  Der 
südliche  Abhang  hat  die  doppelte  Ausdehnung  des  nördlichen.  Der  hoch  in  die 
Wolken  ragende  Gipfel  des  Aetna  —  3313,13  Meter  über  der  Meeresfläche  —  von 
dem  der  Wanderer  nach  mühsamem  Anklimmen  die  ganze  Insel  wie  eine  Land- 
karte zu  seinen  Füssen  ausgebreitet  sieht,  überragt  das  Nebrodische  Gebirge  so 
weit,  dass  Strabon  von  dem  Aetna  sagen  konnte,  er  erhebe  sich  vorzugsweise 
nach  der  Meerenge  und  der  katanäischen  Küste  hin ,  aber  auch  nach  dem  tyr- 
rhenischen  Meere  und  den  Liparischen  Inseln. 

Es  ist  nicht  zu  verwundem ,  dass  der  Aetna  schon  im  Alterthum  weit  be- 
rühmt war.  War  er  doch  vor  dem  späten  Beginne  der  vulkanischen  Thätigkeit 
des  Vesuv  das  merkwürdigste  und  zugleich ,  seiner  centralen  Lage  wegen ,  für 
die  alte  Welt  am  bequemsten  zu  beobachtende  Beispiel  der  Wirkungen  des 
UQterirdischen  Feuers,  ein  Gegenstand  staunenden  Schreckens  fUr  das  Volk, 
bewundernder  Fc|pchung  für  die  Philosophen. 

Die  dichte  Dampfsäule,  die  beständig  über  seinem  Gipfel  schwebt,  und  die 
auch  den  Alten  auffallen  musste  und  auffiel,  zeigt,  dass  das  Feuer  des  Innern 

Holm,  Qes«li.  SicLliens.    I.  a 


lg  Erstes  Buch.    II.  Die  BodenverhöUnisse  der  Insel. 

nie  erlischt.  Von  Zeit  zu  Zeit  aber  brechen  die  glühenden  Massen  aus  dem 
tiefen  Schlünde  hervor ,  und  LavagUsse  verändern  die  OberfUiche  des  Berges. 
Solche  Ausbrüche,  die  in  unserm  Jahrhundert  alle  sechs  bis  sieben  Jahre  vorzu- 
kommen pflegen,  sind  schon  im  Alterthum  nicht  ganz  selten  gewesen,  und  von 
einigen  derselben  ist  die  Zeit ,  in  der  sie  eintraten ,  genauer  überliefert.  Der 
erste  AüSbruch ,  von  dem  wir  hören ,  war  ein  besonders  furditbarer.  Die  an 
mehreren  Orten  hervortretende  Lava,  deren  Jahre  lang  dauernder  Erguss  grosse 
Strecken  verwüstete ,  soll  die  Sikaner  bewogen  haben ,  die  Osthälfte  der  Insel 
zu  verlassen  und  sich  nach  dem  Westen  zurückzuziehen.  Man  sieht,  dass  die 
Eruptionen  des  Aetna  eine  lange  Geschichte  haben ,  denn  diese  erste  versetzt 
uns  in  das  zweite  Jahrtausend  vor  Christi  Geburt.  Dies  ist  jedoch  Alles ,  was 
wir  über  die  Ausbrüche  des  Vulkans  vor  der  Griechenzeit  wissen.  Vielleicht 
gehört  in  jene  ferne  Zeit  der  gewaltige  Lavastrom,  der,  von  Mojo  herkommend, 
das  Cap  Schisö  gebildet  hat,  und  der  mit  dem  Strom  von  \  669  den  Ruhm  theilt, 
der  gewaltigste  Erguss  des  Berges  zu  sein.  Von  den  auf  die  erste  Landung  der 
Griechen  folgenden  Jahrhunderten  sind  wir  etwas  besser  unterrichtet.  Thuky- 
dides  erzählt,  dass,  seil  Griechen  sich  auf  der  Insel  niedergelassen  hätten,  bis  zu 
seiner  Zeit  drei  Ausbrüche  des  Aetna  vorgekommen  seien,  einer  im  Jahre  425 
vor  Chr.,  und  der  vorhergehende  50  Jahre  früher.  Wann  der  dritte  Statt  fand, 
sagt  der  Schriftsteller  nicht.  Offenbar  war  er  aber  früher  als  die  beiden  andern^ 
da  Thukydides  sonst  Veranlassung  gehabt  hätte,  seine  Zeit  genauer  anzugeben. 
Es  sind  jedoch  selbst  darüber  Zweifel  erhoben  worden,  ob  die  erste  jener  bei- 
den Eruptionen  wiriLÜch  im  Jahre  475  vor  Chr. ,  wie  der  Historiker  andeutet» 
Statt  fand.  Nach  dem  Berichte  des  Marmor  Parium  war  nämlich  479  vor  Chr. 
ein  grosser  Ausbruch  des  Aetna,  und  man  hat  die  Vermuthung  aufgestellt,  es 
möchte  dies  derselbe  gewesen  sein,  den  Thukydides  in  das  Jahr  475  verlegt. 
Dann  wäre ,  wenn  man  nicht  einen  Irrthum  der  Parischen  Marmorchronik  an- 
nehmen will,  dreierlei  möglich.  Entweder  Thukydides  hatte  nicht  50,  sondern 
55  Jahre  geschrieben,  und  es  ist  ein  Fehler  im  texte  des  Schriftstellers  zu  ver- 
bessern , ,  oder  die  50  Jahre  sind  als  runde  Zahl  zu  verstehen ,  die  nicht  aus- 
schlösse, dass  es  eigentlich  55  gewesen  seien,  oder  endlich,  es  war  ein  Aus- 
bruch ,  der  fünf  Jahre  lang  dauerte ,  was  an  sich  nicht  unmöglich  wäre ,  da  ja 
auch  der  allererste  Ausbruch  des  Aetna  mehrere  Jahre  gedauert  haben  soll. 
Neben  allen  diesen  Vermuthungen  bleibt  indess  immer  noch  Raum  für  die  ein- 
fachste Annahme ,  die ,  dass  Thukydides  in  wörtlichem  Sinne  zu  verstehen  ist, 
dass  also  der  zweite  Ausbruch  475  v.  Chr.  Statt  fand,  und  dass  der  erste,  des- 
sen Zeit  der  Schriftsteller  nicht  genauer  angiebt,  eben  derjenige  ist,  den  andere 
Berichte  in  das  Jahr  479  versetzen.  J^ld  nach  Thukydides,  zwischen  400  und 
396,  wahrscheinlich  kurz  vor  letzterem  Jahre ,  fand  ein  neuer  Ausbruch  des 
Aetna  Statt;  die  Lava  erreichte  das  Meer  zwischen  Naxos  und  Katana,  so  dass 
der  karthagische  Feldherr  Himilkon,  der  von  Norden  her  Katana  erreichen 
wollte,  genöthigt  wurde,  den  grossen  Umweg  um  den  ganzen  Aetna  zu  machen. 
Man  glaubt  den  Strom  südlich  von  Giarre  noch  zu  efliennen.  Dies  ist  der  ein- 
zige Ausbruch,  der  aus  dem  4.  Jahrh.  v.  Chr.  gemeldet  wijj^.  Freilich  v^rd 
erzählt,  dass  Piaton  nach  Sicilien  gekommen  sei ,  um  die  Phänomene  des  Aetna 
zu  Studiren ,  und  seine  Reise  fallt  in  den  Anfang  der  98.  Olympiade ;  es  wäre 


Aetna.  '  19 

• 

aber  denkbar,  dass  die  damals  etwa  vor  acht  Jahren  vorgefallene  Eruption  von 
396  ihm  Veranlassung  gegeben  hatte ,  den  Vulkan  zu  beobachten ,  und  dass 
unmittelbar  vor  seiner  Ankunft  kein  neuer  Ausbruch  desselben  Statt  fand.  Aus 
dem  dritten  Jahrh.  v.  Chr.  fehlt  es  an  jeglicher  Nachncht  tlber  die  Thätigkeit 
des  Berges.  Das  zweite  Jahrh.  sah  dagegen  in  der  kurzen  Zeit  von  20  Jahren 
ner  Ausbrtlche :  144,  4  35,  426  und  I2l2v.  Chr.,  von  denen  der  zweite  niil 
dem  Ausbruche  des  Sklavenkrieges  auf  der  Insel  zusammenfiel,  der  letzte  aber 
die  Stadt  Katana,  die  so  oft  das  Opfer  des  Vulkans  geworden  ist,  besondei^ 
schwer  traf.  Die  herabregnende  Asche  drtlckte  die  Dächer  der  Häuser  ein,  und 
es  scheint,  dass  auch  das  Gebiet  der  Stadt  weit  und  breit  durch  Lava  litt; 
wenigstens  geriethen  die  Einwohner  in  solche  Noth ,  dass  ihnen  Rom  1 0  Jahre 
lang  die  Steuern  erliess.  Der  Abbat«  Ferrara  hat  den  Versuch  gemacht ,  die 
Lava  dieses  Ausbruches  in  dem  von  Licatia  nach  Catania  sich  hinziehenden 
Slrome  nachzuweisen.  Eine  neue  Reihe  von  Eruptionen  erscheint  im  ersten 
Jahrhundert  v/Chr.  Der  Beginn  des  Krieges  zwischen  Caesar  und  Pompejus  und 
der  Tod  des  Caesar  sollen  durch  Ausbrüche  des  Aetna  vorher  verkündigt  worden 
sein  (also  50  und  44  v.  Chr.),  und  der  vor  dieser  letzteren  Begebenheit  ein- 
tretende machte  sich  —  durch  Aschenregen  natürlich  —  bis  Rhegion  bemerkbar. 
Endlich  war  noch  im  Jahre  36,  während  des  Krieges  zwischen  Augustus  und 
S.  Pompejus,  der  Aetna  in  Thätigkeit,  und  einer  der  Heerführer  des  Octavianus 
halte  auf  seinem  Wege  von  der  tauromenitanischen  Küste  nach  Mylai  einen 
breiten ,  kaum  erst  fest  gewordenen  Lavastrom  mit  seinen  Truppen  zu  über- 
schreiten. Es  war  also  diesmal  dfer  Ausbruch  des  Aetna  nach  Norden  gerichtet. 
Aus  dem  ersten  Jahrhundert  nach  Chr.  wird  berichtet,  dass  der  Kaiser  Caligula 
auf  einer  Reise  in  Sicflien  durch  den  Rauch  und  das  Getöse  des  Aetna  erschreckt 
wurde.  Ob  diesmal  auch  ein  Lavaerguss  Statt  fand,  wissen  wir  nicht.  Endlich 
hören  wir  noch  von  einem  brausenden  Strom,  der  im  Jahre  254  nach  Chr.  aus 
dem  Aetna  hemiederstieg. 

Man  kann  wohl  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  diese  Eruptionen  nicht  die 
einzigen  gewesen  sind,  die  im  Alterthum  vorkamen.  Es  würde  verkehrt  seini 
aus  den  wenigen  vorhandenen  Nachrichten  Schlüsse  über  den  Grad  der  Thätig- 
keit des  Vulkans  in  alter  Zeit ,  verglichen  mit  derjenigen  der  Neuzeit ,  ziehen 
zu  wollen.  Dennoch  scheint  aus  dem  Angeführten  hervorzugehen ,  dass  da- 
mals Perioden  der  Ruhe  und  Perioden  der  Thätigkeit  des  Berges  in  einer 
Weise  mit  einander  abwechselten,  wie  dies  seit  mehr  als  zwei  Jahrhunderten 
nicht  mehr  der  Fall  ist.  Denn  zufällig  kann  es  kaum  sein,  dass  von  den 
U  Eruptionen,  die  wir  aufzählen  konnten,  die  Hälfte  sich  zu  zwei  grossen 
Gruppen  vereinigt,  von  denen  die  erste  die  vier  Ausbrüche  zwischen  4  41  und 
<22,  die  zweite  die  drei  zwischen  50  und  36  vor  Chr.  umfasst,  und  welche 
durch  lange  Zeiträume  der  Ruhe  unter  sich  und  von  den  übrigen  Eruptionen 
gelrennt  sind. 

Der  Abhang  des  Aetna,  der  alle  Klimate  Eumpa^s  in  sich  vereinigt ,  zerfiet 
im  Alterthum  wie  heutzutage  in  drei  deutlich  von  einander  geschiedene  Regio- 
nen :  die  bebaute ,  die  waldige  und  die  kahle.  Schon  Strabon  macht  in  seiner 
Beschreibung  des  Berges  diese  Jedem ,  der  auch  nur  aus  der  Feme  einen  Blick 


20  Erstes  Buch.    II.  Die  Boden verhö Unisse  der  Insel. 

auf  den  Aetna  wirft,  sich  aufdrängende  Eintheiiung,  wenn  er  sagt :  »Der  oberste 
Tbeil  ist  kahl  und  voll  Asche  und  im  Winter  mit  Schnee  bededit ,  die  unteren 
Strecken  sind  mit  Wiildem  und  mannigfaltigen  Anpflanzungen  versehen.«  Die 
bebaute  Region  zeichnete  sich  im  Alterthum  v,ie  noch  jetzt  durch  ihre  ungemeine 
Fruchtbarkeit  aus.  Aetnäischer  Käse  und  Honig  waren  weithin,  selbst  ausserhalb 
Siciliens,  berühmt.  Den  Schafen  musste,  damit  sie  nicht  vor  allzu  vielem  Fette 
krank  würden ,  alle  vier  bis  fünf  Tage  an  den  Ohren  Blut  abgelassen  werden, 
und  für  den  Weinbau  war  die  vulkanische  Asche  ein  besonders  geeigneter  Bo- 
den. Wenn  so  die  bebaute  Zone  damals  im  Allgemeinen  einen  ähnlichen  Ein- 
druck auf  den  Beschauer  hervorgelnracht  haben  muss  wie  jetzt,  so  prangte 
dagegen  im  früheren  Alterthum  die  waldige  Region  mit  weit  stattlicherem 
Baumschmuck  als  heutzutage  und  schon  zur  Zeit  Diodor's  und  Strabon's.  Der 
ältere  Dionys  konnte  dort  die  prächtigsten  Fichten  und  Tannen  schlagen  lassen, 
um  seine  Flotte  daraus  zu  bauen,  und  Diodor  bemerkt,  indem  er  dieses  erzählt, 
ausdrücklich  dabei,  dass  damals  der  Berg  mit  solchen  Bäumen  bedeckt  war. 
Hundert  J^^hre  nach  Dionys  fand  noch  Hieron  am  Aetna  das  Material  zu  seinem 
riesigen  Prachtschiffe.  Aber  die  sicilischen  Tyrannen  scheinen  diesen  Schatz 
des  Berges ,  die  Nadelholzwaldungen ,  stark  ausgenutzt  zu  haben :  wenigstens 
finden  sich  gegenwärtig  beträchtlichere  Ueberreste  derselben  nur  noch  an  den 
kuhleren  Nord-  und  Westabhängen  des  Aetna,  z.  B.  bei  Bronte,  während  die 
ausgedehntere  Süd-  und  Ostseite  vorzugsweise  Waldungen  von  kräftigen,  aber 
niedrigen  Eichen  trägt. 

Die  Spitze  des  Aetna ,  sagt  Strabon ,  ist  sehr  veränderlich ,  da  das  Feuer 
sich  bald  in  einen  Krater  zusammendrängt,  bald  sich  theilt  und  bald  Laven, 
bald  Flammen  und  Rauch,  zu. anderen  Zeiten  endlich  glühende  Massen  aus- 
sendet. Zu  seiner  Zeit  fanden  die  Reisenden  auf  der  Höhe  des  Berges  eine  von 
einem  niedrigen  Rande  um£asste  ebene  Fläche  mit  einem  kleinen  Kegel  in  der 
Mitte.  Nicht  alle  wagten  sich  nahe  an  diese  Oeffiiung  des  Schlundes  hinan, 
und  die ,  welche  am  nächsten  gekommen  waren ,  mussten ,  wie  Strabon  sagt, 
gestehen ,  dass  sie  nicht  viel  mehr  gesehen  hätten,  als  die  Uebrigen.  Es  war 
also  damals  der  Krater  fast  ganz  ausgefüllt,  ein  Zustand  des  Vulkans,  bei  dem 
ein  Ausbruch  als  nahe  bevorstehend  betrachtet  werden  kann.  Diese  Eruption 
hätte  nach  der  zur  Zeit  des  S.  Pompejus  vorgefallenen,  aber  vor  der,  welche 
Caligula  erschreckte,  Statt  gefunden. 

Im  ersten  Jahrhundert  nach  Chr.  Geburt  wollte  man  die  Bemerkung  ge- 
macht haben,  dass  der  Gipfel  des  Aetna  nicht  mehr  aus  eben  so  grosser  Feme 
auf  dem  Meere  sichtbar  wäre ,  wie  früher,  und  glaubte  daraus  schliessen  zu 
können ,  dass  der  Berg  allmählich  niedriger  werde ,  indem  seine  Spitze  sich 
selbst  durch  die  Glut  des  innem  Feuers  verzehre.  Seneca  stellte,  unter  der 
Voraussetzung  der  Richtigkeit  dieser  Beobachtung,  die  weitere  Vermuthung  auf, 
es  möge  die  vulkanische  Thätigkeit  des  Aetna  im  Abnehmen  begriffen  sein.  Es 
ist  nun  einerseits  sehr  wohl  möglich,  dass  Eruptionen,  die  sich  bis  in  die  Spitze 
erstreckten,  die  Gestalt  derselben  so  sehr  veränderten,  dass  sie  um  ein  Be- 
trächtliches niedriger  wurde  als  früher ,  und  es  hat  sich  femer  schon  aus  der 
Uebersicht  der  uns  bekannt  gewordenen  Ausbrüche  im  Alterthum  die  Wahr- 
scheinlichkeit ergeben,  dass  der  Vulkan  in  einzelnen  Perioden  stillei*  war  als  in 


Aetna.  21 

andern ,  so  dass  also  sowohl  die  als  Thatsache  ausgesprochene  Beobachtung, 
wie  die  an  sie  geknüpfte  Vermuthung  Seneca's  richtig  sein  können. 

Die  gewaltige  Höhe  des  Aetna  hat  bewirkt ,  dass  der  Krater  des  Gipfels 
aufgehört  hat ,  das  Ventil  für  die  gahrenden  Kräfte  des  Innern  zu  sein ,  i|:as  er 
ursprtlnglich.war.  Sie  bahnen  sich  schon  seit  langer  Zeit  weiter  unten  einen 
Ausweg  durch  die  Bergwand ,  welche  dem  Andrang  nicht  zu  widerstehen  ver- 
mag ,  und  so  ist  es  gekommen ,  dass  der  Abhang  des  Berges  mit  einer  grossen 
Anzahl  (etwa  80)  klekierer  Kegel  bedeckt  ist,  die  von  eben  so  vielen  Eruptio- 
nen das  Resultat  und  zugleich  das  Zeugniss  sind.  Einer  der  grOssten,  der 
Monte  Minardo  bei  Bronte  hat  eine  Höhe  von  700  Fuss.  Diese  in  romantischen 
Gruppen  über  den  Berg  verstreuten  Httgel  sind  ein  so  charakteristischer 
Schmuck  des  Aetna,  dass  man  bereits  im  Alterthum  auf  sie  aufmerksam  wer- 
den musste ,  und  wirklich  hat  sich  eine  Hindeutung  darauf  in  der  Bemerkung 
des  Longinus  erhalten,  dass  der  Aetna  ganze  Hügel  her\'orbringe. 

Ausbrüche  des  Aetna  pflegen  nach  in  alter,  wie  in  neuer  Zeit  gemachten 
Beobachtungen  besonders  in  den  Wintermonaten  vorzukommen.  Aus  dem 
Alterthum  ist  eine  Schilderung  der  damit  verbundenen  Phänomene  in  dem  latei- 
nischen Epos  Aetna  erhalten.  Zuerst  deutet,  nach  der  nicht  ganz  klar  gehalte- 
nen Darstellung  des  Dichters,  Beben  des  Bodens  und  laut  aufbrüllender  Donner 
unter  der  Erde  den  Beginn  des  Ausbruches  an.  Dann  wirbeln  zerrissene  Trüm- 
mer hervor  —  die  ausgeworfenen  Lavastücke ,  die  man  jetzt  lapilli  oder  rapilli 

nennt  ^  und 

Gewimmel  des  Sands  klingt  schwarz  durch  die  Lüfte. 

Nun  bahnt  sich  auch  die  Lava  einen  Ausw^eg ;  zuerst  werden  die  leichteren 

Schlacken  weggeschoben,  dann  begront  der  eigentliche  Erguss 

in  sanffem  Gewog'  flusstfhnlich  heran terzngleiten. 

Wohl  zwölf  Meilen  strömt,  wie  der  Dichter  sagt,  die  Lava  allmählich  fort; 

nidits  hemmt  sie,  ja 

Felsen  nnd  Wald  raft  jetzo  den  Strahl,  ja  selber  der  Boden 
St&rket  die  Gluten  und  heisst  willkommen  des  Stromes  Bekleidung. 

Wenn  dann  in  Thalgründen  der  Strom  anhölt,  so  schieben  ^ch  die  Fluten  über- 
einander, sie  erstarren  am  Bande,  und, 

wie  jegliche  starr  wird, 
Btfumt  hoch  auf  sich  die  Mass',  und  herab  von  der  Schwere  gezogen 
Rollt  sie  in  donnerndem  Schall,  und  wenn  sie  in  jähligem  Absturz 
Klingend  an  Stein'  anprallt,  so  zerschellt  sie  in  treffendem  Anlauf, 
Und  weissglühend  In  kräftigem  Glanz,  da,  wo  sie  zersprengt  ist. 
Flimmert  in  Funken  der  flammenden  Stein*  auffliegender  Glutschwarm 
Gellenden  Tons.  Sieb  leuchtend  im  Schwung  weit,  weit  sie  dahinziehn, 
Stürzend  in  anvermindertem  Brand. 

Dieses  Ueberstürzen  mächtiger,  durch  irgend  eine  Unebenheit  des  Bodens 
im  regelmässigen  Fortgang  gehemmter  Lavaströme ,  die  das  Feuer  in  einer  Be-^ 
wegung  zeigt,  wie  sie  sonst  nur  dem  Elemente  des  Wassers  eigen  ist,  ist  von 
neueren  Forschem  und  Reisenden  mehrfach  geschildert  worden.  Es  gewahrt 
einen  um  so  grossartigeren  Anblick,  je  grösser  die  Höhe  ist,  von  der  die  Lava 
herabstürzt,  und  wo  die  Höhe  beträchtlich  und  der  Strom  breit  ist ,  wie  wenn 
am  Aeina  mächtige  Lavamassen  in  das  schauerliche  Val  di  Bove  stürzen ,  da 


22  Erstes  Buch.    II.  Die  Boücnverhöltnisse  der  Insel. 

erreicht  das  Phänomen  eine  imponirende  Furchtbarkeit ,  die  unübertroffen  da- 
steht. Weiter  schildert  der  Dichter  sodann,  wie  allroMhlich  der  Lavastrom  festere 
und  festere  Ränder  annimmt ,  so  dass  ihn ,  wie  er  sagt,  kaum  Jemand  mit  des 
Keils  Eindringen  spalten  könnte.  Man  wird  bei  dieser  Bemerkung  unwillkürlich 
daran  erinnert,  dass  bei  dem  schrecklichen  Ausbruche  des  Aetna  im  Jahre  4  669 
ein  unternehmender  Mann  den  Versuch  machte ,  durch  Oeflhung  der  erstarrten 
Seitenwände  des  Lavastromes  demselben  eine  andere  Richtung  zu  geben ,  ein 
Versuch ,  der  durch  das  Widerstreben  Anderer  misslang ;  vielleicht  ist  schon 
im  Alterthum  Aehnliches  unternommen  worden.  Zum  Schluss  sagt  der  Dichter, 
dass  der  Lavastroni  trotz  seiner  allmählichen  Erstarrung  das  Feuer  wohl  ?0  Tage 

in  sich  birgt. 

In  dieser  Schilderung  eines  Ausbruches  des  Aetna  nimmt  mit  Recht  der 
Lavastrom  und  sein  Fortrücken  die  erste  Stelle  ein.  Wirklich  trat  nirgends  den 
Alten  dies  schrecklichste  Phänomen  der  vulkanischen  Thätigkeit  in  einer  so 
grossartigen  Weise  entgegen  ,  vne  gerade  am  Aetna.  Die  Griechen  haben  dem 
Lavastrom  einen  besonderen  Namen ,  Ryax ,  beigelegt.  Die  Römer  begnügen 
sich  mit  den  gewöhnlichen  Ausdrücken ,  die  einen  Fluss  bezeichnen,  fUr  die 
hart  gewordene  Lava  aber  wissen  Griechen  wie  Römer  keine  bessere  Bezeich- 
nung zu  finden,  als  indem  sie  sie  Mühlstein  nennen. 

Ueber  die  treibenden  Kräfte,  welche  die  vulkanischen  Erscheinungen 
hervorbringen,  hat  das  Alterthum  vielfach  nachgeforsjcbt.  Auffallend  ist,  dass 
der  Philosoph,  der  durch  seine  Herkunft  aus  Sicilien  wohl  Veranlassung  gehabt 
hätte,  sich  mit  dem  Aetna  zu  beschäftigen,  und  den  die  spottende  Sage  in  eine 
eigen thüm liehe  Beziehung  zum  Vulkan  gebracht  hat ,  dass  Empedokles  in  sei- 
nem grossen  Gedichte  nicht  von  ihm  sprach.  Da  er  jedoch  Feuer  in  der  Erde 
wirkend  annahm  und  in  demselben  die  Ursache  der  heissen  Quellen  fand, 
so  kann  man  vermuthen ,  dass  er  ähnlich  über  den  Ursprung  der  Vulkane  ge- 
dacht haben  wird,  wie  später  Piaton,  nach  dem  die  Erde  voll  ist  von  Höhlen, 
grösseren  und  kleineren ,  die  mit  einander  in  Verbindung  stehen ,  und  durch 
welche  sich  unter  andern  Strömen  auch  der  Pyriphlegethon ,  ein  Feuer-  und 
Schlammstrom  ergiesst.  Dieser  ist  die  Quelle  aller  Laven ,  die  sich,  wo  auch 
immer,  auf  der  Oberfläche  der  Erde  zeigen.  Man  begann  also,  um  die  Vulkane 
zu  erklären,  mit  der  einfachsten  Voraussetzung,  deijenigen,  auf  die  man  im 
Grunde  genommen  heutzutage  wieder  zurückgekommen  ist,  der  eines  bestän- 
digen Feuers  im  Schoossc  der  Erde.  Aber  damit  waren  doch  vorzugsweise 
nur  die  Lavaergüsse  erklärt,  nicht  die  übrigen  vulkanischen  Eruptionserschei- 
nungen. Es  war  deshalb  nalürlieh,  dass  Aristoteles ,  von  den  Platonischen 
Phantasieen  unbefriedigt,  nach  einer  besondern  treibenden  Kraft  suchte ,  die 
nicht  wohl  das  Feuer  selbst  sein  konnte,  und  die  er  im  Elemente  der  Luft,  in 
den  Winden,  fand.  Diese  Ansicht  gewann  allgemeine  Verbreitung:  sie  ist  aus- 
führlich auch  von  Lucretius  dargelegt  worden.  Nach  ihm  sind  unter  dem 
Aetna  grosse  Höhlen,  in  denen  Wind  erzeugt  wird,  der  sich  erwärmt,  die  Fel- 
sen in  Brand  steckt  und  so  die  Ausbrüche  bewirkt.  Zur  Luft  kommt  aber  bei 
ihm  noch  eine  zweite  treibende  Kraft,  das  in  die  Klüfte  der  Erde  eindringende 
Meerwasser.  Der  Einfluss  des  letzteren  wird  ganz  besonders  von  Trogus 
Pompejus  oder  Justinus  hervoi*gehoben.  Unter  dem  Aetna  ist  nach  dieser  Vor- 


Aetna.  23 

Stellung  der  Boden  reich  an  Höhlen  und  Gängen,  in  denen  sich  mächtige  Lager 
von  Schwefel  und  Harz  befinden.  Indem  nun  das  Meerwasser  in  diese  Klüfte 
eindringt,  zieht  es  Luft  mit  sich  herab  und  facht  so  die  Flammen  an.  Während 
auf  diese  Weise  Trogus  Pompejus  in  die  Fussstapfen  von  Aristoteles  und  Lucre- 
tius  tritt,  legt  Strabon,  dem  Piaton  oder,  wie  er  selbst  will,  den  dichterischen 
Anschauungen  von  Pindar  folgend ,  wieder  grösseres  Gewicht  auf  die  unter- 
irdische  Feuermasse,  die  sich  nach  ihm  auch  unter  der  Meerenge  und  dem 
tyrrhenischen  Meere  vom  Aetna  bis  nach  Kyme  hin  ausdehnt.  Die  ausführ- 
lichste Behandlung  des  Gegenstandes  haben  wir  aber  in  dem  bereits  ei*wähnteu 
Lehrgedicht  Aetna,  für  dessen  Verfasser  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  ein 
Freund  Seneca*s,  Lucilius,  gehalten  wird,  der  als  Procurator  Siciliens  sich  mit 
Vorliebe  mit  naturhistorischen  Studien  beschäftigte ,  und ,  von  Seneca  dazu 
ermuntert,  ger<ide  den  Aetna  zum  Gegenstand  seiner  Forschungen  machte.  Er 
hat  gegen  den  Schluss  des  Gedichtes  seine  Ansichten  über  die  Ursache  der 
Thätigkeit  des  Berges  in  zwei  Versen  kurz  so  zusammengefasst : 

Luft  durch  Oeffnungen  sauget  die  Erd'  und  drängt  sie  in  Engung, 
Windhauch  zündet,  Ernährung  gewährt  der  gewaltige  Steinberg. 

Auch  nach  Lucilius  ist  es  also  wieder  die  Luft ,  welche ,  in  die  tiefen  Klüfte 
eindringend,  den  Brand  erzeugt,  und  auch  er  glaubt,  dass  die  Meeresflut  dazu 
beiträgt ,  dass  die  Winde  unter  dem  Berge  umhertosen.  Wie?  durchj^den  Wind 
das  Feuer  entstehen  könne,  erklärt  er  durch  den  Vei^leich  mit  einem  Walde, 
wo  ebenfalls  in  heftigen  Stürmen  die  Aesle ,  sich  zu  Knoten  verschlingend  und 
an  einander  reibend,  in  Brand  gerathen.  Lucilius  legt  ein  grosses  Gewicht  dar- 
auf, dass  die  Lava  nicht  etwa,  wie  Manche  behauptet  hätten,  ein  durch  das 
Feuer  aus  ursprünglich  ganz  verschiedenartigen  Bestandtheilen  gebildeter  neuer 
Körper  sei ;  sie  sei  vielmehr  ein  besonderer  Stein  ^  den  die  Glut  des  Berges 
schmelze  und  der  später,  verhärtet,  wieder  derselbe  werde  wie  zuvor. 

Avich  die  neuere  Wissenschaft  hat  den  mächtigen  Einfluss ,  welchen  die 
Dämpfe,  also  luftförmige  Körper ,  auf  das  Zustandekommen  der  vulkanischen 
Erscheinungen  ausüben,  vollständig  anerkannt  und  so  der  einen  der  von  den 
Alten  geltend  gemachten  treibenden  Kräfte  ihre  Bedeutung  gelassen ;  von  der 
Mitwirkung  des  Meerwassers  dagegen,  an  die  man  bis  in  das  gegenwärtige 
Jahrhundert  allgemein  glaubte,  wollen  seit  der  Entdeckung  der  innerasiatischen 
Vulkane  die  Forscher  wenig  mehr  wissen ,  welche  im  Gegentheil  die  in  den 
Vulkanen  sich  vielfach  vorfindende  Feuchtigkeit,  wie  alles  Nass  in  der  Erde, 
«1US  der  Atmosphäre  herleiten.  Dass  diese  auch  sonst  auf  die  vulkanische  Thä- 
tigkeit Einfluss  ausübt,  zeigt  die  schon  oben  angeführte,  wenn  nicht  sichere, 
doch  wahrscheinliche  Bemerkung ,  dass  die  Herbstzeit  die  Epoche  einer  ver- 
hältnissmässig  erhöhten  Thätigkeit  des  Berges  ist.  Bei  den  Liparischen  Inseln 
wird  noch  von  anderen  Witterungseinflüssen  auf  die  vulkanischen  Phänomene 
die  Rede  sein. 

Wenn  so  die  Gelehrten  zur  Erklärung  der  aus  der  Erde  hervorbrechenden 
Feuerei*scheinungen  noch  zu  den  beiden  andern  Elementen  der  Luft  und  des 
W^assers  ihre  Zuflucht  nehmen  mussten ,  bewegten  sich  Volk  und  Dichter  mit 
ihren  Sagen  und  Meinungen  über  den  Aetna  stets  so  ziemlich  auf  demselben 
Gebiete ,  wo  Feuer  und  Erde  die  Hauptrolle  spielen.     Bald  ist  der  Aetna ,  der 


24    .  Erstes  Buch.    II.  Die  BodeDveiiiäitnisse  der  Insel. 

selbst  mit  seinen  gewaltigen  Formen  und  dem  \^ie  durch  Athemzüge  regel- 
mässig ausgestossenen  Rauche  den  Eindruck  eines  schlummernden  Riesen 
macht,  der  Sitz  des  Hephaistos,  bald  hat  er  den  Kyklopen  als  Esse  gedient, 
als  sie  für  Zeus  den  Rlitzstrahl  schmiedeten ,  bald  wieder  ist  er  ein  Denkmal 
des  Kampfes  der  G()tter  mit  den  Giganten,  jenen  erdgeborenen  Riesen,  die 
den  Ossa  auf  den  Pelion  häuften ,  um  den  Himmel  zu  stürmen.  Denn  als  die 
Verwegenen  besiegt  waren,  da  begruben  die  Götter  sie  an  verschiedenen  Orten 
noch  lebend  unter  die  Erde,  und  Enkelados  wird  unter  den  Aetna  geworfen, 
den  er,  die  Glieder  bewegend,  erschüttert.  Den  Giganten  ist  aber  Typhon  oder 
Typhoeus  ähnlich ,  der  wie  sie  ein  Feind  der  Götter  ist  und  wie  sie  besiegt 
wird.  Auch  er  liegt  unter  dem  Aetna,  der  aber  nicht  ausreicht,  ihn  zu  be- 
decken.   Nun,  sagt  Pindar, 

Drückt  die  meeramfriedete  Veste  von  Kyme, 
Drückt  Sikelia  des  Unthiers  zottige  Brust. 

Ovid  aber  lässt  ihn  unter  Siciiien  allein  ausgestt^ckt  liegen ,  so  dass  die  rechte 
Hand  die  Peloris,  die  linke  der  Pachynos,  die  Füsse  Lilybaion  deckt,  und  das 
Haupt,  das  unter  dem  Aetna  ruht,  Flammen  ausspeit.  Bei  ApoUodoros  ist  das 
Feuer  des  Aetna  dagegen  das  der  von  Zeus  auf  Typhon  geworfenen  Blitze,  die 
noch  fortwährend  glühen. 

Wenn  auch  Zeus  auf  dem  Aetna  mit  dem  Beinamen  des  Aetnäischen  ver- 
ehrt wurde ,  so  war  doch  die  Hauptgottheit  des  Berges  Hephaistos ,  der  dort 
einen  mit  einem  heiligen  Haine  umgebenen  Tempel  hatte,  in  welchem  ein  ewi- 
ges Feuer  brannte.  Es  wird  von  diesem  Kult,  der  besonders  durch  die  Hunde— 
schaaren,  welche  den  Tempel  bewachten,  merkwürdig  ist,  weiterhin  die  Rede 
sein ;  wir  werden  sehen,  dass  der  Tempel  an  dem  Orte  zu  suchen  ist,  wo  jetzt 
die  Stadt  Ademö  steht,  und  so  kann  Gluver's  Yermuthung,  die  Ueberreste, 
welche  den  Namen  Torre  del  filosofo  führen,  möchten  diesem  Tempel  angehört 
haben,  nicht  gebilligt  werden.  In  der  Höhe,  wo  diese  Ruine  liegt,  kann  über- 
dies nie  ein  heiliger  Hain  gestanden  haben. 

Nach  Pausanias  hätte  sich  an  die  Krater  des  Aetna  der  Gebrauch  geknüpft, 
Gegenstände  aus  Gold  und  Silber,  auch  andere  Opfergaben ,  hineinzuwerfen, 
um  dann ,  wenn  sie  verschlungen  wurden ,  es  als  ein  günstiges ,  wenn  sie 
wieder  ausgestossen  und  also  verschmäht  wurden,  als  ein  ungünstiges  Zeichen 
anzusehen.  So  viel  ist  klar,  dass  hier  nicht  von  dem  Ki*ater  der  Spitze  des 
Berges  die  Rede  sein  kann.  Es  ist  nicht  so  bequem,  sich  ihm  zu  nähern,  wie 
es  hiernach  scheinen  möchte,  und  schon  Strabon  hat  bei  Gelegenheit  der 
Fabel  vom  Empedokles ,  dessen  Schuh  der  Vulkan  wieder  ausgeworfen  haben 
sollte,  die  Bemerkung  gemacht,  dass,  wenn  es  schon  schwer  sei,  nahe  genug 
zum  Krater  zu  gelangen,  um  etwas  hineinwerfen  zu  können,  es  noch  unwahr- 
scheinlicher sei,  dass  Hineingeworfenes  unverändert  wieder  an's  Tageslicht 
komme. 

Gewiss  ist  indess,  dass  im  Alterthum  so  wenig  wie  heutzutage  es  an  Rei- 
senden fehlte,  die  bis  zum  Gipfel  des  Aetna  vorzudringen  versuchten.  Im 
Allgemeinen  scheint  damals  wie  jetzt  der  Zugang  von  der  Südseite  der  bevor- 
zugte gewesen  zu  sein,  da  hier  der  längere  und  somit  sanftere  Abhang  die 
Ersteigung  erleichtert ;  aber  w^ährend  die  Reisenden  gegenwärtig  von  Gatania 


Aetna.  25 

aufzubrechen  pflegen,  war,  wenigstens  zu  Strabon^s  Zeit,  die  Stadt  AeCna,'  die 
zwischen  Patemö  und  Nicolosi  gelegen  zu  haben  scheint ,  ihr  Ausgangspunkt. 
Auch  zu  Seneca's  Zeit  war  der  Gipfel  des  Aetna  ein  nicht  seltenes  Reiseziel. 
Man  liebte  es  damals  wie  jetzt,  in  dunkeler  Nacht  oben  anzukommen,  um  dann 
von  der  gewaltigen  Hohe  das  herrliche  Schauspiel  des  Sonnenaufgangs  zu  ge- 
niessen  und  allmählich  vor  seinen  Blicken  Land  und  Meer  aus  der  Finstemiss 
emportauchen  zu  sehen.  So  wird  auch  vom  Kaiser  Hadrian  berichtet,  dass  er 
zu  diesem  Zweck  den  Aetna  bestiegen  habe.  Sein  Biograph  fttgt  hinzu ,  der 
Sonnenaufgang  solle  sich,  von  hier  gesehen,  durch  einen  Regenbogen  verschö- 
nert zeigen,  eine  Bemerkung,  die  seitdem  Niemand  gemacht  hat. 

Sollten  wir  nun  annehmen  dürfen,  wie  geschehen  ist,  dass  die  lieber- 
reste ,  welche  sich  ein  wenig  Ostlich  von  der  Casa  degF  Inglesi  oder  di  Gem- 
mellaro,  auf  einem  kleinen  Hügel  in  einer  Höhe  von  2917,24  Metern  dicht  unter 
dem  Aschenkegel  des  Aetna  vorfinden,  zu  einem  Gebäude  gehört  haben,  wel- 
ches Reisenden  oder  Forschern ,  die  die  Erscheinungen  des  Vulkans,  studiren 
wollten ,  zum  Obdach  diente  ?  Wir  sahen  schon ,  dass  das  Volk  sie  Torre  del 
filosofo  nennt  und  dabei  an  Empedokles  denkt,  der  hier  den  Aetna  beobachtet 
habe;  aber  das  unten  auf  Gewölbebögen  ruhende,  aus  Lavastücken  von  ver- 
schiedener Grösse  (opus  incertum)  errichtete  kleine  Gebäude,  ein  Quadrat  von 
etwa  24  Fuss,  in  welchem  d'Orville  noch  Ueberreste  alter  Marmorbekleidung 
vorfand ,  scheint  vielmehr  aus  der  Römerzeit  herzustammen.  Wenn  es  auch 
nicht  gerade,  wie  ein  sicHianischer  Gelehrter  gemeint  hat,  speciell  für  den 
Kaiser  Hadrian  als  Ruhepiatz  bei  seiner  Besteigung  des  Berges  errichtet  worden 
ist,  so  wäre  es  doch  immerhin  möglich ,  dass  es  einem  ähnlichen  Zwecke  die- 
nen sollte,  wie  gegenwärtig  die  Gasa  di  Gemmellaro.  Eine  andere,  ebenfalls  oft 
vertheidigte  Annahme,  dass  es  die  .Ueberreste  eines  heiligen  Gebäudes  seien, 
lässt  sich  vieUeicht  mit  der  ersten  vereinigen.  Denn  warum  sollte  in  dieser 
öden  Höhe  ein  Gebäude ,  das  wir  uns  freilich  ursprünglich  grösser  zu  denken 
hätten,  als  die  Ruinen  vermuthen  lassen,  nicht  die  doppelte  Bestimmung  eines 
Obdaches  für  die  Reisenden,  und  einer  heiligen  Stätte,  wo  diese  zu  den  Göt- 
tern um  Schutz  und  Rettung  beten  konnten,  gehabt  haben  ?  Es  ist  eigenthüm- 
lich ,  dass  der  Berg  so  nahe  seiner  Spitze  ein  solches  Menschenwerk  so  viele 
Jahrhunderte  hindurch  geduldet  hat. 

Die  Dichter  haben  seit  Aischylos  und  Pindaros,  der  den  Aetna  die  himm- 
lische Säule  tiennt,  nicht  leicht  eine  Gelegenheit  vorübergehen  lassen,  den 
gewaltigen  und  furchtl>aren  Berg  und  seine  Ausbrüche  zu  schildern,  und  zu- 
mal die  röfnischen  sind  reich  an  solchen  Gemälden.  In  Lucretius  und  dem 
Verfasser  des  Epos  Aetna  vereinigen  sich  Dichter  und  Philosoph,  und  bei  Lu- 
ciKus  hat  der  Dichter  so  weit  wenigstens  den  Philosophen  sich  unterworfen, 
dass  Anfang  und  Ende  des  Gedichtes  demjenigen  gewidmet  sind,  was  auch  die 
Ungelchrten  interessirt.  Denn  den  Anfang  macht  eine  Uebersicht  der  Mythen, 
die  sich  auf  die  feurige  Thätigkeit  des  Berges  beziehen,  und  den  Schhiss  bildet 
die  Mittheiiung  der  schönsten  rein  menschlichen  Sage ,  die  sich  an  den  Aetna 
knüpft,  und  mit  der  auch  wir  unsem  Bericht  über  diesen  Bei*g  abschliessen. 

Als  einst  —  nach  anderen  Nachrichten  wäre  es  im  fünften  Jahrhundert 
v.  Chr.  geschehen  -*  ein  Lavastrom  Katana  bedrohte,  und  die  Meisten  ihre  Kost- 


2(5  Erstes  Buch.    IL.  Die  Bodenverhältnisse  der  Insel. 

• 
barkeiten  retteten ,  da  nahmen  die  beiden  Brüder  Aniphinomos  und  Änapias, 
der  eine  den  Vater,  der  andere  die  Mutter  auf  die  Schultern  und  trugen  sie  fort. 
Die  ungewohnte  Last  hemmte  ihre  Schritte,  und  die  Lava  kam  immer  naher. 
Sie  waren  nahe  daran,  von  der  Glut  erreicht  und  verschlungen  zu  werden,  da 
theilte  sich  plötzlich  der  Lavastrom  und  Hess  die  frommen  Brüder  unversehrt. 
Ihr  Andenken  hielten  dieKatanäer,  wie  billig,  in  Ehren;  sie  bildeten  ihre  That 
auf  den  Münzen  der  Stadt  ab  und  nannten  das  Feld,  auf  dem  sie  begraben 
lagen,  das  Feld  der  Frommen.  Die  Syrakusaner,  auf  diesen  Ruhm  Ratana's 
eifersüchtig,  behaupteten,  die  Brüder  seien  aus  Syrakus  gebürtig  gewesen. 
Ob  Mario  Gemmbllaro  Recht  hatte ,  in  dem  Namen  Pampiu ,  den  ein  Ort  bei 
Gatenia  tragt,  die  Worte  campus  Piorum  wiederzufinden,  muss  dahingestellt 
bleiben. 

Südlich  vom  Aetna  liegt  eine  grosse  fruchtbare  Ebene,  deren  grösster  Theil 
heutzutage  von  dem  Simeto  im  Osten  und  dem  Gumalonga  im  Süden  begrenzt 
wird,  in  einer  von  West  nach  Ost  sich  erstreckenden  Länge  von  etwa  i  geo- 
graphischen Meilen ,  und  einer  Breite ,  die  etwas  mehr  als  eine  Meile  —  am 
Meeresufer  kaum  so  viel  —  betragt.  Sie  heisst  jetzt  die  Ebene  von  Catania,  im 
Alterthum  die  Leontinischen  Gefilde.  Damals  durch  ihren  reichen  Ertrag  be- 
rühmt, ist  sie  gegenwärtig  unbewohnt  und  wenig  bebaut,  und  ihr  fetter  Boden, 
der  einst  das  schönste  Korn  hervorbrachte,  trug  zuletzt  fast  nur  Kräuter,  die  das 
Vieh  abweidete,  bis  man  neuerdings  den  Baumwollenbau  auf  ihr  begonnen  hat. 

Nach  diesem  Ueberblick  über  die  Gebirge  Siciliens  betrachten  wir  die  aus 
ihnen  hervorgehenden  und  von  ihnen  genährten  Flüsse ,  von  deren  Charakter 
bereits  im  ersten  Kapitel  gesprochen  ist.  Die  Fiumaren,  jene  von  Oleander- 
gebüsch eingefassten ,  winterlichen  Giessbäche ,  welche  das  Reisen  in  Sicilien 
in  dieser  Jahreszeit  so  sehr  erschweren ,  finden  sich  vorzugsweise  an  einigen 
Theilen  der  Nord-  und  Ostküste,  da,  wo  die  Gebirgskämme  dem  Meere  nahe 
sind ;  die  grösseren  Gewässer,  die  eigentlichen  Flüsse,  ergiessen  sich,  der  Ab- 
dachung des  Landes  entsprechend,  vorzugsweise  nach  Süden  und  Südosten,  in 
das  Libysche  und  das  Sikelisclie  Meer. 

Zunächst  dem  pe lorischen  Vorgebirge  —  um  mit  der  Ostküste  auch  hier 
wieder  zn  beginnen  —  macht  die  Nähe  von  Gebirg  und  Meer  jede  Flussbiidunu 
unmöglich,  und  es  finden  sich  nur  wilde  Fiumaren,  die  südlich  vom  C.  Grosso, 
wo ,  wie  wir  sahen ,  das  Gebirge  ein  wenig  zurücktritt ,  etwas  grösser  wer- 
den ,  jedoch  noch  nicht  so,  dass  sie  den  Namen  von  Flüssen  verdienten.  Von 
diesen  Bächen  wird  nur  der  Onobala  oder  Tauromenios  erwähnt,  ein 
kleines  Gewässer,  das  sich  südlich  von  Tauromenion,  neben  dem  heutigen 
Giärdini ,  in  das  Meer  ergiesst ,  und  dessen  jetzigen  Namen  die  Karten  nicbt 
verzeichnen.  Der  erste  eigentliche  Fluss  ist  der  heutige  Gantara,  der  die  Nord— 
grenze  des  Aetna  bUdet ,  wenngleich  an  seiner  Mündung  ihn  die  Laven  einst 
Uberfluthet  und  das  kleine  Vorgebirge  geschafifen  haben,  auf  dem  das  alte  Naxos 
stand ,  da»  heutige  Cap  Schisö.  Er  fühlte  bei  den  Alten  den  Namen  A  s  i  n  e  s 
oder  Akesines.  Dieser  Fluss,  der  von  reizenden,  höchst  romantischen  Ufern 
eingefasst  ist  und  ein  weites  Thal  bildet ,  vereinigt  die  Gewässer,  welche  dem 
anstossenden  Theile  des  Südabhanges  des  Hauptgebirgszuges  der  Insel  entströ- 
men^ und  empfangt  auch  einige  wenige  Zuflüsse  vom  Aetna,  aus  dessen  Wäl- 


Flüsse.  27 

dem  er  heutzutage  l)eti*<lchtliche  Massen  Bauholz  zum  Meere  fordert.  Einzig 
vom  Aetna ,  der  wegen  der  Natur  seines  Bodins  wasserarm  ist ,  geht  dagegen 
der  Akis  aus,  der  in  der  Nähe  der  Orte  fliesst,  weiche  mit  verschiedenen  Zu- 
sätzen gegenwärtig  den  Namen  Aci  führen.  Jetzt  heisst  er  Acque  Grandi.  Er 
bricht  als  ein  bedeutender  Strom  aus  der  Lava  hervor  und  stürzt ,  I  Meile  von 
seiner  Quelle,  halbwegs  zwischen  Aci  Reale  und  G.  Mulini  ins  Meer.  Dieser 
Fluss  ist  in  neuerer  Zeit  nicht  immer  sichtbar  gewesen.  Nachdem  G luver  ihn 
noch  gesehen  hatte ,  beschreibt  ihn  R.  Pirrus  als  durch  eine  Eruption  des  Vul- 
kans vei*schttitet.  Er  hat  also  dasselbe  Schicksal  gehabt,  wie  der  Akis  der 
Sage:  er  ist  wie  er  begraben  und  wie  er  wieder  auferstanden.  Aus  vulkani- 
schem Boden  bricht  femer  hervor  der  A m e n a s  oder  Amenanos,  der  Fluss 
von  Ratana ,  jetzt  Judicello  genannt ,  dessen  Lauf  zum  Theil  unterirdisch  ist, 
und  der  überdies,  seinem  Namen  getreu,  häufig  versiegt. 

Wie  der  Akis  und  der  Amenas ,  wenn  gleich  in  etwas  anderer  Weise,  hat 
die  Wirkung  der  Zeit  und  des  Vulkans  an  sich  erfahren  der  nächste  grosse  Fluss, 
der  heutige  Giarretta ,  der  im  Westtm  und  Süden  den  Aetna  von  der  übrigen 
Insel  abscheidet ,  wie  es  der  Gantara  im  Norden  thut.    Wahrend  im  1 6.  Jahr- 
hundert ,  wie  FazelFs  Beschreibung  lehit ,  sich  südlich  von  seiner  Mündung  in 
einer  Entfernung  von  4  Millien  ein  anderer  bedeutender  Fluss  in's  Meer  ergoss, 
der  S.  Paolo ,  ist  heutzutage  die  Mündung  des  Giarretta  die  einzige  in  dieser 
Gegend,  und  der  frühere  S.  Paolo  ist  unter  dem  Namen  Gurnalonga  ein  Neben- 
floss  des  Giarretta  geworden.    Offenbar  hat  der  Vulkan  den  untern  Theil  des 
Laufes  des  Giarretta  um  so  viel  weiter  nach  Süden  gedrängt.  Und  dies  ist  nicht 
die  einzige  Veränderung,  die  seit  dem  16.  Jahrhundert  mit  dem  Flusssystem 
dieser tvegend  vorgegangen  ist.  Damals  ergoss  sich  der  Fluss  von  Aidone  direkt 
in  den  Giarretta ;  heutzutage  vereinigt  er  sich  mit  dem  in  jener  Zeit  selbständi- 
gen Gurnalonga.   Im  Angesicht  solcher  durch  den  Vulkan  herbeigeführten  Ver- 
änderungen hat  es  immerhin  etwas  Missliches,  antike  Flussnamen  dieser  Ge- 
gend mit  modernen  identlHciren   zu  wollen;    doch  lässt  sich  Folgendes  mit 
ziemlicher  Sicherheit  feststellen.   Der  nördliche  Hauptstrom,  zu  dem  man  Alles 
rechnen  kann,  was  nördlich  von  der  Ebene  von  Gatania  fliesst,  führte  im  Alter- 
thum  den  Namen  Symaithos.     Ihn  bilden,   oder  zu  ihm  stossen  mehrere 
l)e8onders  benannte  Flüsse.  Der  Ostlichste  derselben  führt  in  seinem  Hauptarme 
anfangs  von  der  ihm  nahe  liegenden  Stadt  den  Namen  Fiume  di  Troina ;  da, 
wo  er  diesem  Orte  am  nächsten  kommt,  wendet  sich  sein  bis  dahin  nach  Süden 
gerichteter  Lauf  nach  Osten  hin ,  und  er  eilt  in  vielen  Windgingen  durch  ein 
felsiges  Bett  der  Stadt  Bronte  zu.  Hier  nimmt  er  einen  von  Norden  kommenden 
Zufluss  auf  und  wird  durch  den  Aetna  gendthigt,  wiederum  nach  Süden  ab- 
zulenken.    Er  hat  sich  seinen  Lauf  hie  und  da  durch  gewaltige  Lavamassen, 
die  ihn  überflutheten ,   bahnen  mtlssen',    an  einzelnen  Punkten  ist  der  Ein- 
schnitt, den  er  in  einem  Zeiträume  von  zwei  und  einem  halben  Jahrhundert 
gemacht  hat,  50  Fuss  tieL  Dieser  Fluss  ist  der  alte  Hadranios.  Ein  zweiter, 
westlicherer  Quellarm  des  Symaithos  ist  der  Kyamosoros  der  Alten,   der 
heutige  F.  Salso.    Er  entspringt  aus  mehreren  Quellen  nördlich  von  Nicosia 
und  fliesst^  wie  der  F.  di  Troina ,  zuerst  nach  Süden ,  dann,  von  der  Gegend 
von  Argiro  an ,  in  Ostlicher  Richtung  in  einem  tiefen  Thale ,  anfangs  zwischen 


28  Erstes  Buch.    U.  Die  Bodenverhältnisse  <3er  Insel. 

« 

Kalksteingebirgen ,  zuletzt  über  Lava ,  auf  den  so  eben  genannten  Fluss  zu, 
mit  dem  er  sich  unterhalb  Adern#s  vereinigt.  Die  so  vermehrte  Wassermasse 
umsäumt  in  südöstlicher  Richtung  den  Fuss  des  Vulkans ,  anfangs  sich  zwi- 
schen Laven  einen  Weg  bahnend,  später  die  weite  Ode  Ebene  von  Catania 
durchschneidend ,  bis  im  Meridian  von  Misterbianco  ein  dritter  grosser  Quell- 
arm  des  Symaithos,  der  Dittaino,  sich  in  sie  ergiesst.  Dieser  Fluss,  der  Chry- 
sas  der  Alten,  bildet  sich  aus  einer  Menge  von  Bächen,  die  nördlich  und 
südlich  von  Castrogiovanni  entspringen ;  auch  er  windet  sich  in  der  zweiten 
Hälfte  seines  Laufes  durch  die  Ebene  von  Catania.  Nach  der  Aufnahme  des 
Dittaino  fliesst  der  Hauptstrom,  den  wir  jetzt  als  Symaithos  bezeichnen  müssen, 
im  W^esentlichen  in  östlicher  Richtung  weiter,  um  endlich  etwa  3  Millien  vom  Meere 
auf  den  Gumalonga  zu  stossen,  den  Erykes  der  Alten,  der  die  von  Piazza  bis 
Calatagirone  nach  Nordosten  hin  dem  Gebirge  entströmenden  Bäche  vereinigt, 
und  südlich  von  der  Ebene  von  Catania  dem  Meere  zuführt.  Die  verbundenen 
Flüsse  folgen  der  bisherigen  Richtung  des  Gumalonga  mit  einer  kleinen  Ab- 
weichung nach  Nordosten.  Von  der  Fähre,  auf  der  man  dicht  vor  der  Mündung^ 
den  in  einem  schmutzigen  Bette  zwischen  Ufern  von  grauem  Thon,  die  mit 
Cactus  und  Tamarisken  besetzt  sind ,  dahin  fliessenden  Strom  überschreitet, 
empfängt  er  den  Namen  Giarretta.  Auch  die  Alten  scheinen  alle  diese  Flüsse  als 
zu  einem  System  gehörig  betrachtet  und  mit  dem  Gesammtnamen  Symaithos 
belegt  zu  haben,  was  die  Vermuthung  erwecken  könnte,  dass  damals  wie  heu- 
tiges Tages  nur  eine  Mündung  vorhanden  war.  Das  Gebiet  dieses  Flusssystems 
ist  das  grösste  Siciliens.  Man  kann  es  auf  etwa  70  Q. -Meilen  veranschlagen, 
d.  h.  auf  fast  ein  Siebentel  der  gesammten  Oberfläche  der  Insel.  Es  ist  in  sei- 
ner Gestaltung  einigermassen  mit  dem  allerdings  viel  grösseren  Thessalien  zu 
vergleichen :  ein  von  Bergen  umschlossenes  Becken  mit  einem  einzigen  Aus- 
gang ;  nur  dass  sich  hier  noch  mehr  als  in  Thessalien  rauhe  Bergzüge  zwischen 
die  Flusstliäier  drängen ,  die  von  ausgezeichneter  Fruchtbarkeit  sind.  Seine 
Bedeutung  in  der  alten  Geschichte  Siciliens  entsprach  ,  wie  wir  sehen  werden, 
vollständig  seiner  Ausdehnung  und  seiner  Gestalt,  die,  einem  Quadrate  ähn- 
licher als  die  der  schmäleren  Gebiete  aller  übrigen  sicilischen  Flüsse,  die  Be- 
wohner desselben  zu  engerem  Zusammenhalt  veranlasste.  An  der  Mündung 
des  Giarretta  wird  jetzt  Bernstein  gefunden,  der  nach  der  Behauptung  der  sici- 
lischen Naturforscher  von  den  Bergen  des  Innern  heruntergespült  wird. 

Während  wir  so  eben  von  Flüssen  zu  berichten  hatten,  die,  an  entlegenen 
Punkten  entspringend,  im  untersten  Theil  ihres  Laufes  zusammenkommen,,  tritt 
das  Gegentheil  bei  den  Gewässern  der  Südostecke  Siciliens  ein ,  die ,  in  ihren 
Quellen  nicht  sehr  von  einander  getrennt ,  im  weiteren  Laufe  nach,  den  ver- 
schiedensten Seiten  auseinandergehen.  Es  ist  nämlich  der  Ursprung  der  be- 
deutenderen unter  ihnen  am  M.  Lauro ,  der  den  Hauptgebirgsstock  des  Val  di 
Noto  ausmacht,  und  die  kürzeren  entspringen  wenigstens  an  den  Vorbergen 
und  Ausläufern  desselben.  Der  erste  ist  der  Terias ,  in  dessen  Nähe  Leontini 
lag ,  jetzt  F.  di  S.  Leonardo  genannt.  Er  sammelt  die  Gewässer,  welche  sich 
n(Mdlich  vom  M.  Lauro  und  dem  westlich  von  Sortino  emporragenden  M.  S,  Ve- 
nera bilden ,  und  seinem  Gebiete  gehört  auch  der  nördlich  von  Leontini  g^e- 
gene  See  Biviere  an ,  der  grösste  d^s  heutigen  Siciliens ,  von  dem  im  Alterthum 


Flüsse.  29 

I 

nicht  die  Rede  ist,  und  der  vielleicht  in  jener  Zeit  noch  nicht  existirte.  In  den 
Terias  ergoss  sich  der  westlich  bei  der  Stack  Leontini  vorbeifliessende.  kleine 
Lissos.  Die  nächsten  Flüsse  sind  unbedeutend.  Nördlich  von  der  Punta  deU' 
Edera  ist  der  sogenannte  Kanal  della  Bruca ,  die  von  steilen  Felsen  eing^fasste 
Mttndung  des  Porcari,  des  Pantakyas  oder  Pantagias  der  Alten,  der  zwi- 
schen Garlentini  und  Yillasmundo  nördlich  von  dem  im  Gap  S.  Groce  endigen- 
den Höhenzuge  seine  Quelle  hat.  Nun  folgen  sttdiich  von  diesem  Vorgebirge  die 
Flüsse  des  megarischen  Meerbusens.  Der  erste  ist  det*  Molinello  oder  S.  Giu- 
liano,  der  südlich  voii  Garlentini  entspringt,  vielleicht  der  Damyrias  der 
Alten ,  dessen  steile  Ufer  Zeugen  eines  glänzenden  Sieges  Timoleon's  waren. 
Dann  kommt  der  Marcellino ,  wahrscheinlich  der  M  y  1  a  s ,  hierauf  der  Gantara, 
in  welchem  man  bisher  den  durch  Daidalos  berühmt  gewordenen  Alabon 
vermuthet  hat,  den  neuere  Forschung  vielmehr  in  dem  zunächst  folgenden, 
ebenfalls  sehr  kleinen  S.  Gusmano  wiederfinden  will.  Diese  Flüsschen  kommen 
von  den  Hybläischen  Bergen  herunter.  In  dem  Anapos,  dem  bekannten 
Flusse  von  Syrakus,  haben  wir  dagegen  wieder  ein  an  dem  quellenreichen 
M.  Lauro  selbst  entspringendes  Gewässer.  Sein  Ursprung  ist  nicht  fem  von 
Akrai,  dem  heutigen  Palazzolo.  Von  hier  fliesst  er  anfangs  in  nördlicher,  dann 
in  östlicher  Richtung,  indem  er  die  Grotten  von  Pantalica  und  die  auf  hohem 
Felsen  thronende  St-adt  Sortino  links  lässt  und  besonders  von  der  linken  Seite, 
aus  dem  M.  S.  Venera  und  dem  M.  Lauro,  in  engen,  tief  eingeschnittenen  Thal- 
falten zahlreiche  Nebenflüsse  empfangt.  Zu  beiden  Seiten  des  in  tiefer  Schlucht 
dahinrauschenden,  von  Oleander-  und  Brombeergebüsch  ttberlaubten  Flusses 
ziehen  sich  Kornfelder  und  Oelwaldungen  hin.  Bei  Syrakus,  wo  er  m  die 
Ebene  tritt,  empfängt  er  das  mit  Papyrusstauden  bedeckte  Wasser  der  Quelle 
Kyane,  jetzt  Pisma,  und  ergiesst  sich  endlich  in  einer  sumpfigen  Gegend  in 
den  grossen  Hafen  der  Stadt.  Die  Sümpfe  ziehen  sich  hauptsächlich  links, 
i^rdlich  von  der  Mttndung  des  Anapos,  am  Meeresufer  hin;  sie  heissen  im 
Alterthum  Syrako  und  Lysimeleia,  Namen,  die  wahrscheinlich  dasselbe 
Gewässer  bezeichnet  haben,  jener  in  älterer,  dieser  in  späterer  Zeit.  Von 
dem  berühmten  Quell  Arethusa  auf  Ortygia  wird  später  ausführlich  die 
Rede  sein. 

Die  drei  nächsten  Fltlsse,  die  bei  Gelegenheit  des  unglücklichen  Rückzuges 
der  Athener  von  Syrakus  erwähnt  werden,  waren  der  Kakyparis,  der  Eri- 
neos  und  der  Assinaros.  Jener  ist  der  heutige  Gassibili,  der  unweit  der 
Quelle  des  Anapos  südöstlich  von  Palazzolo  entspringt,  der  Erineos  ist  ent- 
weder der  Miranda  oder  F.  d'Avola  nördlich  von  Avola,  oder  der  Gavallata 
südlich  von  dieser  Stad^t,  ein  schmaler,  aber  tiefer  Bach,  der  zwischen  weissen 
Kalkfelsen  dahinströmt;  der  Assinaros  endlich,  in  dessen  Gewässern  der  Rest 
der  Athener  den  Syrakusanem  erlag,  ist  der  Falconara,  der  bei  der  alten  Stadt 
Neeton  den  Abhängen  des  Berges  von  Mezzo  Gregorio,  einige  Meilen  südöstlich 
von  Palazzolo  entquillt,  und  durch  ein  tiefes  und  felsiges  Bett  dem  Meere  zu- 
fliesst.  Die  Athener  zogen  über  diese  Flüsse  auf  dem  helorinischen  Wege,  der 
sie  nach  der  am  gleichnamigen  Strome  gelegenen  Stadt  Heloros  geführt  haben 
würde.  Der  Heloros  entspringt  unfern  vom  Anapos,  westlich  von  Palazzolo, 
in  geringer  Entfernung  vom  M.  Lauro.     Er  strömt  im  grössten  Theile  seines 


30  Erstes  Buch.    11.  Die  Uodcnvcrhallnisse  der  ln»cl. 

Laufes  über  felsigen  Boden ,  weshalb  ihm  Silius  den  Beinamen  des  gei^u5<^- 
vollen  gegeben  hat ,  und  seine  Ufer  waren  so  reizend ,  dass  die  Alten  sie  mit 
dem  ihessslischen  Tempe  verglichen.  Noch  jetEt  wissen  die  iteisenden  das 
Thal  dieses  im  oberen  Tfaeile  seines  Laufes  Atellaro  oder  Tellaro ,  im  unteren 
Abisso  genannten  Flusses,  das  Nuss-,  Handel-  und  Oelbaume  beschatten,  und 
Rnenn  ntiA  Jasmin  mit  aromatischen  Duften  füllen,  nicht  genug  ru  preisen.  Der 
itt  im  Winter  weil  über  seine  Ufer.  Er  war  i-eicii  an  vortrefflichen 
Ir  die  man  in  seinem  Bet(£  ein  besonderes  Reservoir  gebaut  halle, 
len  auf  der  StidkUste  mündenden  FlUssen  ist,  da  der  von  Spaccafumo 
len  nicht  vorkommt,  zuerst  hier  zu  nennen  der  Hotykanos,  der 
Hodica,  der  gegenwärtig  nach  einem  andern  Orte,  an  dem  er  vorbei- 
r  Fluss  von  Scicii  heissl.  Er  enlspringt  bedeutend  südlicher  als  der 
Ihm  folgt  der  Hyrminos  oder  Hirminius,  der,  da  ihn  Plinius 
dem  Pachynischen  Voi^ebir^e  und  der  Stadt  Kamarina  allein  nennt, 
fei  [der  grOssle  Fluss  dieser  Strecke,  der  am  M.  Lauro  selbst  ent- 
)  F.  di  Bagusa  oder  Haull  ist.  Beide  zuletzt  genannten  Gewässer 
I  tiefen  Schluchten  dahin,  welche  die  Einftinnigkeit  des  felsigen  Pia- 
Sttdostspitze  Siciliens  durch  ihre  Oasen  von  mannigfaltigem  GrUn 
len.  Wir  treten  jetzt  in  das  Gebiet  der  allen  Stadt  Kamarina,  deren 
^indar  genannte  Flüsse,  derOanis  und  derUipparis,  die  heu- 
colaro  und  F.  di  Camarana  sind.  Jener  ist  kurzen  Laufes,  dieser 
am  Berge  von  Chiaramonte ,  einem  Vorberge  des  IH.  Lauro,  und 
]der  Mitte  seines  Laufes  von  links  her  einen  in  der  heutigen  Stadt 
if  dem  Markte  in  grosser  Wasserfulle  hervorsprudelnden  ZuOuss 
m^Ufer  als  besonders  reizend  durch  ihren  RetchUium  an  Citronen, 
nd  Granaten  geschildert  werden.  -  Eine  halbe  Millie  von  seiner  MUn- 
hstfjlmt  der  Camarana  einen  See  oder  Sumpf  von  zwei  Hillien  Um- 
von  etwa  20  Quellen  gebildet  wird.  Er  hiess  bei  den  Alten  Kama- 
nach  ihm  soll  die  Stadt  benannt  worden  sein.  Von  ihm  ging  die 
,  afs  er  einst  sehr  seicht  war  und  verpestende  Ausdünstungen  verbrei- 
ginwohncr  der  Stadt  den  Plan  fassten ,  ihn  ganz  ausintrocknen  und 
I  fragten,  ob  sie  es  durften.  Apollon  antwortete:  Buhrt  Kamarina 
Dennoch  trocknete  man  —  freilich  nicht  mit  dauerndem  Erfolg,  — 
IS,  und  spater  drangen  gerade  über  diese  Stelle  Feinde  in  die  Stadi 
rlen  sie. 

'erlassen  jetzt  die  um  den  M.  Lauro  gelagerte  SUdostspilzc  Siciliens 
en  eine  Gegend ,  die  vermtlge  der  grösseren  Entfernung  des  Bet^- 
von  dem  die  Gewässer  herkommen  —  des  Hauptzuges  der  Madonie 
on  Gangi  —  wieder  längere  Flusse  aufweist.  Doch  sind  die  Gewässer 
ih  im  gidsseren  Theile  ihres  Laufes  von  ziemlich  schroffen  Bcrgztlgen 
die  sich  von  der  Haupikette  der  Insel  abzweigen.  Das  erste  dersel- 
Fluss  von  Terranova ,  entspringt  bei  Piazza  und  Aidone  unfern  von 
T  erwähnten  Fluss  von  Aidone,  einem  Arm  des  Symaithos,  und 
1  Osten  von  dem  Bergzuge  begleitet,  der  sich  von  Gangi  zum  M. 
zieht,  in  gewundenem  Laufe  nach  Süden  durch  eine  grosse  Ebene 
ies  sind  die  Geloischen  Gefilde  der  Alten,   und   der  Fluss  ist  der 


FlüBse.  3 1 

Gelas,  dem  die  Sikeler  diesen  Namen  wegen  der  Kalte  seines  Wassei'S  bei- 
legten. Ovid  bezeichnet  ihn  als  unzugänglich  durch  seine  Strudel,  was  er 
jetzt  nur  nacii  heftigen  Regengüssen  ist.  In  der  Gegend  von  Piazza  ist  das  Thal 
des  Gelas  in  reizender  Abwechselung  mit  Waldern ,  Weinbergen  und  Korn  be- 
deckt. Nun  folgt  einer  der  grössten  Flüsse  Siciliens,  der  alte  Hirne  ras,  der 
jetzt  von  seinem  salzigen  Wasser  den  Namen  Salso  führt.  Dieser  Fluss  theilt 
die  Insel  in  zwei  dem  Anschein  nach  ziemlich  gleiche  Hälften.  Die  Alten  glaub- 
ten ,  und  man  hat  in  neuerer  Zeit  wiederholt ,  dass  aus  derselben  Quelle,  die 
diesen  Fluss  hervorbringe ,  sich  noch  ein  anderer  nach  Norden  in  das  tyrrhe- 
nische  Meer  ergiesse,  welchem  sie  denselben  Namen  beilegten.  Die  östliche 
Hauptquelle  des  südlichen  Himeraflusses  befindet  sich  unter  dem  Breitengrade 
des  Aetnagipfels,  stldwestlich  neben  der  Stadt  Gangi ;  der  hier  gebildete  Haupt- 
arm ist  es,  der  speciell  den  Namen  Salso  führt.  Mit  ihm  vereinigt  sich  weiter 
ab\^rts  zunächst  rechts  ein  zwischen  Petralia  und  Polizzi  aus  mehreren  Quel- 
len entspringender  Arm ,  und  sodann  links  ein  anderer,  der  bei  Calatascibetta 
und  Gastrogiovanni  entspringt.  Das  Thal  des  Himeras  ist  tief  und  fruchtbar;  der 
Strom  hat  nach  Regengüssen  eine  gewaltige  Wassermasse ,  so  dass  zu  seiner 
Ueberschreitung  oft  nicht  einmal  die  Hülfe  der  kräftigen  Maraguni  ausreicht 
Nach  Fazell  befindet  sich  da  ,  wo  der  Himeras  aus  den  Bergen  in  das  niedrige 
I^nd  an  der  Küste  tritt,  rechts  von  ihm  an  dem  Orte  Rocca  stricti  (Rocca  dello 
stretto ,  etwa  ^4  Meile  von  Licataj  ein  gewaltiger  Löwe  in  den  weithin  sicht- 
baren Fels  gehauen. 

Wir  kommen  nun,  einige  kleinere,  im  Alterthum  nicht  genannte  Gewisser 
übergehend,  zu  den  Flüssen  des  Gebietes  des  alten  Akragas.  Sie  haben  sämmt- 
lich  einen  nui*  kurzen  Lauf,  da  sie  nicht  auf  der  Hauptbergkette  der  Insel,  son* 
dem  auf  einem  von  derselben  abgezweigten  und  von  ihr  in  der  Gegend  von 
Akragas  durch  eine  tiefe  Einsenkung  getrennten ,  und  hier  auch  mit  derselben 
parallel  laufenden  Höhenzuge  entspringen.  Von  den  Alten  sind  nur  zwei  Namen 
überliefert,  welche  den  unmittelbar  bei  Akragas  fliessenden  Gewässern  ange- 
hören, der  Akragas  und  der  Hypsas.  Jener  ist  der  heutige  S.  Biagio,  dieser 
der  Drago,  die  sich  unterhalb  der  Trümmerstätte  der  alten  Stadt  im  Angesichte 
des  Meeres  vereinigen. 

Die  tiefe  Einsenkung ,  welche  das  Quellgebiet  der  akragantinischen  Ge- 
wässer von  dem  Hauptbergrücken  der  Insel  trennt,  durchströmt  von  Osten  her 
der  Platani,  der  bei  den  Alten  Lykos  oder  Halykos  hiess,  und  der  letztere 
der  beiden  Namen  findet  sich  der  Bedeutung  nach  auch  in  der  Benennung  Salso 
oder  Salito' wieder,  die  der  östliche  der  beiden  Hauptquellaime  des  Flusses 
heutzutage  führt.  Dieser  entspringt  südlich  von  Polizzi  und  fliesst,  die  Gewässer 
westlich  bis  in  die  Nähe  von  Yillalba  und  südlich  bis  nahe  bei  Galtanisetta 
sammelnd,  nach  Südwesten,  um  sich  bei  Campofranco  mit  dem  zweiten  Haupt- 
arm zu  vereinigen,  der,  von  Lercara  und  Castronuovo  herkommend,  und  zw'i- 
schen  dem  gewaltigen  Berge  von  Cammarata  rechts  und  den  eigenthümlichen 
kegelförmigen  Hügeln  von  Musumeli  und  Sutera  links  dahinströmend ,  den 
Namen  des  Flusses  von  S.  Pietro  führt.  Der  so  gebildete  Strom,  der  nun  Pla- 
tani heisst,  fliesst  in  westlicher  Richtung  weiter,  um  endlich  seine,  im  Winter 


32  Erstes  Buch.    11/  Die  Bodenverhältnisse  der  Insel. 

höchst  bedeutende  Wassermasse  neben  C.  Bianco,  der  Statte  des  alt«n  Hera- 
kleia,  ins  Meer  zu  ergiessen. 

Die  Flüsse,  die  jetzt  bis  Lilybaion  folgen,  lassen  sich  nicht  alle  mit  Sicher- 
heit mit  antiken  Namen  belegen.  Es  sind  zehn :  Macasoli,  F.  di  Caltabellotta, 
Carabi  oder  Gannitello,  Gavarello,  Leone,  Beiice,  Madiuni,  Arene,  Mazzara  und 
Marsala.  Von  diesen  bildet  sich  der  erste  aus  zwei  Armen ,  die  südlich  von 
Palazzo  Adriane  am  Monte  Rifesio  und  östlich  von  Bivona  entspringen,  der 
zweite  östlich  von  dem  erstgenannten  Punkte ,  um  den  er  dann  aber  nördlich 
durch  eine  enge  Schlucht  im  Bogen  fliesst,  worauf  er,  sich  nach  Süden  durch  ein 
weiteres  Thal  wendend,  die  Stadt,  von  der  er  den  Namen  hat,  rechts  lässt.  Da 
nun  in  der  Gegend  von  Caltabellotta  die  rauhen  Höhen  deis  Kratas*  dem  Meere 
ziemlich  nahe  kommen ,  so  sind  die  nächstfolgenden  Gewässer  nur  klein ,  bis 
zum  Beiice,  der  der  bedeutendste  der  genannten,  und  einer  der  wenigen  wirk- 
lich perennirenden  sicilischen  Flüsse  ist.  Ihn  bilden  zwei  Hauptarme,  der  Beiice 
destro  und  der  Beiice  sinistro ,  von  denen  dieser  in  der  Nähe  von  Gorieone, 
jener  nicht  weit  von  Palermo  bei  Plana  de'  Greci  entspringt  und  welche  sich 
östlich  von  Salaparuta  vereinigen.  Das  obere  Flussgebiet  des  Beiice  trennt  die 
Beiden,  in  nordwestlicher  und  in  südwestlicher  Richtung  auslaufenden  Zweigi\ 
in  die  sich  das  Hauptgebirge  der  Insel  sondert.  Der  siebente  der  Flüsse,  der  Ma- 
diuni ,  ist  nur  ein  kurzer  Küstenfluss  mit  stagnirender  Mündung.  Der  dann 
folgende  F.  Ar^ne  entspringt  südlich  von  Calatafimi  und  fliesst  anfangs  in 
südlicher,  dann,  durch  die  Höhen  von  Gastelvetrano  seitwärts  gedrängt,  in 
westlicher  Richtung ,  von  Salemi  an  in  der  Ebene ,  zum  Meere.  Der  Mazzara 
hat  seine  Quellen  3  Million  von  Salemi,  er  fliesst  im  letzten  Theile  seines  Laufes 
über  harten  Felsboden  in  einem  nach  Art  eines  Kanals  von  Menschenhand  ge- 
regelten Bette.  Der  letzte  endlich ,  der  Marsala ,  hat  einen  sehr  kurzen  Lauf 
durch  eine  schöne ,  mit  Bäumen  bepflanzte  Gegend.  Mit  Sicherheit  lässt  sich 
nun  in  Betreff  der  antiken  Namen  dieser  Gewässer  behaupten,  dass  der  ßelice 
der  Hypsas  ,  und  der  Madiuni  der  S'elinus  der  Alten  sind,  da  diese  beiden 
Flüsse  bei  Selinus  genannt  werden,  und  zwar  jener  östlich  von  der  Stadt,  deren 
Trümmer  zwischen  den  Mündungen  von  Beiice  und  Madiuni  sichtbar  sind. 
Sodann  ist  klar,  dass  der  Mazaras  der  Allen  dem  heutigen  Mazzara  entspricht. 
Weiter  führte  der  F.  di  Galtabellotta  den  Namen  Alba,  während  der  Macasoii 
wahrscheinlich  Kamikos  hiess.  Der  Marsala  hiess  im  Alterthum  Akithios. 
Der  So  SS  i  OS  und  der  Isburos  werden  zwischen  Selinus  und  Herakleia,  und 
nach  ziemlich  sicherer Vermuthung  der  Achates  zwischen  Selinus  und  Sciacca 
erwähnt,  so  dass  für  diese  drei  Flussnaroen  die  drei  zwischen  Sciacca  und  Se- 
linus mündenden  Flüsschen  Gannitello ,  Gavarrello  und  Leone  übrig  bleiben, 
ohne  dass  sich  sagen  liesse,  wie  jene  Namen  unter  sie  zu  vertheilen  sind.  Nun 
bleibt  noch  der  F.  Arene  zu  benennen.  Nach  Gluver^s  schai*fsinniger  Deduction 
würde  er  Hai y kos  geheissen  haben,  es  ist  aber  nicht  unmöglich ,  dass  sein 
Name  eigentlich  Halikyas  war. 

Wenn  wir  jetzt  nach  Norden  und  Osten  weiter  wandern,  so  finden  wir 
erst  im  Gebiete  von  Segesta  antike  Flussnamen  erwähnt,  weldie  also  die  im 
Golfe  von  Gastellamare  ihr  Ende  findenden  Gewässer  sein  werden.  Hier  ist 
der  bedeutendste  der  F.  S.  Bartolomeo,  der  sich  aus  zwei  Quellflüssen  bildet, 


Flüsse.  33 

von  denen  der  eine,  F.  Frcddo  genannt,  einige  Meilen  östlich  von  der  Stadt 
Salemi  in  gleicher  Entfernung  vom  Afrikanischen  wie  vom  Tyrrhenischeu  Meere 
entspringt,  während  die  Quelle  des  anderen,  kürzeren,  der  den  Namen  Gaggera 
fuhrt,  sich  weiter  westlich  unweit  Galatafimi  befindet.  An  dem  letztgenannten 
lag  das  alte  Segesta.  Der  Fluss  S.  Barlolomeo  mündet  östlich  von  dem  heutigen 
Gastellamare.  Nun  werden  von  den  Alten  bei  Segesta  zwei  Flüsse  genannt, 
der  Skamandros  und  der  Simoeis,  deren  Namen  an  die  angebliche  tro- 
janische  Heimath  der  Elymer  erinnern ,  und  die  man  entweder  in  den  beiden 
Quellarmen  des  S.  Bartolomeo,  dem  Gaggera  und  F.  Freddo,  oder  in  den  beiden 
Flüsschen,  aus  denen  sich  bei  Segesta  der  Gaggera  bildet,  dem  Pispisa  und 
dem  Galemici ,  wiederfinden  kann.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  führte  femer 
der  F.  Freddo  den  Namen  Krimi sos.  Die  enge  Verbindung,  in  welche  die 
Sage  den  Krimisos  mit  der  Gründung  von  Segesta  bringt,  —-  der  Trojanerin 
Egesta  und  des  Flussgottes  Krimisos  Sohn  war  der  Erbauer  der  Stadt  —  lässt 
kaum  einen  Zweifel  hierüber  zu,  und  die  dagegen  geltend  gemachten  Bedenken 
haben  keinen  zwingenden  Charakter.  Ausserdem  werden  bei  Segesta  noch  der 
Telmissos  oder  Helbessos  —  wenn  diese  Namen  wirklich  dasselbe  Ge- 
wässer bezeichnen  —  mit  plötzlich  aufbrausendem  Wasser  und  der  Porpax 
erwähnt.  Es  giebt  mehrere  Flüsschen ,  welche  in  die  Bucht  von  Gaste llaniare 
fallen,  und  an  die  man  bei  den  genannten  Gewässern  denken  könnte.  Des  Auf- 
brausens wegen  haben  indess  Manche  den  Helbessos  und  sodann  auch  den 
Porpax  für  identisch  gehalten  mit  den  berühmten  Seges tan ischen  war- 
men Quellen,  die  sich  etwa  3  Miliien  unterhalb  Segesta's  am  Gaggera  befin- 
den. Es  sind  im  Ganzen  sechs.  Die  erste ,  von  unten  gerechnet ,  Gorgo  caldo, 
ist  die  heisseste ;  die  nächste ,  Fönte  di  S.  Gerolamo ,  ist  von  .jener  Y2  Millie 
entfernt ;  die  dritte,  Bagno  delle  femmine,  entspringt  in  einer  Höhle ;  die  vierte 
führt  den  Namen  Bagno  di  Galamet,  und  die  sechste,  die  oberste,  sprudelt  mit- 
ten im  Gaggera  selbst  hervor. 

Demselben  Meerbusen  gehört  noch  der  von  Ptolemaios  erwähnte  Bathys 
an,  man  kann  ihn  für  den  heutigen  Jali  halten,  der  westlich  von  Parlinico 
mündet. 

Die  Flüsse  der  Nordküste  sind  durchgängig,  der  Nähe  des  Gebirgskammes 
wegen,  klein.  In  die  Bucht  von  Panormos  mündeten  der  Orethos  und  der 
Eleutheros.  Jener,  früher  Ammiragiio ,  jetzt  wieder  Oreto  genannt,  ent- 
springt aus  mehreren  Quellen  im  Gebirge  hinter  Monreale  und  ergiesst  sich 
eine  halbe  Millie  südlich  von  Palermo  in^s  Meer.  Der  zweite,  der  heutige  Ba- 
garia ,  hat  seine  Quelle  einige  Miliien  nördlich  von  Gorleone  und  durchströmt 
kurz  vor  seiner  westlich  von  Gap  Mongerbino  gelegenen  Mündung  die  reizende, 
heutzutage  mit  prächtigen  Villen  bedeckte  Ebene,  welche  sich  um  die  Stadt 
Bagaria  lagert  Von  den  in  die  nächste  ausgedehntere  Bucht,  die  von  dem.  Gap 
Zafarana  im  Westen  und  dem  Gap  Gefalü  im  Osten  umschlossen  wird,  aus- 
mündenden Flüssen  wird  nur  einer  bei  den  Alten  erwähnt,  der  Himeras.  • 
Man  erzählte  von  ihm ,  dass  er  aus  derselben  Quelle  mit  dem  südlichen  Flusse 
gleiches  Namens  entspringe.  Wenn  nun  der  nördliche  Himeras  der  bei  Prizzi, 
unweit  Palazzo  Adriane  entspringende  Fluss  S.  Leonardo  oder  Termini  wäre, 
wofür  ihn  nach  Gluver  Manche  halten ,  so  ist  dessen  Quelle  doch  zu  weit  von 

Holm,  0«Mh.  SieUieni.  I.  8 


34  Ersles  Buch.    II.  Die  Bodenverhältnisse  der  Insel. 

denen  des  F.  Salso  entfernt,  als  dass  man  einsehen  könnte,  wie  eine  solche 
Behauptung  sich  zu  bilden  vermocht  hutte.  Es  ist  indess  sicher,  dass  nicht  der 
Terminifluss  der  Himeras  war ,  sondern  vielmehr  der  F.  Grande ,  der  weiter 
östlich  aus  mehreren  Quellen  in  der  Ni^lhe  von  Polizzi  entspringt  und  sich  beim 
Thurme  Bonfomello  in*s  Meer  ergiesst.  Hier  sind ,  wie  wir  später  sehen  wer- 
den ,  die  Ruinen  der  Sladt  Himera  gefunden  worden ,  die  links  von  der  Mün- 
dung des  gleichnamigen  Flusses  lag.  Wie  Quellen  des  F.  Grande  sind  denjeni- 
gen des  F.  Salso  ziemlich  nahe,  ja  Amico  versichert,  dass  ein  Quell  Fantuzza 
bei  Polizzi  nach  beiden  Himeras  Gewässer  entsende,  üebrigens  verdient  dieser 
Fluss  den  Namen  des  grossen  nur  in  der  Zeit  starker  Regengüsse;  in  der 
heissen  Jahreszeit  ist  sein  sehr  breites,  mit  Oleandergebüsch  besetztes  Bett 
ziemlich  leer  an  Wasser.  Dagegen  befinden  sich  die  heissen  Quellen,  die  seit 
uraller  Zeit  berühmt  und  nach  Himeras  benannt  waren ,  in  der  Nähe  des  Ter- 
miniflusses ,  im  unteren  Theile  der  heutigen  Sladt  Termini.  Das  Gebiet  von 
Himera  nährt  noch  manche  andere  kleine  Flüsse,  so  dass  Pindar  es  mit  Recht 
ein  wohlbew*ässertes  Gestade  genannt  hat. 

Von  den  weiterhin  bei  den  Alten  erwähnten  Flüsschen  gehören  mehrere 
der  ausgedehnten  Küstenstrecke  an ,  die  sich  vom  Cap  Cefalü ,  nach  welchem 
sich  ein  kurzer  Arm  des  Hauplgebirgsstockes  hinzieht,  bis  zum  C.  Orlando 
erstreckt.  Es  ist  zunächst  der  Mo  na  los  der  Alten,  der  heutige  Pollina  ^  der 
unterhalb  Gangi  entspringt  und ,  nachdem  er  von  Westen  her  den  F.  di  Ca- 
stelbuono  aufgenommen  hat,  durch  ein  wohlangebautes  Thal  zum  Meere  fliessl; 
sodann  der  durch  seine  blumigen  Ufer  berühmte  Hai  aisos  ,  der  jetzige  Polti- 
neo,  ein  unbedeutender,  kaum  eine  geographische  Meile  vom  vorigen  entfernter 
Fluss;  endlich  derChydas,  der  heutige  Furiano,  ein  im  Bosco  di  Garonia 
entspringendes  Gewässer  von  kurzem  Lauf.  Der  T methos  war  vielleicht  der 
jetzige  F.  di  Naso,  der  in  die  schöne  Bucht  zwischen  C.  Orlando  und  C.  Brolo 
fällt.  In  den  Meerbusen  östlich  vom  Cap  Tindaro  mündete  der  Helikon,  wel- 
cher der  heutige  Oli vero  gewesen  sein  kann.  Der  "M  e  1  a  s  und  der  F  a  c  e  I  i  n  u  s 
der  Alten  —  denn  die  böiden  Namen,  wie  gewöhnlich  geschieht,  als  Benennun- 
gen eines  und  desselben  Flusses  zu  nehmen,  ist  kein  Grund  vorhanden  — 
müssen  östlich  vom  Vorgebirge  von  Mylai  gesucht  werden ,  und  sind  wahr- 
scheinlich die  heutigen  Nocito  und  Condro.  In  dem  dann  folgenden  Monfort^ 
finde  ich  den  Longanos  wieder,  der  gewöhnlich  für  den  westlich  von  Mylai 
fliessenden  F.  di  Castroreale  gehalten  wird,  dem  Zusammenhang  der  Erzählung 
Diodor's  nach,  in  dem  er  vorkommt,  jedoch  östlich  von  diesem  Orte  gesucht 
werden  muss ;  —  wenn  anders  nicht  im  Diodorischen  Texte  ein  Fehler  ist. 

Das  Land,  dessen  Bau  wir  so  eben  nach  den  Berichten  der  Alten  zu  schil- 
dern versucht  haben ,  brachte  einen  ausserordentlichen  Reichthum  von  Pro- 
dukten hervor.  Besonders  war  es  für  den  Kornbau  geeignet.  Man  hatte' die 
Sage  —  für  etwas  Anderes  kann  es  kaum  erklärt  werden  —  dass  im  Leontini- 
schen  Gefilde  und  an  anderen  Orten  Siciliens  noch  zur  Zeil  der  Römer  sich 
wilder  Weizen  gefunden  habe,  so  dass  also  das  Getreide  hier  heimisch  sein 
müsste,  und  die  Behauptung  nicht  wunderbar  erscheinen  konnte,  dass  Sicilien 
die  Heimath  des  Ackerbaues  sei.  In  der  Römerzeit  war  der  Selinuntische 
Weizen  besonders  berühmt,  und  ausser  den  Leontinischen  und  Geloischen  Fei- 


Produkte.  35 

dem  pries  man  die  Umgiegend  von  Mylai  wegen  ihrer  ;)usserordentUcben  Ergie- 
bigkeit, lieber  d^n  Ertrag  des  Bodens,  der  natürlich  sehr  verschieden  war, 
gehen  die  Bericht  der  Alten  noch  weiter  auseinander,  als  man  erwarten  könnte. 
Während  Cicero  von  S—IOfälliger  Frucht  spncht,  reden  Andere  von  hundert- 
fältiger, und  wenn  dies  auch  übertrieben  ist,  so  ist  Cicero  jedenfalls  unter 
der  Wahrheit  geblieben. 

Andere  Gegenden  der  Insel  waren  in  ebensojiervorragender  Weise  für  die 
Viehzucht  geeignet.  Sicilien  ist  deshalb  auch  die  Heimath  der  bukolischen  Poesie 
geworden.  Pindar  nennt  Sicilien  das  schafreiche ;  durch  seioe  Pferdezucht  war 
besonders  Akragas  berühmt ;  und  wie  man  die  Rinderheerden  des  Helios  nach 
Sicilien  verlegte ,  so  war  auch  später  der  siciiische  Talg  sehr  geschätzt.  Häute 
und  Wolle  gehörten  z,u  Stxabpn's  Zeit  zu  den  Hauptausfuhrartikelq  der  Insel. 
Auch  in  der  Schweinezucht  thaten  die  sicilischen  Landwirthe  sich  hervor. 

Die  würzigen  Kräuter  der  Bergabhänge  nährten  eine  vorzügliche  Bienenai*t. 
Der  Honig  von  Hybla  war  seiner  Güte  wegen  sprichwörtlich  geworden ,  und 
noch  heute  erinnert  der  aromatische  Duft ,  der  die  hybläischen  Hügel  am  Meer- 
busen von  Megara  umschwebt,  an  diesen  alten  Ruhm  der  Gegend.  Dass  aber 
dieser  Landstrich  der  Insel  nicht  der  einzige  war,  der  die  Bienenzucht  mit  Eifer 
betrieb,  das  beweisen  die  im  südlichsten  Theile  Siciliens  an  manchen  Orten  in 
die  Bergwände  eingebauenen  Bienenlöcher.  Die  Tauben  der  Insel  hatten  weit 
verbreiteten  Ruf. 

Die  Insel  zeigte  sich  überdies  nicht  wenig  für  den  Anbau  mancher  wich- 
tigen Produkte  geeignet,  die  offenbar,  ohne  dass  wir  jedoch  sagen  können, 
wann  dies  geschehen  ist,  aus  der  Fremde  dorthin  verpflanzt  worden  sind.  Der 
Weinstock  und  der  Oelbaum  gediehen  vortrefflich  auf  Sicilien ,  und  von  den 
W^cinen  sind  die  Namen  verschiedener  Sorten  aus  dem  Alterthum  erhalten.  Die 
Bezeichnungen  Mamertiner,  Tauromenier,  Iny einer  sagen,  dass  diese  Weine  in 
der  Nähe  der  Städte  Messana ,  Tauromenion ,  Inykon  wuchsen ;  der  Pollische 
Wein  soll  nach  einem  übrigens  unbekannten  Könige  PolHs  benannt  sein,  der  ihn 
zuerst  auf  Sicilien  anbaute.  Der  Potulanische  wuchs  in  der  Nähe  von  Messana ; 
wo  der  lotalinische  zu  Hause  war,  und  weshalb  er  diesen  Namen  führte,  wissen 
wir  nicht.  Von  dem  Weinbau  am  Aetna  ist  schon  oben  die  Rede  gewesen.  Von 
Safran,  Aepfeln,  Granatäpfeln  und  Feigen  können  wir  nur  sagen ,  dass  sie  sich 
in  vorzüglicher  Güte  und  grosser  Menge  auf  Sicilien  fanden. 

Der  Boden  der  Insel  gab  vortreffliches  Baumaterial  für  Häuser  und  Tem- 
pel. So  fäUt  der  Kalkstein  von  Campobello,  aus  dem  die  selinuntischen  Tempel 
gebaut  sind ,  noch  jetzt  den  Reisenden  durch  seine  Feinheit  und  seinen  Klang 
auf,  und  schon  im  Alterthum  war  der  tauromenitanische  Stein,  ein  bunter 
Marmor,  sehr  geschätzt.  Marienglas  und  halbedle  und  edle  Steine  wie  Achate 
und  Smaragde  fanden  sich  ebenfalls  auf  der  Insel.  Endlich  werden  Salz,  Farbe- 
erde und  Asphalt  als  Produkte  Siciliens  im  Alterthum  erwähnt. 

Schwer  aber  und  allzu  umständlich  würde  es  sein,  im  Einzelnen  den  rei- 
chen Segen  nachzuweisen ,  den  das  Meer  den  Bewohnern  der  Insel  in  seinen 
Geschöpfen  spendete ,  von  dem  mächtigen  Thunfisch  herab  bis  zum  kleinsten 
essbaren  Weichthier.  Die  AlU3n  wussten  gerade  diesen  Reichthum  vortrefflich 
zu  würdigen ,  und  es  haben  sich  unter  andern  die  komischen  Dichter  der  Insel 

8* 


36  Erstes^Büch.    11.  Die  Bodenverhältnisse  der  Insel. 

in  Weitläufige  Aufzählungen  dieser  den  Feinschmeckern  so  werihen  Thiere 
ergossen,  ein  Beweis,  wie  populär  dieser  Zweig  der  Naturwissenschaft  und 
wie  beliebt  der  Gegenstand  derselben  war.  Man  wird  schon«  im  Alterthum  die 
meisten  der  Thiere  gekannt  haben,  die  Smyth  in  einem  acht  Seiten  langen  Ver- 
zeichnisse am  Ende  selbes  Werkes  zusammengestellt  hat.  Auf  den  Münzen 
der  Insel  sind  Seethiere  vielfach  angebracht.  Kunstgemäss  vinu'de  vor  Allem 
der  Fang  des  Thunfisches  in  den  sicilischen  Meeren  betrieben,  sicher  ähn- 
lich wie  heutzutage,  und  die  meisten  Vorgebirge  waren  Warten  zur  Beobadi- 
tung  der  heranziehenden  Schaaren.  Ausdrücklich  geschildert  wird  sodann  der 
Fang  der  Schwertfische  in  der  sicilischen  Meerenge,  der  dort  noch  jetzt  in  ähn- 
licher Weise  Statt  findet.  Die  Fischer  befanden  sich  in  kleinen,  zweirudrigen 
Kähnen ,  in  jedem  zwei  ,*  von  denen  der  eine  ruderte ,  der  andere  am  Vorder- 
theile  mit  der  Harpune  bereit  stand ,  nach  dem  Fische  zu  stossen ,  dessen  Ort 
ihm  von  einem  für  die  ganze  Fischerschaar  als  Späher  angestellten ,  auf  einem 
hohen  Punkte  befindUchen  Manne  gezeigt  war.  Sobald  derStoss  aus  freier  üand 
geführt  ist,  zieht  der  Fischer  den  hölzernen  Stiel  der  Harpune  zurück,  während 
die  nur  leicht  am  Holze  befestigte,  mit  Widerhaken  versehene  eiserne  Spitze  im 
Leibe  des  Thieres  zurückbleibt.  An  dieser  Spitze  hängt  aber  ein  Tau,  von  wel- 
chem vom  Boote  aus  so  viel  abgelassen  wird ,  als  n&thig  ist,  bis  dek*  erschöpfte 
Fisch  sich  gefangen  giebt.  Heutzutage  ist  im  Uebrigen  das  Verfahren  dasselbe 
geblieben,  nur  sind  ausser  einer  grossen  Feluke,  die  zum  Beobachten  der  Fische 
dient,  zwei  kleine  Böte  im  Gebrauch,  von  denen  das  eine  den  Harpunisten  trägt^ 
das  andere  dagegen  die  besondere  Aufgabe  hat ,  dem  fliehenden  Fische  zu  fol- 
gen, und  ihn,  wenn  er  todt  ist,  einzunehmen. 

Das  Klima  war  mild.  Cicero  sagt  von  Syrakus,  dass  kein  Tag  vergehe,  an 
dem  nicht  die  Sonne  sichtbar  werde ,  was  freilich  ein  später  lebender  Syraku- 
saner  M.  Aretius  als  eine  rhetorische  Uebertreibung  bezeichnet  hat.  Natürlich 
brachte  ein  längerer  Aufenthalt  unter  ungünstigen  Verhältnissen  in  sumpfigen 
Niederungen  ebensowohl  in  Sicilien,  wie  anderswo,'  die  schlimmsten  Wirkungen 
hervor;  das  hat  die  Geschichte  der  verschiedenen  Belagerungen  von  Syrakus, 
von  der  durch  die  Athener  an  bis  zu  der  durch  Marcellus ,  zur  Genüge  be- 
wiesen. 

Merkwürdig  ist,  dass  im  Alterthum  die  Gegend  der  Strasse  von  Messina  als 
ziemlich  frei  von  Erdbeben  galt. 

Sicilien  ist  von  einer  Anzahl  kleinerer  Inseln  umgeben,  die  theils  einzeln 
daliegen,  theils  zu  Gruppen  vereinigt  sind.  Die  meisten  und  wichtigsten  lassen 
sich  mit  einigem  Bechte  den  drei  Spitzen  der  Insel  zuweisen ,  wo  dann  die 
Aegatischen  dem  Lilybaion ,  die  Aeolischen  derPeloris,  die  Maltesischen  dem 
Pachynos  entsprechen  würden ,  während  Ustica  im  Norden  und  Pantellaria  im 
Süden  vereinzelt  den  zwei  längern  Seiten  gegenüber  liegen ,  der  Oslküste  aber 
keine  Insel  von  Bedeutung  angehört.  Die  Zugehörigkeit  dieser  Inseln  zu  Sicilien 
beweisen  Geschichte  wie  Naturverhäitnisse.  In  Bezug  auf  die  letzteren  bedarf 
dies  bei  den  Liparischen  und  Aegatischen  Inseln  keiner  weiteren  Begründung; 
für  Pantellaria  und  die  Maltesische  Gruppe  dient  die  Bodengestaltung  des  Meeres 
als  Beweis.  Während  nämlich  nördlich  von  SicUien ,  der  Gestaltung  der  Küste 
entsprechend,  der  Meeresboden  schnell  zu  einer  bedeutenden  Tiefe  herabsinkt, 


NebeniDselQ.  37 

erstrecken  sich  von  der  Südktlste  als  Fortsetzung  des  nach  dieser  Seite  allmäh- 
lich sich  abdachenden  Bodens  der  Insel  in  sttdlicher  und  südwestlicher  Rich- 
tung unter  dem  Meeresspiegel  zwei  flache  Zungen  von  durchschnittlich  20 — 50 
Faden  Tiefe ,  weit  nach  der  afrikanischen  Küste  hin ,  von  denen  die  westliche 
Pantellaria,  die  östliche  die  Maltesische  Inselgruppe  mit  umfasst.  Der  Meeres- 
boden, welcher  erst  ausserhalb  dieser  Zungen  eine  Tiefe  von  100  Faden  erreicht, 
und  innerhalb  derselben  an  einzelnen  Stellen  nur  7 ,  resp.  4  7  Faden  tief  ist, 
sinkt  bereits  in  geringer  Entfernung  von  den  genannten  Inseln  auf  mehr  als 
700  Faden  herab. 

Die  wichtigsten  aller  Nebeninseln  Siciliens ,  wenn  wir  von  der  Bedeutung, 
welche ^Malta  in  neuerer  Zeit  bekommen  hat,  absehen,  und  die  interessantesten 
sind  die,  welche  bei  den  Alten  die  Gesammtnamen  der  Aeolischen,  Lipa- 
rischen,  Hephdstischen  oder  Vulkanischen  Inseln  führten  und  die 
beiden  ersten  Namen  auch  noch  heute  tragen,  die  letzten  aber  ihrer  Natur  wegen 
wohl  verdienen.  Das  Alterthum  war  gewohnt,  ihre  Zahl  auf  sieben  anzugeben, 
obwohl  die  Schriftsteller,  welche  in  dieser  Beziehung  übereinstimmen ,  keines- 
wegs alle  dieselben  sieben  meinen.  In  Wirklichkeit  ist  ihre  Zahl  allerdings  be- 
deutend grösser ;  wenn  man  indess  Panaria  mit  den  umliegenden  Inseln ,  die 
eine  Gruppe  bilden  und  ufsprünglich  nur  eine  einzige  Insel  ausgemacht  zu 
haben  scheinen,  auch  nur  als  eine  rechnet,  so  ist  die  Zahl  sieben  doch  zutref- 
fend. Die  Inseln  sind  sämmtlich  vulkanischen  Ursprungs  und  einige  von  ihnen 
enthalten  noch  heutzutage  thätige  Vulkane.  Ihre  Thätigkeit  ist  aber  im  Allge- 
meinen als  im  Abnehmen  befindlich  zu  betrachten.  Sie  war  im  Alterthum  be- 
deutender als  gegenwärtig ,  und  es  kam  bisweilen  vor ,  dass  in  dem  die  Inseln 
umgebenden  Meere  sich  neue  Krater  öffneten  und  neue  Feuerinseln  entstanden. 

Die  Liparischen  Inseln  liegen  zwischen  dem  Aetna  im  Süden  und  dem 
Vesuv  im  Norden ,  und  während  nur  wenige  Breitengrade  diese  drei  Vulkan- 
bezirke trennen ,  sind  sie  von  andern  Gegenden  derselben  Natur  beträcMHch 
entfernt.  Es  lag  deshalb  der  Gedanke  an  eine  unterirdische  Verbindung  dersel- 
ben nahe,  und  zwar  zunächst  zwischen  den  Liparischen  Vulkanen  und  dem 
Aetna ,  deren  Entfernung  von  einander  die  geringere  ist.  Diese  Meinung  hegte 
man  denn  auch  im  Alterthum ,  und  man  versicherte ,  dass  die  Ausbrüche  des 
Aetna  und  der  Liparen  abzuwechseln  pflegten ,  eine  übrigens ,  wie  es  scheint, 
nicht  ganz  richtige  Bemerkung.  Andere  nahmen  dann  weitergehend  an,  dass 
die  ganze  Gegend  zwischen  dem  Aetna  und  Kyme  von  zusammenhängendem, 
unterirdischem  Feuer  erfüllt  sei. 

Man  theilt  bekanntlich  die  Vulkane  in  Central  -  und  Reihenvulkane.  Die 
Gruppe  der  Liparischen  Inseln ,  in  der  sich  bei  Panaria  zwei  Eruptionsspalten 
kreuzen,  darf  als  eic^ Mittelglied  zwischen  beiden  Systemen  angesehen  wer- 
den. Die  zwei  sich  schneidenden  Linien  sind  deutlich  erkennbar.  Die  von 
West  nach  Ost,  genauer  von  Südwest  nach  Nordost,  gerichtete  trägt  Alicudi, 
Feiicudi  und  Salina  und  trifil  bei  Panaria  auf  die  andere,  von  Nord  nach 
Süd ,  mit  einer  Ausbiegung  nach  Westen ,  gerichtete ,  welcher  Stromboli ,  Pa- 
naria, Lipari  und  Volcano  angehören.  Die  letztgenannte  Spalte,  die  nach  dem 
Vesuv  und  dem  Aetna  hinweist,  hat  allein  die  vulkanische  Thätigkeit  noch  bei- 
behalten.    Die  sämmtlichen  Inseln  haben,   ihrer  Natur  entsprechend,  eine 


38  Erstes  Bach.    II.  Di«  Bodenverhältnisse  der  Insel. 

kegelförmige  Gestalt  y  doch  ist  es  eigen thtimlich ,  däss  bei  allen  die  Westseite 
schroffer  in*s  Meer  abfallt  als  die  Ostseite ,  und  dass  vor  den  meisten  nördlich 
kleine  .Inselchen  liegen.  Die  Liparen  haben ,  ^ie  der  Aetna ,  nur  sehr  wenige 
und  unbedeutende  Quellen,  und  der  aus  vulkanischen,  leicht  zerreibbaren 
Massen  bestehedde  Boden  hält  die  Feuchtigkeit  der  Atmosphäre  nur  kurze  Zeit 
fest;  so  ist  die  Anlage  von  Cistemen  das  einzige  Mittel  gewesen,  sie  bewohnbar 
zu  mächen.  Dennoch  bringt  das  Land,  wo  es  überhaupt  des  Anbaues  f^hig  ist, 
laichen  Ertrag;  nur  für  die  Viehzucht' ist  es  nicht  geeignet. 

Die  grösste  und  bedeutendste  derselben  ist  das  heutige  Lipari,  bei  den 
Alten  Lipara  oder  Liparai  genannt,  angetilicli  nach  dem  Könige  Liparos, 
Auson's  Sohn.  Anfangs  soll  die  Insel  mit  einem  unerklärten  Namen  Mel  igu- 
nis  geheissen  haben.  Im  früheren  Alterthum  war  nur  diese  eine  Insel  be- 
wohnt; die  Einwohner  von  Lipara  Bebauten  aber  auch  die  andern.  Später 
hatten  dagegen  wenigstens  einige  derselben  —  ausdrüißklich'  werden  Strongyle, 
Eiikussa'  imd  Phoinikussa  genannt  —  fest  angesiedelte  Einwohner.  Nach  Gluver 
war  es  in  dieser  Beziehung  im  Anfang  des  siebzehnten  Jahrhundierts  wieder 
wie  zur  Zeit  des  Thukydides  geworden,  im  Alterthum  war  auf  Lipara  ein  thä- 
liger  Vulkan ,  Über  dessen  Lage  jedoch ,  wenn  nicht  etwa  mehrere  Oefihungen 
an  verschiedenen  Punkten  der  Insel  anzunehmen  sind ,  keine  Gewissheit  vor- 
handen ist.  Doch  war  er  schon  damals  nicht  sehr  kräftig.  Feuer  sah  man  nur 
zur  Nachtzeit  aus  ihm  hervordringen,  und  nach  einer  von  Xenophanes  herstam- 
menden Nachricht  waren  sechszehnjährige  Pauisen  zwischen  den  Ausbrüchen. 
GegenwäiM;ig  haben  die  Krateröffiiungen  sich  völlig  geschlossen ,  und'  es  wird 
nur ,  wenn  man  den  Boden  bis  zu  einer  gewissen  Tiefe  aufgräbt ,  Rauch  und 
schwefliger  Geruch  bemerkbar.  Die  warmen  Bäder  der  Insel  zogen  aus  Sicilien 
viele  Kranke  herbei ;  sie  erweisen  sich  noch  jetzt  als  sehr  heilsam,  fier  Boden 
Lipara's,  aus  dem  viel  Alaun  gewonnen  wurde,  wird  im  Allerthum  bald  als 
fruchtbar,  bald  als  dürr  bezeichnet,  und  noch  heutzutage  rechtfertigen  die  ver- 
schiedenen Theile  der  Inset  beide  Bezeichnungen.  Denn  während  die  grossen 
Strecken  nackten  vulkanischen  Gesteines ,  die  an  manchen  Punkten  zu  Tage 
treten,  immer  noch  den  gebirgigen  Thetlen  Lipara's  den  Charakter  der  Un- 
fruchtbafrkeit  aufdrücken,  enthalten  einzelne  Ebenen  einen  sehr  fruchtbaren 
Boden,  und  die  Insel  bringt  besonders  guten  Wein  hervor. 

Südlich  von  Lipara ,  zwischen  dieser  Insel  und  Sicilien ,  liegt  das  heutige 
Volcano,  von  den  Allen  mit  den  Namen  Thermissa,  Therasia,  Hiera, 
Vulcania  bezeichnet.  Es  enthielt  ursprünglich  drei  Krater,  von  denen  aber 
schon  zu  Polybios*  Zeit  nur  noch  zwei  übrig  waren.  Der  grösste  derselben  hatte 
einen  Umfang  von  5  Stadien.  Thukydides  berichtet,  dass  die  Insel  bei  Tage 
Rauch,  bei  Nacht  Feuer  ansstosse.  Dass  das  Getöse  der  Eruptionen  500  Stadien 
weit  zu  hören  sei ,  schien  den  Alten  so  wenig  übertrieben ,  dass  Andere  die 
Grenzen  sogar  auf  4000  Stadien  erweiterten.  Zur  Zeit,  da  das  Epos  Aetna 
geschrieben  wurde,  also  wahrscheinlich  unter  Nero,  war  die  Glut  der  Insel 
schon  etwas  erkaltet.  Früher  waren  sehr  bedeutende  Eruptionen  vorgekom- 
men. Aristoteles  erzählt  von  einer,  bei  der  nach  einem  Erdbeben  sich  plötzlich 
eine  Anschwellung  des  Bodens  bildete,  die  sich  ötffiaete  und  Funken  und  Asche 
ausstiess.    Die  Asche  bedeckte  die  Stadt  Lipara  und  flog  sogar  bis  nach  Italien. 


Lfparen.  39 

Die  Erhebung  des  Bodens  blieb  als  dauernde  Spur  des  Ausbruchs :  es  halle  sich 
einer  jener  trachy tischen  Dome  gebildet.  \s,ie  sie  in  so  manchen  Gegenden  von 
einstiger  vulkanischer  Thüligkeil  Zeugniss  ablegen.  Von  einem  andern  heftigen 
Ausbruche,  der  zur  Zeil  des  Bundesgenossenkrieges  Stall  fand,  spricht  PI inius, 
und  Poseidonios  bei  Strabon  giebl.  einige  interessante  Umstände  an,  welche  damit 
verbunden  waren.  Es  war  um  die  Zeit  der  Sommersonnenwende  bei  Tages- 
anbruch; da  erhob  sich  zwischen  Hiera  und  Euonymos  (Volcano  und  Pana- 
ria)  das  Meer  zu  einer  gewaltigen  Höhe  und  verweilte  eine  Zeitlang  so.  Als  es 
sich  wieder  gesenkt  hatte ,  hielten  dennoch  die  Hitze  des  Wassers  und  der  Ge- 
stank der  auf  demselben  schwimmenden  Fische  dje  Schiffer  von  dem  Orte  fern, 
und  Einige,  die  sich  naher  gewagt  hatten,  verfielen  spijtcr  in  epileptische 
Zuckungen.  Nach  einigen  Tagen  zeigten  sich  Flammen  und  Rauch  auf  der 
Oberfläche  des  Meeres  und  ein  zäher  Schlamm,  der  dann  hart  wurde  wie 
Mühlsteine.  Es  fand  also  ein  Lavaausbruch  im  Meere  Statt.  Der  ftömische  Senat 
schickte  Gesandle,  welche  in  Hiera  und  Lipara  den  Göttern  des  Meeres  und  der 
Tnlerwelt  Opfer  darbrachten. 

An  die  vulkanische  Thäligkeit  Hieraus  knüpften  sich  eigen thüm liehe  meteo- 
rologische Beobachtunj^en.  Man  stellte  als  Thatsache  hin,  dass  bei  Südwind  die 
Insel  von  Nebel  bedeckt  sei ,  dass  bei  Nordwind  die  Flammen  rein  in  die  Höhe 
schlügen  und  das  Getöse  lauter  erschalle ,  während  bei  Westwind  ein  Mittel- 
zusland  zwischen  beiden  herrsche.  Mf^n  glaubte  somit  bemerkt  zu  haben,  dass 
die  vulkanischen  Erscheinungen  je  nach  der  Windrichtung  und  dem  Wetter 
verschieden  seien ,  und  man  knüpfte  hieran  eine  uns  nur  unvollkommen  be- 
kannte Theorie ,  nach  welcher  aus  der  Verschiedenheit  der  ersteren  —  dem 
verschiedenen  Gelöse  des  Kralers  und  der  verschiedenen  Richtung  der  her%'or- 
brechenden  Flammen  —  auf  den  Wind  und  das  W'etter,  und  zwar  eigen thüm- 
licher  Weise,  wie  dieselben  nach  zwei  Tagen  sein  würden,  geschlossen  wurde. 
Besonders  bewandert  in  dieser  Kunst  waren  die  Einwohner  von  Lipara.  Diese 
Weiterprophezeiung  der  Liparäer  sollte  dann  auch  eine  Erklärung  dafür  abge- 
ben, dass  Aiolos,  der  Beherrscher  dieser  fnseln,  von  der  Sage  zum  Herra 
der  Winde  gemacht  war:  er  war  bereits  im  Besitz  jener  Prophetengabe  ge- 
wesen 1 

In  seinem  gegenwärtigen  Umfange  hat  Volcano  noch  zwei  thätige  Krater. 
Der  grössere  derselben,  offenbar  der  von  den  Allen  beschriebene ,  südlich  vom 
Porto diponente  gelegen,  ist  nach  den  neueren  Reisenden  eines  der  prachtvollstcri 
Beispiele  vulkanischer  Thäligkeit  und  übertrifft  an  Grossartigkeit  des  Eindrucks 
selbst  den  Aetna.  Dolomieu  schildert  den  grössten  Umfang  desselben  als  eine 
halbe  italienische  Meile  betragend ;  nach  Smyth  ist  er  bedeutend  grösser,  eine 
und  ein  viertel  Meile.  Die  innem  Wände  fallen  schroff  ab,  und  man  IjLann 
in  die  Tiefe  des  regelmässig  gestalteten  Trichters  blicken.  Der  kleinere  Krater 
liegt  auf  einem,  noi*döstlich  sich  an  die  Insel  anschliessenden  Anhängsel,  Volca- 
neilo  genannt,  das  offenbar  einst  eine  besondere  Insel  ausgemacht  hat,  wie  es 
denn  auch  nur  durch  einen  aus  der  eigenen  Lava  gebildeten  niedrigen  Felsen 
mit  Volcano  zusammenhängt.  Da  man  nun  aus  dem  Alterlhum  einen  Bericht 
hat,  nach  w^elchem  im  Jahre  183  vor  Chr.  die  hisel  des  Vulcan  plötzlich  ent- 
standen sei ,  so  liegt  bei  der  Unmöglichkeil,  diese  Nachricht  auf  Volcano  selbst 


40  Erstes  Buch,    II.  Die  BodenverhtfUnlsse  der  Insel. 

zu  beziehen,  die  Annahme  nahe,  dass  Volcanello  gemeint  sei,  das  dann  spflter, 
wie  es  scheint,  erst  im  sechszehnten  Jahrhundert,  mitVolcano  verbunden  wurde. 
Ausserdem  findet  sich  noch  an  einer  wenig  klaren  Stelle  des  Plinius  die  Nach- 
richt von  dem  im  J.  1 26  v.  Chr.  geschehenen  Auftauchen  einer  neuen  vulkani- 
schen Insel  unter  den  Liparen.  Zu  gleicher  Zeit  war  in  der  ganzen  Gegend  das 
Meer  im  Aufsieden  begriffen,  so  dass  die  Fische  todt  auf  der  Oberfläche  schwam- 
men ,  und  als  die  Bewohner  von  Lipara  von  diesen  Fischen  assen ,  brach  eine 
Seuche  unter  ihnen  aus.  Welches  die  damals  entstandene  Insel  war ,  ob  sie 
überhaupt  noch  besteht,  ist  unbekannt.  Da  im  Jahre  1S6  v.  Chr.  auch  ein  Aus- 
bruch des  Aetna  Statt  fand,  so  bestätigt  dies  wenigstens  nicht  die  oben  erwähnte 
Theorie  von  der  Abw^echslung  der  Eruptionen  der  Liparischen  Inseln  und  des 
grossen  sicilischen  Vulkans. 

Die  nächstwichtige  Insel ,  gegenwärtig  wohl  die  bekannteste  von  allen,  ist 
die  nördlichste  derselben,  das  heutige  Stromboli,  eine  Insel,  die  ihren  alten  Na- 
men Strongyle  ihrer  runden  Gestalt  verdankt.  Ihr  konischer,  aus  Doleritge- 
stein  bestehender  Berg  hat  mehr  als  die  doppelte  Höhe  des  Vulkans  von  Hiera. 
Stromboli's  Feuerberg  hatte  im  Alterthum  nicht  die  Berühmtheit ,  die  er  heut- 
zutage durch  die  nur  in  neuester  Zeit  gestörte  Regelmässigkeit  besitzt ,  mit  der 
er  so  ziemlich  alle  1 0  Minuten  Feuer,  Asche  und  glühende  Steine  auswirft.  Zu 
Strabon's  Zeit  stand  er  noch  an  Kraft  der  Flamme  den  übrigen  thätigen  Vulka- 
nen der  Liparischen  Inseln  nach.  Wenn  dagegen  Plinius  ihm  ein  helleres  Feuer 
zuschreibt,  als  dem  Vulkan  von  Lipara,  mit  dem  er  ihn  im  Uebrigen  vergleicht, 
so  möchte  wohl  der  Schluss  gestattet  sein ,  dass  er  damals  schon  angefangen 
hat,  die  anderen  zu  übertreffen.  Vielleicht  hängt  diese  Steigerung  der  Kraft  der 
Ausbrüche  von  Stromboli  mit  einer  Veränderung  seines  Kraters  zusammen. 
Denn  oberhalb  der  jetzigen ,  auf  halber  Höhe  des  Berges  befindlichen  Oeffhung 
giebt  es  eine  ältere,  nunmehr  verstopfte,  die  vielleicht  im  früheren  Alterthum 
brannte.  Auch  an  StrongyIe*s  Eruptionen  knüpften  sich  Wetterprophezeiungen, 
und  Smyth  sagt  ausdrücklich,  dass  nach  den  übereinstimmenden  Berichten  der 
Einwohner  Stürme ,  besonders  solche ,  die  von  Süden  herkommen ,  durch  das 
Ausströmen  dicker  Rauchmassen  aus  dem  Krater  von  Stromboli  vorher  verkün- 
digt werden. 

^  Zwischen  Stromboli  und  Lipari  ist  die  Gruppe  von  Panaria,  einer  Insel, 
welche  bei  den  Alten  den  Namen  Euonymos  geführt  haben  muss.  Wenig- 
stens wird  von  den  Liparischen  Inseln  diejenige  mit  diesem  Namen  bezeichnet, 
welche  den  von  Lipara  nach  Sicilien  Schiffenden  links  lag ,  was  ziemlich  auf 
Panaria  passt,  die  sonst  auch  von  den  grösseren  Inseln  allein  unbenannt  geblie- 
ben wäre.  Wenn  freilich  die  Lage  zur  Linken  im  strengsten  Sinne  genommen 
werden  müsste,  und  man  sich  ausserdem  auf  die  andere  Nacliricht  über  Euo- 
nymos verlassen  könnte,  dass  sie  am  meisten  seewärts  von  allen  gelegen  habe, 
so  müsste  man  die  kleine  Insel  Liscabianca  für  Euonymos  erklären,  was  denn 
auch  von  Manchen  geschehen  ist.  Wie  aber  glauben,  dass  die  Alten  die  kleinere 
Insel  benannt,  die  grosse  dagegen  in  der  Aufzählung  der  7  Inseln  unerwähnt 
gelassen  hätten  ?  Nach  Dolomieu's  Bemerkung  sind  Panaria ,  Liscanera ,  Basi- 
iuzzo,  Liscabianca,  Bottaro,  Le  Formiche  die  Ueberreste  eines  zum  grössten  Theil 
untergegangenen  grossen  Kraters,  dessen  Umkreis  sie  noch  bezeichnen. 


Liparen.   Aegaten.  41 

Dies  sind  die  Inseln  der  östlichen,  von  Nord  nach  Süd  streichenden  Spalte. 
Auf  der  nach  Westen  gerichteten  treffen  wir  zuerst  Salma ,  von  den  Allen  D  i  - 
dynie  genannt,  wegen  der  zwei  Bergspitzen,  die  der  Insel  ihren  eigenthtim- 
liehen  Charakter  verleihen.  Das  die  beiden  Berge  trennende  Thal,  Fossa  felice, 
ist  von  ausserordentlicher  Fruchtbarkeit. 

Zehn  oder  elf  englische  Meilen  westlich  von  Salina  liegt  sodann  Felicudi, 
eine  ziemlich  fruchtbare  Insel  von  9  engl.  Meilen  Umfang.  Sie  hiess  bei  den 
Alten  Phoinikussa  oder  Phoinikodes,  nach  den  Palmen,  die  einst  dort 
wuchsen,  und  der  jetzige  Name  ist  aus  dem  antiken  entstellt.  An  ihrer  West- 
küste zwischen  den  Vorgebirgen  Stampaniata  und  Perciata  ist  eine  Grotte  von 
160'  Lange,  420'  Breite  und  50'  Höhe,  die  schon  den  Alten  aufgefallen  zu  sein 
scheint,  da  eine  der  bei  Philostrat  beschriebenen  Inseln,  in  denen  man  die  Li- 
paren  erkennt,  eine  grosse  Drachenhöhle  hat. 

Die  westlichste  von  allen  ist  endlich  Alicudi ,  ein  steiler  konischer  Krater 
von  6  engl.  Meilen  Umfang,  der  zwar  lange  aufgehört  hat  zu  brennen,  aber 
dennoch  so  kahl  ist,  als  hatte  er  erst  vor  Kurzem  gebrannt.  Der  Name  Alicudi 
ist  aus  Erikodes  entstanden,  denn  so  oder  Erikussa  nannten  die  Alten 
nach  dem  dort  wachsenden  Haidekraut  die  Insel. 

Ausser  diesen  sieben  Inselnamen  werden  noch  im  Alterthum  in  (dieser  Ge- 
gend und  als  zu  den  Liparen  gehörig  genannt:  Hikesia,  nach  Gluver  und 
Serra di Falco Panaria,  und  Herakleotes,  das  nach  denselben  Schriftstellern 
Basiluzzo  wäre.  Beide  werden  jedenfalls  der  Gruppe  von  Panaria  angehört 
haben. 

Getrennt  von  den  Liparischen  Inseln  liegt  weiter  im  Westen  Ustica ,  das 
im  Alterthum  ebenso  hiess,  eine  Insel  vulkanischen  Ursprungs.  Femer  wird 
noch  ungefähr  in»derselben  Gegend  von  einigen  Schriftstellern  die  Insel  Osteo- 
des  genannt,  die  ihren  Namen  »Knocheninsela  folgender  Begebenheit  verdanken 
soll.  Zur  Zeit,  da  die  Karthager  mit  den  Syrakusanem  Krieg  führten,  machten 
ihnen  6000  Söldlinge,  deren  Forderungen  sie  nicht  befriedigen  konnten,  viel  zu 
schaffen.  Man  beschloss,  sich  ihrer  ohne  Aufsehen  zu  entledigen,  brachte  sie 
unter  dem  Verwände  eines  Feldzuges, zu  Schiffe  und  setzte  sie  unter  irgend 
einem  andern  Verwände  auf  einer  kleinen ,  wüsten  Insel  unweit  Siciliens  aus, 
wo  sie  alle  verhungerten.  .Von  den  Haufen  der  Gebeine  wurde  dann  die  Insel 
Osteodes  genannt.  Piinius  setzt  sie  Solunt  gegenüber,  und  Cluver  kennt  in  der 
Nahe  von  Ustica  eine  Insel ,  die  er  für  Osteodes  halt.  Man  kann  leicht  mit 
Smyth,  der  von  einer  kleinen  Insel  in  dieser  Gegend  nichts  weiss,  auf  den  Ge- 
danken kommen,  Osteodes  sei  nur  ein  anderer  Name  für  Ustica. 

Die  zweite ,  den  Liparen  an  Bedeutung  weit  nachstehende  Inselgruppe  ist 
die  der  Aegatischen  Inseln,  welche  ebenfalls  vulkanischen  Ursprungs  sind. 

Die  westlichste  von  ihnen  ist  die  alte  Hiera  oder  Hieronesos,  jetzt 
Marittimo.  Sie  ist  hoch,  hat  7  Mill.  Umfang,  ihre  Westküste  f^llt  schroff  in^s 
Meer  ab,  wahrend  an  der  Ostküste  Schiffe  landen  können.  Südöstlich  von  ihr, 
dem  sicilischen  Vorgebirge  Aigithallos  gegenüber,  liegt  die  alte  Aigusa,  jetzt 
Favignana  genannt.  Smyth  vergleicht  ihre  Gestalt  einem  Vogel  mit  ausgebrei- 
teten Flügeln.  Sie  ist  niedriger  und  fruchtbarer  als  Marittimo.  Nördlich  von  ihr, 
Drepanon  gegenüber,  liegt  Levanzo,  bei  den  Alten  Phorbantia  oder  Bu- 


42  Erstes  Buch.    111.  Sagen. 

ein  na  genannt,  Namen  welche  beide  auf  einen  grossen  Reichihum  an  Kühen 
hinzudeuten  scheinen.  Nach  d^r  Schilderung  übrigens,  welche  Smyth  von  ihr 
entwirft)  erscheint  sie  durchgängig  steil  und  von  rauher  Oberfläche,  und  bringt 
nur  wenig  hervor,  so  da$s  jene  Ableitung  doch  zweifelhaft  wird.  Zwischen  Le- 
vanzo  und  Trapani  sind  noch  einige  kleine  Inseln,  Le  Formiche,  die  nach  Smyth 
die  gewöhnlich  für  Aegimurus  (jetzt  al  djamur)  in  der  Nähe  von  Karthago, 
von  Anderen  schon  im  Alterlhum  für  die  Aegaten  selbst  erklärten  ärae  wären, 
an  denen  bei  Vergil  Aineias.  seine  Flotte  verliert,  und  dicht  bei  Trapani  die  nie- 
drige Felseninsel  Colombara,  die  Pelias  der  Alten. 

73  engl.  Meilen  südlich  von  Marittiroo  liegt  die  Insel  Pantellaria ,  das  alte 
Koss.ura.  Sie  hat  30  M.  im  Umfange  und  ist  durchaus  vulkanischer  Natur, 
wie  die  Spuren  von  Kratern  und  die  gewaltigen  Massen  von  I^va ,  Bimstein, 
Schlacken  u.  s.  w. ,  sowie  endlich  die  zahlreichen  warmen  Quellen,  die  sich  dort 
ßnden,  beweisen.    Das  Innere  ist  gebirgig,  doch  theilweise  sehr  fruchtbar. 

Endlich  haben  wir  noch  einen  Augenblick  bei  der  Maltesischen  Insel- 
gruppe zu  verweilen,  die,  gerade  südlich  von  Sicilien  gelegen,  im  Alterthum 
wie  im  Mittelalter  slets  in  politischer  Verbindung  mit  demselben  gestanden  hat 
und  auch  unter  der  Herrschaft  des  Johanniterordens  noch  immer  die  engsten 
Beziehungen  zu  Sicilien  bewahrte.  Es  sind  3  Inseln ,  von  denen  Malta ,  die 
Melite  der  Alten,  die  grösste  ist;  Gozzo,  die  näc^stgrosse ,  hiess  Gau  dos 
oder  Gau  los.  Das  zwischen  diesen  beiden  gelegene  kleine  Comino  findet  sich 
im  Alterthum  nicht  benannt.  Sie  sind  ursprünglich  kahle  Kalkfelsen,  aber  ihre 
vortreffliche  Lage  an  den  grossen  Handelsstrassen  des  Mittelmeeres,  ihre  zahl- 
reichen Buchten,  Häfen  und  Küstenhöhlen ,  die  ausgezeichnete  Schlupfwinkel 
darboten,  haben  früh  Einwohner  herbeigelockt,  die  den  öden  Felsboden  mit 
fruchtbarer  Erde  bedeckten.  Aus  der  von  den  Melitäem  mit  Vorliebe  betriebenen 
Weberei  feiner  Zeuge  hat  man  geschlossen ,  dass  auf  diesen  Inseln  bereits  im 
Alterthum  die  Baumwollenstaude  gezogen  wurde. 


Drittes    Kapitel. 

Sagen. 

Die  Geschichte  Siciliens  beginnt,  wie\lio  jedes  andern  Lanj^es,  mit  Sagen 
von  Göttern  und  Helden ,  die  ausser  ihrem  poetischen  Werth  eine  grosse  Be- 
deutung für  die  Erkenntnis^  der  charakteristischen  Eigenthümlichkeiten  des 
Landes  haben ,  und  in  denen  ausserdem  mancher  historische  Kern  verborgen 
liegt.  Ich  stelle  sie  hier  übersichtlich  zusammen ,  ohne  mich  auf  weitläufige 
Erläuterungen  einzulassen.  Sie  mögen  als  ein  von  den  Vorfahren  gesammelter 
Schatz ,  an  dem  die  Späteren  sich  erfreuten ,  angesehen  werden ;  der  für  die 
Geschichte  daraus  zu  ziehende  Gewinn  wird  später  zu  Tage  treten. 

Den  Anfang  kann  Poseidon  machen ,  weil  durch  seinen  Dreizack  Sicilien 
erst  zu  einem  selbständigen  Lande  geworden  ist.     Freilich  tritt  er  selbst  nur 


Poseidon,  Kronos,  Demeter.  43 

wenig  handelnd  auf;  aber  er  ist  der  Vater  vider  Heroen,  welche  die  Sage  mit 
der  Inse)  in  Verbindung  bringt :  des  Trinakros  und  des  Sikelos ,  die  ihr  die 
Namen  gegeben  haben  ;  des  riesigen  Polyphemos,  den  Odysseus  blendete ;  der 
bösen  Laistrygonen,  die  Manche  nach  Siciiien  versetzten,  des  Eryx ,  der  ähnlich 
jenem  andern  wilden  Poseidonsohne  Amykos  —  von  dem  er  nach  Einigen  ab- 
stammen soll  —  trotz  seiner  Stärke  einem  Sohne  des  Zeus  unterliegen  musste. 
Auch  Selinus  heisst  ein  Sohn  Poseidon^s ;  freilich  wird  er  nicht  ausdrücklich 
mit  der  sicilischen  Stadt  dieses  Namens  in  Verbindung  gebracht.  Endlich  spielt 
Poseidon  in  die  Geschichte  des  Aiolos  und  seiner  Söhne,  sowie  in  die  des  Akestes 
hinein.  Nichts  war  natürlicher,  als  dass  der  Meeresgoti  zu  der  grossen  Insei  in 
enger  Beziehung  stand  ,  und  ebenso  erklärlich  ist  es,  dass  gerade  die  rauhen 
Figuren  der  Sage  von  dem  Beherrscher  des  wilden  Elementes  herstammen. 
Nahe  liegt  aber  auch  die  Vermuthung ,  dass  die  Sagen  von  Poseidon  vpn  einem 
der  seefahrenden  Völker  herrührten,  welche  von  Osten  her  nach  Siciiien  kamen. 

In  einer  engeren  Verbindung  mit  Siciiien  als  der  die  Küste  flüchtig  strei- 
fende Gott  des  Ifeeres  ^eigt  sich  Kronos.  Er  herrschte  im  Westen  und  unter 
andern  auch  in  Siciiien;  nach  der  gewöhnlichen  Sage  ein  milder,  freundlicher 
Gebieter ,  der  dio  wilden  Menschen  ein  friedliches  und  gesittetes  Leben  lehrte, 
weshalb  denu  auoh  seine  Zeit  das  goldene  Zeitalter  der  Welt  war;  nach  einem 
wesentlich  abweichenden  Berichte  dagegen  ein  grausamer  ujad  habsüchtiger 
Fürst,  der  sich  auf  kochgelegenen  Punkten  verschanzte  und  von  solchen  Orten 
aus,  die  noch  in  spälerer  Zeit  den  Namen  Kronia  trugen,  die  Menschen  tyranni- 
sirte.  Jenen  Charakter  nahm  der  Gott  besonders  in.  Italien  an ;  dieser,  der  des 
semitischen  Baa^- Moloch,  wird  ihm  in  Siciiien  ausdrücklich  beigelegt.  Man 
deutete  hier  die  Kronia  auch  als  Gräber  des  Kronos.  Bekanntlich  ist  ein  Attribut 
dieses  Gottes  die  Sichel ,  die  er  gegen  seinen  Vater  Uranos  gebrauchte.  Nach 
der  That  soll  er  sie  fortgeworten  oder  versteckt  haben.  In  Siciiien  erklärte  man 
die  Ortsnamen  Drep^on  und  Zankle,  welche  Sichel  bedeuten,  dadurch,  dass 
hier  jenes  Werkzeug  des  Kronos  verborgen  sei.  Im  Zusammenhange  damit  sollte 
denn  auch  die  Fruchtbarkeit  der  Insel  von  dem  auf  die  Erde  träufelnden  Blute 
des  alten  Gottes  herrtüiren.  Dies  Alles  beweist,  wie  allgemein  verbreitet  in 
späterer  Zeil  die  Ansicht  von  der  einstigen  Herrschaft  des  Kronos  auf  Sici- 
iien war. 

Aber  sein  Reich  hatte  bald  ein  Ende.  In  historischer  Zeit  wusste  man 
wohl ,  dass  er  einstmals  in  Siciiien  regiert  habe ,  aber  man  verehrte  ihn  wenig 
mehr.  Seine  Tochter  Demeter  hatte  seine  Stelle  eingenommen ,  und  an  ihren 
Namen  knüpfen  sich  die  bekanntesten  Sagen  der  Insel. 

Es  heisst,  dass  die  Göttin  mit  Hephaistos  um  den  Besitz  Siciliens  stritt, 
und  dass  in  diesem  Wettstreit  die  Nymphe  Aetna  Richterin  war.  Wie  sie  ge- 
urtheilt  hat ,  ist  nicht  überliefert.  Sie  mag  eine  Tbeüung  der  Herrschaft  vor- 
genommen haben,  wenigstens  hat  keiner  von  Beiden,  weder  der  Gott  des  Feuers, 
noch  die  Beherrscherin  der  fruchtbaren  Erde,  je  die  Ansprüche  auf  Siciiien  auf- 
gegeben. Die  Sicilier  selbst  scheinen ,  wie  billig,  der  wohlthätigen  Göttin  den 
Vorzug  eingeräumt  %u  haben.  Sie  waren  stolz  darauf,  dass  ihre  Insel  die  Ueimat 
des  Kornes  sei ,  und'dass  hier  zuerst  Demeter  die  Menschen  seinen  Anbau  ge- 
lehrt habe. 


44  Erstes  Buch.    III.  Sagen. 

Durch  Demeter  war  aber  auch  ihre  Tochter  Köre  oder  Persephone  in  Sici- 
lien  heimisch.  Hier  spielte  Köre  mit  den  beiden  andern  jungfräulichen  Göttinnen 
Athene  und  Artemis,  und  jede  von  ihnen  hatte  sich  einen  Lieblingsorl  gewählt. 
Athene  hielt  sich  gern  an  der  NordkUste  in  der  Gegend  von  Ilimera  auf,  wo 
durch  oder  für  sie  die  berühmten  warmen  Quellen  entstanden ;  Artemis  zog  die 
Insel  Ortygia  vor,  wo  die  Nymphen  ihr  zur  Freude  die  Arethusa  schufen ;  Köre 
endlich  verweilte  am  liebsten  im  Mittelpunkte  der  Insel ,  bei  Enna.  Auf  den 
Wiesen  um  diese  Stadt  wuchsen  Veilchen  und  andere  Blumen  so  üppig,  dass 
über  den  starken  Duft  derselben  Jagdhunde  die  Spur  des  Wildes  verloren.  Hier 
lustwandelte  Köre  und  pflückte  Blumen,  um  aus  ihnen ,  wie  die  Sage  sich  aus- 
drückt, ihrem  Vater  Zeus  ein  Gewand  zu  machen.  Einst  war  sie  in  dem  dichten 
Walde ,  der  den  See  Pergus  mit  seinem  Schatten  umgab ,  als  plötzlich  Pluton, 
der  sie  bemerkt  und  bewundert  hatte ,  aus  einer  tiefen ,  nach  Norden  sich  öff- 
nenden Höhle,  einem  Eingange  der  Unterwelt,  hervorbrach  und  Köre  trotz  ihres 
Sträubens  auf  seinem  Gespanne  entführte.  Er  eilte  mit  ihr  über  die  Insel  nach 
Syrakus  hin,  wo  sich  ihm  die  Nymphe  Kyane  entgegenstellte  und  ihn  beschwor, 
Köre  freizulassen.  Umsonst,  Kyane  wurde  in  eine  Quelle  verwandelt,  und  Pluton 
verschwand  mit  seiner  Beute  in  die  Erde.  Die  trauernde  Mutter  zündete  am 
Aetna  die  Fackel  an,  um  die  Verlorene  überall  auf  der  Erde  zu  suchen ,  die  sie 
für  den  Verlust  ihrer  Tochter  mit  Unfruchtbarkeit  bestrafte.  Und  als  Köre  nicht 
wieder  dauernd  zu  ihr  zurückkehren  konnte,  da  sie  schon  von  dem  Granatapfel 
in  der  Unterwelt  genossen  hatte  und  so  die  Göttin  des  Hades  geworden  war, 
da  gab  ihr  Zeus  die  Insel  Sicilien  als  Hochzeitsgeschenk.  Die  beiden  Gewässer, 
an  die  sich  diese  Sage  knüpft,  sind  noch  vorhanden  und  wohlbekannt.  Der  See 
Pergus  liegt  5  Millien  südlich  von  Enna;  sein  Umfang  beträgt  4,— 5Millien;  der 
dichte  Wald  aber,  der  ihn  einst  umgab,  ist  verschwunden ,  und  von  der  Grotte 
an  seiner  Südseite,  aus  der  Pluton  hervorbrach,  sind  wenig  Spurenr  noch  übrig. 
Die  meisten  Reisenden  sind  enttäuscht ,  wenn  sie  den  sagenberühmten  Ort  er- 
blicken, der  nicht  mehr  den  Blumente{^pich  zeigt,  welcher  Köre  einst  entzückte. 
Der  Quell  Kyane,  der  jetzt  den  Namen  Pisma  führt,  ist  ein  schönes  rundes 
Becken  von  etwa  30  Fuss  Umfang  in  der  sumpfigen  Gegend  südlich  vom  Ana- 
pos ,  etwa  S  Millien  vom  grossen  Hafen.  Das  fast  30  Fuss  tiefe  Wasser  ist  so 
klar,  dass  man  die  Fische  auf  dem  Grunde  zv^schen  den  Steinen  spielen  sieht. 
Es  ergiesst  sich  in  einem  schmalen  und  hellen  Bache ,  der,  dicht  mit  Papyrus- 
stauden auf  seinem  2  Millien  langen  Laufe  besetzt ,  dem  Boote  des  Besuchers 
nur  langsam  vorzurücken  gestattet,  in  den  Anapos. 

Es  ist  klar,  dass  der  Raub  der  Proserpina,  den  die  Sage  mit  verschiedenen 
Orten  verknüpft  hat,  in  kein  passenderes  Land  verlegt  werden  konnte,  als  ge- 
rade nach  Sicilien.  Wenn  diese  Sage  auch  ursprünglich  weiter  nichts  zu  be- 
deuten hatte,  als  das  Bergen  der  Saat  in  die  Erde,  so  muss  doch  als  Schauplatz 
der  mythischen  Handlung  das  Land  besonders  geeignet  erscheinen,  welches  so 
oft  und  so  vielfach  die  Macht  der  Unterwelt  erfahren  hat. 

Nach  einer  völlig  abweichenden  Sage  wurde  Köre  auf  Sicilien  durch  Zeus 
die  Mutter  des  Dionysos,  aber  eines  älteren  als  des  thebanischen ,  eines  Gottes, 
der  bald  wieder  den  Tod  erlitt. 

An  Hephaistos,  dessen  Herrschaft  besonders  der  Aetna  und  die  Liparischen 


Aetna.  Herakles.  45 

Inseln  untergeben  sind,  knüpft  sich  die  eigenthümKche  Sage  von  den^Paliken. 
Diese  waren  Genien  gewisser  vulkanischer  Seen  südlich  vom  Symaithos,  Kinder 
des  Hephaistos  und  der  Aetna ,  nach  andern  des  Zeus  und  der  Nymphe  Thalia, 
nach  einem  dritten  Berichte  endlich  des  Hadranos ,  eines  nur  in  Sicilien  vor- 
kommenden Gottes,  der,  wie  wir  später  sehen  werden,  den  Charakter  des  Ares 
mit  dem  des  Hephaistos  vereinigt.  Von  den  Pauken  wird  bald  ausführlicher  die 
Rede  sein. 

lieber  die  Abstammung  der  Nymphe  Aetna  selbst  war  man  nicht  einig. 
Während  Einige  sie  für  eine  Tochter  des  Uranos  und  der  Erde  erklärten,  war  sie 
nach  Andern  die  Tochter  des  Briareus,  eines  Ryklopen,  der  wiederum  als  Aigaion, 
mit  dem  er  für  identisch  galt,  als  einer  der  von  den  Göttern  besiegten  Giganten 
selbst  unter  dem  Berge  Aetna  liegen  sollte.  Als  Sohn  der  Aetna  aber  und  des 
Hymaros,  eines  durchaus  unbekannten  Wesens,  vdrd  Gelon  bezeichnet,  der  für 
den  mythischen  Repräsentanten  des  Flusses  und  der  Stadt  Gela  gelten  mussj 

Während  nun  so  gewöhnlich  der  ungeheure  feuerspeiende  Berg  als  Weib 
personificirt  wird ,  muss  er  doch  auch  als  riesiger  Mann  gedacht  worden  seio ; 
wenigstens  erscheint  er  so  auf  einem  Vasenbilde. 

Zeus,  der,  wie  wir  früher  gesehen  haben  ,  auch  auf  dem  Aetna  herrschte 
und  als  Gott  des  Berges  verehrt  wurde ,  greift  unmittelbar  in  die  Sagen  der 
Insel  nur  wenig  ein.  Sein  und  der  Asterope,  einer  Okeanide,  Sohn  soll  Akragas 
gewesen  sein ;  es  giebt  aber  auch  anderswo  als  in  Sicilien  Städte  dieses  Namens, 
und  so  ist  es  nicht  ganz  sicher,  ob  diese  Sage  eine  sicilische  ist. 

\on  andern  Gottheiten  tritt  ausser  Hermes,  welcher  der  Vater  des  Daphnis 
ist,  noch  Aphrodite  in  der  mythischen  Geschichte  Siciiiens  auf.  Sie  thront  als 
UeiTScherin  auf  dem  Berge  Eryx ;  sie  nimmt  sich  des  von  den  Sirenen  verlockten 
Argonauten  Butes  an,  und  wird  von  ihm,  oder  nach  Anderen  von  Poseidon,  die 
Mutter  des  Eryx.  Mit  diesem  Namen  werden  wir  von  der  Göttergeschichte, 
welche  in  Sicilien  eben  nicht  von  besonderem  Reichthum ,  wenngleich  keines- 
wegs ohne  dichterischen  Reiz  ist,  in  die  Geschichte  der  Heroen  hinübergeleitet. 

Nachdem  Herakles  die  Rinder  des  Geryoneus  gewonnen  hatte ,  zog  er  mit 
ihnen  durch  Iberien,  Gallien,  Italien  an  die  Meerenge  von  Rhegion.  Als  er  hier 
an  der  Grenze  des  rheginischen  und  lokrischen  Gebietes  ausruhte,  fielen  ihm 
die  Gicaden  mit  ihrem  Geschmetter  lästig,  und  er  that  den  Wunsch,  dass  sie 
verstummen  möchten;  die  Götter  erfüllten  sein  Begehren,  und  die  Gicaden 
dieser  Gegend  waren  seitdem  stumm.  Nun  trieb  er  seine  Rinder  durch  die 
Heerenge  und  schwamm  selbst,  sich  am  Home  eines  Stieres  festhaltend,  hin- 
über, nach  Anderen  nahm  ihn  dagegen  ein  Becher,  der  Becher  der  Sonne,  statt 
eines  Nachens  auf.  Er  umwanderte  die  Insel.  Zuerst  zog  er  an  der  Nordküste 
entlang,  wo  die  Nymphen  zu  seiner  Erquickung  die  Thermen  von  Himera  und 
Segesta  schufen.  Es  ist  wie  in  Griechenland ,  wo  auch  überall  die  warmen 
Quellen  dem  Herakles  heilig  waren.  Die  von  Himera  sollen  nach  einer  andern, 
oben  mitgetheilten  Sage  für  Athene  geschaffen  sein ;  ab6r  Athene  ist  die  Be- 
schützerin des  Herakles ,  und  so  ist  kein  innerer  Widerspruch  zwischen  diesen 
Angaben.  Im  Westen  der  Insel  forderte  ihn  der  König  Eryx  zum  Ringkampfe 
heraus.  Wie  nun  dieser  sein  Land  als  Preis  des  Kampfes  einsetzte,  setzte  Hera- 
kles die  Rinder  dagegen,  die  Eryx  anfangs  nicht  als  einen  entsprechenden  Preis 


46  Erstes  Buch.    III.  Sagen. 

anerkennen  wollte,  bis  ihm  der  Sohn  des  Zeus  sagte ,  dass  er  mit  den  Rindern 
ja  auch  die  Hoffnung  auf  die  Unsterblichkeit  verlieren  würde.  So  rangen  sie 
denn ,  und  Eryx  wurde  ül)erwunden.  Herakles  konnte  nun  das  Land  des  Be- 
siegten  in  Besitz  nehmen ,  aber  er  liess  den  Bewohnern  ihre  Freiheit  unter  der 
Bedingung}  dass,  wenn  später  einer  seiner  Nachkommen  zu  ihnen  kiäiroe,  sie  ihn 
als  ihren ;K<$nig  anerkennen  sollten.  Wir  werden  von  den  Schicksalen  des  Hera- 
kliden  Dorieus  hören ,  der  nach  vielen  Jahrhunderten  den  Lohn  für  die  Thaten 
seines  grossen  Ahnherrn  einernten  wollte.  Hier  ist  also  Eryx  efn  gewaltthätiger 
Feind  der  Fremdlinge ,  die  er  im  Ringkampfe  zu  besiegen  und  dann  zu  tödten 
pflegt,  wie  solche  Gestalten  mehrfach  in  der  griechischen  Sage  vorkommen. 
-Nach  einer  etwas  abweichenden  Ueberlieferung  raubt  er  dagegen ,  dem  römi- 
schen Gacus  ähnlich,  eines  der  Rinder,  das  bei  Rhegion  dem  Herakles  entlaufen 
ist  und  die  Meerenge  durchschwömmen  hat,  worauf  Herakles  seine  Heerde  dem 
Hephaistos  zur  Obhut  anvertraut,  dem  Rinde  nacheilt,  es  von  Eryx  zurück- 
fordert, und  als  dieser  es  nur  als  Preis  eines  Ringkampfes  zurückgeben  will, 
ihn  dreimal  überwindet  und  dann  tödtet.  Hier  ist  es  ein  Weib,  Namens  Hotye, 
das  ihm  den  Räuber  seines  Eigenthums  nachweist.  Ausser  dem  Eryx  erscheint 
noch  Solus  auf  Sicilien  als  ein  Peiniger  der  Fremden,  den  Herakles  tödtete. 
Später  wollte  man  wissen ,  dass  unterhalb  des  Eryx  eine  unfruchtbare  Ebene 
sei,  drei  Joch  umfassend,  wo  Herakles  und  Eryx  gekämpft  hätten.  Jetzt  nennt 
man  die  Gegend  zwischen  dem  M.  San  Giuliano  und  dem  südlich  davon  gelege- 
nen Orte  Paceco,  Campo  d^Ercole ;  es  ist  ein  Landstrich ,  der  Korn ,  Wein  und 
Oel  im  üeberfluss  hervorbringt.  Psophis,  des  Eryx  Tochter,  folgte  .dem  Hera- 
kles ,  der  sie  später  in  der  Arkadischen  Stadt  Phegia  zurückliess,  wo  sie  den 
Echephron  und  Promachos  gebar. 

Auf  seinen  weitem  Zügen  kam  der  Heros  nach  Syrakus,  und  als  er  hier 
erfuhr ,  was  sich  an  der  Kyane  mit  der  Köre  zugetragen  hatte ,  brachte  er  ihr 
und  der  Demeter  ein  feierliches  Opfer  und  versenkte  den  schönsten  seiner 
Stiere  in  die  Quelle ;  den  Einwohnern  aber  g^bot  er,  jährlich  ein  ähnliches  Fest 
an  demselben  Orte  zu  feiern.  Wie  er  nun  von  da  in  das  Innere  der  Insel  zosi, 
stellten  sich  ihm  grosse  Heerschaaren  von  Sikanem  entgegen ;  er  überwand  sie 
und  tödtete  auch  viele  von  den  Anführern ,  deren  Namen  bei  Diodor  Leukaspis 
Pediakrates,  Buphonas,  Glychatas,  Bytaias  und  Krytidas  sind.  Es  waren  ein- 
heimische Heroen ,  von  denen  die  beiden  erstgenannten  auch  sonst  noch  als 
Gestalten  der  siciliscben  Sage  erscheinen. 

Nun  wanderte  Herakles  über  die  Leontinische  Ebene,  deren  Fruchtbarkeit 
seine  Bewunderung  erregte ,  weiter  nach  Norden ,  und  gelangte  in  die  Stadt 
Agyrion,  wo  er  zum  ersten  Male  in  seinem  Leben  einwilligte,  dass  ihm  göttliche 
Ehren  erwiesen  wurden.  Als  Zeichen ,  dass  er  schon  anfangen  dürfe ,  sich  zu 
den  Unsterblichen  zu  rechnen,  betrachtete  er  das  Wunder,  dass  seine  und  seiner 
Rinder  Spuren  sich  im  harten  Felsen  abgedrückt  hatten.  Zu  gleicher  Zeit  richtete 
er  aber  in  Agyrion  einen  Tempelbezirk  für  den  Kultus  des  Geryoneus  ein ,  und 
gebot  den  Einwohnern,  auch  seinen  treuen  Begleiter  lolaos  zu  verehren,  dem  zu 
Ehren  dann  alle  jungen  Agyrinäer  ihr  Haar  wachsen  Hessen,  bis  sie  sich  durch 
gewisse  Opfer  von  dieser  Yerpilichtung  befreit  hatten;  wer  dies  versäumte,  verlor 
die  Stimme.  Ausser  der  allgemeinen  Feier  des  Gottes  war  noch  eine  besondere  für 


Herakles.  Datdalo».  47 

die  Sclaven  eingerichlet.  Von  den  Erinnerungen  an  Herakles,  auf  welche  Agy- 
rion  stolz  war,  wird  später  noch  die  Rede  sein;  riesige  Fussspuren  des  Heros 
kommen  sonst  noch  mehrfach  vor. 

So  vollendete  Herakles  seinen  Rundgang  um  die  Insel. 

Diese  Sage  soll  die  in  Sicilien  vorhandenen  äusserst  zahlreichen  Kulte  des 
Heros  mit  einander  in  Verbindung  setzen  und  in  ihrer  Entstehung  nachweisen. 
Sie  ist  aber  selbst  offenbar  ein  Gemisch  von  Ueberlieferungen  verschiedenartigen 
Charakters.  Denn  wenn  Herakles  mit  dem  Eryx  kämpft,  so  ist  er  ein  Anderer, 
als  wenn  er  die  in  Schlachtordnung  aufgestellten  Sikaner  überwindet.  In  jenem 
Kampfe  ist  er  der  griechische  Heros,  der  die  Welt  von  Missethätern  säubert ;  in 
diesem  der  semitische  Gott,  der  in  den  Westländem  des  Mittelmeeres  Eroberun- 
gen macht,  wenn  wir  nicht  einfach  in  den  Heeren,  welche  den  von  Herakles 
besiegten  einheimischen  Heroen  beigegeben  werden,  willktlrliche  Umgestaltungen 
der  Sage  in  euhemeristischer  Art  sehen  wollen. 

Ganz  vereinzelt  steht  die  Sage  da,  dass  Herakles  sich,  statt  auf  dem  Oeta. 
auf  dem  Aetna  getödtet  haben  sollte;  —  allerdings  ein  Scheiterhaufen,  der  des 
Gottes  würdig  war  1 

Während  die  Heraklessage  sich  besonders  an  die  Noixl-  und  Oslktlste  Sici- 
liens  knüpft,  und  die  Südküsle  fast  unberührt  lässt,  ist  diese  der  Schauplatz 
einer  andern  Sage,  der  von  Daidalos  und  Kokalos  geworden. 

Als  Daidalos  sich  den  Zorn  des  Minos  zugezogen  hatte ,  entfloh  er  heimlich 
aus  Kreta,  nach  Einigen  zu  Schiffe,  nach  Andern,  da  alle  Schiffe  von  dem  Könige 
mit  Beschlag  belegt  waren,  indem  er  sich  und  seinem  Sohne  Ikaros  Flügel  mit 
Wachs  anfügte.  Während  der  Knabe  nun  im  Uebermuth  sich  hoch  aufschwang 
und  so  seinen  Tod  herbeiführte,  streifte  Daidalos  vorsichtig  die  Meeresfläche,  in 
die  er  von  Zeit  zu  Zeit  die  Flügel  tauchte.  So  kam  er  nach  Sicilien  zum  Könige 
Kokalos ,  der  über  die  Sikaner  herrschte ,  und  fand  bei  ihm  freundliche  Auf- 
nahme, die  er  durch  mehrere  auf  der  Insel  ausgeführte  und  zu  Diodor's  Zeit 
noch  sichtbare  Werke  lohnte.  So  fasste  er  den  Fluss  Alabon  im  spätem  megari- 
schen  Gebiete  durch  steinerne  Mauern  ein  und  machte  auf  diese  Weise  aus 
ihm  ein  grosses  Reservoir.  Er  machte  femer  den  Aufgang  zur  Burg  Kamikos  so 
schmal  und  gewunden,  dass  er  durch  drei  oder  vier  Männer  vertheidigt  werden 
konnte,  weshalb  Kokalos  sie  zu  seinem  Wohnsitz  und  zu  seiner  Schatzkammer 
erwählte  —  Diodor,  der  dies  Alles  erzählt,  sagt  nicht,  wo  Kokalos  früher  gewohnt 
hat.  —  Sodann  legte  er  im  selinuntischen  Gebiete  eine  Grotte  an ,  in  welcher 
der  aus  der  Erde  hervordringende  heisse  Dampf  zu  Schwitzbädern  für  Kranke 
benutzt  wurde,  eine  Anlage,  die  sich  durch  die  geringe  Beschwerlichkeit  aus- 
zeichnete, welche  sie  den  Badenden  bereitete.  Auf  dem  Berge  Eryx  erweiterte 
er  durch  eine  kühn  gezogene  Mauer  die  Grundfläche,  auf  der  die  Baulichkeiten 
des  Aphroditetempels  standen ,  und  verfertigte  als  Weihgeschenk  für  die  Göttin 
eine  naturgetreue  Wacbsscheibe  von<  Gold.  Ausser  diesen  Werken ,  die^  mit 
Ausnahme  des  letzten ,  den  Daidalos  mehr  als  Architekten ,  denn  als  Bildner 
zeigen,  wird  noch  in  der  Stadt  Omphake  eine  Bildsäule  erwähnt,  die  von  ihm 
herrühren  sollte.  Wir  werden  an  einer  andern  Stelle  zu  betrachten  haben ,  ob 
nicht  vielleicht  von  einem  oder  dem  andern  Werke ,  welche  Diodor  dem  Dai- 
dalos zuschreibt,  noch  Spuren  vorhanden  sein  könnten. 


48  Erstes  Buch.    III.  Sagen. 

Inzwischen  rüstete  Minos,  der  zur  See  mächtig  war,  eine  grosse  Flotte  aus 
und  verfolgte  den  Flüchtling  nach  Sicilien.  Hier  landete  er  bei  dem  spätem 
Herakleia  Minoa ,  —  so  nach  dem  kretischen  KOoige  benannt ,  —  dem  früheren 
Makara ,  und  sandte  Bolen  an  Kokalos ,  welche  die  Auslieferung  seines  Feindes 
forderten.  Kokalos  versprach  Alles,  was  verlangt  wurde,  und  bat  Minos,  sich 
zum  fiehufe  einer  Unterredung  zu  ihm  zu  begeben.  Aber  in  dem  warmen  Bade, 
das  er  ihm  durch  seine  Tochter  bereitete,  Hess  er  ihn  einsticken  und  gab  den 
Kretern  die  Leiche  ihres  Königs  mit  der  Versicherung  zurück ,  dass  er  durch 
seine  eigene  Unvorsichtigkeit  den  Tod  gefunden  habe.  Die  Kreter  errichteten 
dem  Minos  ein  prachtiges,  aus  zwei  Theilen  bestehendes  Grab:  der  untere 
Raum  enthielt  die  Leiche,  der  obere,  allein  sichtbare,  einen  Tempel  der  Aphro- 
dite, der  von  den  Umwohnern  Opfer  gebracht  wurden,  während  man  allmählich 
vergaäs,  dass  darunter  die  Gebeine  des  Minos  inihten.  Viel  später,  erst  zur  Zeit, 
als  Theron  in  Akragas  regierte ,  fand  man  die  Ueberreste  des  kretischen  Königs 
wieder,  und  gab  sie  seinen  Landsleuten  zurück. 

Nach  dem  Tode  des  Minos  hatten  die  Sikaner  die  kretischen  Schiffe  ver- 
brannt ;  so  waren  die  Kreter  gezwungen ,  in  dem  fremden  Lande  zu  bleiben. 
Sie  trennten  sich :  einige  Hessen  sich  in  der  schon  erwähnten  Stadt  nieder,  die 
den  Namen  Minoa  emp6ng ;  die  andern  zogen  in  das  Innere  und  gründeten  an 
einem  festen  Punkte  neben  einer  Quelle  die  Stadt  £ngyon,  in  der  sie  später 
andern  Kretern  ein  Obdach  gewährten,  den  Gefährten  des  Meriones,  die  auf 
der  Rückkehr  von  Troja  nach  Sicilien  verschlagen  waren.  Durch  glückliche 
Kämpfe  mit  den  Nachbarn  dehnten  sie  ihr  Gebiet  aus,  und  bereiteten  ihrer 
Stadt  einen  grossen  Namen  durch  den  von  ihnen  gehegten  Kult  der  Mütter, 
dunkler  Gottheiten ,  die  in  Kreta  als  Ernährerinnen  des  jungen  Zeus  heimisch 
waren. 

In  der  Heimath  des  Minos  war  man  nicht  unthätig  geblieben,  als  die  Nach- 
richt von  dem  Tode  des  berühmten  Herrschers  angelangt  war.  Alle  Stämme 
der  Insel  mit  Ausnahme  der  Polichniten  und  Praisier  bewaffneten  sich ;  man 
fuhr  nach  Siciüen  und  griff  Kamikos  an.  Aber  nach  fünfjährigem  vergeblichem 
Kampfe  blieb  den  Belagerern,  unter  denen  Hungersnoth  ausbrach,  'nichts  übrig, 
als  die  Schiffe  zu  besteigen  und  die  Insel  wieder  zu  verlassen.  Ihr  Vaterland 
sahen  sie  jedoch  nicht  wieder.  Ein  Sturm  trieb  sie  an  die  Küste  von  lapygien, 
wo  sie  Hyria  gründeten  und  die  Stammväter  des  Volkes  der  Messapier  wurden. 

Diese  Sage  enthält  einzelne  Züge ,  welche  auch  anderswo,  wenngleich  mit 
einigen  Modificationen,  vorkommen.  So  ist  die  Flucht  des  Daidalos  nichts  als  die 
gebräuchliche  Erklärungsweise  seiner  Anwesenheit  an  einem  fremden  Orte  — 
auch  nach  Kreta  ist  er  auf  der  Flucht  gekommen ,  und  Niemand  reiste  in  jener 
Zeit  zu  seinem  Vergnügen  —  so  erinnert  der  Tod  des  Minos  durch  seinen  Gast- 
freund Kokalos  an  die  in  manchen  orientalischen  t}egenden  herkömmlichen 
Fremdenopfer ;  so  ist  endlich  schon  eine  gevsisse  Beziehung  dieser  Sage  zu  der 
in  derselben  Gegend  in  späterer  Zeit  spielenden  vom  Stiere  des  Phalaris  unver- 
kennbar ,  da  die  Analogie  zwischen  dem  Verbrennen  im  glühenden  Stier  und 
dem  Ersticken  im  heissen  Bade  in  die  Augen  springt.  Gewisse  Aehnlichkeiten 
des  Zuges  des  Dorieus  mit  dem  des  Minos  werden  wir  später  sehen.  Es  mag  noch 


lolaos.  Aristaios.  Egesta.  49 

bemerkt  werden ,  dass  man  bei  dem  Grabe  des  Halbgottes  Hinos  unwillkürlich 
an  die  Gräber  des  Kronos  erinnert  wird. 

Als  lolaos ,  der  Begleiter  des  Herakies ,  mit  den  Tl^espiaden ,  den  Söhnen 
seines  Freundes,  die  Insel  Sardinien  erobert  hatte  —  so  berichtet  die  Sage,  die 
uns  ein  neues  Stttck  der  mythischen  Geschichte  Siciliens  enthüllt  —  da  machte 
er  «ie  aus  einer  Wildniss  zu  einem  wohl  angebauten  Lande  und  holte  aus  Sicilien 
den  I>aidalos,  der  auf  Sardinien  viele  Bauwerke  errichtete,  welche  noch  zu 
Diodor's  Zeiten  bestanden  mid  nach  ihrem  Erbauer  benannt  wurden.  Dann 
kehrte  er  selbst  wieder  nach  Griechenland  zurück  und  berührte  bei  dieser  Ge- 
legenheit von  Neuem  Sicilien,^  wo  er  einige  Zeit  verweilte.  Von  seinen  Gefährten 
aber  Hessen  sich  mehrere,  von  der  Schönheit  des  Landes  gefesselt,  ganz  in 
Sicilien  nieder ,  wohnten  unter  den  Sikanem  und  erfreuten  sich  grosser  Ehre 
von  ihnen. 

Eine  ähnliche  Rolle  wie  lolaos  spielt  Aristaios ,  der  Sohn  des  ApoHon  und 
der  K}Tene ,  der  ausser  der  Insel  Keos ,  die  ihn  besonders  verehrte ,  Sardinien 
und  dann  auch  Sicilien  sich  zum  Schauplatz  seiner  friedlichen  Thätigkeit  aus- 
ersehen hatte.  Von  der  Fruchtbarkeit  der  Insel  angezogen,  lehrte  er  ihre  Be- 
wohner seine  landwirthschaftiichen  Künste,  weshalb  er  als  Gott  von  ihnen  ver- 
ehrt wuixle,  und  besonders,  wie  Diodor  hinzufügt,  von  denen,  welche  sich  mit 
dem  Einernten  der  Oliven] beschäftigten.  Aristaios  ist  der  gute  Gott,  der  die 
Menschen  gegen  die  schlimmen  Einflüsse  der  heissen  Uundstage  beschützt. 

Sicilien  musste  auch  von  den  ISagen  berührt  werden ,  die  sich  auf  das  ge- 
waltigste Ereigniss  der  mythischen  Geschichte  Griechenlands,  auf  den  trojani- 
schen Krieg,  beziehen.  Sollte  es  doch  von  Troja ,  als  diese  Stadt  noch  blühte, 
eine  Colonie  empfangen  haben,  deren  Geschichte  in  folgender  Weise  erzählt 
wird.  Als  der  König  Laomedon  dem  Apollon  und  dem  Poseidon  den  verspro- 
chenen Lohn  für  den  Bau  der  Stadtmauern  nicht  zahlen  wollte,  da  schickte 
dieser  ein  Seeungeheuer,  welches  das  Land  verwüstete,  und  Apollon  befahl, 
ihm  eine  Jungfrau  als  Beute  vorzuwerfen :  dann  würde  der  Gott  versöhnt  sein. 
Laomedon  bradite  seine  eigene  Tochter  Hesione  als  Opfer  dar;  manche  an- 
dere Trojaner  aber,  welche  fürchteten,  dass  auch  von  ihnen  Aehnliches  ver- 
langt werden  möchte ,  suchten  ihre  Kinder  in  Sicherheit  zu  bringen ;  so  Hip- 
potes,  der  seine  Tochter  Egesta  nach  Sicilien  schickte.  Nach  einem  etwas 
abweichenden  Bericht  war  Egesta  dagegen  die  Tochter  des  Trojaners  Phoino- 
damas,  der  besonders  dazu  gerathen  hatte,  Hesione  zum  Opfer  zu  wählen, 
und  den  der  erzürnte  Laomedon  dadurch  strafte,  dass  er  die  Jungfrau  SchiiTem 
mitgab,  um  sie  auszusetzen.  Als  nun  Egesta  nach  Sicilien  gekommen  war,  er- 
blickte sie  der  Flussgotl  Krimisos,  der  die  Gestalt  eines  Bären  oder  eines  Hundes 
angenommen  hatte,  und  sie  gebär  ihm  den  Akestes ,  welcher  König  der  West- 
spitze Siciliens  wurde.  Nach  der  rationalistischen  Auffassung  Spaterer  wäre 
freilich  der  Vater  des  Akestes  nicht  ein  Flussgott,  sondern  einfach  einer  der 
trojanischen  Reisegefährten  der  Egesta  gewesen.  Später  ging  Akestes  nach 
Troja  und  half  die  Stadt  gegen  die  Griechen  vertheidigen ;  als  er  nach  ihrem 
Falle  mit  drei  Schiffen  nach  Sicilien  zurückkehrte,  nahm  er  einen  Sohn  des 
Anchises,  Eiymos,  mit  sich,  nach  welchem  dann  das  Volk  des  Akestes  den 
Namen  Elymer  erhielt.    Nach  Anderen  dagegen  wäre  Elyraos  in  Sicilien  selbst 

Holm,  Gesch.  Sicilien«.  I.  4 


50  Erstes  Buch.    III.  Sagen. 

geboren  und  ein  Bruder  des  Eryx ,  also  offenbar  ein  Sohn  der  Aphrodite.  Die 
Gattin  des  Akestes  hiess  Atalla.  Vom  Akestes  stammen  die  di*ei  ely mischen 
Städte  her ,  obwohl  nach  anderen  UeberUeferungen  erst  Aeneas  die  wichtigste 
derselben  gründete. 

Ich  muss,  bevor  ich  von  dem  Aufenthalte  dieses  trojanischen  Helden  auf 
Siciiien  rede,  zuerst  von  den  Fahrten  des  Odysseus  sprechen,  da  die  homerische 
Erzählung  derselben  das  Muster  gewesen  ist,  nach  welchem  man  die  Sagen  von 
Aeneas  gebildet  hat. 

Die  Irrfahrten  des  Helden  von  Ithaka  sind  erst  von  einer  späteren  Zeit  mit 
der  Insel  Siciiien  in  Verbindung  gebracht  worden.^  Man  beachtete  nicht ,  dass 
Homer  unklare  Nachrichten  über  die  Wesüänder  mit  Göttersagen  und  mähr- 
chenhaften  Zügen  allgemeineren  Charakters  zu  einem  schönen  Ganzen  verwoben 
hat,  und  glaubte,  weil  Siciiien  das  merkwürdigste  und  schönste  der  Westländer 
war  und  überdies  Einzelnes  aus  den  Homerischen  Erzählungen  sich  bequem 
auf  Siciiien  und  seine  Nachbarschaft  deuten  Hess,  in  die  Odysseus  doch  jeden- 
falls bei  seiner  Fahrt  in  den  Westen  gekommen  sein  musste ,  das  Meiste  auf 
unsere  Insel  selbst  beziehen  zu  dürfen. 

Nachdem  Odysseus  bei  den  Kikonen  an  der  thrakischen  Küste  verweilt 
hatte,  ward  er  nach  längerer  Fahrt  vom  Vorgebirge  Malea ,  das  gewissermassen 
die  Westgrenze  der  wirklichen  Welt  bezeichnet ,  zu  den  Lotophagen  getrieben, 
die  die  gewöhnliche  Ueberlieferung  auf  der  Insel  Meninx  an  der  kleinen  Syrte 
fand.  Einige  jedoch  nach  Siciiien  in  die  G^end  von  Akragas  oder  von  Kamarina 
versetzten.  Hierauf  kommt  er  zu  den  Kyklopen,  welche  das  Alterthum  mit 
seltener  Uebereinstimmung  in  Siciiien  suchte.  Diese  übermüthigen,  einäugigen 
Riesen  wohnen  einzeln  im  Gebirge  in  Höhlen,  von  Heerden  umgeben;  sie  achten 
weder  Recht  noch  Gastfreundsdiaft  und  fürchten  die  Götter  nicht.  Die  Schiffe 
des  Odysseus  legen  an  einer  kleinen  waldigen  Insel  vor  dem  Kyklopenlande  an, 
die  von  wilden  Ziegen  bevölkert  ist.  Elf  Schiffe  lässt  der  Held  hier;  mit  dem 
zwölften,  seinem  eigenen,  fährt  er  nach  dem  Lande  hinüber,  bringt  es  in  einer 
Uferhöhle  in  Sicherheit  und  geht  mit  zwölf  auserlesenen  Gefährten  nach  der 
Grotte  des  Polyphem,  der  ein  Sohn  des  Poseidon  und  der  Phorkystochter  Thoosa 
ist.  Alle  haben  im  Homer  gelesen ,  wie  Polyphem  die  Gefährten  des  Odysseus 
frisst,  wie  dieser  ihn  blendet  und,  an  einen  Widder  sich  klammernd,  entkommt, 
und  wie  Polyphem  zweimal  riesige  Felsstücke  nach  ihm  in^s  hochaufbrausende 
Meer  schleudert. 

« 

Das  Alterthum  war  überzeugt,  dass  der  Schauplatz  dieser  Begebenheiten 
die  Ostküste  Siciüens  und  speciell  die  Gegend  am  Fusse  des  Aetna  gewesen  sei. 
Dachte  man  doch  bei  den  Homerischen  Kyklopen  unwillkürlich  an  jene  andern, 
die  der  Theogonie,  die  titanischen  Götter  der  Blitze,  Brontes,  Steropes  und 
Arges,  die  ihr  Vater  Uranos,  nachdem  sie  kaum  geboren  waren,  in  den  mütter- 
lichen Schooss  der  Erde  zurückstiess ,  und  weiter  an  die  Giganten ,  die  unter 
dem  Aetna,  wie  unter  andern  feuerspeienden  Bergen  lagen,  und  brachte  so  die 
Kyklopen  in  Verbindung  mit  dem  Aetna,  wo  sie  dann  dem  Hephaistos  in  seiner 
unterirdischen  Werkstatt  behülflich  sein  konnten.  Aber  abgesehen  von  einei' 
solchen  Gedankenverbindung ,  die  von  dem  Namen  Kyklopen  mit  Leichtigkeit 
zum  Aetna  hinüberführte ,  passte  das  einfache  Hirtenleben  der  sonst  so  wilden 


Odysseus.  51 

Genossen  Polyphem's  vortrefflich  zu  den  heerdenreichen  AbhHngen  des  riesigen 
sicilischen  Vulkans,  und  man  halle  nichl  nölhig,  sich  viel  um  die  Beanlwor- 
tuDg  von  Nebenfragen  zu  kümmern ,  wie  z.  B.  wo  denn  das  kleine  Eiiand  sei, 
an  dem  Odysseus  elf  seiner  Schiffe  liess.  Denn  Orlygia,  die  einzige  bedeulende 
Insel  an  der  Oslküste  Siciliens,  konnte  doch  kaum  für  die  von  Homer  gemeinte 
gehalten  werden ,  wenigstens  nicht ,  wenn  diejenigen  Recht  halten ,  die  unmit- 
telbar am  Pusse  des  Aetna  die  Felsen  der  Kyklopen  und  den  Hafen  des  Odys- 
seus kannten.  Die  Annahme  der  Letzteren  beruht  namentlich  auf  der  Schilde- 
rung Vergirs,  der  den  sichern  Hafen  im  Kyklopenlande ,  denselben,  wie  es 
scheint,  welchen  Homer  an  der  Ziegeninsel  kennt,  in  die  nächste  Nähe  des  don- 
nernden Aetna  versetzt.  Es  ist  schon  oben  bemerkt  worden ,  dass  man  ihn  in 
der  kleinen  Bucht  von  Lognina,  nördlich  von  Catania,  wiederfindet.  Noch  etwas 
weiter  nach  Norden,  dem  Vorgebirge  Trezza,  südlich  vom  Cap  Molini,  gegen- 
über ,  ragen  ausser  einigen  Klippen  vier  kleine  Inseln  aus  dem  Meere  hervor, 
von  denen  die  der  Küste  zunächst  liegende,  grösste,  welche  etwa  Y2  Millie  im 
Umfang  hat  und  Isola  della  Trezza  heisst ,  nur  niedrig  ist ,  während  die  drei 
übrigen,  die  man  Faraglioni  nennt,  sich  in  Form  von  abgestumpften  Kegeln  mit 
fast  senkrechten  Wänden  hoch'aus  den  Fluten  erheben.  Es  sind  Basaltfelsen, 
aus  prächtigen ,  dunklen  Pfeilern  aufgebaut ,  die  mit  ihrer  theilweise  von  den 
Wellen  ausgewaschenen  Oberfläche  einen  höchst  eigen thüiKf liehen  Anblick  ge- 
währen. Plinius  spricht  hier  von  den  drei  Felsen  der  Kyklopen,  das  wären  die 
drei  Faraglioni.  Wenn  der  Name,  den  die  Alten  ihnen  beilegten,  sich  dadurch 
erklären  soll ,  dass  es  die  Felsstücke  waren ,  welche  Polyphem  dem  Odysseus 
nachschleuderte,  so  hat  man  sich  augenscheinlich  nicht  darum  gekümmert,  dass 
der  Homerische  Kyklop  seinem  Feinde  nur  zweimal  einen  Felsen  nachwirft. 
Die  grOsste,  dem  Lande  nächste  Insel  würde  sehr  wohl  für  Einen,  der  durchaus 
den  Fuss  des  Aetna  als  den  Wohnsitz  d^r  Kyklopen  nachweisen  w^ollte,  die 
Ziegeninsel  Homer's  vorstellen  können.  « 

Von  den  Kyklopen  gelangt  Odysseus  zum  Aiolos,  dem  Sohne  des  Hippotes, 
der  auf  einer  schwimmenden  Insel  wohnt,  welche  von  einer  ehernen  Mauer  und 
glatt  aufsteigenden  Felsen  umgeben  ist.  Seine  6  Söhne  und  6  Töchter  führen 
ein  üppiges  Leben ;  er  selbst  aber  ist  von  Zeus  zum  Beherrscher  der  Winde 
eingesetzt  und  giebt  bekanntlich  dem  Odysseus  einen  Schlauch  mit,  in  dem  die 
Winde  eingeschlossen  sind,  und  der  ihn  sicher  nach  Ithaka  geführt  hätte,  wenn 
er  nicht  von  den  neugierigen  und  habsüchtigen  Geführten  geöffnet  wäre.  Die 
Insel  des  Aiolos  wurde  von  den  Alten  für  eine  der  Liparen  erklärt ,  obgleich  in 
der  Beschreibung-  derselben  nichts  vorkommt,  was  dazu  Veranlassung  geben 
kann ,  da  die  Deutung  der  Herrschaft  des  Königs  über  die  Winde  auf  die  Wet- 
terprophezeiungen aus  dem  Zustande  der  Liparischen  Vulkane  eine  allzu  ge- 
zwungene ist.  Da  indess  noch  der  Umstand  hinzukam,  dass  der  Gründer  der 
griechischen  Golonie  auf  Lipara,  Pentathlos,  von  einem  Hippotes,  freilich  einem 
Nachkommen  des  Herakles  abstammen  wollte,  so  befestigte  sich  die  Meinung 
immer  mehr,  dass  Aiolos,  der  Sohn  des  Hippotes,  auf  den  nach  ihm  benannten 
Inseln  geherrscht  habe ;  und  weil  dieser  Aiolos  nicht  derselbe  sein  konnte ,  wie 
der  Stammvater  der  Aiolier,  der  Sohn  des  Hellen,  so  musste  er  wenigs^ns  Von 
ihm  abstammen,  wobei  denn  Einige  sich  mit  einem  zweiten  Aiolos,  eben  dem  Hip- 


52  Erstes  Buch.    ÜI.  Sageu. 

potessohne,  begnügten,  während  Andre  sogar  einen  dritten  ersannen,  derein 
Sohn  des  Poseidon  und  der  Arne  und  ein  Binder  des  Boiotos  war  und  in  Meta- 
pont  geboren  wurde.  Aiolos  wanderte  aus  und  kam  nach  den  im  tyrrhenlschen 
Meere  gelegenen  Inseln ,  auf  denen  Liparos  herrschte,  des  italischen  Königs 
Auson  Sohn ,  der  wegen  eines  Streites  mit  seinen  Brüdern  dahin  gefehr^i  war 
und  die  Stadt  Lipara  gegründet  hatte.  Er  heiratfaete  die  Kyane ,  des  Liparos 
Tochter,  und  beherrschte  anfange  gemeinschaftlich  mit  seinem  Sdiwiegervaier 
die  Inseln;  dann,  als  dieser  in  seinem  Alter  nach  Italien  zurttdLzukehren 
wünsdite,  verschafifte  er  ihm  die  Herrschaft  über  die  Gegend  von  Sorrent,  wo 
er  starb  und  später  als  Heros  verehrt  wurde ;  er  selbst  aber  regierte  von  nun 
an  allein  über  die  jetzt  nach  ihm  benannten  Inseln.  Dies  war  der  gastfreund- 
liche Fürst,  zu  welchem  Od ysseus  gelangte,  ein  Freund  derCrÖtter,  Erfinder 
des  Segels ,  und  im  Besitz  der  Fähigkeit,  aus  dem  Feuer  des  Berges  die  Witte- 
rung  vorherzusagen.  Aiolos  hinterliess  6  Söhne  —  die  Homerische  Zahl  — , 
welche  ihre  Herrschaft  über  Sidlien  und  einen  Theii  von  Italien  ausbreiteten, 
und  denen  Sikaner  wie  Kkeler  gehorchten.  Von  ihnen  übernahm  lokastos  die 
süditalische  Küste ,  Astyochos  die  Inseln ;  die  vier  tlbrigen  theilten  sich  in 
Sicilien  oder  wenigstens  in  den  grössten  Theil  desselben  so ,  dass  Xuthos  die 
Gegend  von  Leontini,  wo  auch  eine  Stadt  Xuthia  lag,  Agathymos  die  der  Stadt 
Agathyrnon ,  Pheraimon  den  östlichen  und  Androkles  den  westlichen  Theil  der 
Nordküste  erhielten.  Dass  Pheraimon  noch  in  späterer  Zeit  in  Messana  verehrt 
wurde,  wissen  wir  durch  Münzen  dieser  Stadt.  Nach  andern  Sagen  hat  vielmehr 
lokastos  Sicilien  erhalten,  das  Poseidon  ihm  zu  Liebe  zu  einer  Insel  machte. 

Es  ist  hier  nicht  zu  verkennen,  dass  Hippotes  und  Poseidon  eigentlich 
identisch  sind.  Die  Beziehungen  auf  den  Namen  des  Bosses  sind  bei  Allem,  was 
mit  dem  Meeresgotte  in  Verbindung  steht,  sehr  hftufig,  und  so  erklärt  sidi, 
weshalb  Aiolos  bald  ein  Sohn  des  Itippotes,  bald  des  Poseidon  genannt  wird. 
Sollte  die  Yermuthung  allzu  gewagt  sein,  dass  auch  der  Hippotes,  welcher  uns 
in  der  Sage  von  Akestes  beg^net,  n^ir  Poseidon  selbst  ist  ^  Es  kann  kein  Binder- 
niss  dieser  Annahme  sein,  dass  Poseidon  scheinbar  die  Egesta  verfolgt,  die  dann 
eigentlich  seine  Tochter  wäre ,  und  die  ja  auch  in  Sicilien  keineswegs  ein  un- 
glückliches Loos  hat. 

Wir  kehren  jetzt  zum  Helden  von  Ithaka  zurück. 

Als  er  durch  die  Thorheit  seiner  Gefährten  wieder  zurückgetrieben  ist  und 
Aiolos  ihm  nicht  zum  zweiten  Male  helfen  will ,  kommt  er  zur  Küste  der  Lai- 
strygonen  und  zur  Stadt  des  Lamos,  wo  Menschenfresser  wohnen ,  die  ihm  alle 
seine  Schiffe  zerstören.  Es  gab  im  Alterthum  Manche,  die,  wie  Thukydides  es 
der  Mühe  werth  gehalten  hat,  zu  bemwken,  annahmen,  dass  die  Laistrygonen 
ebenso  wie  die  Kyklopen  auf  Sicilien  gewohnt  hätten.  Ihr  Gebiet  war  dann  die 
Gegend  von  Leontini,  und  diese  Ansicht  wurde  so  gewöhnlich,  dass  Plinius  in 
seiner  sehr  kurzen  Beschreibung  der  Insel  die  Leontinische  Ebene  mit  dem  Na- 
men Lästrygonische  Gefilde  belegt.  Weshalb  es  gerade  diese  Gegend  sein  sollte, 
dafür  wird  nur  die  Stelle  Homer's  von  dem  doppelten  Lohne,  den  ein  Hirte,  der 
nie  schliefe,  gewinnen  könnte,  indem  er  abwechselnd  Schafe  und  Rinder  wei- 
dete, angeführt,  eine  Stelle,  die  deswegen  auf  die  leontinischen  Gefilde  zu  passen 
schien,  weil  hier  wegen  der  lästigen  Stechfliegen  die  Rinder  nur  Nachts  auf  der 


Odysseys.  •,  .53 

Wade  sein  konnten.  Ob  man  dann  den  von  Felswänden  eingeschlossenen  Hafen, 
wo  die  elf  Schiffe  des  Odysseus  zu  Grunde  gingen ,  in  der  oben  geschilderten 
Mtlndung  des  Pantagias,  des  heutigen  Porcari,  wiederfand  ?  Man  wusste  weiter, 
das8  schon  Herakies  die  Laistrygonen  bekämpft  habe  —  man  gab  also  den  sikani- 
sehen  Schaaren,  die  er  m  dieser  Gegend  besiegt  haben  soll,  einen  wohlbekannten 
Namen.  Bagegen  waren  die  Römer  sonst  gewöhnlich  der  Meinung,  die  Laistry- 
gonen hätten  in  F(Miniae  an  Italiens  Kttste  gewohnt. 

Nach  dem  Aufenthalt  auf  der  Sonneninsel  Aiaia  bei  der  Zauberin  Kirke  — 
nach  der  herrschenden  Annahme  dem  waldigen  Vorgebirge  Kirkaion  an  Italiens 
Westküste  —  und  der  Fahrt  in  die  Unterwelt  kam  Odysseus  bei  der  Insel  der 
Sirenen  vorbei,  welche  man  gewöhnlich  für  die  Sirenusen  südöstlich  vom  Miner <- 
venvorgebirge  unfern  der  Stadt  Neapolis,  die  ihren  Namen  Parthenope  von  einer 
dort  begrabenen  Sirene  führen  sollte ,  seltener  für  die  niedrige  Landspitze  Pe- 
loris  hielt. 

Bei  der  weitem  Fahrt  konnte  der  Held  entweder  den  Irrfelsen  —  Planktai  -— 
sich  nähern ,  bei  denen  jedoch  nur  das  Schiff  Argo  unverletzt  vorbeigefahren 
war,  oder  zwischen  l^ylla  und  Charybdis  hindurch  zu  gelangen  suchen.  Ob 
der  «verzehrende  Feueroikan«  und  der  Rauch  jener  auf  einer  dunkeln  Kenntniss 
von  den  Liparischen  Vulkanen  beruht,  muss  dahingestellt  bleiben.  Die  Skylla 
war  schon  von  der  Kirke  ausführlich  dem  Odysseus  geschildert  worden :  ein  an 
den  Himmel  ragender  Felsen,  den  rings  Gewölk  umwallet, 

Dunkelblan,  das  nimmer  hinwegzieht,  nie. auch  erhellt  ihm 
Heiterer  Glanz  den  Gipfel,  im  Sommer  nicht»  oder  im  Herbste, 

Aach  nicht  süege  hinanf  ein  Sterblicher  oder  herunter 

Denn  das  Gestein  ist  glatt,  dem  rings  behauenen  öhniich. 

Mitten  im  Fels  ist  eine  dunkle  Höhle ,  in  welcher  Skylla  wohnt ,  das  bellende 
Scheusal ,  »deren  Stimme  so  hell ,  wie  des  neugeborenen  Hündleins  « ,  die  mit 
sechs  Köpfen  nach  Seewild  haschte  Aber  niedriger  ist  der  andere  Felsen,  einen 
Bogenschuss  von  j^iem  entfernt.  Dort  schlurft  unter  einem  Feigenbaum  Cha- 
r^-bdis  das  dunkele  Gewässer, 

Dreimal  ftmdelt  sie  täglich  hervor  und  schlürfet  auch  dreimal. 

Und  als  nun  Odysseus  die  Fahrt  zwischen  Skylla  und  Charybdis  gewählt  hat 
und  ihnen  nahe  gekommen  ist,  da  kann  er  die  Skylla  in  ihrer  Höhle  nicht  sehen, 
aber  die  Charybdis  sieht  er  und  beschreibt  sie  später  den  Phaiaken  so : 

Wenn  sie  die  Wog'  ausbrach,  ^ie  ein  Kessel  ans  flammendem  Feuer, 
Tobte  sie  ganz  aufbrausend  mit  trübem  Gemisch,  und  empor  stieg 
Weisser  Schaum,  bis  zum  Gipfel  die  FeJshöh'n  beide  bespritzend. 
Wenn  sie  darauf  einschlürfte  die  salzige  Woge  des  Meeres, 
Senkte  sich  ganz  inwendig  ihr  trübes  Gemisch,  und  umher  schwoll 
Gräulich  der  Fels  von  Getös,  und  tief  auf  blickte  der  Abgrund, 
Schwarz  von  Schlamm  und  Morast 

Zu  dieser  Schilderung  kann ,  wain  ihr  überhaupt  etwas  Wirkliches  zu  Grunde 
Hegen  soll,  keine  andere  Gegend  als  die  Strasse  von  Messina  die  erste  Veran- 
lassung gegeben  haben.  Dass  die  Homerischen  Verse  keine  genaue  Beschreibung 
der  Wiiklichkeit  enthalten ,  versteht  sich  von  selbst ;  wenn  wir  aber  auch  alles 
Uebrige  als  dichterische  Ausschmückung  abziehen,  und  als  zu  Grunde  liegende 


54  Rrstes  Buch.    III.  Sagen. 

Thatsache  einfach  das  Vorhandensein  einer  Meerenge  mit  einem  steilen  Felsen, 
an  dem  die  Wogen  sich  brechen ,  an  der  einen ,  und  einem  starieen  Strudel  an 
der  andern  Seite  nehmen ,  so  passt  dies  so  gut  und  so  ausschliesslich  auf  die 
Strasse  von  Messina,  dass  wir  ohne  zu  grosse  Kühnheit  annehmen  dllrfen,  dass 
eine  dunkele  Kunde  von  ihr  dem  Sänger  der  Odyssee  zugekommen  war.  Der 
Felsen  der  Skylla  ist  freilich  in  den  Augen  eines  Seemanns  ein  steiler  Felsen 
wie  viele  andere ,  und  an  seinem  ausgewaschenen  Fusse  klingt  das  Gebrause 
der  Wogen  nicht  mehr  wie  Hundegeheul,  als  an  jeder  andern  steilen  Küste,  aber 
der  Strudel  unweit  der  Stadt  Messina  ist  noch  immer  ziemlich  bedeutend  und 
verdiente  es  wohl ,  von  den  Alten ,  deren  kleinere  Schiffe  ihm  weniger  Wider- 
stand leisten  konnten,  für  die  Gharybdis  gehalten  zu  werden.  Wenn  die  Zeit- 
angabe des  Wechsels  der  Strömungen ,  wie  Hom^r  sie  giebt ,  auch  nicht  der 
Wirklichkeit  völlig  entspricht,  so  ist  sie  doch  auch  nicht  allzu  weit  von  ihr 
entfernt. 

Von  der  Skylla  und  €harybdis  gelangt  Odysseus  mit  seinen  Gefährten  nach 
der  Insel  Thrinakia,  wo  die  Rinder  und  Schafheerden  des  Gottes  Helios  weiden, 
je  sieben  zu  50  Thieren.  Nach  Homer  werden  sie  von  den  Töchtern  des  Helios 
und  der  Neaira,  den  Nymphen  Phaethusa  und  Lampetie,  gehütet;  Spätere 
wussten  noch  von  einem  Wächter  Phyiakios,  der  ein  Aiolide  sein  sollte.  Thrina- 
kia wurde  für  Sicilien  gehalten,  wofür  im  Grunde  nichts  spricht,  als  die  Wahr- 
scheinlichkeit der  Umformung  des  Namens  in  Trinakiia  und  sodann  der  Heer- 
denreichthum  unserer  Insel.  Man  sah  in  der  Landzunge  von  Mylai  den  Oit,  wo 
die  Heerden  des  Helios  geweidet  haben  sollten,  und  noch  wird  unt^r  dem  Kastell 
von  Milazzo  eine  geräumige  Höhle  gezeigt ,  die  beim  Volke  die  Höhle  des  Ulyss 
heisst ,  und  die  die  Grotte  der  Nymphen  sein  würde ,  in  welche  sich  Odysseus 
mit  seinen  Geführten  zurückzog.  In  Mylai  war  auch  ein  Heroen  des  Phyiakios. 

Weiter  kommt  der  Dulder  dann ,  nachdem  der  Zorn  des  Helios  über  das 
Schlachten  der  Rinder  allen  Geführten  den  Untei*gang  bereitet  hat,  allein  nach 
Ogygia,  der  Insel  der  Kalypso,  die  von  Manchen  im  Alterthum  für  Gaulos,  das 
jetzige  Gozzo,  gehalten  worden  ist.  In  neuerer  Zeit  hat  man  gefunden,  dass  das 
grössere  Malta  noch  besser  auf  die  Homerische  Beschreibung  von  Ogygia  passe, 
und  man  hat  im  Grunde  der  maltesischen  Bucht  Melieha  die  Grotte  w  ieder- 
gefunden,  in  welcher  einst  Kalypso  wohnt«.  Die  weitere  Fahrt  nach  der  Phaia- 
keninsel  Scheria  entfernt  Odysseus  —  wenn  Scheria  nach  gewöhnlicher  An- 
nahme Korfu  ist  —  wieder  mehr  von  Sicilien,  und  es  ist  nur  noch  zu  ei*wähnen. 
dass  das  Land  Hypereia,  wo  die  Phaiaken  früher,  nahe  den  Kyklopen,  wohnten, 
nach  der  Meinung  der  Alten  die  Gegend  von  Kamarina  in  Sicilien  gewesen  sein 
soll,  so  dass  also  auch  die  Phaiaken  neben  den  Kyklopen  imd  Laistrygonen  zu 
den  mythischen  Bewohnern  Siciliens  gehören. 

So  sind  bis  auf  die  Gharybdis  alle  Beziehungen  der  Odyssee  auf  Sicilien 
höchst  unsicher,  und  nur  im  letzten  Buche  derselben,  wo  sich  Odysseus  bei 
Laertes  Eperitos  nennt,  der  aus  Sikanien  nach  Ithaka  verschlagen  sei,  scheint 
eine  directe  liinweisung  auf  unsere  Insel  enthalten  zu  sein.  Bekanntlich  ist  aber 
dieses  Buch  viel  späteren  Ursprungs,  als  alle  übrigen. 

Von  andern  griechischen  Helden  des  trojanischen  Krieges  sollen  noch  Me- 
nelaos  und  Meriones  nach  Sicilien  gelangt  sein.  Von  diesem  sprachen  wir  schon 


Aeneas.  Orestes.  Argonauten.  55 

oben.    Von  den  Trojanern  aber  tritt  Aeneas  in  sehr  enge  Beziehungen  zu  un- 
serer Insel. 

Schon  im  sechsten  Jahrh\indert  vor  Chr.  tritt  die  Sage  von  der  Fahrt  des 
Aeneas  nach  Westen  und  nach  Sicilien  aus  dem  Dunkel  hervor;  allmählich 
ward  Latium  als  das  eigentliche  Ziel  des  Helden  anerkannt.  Am  ausführlichsten 
ist  uns  diese  Sage  von  Vergii  tiberliefert. worden,  der  natürlich  viel  aus  seiner 
eigenen  Phantasie  Entsprossenes  eingeOochten  hat.  Aeneas  nUhert  sich  Sicilien 
in  der^etnagegend^  er  legt  am  Lande  der  Kyklopen  an  und  nimmt  den  Ächae- 
menides,  einen  vor  drei  Monaten  von  Odysseus  zurückgelassenen  Gefährten 
desselben  auf,  sieht  die  Kyklopen  an*s  Ufer  stürmen  und  f^hrt  weiter  nach 
Süden ,  dann  um  den  Pachynos  und  an  der  Südküste  der  Insel ,  wo  die  später 
berühmten  Städte  Kamarina,  Gela  und  Akragas  bereits  erschein^i,  entlang, 
nach  Drepanon,  wo  Anchises  stirbt.  Nun  treibt  ihn  der  Sturm  nach  Afrika  zur 
Dido.  Ais  er  von  hier  scheiden  muss,  föhrt  er  wieder  nach  Drepanon  zum 
Akestes  zurück,  um  d^n  Jahrestag  des  Todes  seines  Vaters  festlich  zu  begehen. 
Man  glaubt  am  Fusse  des  Monte  S.  Giuliano  nahe  der  Küste  den  von  der  Natur 
geschaffenen  Circus  zu  erkennen ,  die  grasige  Arena ,  in  welcher  die  Leichen- 
spiele Statt  fanden,  und  2  Millien  vom  Ufer  in  dem  niedrigen  schwarzen  Felsen 
Asinello  die  Klippe,  auf  der  Aeneas  den  Eichenzweig  als  Ziel  für  die  Wettfahrten 
aufpflanzte.  Wahrend  die  Männer  hierbei  beschäftigt  sind,  zünden  die  Weiber, 
von  der  Juno  verleitet ,  die  im  Hafen  von  Drepanon  liegenden  Schiffe  an :  aber 
Jupiter  sendet  auf  des  Aeneas  Bitten  einen  Regenguss  und  rettet  bis  auf  vier  die 
Schiffe  vor  dem  Untergang. 

Nun  werden  die  Frauen  und  alle  die ,  welche  die  Fahrt  scheuen ,  zurück- 
gelassen ,  und  Aeneas  gründet  für  sie  die  Stadt  Egesta  und  den  .Tempel  der 
Venus  Idalia  auf  dem  Eryx,  er  selbst  aber,  mit  seiner  auserwählten  Mannschaft, 
fährt  nach  Italien. 

Wir  müssen  noch  hinzufügen,  dass  ihn  über  das  Ionische  Meer  Akarnanier 
unter  dem  Thurier'Patron  geführt  hatten,  von  denen  viele  mit  Patron  selbst  bei 
ihm  blieben ;  diese  sollen  i\pch  weiter  nach  Sicilien  hineingezogen  sein  und  die 
Stadt  Alontion  gegründet  haben. 

Malta  erscheint,  vom  Könige  Battus  regiert,  als  Zufluchtsstätte  der  aus 
Karthago  geflüchteten  Anna. 

Im  Zusammenhang  mit  der  Sage  vom  trojanischen  Kriege  steht  auch  die 
von  Orestes  dem  Muttermörder,  der  auf  seiner  Wandenmg  mit  dem  Bilde  der 
Artemis  bis. nach  Sicilien  kommt,  nachdem  er  ei*st  in  Rhegion  von  aller  Schuld 
völlig  gesühnt  worden  ist.  Auf  ihn  wird  der  bertthmte  Tempel  der  Artemis 
Phakelitis  in  der  Nähe  von  Mylai  zurückgeführt. 

Von  der  Fahrt  des  Schiffes  Argo  im  Westen,  wo  es  einen  Theil  der  Schreck- 
nisse, welche  uns  die  Odyssee  kennen  gelehrt  hat,  ebenfalls  durchmachen  muss, 
brauche  ich  hier  nicht  zu  reden.  Doch  wird  hier  ausdrücklich  SicUien  genannt, 
wenn  es  in  der  offenbar  spätem  Sage  heisst,  dass  Aphrodite  den  Butes,  der  zu 
den  Sirenen  schwimmen  wollte,  nach  Lilybaion  rettete. 

Bemerken  wir  nun  noch ,  ehe  wir  zu  einem  besondem  Kreise  von  Sagen 
übergehen ,  dass  sich  eigenthümUcher  Weise  an  die  drei  Vorgebirge  der  Insel 
Sagen  knüpfen,  welche  das  Gemeinschaftliche  haben,  dass  sie  zu  Gräbern  in 


56  Erstes  Buch.    III.  Sagen. 

Beziehung  stehen.  Wir  haben  schon  oben  von  dem  Grabe  des  Peloros  an  dem 
nach  ihm  benannten  Vorgebirge  gesprochen  und  eine  Beziehung  auf  den  Riesen 
Orion  vennuthet,  der  hier  nicht,  wie  sonst  gewöhnlich,  als  ein  gewaltiger  Jäger, 
sondern  als  ein  Baumeister  auftritt,  der  für  den  König  Zanklos  den  Hafen  und 
das  hohe  Ufer  Messana's  baut  und  die  Landspitze  Peloiis  in  das  Meer  hinein- 
schüttet. Wir  haben  femer  beim  Pachyiios  der  Erinnerungen  an  Odysseus  ge- 
dacht, der  ein  Kenotaph  der  Hekabe  doi*t  errichtet.  Am  Lilybaion  aber  war  die 
kumäische  Sibylle  begraben.  Heutzutage  befindet  sich  Ober  der  zwischen  der 
Stadt  und  der  Landspitze  gelegenen  Grotte ,  welche  ihr  Grab  bergen  musste. 
eine  Kirche  des  heil.  Johannes  des  Täufers;  aber  noch  Houel  weiss  zu  er- 
zählen, wie  am  Tage  vor  dem  Feste  desselben  Frauen  und  Mädchen  in  die  Grotte 
kommen  und  in  den  Brunnen ,  der  fliessendes  Wasser  hat  —  Sibyll^i  waren 
Gottheiten  feuchter  Grotten  —  aUeriei  Fragen  hineinrufen,  die  das  Echo  beant- 
wortet. So  erhält  sich  uraltes  Heidenthum  unter  den  Gewölben  einer  christ- 
lichen Kirche,  und  der  Täufer  kann  die  Sibylle  nidit  vollständig  vertreiben. 

Man  sieht ,  dass  in  allen  bisher  angeführten  Sagen  Fremde  die  Hauptrdle 
spielen.  So  ist  es  im  Grunde  genommen  auch  noch  in  der  anmuthigen  Sage  von 
der  Arethusa.  Wir  sahen  vorhin,  dass  diese  Quelle  Ortygia^s  von  den  Nymphen 
ftlr  Artemis  geschaffen  sein  soll.  Nach  der  verbreiteteren  Annahme  ist  Arethusa 
dagegen  eine  Nymjrfie  in  Elis,  die,  von  dem  Flussgotte  Alpheios  verfolgt,  nach 
Sicilien  flüchtet ;  Alpheios  eilt  ihr  aber  nach  und  erreicht  sie  auf  Ortygia.  Wir 
werden  später  bei  der  Schilderung  von  Syrakus  auf  diese  Sage  zurückkommen. 
Wenn  nun  Arethusa  auch  nur  in  Sicilien  berühmt  wird ,  so  ist  sie  eigentlich 
doch  noch  eine  fremde  Nymphe.  Heimischer  ist  dort  schon  Galateia,  die  Tochter 
des  Nereus,  die  von  dem  Kyklopen  Polyphem  geliebt  wird,  welchem  sie  aber 
den  Akis,  den  Sohn  des  Faunus  und  der  Nymphe  Symaithfs,  vorzieht.  Der 
riesige  Hirt  schleudert,  als  er  einst  die  Liebenden  zusammen  überrascht,  einen 
Felsblock  auf  Akis  und  tödtet  ihn.  Aber  ein  Bach  rann  imter  dem  Felsen  her- 
vor :  es  war  der  verwandelte  Akis.  Von  den  Oertlichkeiten  am  Fusse  des  Aetna^ 
auf  welche  sich  die  Sage  bezieht,  die  Polyphem  recht  als  einen  siciUschen  Hirten 
/eigt,  ist  schon  oben  die  Bede  gewesen.  Aber  ihren  vollständigsten  AusdrudL 
hat  die  Poesie  des  sicilischen  Hirteniebens  doch  erst  in  der  Sage  von  Daphnis 
gefunden,  die  hier  nur  ganz  kurz  mitgetheilt  werden  kann.  In  den  Heräischen 
Bergen,  deren  Baumreichthum  wir  kennen,  lebte  Daphnis,  der  Sohn  des  Hermes 
.  und  einer  Nymphe ,  ein  Hirte ,  der  viele  Binderschaaren  besass.  Er  war  der 
Erfinder  der  bukolischen  Poesie;  er  begleitete  die  Artemis  auf  ihren  Jagden 
durch  die  Insel  und  erfreute  sie  durch  seine  Lieder  und  sein  Spiel  auf  der 
Syrinx.  Von  einer  Nymphe,  die  ei;  liebte,  ward  er  mit  dem  Banne  belegt,  dass, 
wenn  er  ihr  untreu  würde,  er  das  Augenlidit  verlieren  sollte,  und  wirklich  als 
er,  von  einer  Königstochter  mit  Wein  berauscht,  semer  Geliebten  die  Treue 
gebrochen  hatte,  erfüllte  sich  ihre  Drohung,  und  er  ward  blind.  So  weit  Diodor. 
Sein  Ende  wird  verschieden  erzählt ;  bald  wird  er  von  seinem  Vater  in  den 
Himmel  erhoben  und  eine  Quelle  auf  Erden  geschaffen,  an  der  die  Sikeler  jähr- 
lidi  opfern ;  bald  i^türzt  er  vom  Felsen,  bald  wird  er  in  Stein  verwandelt,  und 
ein  Fels  bei  Kephaloidion  zeigt  seine  Gestalt.  Von  dieser  Sage  weichen  zwei 
andere  vollständig  ab;  die  eine  ist  die  von  Theokrit  benutzte,  von  der  an  einer 


Dapbnis.  Iberer.  57 

andern  Steiie  die  Rede  sein  wird;  nach  der  zweiten  kommt  er,  die  von  ihm 
geliebte  Pipiea  oder  Thalia,  die  von  Räubern  entführt  ist,  suchend,  nach  Phry- 
gien  zum  König  Lityerses ,  dem  Sohne  des  Midas ,  dcyr  mit  allen  Fremden  im 
Mähen  wetteifert  und  ihnen,  nachdem  er  sie  besiegt  hat,  den  Kopf  abschneidet. 
Herakles  rettet  ihn  aus  der  Noth ,  indem  er  selbst  sich  zum  Wettkampfe  stellt 
und  dem  Lityerses  den  Kopf  mit  der  Sense  abhaut.  Daphnis  erhält  nun  seine 
Geliebte.    Man  wird  bei  dieser  Geschichte  lebhaft  an  die  des  £ryx  erinnert. 

Dies  ist  eine  kurze  Uebersicbt  dessen,  was  von  der  mythischen  Geschichte 
Siciliens  bekannt  ist  Wir  sehen  schon  hier  das  dreifache  Element,  das  die  Ge- 
schichte der  Insel  ausmachen  wird,  hervortreten :  das  orientalische ,  das  grie- 
chische, endlich,  freilich  am  meisten  und  fast  im  Hintergrunde  verstedJLt,  das 
einheimische.  Die  folgewlen  Kapitel  werden  von  diesem  Gesichtspunkte  aus 
noch  einige  Erläuterungen  zu  dem  auf  den  letzten  Seiten  Mitgetheilten  bringen. 


Viertes    Kapitel. 
Die  Ureinwohner. 

Indem  wir  nun  von  dem  Gebiete  der  Sage  auf  das  der  Geschichte  über- 
gehen, haben  wir  wohl  nicht  nöläig  nachzuweisen,  dass  die  ernsthaft  auf- 
gestellte Behauptung,  in  der  Urzeit  hutten  wirklich  Kyklopen  und  Laistrygcmen 
in  Sicilien  gewohnt ,  jedes  Grundes  entbehrt.  Sie  ist  nur  ein  mit  Homerischen 
Erinnerungen  und  Namen  ausgeschmückter  Ausdruck  der  wohl  in  jedem  Lande 
berrscbend^Q  Volksmeirmng ,  dass  die  ersten  Bewohner  desselben  gewaltige 
Ri^en  von  wilden  Sitten  gewesen  seien.  In  Sicilien  ist  dieses  bis  in  die  neuere 
Zeit  hinein  so  sehr  die  Ueberzeugung  des  Volkes  gewesen,  dass,  wenn  irgendwo 
im  Lande  Ueberreste  grosser  vorweltlicher  Thiere  gefunden  wurden ,  Gelehrte 
und  Ungelehrte  mit  Entschiedenheit  behaupteten,  es  seien  dies  die  Gebeine  der 
ühesttti,  riesigen  Bewohner  der  Insel.  Man  indet  die  angeblichen  Beweise  für 
solche  Behauptungen  von  Faiell  und  nach  ihm  von  Gluver  zusammengestellt. 

Wenn  wir  von  solchen  Fabeln  absefa^i  und  nadb  besser  beglaubigten  Nach- 
Heilten  über  die  Urmnwohner  der  Insel  fragen,  so  tritt  uns  als  eine  nach  dem 
Zeugniss  des  Ephoros  ziemlich  verbreitete  Ansicht  die  entgegen,  dass  sie 
Iberer  gewesen  seien«  UnglttckHoherweise  ist  diese  Nachricht  so  abgerissen 
mitgetheiit,  dass  über  eine  Hauptfrage,  die  dabei  zunächst  zu  erledigen  wäre, 
volle  Klarheit  nicht  zu  eriialten  ist,  die  nSmlich,  ob  unter  diesen  Iberern  nicht 
vielleicht  die  sogleich  zu  erwähnenden  Sikaner  zu  verstehen  seien,  die  von 
einigen  alten  Schriftstellern  aus  Iberien  hergdeitet  werden.  Wie  dem  auch  sein 
iuag,  es  hat  in  neuerer  Zeit  nicht  an  Gelehrten  gefehlt,  die  sich  der  Meinung 
von  dem  iberischen  Ursprünge  der  sicilischen  Urbevölkerung  angeschlossen 
haben ,  und  insbesondere  hat  W.  von  Humboldt  zur  Untetrstützung  derselben 
auf  Aehnliehkeiten  zwischen  iberischen  und  sicilischen  geographischen  Namen 
aufmerksam  gemacht  >  ohne  dabei  die  Frage  entscheiden  zu  wollen ,  ob  diese 


58  Erstes  Bach.    lY.  Die  Ureinwohner. 

Iberer  die  Sikaner  waren  oder  nicht.  Dabei  neigt  Humboldt  zu  der  auch  v<m 
einigen  sicilischen  Gelehiten  getheilten  Ansicht  bin ,  d^ss  die  Iberer  nicht  aus 
dem  jetzigen  Spanien,  sondern  von  Osten  her,  also  auf  ihrem  Zuge  nach  Spanien, 
auf  die  Insel  gekommen  sein  möchten.  Auch  wir  halten  es  nicht  fttr  unwahr- 
scheinlich ,  dass  in  der  Urzeit  Iberer  in  Sicilien  wohnten ;  wenn  es  jedoch  der 
Fall  war,  so  waren  sie  von  den  Sikanera  verschieden.  Jene  mag  man  dann 
auch  als  die  Yerfertiger  der  Feuersteingeräthschaften  betrachten ,  die  man  hie 
und  da  auf  der  Insel,  vermischt  mit  Thierknochen,  gefunden  hat. 

Die  Sikaner  dagegen  bildeten  die  wiiiLlich  nachweisbare  Urbevölkerung 
der  Insel,  von  der  sie  noch  in  historischer  Zeit  einen  Theil  bewohnten. 

'    Ueber  ihre  Herkmift  waren  die  Alten  nicht  einig.    Einige  hielten  sie  für 
Eingew  änderte ,  Andere  für  Autochthonen ,  und  dieselbe  Verschiedenheit  der 
Ansicht  findet  sich  auch  bei  denen ,  welche  den  Namen  des  Volkes  nach  alter 
Weise  von  dem  eines  Königs  Sikanos  herleiten ;  es  ist  dieser  König  bald  ein 
Fremder,  bald  ein  Sohn  des  Bnareus  und  Bruder  der  Aetna,  also  ein  Einbeimi- 
scher.   Für  Autochthonen  erklarten  die  Sikaner  sich  selbst ,  und  Timaios  und 
Diodor  stimmten  ihnen  bei.  Thukydides  dagegen  und  der  Syrakusaner  Philislos 
sahen  in  ihnen  Iberer ,  die  vom  Flusse  Sikanos  in  Iberien  nach  Sicilien  gewan- 
dert seien,  von  Ligyem  veitrieben,  wie  Thukydides  hinzusetzt.  Hier  treten  uns 
sogleich  zwei  Schwierigkeiten  entgegen.   Die  Iberer  müssen  westlicher  gewohnt 
haben,  als  die  Ligurer,  damals  so  gut  wie  später,  so  dass  schwer  einzusehien  ist, 
wie  sie  von  diesen  nach  Sicilien,  d.  h.  nach  Osten  verdrängt  sein  können,  und 
dann  —  was  noch  mehr  ist  —  ist  das  Vorhandensein  eines  Flusses  Sikanos  in 
Iberien  mehr  als  zweifelhaft.    Zwar  findet  sich  auch  bei  Stephanos  ein  Fluss 
dieses  Namens  bei  einer  Stadt  Dera  in  Iberien  ang^eben  und  bei  Hekataios  eine 
Stadt  Sikane,  aber  wo  in  Iberien  dies  Alles  war,  weiss  Niemand  zu  sagen. 
Einige  haben  dieser  Schwierigkeit  dadurch  auszuweichen  gemeint,  dass  sie  statt 
des  unbekannten  Sikanos  den  bekannten  iberischen  Fluss  Sikoris,  —  den  jetzi- 
gen Segre  —  als  den  heimathlichen  Fluss  der  Sikaner  bezeichneten.    Aber  so- 
bald die  Namenähnlichkeit  eine  so  entfernte  wird,  wie  die  zwischen  Sikanos  und 
Sikoris  ist,  hört  sie  auf,  für  die  Entscheidung  ethnographischer  Fragen  von  Be- 
deutung zu  sein.    So  ist  denn  der  Sikoris  hier  nicht  weiter  zu  berücksichtigen, 
und  die  Herleitung  der  Sikaner  von  Spanien  muss  überhaupt  als  der  rechten 
Begiilndung  ermangelnd  bei  Seite  geschoben  werden.    Ein  anderer ,  scheinbar 
glücklicherer  Ausweg  besteht  darin ,  bei  dem  Sikanosfluss  an  die  Sequana  in 
Gallien  zu  denken,  wo  dann  weiter  die  Ligyer  an  den  nahen  Ligur  —  die  Loire 
—  erinnern.  Hier  stimmen  die  Namen  wenigstens  besser  überein,  und  die  Aus- 
dehnung der  Bezeichnung  Iberer  über  einen  Theil  Galliens  kann  nicht  über- 
raschen.   Wenn  wir  aber  einen  Augenblick  den  Fluss  Sikanos  ganz  aus  dem 
Spiele  lassen  und  die  Sikaner  in  dem  Lande  aufsuchen,  aus  dem  sie  nach  Sici- 
lien hinüber  gegangen  sein  müssen,  nämlich  in  Italien,  so  finden  wir  dort  ihren 
Namen  in  Beziehungen ,  die  uns  auf  eine  ganz  andere  Herkunft  des  Volkes  als 
eine  keltische  oder  iberische  schliessen  lassen.    Sie  werden  in  Latium  in  enger 
Verbindung,  ja  als  identisch  mit  den  Sikelem  genannt,  einem  Volksstamm,  der 
neines  der  Elemente  des  römischen  Volkes  bildete  und  nach  den  Sikanem  in 
Sicilien  einwanderte.    Wenn  sie  nun  nur  in  der  Aeneis  als  latinische  Urbevöl- 


Sikaner.  Kamikos.  59 

kerung  erschienen,  so  könnte  man  nooh  an  eine  willkürliche  dichterische  An- 
wendung des  Namens  Sicani  für  Siculi  denken,  aber  auch  in  prosaischen  Schrift- 
stellern kommen  sie  vor.  Und  hier  ist  beachtenswerth ,  dass  von  Tibur,  das 
einst  die  Sikaner  bewohnt  haben  sollen,  ein  Theil  Sikelikon  hiess.  ^£s  ist  also 
klar,  dass  man  die  Sikaner  für  alte  Bewohner  Latiums  hielt,  und  höchst  wahr- 
scheinlich, dass  sie  sich  von  den  Sikelem  kaum  jinterschieden.  So  können  wir 
denn  allerdings  nicht  behaupten ,  dass  wir  von  denselben  Sikanem ,  w  eiche 
später  im  Westen  Siciliens  wohnten,  Spuren  ihres  Aufenthaltes  in  Latium  hätten, 
denn  die  latinischen  Sikaner  haben  sich  nicht  von  den  Sikelem  getrennt,  aber 
es  scheint  doch  bewiesen ,  dass  der  Name  Sikaner  kein  den  Sikelem  fremdes 
Volk  bezeichnet,  und  dass  somit  auch  den  sicilischen -Sikanem  derselbe  Ur- 
sprung wie  den  mit  den  Römern  itahe  verwandten  Sikelem  zugeschrieben  w^er- 
den  muss.  Wir  haben  uns  die  Sache  so  zu  denken.  Die  Sikaner  Siciliens  haben 
sich  frühzeitig  von  ihren  Stammesgenossen  getrennt  und  sind  aus  Italien  nach 
SicUien  gezogen.  Die  damals  Zurückgebliebenen  hiessen  vorzugsweise  Sikeler, 
wurden  aber  nach  einigen  sikanischen  Ueberbleibseln,  die  ihren  Brüdem  nicht 
gefolgt  waren,  auch  bisweilen  Sikaner  genannt.  Wenn  wir  nun  mit  dieser 
Ueberzeugung  an  die  Hypothese  von  dem  gallischen  oder  iberischen  Urspmnge 
der  Sikaner  wieder  hinantreten,  so  wird  sie  immer  unwahrscheinlicher.  Denn 
wer  sie  noch  billigte,  wäre  genöthigt,  auch  in  den  Römern  ein  iberisches  oder 
gallisches  Element  vorauszusetzen,  eine  Annahme,  die  freilich  Anhänger  gefun- 
den hat ,  aber  dem  heutigen  Stande  der  Sprachwissenschaft  durchaus  wider- 
spricht. Wir  beschränken  uns  deshalb  darauf,  die  Sikaner  für  den  Sikelern 
verwandt  und  italischen  Stammes  zu  erklaren.  Die  Betrachtung  der  Sikeler 
seihst  wird  uns  einen  Schritt  weiter  bringen. 

Die  Sikaner  wohnten  längere  Zeit  über  die  ganze  Insel  verbreitet,  bis  hef- 
tige und  andauemde  Ausbrüche  des  Aetna,  oder  nach  Anderen  die  Ankunft  der 
S&eler,  sie  aus  den  östlichen  Theilen  derselben  verscheuchten. 

Welches  ihre  Städte  waren,  darüber  ist  nur  wenig  bekannt.  Wo  sie  einst 
im  östlichen  Theile  der  Insel  wohnten,  lässt  sich  natürlich  gar  nicht  bestimmen, 
aber  auch  über  die  damals  und  später  von  ihnen  im  Westen  bewohnten  Orte 
geben  unsere  Quellen  nur  spärliche  Auskunft. 

Unter  den  bei  den  alten  Schriftsteliem  ausdrücklich  als  sikanisch  bezeich- 
neten Orten  ist  zuerst  Kamikos  zu  nennen,  das  gewöhnlich  als  Herrschei^sitz 
des  Kokalos  genannt  wird  und,  wie  wir  wissen,  von  Daidalos  noch  beson-^ 
ders  befestigt  sein  soll.  Weil  nun  ein  Theil  der  Stadt  Akragas,  deren  Um- 
gebung später  vorzugsweise  den  Namen  Sikania  führte,  hoch  auf  einem  von 
Höhlen  durchzogenen,  schwer  zugänglichen  Berge  liegt,  so  haben  Manche,  die 
in  diesen  Hohlen  und  dem  schmalen  Zugange  die  Daidalos  zugeschriebenen  Ar- 
beiten zu  erkennen  glaubten,  den  Theil  von  Akragas,  auf  welchen  sich  das 
heutige  ixljqgenti  beschränkt  hat,  für  das  alte  Kamikos  erklärt.  Aber  mehrere 
Stellen  der  Alten  sprechen  deutlich  gegen  eine  solche  Annahme.  Duris  nennt 
neben  Akragas  unter  den  Städten,  welche  mit  vorbeiströmenden  Flüssen  gleich-r 
namig  seien,  auch  Kamikos.  Hippokrates  und  Kapys,  Vettem  des  akragantini- 
schen  Tyrannen  Theron,  hatten  Kamikos  inne,  während  Akragas  dem  Theron 
gehorchte.  Als  die  Römer  im  ersten  punischen  Kriege  Akragas  schon  eingenom- 


50  Erstes  Buch.    IV.  Die  Ureinwobner. 

men  hatten,  belagerten  und  eroberten  sie  noch  Ramikos.  Sirabon  endlidi ,  zu 
dessen  Zeit  Akragas  nicht  unbe'deatend  war,  bezeichnet  Kaniikos  als' eine  ver- 
lassene Stadt.  Da  es  somit  ein  Kaniikos  gab,  das  von  Akragas  verschieden  war, 
so  haben  Einige,  die  durchaus  in  der  Stadt  des  Kokalos  Akragas  sehen  wollten, 
gemeint,  es  habe  zwei  Kamikos  gegeben,  von  denen  das  eine  später  zu  Akragas 
geworden  sei.  Aber  auch  zu  fieser  Annahme  liegt  nicht  die  geringste  Veran— 
lassung  vor ,  denn  der  Umstand ,  dass  die  locale  Tradition  in  Girgenti  seit  ge- 
raumer Zeit  diesen  Theil  des  alten  Akragas  für  Kamikos  erklärt,  beweist  nur, 
dass  diese  zuerst  von  einem  Gelehrten  (Pancrazi)  aufgestellte  Ansicht  allmSihlidi 
populär  geworden  ist.  Es  muss  also  dabei  bleiben ,  dass  Kamikos  nicht  das 
jetzige  Girgenti  war.  Manche  haben  es  an  der  Stelle,  wo  sich  gegenwärtig  fiber 
dem  am  F.  delle  Canne  gelegenen  Orte  Siculiana  ein  im  Jahre  \  350  errichtetes 
Schloss  erhebt,  gesucht,  aber  die  Lage  dieses  Ortes  passt  nicht.  Schubring 
glaubt,  dass  Kamikos  obertialb  Caitabellotta's  stand,  an  einem  der  merkwürdig- 
sten Punkte  des  westlichen  Siciliens.  Hier  umschliesst  eine  Reihe  von  schroffen. 
Felsgabeln  im  Halbkreise  ein  nach  Süden  sich  öfihendes  Hochland,  und  die 
höchste  derselben,  welche  die  Mitte  einnimmt,  das  sogenannte  Gastello,  dessen 
Gipfel  94^  Meter  über  das  Meer  jansteigt ,  passt  überdies  noch  durch  die  Enge 
ihres  Aufgangs  vortrefflich  f&r  Kamikos.  Man  kann  jedoch  auch  die  Ruinen  auf 
dem  Berge  Platanella ,  am  linken  Ufer  des  Macasoli,  wo  an  dem  Orte  La  Galata 
sieh  eine  fast  unzugänglidie  Festung  von  einer  Millie  Umfang  erhebt ,  ftir  das 
alte  Kamikos  halten ,  wenigstens  spridit  das  oben  über  die  Flussnamen  dieser 
Gegend  Bemerkte  gegen  CaltabeFlotta,  dessen  Fluss  einen  anderen  Namen  führte 
als  Kamikos. 

An  der  Stelle  von  Kamikos  galt  bei  Andern  als  Hauptstadt  des  Kokalos  die 
Stadt  In  ykon.  Cluver  sucht  dies,  auf  sehr  schwache  Gründe  gestützt,  welche 
auf  die  Nachbarschaft  des  Hypsaflusses  hinzudeuten  scheinen,  links  von  der 
Mündung  des  Beiice. 

Verhältnissmässig  am  besten  bekannt  ist  unter  den  als  sikanisch  ausdrück- 
lich bezeugten  Städten  die  Lage  von  Hykkara,  das  von  den  Athenern  unter 
Nikias  zerstört  wurde  und  im  Allerthum  als  die  Vaterstadt  einer  der  Buhlerin— 
nen ,  die  den  Namen  Lais  fühlten ,  berühmt  war.  Der  Name  Hykkara  soll  auf 
Fische,  welche  Hykai  hiessen ,  hindeuten.  Eine  alte  Ueberiieferung,  der  schon 
Fazell  folgt,  sucht  Hykkara  veestlich  von  Palermo  am  Ufer  des  Meerbusens,  der 
im  Osten  von  der  kleinen  Isola  delle  femmine  begrenzt  wird ,  da ,  wo  an  einem 
Garbolangi  genannten  Orte  sich  einige  Mauerreste  finden.  3  Millien  landeinwärts 
liegt  die  Stadt  Carini,  die  ihren  Namen  von  Hykkara  herleitet. 

Nahe  der  Südküste  dagegen,  im  Osten  von  Akragas,  haben  wir  die  sika— 
nische  Stadt  Omphake  zu  suchen,  bei  deren  Eroberung  Antiphemos,  der 
Gründer  von  Gela ,  eine  von  Daidalos  verfertigte  Bildsäule  erbeutete.  Cluver's 
eigenthümliche  Hypothese ,  Omphake  sei  jene  von  Daidalos  befestigte  Stadt  des 
Kokalos  und  kein  anderer  Ort  als  das  heutige  Girgenti  gewesen,  hat  keinen 
Beifall  finden  können. 

Ganz  und' gar  unbekannt  ist  sodann  die  I^ge  folgender  sikafnischer  Städte : 
1  n  d  a  r  a ,  das  Stephanos  erwähnt ;  K  r  a  s  t  o  s ,  woher  nach  Einigen  der  Dichter 
Epicharmos  stammle,  und  das  durch  die  Schönheit  seiner  Frauen  berühmt  war ; 


SikaDerstädte.  61 

• 

l'essa ,  wo  zur  Zeit  des  Phalaris  der  KOnig  Teutes  regierte ;  endlich  Miskera, 
das  DQan  mit  Makara,  d.  li.  Herakleia  M inoa  hat  identificiren  wollen. 

IHe  so  eben  aufgezahlten  Orte,  die  einzigen,  welche  den  Sikanem  in  unsern 
Quellen  ausdrücklich  zugeschrieben  werden,  sind  in  späterer  Zeit  ganz  un- 
bedeotend.  Aber  es  kommen  in  der  Westhälfte  der  Insel  noch  manche  andere 
Ortschaften  vor,  von  denen  venuulhet  werden  moss,  dass  sie  sikanisch  waren, 
wenn  auch  kein  antiker  Schriftsteller  es  ausdrücklich  sagt.  Denn  in  dieser 
Gegend  wohnten  ausser  den  Sikanern  nur  nodi  drei  Völkerschaften,  Ph(^icier, 
£lymer  und  Griechen,  und  wir  glauben  mit  Sicherheit  angeben  zu  können, 
weiches  die  Städte  waren,  die  diese  nach  den  Sikanem  von  auswärts  her- 
gekommenen Stämme  inne  hatten.  So  liegt  also  die  Annahme  nahe ,  dass  alle 
übrigen  Wohnsitze  dieses  Landstriches  den  sikanischen  ürbewohnem  gehörten. 

Unter  den  Orten,  die  wir  aus  diesem  Grunde  für  sikanisch  zu  halten  haben, 
nenne  ich,  von  Westen  anfangend,  zuerst  Halikyai.  Zwar  bei  Thukydides 
erscheint  diese  Stadt  neben  Kentoripa  als  sikelisch,  und  man  könnte  sonach 
versucht  sein,  Halikyai  in  Kentoripa's  Nähe  im  Osten  der  Insel  zu  suchen ;  aber 
Theopomp  setzt  es  zwischen  Entelia  und  Lilybaion,  und  in  den  Kriegen  zwischen 
Dionys  und  den  Karthagern  kommt  es  in  enger  Verbindung  mit  den  Egestäem 
vor.  Deshalb  hat  denn  auch  die  sinnreiche  Gombination  Cluver's ,  der  in  dem 
Namen  der  auf  einer  Anhöhe  rechts  vom  Flusse  delie  Arene,  442  Meter  über  dem 
Meere,  da,  wo  das  bis  dahin  enge  Thal  sich  öShet,  malerisch  gelegenen  Stadt 
Salemi  eine  Uebertragung  des  Weites  Halikyai  zu  finden  glaubte  —  beide  W^örter 
sollten  auf  Salz  hindeuten  —  und  deshalb  Salemi  für  das  alte  Halikyai  erklärte, 
allgemeinen  Beifall  gefunden.  Allerdings  ist  nichts  Ungewisser,  als  der  Zusam- 
menhang beider  Namen ,  aber  die  Lage  von  Salemi  passt  vortreflTlich  für  die 
Bedeutung  einer  Stadt  wie  Halikyai. 

Nordöstlich  von  Salemi  Hegen  auf  einem  nur  von  einer  Seite  zugänglichen, 
über  700  Meter  hohen  Berggipfel  zwischen  dem  Beiice  und  den  Quellen  des 
Flusses  Jati ,  der  sich  in  den  Golf  von  Castellamare  ergiesst ,  neben  dem  Orte 
S.  Giuseppe  die  Ruinen  der  von  Friedrich  iL  zerstörten  Stadt  Jato.  Es  war 
ohne  Zweifel  das  alte,  sonst  unbekannte  letai  oder  laitia,  falls  diese  zwei 
Namen  überhaupt  d^iselben  Ort  bezeichnen. 

W^o  das  von  Ptolemaios  nördlieh  vom  Kratasberge  angesetzte  Sehers 
gelegen  haben  mag,  ist  nicht  genau  zu  bestimmen.  Cluver  findet  es  in  dem  im 
Gebirge  zwischen  den  Queilarmen  des  Beiice  liegenden  Gorleone  wieder.  Die 
durch  die  SUavenkriege  berühmt  gewordene  Stadt  Triokala  sollte  äiren 
Namen  von  den  drei  Vorzügen  haben ,  die  sie  auszeichneten :  eine  feste  Lage, 
Ueberfluss  an  Wasser  und  ein  fruchtbares ,  besonders  an  Weinstöcken  reiches 
Gebiet.  Sie  lag,  der  herrschenden  Annahme  zufolge,  21 00  Meter  stkiöstlich  von 
dem  jetzigen  Galtabellotta  auf  einem  270  Meter  über  dem  Meere  erhabenen 
Bergvorsprunge  am  Saume  fruchtbarer  Gefilde,  in  denen  noch  der  Weinbau 
blüht,  an  der  Stelle,  wo  sich  heutzutage  neben  dem  Orte  S.  Anna  die  Kapelle 
der  S.  Maria  a  Monte  Vergine  erhebt.  Die  jetzt  nicht  mehr  vorhandene  Kirche 
S.  Giorgio ,  welche  nach  FazeU  von  dem  Grafen  Roger  wegen  eines  über  die 
Saracenen  gewonnenen  Sieges  erbaut  wurde,  führte  den  Beinamen  von  Triokala. 
Freiiidi  triflll  hier  der  eine  der  Vorzüge ,   die  grosse  Festigkeit  des  Ortes ,  nicht 


62  Erstes  Buch.    IV.  Die  Ureinwohner. 

i 

ZU,  so  (iass  Schubring  den  Gedanken  ausgesprochen  hat,  die  Stadt  mö^te  von 
den  empörten  Sklaven  an  die  Sielte  des  damals  schon  lange  zerstörten  Kamikos 
auf  den  Castellberg  oberhalb  Galtabellotta's  veriegt  worden  sein.  Unfern  von 
Triokala  lag  das  ebenfalls  in  der  Geschichte  der  Sklavenkriege  erwähnte  Skir- 
thaia,  das  Gluver  in  dem  links'vom  F.  di  Galtabellotta  1600  Meter  nordöstlich 
vom  Orte  S.  Carlo  in  einer  Höhe  von  449  Meter  auf  steilem  Felsen  gelegenen 
Acristia,  einer  schon  zu  Fazell's  Zeit  verlassenen  Stadt,  sucht. 

In  den  Ruinen  auf  einer  Höhe  zwischen  den  Bergen  Pecuraro  und  Plala— 
nella ,  7  Millien  landeinwärts  von  der  Stätte  Herakleia's  vermuthet  Gluver  die 
alte  Stadt  A  n  k  y  r  a  i.  Nun  wird  allerdings  diese  Stadt  zur  Zeit  des  Dionys  aus- 
drücklich als  nicht  den  Sikanem  angehörig  bezeichnet,  aber  da  sie  ursprUnglidi 
weder  Phöniciem,  noch  Eiymern,  noch  Griechen  gehörte,  so  dürfen  wir  sie  als 
anfangs  von  Sikanem  bewohnt  ansehen. 

Im  akragantinischen  Gebiete  lag  Herb essos,  das  Fazell  ohne  recht  trif- 
tigen Grund  in  Le  Grotte,  zwischen  Gomitini  und  Regalmuto,  einige  Millien  süd- 
lich vom  Salitoflusse,  wiederfindet. 

Endlich  muss  erwähnt  werden,  dass  es  vielleicht  eine  Sikanei*stadt  Nisa 
gab.  In  den  alten  Schriftstellern  kommt  dieser  Name  freilich  nicht  vor ;  aber  die 
Stadt  Caltanisetta ,  eine  in  geringer  Entfernung  westlidi  vom  südlichen  Himera 
auf  einem  Berge  gelegene  Provinzialhauptstadt,  enthält  oder  enthielt  zwei  für  antik 
gehaltene  Inschriften,  eine  griechische  und  eine  lateinische,*  welche  vermuthen 
lassen,  dass  hier  ein  antiker  Ort,  Namens  Nisa ,  stand,  der  selbst  dann  für 
sikanisch  zu  halten  wäre,  wenn  man,  vrie  gewöhnlich  geschieht ,  den  Lauf  der 
beiden  Himera  als  die  Grenzlinie  zvrischen  Sikanem  und  Sikelem  betrachtet. 
Ich  möchte,  jedoch,  da  die  Gründer  von  Gela  schwere  Kämpfe  mit  den  Sikanem 
zu  bestehen  hatten,  die  Grenze  im  Süden  vielmehr  durch  den  Gelafluss,  den 
F.  di  Terranova,  gebildet  denken. 

Die  sikanischen  Ortschaften  lagen  grösstentheils  auf  Anhöhen.  Schon  Diodor 
sagt  von  den  Sikanem,  dass  sie,  mit  Ackerbau  beschäftigt,  in  einzelnen  offenen 
Weilern  wohnten ,  aber  auf  den  Höhen  Burgen  hatten ,  in  die  sie  sich  in  Zeiten 
der  Gefahr  zurückzogen.  Es  ist  dieselbe  Lebensweise,  wie  sie  z.  B.  von  den  alten 
Latinern  berichtet  wird.  Eine  Ausnahme  macht  von  den  uns  bekannten  sikani- 
schen Orten  nur  Hykkara ,  das  wir  uns  als  eine  vorzugsweise  zum  Behufe  des 
Fischfanges  gegründete  Niederlassung  zu  denken  haben. 

DieJSikaner  gehorchten  nicht  einem  einzigen  Fürsten;  jede  Stadt  hatte 
ihren  besonderen  Herrscher.  Es  ist  ausdrücklich  überliefert,  dass  sie  die  Aphro- 
dite vom  Berge  Eryx  eifrig  verehrten.  Im  Uebrigen  mag  ihre  Religion  der  der 
Sikoler  ähnlich  gewesen  sein. 

Von  ihrer  Geschichte  ist  nichts  zu  berichten,  als  was  vielleidit  in  den  im 
vorigen  Kapitel  erzählten  Sagen  steckt.  Damach  erscheinen  sie  wie  eine  träge 
Masse,  in  welche  die  Fremden  —  Daidalos,  Herakles  —  einige  Bewegung  und 
einiges  Leben  bringen.  Von  diesen  Fremden  werden  wir  bald  zu  sprechen 
haben. 

Wir  kommen  jetzt  zu  den  Sikelern,  welche  an  Macht  und  Bedeutung 
ihre  sikanischen  Brüder  weit  übertrafen.  Sie  gelten  allgemein  als  Eingewan- 
derte, und  man  hat  sogar  versucht,  die  Zeit  ihrer  Einwandemng  zu  fixiren. 


Sikeler.  ^  63 

Im  Einzelnen  weichen  die  Ansichten  der  Alien  jedoch  vielfach  sowohl  hierüber 
wie  über  ihre  Herkunft  unter  einander  ab.  Wenn  wir  die  Berichte  nach  der 
Zeitfolge  der  Gewährsmänner  ordnen,  so  waren  nach  Hellanikos  die  Sikeler 
Ausoner,  die  unter  dem  Könige  Sikelos  vor  lapygiern  flohen,  und  ihre  Einwan- 
derung in  Sicilien  fiel  in  das  dritte  Menschenalter  vor  dem  ti*ojanischen  Kriege, 
als  Alkyone  das  26ste  Jahr  Priesterin  in  Argos  war,  also  in  das  13.  Jahrhun- 
dert V.  Chr.  Dann  kommen  die  höchst  fragmentarisch  erhaltenen  Nachrichten 
des  Syrakusaners  Antiochos.  Ein  Bruchstück  derselben  lehrt  uns,  dass  die 
Sikeler  von  Oenotriem  und  Opikem  aus  Italien  vertrieben  sind ,  und  ein  zwei- 
tes, wie  Anfangs  Oenotrier  in  Italien  wohnten,  die  durch  den  König  Morges  zu 
Morgeten  wurden,  und  zu  Sikelern,  als  Sikelos,  der  nach  einem  dritten  Frag- 
mente aus  Rom  kam,  unter  dem  Volke  des  Morges  Unruhen  erregle.  Thukydi- 
des  erzählt  von  den  Sikelem,  dass  sie,  von  den  Opikem  vertrieben,  aus  Italien 
nach  Sicilien  gegangen  seien ,  indem  sie  bei  günstigem  Winde  auf  Flössen  oder 
auf  andere  Weise  die  Meerenge  überschritten.  Sie  besiegten  die  Sikaner  und 
nöthigten  sie,  nach  den  westlichen  Gegenden  der  Insel  zu  ziehen.  Dies  geschah 
etwa  300  Jahre  vor. der  Einwanderung  der  Griechen,  also  um  1030  v.  Chr. 
Nach  Phiiistos  fand  dagegen  die  Einwanderung  80  Jahre  vor  dem  trojanischen 
Kriege  Statt,  eine  Annahme,  in  welcher  dieser  Schriftsteller  mit  Hellaüikos 
übereinstinunt,  von  Thukydides  dagegen  um  etwa  zwei  Jahrhunderte  abweicht. 
Nach  ihm  waren  die  Sikeler  Ligurer,  geführt  von  Sikelos,  dem  Sohne  des 
Italos ,  und  die  sie  vertrieben ,  Umbrer  und  Pelasger.  Dionys  von  Halikamass 
hat  endlich  aus  älteren  Schriftstellern  die  Nachricht  entlehnt,  dass  die  Sikeler 
von  den  über  Thessalien,  Epirus,  die  Pomündungen  und  Urobrien  eingewan- 
derten Pelasgem  und  den  um  Reate  heimischen  Aboriginern  aus  der  Gegend 
von  Rom  vertrieben  nach  Süden  gewandert  seien  und ,  von  der  Südströmung 
begünstigt ,  die  Meerenge  auf  Flössen  überschritten  hätten ,  dann  aber  wie  es 
scheint  ^Ibst  den  Irrthuro  hinzugefügt,  dass  sie  sich  zuerst  im  Westen  Siciliens 
niederliessen. 

Es  geht  aus  di^en  Berichten  mit  Sicherheit  hervor ,  dass  die  Sikeler  aus 
Italien,  wo  sie  angesiedelt  waren,  nach  Sicilien  kamen.  Nun  wissen  wir,  dass 
eine  Anzahl  Städte  des  unteren  Tibergebietes,  wie  unter  andern  Rom  selbst, 
ursprünglich  von  Sikelem  bewohnt  war,  deren  Gebiet  sich  von  Falerii  bis  Ari- 
cia,  vom  Giminischen  Walde  bis  zum  AJbanergebirge  erstreckt  zu  haben  scheint. 
Wenn  sie  nun  in  der  italischen  Geschichte  nur  als  schon  früh  vertriebene  Ein- 
wohner Latiums  erscheinen ,  so  ergiebt  sich  dagegen  aus  anderweitigen  Zeug- 
nissen, dass  sie  mit  den  Römern  stammverwandt  v^ren,  wofür  ein  schlagender 
Beweis  in  den  geringen  Ueberresten  liegt,  die  wir  von  ihrer  Sprache  besitzen. 
Die  sicilischen  Griechen  nannten  nach  Varro  einen  Hasen  leporis  und  eine 
Schüssel  katinon ,  Ausdrücke ,  die  mit  den  lateinischen  leporem  und  catinum 
vollständig  übereinstimmen.  Es  ist  nicht  anzunehmen ,  dass  sie  diese  Worte 
von  den  Römern  entlehnt  hatten;  sie  werden  vielmehr,  wie  so  manche  andere, 
aus  der  Sprache  der  Sikeler  in  die  griechische  übergegangen  sein.  Noch  deut- 
licher spricht  aber  Folgendes.  Stepfaanos  sagt  bei  der  Angabe ,  dass  die  Stadt 
Gela  nach  dem  Flusse  Gela  l>enannt  sei ,  dass  dieser  Fluss  so  heisse ,  weil  er 
vielen  Reif  erzeuge,  und  Reif  heisse'  in  der  Sprache  der  Sikeler  und  Opiker 


54  Erstes  Buch.    IV.  Die  Ureinwohner. 

geia.  Hier  ist  einerseits  die  Aehnlichkeit  mit  dem  lateinischen  gelu  unverkenn- 
bar y  und  andererseits  ist  die  ausdrückliche  Angabe ,  dass  die  Sikeier  und  die 
jOpiker  oder  Osker,  ein  acht  italisdies  Yolk^  gemeinsame  AusdrUdLe  hatten,  von 
grosser  Bedeutung.  Die  Sikeier  erweisen  sidk  also  auch  durch  ihre  l^rache  als 
ein  Volk  italischen  Stammes,  als^eine  desx  Oskem  und  Latinern  nahe  verwandte 
Nation.  Sie  lassen  sich  aber  noch  weiter  zurück  in  ihre  früheren  Wohnsitze 
verfolgen ,  und  diese  Spuren  weisen ,  weit  weg  von  dem  ligurischen  Lande, 
wohin  uns  Philistos  führen  möchte,  vielmehr  zunächst  nadi  Picenum  und  so- 
dann nach  Epeiros,  wo  in  alter  Zeit  Sikeier  gewohnt  zu  haben  scheinen,  ja  nach 
Macedonien,  in  dessen  mit  dem  Griechischen  nahe  verwandter  Sprache  das 
sikelische  Wort  zankie ,  Sichel ,  seine  Ericlärung  findet.  Wir  dürfen  somit  be- 
haupten ,  dass .  das  Volk  der  Sikeier  dem  grossen  Stamme  angehörte ,  welcher 
die  gemeinschaftliche  Wurzel  für  Griechen  wie  für  Römer  bildete,  dem  Stamme, 
den  man  bisweilen  den  Pelasgischen  genannt  hat ,  und  dass  sie  von  der  Halb- 
insel des  Hämus  über  die  des  Apennin  nach  der  Insel  gewandert  sind,  die  ihren 
Namen  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  hat. 

Als  ein  Zweig  der  Sikeier  sind  nach  dem  oben  aus  Antiochos  Angeführten 
die  Morgeten  zu  betrachten,  von  denen  Strabon  ausdrücklich  sagt,  dass  sie 
aus  Italien  nach  Sicilien  zogen.  Doch  kommen  sie  in  Sicüien  selbst  nicht  weiter 
als  besonderer  Stamm  in  der  Geschichte  vor.  Man  leitet  gewöhnlich  von  ihrem 
Namen  den  der  Stadt  Morgantia  her ,  und  die  Stadt  Galaria  gtebt  sieh  dadurch 
als  ihnen  angehörig  kund,  dass  Morges  als  ihr  Gründer  gilt. 

In  der  südwestlichen  Spitze  Unteritaliens  sind  noch  längere  Zeit  sikelische 
Schaaren  wohnhaft  geblieben. .  Als  im  achten  Jahrhundert  vor  Chr.  die  ersten 
griechischen  Kolonisten  in  diese  Gegenden  kamen,  fanden  sie  dort  Sikeier,  und 
Thukydides  versichert ,  dass  sie  noch  zu  seiner  Zeit ,  also  drei  Jahrhund^te 
später,  dort  ansässig  waren. 

Die  Sikder  erscheinen  um  die  Zeit ,  wo  wir  sie  uns  auf  der  Wanderung 
nach  Sicilien  begriffen  denken  müssen ,  als  ein  rauhes  Volk,  das  bei  den  west- 
lichen Hellenen  in  schlechtem  Rufe  stand;  das  geht  aus  der  Stelle  der  Odyssee 
hervor,  wo  die  Freier  dem  Telemach  rathen,  lästige  Fremdlinge  zu  Schiffe 
bringen  und  zu  den  Sikdern  schaffen  zu  lassen,  wo  man  einen  guten  Pi*eis  für 
sie  erzielen  könne.  Sie  würden  darnach  Sklavenhandel  getrieben  haben.  Nun 
sind  neuerdings  Urkunden  bekannt  geworden,  die,  wenn  ihre  Deutung  auf  die 
Sikeier  keine  irrige  ist ,  uns  in  derselben  Richtung  überraschende  Aufschlüsse 
über  ihre  ältere,  vielleicht  versicilische  Geschichte  geben.  Es  ist  eine  hieix>gly- 
phische  Inschrift  von  Kamak  (Theben) ,  welche  einen  Bericht  über  einen  Einfall 
von  Fremden  in  Aegypten  zur  Zeit  des  Merenptah ,  des  Nachfolgers  des  grossen 
Eroberers  Ramses  mithält.  Diese  Fremden  sind  theiis  Afrikaner,  vor  Allen  Rebu 
(Libyer) ,  theiis  Völker  der  »Gegenden  des  Meeres«,  wie  die  Inschrift  sagt,  näm- 
lich die  Tursa ,  die  eigentlichen  Veranstalter  des  Zuges ,  die  Sardaina,  die  Sa- 
kalas,  die  Akaios  und  die  Leku,  in  denen  wir  wohl  mit  dem  Vicomte  de  Rouge 
die  seeräuberischen  Tyrrhener,  die  Sardinier,  die  Achäer,  die  Lykier,  (vielleicht 
die  Leleger)  und  die  Sikeier  erken^ien  dürfen.  Der  Kampf  endete  mit  einer 
vollständigen  Niederlage  der  Eindringlinge.  Von  den  Sakalas  scheinen  222  ge- 
fangen, 250  getödtet  zu  sein,  deren  Hände  als  Siegeszeichen  dem  Könige  über- 


Sikeler.  65 

bracht  wurden.  Aueh  unter  Ramses  IIL  hören  wir  noch  einmal  von  einem 
Siege  der  Aegypter  über  die  mit  anderen  Bundesgenossen  auftretenden  Sakalas. 
Es  ist  nun  an  sieb  nicht  unwahrscheinlich^  dass  die  Sikeler,  die  ja  nach  Stlden 
vorwärts  drängten,  sich  unter  der  Leitung  der  £tru5ker  in  Verbindung  mit  den 
SardiDiem  auf  Seeraufo  und  zuletzt  sogar  auf  eine  Expedition  nach  Aegypten 
eingelassen  haben  sollten,  und  wenn  wir  Merenptah's  Kegierungszeit  4217 
— 1196,  den  Anfang  derjenigen ' Ramses^  HL  aber  1184  ansetzen,  so  wäre 
dies  gerade  die  Zeit,  wo  die  Sikeler  nach  Einigen,  bereits  in  Sicilien  waren, 
nach  Anderen  sich  allerdings  noch  in  Italien  befanden,  aber,  wie  wir  annehmen 
dürfen ,  schon  von  leMiaftem  Verlangen  nach  neuen  Wohnsitzen,  nach  regerer 
£riegsthätigkeit  beseelt. 

Ueber  die  Art  und  Weise  ihrer  Uebei^siedelung  nach  Sicilien  ist  eine  An- 
deutung in  der  oben  erwähnten  Sage  erhalten,  dass  Liparos,  Auson^s  Sohn,  von 
seinen  Brüdern  vertrieben,  nach  den  Aeolischen  Inseln  üoh,  und  dass  die  Söhne 
seines  Nachfolgers  Aiolos  auch  Sicilien  sowie  einen  Theil  von  Unteritalien  be- 
herrschten. Hieraus  wird  man  schliessen  dürfen,  dass  ein  Theil  der  ausonischen 
Sikeler  von  Italien  nach  den  Liparischen  Inseln  zog,  und  dass  diese  Inseln  schon, 
ehe  noch  Sicilien  selbst  unterworfen  war,  einen  Uauptsitz  der  sikelischen  Macht 
bildeten. 

Verschieden  von  den  Sikanem ,  deren  Spui*en  auf  Sicilien  die  Geschichte 
mühsam  aufsuchen  muss ,  erscheinen  die  Sikeler  der  Insel  noch  mehrere  Jahr- 
hunderte nach  der  Ansiedlung  der  Griechen  als  ein  thätiges  und  bedeutendes 
Volk.  Es  ist  deshalb  auch  leichter,  über  di^  von  ihnen  bewohnten  Städte  Mit- 
theilungen zu  machen.  Hier  ist  zunächst  bemerkenswerth ,  dass  diejenigen, 
welche  auch  später  noch,  zur  Zeit,  da  die  Griechen  das  Uebergewicht  auf  der 
Insel  hatten,  als  sikelisch  bezeichnet  werden,  gi*össtentheils  im  Innern  lagen. 
Von  den  Rüsten,  wo  sie  anfangs  ebenfalls  wohnten,  wenn  sie  auch,  wde  die 
Sage  von  ihrer  Fahrt  über  die  Meerenge  auf  Flössen  zeigt,  später  nicht  recht 
mehr  für  ein  seefahrendes  Volk  galten ,  wurden  sie  im  Grossen  und  Ganzen 
durch  die  Griechen  verdrängt ,  und  wenn  auch  später  noch  manche  sikelische 
Gemeinden  am  Meeresufer  sassen ,  so  waren  doch  Wesen  und  Bedeutung  des 
Volkes  der  Sikeler  die  von  Bewohnern  des  Innern.  Es  kann  deshalb  nicht  un- 
angemessen erscheinen ,  wenn  wir  bei  der  Schilderung  der  Wohnsitze  dieses 
vor  den  Gnechen  nach  der  Insel  gekommenen  Volkes  doch  die  Zeit  zu  Grunde 
legen ,  da  die  Griechen  ihnen  schon  lästige  Nachbaren  geworden  waren.  Und 
da  dürfen  wir,  um  zu  erforschen,  weiche  Städte  sikelisch  waren,  wieder  das- 
selbe Verfahren  anwenden,  wie  oben  für  die  Sikaner.  In  der  Osthälfte  der  Insel 
kommen  nur  Griechen  und  Sikeler  vor;  wir  können  also  getrost  alle  alten 
Städte  dieses  Tbeils ,  die  nicht  nach  sicheren  Spuren  für  griechische  zu  halten 
sind,  den  Sikelem  zuweisen. 

Die  sikelischen  Städte  lassen  sich  in  drei  Gruppen  sondern,  eine  nördliche, 
eine  mittlere  und  eine  südliche,  welche  letztere  nicht  fehlen  darf,  wenngleich 
Thukydides  dip  Sikeler  nur  im  Norden  und  in  der  Mitte  der  Insel  wohnen  lässt. 
Ich  betrachte  zuerst  die  mittlere ,  welche  den  Kern  des  Volkes  enthielt.  Sie 
umfasst  das  grosse  Stromgebiet  des  Symaithos  in  seiner  weitesten  Ausdehnung, 
wie  ich  es  oben  zu  schildern  versucht  habe.    Hier  lag  auf  Berghöhen  eine  be- 

Holm,  Oescb.  Sieiliens.  I.  5 


66  Erstes  Buch.    IV.  Die  Ureinwohner.         *    * 

trächtliche  Menge  von  grösseren  und  kleineren  sikelisdien  Ortschaften ;  hier, 
in  einem  durch  den  Aetna  von  der  Küste  und  dem  Seeverkehre  abgeschiedenen 
Berglande  hat  ISlngere  Zeit  hindurch  ein  eigenthüroliches  und  höchst  mannig- 
faltiges ,  von  dem  griechischen  wesentlich  verschiedenes  nationales  Leben  ge- 
bltlht,  tiber  das  uns  leider  nur  äusserst  Wenige  Nachrichten  erhalten  sind. 

Wenn  wir  dies  Land  von  Norden  her  durchforschen ,  so  finden  wir  im 
Bereiche  des  dem  Aetna  zunächst  fliessenden  Symaithosarmes  Spuren  einer 
alten ,  wahrscheinlich  den  Sikeiem  angehörigen  Stadt  in  dem  heutigen  Traina 
oder  Troina.  Dieser  Ort  ist  auf  dem  Gipfel  eines  Berges  erbaut,  der,  von  Osten 
gesehen,  die  Gestalt  eines  abgestumpften  Kegels  hat,  und  der  sich  über  3000 
.  Tuss  erhebt ,  so  dass  die  Stadt  oft  Tage  lang  den  Blicken  der  Umwohner  durch 
Wolken  entzogen  ist.*  An  diesem  festen  Punkte  hat  die  Burg  emer  alten  Stadt 
gestanden,  in  der  Cluver  Imachara  vermutbete,  das  Cicero  mit  Städten  des 
Symaithosgebietes  zusammen  nennt,  andere  Herbita,  eine  Stadt,  die  im 
5ten  Jahrhundert  vor  Chr.  sich  bei  der  von  Duketios  veranstalteten  Gründung 
von  Kaiakte  betheiligte ,  im  4ten  aber,  zur  Zeit  des  älteren  Dionys ,  eine  solche 
Bedeutung  erlangt  hatte,  dass  sie  selbständig  an  der  Nordküste  der  Insel  eine 
Kolonie,  die  Stadt  Alaisa,  gründen  konnte ,  welche  zum  Unterschiede  von  an— 
deren  uns  unbekannt  gebliebenen  sikelischen  Städten:  desselben  Namens  nach 
dem  Beherrscher  Herbita's  Alaisa  Archonideios  hiess.  Noch  zu  Cicero's  und 
später  zu  Ptolemaios'  Zeit  war  Herbita  angesehen.  Ausserdem  stand  noch  links 
von  demselben  Flusse,  unfern  von  seiner  Vereinigung  mit  dem  nächstfolgenden 
Symaithosarme ,  am  Fusse  des  Aetna  seit  alter  Zeit  ein  Tempel  des  Gottes  Ha- 
dranos,  bei  welchem  der  ältere  Dionys  die  Stadt  Hadranon  gründete,  das  heu- 
tige Ademö. 

Dem  Gebiete  des  zweiten  und  dritten  Flusses,  des  Kyamosoros  (Salso]  und 
des  Chrysas  (Dittaino)  gehörten  dagegen  mehrere  der  bedeutendsten  l^keler- 
Städte  an,  von  denen  die  wichtigsten  zwischen  den  beiden  Flüssen  auf  der  Höhe 
erbaut  waren.  Hier  liegt  ganz  im  Norden  am  Abhänge  des  Hayptgebirgszuges 
die  Stadt  Capizzi,  das  alte  Kapytion,  ein  unbedeutender  Ort,  der  sicher 
sikelischen  Ursprungs  war.  Man  hat  den  Namen  von  der  eigenthümlichen  Gestalt 
des  Hügels ,  auf  welchem  die  Stadt  erbaut  ist ,  und  der  einem  menschlichen 
Kopfe  ähnlich  sieht,  hergeleitet.  Südwestlich  von  Capizzi  liegt  inmitten  einer 
wilden,  felsigen  Landschaft ,  auf  dem  Gipfel  des  schroffen,  kegelfonnigen  Mte. 
S.  Giovanni,  zwischen  zwei  Quellfltlssen  des  F.  Salso  die  Stadt  Nicosia ,  und 
unweit  davon  im  Westen  auf  einem  anderen  Berge  das  Castell  Sperlinga ,  be- 
rühmt durch  die  Zuflucht,  die  es,  allein  von  allen  Orten  Siciliens,  in  der 
Schreckenszeit  der  Vesper  den  Franzosen  gewährte.  An  einem  dieser  beiden 
Punkte  und  zwar  meistens  an  der  Stelle  von  Sperlinga,  wo  zur  Zeit  d^s  Aretius 
noch  antike  Trümmer  zu  sehen  waren ,  wo  aber  bereits  Houel  keine  anderen 
Spuren  des  Alterthums  mehr  fand ,  als  Grotten ,  pflegt  man  gewöhnlich  das  so 
eben  besprochene  Herbita  zu  suchen. 

Weiter  abwärts  liegt  tinks  vom  Salso  auf  einem  steilen  Granitfelsen  der 
Ort  Gagliano,  in  dem  man  das  von  Morges  gegründete  Galaria  vermuthet. 

Auf  dem  Hochlande ,  das  den  Salso  vom  Dittaino  trennt ,  lag  in  der  Nähe 
des  südlicheren  der  beiden  Flüsse  auf  einer  Anhöhe  die  Stadt  As  so  res,  das 


'         Siketerstiidte  der  mittleren  Gruppe.  67 

jetzige  Asaro ,  ein  kleiner ,  elender  Ort  in  der  Nahe  des  grösseren  Leonforte. 
Assoros,  das  zur  Zeit  des  Dionys  nicht  die  letzte  Stelle  unter  den  sikeliscben 
Städten  einnahm,  war,  als  Cicero  Sicilien  kennen  lernte,  bereits  unbedeutend 
geworden.  Der  ROmer  erwähnt  den  Tempel  des  Flussgottes  Ghrysas,  der  am 
Wege  von  Assoros  nach  dem  südwestlich  gelegenen  Henna  stand.  Wenn  Fazell 
noch  drei  grosse  Bögen  und  neun  Pforten  dieses  GebSludes  am  Fusse  des  Ber- 
ges, auf  welchem  die  Stadt  liegt,  erkannt  zu  haben  meint,  so  kann  er  sich  in 
der  Benennung  dieser  Ruinen  getäuscht  haben ,  wogegen  seine  Angabe ,  dass 
von  der  alten  Stadt  noch  Mauerstücke  und  ein  vollständiges  Thor  erhalten  sei^i, 
nichl  bezweifelt  zu  werden  braucht.  Houel  fand  auf  der  Spitze  des  Berges 
noch  acht  Schichten  der  Mauern  eines  griechischen  Tempels,  die  in  eine  Kirche 
der  heil.  Jungfrau  verbaut  waren,  und  von  der  Kirehe  des  heil.  Petrus,  die  nach 
der  Behauptung  der  Einwohner  an  der  Stelle  des  alten  Chrysastempels  stehen 
sollte,  schienen  ihm  wenigstens  die  Fundamente  antik. 

Von  Asaro  und  Leonforte  leitet  das  Hochland  von  Santa  Agata  östlich  nach 
der  Stadt  S.  FIlippo  d'Ai^rö,  über  deren  Identität  mit  der  alten  Sikelerstadt 
Agyrion  kein  Zweifel  obwalten  kann.  Wir  fanden  sie  in  den  Sagen  der  Insel 
als  Ruhepunkt  des  Herakles  auf  seiner  Wanderung  durch  Sicilien.  Sie  kommt 
noch  in  der  Geschichte  des  Dionys  als  bedeutend  vor,  wird  durch  Timoleon  zu 
einer  hellenischen  Stadt  gemacht  und  wusste  ihre  Bedeutung,  wenngleich  in 
geringerem  Grade ,  auch  In  der  Römerzeit  zu  behaupten.  Der  Kultus  des  He- 
rakles, den  später  ein  anderer  aus  dem  Osten  kommender  Fremdling,  der  heil. 
Philipp,  verditingte,  machte  die  Stadt  berühmt,  die  ein  Thor  und  einen  von  dem 
Heros  angelegten  Teich  von  4  Stadien  Umfang  nach  Herakles  benannte.  Als 
Agyrion  seine  Selbständigkeit  schon  lange  verloren  hatte ,  konnte  es  noch  auf 
seinen  ausgezeichneten  Mitbürger,  den  Historiker  Diodor,  und  auf  sein  grosses 
Theater  stolz  sein.  Zu  FazelFs  Zeit  befanden  sich  noch  in  dem  Theile  der  Stadt, 
welcher  Lombardia  benannt  wurde  und  jetzt  La  Maldia  heisst,  Trümmer  grosser 
Quaderbauten,  Ueberreste  aus  dem  Alterthum.  Von  der  Spitze  des  Kegeis  von 
Argirö  gewahrt  man  ein  Meer  von  Bergen  verschiedener  Höhe,  viele  mit  Städten 
und  Schlössern  gekrönt,  welche  einst  die  Wohnsitze  der  Slkeler  waren:  im 
Westen  das  nähere  Asaroj  das  entferntere  Castrogiovanni ,  im  Norden  Nicosia, 
Gagliano,  Troina,  im  Osten  Regalbuto  und  Gentorbi.  Nur  im  Südosten  öffnet 
sich  die  Bergreihe  und  lässt  die  grline  Ebene  von  Catania  erblicken. 

Wenn  wir  nun  längs  des  Höhenzuges  von  gelbem  Sandstein ,  welcher  das 
Tnal  des  Salso  von  einer  Reibe  sich  nach  dem  Dittaino  öffnender,  grüner 
Schluchten  trennt,  nach  Osten  hin  fortschreiten,  so  kommen  wir,  6  Millien  von 
Argirö,  nach  dem  kleinen  Orte  Regalbuto,  saracenischen  Ursprungs,  der  in 
fruchtbarer  Gegend  auf  einem  Hügel  liegt.  Hier,  wenn  nicht  richtiger  auf  dem 
Hügel  S.  Giorgio,  zwei  Meißen  davon,  muss  das  alte  Ameselon  gestanden 
haben,  das  Diodor  zwischen  Agyrion  und  Kentoripa  setzt.  Noch  weiter  abwärts 
finden  wir ,  nicht  gar  fem  von  dem  Punkte,  wo  der  Kyamosoros  sich  mit  dem 
Hadranios  vereinigt ,  also  unfern  auch  vom  Aetna ,  dessen  gewaltige  Masse  sich 
dem  von  Regalbuto  Herkommenden  beständig  darstellt ,  die  kleine  Stadt  Gen- 
torbi. Sie  nimmt  den  schmalen  Rücken  eines  hohen  und  schwer  zugänglichen 
Berges  ein ,  von  dem  man  eine  weite  Aussicht  über  das  umliegende  Land  hat. 

5* 


68  Erstes  Buch.    IV/Die^ürefnwohner. 

Die  an  die  Hauptstrasse  des  Ortes  sich  anschliessenden  Strassenarme  sind 
durch  tiefe  Abgründe  von  einander  und  von  jener  getrennt ,  und  man  hat  die 
Gestalt  der  Stadt  mit  einem  fünfspitzigen  Sterne  verglichen.  Eine  der  Spitzen 
erstreckt  sich  nach  Norden  zum  Salso ,  die  zweite  nach  Nordwesten  giBgen  Re~ 
galbuto ,  die  dritte  nach  Süden  zum  Dittaino ,  die  vierte  flussabwSirts  in  der 
Richtung  auf  das  entferntere  Vorgebirge  S.  Groce,  das  deutlich  hinter  der  wei- 
ten Ebene  von  Gatania  sichtbar  wird,  und  die  fünfte  nach  Nordosten,  dem 
Aetna  gegenüber,  auf  das  hoch  gelegene,  etwa  i^/2  geogr.  Meilen  entfernte 
Ademö  zu,  dessen  (järten  ihren  Duft  herübersenden,  und  das  dennoch  durch 
die  Reise  eines  halben  Tages  von  Gentorbi  getrennt  ist.  Dies  ist  das  alte  Ken- 
toripa,  das  bereits  von  Thukydides  als  Sikelerstadt  bezeugt  ist.  Noch  zur 
Zeit  Cicero^s  war  es  ein  bedeutender  und  wohlhabender  Ort,  dessen  Einwohner 
auch  ausserhalb  seines  Gebietes  Landbau  betrieben  und  den  Römern  beson- 
ders anhänglich  waren.  Nach  Fazell  waren  im  16ten  Jahrhunderte  noch  sehr 
ansehnliche  Ueberreste  der  aus  Quadern  erbauten,  mächtigen  Stadtmauer  vor- 
handen, und  nicht  wenige  Ruinen  haben  sich  auch  seitdem  noch  erhalten, 
welche  zeigen,  dass  die  alte  Stadt  sich  viel  weiter  über  die  Terrassen  des  Ber- 
ges erstreckte ,  als  die  heutige.  Unter  den  Trümmern  und  besonders  in  den 
zahlreichen  Gräbern  sind  unendlich  viele,  jetzt  überall  hin  zerstreute  AlterthU- 
mer ,  wie  Vasen ,  geschnittene  Steine ,  Thonfiguren  und  dergleichen  gefunden 
worden :  ein  Beweis  der  Kunstliebe  und  wohl  auch  der  Kunstfertigkeit  der 
Einwohner. 

In  südwestlicher  Richtung  von  Caitorbi  ragt  rechts  vom  Dittaino  720  Meier 
hoch  der  Berg  Judica  empor ,  welcher  Ruinen  einer  alten,  offenbar  sikelischen 
Stadt  trägt.  Sie  könnte  das  nicht  gar  weit  von  Agyrion  entfernte  Morgantion 
gewesen  sein. 

Wenn  wir  uns  nun  wieder  nach  Osten  wenden  und  den  Simeto  über- 
schreitend den  Südabhang  des  Aetna  betreten ,  so  finden  wir  die  sikelischen 
Orte  Hybl  a  uiid  Inessa ,  die  nach  Thukydides  zwischen  Ken  toripa  und  Ka- 
tana lagen.  Den  Namen  Hybla  trugen  drei  alte  sicilische  Städte ;  das  ätnäiscHe 
-  Hybla  ist  dasjenige,  welches  einen  von  den  alten  Schriftstellern  in. verschiede- 
j^er  Weise  angegebenen  Beinamen  führte,  der  bei  Thukydides  Geleatis,  bei 
?wsanias  Gereatis  lautet,  und  in  welchem  man  mit  Recht  eine. Beziehung  auf 
die  Galeoten  erblickt  hat,  die  als  Bewohner  von  Hybla  und  zu  gleicher  Zeit  als 
wdis98gende  ApoHodiener  galten.  Dies  Hybla  Scheint  an  der  Stelle  der  Bui^ 
d^AihcsuUgen  Patemö ,  die  Graf  Roger  1 073  während  der  Belagerung  Gatania 's 
aM&steitettt  Felsen  am  Simetö  gründete,  gelegen  zu  haben.  Die  Lage  von  Inessa, 
disinticb .4er > Vertreibung  des  syrakusanischen  Tyrannen  Thrasybul  unter  dem 
Nadn^iA^nti (griechisch  und  durch  Duketios  wieder  sikelisch  wurde,  ist  nicht 
$0)j^Da«i'jKUj  bestimmen.  Wenn  es,  wie  Strabon  sagt,  80  Stadien  von  Katana 
«Dtlordtiwaft'i/^olkann  es  nicht  das  nördlich  von  Paternö  gelegene  S.  Maria  di 
IiicMiaiig^^'^seiiiiiseini,  wofür  es  Manche  gehalten  haben.  Man  könnte  an  B^— 
p(asso.-)öall)^bxiYiOn/Paten»ö  denken;  Schubring  nimmt  Givita ,  zwischen  Paternö 
u{|4:UfQ(iif>y)aii>i;^0il$ic^iinannigfache  antike  Trümmer  finden. 
wiih'i^ß^^h  ^M)t^ltet^fnoQb.  die  Queligebiete  des  südlichsten  Symaithosarmes, 
di^{Sffy(kes)i(6uniiilJonga)>leiTOiAnzahl  nicht  unwichtiger,  sikelischer  Städte,  so- 


Sikelerstfidtd  der  mittleren  Gruppe.  69 

i;vie  einen  der  Mittelpunkte  des  Kultus  der  Sikeler.  Von  den  drei  hier  in  Be- 
tracht kommenden  QuellilUssen  ist  bei  dem  nördlichsten,  dem  F.  Gabelle,  nur 
zu  erwähnen,  dass  links  von  demselben  sich  %  Miliien  östlich  von  der  Bergstadt 
Aidone  auf  dem  Berge  Gitadella  antike  Ruinen  finden ,  die  nach  Cluver  der  in 
der  Geschichte  wenig  vorkommenden  Stadt  Ergetion  oder  Sergention  ge- 
hören würden.  Dem  Thale  des  nächstfolgenden,  des  F.  Tenchio,  w^tlrde  dagegen 
die  antike  Stadt  Imachara  angdiört  haben,  wenn  sie,  was  von  Manchen  an- 
genommen ist,  das  heutige  Imbaccari  oder  Mirabella,  das  südöstlich  von  Piazza 
auf  dem  Gipfel  eines  Hügels  liegt,  gewesen  sein  sollte.  Eine  grosse  Bedeutung 
hatte  endlich  das  Thal  des  dritten  und  südliehsten  der  Quellarme  des  Gumalonga 
durch  eine  Anzahl  von  Städten ,  welche  sich  um  das  alsbald  zu  besprechende 
Heiligthum  der  Paliken  gruppirten.  Da  lag  auf  einem  Berge  in  der  Nähe  dessel- 
ben, nach  Kallias  90  Stadien  vom  Gebiete  Gela^s  entfernt,  Eryke,  das  man  in 
den  Ruinen  auf  dem  Berge  Gatalfano  bei  Caltagirone  wiederfindet.  In  derselben 
Gegend  müssen  wir  auch  Neai  suchen,  eine  sonst  un1>ekannte  Stadt,  die  aber 
der  Geburtsort  des  Sikeierfürsten  Duketios  war  und  von  ihm  unter  dem  Namen 
Palike  aus  dem  Gebirge  in  die  Ebene  verpflanzt  wurde.  Palike,  das  man  auf 
dem  Hügel  La  Rocca  vermuthet,  bestand  nicht  lange ;  ob  aber  nach  seiner  Zer- 
störung die  Einwohner  wieder  an  die  alte  Stätte  zurückkehrten ,  vermögen  wir 
nidit  zu  sagen.  Gewöhnlich  hat  man  ohne  irgend  welchen  Grund  Neai  ver- 
wechselt mit  dem  von  Duketios  gegründeten  Menai  oder  Menainon,  dem 
heutigen  Mineo ,  das  auf  einem  hohen  Berge  unfern  vom  Flusse  liegt  und  noch 
manche  Ueben*este  des  Alterthums  enthält.  Neai  war  eine  von  Menai  verschie- 
dene Stadt.  Es  giebt  in  dieser  Cregend  so  viele  Spuren  antiker  Wohnsitze,  dass 
man,  weit  entfernt,  mehrere  Namen  auf  denselben  Ort  beziehen  zu  müssen, 
sich  vielmehr  in  Verlegenheit  befindet,  sie  alle  zu  benennen.  Schliesslich  würde 
noch  demselben  Plussgebiete  das  alte  Echetla  angehören,  wenn  Cluvei*  Recht 
hatte,  es  in  dem  4693  durch  ein  Erdbeben  zerstörten  und  seitdem  nicht  wie- 
der aufgebauten,  neben  Granmichele  gelegenen  Oi*te  Occhiola  zu  sudien.  An- 
dere halten  es  für  das  weiter  östlich  gelegene  Vizzini.  Echetla,  dessen  Pflug- 
sterze bedeutender  Name  nicht  die  Meinung  erwecken  muss,  dass  der  Ort 
griechischen  Ursprungs  war,*  wird  zur  Zeit  Hieron's  H.  als  zwischen  syrakusa- 
nischem  und  karthagischem  Gebiete  liegend  bezeichnet. 

An  diese  mittlere  Gruppe  der  Sikelerstädte  schliessen  wir  zunächst  die 
südliche.  Sie  umfasst  die  Städte ,  welche  den  Gebieten  der  dem  Mte.  Lauro 
oder  seinen  Vorbergen  entspringenden  Flüsse  angehören.  Diese  Gegend  ist,  wie 
wir  bald  genauer  sehen  werden ,  reich  an  Spuren  des  Alterthums  und  höchst 
wahrscheinlich  des  sikelischen ;  dennoch  will  es  nicht  gelingen,  hier  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  viele  sikelische  Städte  nachzuweisen.  Manche  dieser  Thäler 
sind  freilich  so  vollständig  von  den  Griechen  in  Besitz  genommen  worden,  dass 
es  nicht  zu  verwundem  ist,  wenn  das  Andenken  an  die  Sikeler  ganz  verdrängt 
wurde. 

Wenn  Xuthia ,  eine  nach  Xutbos,  dem  Sohne  des  Aiolös  benannte  Stadt, 
sikelisch  war,  was  nicht  ganz  sicher  ist,  so  würde  sie  hier  zuerst  zu  nennen 
sein,  da  Xuthos  in  der  Gegend  von  Leontini  geherrscht  haben  soll.  Ihre  Lage 
ist  ebenso  unsicher,- wie  die  von  Herbessos,  einer  Stadt,  welche  durch  ihre 


-  r- 


70  Erstes  Buch.    IV.  Die  Ureinwohner. 

Namengleichheit  mit  einem  sikanischen  Orte  in  der  Gegend  von  Akragas  als 
sikelisch  bezeugt  ist.  Da  im  Jahre  2 1 4  vor  Chr.  zwei  Karthager,  Hippokrates 
und  £pikydes,  in  einer  Nacht  von  Leontini  nach  Herbessos  gelangten ,  so  kann 
es  nicht  gar  fem  von  jenem  Orte  gewesen  sein.  Pazell  und  die  meisten  Neueren 
suchen  es  in  der  für  die  Grotten  von  Pantalica,  von  denen  bald  die  Rede  sein 
wird,  vorauszusetzenden  Stadt,  die  oberhalb  Sortino's  zwischen  zwei  Schluch- 
ten, nördlich  vom  Anapos,  lag.  Patazzolo,  wohin  Gluver  es  versetzen  wollte, 
hat  sich  inzwischen  als  das  alte  Akrai  erwiesen,  das  übrigens  selbst,  ehe  es 
griechisch  wurde,  sikelische  Einwohner  gehabt  haben  muss.  Ebenso  ist  sicher 
das  auf  einem  in  Form  eines  Vorgebirges  zwischen  den  Quellen  des  F.  di  Noto 
oder  Falconara  emporragenden  Felsen  gelegene  alte  Noto,  das  seit  dem  grossen 
Erdbeben  von  1 693  ganz  verlassen  ist,  da  die  Einwohner  sich  weiter  östlich  in 
der  Ebene  angesiedelt  haben,  das  Nee  ton  der  Alten,  eine  Stadt,  die  zwar  erst 
zu  Hieron's  II.  Zeit  vorkoinmt,  schon  damals  aber  eine  solche  Bedeutung  hatte, 
dass  die  Römer  es  für  angemessen  hielten,  sie  gleich  Messana  und  Tauromenion 
zum  Range  einer  verbündeten  Stadt  zu  erheben,  ursprünglich  sikelisch  gewe- 
sen. Bedeutend  war  auch .Heloros,  dessen  Ueberreste  von  Fazell  nördlich  von 
der  Mündung  des  gleichnamigen  Flusses,  des  heutigen  Abisso ,  nachgewiesen 
worden  sind.  Skylax  z2)hlt  es  sogar  in  der  Reihe  der  Griechenstädte  auf,  zu 
denen  es  keinenfalis  von  Anfang  an  gehörte.  Seine  Wichtigkeit  bezeugt  der 
Name  des  Helorinischen  Weges,  den  die  von  Syrakus  nach  Süden  führende 
Strasse  trug.  Weiter  westlich  finden  wirModica,  das  alte  Motyke,  das,  wenn 
auch  vielleicht  von  Phöniciem  gegründet ,  doch  bald  sikelisch  wurde.  Modica 
liegt  an  dem  Vereinigungspunkle  von  drei  tiefen  Thälem  und  nimmt  auch  die 
Höhen  ein,  auf  welchen  die  Stadt  der  sikelischen  Urbevölkerung  ausschliesslich 
lag.  Noch  weiter  westlich,  in  der  Nähe  des  heutigen  Ghiaramonte,  haben  wir  ein 
zweites  Hybla  zu  suchen:  Hybla  Heraia,  das  in  den  Itinerarien  eine  Station 
zwischen  Akrai  und  Galvisiana,  einem  westlich  von  Akrai  gelegenen  Orte,  bildet. 
Dass  endlich  im  Thal  des  Gelaflusses ,  des  F.  di  Terranova,  Sikeler  wohnten, 
beweist ,  was  wir  oben  über  die  Bedeutung,  des  Namens  Gela  gesagt  haben. 
So  wird  denn  Maktorion  sikelisch  gewesen  sein,  ein  Ort,  von  dem  in  der 
Geschichte  der  Stadt  Gela  die  Rede  ist,  und  den  man  bald  in  Mazzarino,  bald 
in  Butera  gesucht  hat;  ich  möchte  es  für  Gastelluzzo,  nördlich  von  Terranova, 
halten. 

Nicht  wohl  auszumachen  ist,  wo  die  Sikelerstädte  Bidis  und  Ichana 
lagen.  Jenes  war  nicht  weit  von  Syrakus,  scheint  jedoch  mit  dem  Thale  S.  Gio- 
vanni del  Bibino,  wohin  Cluver  es  versetzt,  nichts  zu  thun  zu  haben;  diesem 
könnten  vielleicht  die  Ruinen  unweit  der  Insel  Vindicari  nördlich  vom  Pachynos 
angehören,  die  Fazell  Imachara  zuschrieb. 

Noch  manche  Sikelerstadt  mag  in  diesem  Theile  der  Insel  gestanden  haben, 
deren  Namen  die  einzigen  Spuren,  die  an  sie  erinnern,  die  Höhlengräber,  nicht 
verrathen. 

Wir  wenden  uns  nun  zur  nördlichen  Gruppe  der  Sikelerstädte ,  wenn  an- 
ders die  ziemlich  zerstreut  liegendem  Orte  unter  einer  solchen  Bezeichnung  zu- 
sammengefasst  werden  dürfen.  Den  Uebergang  mögen  zwei  Städte  machen, 
welche  dem  obersten  Theile  des  Flulssgebietes  des  südlichen  Himera  angehören. 


Nördliche  Sikelerstädte.  7 1 

Es  ist  zunüchst  Petra,  das  in  den  alten  Schriftstellern  nur  wenig  erwähnt 
wird.  Wir  finden  es  in  dem  jetzigen  Petralia  Soprana  wieder,  einem  Orte,  der 
auf  einer  Höhe  zwischen  Gangi  und  Polizzi  nahe  der  Quelle  eines  der  Himera- 
arme  liegt.  Nicht  weit  von  Petralia  nach  Osten  steht  sodann,  2  Millien  von  der 
heutigen  Stadt  Gangi,  das  Kloster  des  heil.  Benedict,  errichtet  auf  den  TrUm- 
mem  eines  älteren,  von  Friedrich  II.  zerstörten  Gangi,  in  welchem. eine  alte 
Tradition  jenes  Engyon  sieht,  das  als  Ruhepunkt  der  Kreter  in  Sicilien  und 
Sitz  des  kretischen  Kultus  der  Mütter  berühmt  war.  Dass  Engyon  im  Norden 
der  Insel  gelegen  haben  muss ,  beweist  der  Umstand ,  dass  es  zu  Timoleon's 
Zeit  denselben.  Herrseber  mit  ApoUonia  hatte ;  und  die  von  Diodor  gegebene  , 
Nachricht,  dass  Engyon  von  einer  in  der  Stadt  selbst  entspringenden  Quelle  den 
Namen  erhalten  habe,  passt  vollkommen  auf  die  Stätte  des  genannten  Klosters, 
wo  sich  eine  der  Quellen  des  Himera  befindet.  Nur  passt  die  weitere  Angabe 
Diodor's  nicht,  dass  Engyon  von  Agyrion  100  Stadien  entfernt  sei.  S.  Filippo 
dArgirö  und  Gangi  sind  direkt  statt  2^2  gcograph.  Meilen  5,  statt  400  Stadien 
^00  von  einander  entfernt.  Die  übrigen  Sikelerstädte  der  Nordgruppe  gehören  . 
fast  alle  dem  Nordabhange  der  Insel  an.  Die  westlichste  möchte  Paropos  ge- 
wesen sein ,  das  nicht  gar  weit  von  den  Himeräischen  Thermen  lag  und  in  der 
Geschichte  der  punischen  Kriege  vorkommt.  Es  wird  in  den  Ruinen  bei  GoUe- 
sano  vermuthet,  die  westlich  von. der  Stadt  dieses  Namens  auf  einem  Hügel 
an  der  Quelle  des  kleinen  Flusses  ftoccella  liegen.  Weiter  nach  Osten  fortschrei- 
tend, finden  wir  die  am  Fusse  eines  steilen,  über  200  Meter  hohen  Vorgebirges 
liegende  Stadt  Cefalü.  Uralte  Ueberreste,  von  denen  ich  bald  sprechen  werde, 
hezeugen,  dass  schon  im  früheren  Alterthum  sowohl  die  vorspringende  Anhöhe 
wie-  auch  das  vonr  ihr  beherrschte  Meeresufer  bewohnt  waren.  Hier  lag  also 
das  alte  Kephaloidion,  das,  wenn  es  auch,  wie  nicht  unwahrscheinlich  ist, 
zuerst  von  den  Phöniciem  angelegt  sein  sollte,  doch,  seit  dieses  Volk  sich  weiter 
im  Westen  concentrirte,  nur  von  Sikelem  bewohnt  gewesen  sein  kann.  Später 
beschränkte  man  die  Stadt  auf  die  Höhe  des  die  Küste  überragenden  Felsens; 
an  ihrer  heutigen  Stelle  steht  sie  erst  wieder  seit  König  Roger.  Mehr  landein- 
wärts lag  Amestratos  oder  My  tistraton  ^»  wenn,  wie  ich  nicht  bezweifle, 
diese  beiden  Namen  denselben  Ort  bezeichneten  —  das  nicht  ganz  unbedeu- 
tend war ,  obwohl  es  bisweilen  nur  Kastell  oder  Städtchen  genannt  wird ;  es 
ist  das  heutige  Mistretta,  das  hoch  zwischen  Bergen  nahe  dem  Flusse  Reitano 
liegt.  Weiter  östlich  haben  wir  das  schon  oben  erwähnte  Apoll onia  zu 
suchen.  Diese  erst  in  Timoleon's  Zeit  vorkommende  Stadt  scheint  trotz  ihres 
griechischen  Namens  eine  Sikelerstadt  gewesen  zu  sein,  vielleicht  allerdings 
späterer  Gründung.  Nach  Stephanos  von  Byzanz  lag  es  in  der  Nähe  von  Alon- 
tion.  Daher  suchte  es  schon  Gluver  am  Flüsse  Foriano,  und  Schubring  setzt  es 
nach  dem  zwischen  Acqua  dolce  und  S.  Fratello  sich  erhebenden  M.  S.  Fratello, 
dessen  rings  abschüssiger  Gipfel  in  Mauerresten ,  Brunnen  und  Inschriften  die 
deutlichen  Spuren  einer  antiken  Stadt  trägt.  Nun  folgen  die  Sikelerstädte  Aga- 
thyrnon  und  Alontion.  Dies  letztere  schildert  Cicero  als  auf  einem  steilen 
Berge  liegend,  den  Yerres  zu  bequem  war  zu  ersteigen.  Man  hat  eine  Inschrift, 
in  welcher  von  dem  Municipium  der  Aluntiner  die  Rede  ist,  in  dem  heutigen 
S.  Marco  gefunden ,  das  sich  östlich  vom  Flusse  Rosamarina  auf  einer  steilen 


72  Erstes  Bach.    IV.  Die  Ureinwohner. 

Höhe,  welcher  das  Wasser  durch  einen  noch  in  Ruinen  vorhandenen  Aquädukt 
zugeführt  werden  ronsste,  erhebt,  so  dass  sich  dieser  Ort  als  das  alte  Alontion, 
dessen  hohes  Alter  durch  sein  Vorkommen  in  der  Aeneassage  bezeugt  ist^ 
erweist.  Agathymon,  das  sich  durch  seinen  von  einem  Sohne  des  Aiolos  her- 
geleiteten Namen  deutlich  als  Sikelerstadt  kundgiebt,  soll  von  Tyndai-is  28 — HO 
MiUien  entfernt  gewesen  sein.  Ueberdies  bezeugen  Phnius  undTtolemaios,  dass 
es  östlich  von  Alontion  lag.  Wir  werden  es  ein  wenig  westlich  vom  Gap  Or- 
lando tvL  suchen  haben ,  an  einem  S.  Martine  genannten  Orte,  wo  sohon  Fazell 
kaum  noch  einige  wenige  Ueberreste  bemerkte.  Nodi  weiter  nach  Osten^  süd- 
lich von  der  Bucht  von  Oliveri ,  finden  sich  im  Innem«des  Landes  neben  den 
Mauern  der  Stadt  Tripi  nicht  unbedeutende  RiHnen ,  welche  man  für  die  6er 
alten  Stadt  Abakainon  hält.  Abakainon  muss  in  dieser  Gegend  gelten 
haben,  da  es  einerseits  mehrmals  bei  Belagerungen  von  Messana  genannt  wird 
und  andererseits  im  Gebiete  dieser  Stadt  die  Messaner  Tyndaris  gründeten,  das 
nicht  weit  von  Tripi  entfernt  ist  und  Abakainon  allmählich  in  den  Schatten  stellte. 

Dass  noch  weiter  östlich  in  dem  Gebirge  oberhalb  Naxos  Sikeler  wohnten^ 
zeigt  die  Geschichte  der  ersten  Expedition  der  Athener  nach  Sicilien,  wahrend 
welcher  Naxos  durch  solche  Sikeler  befreit  wurde.  Sonst  ist  der  einzige  Name^ 
der  noch  einer  Sikelerstadt  des  Nordostens  angehören  könnte,  der  von  Tissa, 
einem  kleinen  Orte ,  den  man  gewöhnlich  für  das  heutige  Randazzo  am  Cantara 
halt.  Dies  wäre  dann  zugleich  der  einzige  bekannte  antike  Ort  im  schönen 
Thale  dieses  Flusses. 

Wenn  ich  hier  nicht  ausschfiesslich  von  den  alten  sikeliscben  Orten  zu 
reden  hätte,  wobei  natürlich  die,  welche  alt  sein  können,  nicht  ausgeschlossen 
sind ,  so  würde  ich  zwei  wichtige  Sikelerstädte  des  NordenS  noch  genauer  zu 
besprechen  haben:  Kalakta  und  Alaisa,  deren  spätere  Gründung  beweist,  dass 
die  Sikeler  die  Vorzüge  dieser  von  den  Griechen  ziemlich  veinachlKssigten 
Küste  wohl  zu  schätzen  wussten. 

Es  ist  jedoch  die  Aufzählung  der  hier  in  Betracht  kommenden  Städte  noch 
nidbt  vollendet.  Ich  habe  eine  derselben,  die  in  mancher  Beziehung  die  wich- 
tigste von  allen  war,  bis  jetzt  übergangen ,  weil  sie  nach  Lage  und  Bedeutung 
eine  centrale  Stellung,  nicht  sowohl  unter  den  Sikelem,  als  auf  der  Insel  über- 
haupt, einnimmt.  Es  ist  Enna  oder  richtiger  Henna,  der  Nabel  Siciliens^ 
für  die  Sikeler' eine  Grenzstadt,  den  Sikanern  gegenüber.  Diese  Stadt,  das 
heutige  Gastrogiovanni  —  ein  aus  castrum  Ennae  umgebildeter  Name  —  hegt 
als  der  höchste  bewohnte  Ort  der  Inseh  3049  Fuss  über  dem  Meeie  auf  der 
Höhe  eines  schwer  zugänglichen  Berges,  über  eine  sehr  unebene  Flädie  von 
mehr  als  1  Mill.  Länge  ausgestreckt.  Der  höchste  Theil  ist  der  Burgfelsen  im 
Norden ,  der  sich  dem  durch  eine  tiefe  Schlucht  von  Castrogiovanni  getrennten 
Calascibelta  entgegen,  steil  über  die  Stadt,  etwa  20— 40  Fuss,  erhebt,  und 
eine  prachtvolle  Aussicht  über  einen  grossen  Theil  der  Insel  gewährt.  Nach 
W^esten  erblickt  man  die  Berge  von  Cammarata  und  Sutera ;  im  Nordwesten 
zeigt  sich  die  kegelförmige  Spitze  des  S.  Calogero  bei  Termini.  Die  Berge  im 
Norden  ziehen  sich  in  zwei  langen  parallelen  Reihen  hin,  von  denen  die  nörd- 
lichere links  den  hohen  Gipfel  von  Petralia  oder  Gangi ,  rechts  den  Monte  Arte* 
sino  enthält.  Im  Osten  sieht  man  eine  Anzahl  von  H^hen  verschiedener  Gestalt 


Henna. 'Trtnakia.  73 

jede  von  einer  Stadt  gekN^nt ,  Leonforte, 'Asaro,  S.  Filippo,  Centorbi,  Trohia, 
und  dahinter  den  gewaltigen  Kegel  des  Aetna.  Nach  Süden  dehnen  sich  die 
Hentiftischen  Gefilde  aus,  die  mit  ihren  jetzt  kahlen  Hügeln  den  berühmten  See 
Pergns  einsohliessen  y  un<l  hinler  ihnen  senkt  sich  das  Land  aUmühlich  zum 
Meere  hinab,  das  Bussierre  am  Horizonte  glänzen  sieht.  Man  gewählt,  wie  der 
Mlirquis  von  Ormonde  sagt ,  von  der  Hohe  Henna'^s  aus  nichts  als  Berge  hinter 
Bergen,  gleich  den  Wogen  des  Oceans  während  eines  Sturmes.  Die  Stadt  birgt 
selbst  in  den  heissesten  Monaten  Wasser  in  ihren  Brunnen.  Henna  wurde  von 
den  Syrakusanem  kolonisirt,  aber  es  ist  deswegen  durchaus  nicht  für  eine  Seht 
griechische  Stadt  zu  halten.  Nur  ein  einziges  Mal  im  ganzen  Verlauf  der  Ge- 
schichte erscheint  es  als  hellenisches  Gemeinwesen,  in  der  Mitte  des  6.  Jahrhun- 
derts vor  CikT,  —  und  spater,  zur  Zeit  des  Dionys,  wird  es  ausdrücklich  unter 
die  Sikelerstttdte  gerechnet.  So  wie  nun  überhaupt  die  Griechen  sich  in  SicUien 
an  wenig  Orten  niederliessen,  die  nicht  schon  vx)rher  von  anderen  Volkei*schaf- 
ten  besetzt  gewesen  wären ,  so  ist  ganz  besonders  bei  der  herrschenden  Lage 
von  Henna  und  seinem  eigentbümltdien  Reicfathum  an  Trinkwasser  anzuneh-^ 
nien ,  dass  dieser  Punkt  bereits  vor  der  Ankunft  der  griechischen  Kolonisten 
Bewohner  hatte,  die  nur  Sikeler  gewesen  sein  können.  Unmöglich  hätte  eine 
winzige  griechische  Niederlassung,  die  Thukydides  nicht  einmal  der  Erwähnung 
werth  gehalten  hat,  dem  Orte  die  Bedeutung  geben  können,  die  er  später 
besass,  und  die  namentlich  in  religiöser  Beziehung  gross  war. 

Und  nun  bleibt  uns  nur  noch  eine  Stadt  zu  erwähnen,  von  deren  Lage  wir 
nichts  sagen  können,  weil  sie  nur  in  älterer  Zeit  von  Bedeutung  war  und  schon 
früh  zerstört  wurde.  Es  ist  Trinakia,  von  dem  es  bei  Diodor  heisst,  dass  es 
stets  den  ersten  Rang  unter  den  sikelisehen  Städten  eingenomn>en  habe.  Die 
S>rak]]saner  eroberten  und  zerstörten  es  in  der  Mitte  des  5.  Jahrh.  vor  Chr. 
Es  ist  nicht  einmal  ipöglieh  zu  entscheiden,  ob  zwei  von  späteren  Schriftstellern 
genannte  Orte  ähnlichen  Namens  etwa  mit  Trinakia  als  identisch  zu  betrachten 
sind:  Tyrakinai,  das  Stephanos  eine  kleine,  aber  wohlhabende  Stadt  nennt, 
und  Tiracia,  das  Plinius  erwähnt.  Möglich  wäre  es  ja  immerhin,  dass  später 
einige  Bewohner  sich  an  der  alten  Stätte  eingefunden  hätten. 

Die  bisher  genannten  Städte  blieben  mit.  wenigen  Ausnahmen  auch  noch 
nach  der  Ankunft  der  Griechen  auf  der  Insel  sikelisch.  Wenn  wir  uns  aber 
eineci  Ueberblick  über  die  Macht  und  die  Wohnsitze  der  Sikeler  in  der  vor- 
griecfaischen  Zeit  verschaffen  wollen,  so  dürfen  wir  nicht  übersehen ,  dass  da- 
mals auch  die  Ostküste  von  Sikelem  besetzt  war.  Sikeler  wohnten  in  Zankle, 
dessen  vortreffliche  Lage  sie  freilich  kaum  zu  würdigen  gewusst  haben ;  Sikeler 
hatten ,  wie  sie  auch  später  noch  wohl  im  Gedächtniss  behielten ,  die  Stätten 
inne,  wo  die  Griechen  Na^os  und  Tauromenion  erbauten ;  Sikeler  wohnten  an 
den  Orten ,  die  durch  die  Griechen  unter  den  Namen  Megara  und  Leontini  be- 
rühmt wurden  —  jenes  hiess  Hybla,  der  dritte  der  Orte  dieses  Namens  — ; 
Sikeler  mussten  endlich  von  Ortygia  vertrieben  werden ,  als  Archias  sich  mit 
seinen  Korinthem  dort  niederlassen  wollte. 

Auffallend  ist,  dass  während  das  Symaithosthal  mit  einer  Reihe  blühender 
Städte  prangte ,  das  des  südlichen  Himera  so  wenig  nachweisbare  Wohnsitze 
a:ithäll.    Es  scheint  fast,  dass  weder  Sikeler  noch  Sikaner  recht  wagten,  dies 


74  Erstes  Buch.    IV.  Bie  Ureinwohner. 

Grenzgebiet  sich  zu  eigen  zu  machen.    Noch  heutzutage  ist  die  Zahl  der  Städte 
dieses  Thaies  einp  yerhdltnissmdssig  geringe. 

Auf  welcher  Bildungsstufe  befand  sich  nun  das  Volk  der  Sikeler  um 'das 
achte  Jahrhundert  vor  Chr.  ?    Wenn,  bei  dem  Mangel  an  Nachrichteu  Über  die 
älteste  Geschichte  Siciliens,  wenigstens  die  der  Niederlassung  der  Griechen  auf 
dieser  Insel  einigermassen  ausführlich  Überliefert  wäre,  so  rottsste  sich  daraus 
ein  ziemlich  genügendes  Bild  der  Kultur  der  Sikeler  gewinneu  lassen.    Leider 
sind  jedoch  nur  die  dürftigsten  Grundzüge  davon  erhalten,  und  die  einzige  be- 
stimmte J^achricht  über  ihren  Zustand  in  dieser  Zeit  besteht  darin,  dass  ihnen 
trotz  des  kriegerischen  Rufes ,  in  dem  sie  standen ,  Sdiwäche  und  Ohnmacht 
den  Griechen  gegenüber  zugeschrieben  wird.    Da  müssen  wir  es  denn  als  einen 
sehr  glücklichen  Zufall  betrachten,  dass  sich  in  einem  Excurs  des  Polybios  über 
die  Grüpdung  von  Lokri  einige  Nachrichten  über  die  Sikeler  finden ,  auf  deren 
Grund  und  Boden  diese  Stadt  angelegt  wurde.  Als  die  Griechen  dort  ankamen, 
wurden  sie  von  den  Sikelem  freundlich  aufgenommen ,  und  diese  gestatteten 
ihnen,  sich  auf  ihrem  Gebiete  niederzulassen.    Die  Griechen  schworen,  Frieden 
und  Freundschaft  mit  den  Sikelem  zu  halten ,  »so  lange  sie  auf  dieser  Erde 
stünden  und  Köpfe  auf  ihren  Schultern  trügen «.    Die  Treulosen  hatten  aber 
Erde  in  ihre  Schuhe  gethan  und  Knoblauchkopfe  auf  ihren  Schultern  versteckt 
und  glaubten  nun  das  Recht  zu  haben,  nach  einiger  Zeit  die  nichts  Btfses  ahnen- 
den Sikeler  zu  vertreiben.  Diesem  so  schmählich  gistäuschten  Volke  entlehnten 
die  Lokrer  verschiedene  religiöse  Gebräuche,    und  unter  anderen  den  einer 
jährlichen  Prozession ,  bei  der  in  feierlicher  Weise  eine  Opferschale  getragen 
wurde.    Träger  war  bei  den  Sikelem  ein  Jüngling  gewesen ,  die  Lokrer  be- 
trauten eine  vornehme  Jungfrau  mit  dem  Amte.    Aus  dieser  Erzählung  lässt 
sich  der  wichtige  Schluss  ziehen,  dass  die  Sikeler  nicht  sehr  hinter  den  Griechen 
des  achten  Jahrhunderts  in  der  Bildung  zurückgestanden  haben  können,  da 
sonst  eine  Entlehnung  sikelischer  Religionsgebräuche  undenkbar  wäre.    Was 
aber  von  den  italischen  Sikelem  gilt ,  muss  nicht  minder  von  ihren  sicilischen 
Landsleuten  angenommen  werden ,  bei  denen  überdies  ähnliche  Schltlsse  aus 
dem  Umstände  zu  ziehen  sind,  dass  in  einigen  Städten  eine  Zeit  lang  Hellenen 
imd  Sikeler  vereinigt  wohnten. 

Wie  die  Sikaner,  von  denen  es  ausdrücklich  überliefert  ist,  werden  somit 
die  Sikeler  ein  ackerbautreibendes  Volk  gewesen  sein.  Nach  Aristoteles  hätte 
der  König  Italos,  der  bei  Thukydides  Beherrscher  der  italischen  Sikeler  ist,  sein 
Volk  vom  Hirtenleben  zum  Landbau  hinübergeführt;  von  demselben  stammten 
femer  verschiedene  bürgerliche  Einrichtungen,  und  unter  anderen  gemeinschaft- 
liche Mahlzeiten ,  ähnlich  den  kretischen ,  die  sich  bei  einzelnen  Stännmen  der 
Nation  noch  lange  Zeit  erhielten.  Ob  solche  Syssitien  auch  in  Sicilien  anzuneh-^ 
men  sind,  vermögen  wir  nicht  zu  sagen;  für  die  Liparischen  Inseln  sind  sie 
wahrscheinlich,  £s  versteht  sich  von  selbst,  dass  die  Sikeler  da,  wo  der  Boden 
es  begünstigte,  auch  die  Viehzucht  betrieben,  die  schon  in  den  Sagen  als  eine 
Hauptbeschäftigung  der  Bewohner  Siciliens  erscheint. 

Der  unmhige  Wandergeist,  die  wilde  Kriegslust,  die  sie  getrieben  hatte, 
im  Gefolge  der  Etmsker  auf  den  Meeren  zu  schwärmen,  hatte  sich  offenbar  seit 
der  Ansiedlung  auf  Sicilien  fast  vollständig  gelegt.     Dass  sie  nicht  ganz  un- 


KuUar  der  Sikeler.  Religion.  Pauken.  75 

kriegerisch  geworden  waren ,  wie  die  Nachrichten  über  die  Landung  der  Grie- 
chen im  8.  Jahrhundert  es  vermuthen  lassen  könnten,  zeigen  sowohl  ihre  spfltei^ 
Geschichte ,  als  auch  Berichte  über  eine  besondere  Art  der  Heeresaufstellung, 
die  ihnen  zugeschrieben  wird. 

Im  Innern  muss  der  Handelsverkehr  bereits  eine  gewisse  Ausdehnung  er- 
langt haben,  da  wir  bei  den  Sikelem,  wie  bei  den  verwandten  italischen  Völ- 
kerschaften das  Kupfer  als  Tauschmittel  6nden.  Es  wurde  gewogen.  Die  Ein- 
heit, das  Pfund,  das  jedoch  nur  zwei  Drittel  des  römischen  Pfundes  ausgemacht 
zuhaben  scheint,  hiess,  dem  italischen  libra  entsprechend,  litra.  Dia  litra 
zerfiel,  wie  das  römische  as,  in  zwölf  uncien. 

Ihre  Städte  lagen,  wie  wir  sahen,  mit  Ausnahme  weniger  früh  an  die 
Griechen  übergegangenen  Küstenpunkte ,  wie  die  der  Sikaner  auf  Bei^ipfeln, 
zum  Theil  auf  recht  schwer  zu  ersteigenden.  Es  war  das  BedUrfniss  der  Ver- 
theidiguog,  das  sie  dort  sich  vereinigen  liess.  Von  da  werden  sie  dann,  wie 
noch  heutzutage  die  Bewohner  derselben  Orte,  früh  Morgens  meilenweit  aus- 
gezogen sein ,  das  Land  zu  bestellen ,  um  Abends  ermüdet  die  sicheren  Woh- 
nungen auf  hoher  Felsspitze  zu  erreichen.  Nur  die  Hirten  mögen  auch  in  ge- 
fährlichen Zeiten  in  den  über  das  Land  zerstreuten  Weilern  ein  nächtliches 
Obdach  gefunden  haben. 

Die  sich  aufdrängende  Frage  nach  der  Beligion  der  Sikeler  lässt  sich  nicht 
leicht  und  einfach  beantworten,  da  fast  alle  bestimmten  Angaben  darüber  fehlen. 
Und  doch  ist  es  für  ein  gründliches  Verstfindniss  der  Geschichte  des  alten  Sici- 
liens,  die  auf  der  Wechselwirkung  der  drei  Elemente,  des  sikelischen,  orienta- 
lischen und  hellenischen  beruht,  unumgänglich  nothwendig,  den  Beitrag, 
welchen  ein  jedes  derselben  auch  zu  der  Kultur  der  Insel  geliefert  hat,  zu 
kennen.  Wir  haben  deshalb  die  Pflicht,  die  mangelhaften  Nachrichten  über  die 
Religionsverhnltnisse  der  Sikeler  durch  in  der  Sache  begründete  Combinationen 
zu  ergänzen. 

Mit  völliger  Bestimmtheit  erscheint  zunächst  als  sikelisch  der  Kultus  der 
Paliken. 

Die  Paliken  sollen  zwei  Brüder  gewesen  sein,  Söhne  des  Zeus  und  der 
Nymphe  Thalia,  nach  Anderen  des  Hephaistos  oder  des  Hadranos  und  der 
Aetna.  Vor  ihrer  Geburt  in  die  Erde  verborgen,  gingen  sie  im  Augenblick  der- 
selben daraus  hervor.  Ihre  Verehrung  knüpfte  sich  an  eine  eigenthümliche 
Naturerscheinung,  mit  Wasser  gefüllte  Krater  von  nur  geringem  Umfang,  aber, 
wie  es- hiess,  unermesslicher  Tiefe,  aus  welchen  das  heisse  Wasser  hoch  auf- 
brauste und  Funken  hervorzuschiessen  schienen.  Sie  liefen  jedoch  niemals 
über.  Das  Wasser  verbreitete  einen  starken  Schwefelgeruch ;  es  war  unrein 
und  glich  unten  einem  weissen  Schlamm.  Nach  einer  Nachricht  wurde  es 
6  Ellen  hoch  aufgeworfen.  Ein  Gewölbe,  das  sich  an  diesem  Orte  befand,  hatte 
überdies  dieselben  Eigenschaften  wie  die  berühmte  Hundsgrotte  bei  Neapel. 
Wenn  man  dort  umherging,  empfand  man  nichts  Unangenehmes,  so  wie  man 
sich  aber  hinlegte,  erstickte  man.  Diese  den  Paliken  gehörenden  Krater  hiessen 
Belli,  welcher  Name  auf  das  Sieden  des  Wassers  hinzudeuten  scheint.  Sie 
wurden  auch  die  Brüder  genannt,  eine  Bezeichnung,  mit  welcher  ursprünglich 
die  Paliken  selbst  belegt  wurden ,   und  die  später  seltsam  genug  so  aufge- 


76  Erstes  Buch.    IV.  Die  Oreinwoliner. 

fasst  worden  ist ,  wie  die  alten  Berichterstatter  es  darstellen ,  als  sollten  die 
Krater  die  Brtlder  der  Paliken  sein ,  während  diese  doch  nicht«  anderes  als  die 
Gottheiten  der  Krater  waren.  Diese  Krater  befanden  sieh  unterhalb  der  Stadt 
Eryke,  die  wahrscheinlich  bei  Galtagirone  lag,  so  dass  Vergirs  Angabe,  dass 
sie  in  der  Mibe  des  Flusses  Symaithos  gewesen  wären,  von  diesem  Flusse  in 
seiner  weitesten  Ausdehnung  zu  verstehen  ist. 

Auch  heutzutage  tragen  die  Krater  der  Paliken  noch  ungefähr  denselben 
Charakter  wie  im  Alterthum.  Nahe  dem  Weiler  Favarotta,  3  Millien  von  Pala- 
goni»  und  vier  von  Mineo,  befindet  sich  der  Lage  Naftia  oder  FeUa,  ein  Teich 
von  runder  Gestalt,  dessen  Grösse  mit  den  Jahreszeiten  wechselt,  und  der  im 
Sommer  bisweilen  ganz  austrocknet.  Sein  gewöhnlicher  Durchmesser  wird  zu 
60 — 70  Yards,  seine  durchschnittliche  Tiefe  zu  15  Fuss  angegeben.  In  ibiu 
befinden  sich  drei  kleine  Krater,  von  denen  zwei  das  Wasser  i, — 3  Fuss  hoch 
auswerfen,  der  dritte  zu  einer  geringeren üöhe  und  nur  in  Zwischenräumen. 
Der  ganze  See  gleicht  einem  siedenden  Kessel,  wegen  der  Menge  von  Blasen,  die 
an  die  Oberfläche  steigen.  Das  trübe  und  grünliche  Wasser  ist  von  gewöhn- 
licher Temperatur.  Die  Luft  ist  von  einem  starken  Asphaltgeruch  erfüllt.  V(%el 
fliegen  nicht  über  den  See ;  kleinere  Thiere,  wie  Kaninchen,  Hasen,  sterben, 
wenn  sie  sich  ihm  nähern ;  Ochsen  und  Pferde,  in's  Wasser  getrieben,  schnap- 
pen ängstlich  nach  Luft;  der  Mensch  wird  von  Kopfschment  ergriffen.  W>nn 
der  See  trocken  ist,  findet  man  in  der  Mitte  des  Bodens  mehrere  Löcher  von 
grosser  Tiefe,  aus  denen  beständig  ein  warmer  Wind  hervorströmt,  welcher 
den  Schlamm  oder  Sand,  mit  welchem  sie  etwa  verstopft  sind,  emporhebt.  Die 
Umwohnenden  nennen  den  See  Donna  Fetia ;  eine  Fee  ist  an  die  Stelle  der  Pa- 
liken getreten.  Man  kann  nicht  verkennen,  dass  die  heutiges  Tages  bemerkbaren 
Erscheinungen  dieser  Gegend  sich  von  denen,  die  das  Alterthum  von  den  Pali- 
kenkratem  erzählte ,  nur  durch  die  geringere  Heftigkeit ,  mit  der  sie  auftreten , 
unterscheiden,  sowie  dass  das  Phänomen  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  Mac- 
caluba  bei  Girgenti  hat ,  von  der  es  vielleicht  nur  durch  die  Lage  in  einer  Nie- 
derung verschieden  ist. 

Um  diese  Palikenkrater,  welche  des  nicht  immer  gleich  hohen  Wasserstan- 
des wegen  auch  mit  den  Ausdrücken  Teiche  oder  Seen  im  Alterthum  bezeichnet 
werden,  war  ein  heiliger  Bezirk.  Vielleicht  stand  doit  ein  Tempel ,  jedenfalls 
ein  Altar.  Der  Bezirk  war  ein  Asyl  für  Sklaven,  die  die  schlechte  Behandlung 
ihrer  Herren  nicht  mehr  zu. ertragen  vermochten.  Sie  konnten  hier  in  völliger 
Sicherheit  mit  denselben  verhandehi  uod  waren  nur  dann  verpflichtet,  den  Zu- 
fluchtsort zu  verlassen,  wenn  ihre  Herren  eidlich  gelobt  hatten,  sie  in  Zukunft 
besser  zu  behandeln.  Dieser  Eid  wurde  bei  den  Paliken  selbst  geleistet  und 
war  von  solcher  Heiligkeit,  das  kein  Beispiel  eines  Treubruches  von  Seiten  der 
Herren,  die  ihre  Sklaven  von  den  Paliken  wiedererhalten  hatten,  vorgekommen 
sein  soll.  In  dem  heiligen  Bezirke  war  durch  Hallen  tmd  Herbergen  dafür  ge- 
sorgt, dass  Flüchtlinge  Aufnahme  fanden. 

Auch  sonst  war  es  gebräuchlich,  £ide,  die  eine  besondere  Kraft  haben 
sollten ,  bei  den  Paliken  zu  leisten.  Vorzugsweise  scheint  man  Rdnigungseide 
bei  ihnen  abgelegt  zu  haben.  Wer  sich  von  einem  ihm  zur  Last  gelegten  Ver- 
brechen reinigen  wollte,  hatte  sich,  nur  mit  dem  Chiton  bekleidet,  bdt^ränzt  und 


Paliken.  Demeter.  77 

einen  Zweig  in  der  Hand,  an  den  Krater  zu  stellen,  ihn  zu  berühren,  den  auf 
ein  Täfelchen  geschriebenen  Eid,  den  der  Ankläger  vorsprach,  nachzusprechen 
und  endlich  die  Tafel  in  das  Wasser  zu  werfen.  Schwamm  sie  oben,  so  galt 
der  Eid  als  wahrheitsgemäss,  und  der  Angeklagte  war  frei;  sank  sie  unter,  so 
hatte  er  falsch  geschworen  und  wurde  für  sein  Verbrechen  und  seinen  Mein- 
eid bestraft.  Der  Schuldige  wurde  getMtet,  —  wie  es  heisst,  verbrannt,  d.  h. 
wahrscheinlich  in  den  Krater  der  Pauken  geworfen ;  naeh  einer  anderen  Nach- 
richt war  Verlust  der  Aug^i  die  Strafe  des  Meineides.  Man  hat  vermuthet,  dass 
im  Laufe  der  Zeit  die  ursprüngliche  sprichwörtlich  gewordene  Strenge  der  Pa- 
liken gemildert,  und  etwa  spater  an  Stelle  des  Versenkens  in  den  Krater  die 
Blendung  getreten  sei. 

Dass  der  Kultus  der  Paliken  den  Sikelern  eigen  war,  wird  besonders  da- 
durch bewiesen,  dass  Duketios,  der  Vorkämpfer  der  sikelischen  Unabhängigkeit 
gegen  die  Griechen,  im  5.  Jahrh.  v<fr  Chr.  seine  neue  Hauptstadt  bei  ihrem  Hei- 
ligthume  gründete  und  nach  ihrem  Namen  benannte.  Es  ist  aber  auch  sonst 
gerade  in  Italien  ein  Anknüpfen  des  Kultus  an  heisse  Quellen ,  welche  betäu- 
bende oder  jtödtliche  Ausdünstungen  verbreiten  ,  nichts  Seltenes.  So  werden 
die  Sikeler  auch  den  Aetna  in  den  Kreis  ihrer  Verehrung  gezogen  haben.  Dass  sie 
den  schon  mehrfach  erwähnten  Gott  Hadranos  hoch  verehrtai ,  ist  ebenfalls  ge- 
wiss, und  wir  würden  deshalb  hier  genauer  von  ihm  zu  sprechen  haben,  wenn 
nicht  die  Vermuthung  grosse  Wahrscheinlichkeit  hätte,  dass  er  ursprünglich 
eine  orientalische  Gottheit  war.  • 

Wenn  Ovid  den  italischen  Faunus  als  Vater  des  Akis  in  die  sicilische  My- 
thologie einführt,  so  könnte  das ,  als  dichterische  Freiheit  aufgefasst ,  vielleicht 
nicht  zu  dem  Schlüsse  berechtigen,  dass  Faunus  wirklich  in  Sicilien  verehrt  wiu*de. 
Bedenken  wir  aber,  dass  er  einen  Tempel  an  dem  Schwefelquell  der  Albunea  bei 
Tibur  hatte ,  der  in  mancher  Beziehung  mit  dem  Palikensee  verglichen  werden 
kann,  so  möchte  doch  einige  Wahi*scheinlichkeit  dafür  vorhanden  sein,  dass  jener 
(lOtt,  wenn  auch  vielleicht  unter  anderem  Namen,  auch  den  Sikelern  bekannt 
v^  ar.  An  sich  ist  es  auch  nothwendig,  bei  diesem  Volke  den  Kultus  von  Wald- 
und  Feldgottheiten  anzunehmen ;  die  Natur  der  Insel ,  die  Beschäftigungen  der 
Einwohner  und  die  Sagen  von  Akis  und  Daphnis  weisen  darauf  hin. 

W^enn  aber  die  vulkanischen  Kräfte  der  Erdg  und  die  den  Boden  bedecken- 
den Wälder  und  Wiesen  ihre  Gottheiten  bei  den  Sikelern  hatten,  wie  stand  es 
mit  dem  Kultus  der  fruchtbringenden  Erde,  mit  der  Verehrung  der  Demeter? 
Ich  glaube,  dass  die  Sikeler  auch  diese  Gottheit  bereits  verehrten.  Gewöhnlich 
wird  freilich  angenommen ,  dass  der  Demeterkult  erst  von  den  Griechen  nach 
Sicilien  gebracht  sei.  Es  wird  als.  Beleg  hierfür  abgeführt,  dass  Henna,  in  spä- 
terer Zeit  der  Hauptsitz  ((es  Demeterkultus  auf  der  Insel ,  als  eine  Kolonie  von 
Syrakus  bezeichnet  wird.  Nun  genoss  aber  Demeter  in  Henna  eine  so  grosse 
Verehrung ,  dass  die  Sage  entstehen  konnte ,  die  hennäische  Demeter  sei  die 
älteste  von  allen ,  und  überdies  galt ,  wie  wir  wissen ,  die  ganze  Insel  als  in 
besonders  hohem  Grade  der  Demeter  geweiht.  Wenn  dies  Alles  von  den 
Griechen  herstammte,  so  müsste  nachgewiesen  werden  können,  nicht  blos, 
dass  in  den  grossen,  acht  griechischen  Städten  der  Insel ,  welche  auf  das  sike- 
lische  Innere  Einfluss  ausübten,    Demeter  in  hervorragender  Weise  verehrt 


78  Erstes  Buch.    IV.  Die  (Jreiu wohner. 

wurde ,  -sondern  auch ,  wo  weiter  rttckwäins ,  in  der  griechischen  Heimat ,  die 
Quelle  dieses  Kultus  lag.  Da  findet  sich  denn  nun ,  dass  die  Verehrung  der 
Göttin  in  Geia  und  Akragas  durch  mitgebrachte  griechische  Kulte  ihre  Erklärung 
erhält ;  aber  es  ist  kein  Zusammenhang  zwischen  diesem  Demeterkult  und  dem 
von  Henna  ersichtlich.  Es  käme  vielmehr  darauf  an,  zu  zeigen,  dass  Syrakus, 
welches  Henna  kolonisirte,  seinen  Demeterkult  aus  der  griechischen  Heimat 
mitgebracht,  und  dass  er  schon  hier  an  dem  Orte,  von  wo  ihn  Syrakus  erhielt, 
eine  der  sidiischen  wenigstens  annähernd  entsprechende  Bedeutung  gehabt 
hätte.  Aber  woher  sollte  er  dann  stammen?  AusKorinth  sicherlich  nicht,  denn 
in  Korinth  galt  Demeter  nicht  viel.  Aber ,  sagt  man ,  es  waren  einige  Jfegarer 
unter  den  Grtlndem  von  Syrakus ,  und  in  Megara  war  die  Gdttin  hochgeehrt. 

^  Wenn  das  megarische  Element  der  syrakusanischen  Bevölkerung,  das  nicht 
liedeutend  war,  genügte ,  um  in  Syrakus  den  Demeterkult  in  so  hohen  Flor  zu 
bringen,  wie  kommt  es,  dass  wir  in  einer  rdfn  megarischen  Kolonie,  in  Seiinus^ 
nichts  vom  Demeterkult  hören?  Es  soll  keineswegs  geläugnet  werden,  dass 
diese  Gottheit  in  Selinus  verehrt  wurde;  es  ist  im  Gegentheil  höchst  wahr- 
scheinlich, dass  es  der  Fall  war ;  aber  da  \%ir  nie  etwas  davon  hör^n,  trotzdem 
dass  die  Umgegend  der  Stadt  einen  trefiflichen  Weizen  hervorbrachte ,  so  liegt 
die  Schlussfolgerung  nahe,  dass  Demeter  wenigstens  keine  hervorragende  Stel- 

'  lung  unter  den  in  Selinus  verehrten  Gottheiten  einnahm.  '  Es  ist  also  gewiss 
mehr  als  bedenklich ,  einen  Kultus ,  der  in  einer  rein  megarischen  Kolonie  von 
geringer  Bedeutung  war,  in  einer  Stadt,  die  nur  wenige  Megarer  unter  ihren 
Gründern  zählte,  und  wo  derselbe  nicht  unbedeutend  war,  aus  Megara  her- 
leiten zu  wollen,  zumal  da  sich  daran  die  weitere  Folgerung  knüpft,  dass  der- 
selbe Kultus  in  einer  dritten  Stadt,  die  wiederum  nur  wenige  Syrakusaner  auf 
kurze  Zeit  zu  Bewohnern  hatte,  und  wo  er  noch  grossartiger  war,  aus  Syrakus 
herstammen  müsste.  Das  hiesse  aus  immer  schwächer  werdenden  Ursachen 
immer  stärkere  Wirkungen  herleiten  wollen. 

Und  warum  soll  Demeter  nicht  schon  von  den  Sikelem  verehrt  worden 
sein  ?  Warum  soll  gerade  die  Annahme  nicht  gellen,  welche  am  einfachsten  die 
dauernd  grosse  Verehrung  der  Göttin  auf  der  Insel  erklärt?  Die  Sikeler  waren 
ein  Volk  griechisch -italischen  Stammes;  sie  hatten  ausgebildete  Kultusge— 
brätiche;  sie  Svaren  ein  friedliches,  ackerbauti'*eibendes  Volk ;  weshalb  sollten 
sie  die  GöUin  der  fruchtbringenden  Erde  nicht  verehrt  haben?  Wenn  Herodot 
sagt,  dass  der  thesmophorische  Demeterkult,  derselbe,  den  wir  auch  in  Syrakus 
finden,  der  pelasgischen  Urbevölkerung  Griechenlands  angehöre,  dürfen  wir 
nicht  nach  den  Begriffen  ,  die  wir  uns  von  der  Verwandtschaft  der  Sikeler  mit 
der  ältesten  Bevölkerung  Griechenlands  machen  müssen,  hierin  eine  Wahr- 
scheinlichkeit dafür  finden ,  dass  auch  bei  den  Sikelem  Aehnliches  der  Fall 
war?  Es  kommt  noch  hinzu,  dass  auch  Unteritalien  die  Demeter  hoch  ehrte, 
und  doch  lagen  auch  hier  in  den  Stammreligionen  der  griechischen  Einwan- 
derer keine  besonderen  Motive  ftlr  diese  Erscheinung  vor.  In  Lokri  war  ein 
berühmter  Tempel  der  Persephone,  und  gerade  Lokri  hat  nachweislich  viel 
Sikelisches  beibehalten;  auch  an  die  lokrische  Kolonie  Hipponion  knüpfen  sich 
Sagen  vom  Aufenthalte  der  Köre.  So  werden  wir  denn  auch  annehmen  können, 
dass,  wenn  wir  nach  alten ,  jedenfalls  schon  aus  dem  5.  Jahrh.  vor'Chr.  stam- 


Demeter.  Phönicier.  79 

menden  Münzen  von  Ahakainon  hier  Demeter  verehrt  finden ,  dieser  Kult  von 
den  Ureinwohnern  der  acht  sikelischen  Stadt  herstammte. 

Wenn  wir  sonach  den  Kultus  einer  der  Demeter  entsprechenden  Gottheit 
als  sikelisch  betrachten  dürfen,  so  erweist  sich  uns  im  Allgemeinen  die  Religion 
der  Sikeler  als  eine  Naturreligion  mit  weniger  individualisirten  Gottheiten,  als 
z.  B.  die  Griechen  sie  hatten.   Daher  die  geringe  Zahl  von  Mythen. 

Aus  der  Geschichte  der  Sikeler  vor  der  griechischen  Zeit  ist  fast  nichts 
bekannt ,  als  was  die  schon  mitgetheiiten  Sagen  enthalten  können.  Mit  den 
Sikanem,  die  sich  vor  ihnen  zurückzogen ,  sollen  sie  auch  spater  noch  um  die 
Grenzen  —  vielleicht  um  das  Gelathal  —  Krieg  geführt  haben.  Nach  dem 
Aussterben  der  Aeoliden ,  heisst  es,  brachen  unter  den  Sikanem  Bürgerkriege 
aus,. während  die  Sikeler  die  Herrschaft  den  Besten  übertrugen,  d.  h.  zur  Ari- 
stokratie übergingen.  Doch  finden  wir  später  in  den  einzelnen  sikelischen 
Städten  Fürsten  an  der  Spitze  des  Volkes. 


Fünftes  Kapitel. 

Die  Phonicler  und  die  Elymer. 

Zu  den  Völkerschaften  pelasgischen  Stammes,  die  von  Italien  her  die  Insel 
besetzten  und  im  Verhältniss  zu  den  später  Gekommenen  als  Ureinwohner  zu 
betrachten  sind,  gesellten  sich  zunächst  Einwanderer  aus  dem  Oriente.  Es  ist 
unbestreitbar ,  dass  die  abendländische  Kultur  in  mannigfacher  Weise  direkte 
Einflüsse  des  Morgenlandes  erfahren  hat;  aber  es  ist  nicht  überall  möglich 
gewesen,  das  Mass  und  die  besonderen  Umstände  dieser  Einflüsse  mit  Sicher- 
heit nachzuweisen.  Für  Sicilien. sind  wir  dagegen  im  Stande,  einen  hierher 
gehörigen  wichtigen  Punkt  mit  Bestimmtheit  zu  behaupten :  die  Einwandeming 
der  Phönicier,  die  dann  noch  mancherlei  andere  orientalische  Einwirkungen 
in  ihreni  Gefolge  hatte. 

In  aflen  drei  Becken  des  Mittelländischen  Meeres  haben  anfangs  die  Phö- 
nicier  einen  bedeutenden  Einfluss  ausgeübt.  Aber  allmählich:  und  zwar  schon 
ziemlich  früh ,  mussten  sie  im  östlichen  und  mittleren  Becken  der  Uebermacht 
der  Hellenen  weichen  y  während  sie  im  westlichen  noch  Jahrhunderte  lang  die 
HeiTen  blieben.  Und  dieses  war  auch  von  allen  das  wichtigste  für  sie,  sowohl 
dadurch,  dass  sie  in  ihm  selbst,  zumal  in  dem  metallreichen  Iberien,  die  be- 
deutendsten Ziele  für  ihren  Handel  fanden ,  als  auch  weil  es  ihnen  das  Privileg 
der  Fahrt  in  den  dahinter  liegenden  Ocean  sicherte.  Den  Schlüssel  des  west- 
lichen Theiles  des  Mittelmeeres  bildete  aber  die  Insel  Sicilien. 

Und  im  Alterthum  war  sie  dies  in  noch  viel  höherem  Grade  als  heutzu- 
tage. Denn  bei  der  Nothwendigkeit,  die  Küsten  entlang  zu  fahren,  musste  man 
die  sicilischen  Gewässer  den  gefährlicheren  afrikanischen  und  der  Fahrt  um 
das  Gap  Bon  vorziehen.  Es  ist  nun  anzunehmen,  dass  anfangs,  und  so  lange 
als  die  Griechen  sieh  nicht  in  Sicilien  und  Italien  niedergelassen  hatten ,  die 
Phönicier  häufig  genug  auch  durch  die  Meerenge  von  Messina  fuhren.  Allmäh- 


80  Erstes  Buch.    V.  Die  Phönicier  und  Elymer. 

lieh  aber  erlangte  die  Fahrt  längs  der  SudkUste  der  Insel  durchaus  den  Vorzug. 
Hier  befand  man  sich  beständig  in  der  Nähe  der  in  den  afrikanischen  Kolonien 
wohnenden  Landsleute ,  zu  denen  man  im  Falle  der  Noth  flüchten  konnte. .  So 
wurde  denn  von  den  drei  Spitzen  der  Insel  besonders  Pachynos  und  Lilybaioii 
für  die  Ph(:^nicier  wichtig ;  jenes  als  der  Punkt  der  Insel ,  welchen  sie  zuerst 
berührten,  wenn  sie  nach  Westen  fuhren ,  dieses,  weil  hier  die  nach  Afrika, 
Sardinien  und  Iberien  bestimmten  Flotten ,  weldie  so  weit  in  geschlqssenen 
Massen  fahren« konnten,  sich  theilen  mussten.  Von  diesen  zwei  Punkten  war 
wiederum  Liiybaion  der  wichtigere  für  die  Phönicier ,  weil  es,  nach  Westen 
gelegen,  dem  üauptschauplatz  der  Thätigkeit  des  Volkes  näher  war,  und  weil 
überdies  sein  Besitz  denen ,  die  ausserdem  die  gegenüberliegende  afrikanische 
Küste  beherrschten,  stets  die  freie  Durchfahrt  nach  dem  Westen  sicherte.  Da- 
her  ist  es  denn  auch  gekommen,  dass  das  Westende  Siciliens  von  den  Semiten 
mit  der  grössten  Hartnäckigkeit  behauptet  worden  ist,  und  dass  zuerst  die 
Phönicier  sich  dort  den  Hellenen  gegenüber  concentrirten ,  nachher  aber  die 
Karthager  gerade  die  Gegend  um  Liiybaion  am  längsten  vertheidigt  haben  und 
den  Griechen  nie,  den  Römern  aber  erst  nach  langem  Kampfe  gewichen  sind. 
~~^  Wenn  nun  die  Phönicier  so  Sicilien  anfangs  nur  als  Station  auf  ihren 
Fahrten  nach  dem  ferneren  Westen  benutzten  und  schätzten ,  so  mussten  sie 
doch  bald  einsehen,  dass  es  der  Mühe  lohnte,  auch  mit  den  Bewohnern  der 
Insel  Handel  zu  treiben.  Sie  fanden  hier  manche  Naturprodukte,  die  sie  an- 
derswo sehr  gut  absetzen  konnten ,  und  verkauften  dagegen  die  Erzeugnisse 
ihrer  eigenen  Industrie  den  Sikelem.  So  wurden  sie  veranlasst,  sich  an  vielen 
Punkten  Jer  Insel  niederzulassen ,  die  sie  sonst  nicht  i)esuckt  haben  würden, 
und  dieser  Zweck  ihrer  Ansiedelung  auf  Sicilien  erschien  den  Griechen  der 
älteren  Zeit,  die  in  die  Handelspolitik  der  Phönicier  nicht  sehr  eingeweiht 
waren,  so  überwiegend,  dass  sie  den  zuerst  von  uns  angeführten  darüber 
ausser  Acht  Hessen. 

-  Es  wohnten,  sagt  Thukydides,  die  Phönicier  in  Sicilien  anfangs  auf  allen 
Landspitzen  um  die  ganze  Insel  herum  und  auf  den  naheliegenden  kleineren 
Inseln,  des  Handels  mit  den  Sikelem  wegen.  Als  aber  die  Griechen  das  sike- 
lische  Meer  häufiger  befuhren,  verliessen  die  Phönicier  den  grössten  Theil  ihrer 
Wohnsitze  auf  der  Insel  und  drängten  sich  in  Motye,  Panormos  und  Soloeis  zu- 
sammen. Dies  ist  die  bestimmte,  höchst  werthvollc  Naphricht  über  phönidscho 
Kolonien  auf  Sicilien.  Wir  haben  zu  versuchen ,  sie  durch  genauere  Nach- 
weisung der  Niederlassungen  dieses  Volkes  auf  der  Insel  zu  eriäutern,  und 
daran  anzuschliessen ,  was  sonst  von  Spuren  orientalischer  Völker  auf  Sicilien 
zu  finden  ist,  —  abgesehen  natürlich  von  der  spätem  Einwirkung  der  Karthager. 
Wenn  wir  nun  die  Punkte  der  Insel  suchen,  welche  einst  von  Phöiii- 
ciern  bewohnt  waren ,  so  müssen  wir  uns  zuerst  über  die  Merkmale  klar  wer- 
den ,  an  denen  wir  sie  beim  Mangel  ausdiilcklicher  Nachrichten  zu  erkennen 
haben.  Es  sind  hauptsächlich  zwei ;  einerseits  das  Vorhandensein  orientali- 
scher Relistionsformen  an  einem  bestimmten  Orte  und  andererseits  die  Wahr- 
scheinlichkeit ,  dass  ein  Ortsname  orientalischen  .Ursprungs  sei,  eine  W^ahr- 
scheinliehkeit,  welche  sich  entweder  aus  seiner  Uebereinstimmung  mit  acht 
orientalischen  Ortsnamen  oder  daraus  ei^bt,  dass  für  denselben  eine  onen- 


Phönicier  in  Sicilien.  81 

tausche  Etymologie  Evidenz  besitzt.  Das  erste  Merkmal  darf  jedoch  nur  mit 
grosser  Vorsicht  benutzt  werden.  Denn  da  unsere  Kcnntniss  von  den  Kulten 
der  sicilischen  Orte  fast  nur  auf  Nachrichten  oder  Denkmillem  einer  spllteren 
Zeit  beruht,  so  ist  es  nicht  immer  ganz  gewiss,  dass  orientalische  Religions- 
formeo ,  von  denen  sich  in  den  griechischen  oder  sikelischen  Orten  der  Insel 
Spuren  finden ,  aus  einer  früher  dort  befindlichen ,  phönicischen  Niederlassung 
herstammen ;  sie  können  in  manchen  Filllen  direkt  in  die  schon  bestehenden 
griechischen  oder  sikelischen  SUidte  einge;fuhrt  worden  sein.  Orientalische  Orts- 
namen aber  werden  nur  dann  mit  Sicherheit  auf  altphönicischen  Ursprung  hin- 
deuten ,  wenn  sie  entweder  schon  in  früher  Zeit  oder  im  Osten  der  Insel  vor- 
kommen ,  da  im  Westen  später  manche  Niederlassungen  von  den  Karthagern 
gegründet  sein  müssen. 

Es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  das  Vorgebirge  Peloris  in  sehr  alter 
Zeit  von  den  Phöniciern  besetzt  war.  Die  Nachricht  des  Thukydides  passt  ganz 
besonders  auf  diese  Landspitze.  Wenn  femer  in  der  oben  angeführten  Sage, 
dass  der  Name  von  einem  Libyer  herrühre,  auch  nicht  eine  Hindeutung  auf  eine 
alte  orientalische  Niederlassung  daselbst  liegen  sollte,  so  werden  wir  doch  als- 
bald sehen ,  dass  Orion ,  dessen  Name  sich  an  dies  Vorgebirge  knüpft ,  höchst 
wahrscheinlich  ein  orientalischer  Heros  ist. 

Weiter  südlich  lag  in  der  Nähe  von  Messana  der  Ort  Tamaricium  oder 
Palma.  Tamar  bedeutet  in  den  semitischen  Sprachen  die  Palme,  und  es  ist  somit 
dieser  übrigens  unbekannte  und  unbedeutt»nde  Ort  als  ein  ursprünglich  phöni- 
cischer  anzusehen.  Da  Katana,  wie  spätere  Münzen  zt»igen,  ägyptische  Gott- 
heiten verehrte,  so  hat  man  mit  Movers  vermuthet,  dass  hier' eine  alte  phö- 
nicische  Niederlassung  war,  die  ägyptischen  Gottesdienst  eingeführt  hatte. 
Sehr  viel  wahrscheinlicher  ist  es  indess,  dass  diese  auch  auf  späteren 
syrakusanischen  Münzen  sich  offenbarenden  ägyptischen  Kulte  von  direkten 
Beziehungen  der  Städte  Katana  und  Syrakus  zu  Aegypten ,  etwa  aus  der  Zeit 
Hieron's  H.  henilhrten.  Noch  zweifelhafter  muss  die  Vermuthung  erscheinen, 
dass  an  der  Stelle  von  Leon t in i  bereits  in  alter  Zeit  Phönicier  wohnten,  ob- 
wohl allerdings  das  Vorkommen  der  Stadt  in  der  Heraklessage  auf  alten  Zu- 
sammenhang mit  Tyrus  hinzuweisen  scheint.  Bei  Thäpsos  macht  dagegen 
die  Lage  auf  einer  Halbinsel  und  der  semitische  Name  —  Tiphsach  d.  h.  Ueber- 
gang,  nämlich  über  die  Halbinsel  auf  das  feste  Land  —  es  ziemlich  sicher,  dass 
einst  Phönicier  hier  wohnten.  Sollte  nicht  auch  die  Halbinsel  Augusta  in 
uralter  Zeil  eine  phönicische  Kolonie  getragen  haben? 

Auch  in  Syrakus  deuten  Spuren  auf  eine  frühe  Niederlassung  der  Phö-^ 
nicier  hin.  Schon  in  der  Heraklesmythe,  deren  orientalische  Grundlage  bereits 
angedeutet  wurde,  erscheint  die  Gegend,  in  der  später  die  Stadt  des  Archias  lag. 
Wir  wissen,  dass  der  Heros,  als  er  dort  die  Quelle  Kyane  gefunden  und  erfahren 
hatte ,  dass  hier  Pluton  und  Persephone  in  die  Erde  verschwunden  seien ,  den 
schönsten  Stier  seiner  Heerde  in  die  Quelle  versenkt  und  den  Einwohnern  ge- 
boten haben  soll,  jährlich  so  die  Köre  zu  feiern.  Deshalb  wurde  denn  jedes  Jahr 
dort  eine  grosse  Pestversammlung  gehalten,  wobei  von  Privatleuten  kleinere  Opfer 
gebracht  und  von  Slaatswegen  ein  Stier  in  die  Tiefe  versenkt  wurde.  Der  orien- 
talische Charakter,  den  dieses  Opfer  trägt,  wird  noch  durch  das  verstärkt,  was, 

Holm,  Gesck.  Sidlieiis.  I.  ^ 


$2  ErsteH  Buch.    V.   Die  Phdnicier  und  Elymer. 

von  der  gewtibnliclien  Sage  nbweiobend,  von  Plularclt  aus  DosUheos  über  Kyane 
heriohlel  wird.  Der  Syrakusaner  Kyanippos  lud  durch  VemachluasiguDg  des 
Dionysos  den  Zorn  dieses  Gottes  au!  sich.  Zur  Strafe  mit  Ti'unkenheit  heimge- 
sucht, Uben^HlllKte  er  an  einem  dunkeln  Oile  seine  l'ocbler Kyane ;  diese  nahm 
dem  TfaSter,  um  ihn  später  einmal  darBn  erkennen  zu  können,  einen  Hing  ab, 
dan  sie  ihrer  Amme  zur  Aufbewahrung  gab.  Nun  brach  eine  Pest  aus,  und  der 
Pylhiscbc  Apolkui  gebot,  den  Verbrecher  den  Göttei-n  xu  opfern.  Den  dunkeln 
Spruch  verslaud  nur  Kyane,  di»  inawischen  den.  Misselhaier  erkannt  hatte.  Sie 
Uidtete  ihren  Vater  und  dann  sich  selbst.  Diese  Geschichte  spielt  nun  aller- 
dings, wie  die  Erwähnung  des  pythischen  Apollon  leigt,  in  der  griechischen 
Zeit;  indess  scheint  sie  doch  weiter  nichts  als  eine  mit  etwas  veränderten 
Neben  umstanden  erziihlte ,  alte  Sage  zu  sein ,  aus  der  man  vielleicht  nicht  mil 
Unrecht  auf  die  Thalsache  schJiessen  durfte,  dass  einst  an  der  Quelle  Kyan>- 
Statt  eines  Stieropfers  ein  Menschenopfer,  wenn  auch  nur  das  eines  Verbrechers, 
dargebracht  au  werden  pflegte.  Dies  sowohl  wie  die  ganze  Erzählung  hat  aber 
einen  durchaus  oiientulischen  Charakter,  dem  es  andererseits  keinesvs'eg.s  wider- 
spricht, wenn  Herakles  es  ist,  4ler  das  OpTerfesl  an  der  Quetle  stiftet. 

Femer  passl  Syrakus  vortntfllich  in  die  Reibe  der  kleinen  Inseln  um  Sici- 
lien ,  die  nach  Thukydides  die  Phtinicier  bewohnten ,  und  es  kann  uns  in  der 
Annahme,  dass  sie  einst  auf  Ortygia  ansässig  waren,  auch  der  Umstand  nicbl 
irre  machen ,  dass ,  als  die  Griechen  unter  Archias  dort  anlaiui;ten ,  nach  dem 
Zeugniss  desselben  Schriflslelteis  es  Sikeler  waren,  die  sie  von  dort  vertrieben 
—  die  PhOnicier  werden  es  schon  früher  wieder  verlassen  haben. 

Nordlich  vom  Vorgebii^e  Pachynos  wird  in  der  Nühe  der  Stadt  Heloros  ein 
Hafen  Phoinikus  erwähnt;  also  hatten  sich  auch  hier  Phflnicier  angesiedelt. 

Das  Vorgebirge  Pachynos  selbst  zeig!  schon  in  seinem  Namen  die  Erin- 
nerung an  eine  alte  phOnicigche  Kolonie.  Pachun  bedeutet  Warte,  und  eine 
Warte  war  das  Vorgebirge  in  dc^pelter  Beziehung.  Einmal  nümlich  konnte  von 
hier  aus  Wacht  Über  die  herankommenden  Schiffe  gehallen  werden ,  die  auf 
der  Fahrt  nach  Westen  hier  zuerst  Sicilien  berührten ,  und  sicherlich  gern  auf 
kurze  Zeit,  wenn  auch  nur,  um  frisches  Wasser  einzunehmen,  in  einen  Hafen 
liefen.  Ferner  war  aber  dieser  Funkt  wegen  des  dort  betriebenen,  bedeutenden 
ThuDßscbfauges  ohne  allen  Zweifel  mit  einem  Wart thurnie  versehen,  dessen 
Bewohner  die  Ankunft  dei'  wandernden  Fischscbaaren  zu  si^ialisiren  und  so 
das  Zeichen  eines  Fanges  zu  geben  hallen ,  der  den  PhOniciem  einen  wichtigen 
Handelsartikel  lieferte. 

An  der  SüdkUsle,  die  keine  guleif  Hafen  besitzt,  und  wo  also  trotzdem, 
dass  die  PhOnicier  hier  vorbeifuhren ,  schwerlich  viele  bedeutende  Niederias- 
sungen  gegrllndel  sein  werden,  darf  doch  des  Namens  wegen,  der  von  einer 
auch  in's  Griechische  hinUbergenommenea  Wurzel  Kamar,  Stein,  herkonmil 
und  auch  einen  babylonischen  Ort  liezeichnet,  Kaniarina  als  eine  ursprllng- 
lich  ihnen  angehorige  Stadt  beU'acblet  werden.  Ffatlnicischen  Urspnuigs  war 
femer  die  Stadt  H  a  k  a  i-a ,  deren  Name  von  Baal  -  Dakar  oder  Heikart  berau- 
leilen  ist.  Deshalb  heisst  die  Stadt  denn  auch  auf  MUnzen  mit  phönicischer 
Inschrift  Bus  Heikart,  und  es  erklärt  sich  leicht,  wie  ihr,  nachdem  sie  nach 
Hinos  bereits  Uinoa  genannt  worden  war,  spätere  spartanische  Kolonisten  den 


Motye.  Selinufi.  Panormos.  83 

Namen  Herakleia  beilegen  konnten ,  der  mit  Makara  ziemlich  gleichbedeutend 
Isl.  Die  Lage  des  Ortes  ist  noch  nachweisbar.  Oestlich  von  der  Mündung  des 
Platani  erhebt  sich  ein  grosser,  weisser  Fels  60 — 80  Meter  Über  die  Meeresflache, 
jetzt  Capo  Bianco  genannt.  Er  ftült  nach  Osten ,  Süden  und  Westen  steil  ab, 
wilhrend  er  von  Norden  ziemlich  zugänglich  ist;  die  obere  FlHche  hat  etwa 
1800  Fuss  nach  allen  Richtungen.  Hier  lag  die  Stadt,  welche  die  Namen  Ma- 
kara, Minoa,  Herakleia  führte,  und  von  der  Fazell  noch  die  Fundamente  der 
Ringmauern  erkannte. 

Weiter  nach  Westen  ist  bei  den  selinuntischehBiidern,  dem  heutigen 
Sciac^a  ,  das  auf  einem  Felsen  am  Ufer  des  Meeres ,  überragt  von  dem  grauen 
S.  Calogeroberge,  sich  erhebt,  eine  phönicische  Ansiedlung  zu  vermuthen.  Von 
den  Bädern  selbst  und  ihren  Spui^n  des  AUerthums  wird  bald  die  Rede  sein. 

Auch  Selinus  könnte,  wenn  der  Name,  statt  nach  der  gewöhnlichen 
£»riechiscben  Etymologie:  Eppichstadt,  vielmehr  nach  semitischer  —  von  Sela 
—  Fetsenstadt  bedeutete,  ursprünglich  von  Phöniciem  gegründet  sein,  und 
dasselbe  ist  von  dem  nahen  Mazara  zu  vermuthen,  dessen  Name  einfach  Ka- 
stell bedeutet. 

Die  Westspitze  von  Sicilien  führt  bekanntlich  den  Namen  Lilybaion, 
weil  sie  Libyen  gegenüber  liegt.  Auf  der  Landzunge  lag  auch  eine  Stadt  gleiches 
Namens,  aber  erst  in  späterer  Zeit.  Lilybaion  wurde  396  v.  Chr.  von  den  Kar- 
thagern angelegt.  Es  ist  deshalb  falsch,  wenn  bei  Diodor  bereits  im  Jahre  454 
V.  Chr.  einer  Streitigkeit  gedacht  wird ,  welche  zwischen  den  EgestHem  und 
den  Lilyhäern  ausgebrochen  sei.  Es  findet  hier  eine  Verwechselung  zwischen 
Lilybaion  und  Motye  Statt.  Es  konnte  aber  auch  im  5.  Jahrhundert  vor  Chr. 
da,  wo  später  Lilybaion  lag,  noch  keine  bedeutendere  Stadt  sich  erheben,  weil 
in  unmittelbarer  Nähe  damals  noch  das  so  eben  genannte  Motye  stand.  Nach 
den  Angabien  der  Alten  hat  Motye  auf  einer  Insel,  nahe  dem  Festlande  von  Si- 
cilien, gelegen.  Diese  Insel  ist  die  Isola  S:  Pantaleo,  deren  Lage  oben  beschrieben 
ist.  Sie  hat  einen  Umfang  von  \  ^j^  Millien  und  erhebt  sich  ^ — 4  Meter  über  die 
Oberfläche  des  Meeres.  Mauerreste,  welche  dem  Lauf  der  Küste  folgen,  deuten 
darauf  hin ,  dass  die  ganze  Insel  nur  einen  einzigen  befestigten  Ot  bildete ; 
Münzen  und  Gefässscherben,  Stücke  von  bleiernen  Wasserröhren  und  eine,  wie 
es  scheint,  auf  dem  Festlande,  der  Insel  gegenüber,  gefundene  phönicische  In- 
schrift lassen  weiter  auf  eine  phönicische  Stadt  und  speciell  auf  Motye  scbliessen. 
Noch  ist  der  Damm  vorhanden,  der  später  die  Insel  mit  dem  Festlafnde  verband, 
wenn  ihn  gleich  bei  hohem  Wasserstande  die  Meeresfluten  bedecken.  Den 
Hafen  von  Motye  bildete  die  ganze  Bucht,  die  die  Insel  umgab,  und  die,  da  die 
nach  aussen  vorliegenden  Inseln  sicher  unter  sich  und  wahrscheinlich  auch  mit 
dem  Cap  Teodoro  wenigstens  durch  eine  von  Schiffen  nicht  zu  passirende  Un- 
tiefe zusammenhingen,  nur  von  Südwesten  her  durch  einen  schmalen  Pass  zu- 
gänglich war.  Das  Alter  der  Stadt  Motye  zeigt  sich  auch  darin ,  dass  ihr  Name 
schon  in  die  Heraklessage  verflochten  ist.  Ueber  die  Deutung  des  Wortes  aus 
semitischen  Wurzeln  herrscht  keine  Uebereinslimmung  unter  den  Gelehrten. 

Wenn  wir  nun  die  KtlStenlinie  weiter  verfolgen,  so  ist,  da  Drepanon,  das 
heutige  Trapani ,  trotz  seiner  Erwähnung  in  der  Aeneis ,  eine  spätere  kartha- 
gische Kolonie  ist,  der  erste  nachweislich  phönicische  Ort  Panormos.  Doch  haben 

6* 


84  Erstes  Buch.    V.  Die  Pbönicier  uiid'Elymer. 

sicherlich  auf  den  dazwischeD  liegenden  Vorgebirgen  und  Inselclien ,  wie  z.  B. 
auf  der  IsoUi  delle  Femmine ,  westlich  von  C.  Gallo ,  Phönicier  gewohnt,  und 
das  von  Ptolemaios  in  dieser  Gegend  erwähnte  Keia  ria  war  ohne  Zweifel  eine 
phönicische  Thunfischfangstation. 

Es  ist  eigen tbUmlich ,  dass  die  Stadt  Pa norm os,  die  nie  von  Griecben 
beherrscht  wurde ,  einen  hellenischen  Namen  fuhrt ,  den  noch  manche  andere 
Hafenorte  in  £uropa  und  Asien  tragen.  Wie  die  Phönicier  selbst  die  Stadt 
nannten,  wissen  wir  nicht,  denn  es  ist  keineswegs  sicher,  dass  die  auf  sicilisch- 
phönicischen  Münzen  sich  findende  Inschrift  Machanat^  das  Lager,  sich  auf 
Panormos  bezieht,  und  ebenso  unsicher  ist  die  weiter  darauf  gegründete  Ver- 
muthung,  dass  der  eigentliche  Name  von  Panormos  »das  Lager  der  Buntwirker« 
gewesen  sei,  wie  Movers  das  Wort  Machoschbim,  weidies  andere  ähnliche  Mün- 
zen tragen,  hat  erklären  wollen.  In  dem  griechischen  Namen  Panormos  liegt  die 
Hindeutung  auf  den  geräumigen  Hafen,  welchen  die  Stadt  besass,  und  der  Name 
würde  schon  gerechtfertigt  erscheinen,  wenn  sie  auch  keinen  andern  Hafen 
gehabt  hätte,  als  den  herrlichen  Golf,  an  welchem  sie  liegt.  Dieser  wird  von 
den  beiden  isolirten  steilen  Felsen  des  Monte  Pellegrino  und  des  Cap  Zafarana 
eingeschlossen ,  und  seine  grösste  Ausdehnung  in's  Land  hinein  beträgt  etwa 
5  Millien.  SchifTe  können  hier  an  den  verschiedensten  Punkten  sicher  ankern, 
ohne  dass  sie,  selbst  bei  starkem  Winde,  ernstlicher  Gefahr  ausgesetzt  wären. 
Am  westlichen  Ufer  dieser  Bucht,  ihrer  Oeffnung  gerade  gegenüber,  liegt  und 
lag  nun  in  dem  prachtvollen,  amphitheatralisch  von  Gebirgen,  die  sich,  zuletzt 
niedriger  werdend ,  bis  in  die  Nähe  des  Cap  Zafarana  hinziehen ,  umgebenen 
und  nur  nach  Nordwesten  und  Südosten  geöffneten  Thale  der  Goldenen  Muschel 
—  Conca  d'oro  —  auf  einem  leicht  ansteigenden  Boden  die  Stadt  Palermo ,  das 
alte  Panormos.  Heutzutage  besitzt  sie  zwei  Häfen ,  von  denen  der  äussere, 
neuere  durch  einen ,  das  Ufer  des  Monte  Pellegrino  in  südlicher  Richtung  fort- 
setzenden Molo  gebildet  ist ,  während  der  andere,  Cala  felice  genannt,  sich  in 
die  Stadt  selbst,  aber  nur  wenig,  hineinzieht.  Dieser  ist  nur  ein  Ueberrest  eines 
grösseren,  von  dessen  Gestalt,  wie  sie  im  4  0.  Jahrh.  nach  Chr.  war,  man  sich 
nach  der  Beschreibung  des  Geographen  Ibn  -  Haukai  eine  Vorstellung  machen 
kann.  Hiernach  spaltete  sich  die  Cala  an  ihrem  Ende  in  zwei  nach  Westen  und 
Osten  in  die  Stadt  eindringende  Becken.  Da  nun  seitdem  eine  nicht  unbedeu- 
tende Meeresstrecke  Land  geworden  ist ,  so  liegt  die  Vermuthung  sehr  nahe, 
dass  dieses  Zurücktreten  des  Meeres  bereits  früher  begonnen  habe,  dass  somit 
im  Alterthum  der  sich  in  die  Stadt  Panormos  hineinziehende  Hafen  noch  aus- 
gedehnter gewesen  sei ,  als  im  1 0.  Jahrhundert  nach  Chr.  Sicherlich  ist  es 
dieser  Ankerplatz,  welcher  die  Veranlassung  zu  dem  Namen  Panormos  gegeben 
hat.  Und  in  der  That,  wenn  aus  dem  Alterthum  von  Hunderten  von  Schiffen 
gemeldet  wird ,  welche  zu  gleicher  Zeit  in  Panormos  Schutz  fanden ,  so  wiid 
man  nicht  an  die  offene  Rhede ,  an  den  Golf  von  Palermo  denken  mögen ,  man 
wird  einen  wirklich  abschliessbaren  Hafen  verlangen,  der  gegenwärtig  nicht  in 
der  erforderlichen  Grösse  vorhanden  ist ,  aber  durch  eine  weitere  Ausdehnung 
der  Cala  in's  Land  hinein  hergestellt  wird.  Man  hat  ferner  die  passende  Ver- 
muthung aufgestellt,  dass  der  von  den  beiden  Armen  des  Hafens  umschlossene 
Stadttheil  die  ursprüngliche  und  alte  Stadt  Panormos  gew  esen  sei ,  an  welche 


Soloeis.  Pbönicier  im  iDoern.  g5 

sich  im  3.  Jahrhundert  vor  Chr.  noch  eine  Neustadt  anschioss ,  von  der  wir 
annehmen  dürfen ,  dass  sie  südlich  oder  südöstlich  von  jener  lag.  Die  Altstadt 
wird  ungefähr  durch  den  oberen  Theil  der  hei|tigen  Gassarostrasse  bezeichnet. 

Unweit  von  Panorraos  nach  Osten  lag  der  dritte  Hauptsitz  der  Phönicier 
Siciliens,  die  Stadt  Soloeis  oder  Solus,  deren  Lage  das  heutige  Gastello  di 
Solanto,  südlich  vom  Cap  Zafarana^  kund  thut.  Solunt  lag  auf  einem  haupt- 
sächlich von  Süden  und  Westen  zugänglichen  Berge,  dessen  obere  Fläche  noch 
jetzt  die  Spuren  von  Gebäuden  in  Kapitalen ,  Ai*chitravcn  und  verschiedenen 
Mauerresten  zeigt.  Von  den  zwei  antiken  Strassen ,  die  nach  Panormos  und 
Himera  führten ,  sind  noch  Stücke  erhalten ,  und  ebenso  in  der  Stadt  selbst 
zwei  andere,  von  denen  die  eine ,  6,:^ 5  Meter  breite,  am  Rande  des  Abhanges 
entlang  läuft ,  während  die  andere ,  5  Meter  breite ,  auf  der  vorigen  senkrecht 
stehend,  mitten  durch  die  Stadt,  an  manchen  Punkten  treppcnförmig,  empor- 
st^ic^t.  Am  Fusse  des  Berges  öffnet  sich  ein  kleiner  Hafen ,  der  allerdings  nur 
wenigen  Schiffen  Zuflucht  gewähren  konnte.  Auch  den  Namen  dieser  Stadt 
kntlpfte  die  Sage  an  die  Wanderungen  des  Herakles;  in  Wirklichkeit  scheint  er, 
wie  der  von  Selinus,  den  Ort  als  eine  Felsenstadt  bezeichnet  zu  haben. 

Weiter  nach  Osten  hin  finden  wir  zunächst  am  Himeraflusse  die  Stadt 
Himera.  Ihre  warmen  Bäder  sollen  für  Herakles  geschaffen  sein,  und  der 
Name  kann  mit  der  für  den  Fluss  passenden  Bedeutung  des  Brausenden  aus 
den  semitischen  Sprachen  hergeleitet  werden.  Ob  dies  genügt,  in  ihr  eine  alte 
phönicische  Kolonie  zu  sehen ?  Aehnlich  steht  es  mit  Kephaloidion,  das 
allerdings  später  nur  von  Sikelern  bewohnt  war,  das  aber  durch  seine  Lage  an 
einem  für  den  Fischfang  besonders  geeigneten  Vorgebirge  vortrefflich  in  die 
Reihe  der  von  Thukydides  als  phönicisch  bezeichneten  Oertlichkeiten  passt. 
Der  Name  wäre  dann  die  Uebersetzung  des  bei  phönicischen  Ortsnamen  öfter 
vorkommenden  Bus  —  Vorgebirge. 

Bis  hierher  haben  wir  die  Stelle  des  Thukydides,  die  von  Ansiedlungen  an 
der  Küste  spricht,  zu  erläutern  gesucht.  Es  sind  aber  Spuren  vorhanden ,  die 
auf  ein  Eindringen  der  Phönicier  auch  in  das  Innere  der  Insel  hinweisen ,  Spu- 
ren, die  vorzugsweise  in  den  Ortsnamen  liegen.  Von  diesen  kommt  eine  kleine 
Zahl  überhaupt  in  semitischen  Gegenden  häufig  vor.  Dahin  gehören  Arbela , 
Amathe,  deren  Lage  in  Sicilien  gänzlich  unbekannt  ist,  und  Tabai,.das  man 
in  Tavi  bei  Leonforte  wiederfindet.  Andere  sieilische  Ortsnamen  treten  in  der- 
selben oder  in  ähnlicher  Form  in  punischen  Gegenden  auf.  So  könnte  Ame- 
selon  dem  Namen  der  Stadt  Annesel  an  der  grossen  Syrte  entsprechen;  die 
Namen  Bidis  und  Bidios,  die  Orte  im  syrakusanischen  und  tauromenitani- 
schen  Gebiete  bezeichneten ,  erinnern  an  Bida  und  Bidil ,  Städte  in  Mauretania 
Caesariensis;  Maktorion  an  Muktar,  wie  zwei  Ortschaften  in  Byzacium  und 
Numidien  hiessen;  Motyka  an  das  numidische  Mutuga  und  das  mauretanische 
Mutecia ;  l  n  y  k  o  n  endlich  an  das  in  Karthago's  Nähe  gelegene  Inuka  oder  Unuka. 
Eine  dritte  Klasse  sicilischer  Ortsnamen  erscheint  in  kanaanitischcn  Gegenden 
wieder.  Hierher  gehört  wohl  weniger  das  von  Movers  angeführte  Atabyrion,  das 
obwohl  Tabor  entsprechend,  doch  nur  aus  Rhodos  nach  Sicilien  verpflanzt  sein 
durfte,  als  Ateri^n,  unbekannter  Lage;  Gena,  das  im  Itinerar  des  Antonin 
I8MU1.  westlich  von  Agrigent  vorkommt  und  in  der  Gegend  von  Monte  Allegro 


m        '   mm  ' 


86 


Erstes  Buch.    V.  Die  Pböoicier  uod  J^lymer. 


gelegen  haben  könnte;  efidlich  llelkelhion,  das  Ptoleinaios  nahe  der  West- 
spitze Sicüiens  setzt. 

Schliesslich  sind  noch'  Ortsnamen  zu  nennen,  die  am  passendsten  aus  den 
semitischen  Sprachen  erklärt  werden.  Es  ist  keinem  Zweilcl  unterworfen,  dass 
Amestratos  oder  Mytistraton  eigentlich  Volk  der  Astor  oder  Astart«  be- 
deutet, und  höchst  wahrscheinlich,  dass  Kabala,  der  Name  eines  Ortes  von 
.ungewisser  Lage  Besitzthum  bezeichnet,  dass  Solusapre,  welches  in  den 
Itinerarien  unfern  der  Nordküste  bei  Kaiakle  voriLommt,  seinen  Namen  von  der 
Lage  auf  einem  »schönen  Felsen«  hat,  sowie  endlich,  dass  L  a  nari  um,  wie  in 
denselben  Itinerarien  scheinbar  ein  Fluss  1 0  Miliien  östlich  von  Mazara  heisst, 
nichts  weiter  ist,  als  das  semitische  lanar,  d.  h.  am  Flusse,  so  dass  es  einen  Ort 
oder  eine  Station  bezeichnete. 

Von  den  hier  angeführten  Orten  ist  es  mit  Ausnahme  von  dreien ,  Cena, 
Helketbion  und  Laiiarium ,  welche  im  Westen  der  Insel  liegen  und  erst  in  spä- 
terer Zeit  vorkommen,  wo  schon  die  Karthager  sich  auf  Sicilien  heimisch  ge- 
macht hatten,  wahrscheinlich,  und  bei  vielen  derselben  sogar  unbedingt  noth- 
wendig,  dass  sie  schon  in  alter  Zeit  phönicische  Niederlassungei)  gehabt  haben, 
von  denen  ihre  Namen  herrühren,  tis  miiss  also  als  erwiesen  l)etrachtet  wer- 
den ,  dass  die  Phönicier  auch  in  das  Innere  der  Insel  eindrangen ,  trotz  des 
Schweigens,  das  die  alten  Schriftsteller  bieiilber  beobachten. 

Aber  die  Phönicier  waren  keineswegs  das  einzige  orientalische  Volk,  das 
nach  Sicilien  kam.  Sehr  bedeutend  ist  auch  der  von  den  Elymern  auf  die  Ge- 
schicke der  Insel  ausgeübte  Einfluss ,  und  auch  diese  sind  für  Orientalen  zu 
halten.  Nach  Thukydides  war  das  Volk  der  Elymer  aus  zwei  Bestandtheilen 
gebildet,  aus  Trojanern  und  Phokiern,  von  denen  die  ersteren  nach  der  Zer- 
störung Trojans  geflohen  waren  und,  nach  Sicilien  gelangt,  sich  doit  neben  den 
Sikanem  niedergelassen  hatten ,  die  letzteren  aber  auf  der  Hückkehr,  ebenfalls 
von  Troja,  durch  Sturm  anfangs  nach  Libyen ,  sodann  auch  nach  Sicilien  ver- 
schlagen worden  waren.  Nach  Hellanikos'  vollkommen  abweichender  Angabe 
waren  die  Elymer,  die  5  Jahre  vor  den  Sikelern  auf  der  Insel  eintrafen ,  da- 
gegen eine  aus  Italien  gekommene,  von  den  Oenotriern  vertriebene  Völkerschaft. 
Mit  dieser  Auffassung  steht  Hellanikos  jedoch  unter  den  Alten  völlig  allein  da  : 
die  herrschende  Ansicht  leitete  die  Elymer  von  Troja  her.  Dies  zeigt  sich  be- 
sonders in  den  ob^n  erzählten  Sagen  von  Egesta,  die  vom  Krimtsos  den  Akestes 
gebiert,  von  Elymos,  der  bald  in  Troja,  bald  in  Sicilien  geboren  ist,  von  Aeneas 
endlich,  der  den  Akestes  besucht  und  nach  späterer  Darstellung  den  Elymern 
Städte,  vor  allen  Segesta  selbst  gründet,  das  so  mit  Rom  stammverwandt  ist, 
wozu  hier  noch  hinzuzufügen  ist,  dass  nach  einer  abweichenden  Nachricht  be- 
reits Eryx  als  König  der  Elymer  erscheint. 

Wir  müssen  versuchen,  aus  diesem  Sagengewirr  wenigstens  einige  feste 
Punkte  über  die  Herkunft  der  Elymer  zu  gewinnen.  Es  ist  vor  allen  Dingen  zu 
beachten,  dass  die  Sagen  am  meisten  von  Akestes  zu  erzählen  wissen,  der 
überall  als  ein  Fürst  von  trojanischer  Herkunft  erscheint,  wenn  auch  über  seine 
Eltern  und  Vorfahren  sich  geringe  Abweichungen  linden.  Elymos  aagegen,  der 
doch  der  wichtigere  war,  da  das  gesammte  Volk  nach  ihm  benannt  ist,  wird 
nur  im  Vorübergehen  erwähnt.  Man  suchte  dies  dadurch  wieder  gut  zu  machen, 


filymer.  87 

dass  man  sagte,  Elymos  sei  von  königlichem  Geschlecht  gewesen,  und  deshalb  sei 
bei  dei'  Benennung  des  Volkes  seinem  Namen  der  Vorzug  gegeben  worden.  Es 
ist  aber  klar,  dass  von  Elymos  auch  die  Sage  nicht  mehr  wusste,  als  z.  B.  von 
Sikanos ,  mit  anderen  Worten ,  dass  er  nur  das  nach  antiker  Weise  in  einem 
Stammvater  personißcirte  Volk  selbst  ist,  und  dass  man  eben  deswegen,  weil 
wirklich  keine  Sagen  über  ihn  vorhanden  waren,  sich  darauf  beschränkte,  ihn 
auf  möglichst  einfache  Weise  mit  Akestes,  von  dem  Manches  erzahlt  wurde,  in 
Verbindung  zu  bringen.  Wenn  also  Elymos  auch  von  Einigen  ein  Trojaner 
genannt  wird,  so  ist  das  weiter  nichts  als  eine  gelehrte  Combination,  und  kann 
für  den  trojanischen  Ursprung  des  eigentlichen  Kernes  des  Volkes ,  der  dem 
Ganzen  den  Namen  gegeben  haben  muss,  nicht  als  Beleg  angeftthrt  werden. 
Wenn  wir  nun  weiter  berücksichtigen,  dass  schon  Eryx,  der  Sohn  der  Aphro- 
dite, der  doch- mit  Troja  nicht  in  Verbindung  steht  und  vor  Akestes  gelebt 
haben  soll,  als  König  der  Eiymer  bezeichnet  wird,  so  wird  die  Annahme  wahr- 
scheinlicher, dass  das  Elymervoik  ursprünglich  nicht  von  Troja  herstammte, 
dass  es  aber  vielleicht  von  dorther  Zuzug  erhielt,  und  dass  diese  Ankömmlinge 
bald  den  alten  Kern  an  Bedeutung  überwogen  und  so  sehr  verdunkelten ,  dass 
man  dann  auch  vermittelst  eines  fingirten  Elymos  denselben  an  Troja  zu  knü- 
pfen suchte.  Hierbei  ist  immer  noch  eine  trojanische  Kolonie  als  historisch  vor- 
ausgesetzt. Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  auch  dies  eine  blosse  Fiction  sein 
kann  ,  und  natürlich  haben  trojanische  Niederlassungen  im  westlichen  Siciiien 
nicht  mehr  innere  W^ahrscheinlichkeit  als  Kolonien  desselben  Volkes  in  Laltum. 

Jedenfalls  ist  aber  einleuchtend,  dass  wir  uns  mit  der  Herleitung  des 
Elymervolkes  aus  Troja  in  keiner  Weise  zufrieden  geben  können.  Wir  müssen 
einen  anderweitigen  Ursprung  für  dasselbe  suchen.  Nun  liegen  aus  dem  Alter- 
thume  noch  einige  Nachrichten  über  sonstige  Bestandtheile  dieses  Volkes  vor, 
die  zunächst  zu  erwägen  sind.  Thukydides  nennt  Pfaokier  als  bei  seiner  Grün- 
dung betheiligt,  aber  er  steht  mit  dieser  Nachricht  ganz  oder  fast  ganz  vereinzelt 
da ,  und  nichts  deutet  darauf  hin ,  dass  er  Recht  hatte.  Wir  werden  später 
sehen  ,  dass  schon  früh  kleinasiatische  Phokäer  nach  Siciiien  gekommen  Sind ; 
vielleicht  könnte  Thukydides  die  Nachrichten  hierüber  irriger  Weise  auf  die 
Phokier  bezogen  haben. 

Etwas  mehr  Aufklärung  scheint  .auf  den  ersten  Blick  Strabon's  Angabe  zu 
bringen,  dass  Thessaler,  Genossen  des  Philoktet,  der  Petelia  und  die  Burg  Kri- 
misa nördlich  von  Kroton  in  Unteritalfen  gegründet  hatte ,  von  ihm  dem  Akestes 
bei  der  Gründung  von  Egesta  zu  Hülfe  gesandt  worden  seien.  Diese  Nachricht 
stützt  sich  auf  die  Namenähnlichkeit  der  Burg  Krimisa  mit  dem  Flusse  Kri- 
misos im  Elymerlande ,  und  es  wäre  demnach  nicht  unmöglich ,  dass  wirklich 
in  uralter  Zeit  eine  Verbindung  zwischen  der  Gegend  nördlich  von  Kroton  und 
dem  Elymerlande  bestanden  hätte;  eine  Verbindung,  die  freilich,  da  der  Fluss 
Neaithos  südlich  von  Krimisa  an  eine  Soene  der  Aeneassage  erinnert  —  es 
sollen  hier  die  Schiffe  der  Trojaner  verbrannt  sein  —  nicht  gerade  durch  das 
Volk  Philoktet^s  hergestellt  zu  sein  braucht. 

Wenn  aber  zugegeben  werden  kann ,  dass  aus  Unteritalien  eingewanderte 
Schaaren  sich  mit  den  Elymern  verbanden,  so  ist  doch  damit  der  Ursprung  des 
Volkes  selbst  noch  nicht  erklärt,  und  wir  sind  jedenfalls  noch  weit  von  der  An- 


88  Erstes  Buch.    V.  Die  Pböoicier  und  Elyaier. 

nähme  des  Hellanikos  entfernt^  dass  die  El)mer  überhaupt  aus  Italien  gekom- 
men seien.  Dieser  Ansicht  beizustimmen,  hindert  uns,  was  wir  von  der  Ge> 
schichte  und  der  Kultur  der  Elymer  wissen.  Alles  dies  weist  entschieden  nach 
Asien,  wenngleich. nicht  gerade  nach  Troja  hin. 

Mit  den  Phöniciern  werden  die  Elymer,  abgesehen  von  der  vielleicht  nicht 
ganz  zufölligen  NameniJhnlichkeit,  die  der  Vater  der  Egesta,  Phoinodamas, 
zeigt,  dadurch  verbunden,  dass  Herakles  zu  ihnen  in  einem  eigenthUmlichen 
Verhältnisse  steht.  Er  erscheint  als  der  eigentliche  Herr  ihres  Gebietes ,  was 
die  Sage  so  ausdrückt :  Herakles  halte  durch  seinen  Sieg  über  Eryx  das  Land 
seines  Gegners  gewonnen ,  aber  er  gab  es  grossraüthig  mit  seinem  ganzen  Er-  . 
trage  den  Einwohnern  zurück,  unter  der  Bedingung,  dass  sie  es  später,  wenn 
Einer  seines  Stammes  kommen  und  es  fordern  würde ,  ihm  übergeben  sollten. 
Es  wurde  also  offenbar  in  alter  Zeit  das  Elymerland  als  Eigenthum  des  Herakles 
betrachtet.  Ein  Land  des  Herakles  ist  nun,  wenn  es  sich  um  einen  Küstenstrich 
des  Mittelmeeres  .handelt,  nach  welchem  Phönicier  gekommen  sein  können, 
sonst  einfach  für  ein  von  tyrischen  Kolonisten  besetztes  Land  zu  halten,  denn 
Herakles  ist  Melkart,  der  Nationalgott  der  Tyrier,  dem  alle  tyrischen  Kolonien 
zu  Zins  verpflichtet  waren.  Hier  erhält  jedoch  die  Sache  dadurch  eine  andere 
Gestalt,  dass  Herakles  die  Elymer  für  eine  Zeit  lang  frei  giebt,  ihnen,  wie 
Diodor  sagt,  gestattet,  die  Früchte  des  Landes  einstweilen  für  sich  zu  nehmen. 
Es  wäre  das  Verhältniss  des  Volkes  also  etwa  so  zu  denken.  Die  Elymer,  ohne 
selbst  Phönicier  zu  sein ,  standen  seit  ihrer  Niederlassung  in  Sicilien  doch  mit 
den  Phöniciern  in  sehr  engen  Beziehungen,  und  wenn  sie  auch  nicht  dem  tyri- 
schen Melkart  zinspflichtig  waren,  so  erkannten  sie  doch  an,  dass  sie  ihm 
eigentlich  ihr  Land  verdankten.  Es  liegt  also  die  Vermuthung  nahe ,  dass  sie 
von  den  Phöniciern  nach  Sicilien  gebracht  waren  und  deshalb  in  einem  gewissen 
Abhängigkeitsverhältniss  zum  tyrischen  Gotte  standen.  Somit  ergeben  sich  uns 
die  Elymer  als  ein  Volk  orientalischer  HerkunfL  Es  giebt  aber  Spuren,  die  dar- 
auf hindeuten,  dass  sie  aus  dem  Innern  Asiens  stammten. 

Die  Sage  wie  die  Geschichte  zeigt  bei  den  Elymem  den  Kult  der  Aphrodite 
heimisch.  Sie  ist  die  phönicische  Astarte,  aber  der  Kult  dieser  Gottheit  stammt 
noch  weiter  aus  Osten  her.  Es  gab  im  Innern  Asiens,  in  Persien,  eine  Land-  ' 
Schaft  Elam  oderElymais,  bewohnt  von  einem  Volke,  das  die  Griechen  Elymäer 
nannten.  In  dieser  Landschaft  scheint  der  Kultus  der  Göttin  urspiilnglieh  hei- 
misch gewesen  zu  sein,  die  unter  den  vei*9chiedensten  Namen  von  Indiens 
Grenzen  bis  zum  VVestende  des  Mittelmeeres  verehi*t  wurde,  die  bald  persische 
Artemis,  bald  Astarte,  bald  Tanais,  bald  Aphrodite  hiess  —  dieselbe  Gottheit, 
welche  auch  die  Elymer  auf  dem  Eryx  anbeteten.  Wenn  man  auf  die  Bei- 
namen, welche  dieser  Göttin  beigelegt  werden ,  sidiere  Schlüsse  bauen  dürfte, 
so  würde  man  mit  mehr  Nachdruck,  als  jetzt  möglich  ist,  hervorzuheben  haben, 
wie  sie  in  Persien  Aine  und  Zaretis,  auf  dem  Eryx  Zerynthia  und  Aineias 
hiess.  Wenn  aber  auch  hierin  bei  der  Willkür,  mit  welcher  Dichter  in  solchen 
Gegenständen  verfahren,  kein  zwingender  Beweis  der  Identität  der  so  benannten 
Gottheiten  und  besonders  der  direkten  llerleitung  der  einen  von  der  andern 
liegen  kann,  was  hindert  uns,  aus  der  Aehnlichkeit  der  Kulte  in  Persien  und 
am  Eryx,  verbunden  mit  der  Uebereinstimmung  der  Namen  Elymaei  und  Elymi 


Elymer.  89 

den  Schluss  zu  ziehen,  dass  hier  die  gesuchte  Aufklarung  über  die  Elyraer  ge- 
funden ist,  und  dass  der  Kern  derselben  aus  dem  innern  Asien  herstammt? 
Sicherlich  nicht  die  grosse  Entfernung  zwischen  Persien  und  Sicilien;  sollen 
doch  Perser  Begleiter  des  Herakles  auf  seinem  Zuge  nach  dem  Westen  gewesen 
sein.  Jener  persischen  Aphrodite,  der  Mylitta  oder  Tanais,  waren  auch  Hunde 
heilig,  und  so  erhält  auch  die  Sage  von  dem  in  einen  Hund  verwandelten  Kri- 
niisos  eine  Erklärung,  die  ihr  sonst  fehlt,  da  Flussgötler  in  ganz  andern  Gestal- 
ten aufzutreten  pflegen.  So  wird  es  überdies  wahrscheinlich ,  dass  der  Hund, 
den  man  auf  den  Münzen  von  Segesta  findet,  sich  nicht  blos  auf  den  verwan- 
delten Krimisos  bezieht;  denn  dasselbe  Symbol  sehen  wir  auch  auf  denen  von 
Motye,  Pdnormos  und  Selinus,  die  doch  mit  dem  Krimisos  nichts  zu  thun  haben. 
Es  scheint  der  Hund  vielmehr  auf  den  Kult  der  Venus  überhaupt  hinzudeuten, 
der  in  den  phönieischen  Städten  Motye  und  Panormos  sehr  natürlich  war,  aber 
auch  in  der  westlichsten  und  den  Phöniciern  und  Elymera  benachbarten  Grie- 
chensladt  Selinus,  die  sich  Überdies  vielleicht  an  Stelle  einer  alten  phönieischen 
Niederlassung  erhob,  leicht. in  orientalischer  Weise  eingerichtet  sein  konnte. 

Nach  dieser  Untersuchung  hätten  wir  also  die  Elymer  als  ein  Gemisch  von 
Persem,  Phöniciern  und  vielleicht  auch  von  Troern  zu  betrachten,  die  auf  tyri- 
.schen  Schiffen  nach  Sicilien  gekommen  waren.  Ihr  orientalischer  Ursprung  zeigt 
sich  ganz  besonders  noch  darin ,  dass  sie  stets  den  Phöniciern  und  Karthagern 
befreundet  blieben  und  sich  mit  ihnen  gegen  alle  Griechen ,  die  an  der  West- 
spilze Siciliens  Niederlassungen  gründen  wollten,  verbanden.  So  haben  Kni- 
dierund  Spartaner  ihre  Feindseligkeit  erfahren. 

,  Was  nun  aber  den  trojanisch^i  Bestandtheil  der  Elymer  anbetriflt,  so  ist 
die  Existenz  desselben  sehr  zweifelhaft.  Es  wird,  wie  in  Italien,  der  Kult  der 
Aphrodite  gewesen  sein,  an  den  sich  die  Sagen  voü  der  Wanderung  des  Acneas 
und  der  Trojaner  überhaupt  knüpften.  Wenn  nach  einer  von  Strabon  mil^ 
getheillen  Nachricht  Aeneas,  als  er  nach  Aigesta  gekommen  war,  nicht  blos 
Eryx,  sondern  auch  Lilybaion  occupirt  haben  soll,  so  muss  man  bei  diesem 
letzleren  Orte  daran  denken ,  dass  hier  die  mit  der  Aeneassage  in  enger  Ver- 
bindung stehende  Sibylle  begraben  war.  Bei  dem  Versuche  aber,  den  Namen 
der  wichtigsten  elymischen  Stadt  durch  Egesta  und  Akestes  oder  Aigestos  mit 
Troja  in  Beziehung  zu  bringen,  stellt  sich  immer  der  Umstand  hindernd  in  den 
Weg,  dass  Egesta  keineswegs  die  älteste  Namensform  der  Stadt  war. 

An  der  Existenz  uralter  Beziehungen  zwischen  dem  Elymerlande  und  La- 
tiam,  insbesondere  Lavinium,  darf  indess  nicht  gezweifelt  werden.  In  Lavinium 
wurde  nicht  blos  eine  Athene  llias  verehrt,  sondern  auch  eine  Aphrodite,  der 
.\eneds  zur  Seite  stand ;  ihr  dem  Ufer  naher  Tempel  war  sicher  von  Fremd- 
lingen gegi-ündet,  die  sehr  wohl  von  Sicilien  dahin  gekonmien  sein  können. 
Aus  den  karthagischen  Handelsverträgen  mit  Rom  ist  ein  aller  Verkehr  zwi- 
schen dieser  Stadt  und  dem  westlichen  Sicilien  ersichtlich.  Warum  sollten  wir 
nicht  annehmen ,  dass  Fahrten  der  Elymer  das  ihrige  dazu  beigetragen  haben  ? 

Wenn  so  aus  allem  Angeführten  immer  nur  der  orientalische  Ursprung  der 
Elymer  wieder  hervortritt,  muss  es  äusserst  auffallend  erscheinen,  dass  an  der 
ligurischen  Küste  sich  die  drei  charakteristiscben  elymischen  Ortsnamen  Eryx 
^  jetzt  Lerici ,  Segesta  —  jetzt  Sestri ,  und  Entella ,  hier  für  einen  Fluss  ge- 


r^-Ti- 


.  90  Erstes  Bach.    V.  Die  Phönicier  und  Elymer. 

braucht,  wiederfinden.  Da  an  eine  Wandeiiing  des  Volkes  von  Ligurien  nach 
Sicilien  nicht  zu  denken  ist,  so  möchte  eher  eine  in  umgekehrter  Richtung  in 
späterer  Zeit  ausgesogene  Kolonie  anzunehmen  sein. 

Der  Zeit  nach  reiht  sich  die  Einwanderung  der  Klymer,  wie  die  Beziehung 
auf  den  trojanischen  Krieg  lehrt,  vor  die  der  Sikeler  ein. 

Die  lilynier  hatten  drei  Städte,  unter  denen  Soges ta  die  bedeutendsl« 
war.  Die  so  el>en  genannte  Form  war  die  ursprüngliche  und  einheimische ;  denn 
die  älleslen  Münzen  haben  übereinsliumiend  Segestii  oder  Sageslci,  nicht  Egesta, 
wie  die  Griechen  zu  sagen  pflegten.  Die  Römer,  die  zur  Form  Segesla  zurück- 
kehrten, scheinen  sich  eingebildet  zu  haben,  dass  sie  das  Verdienst  hätten,  dem 
Namen  durch  Vorsetzung  des  S  seine  schlimme  Beziehung  auf  Armuth  —  ege- 
stas  —  genommen  zu  haben.  Segesla's  Ruinen  sind  auf  dem  Berge  Barbaro 
oder  Varvaro  sichtbar ,  der  sich  3  Miilien  nördlich  von  Calataßmi  erhebt,  hn 
Süden  und  Westen  wird  er  von  Bergketten  über^'agt,  die  durch  tiefe  Thäler 
von  ihm  getrennt  sind.  Nach  Norden  und  Osten  dagegen  flacht  sich  das  Land 
ab  und  gestattet  eine  freie  Aussicht  nach  dem  Meere,"  und  über  seine  Fläche  hin 
bis  zum  Cap  Rama,  das  den  Golf  von  Castellamare  im  Osten  abschliesst.  Mit 
dem  von  Trünunern  bedeckten  und  einst,  wie  die  Ueberreste  bezeugen,  von 
Mauern  umschlossenen  Hügelrücken,  auf  dem  die  Stadt  Segesta  stand,  hängt 
im  Westen  ein  zweiter,  niedrigerer  Hügel  zusammen,  der  das  Peristyi  eines 
prachtvollen  griechischen  Tempels  trägt.  Diese  Höhen  sind  auf  drei  Seilen  von 
dem  Bache  Pispisa  uujflosscn,  der  sich  im  Südosten  mildem  grösseren  Galc- 
mici  vereinigt,  worauf  der  so  gebildete  Fluss  unter  dem  Namen  Gaggera  weiter 
nach  Npnhui  strömt.  Segesta's  Rinnen  liegen  1 5  Millien  vom  Meere  entfernt.* 
Das  an  dem  Ufer  desselben  in  späterer  Zeil  erwähnte  Flmporium  der  Segestaner 
muss  ungefähr  dem  heutigen  Castellamare  entsprochen  haben. 

Die  zweite  Stadt  der  Fllymer  war  Eryx  ,  das  nahe  dem  Gipfel  des  merk- 
würdigen Berges  gleiches  Namens  in  ehier  Höhe  von  fast  2000  Fuss  über 
dem  Meere  lag.  Den  höchsten  Punkt  nahm  der  berühmte  Venustempel  mit 
seinem  Bezirk  ein,  der  jetzt,  wie  es  scheint,  durch  die  Stadt  S.  Giuliano  oder 
Trapani  del  Monte  ausgefüllt  wird.  Ihr  Kastell  gewährt  eine  entzückende  Aus- 
.  sieht  über  Land  und  Meer ,  die  mir  leider  nicht  selten  durch  die  vom  nahen 
Meere  aufsteigenden  Dünste  unterbrochen  wird.  Der  Hafen  oder  das  Emporiuni 
der  Eryciner  wurde  dalui^emäss  von  der  durch  eine  sichelförmige  Landzunge 
geschützten  Bucht  am  Fusse  des  Berges  gebildet ,  die  schon  in  der  Sage  vom 
Aeneas  vorkommt.  Im  ersten  Jahre  des  vierten  Punischen  Krieges  (261  v.  Chr.) 
verpflanzte  Hamilkar  hierher  die  Einwohner  der  Bergstadt  und  gründete  so  die 
Stadt  Drepanon,  das  heutige  Trapani. 

Am  wenigsten  bedeutend  war  endlich  die  diitte  Elymerstadt  Ente  IIa. 
die  ihren  Namen  von  der  Gattin  des  Akestes  haben  sollte ;  sie  lag  auf  einem 
Berge  am  Beiice,  der  noch  den  Namen  Rocca  d^Entella  führt,  und  wo  Uoucl  im 
hohen  Grase  antike  Ueberreste  mancherlei  Art  fand. 

So  wie  nun  im  Volke  der  Elymer  sich  eine  Verbindung  phönicischer  Ele- 
mente mit  innerasiatischen  darstellt,  so  tritt  in  den  Sagen  von  den  Thaten  und 
Schicksalen  des  Daidalos  und  des  Minos  auf  SicUien  das  semitische  Element  mit 


Orientalische  Spuren  in. Sicilien.  91 

dem  hellenischen  verbunden  «uf,  jedoch  so,  dass  das  lelzlere  zurücksleM.  Das 
Semitische  in  den  Ki^elern  zeigt  sich  besonders  im  Minos  selbst,  der  dem  Hera- 
kles oder  Baal-Melkart  der  Phönicier  entspricht,  weshalb  denn  auch  die  Stadt, 
an  die  sich  besonders  die  Sage  von  der  kretischen  Einwanderung  knUpft,  in 
ihren  drei  Namen  Makara,  Minoa,  llerakleia  die  drei  Erscheinungen  desselben 
Gottes  darstellt.  Das  orientalische  Element  zeigt  sich  ferner  in  der  Beziehung, 
in  welcher  sowohl  Daidalos  wie  Minos  zur  Aphrodite  stehen,  für  die  jener 
arlMjitel,  und  deren  Ueiliglhum  sich  tlber  dieses  Grabe»  erhebt. 

Es  wird  Ix^ricbtet,  dass  in  der  Stadt  Minoa  kretische  (lesetze  galten. 

Dass  wirklich  in  sehr  alter  Zeit  enge  Beziehungen  zwischen  Kreta  und 
Sicilien  obwalteten ,  scheint  auch  aus  der  Uebereinstimmung  mehrerer  Orts- 
namen auf  beiden  Inseln  hervorzugehen.  Dahin  gehören  die  Namen  Lissos, 
Phoinix,  Minoa,  Kamara,  Olus  oder  Olulis  (an  Solus  erinnernd;,  Panormos, 
Drepanon  und  Kydonia. 

.  Wenn  wir  nun  von  dem  Sieheren  zu  dem  Zweifelhafteren  übergehen ,  so 
ist  zuerst  zu  erwähnen ,  dass  sich  nach  Appian  im  nordöstlichen  Sicilien  ein 
Volk,  Namens  Paiaistiner,  vorfand,  das  also  aus  Kanaan  herstan)men  würde. 
Leider  komnit  der  ^ame  nur  ein  einziges  Mal  vor,  so  dass  es  zweifelhaft  ist,  ob 
nicht  eine  falsche  Lesart  vorliegt.  An  si(4i  hat  es  natürlich  nichts  Unwahrschein- 
liches, dass  die  Phönicier  auf  ihren  Schiflen  auch  kanaanitische  Auswanderer 
nach  Sicilien  gebracht  hatten.  Wenn  man  freilich  die  Jahrhunderte  lang  herr- 
schende sicilische  Tradition  hört,  so  stünde  diese  Spur  einer  Einwanderung  von 
Kanaaniteru  keineswegs  vereinzelt  da ;  Sicilien  hätte  vielmehr  seine  gesammte 
Urbevölkerung  von  Kanaan  erhalten.  Noch  im  16.  Jahrhundert  stand  in  Pa- 
lermo nahe  der  Kirche  S.  Antonio  nördlich  vom  Cassaro  bei  dem  einstigen 
Haupteing^nge  der  Stadt,  der  Porta  de' Palilelli ,  ein  altt»s  Gebäude,  der  so- 
genannte Thurm  Baych,  um  den  eine  bischrift  lief,  in  der  man  zu  lesen  glaubte, 
dass  ein  Enkel  des  Esau  den  Thurm  gebaut  habe.  Diese  Einbildung  hat  sich  bis 
in  das  gegenwärtige  Jahrhundert  hinein  bei  Manchen  erhalten.  Glücklicherweise 
ist  die  Insdmft,  als  der  Thurm  abgebrochen  wurde,  grösstentheils  aufbewahrt 
worden ,  und  es  hat  sich  neuerdings ,  wie  man  die  Stücke  derseU)en  besser 
geordnet  hat,  herausgestellt,  dass  sie,  wie  zu  vermuthen  war,  eine  muhame- 
(lanische  ist,  die  aus  dem  4.  Jahrh.  der  Hcdschra  stanunt  und  ausser  der  Zeit- 
angabe nichts  als  Koranverse  enthält,  wie  solche  an  Moscheen  angebracht  zu 
werden  pflegen. 

Die  Zeit,  in  welcher  Sicilien  durch  die  Phönicier  colonisirt  wurde,  lässt 
sich  durch  die  Verbindung ,  in  wt^lcher  diese  Niederlassungen  mit  denen  in 
Spanien  stehen,   auf  die  Jahrhunderte  vom  H.  bis  zum  9.  vor  Chr.  festsetzen. 

Nachdem  wir  so  die  orientalischen  Spuren  auf  Sicilien  selbst  verfolgt 
haben,  müssen  wir  sie  noch  auf  den  umliegenden  kleineren  Inseln  aufsuchen. 

Auf  den  Liparen,  nach  denen  früh  die  Sikeler  zogen,  sind  keine  Spuren 
des  Aufenthaltes  der  Phönicier  nachweisbar.  Von  den  Aegaten  versteht  es 
sich  von  selbst,  dass  sie  das  Si;hicksal  der  Westspitze  Siciliens  theilten  und  so 
lange  phönicisch  waren,  wie  diese,  aber  sie  werden  niemals  ausdrücklich  des- 
wegen crwiihnt.  Anders  ist  es  mit  der  maltesischen  Inselgruppe.  Melite  und 
Gaulos  sind  von  Diodor  als  phönicische  Kolonien  bezeugt.    Er  fügt  hinzu, 


92  Erstes  Buch.    V.  Die  Pbönicier  und  Elymer. 

dass  die  Einwohner  schnell  wohlhabend  wurden.  Es  war  Energie  nölhig,  um 
dem  Felsboden  die  Mittel  zum  Lebensunterhalt  einer  grösseren  Menschenzahl 
abzuringen.  Schon  im  Alterthum  aber  entwickelten  die  Bewohner  dieser  Inseln 
eine  rege  Thätigkeit,  besonders  in  industrieller  Beziehung.  Sie  zeichneten  sich 
durch  die  den  Phöniciem  eigene  Fertigkeit  in  der  Webekunst  aus  und  brachten 
besonders  feine  Zeuge  hervor,  die  nach  der  herrschenden  Vermuthung  Baum- 
wollengewebe waren.  Die  grosse  Bedeutung  Malta^s  in  alter  Zeit  wird  beson- 
ders durch  den  Umstand  bewiesen,  dass  es  auf  der  gegenüber  liegenden  liby- 
schen Küste  eine  Kolonie,  die  Stadt  Achulla,  gründen  konnte.  Da  Achulla 
unweit  Karthagers  und  in  dem  später  zu  dieser  Stadt  gehörigen  Gebiete  liegt,  so 
muss  man  annehmen ,  dass  die  Melit^er  diese  Kolonie  anlegten,  ehe  Karthago 
bedeutend  geworden  war.  Sonach  reicht  die  BlUthe  Malta^s  schon  in  eine  sehr 
frühe.  Zeit  hinauf. 

Es  würde  anzunehmen  sein,  dass  Malta  zu  derselben  Zeit  wie  Sicilien  von 
den  Phdniciern  kolonisirt  wurde,  wenn  nicht  die  alsbald  zu  besprechenden 
Kultusverhältnisse ,  insbesondere  die  Verehrung  der  Hera  in  Malta ,  die  Ver- 
muthung anregten ,  dass  diese  Insel  schon  phönicische  Ansiedler  beherbergte, 
ehe  Tyrus  noch  mächtig  genug  war,  um  Kolonien  auszusenden,  zu  einer  Zeit, 
wo  Sidon  an  der  Spitze  Phöniciens  stand.  Doch  braucht  Melite  nicht  von  Sidon 
selbst  seine  ersten  Kolonisten  empfangen  zu  haben  ;  sie  können  von  dem  sido- 
nischen  Karthago  gekommen  sein. 

Endlich  war  auch  Kossura  von  Phöniciem  kolonisirt.  Die  Lage  der  Insel 
mitten  in  der  Afrika  von  Sicilien  scheidenden  Meerenge  war  zu  günslig  für  den 
Handel,  als  dass  diePhönicier  sie  nicht  hätten  besetzen  sollen.  Ob  Kossura,  das 
in  späterer  Zeit  neben  Karthago  genannt  wird  und  also  eine  gewisse  Unabhän- 
gigkeit gehabt  haben  muss,  schon  früh  bedeutend  war,  wissen  wir  nicht. 

Wir  müssen  uns  jetzt,  ehe  wir  von  den  inneren  Verhältnissen  der  phönid- 
schen  Kolonien  Siciliens  sprechen ,  von  der  durch  sie  der  Insel  überhaupt  ge- 
brachten eigen thümlichen  Kultur  Kenntniss  zu  verschaß'en  suchen.  Unter  den 
kulturhistorischen  Momenten  stehen  natürlich  die  religiösen  obenan. 

Die  höchste  männliche  Gottheit  der  Phönicier,  wie  der  Semiten  überhaupt, 
war  B  e  1  oder  Baal,  der  freilich  bei  den  verschiedenen  zu  diesem  Stamme  ge- 
hörigen Völkerschaften  in  den  verschiedensten  Modiiicationen  erscheint.  In 
seiner  älteren  Gestalt  als  Weltbeherrscher,  der  jedoch  in  grausamer  Weise  durch 
Menschenopfer  verehrt  wurde ,  ward  er  von  den  Griechen  mit  ihrem  Kronos 
identiücirt.  Die  Völker ,  welche  ihn  anbeteten ,  verbreiteten  an  allen  Orten, 
nach  denen  sie  auf  ihren  westlichen  Wanderungen  kamen,  seinen  Kultus,  daher 
die  Sagen  von  seinem  Verschwinden  in  den  östlichen  Ländern  und  von  seinen 
Zügen  nach  Westen ,  auf  denen  er  dann  sein  Ende  gefunden  haben  soll.  So 
entstanden  in  Sicilien  die  oljen  angeführten  Sagen  von  Kronos,  seiner  grausamen 
Herrschaft  und  seinen  Grabstätten. 

Während  es  nun  nicht  wohl  möglich  ist,  mit  Bestimmtheit  anzugeben, 
welchen  besonderen  Völkerzügen  die  Verpflanzung  dieser  älteren  Erscheinung 
der  semitischen  Hauptgottheit  nach  Westen  verdankt  wird ,  tritt  dies  bei  einer 
anderen  Erscheinungsform  desselben  Gottes  deutlicher  hervor.  Ich  spreche  hier 
von  Herakles,  insoweit  er  ein  semitischer  Gott  ist.  Als  solcher  ist  er  der  Baal- 


KuUur  der  Pbönicier.  93 

* 

Melkart  von  Tyros,  dessen  Kultus  von  allen  tyrischen  Auswanderom  in  ihre 
neuen  Wohnsitze  übertragen  wii-d,  und  den  wir  auoh  in  Sicilien  gefunden 
haben.  Und  hierbei  ist  auch  der  Umstand  nicht  zu  Ubei'sehen,  dass,  wie  Hera- 
kles von  Westen  her  nach  Sicilien  kommt ,  so  auch  die  Phönicier  erst  nach  der 
Anknüpfung  des  Verkehres  mit  Spanien ,  also  auch  gewissermassen  von  daher 
kommend ,  sich  auf  Sicilien  niederliessen.  So  symbolisirt  die  Mythologie  die 
Geschichte ! 

Mit  Herakles,  der  in  Agyrion  zuerst  göttliche  Ehren  erhielt,  ward  in  dieser 
Stadt  zugleich  lolaos  verehrt.  Dieser  Gott  wird,  da  er  auch  in  Karthago  an- 
gebetet wurde,  von  Movers  für  den  libysch- phönicischen  Jarbas  oder  Jubal 
gehalten ,  während  Andere  in  ihm  den  Repräsentanten  von  Stämmen  griechi- 
scher Herkunft  —  loniern  —  sehen ,  die  sich  den  Pfaöniciern  auf  ihren  Zügen 
nach  Westen  angeschlossen  hätten.  Wenn  nun  weiter  erzählt  wird,  dass  lolaos 
Einige  aus  seinem  Volke  von  Sardinien ,  wo  sein  Hauptsitz  war ,  nach  Sicilien 
hinUberführte ,  so  ist  hierin  eine  deutliche  Hinweisung  darauf,  enthalten ,  dass 
aus  entlegeneren  phönicischen  Kolonien  mancherlei  Volk  nach  dem  schöneren 
Sicilien  wieder  zurückströmte. 

Bei  der  Annahme,  dass  lolaos  nicht  ein  griechischer,  sondern  ein  libysch- 
phönicischer  Gott  gewesen  sei,  kommt  auch  die  Analogie  mit  Aristaios  wie- 
der zum  Vorsehein,  der  in  Sardinien  und  Sicilien  Kultur  verbreitete,  und  der, 
weil  er  als  ein  Sohn  der  Kyrene  galt,  ebenfalls  für  einen  libyschen  Gott  gehalten 
werden  kann. 

IHe  weiblichen  phönicischen  Gottheiten  sind  im  Grunde  genommen  nur 
Eine,  wie  auch  nur  Eine  männliche  da  war,  aber  diese  Einie  erscheint  in  zwei 
verschiedenen  Gestalten.  Wir  finden  zunächst  die  sidonisch-karthagische  Gott- 
heit, eine  jungfräuliche  Feuergöttin ,  die  mit  der  Hera  identificirt  wird;  sie 
ward  auf  Hellte  verehrt ,  wo  ihr  ein  berühmter  Tempel  geweiht  war.  Ganz 
anders  ist  der  Charakter  der  Göttin,  welche  in  Babylon  als  Mylitta,  in  Askalon 
als  Derketo  verehrt  wurde;  dies  ist  die  unzüchtige  Aphrodite,  wie  sie  be- 
sonders in  Paphos  einen  berühmten  Kultus  halte ;  sie  tritt  in  Sicilien  besonders 
auf  dem  Berge  Eryx  auf,  wo  ihr  Kultus  entweder  vom  Eryx  oder  vom  Aeneas, 
u eiche  beide  als  Söhne  der  Aphrodite  galten,  gegründet  worden  sein  soll*.  Man 
hat  die  Bemerkung  gemacht,  dass  der  Gipfel  des  alleinstehenden  Berges,  den  die 
Umwohner  nur  il  Monte  nennen ,  von  gewissen  Punkten  gesehen ,  einer  eigens 
für  ein  darauf  sich  erhebendes  Prachtgebäude  zugeschnittenen  Basis  gleicht, 
und  dass  er  mit  seinem  durch  die  Zeit  und  die  Witterung  bedingten  Wechsel 
des  Aussehens  —  bald  in  heller  Luft  glänzend ,  bald  von  düsteren  Wolken 
umgeben,  schön  im  rosigen  Strahl  der  Morgensonne,  wie  im  bleichen  Schimmer 
des  Mondes ,  —  recht  den  Charakter  einer  der  Gottheit  selbst  geweihten  Stätte 
hatte.  Es  gab  auf  dem  Eryx  zahlreiche  Hierodulen,  Sklavinnen,  die  in  Folge 
von  Gelübden  der  Gottheit  geschenkt  zu  werden  pflegten ,  und  die  mit  dem 
Erwerbe  ihres  Körpers  die  Tempelschätze  vermehrten.  Man  nährte  dort  Schaa- 
i^n  von  heiligen  Tauben ,  die  jedes  Jahr  acht  Tage  lang  vom  Tempel  und  von 
der  Insel  überhaupt  fern  blieben.  Während  dieser  Zeit,  so  glaubte  man,  weilte 
die  Göttin  selbst  in  Afrika.  Am  neunten  Tage  kam  die  ganze  Sch'aar  zurück, 
unter  der  Anführung  einer  rothen  Taube,  unter  deren  Gestalt  Aphrodite  selbst 


94  Erstes  Buch.     V.   Die  PtitJnicier  und  Elymer, 

verbolzen  gedacht  wunip.  Der  Tfig  der  Enlfcmung  der  GSUin  wnrd  unter  dem 
Nnmen  Anagt^ia  fesllirb  begangen,  der  der  Wiederkehr  unter  dein  Namen  Kni- 
agflgia  nalUrlieh  noch  viel  festlicher.  Noch  jetzt  umschwitrmen  Tauben schaarpn 
den  Gipfel  des  Rryx  uud  nixlen  dort,  und  alle  Bemühungen  der  tieistlichen,  die 
teuflischen  Vi^ei  7,u  bannen,  sind  vergeblich  gewesen;  Die  F,rycinis<!he  Venus 
besnss  auch  in  Karthago  und  Rom  Temp«'l,  die  vom  Fryx  herfjelritel  wurden, 
und  nach  Psophts  in  Arkadien  kam  ihr  Kuli  durch  die  l*sophis,  die  Tochter  des 
Bryx.  In  Sicilien  wurde  die  orientalische  Aphrotlile  alter  nicht  Uos  auf  dem 
Rry\  verehrt ;  das  beweisi  der  Nnmc  der  Stadt' Hylistrn Ion  oder  Am^stralos. 

Zu  diesen  unzweifelhaft  durch  die  Phünicier  nach  Sicilien  verpOnnilen 
Kulten  kommt  nun  noch  ein  anilerer,  der  des  (loltes  AdranOK  oiler  Hadra- 
nos ,  dem  mit  hoher  Wahrsebeinlichkrit  ein  orientalischer  Ursprung  zugeschrie- 
ben werden  kann.  Dies<T  Holt  hfltt»'  am  Aetna  einen  Tempel,  bei  welchem  im 
.lahix!  400  vor  Chr.  der  ältere  Uionys  die  Stadt  Hadmnon ,  das  jHiigp  Ademb, 
gründete.  Rr  ei-freute  sieh  aber  auch  im  übrigen  Sicilien  grosser  Verehruna;. 
was  lM>sanders  durch  sein  Vorkommen  aurMtinzen  von  Hessana  bewiesen  wirrt. 
Bei  seinem  Tempel  am  Aetna  wanm  Elunde,  schüner  und  gr«fiser,  als  die  be- 
rühmten motossisrhen,  in  gewattiger  Z»hl,  ntehr  als  lausend.  Diese  benahmen 
sich  gegen  Fremde  und  Arme  auf  das  freundlichste,  und  Trunkene,  die  ihren 
Weg  verfehlt  hatten,  führten  sie  sogar  nach  Hause ;  wenn  .sich  aber  Jemand  in 
der  Trunkenheit  ungebührlich  b<>lrug,  so  sprangen  sie  ihn  an  und  zerrissen  ihm 
die  Kleider.  Die  Bildsüule  des  Gottes  führte  eine  Lanze.  Wir  haben  oben  ganz 
Aelmliclies  von  einem  Tempel  des  Hephaistos  auf  dem  Aetna  bericblel :  ein 
beiliges  Haus,  ewiges  Feuer  und  Scbaaren  \on  Hunden,  die  gute  Menschen 
rreundliHi,  l)itse  aber  feindselig  Itehandellen.  Es  isl  nun  an  und  für  sich  auf- 
fallend, dass  so  sonderbare,  ganz  ähnlich  sieh  benehmende  Himdeschaaren  aul 
demselben  ßei^e  awei  verschiedenen  Gottheiten  bei  verschiedenen  Tempeln 
eigen  gewesen  sein  sollen;  es  muss  vielmehr  angenommen  werden,  dass  man 
Nachrichten  von  demselben  Gotle  und  demselben  Tempel  irrthUmlieh  verschie- 
denen beigelegt  hat,  mit  anderen  Worten ,  dass  Hadranos  und  Hephaistos  die- 
selbe Goltiieil  sind .  und  dass  der  Tempel  des  Hephaistos ,  von  dem  oben  die 
Rede  War ,  kein  anderer  ist  als  der  Hadranoslempel  an  der  Stelle  des  heutigen 
Adernä.  Die  ldentit<lt  dieser  beiden  Gottheiten  wird  at>er  noch  dndurdi  bestä- 
tigt, dass  sie  in  der  Sage  von  den  Paliken  in  derselben  Eigenschaft  als  Vaier 
der  erdgeboii'uen  Genien  vorkommen.  Hiemach  butlen  wir  in  Hadranos  einen 
Gott  zu  sehen ,  iler  den  Charakter  des  Kri^gotles ,  den  die  Lanze  andeutet, 
mit  d<>m  des  Feuei^oiles  vereinigt,  und  den  man  deshalb  sehr  wohl  auch  als 
Hephaistos  bezeichnen  konnte. 

Nun  hiess  das  Feuer  in  seinen  verschiedenen  Ei'scheinungen  als  Gatt  per- 
sonificirt  I>ei  den  Chaldiiein  und  Assyrem  Adar  oder  Azar,  ein  Name,  der  .«ich 
auch  bei  den  Neupersem  erhallen  hat,  die  den  Keuergotl  und  das  heilige  Feuer 
Adar,  Azer,  Atesch  Adaran  nennen.  Es  ist  derselbe  Gott,  der  in  Palästina  als 
Moloch  auftritt,  der  bei  der  assyrischen  Kolonie,  welche  Asarbaddnn  nach  Ra- 
lüstina  verpflanzt  hati«',  als  Adramelech  erseheint,  und  ohne  Zweifel  derselbe, 
ilen  Plutarch  Halkander  nennt.  Auch  in  Kleinasien  linden  sich  Spuren  der  ¥er- 
ohrung  des  assyrischen  Adar,  so  in  dem  Namen  Adramytlos,  d.  h.  Tode^feoer. 


Hadranoe.  95 

und  vielleicht  auch  in  dem  des  lydischen  Adrasios,  der  als  Mörder  des  Aiys  und 
seines  Bruders  Agatbon,  des  Guten,  dem  Mars  gleich  kommt.  Und  so  erscheint 
der  Feuergott  Adar  überhaupt  auch  als  Kriegsgott. 

Diesen  Adar  finden  wir  im  sicilischen  Adranos  wieder.  Der  Name  passt 
und  ebenso ,  was  wir  vom  Charakter  des  sicilischen  Gottes  wissen.  Er  führte 
eine  Lanze  als  Kriegsgott;  er  hatte  ein  ewig  brennendes  Feuer  als  Hephaistos. 
Bndlich  passt  noch  die  Heiligbaltung  der  Hunde  auf  Adar  oder  Moloch,  denen 
dieses  Thier  geweiht  war.  Auch  bei  den  Karthagern  waren  Hundeopfer  ge- 
bräuchlich y  und  es  ist  kein  so  grosser  Untersdiied  zwischen  der  Opferung  von 
Hunden  und  einer  Heiligbaltung  dersell)en,  denn  geopfert  wurde  einem  Gotle'nur 
was  ihm  werth  war,  und  gewöhnlich  galten  die  Hunde  als  unreine  Thiei'e.  Dem 
Kriegsgotte  gebi*achte  Hundeopfer  kommen  auch  bei  den  Karern  und  Spartanern 
vor,  während  andererseits <len  Vulkantempel  bei  Rom  heilige  Hunde  bewachten. 
Ganz  besonders  weist  aber  auf  den  Orient  das  Verbalten  der  Hunde  gegen  Trun- 
kene bin.  Da  sie  sie  in  ihren  Schutz  nehmen  und  sicher  nach  Hause  geleiten,  so 
ist  es  klar,  dass  die  Tmnkenheit  an  sich  als  etwas  nicht  nur  zu  Entschuldigen- 
des, sondern  sogar  als  eine  dem  Gotte  woblgefiillige  Sache  betrachtet  wird. 
Nur  wenn  die  Trunkenen  Böses  begangen  haben ,  fallen  die  heiligen  Hunde  sie 
au.  Wir  müssen  hier  daran  denken ,  dass  gerade  im  Orient  enge  Beziehungen 
zwischen  dem  wilden  Feuei^  und  Kriegsgott  und  dem  Gotte  des  Weines  her- 
vortreten. Dionys  streift  in  den  wilden  Wiildern  umher  und  raubt  der  Venug 
den  Adonis ,  wodurch  er  ganz  den  Charakter  der  wilden  JHger  Mars  und  Orion 
annimmt,  welcher  letztei'e  ebenfalls  trunken  erscheint.  Am  deutlichsten  tritt 
aber  die  Verbindung  des  Kriegs-  und  Weingottes ,  die  bei  Adranos  bemerkt 
wurde,  in  dem  persischen  Feste  der  Sak^ien  zu  Tage,  wo  Sandan,  der  mit  dem 
assyrischen  Feuergott  identisch  ist,  durch  den  Rausch  gefeiert  wird. 

Wenn  wir  so  in  dem  sicilischen  Adranos  den  assyrischen  Adar  wieder- 
ünden,  so  ist  es  klar,  dass  wir  hier  wieder  nur  eine  neue  Erscheinung  des  Baal 
haben ,  die  jedoch  von  einer  anderen  Kolonistenschaar  nach  unserer  Insel  ver- 
pflanzt sein  muss,  als  die  waren,  welche  Kronos  und  Herakles  mitbrachten. 

Zum  Schlüsse  dieser  Zusanifnenstellung  der  Spuren  semitischer  Religion 
in  Sidlien  möge  noch  die  Vermuthung  gestattet  sein ,  dass  Orion ,  der,  wie  wir 
sahen,  grosse  Werke  im  Nordosten  der  Insel  ausführte,  aus  dem  Oriente  nach 
Sicilien  kam.  Wir  möchten  diese  Vermuthung  durch  eine  neue  Erklärung  des 
Namens  des  nebrodischen  Gebirges  unterstützen ,  den  wir  von  Nebrod ,  d.  h. 
Nimroid,  abzuleiten  vorschlagen,  einem  Heros,  der  wie  Orion  ein  gewaltiger 
Jäger  und  mit  ihm  in  mancher  Beziehung  identisch  ist. 

Die  Richtigkeit  der  Vermuthung,  dass  auch  das  auf  späteren  sicilischen 
Münzen  vorkommende  Zt^chen  der  Triquetra  semitischen  Ursprungs  sei  und 
eigentlich  den  Baal  als  Sonnengott  in  seiner  dreifachen  Gestalt  als  Gott  der 
Frühlings-,  Sommer-  und  Wintersonne  bedeute,  muss  wohl  dahingestellt  blei- 
l>en.  Allerdings  findet  sich  die  Triquetra  auf  einem  numidisohen  Denkmal,  wo 
sie  recht  wohl  Baal  bezeichnen  könnte;  aber  auch  auf  altattischen  Münzen 
kommt  sie  vor,  und  das  macht  doch  ihren  semitischen  Ursprung  sehr  unsicher. 

Ueber  die  Verfassung  der  phönicischen  Kolonien  auf  Sicilien  ist  nichts 
Näheres   bekannt.     Aus  späterer  Zeit  geben  allerdings  Inschriften  über  die 


ErslcN  Buch.    V.  Die  PhUnicier  und  Elymer. 

isse  von  Maltn  einigen  Aufsciiluss;  al>er  es  muss  dahingesleilt 
weit  die  Kinriehliingen  einer  bereits  unl^r  );riechisrbem  Ein- 
ilpoche  aus  nllev,  iichl  pliOnicischer  Zeit  hf  rsUimmen.  Darnach 
gebende  Gewalt  hei  dem  Rathe  und  der  Volksversammiunf;; 
iRfden  ein  Opferpriesler  und  Kwei  Arctionten  s^enannl:  leUlere 
ist  wall rsc heinlich  den  zwei  lyrischen  und  karthagischen  Suf- 
also  von  Alters  her  die  obeislen  Ik'ainlen  des  Staates  gewesen 
lere  Hervorbehun{;  des  Opferpi-iesters  dagegen ,  der  noch  vor 
L-nanntwird,  ist  sonst  nicht  als  eine  altphttnictsche  Sitte  be- 
licier  werden  in  Sicilien  wie  anderswo  über  ihre  Unlerthanen, 
ist  wohnende  Urbevölkerung,  eine  ziemlich  harte  Heirschafl 

ligungen  der  sicilischen  Phtinicier  haben  wir  uns  vorzugsweise 
islrie  zu  denken.  In  der  Heihe  der  letzteren  wird,  ^ie  vor 
ispiel  zeigt ,  die  Weberei  mit  den  verwandten  KUnslen  obenan 
I ;  nicht  ohne  Bedeutung  scheint  auch ,  wie  besonders  die 
iolufi  lehren ,  die  Glasbereitung  gewesen  zu  sein ;  ausserdem 
ang,  hauptsiichhch  der  Thunfische,  viele  HUnde  in  Anspruch, 
ih,  zumal  im  Westen  Siciliens,  betriebene  Ausbeutung  derKo- 
enfalls  schon  von  den  PhOniciera  begonnen  worden  und  viel- 
von  Molye  aus  betrieben.  So  mögen  denn  die  grossen  Hufen 
md  Hotye  ein  buntes  Bild  regen  Lebens  dargeboten  liaiN'n. 
[ivoller  Ladung  von  Tynis  und  Kiirtbago,  von  Gades,  Sardinim 
n  und  gingen ;  Barken  brachten  die  erbeuteten  Scliütse  dei' 
che ;  sikanische  Landleule  trieben  Vieh  herbei  und  fuhren  Kom 
■  Speicher,  um  mit  Manufacturwaarcn  beladen  in  ihre  Heimat 
;  von  Zeil  zu  Zeit  tief  auch  wohl  ein  Schilf  voll  Sklaven  ein, 
'  geraubt  oder  erhandelt  hatten ,  und  die  zur  hüuslichen  Arbeit 
t  in  den  Tempeln  bestimmt  waren. 

Mleutimg  der  Phttnieier  fUr  Sicilien  liegt  weniger  in  dem ,  w.is 
hnen  ausschliesslich  gehörigen  Ortschaften  thaten,  als  in  dem 
i  auch  über  die  ihnen  ni<'ht  unmittelbar  unterworfenen  Gegen- 
usühten.  Nach  den  im  Vorhergehenden  über  die  ganze  Insei 
in  der  Plitinicier  und  anderer  Orientalen  zu  urlheilen,  tnUssen 
?ren  Scbaaren  überall  hin  auf  Sicilien  verbleitet  haben.  QfTen- 
:  sich  friedlich  unter  den  Ureinwohnern  an,  mit  denen  sie  dann 
hmolzen.    Welches  nun  war  der  Einduss.  den  sie-»uf  sie  aus- 

;ie  mit  den  PitMlukten  ihrer  Industiie  bekannt  machten  und  an 
rselben  gewöhnten,  hoben  sie  schon  ihren  Bildungsstand.  Wenn 
eines  Volkes  weniger  im  Gebrauche  der  von  vorgesch ritten eren 
Iben  zugefUbrten  Waaren ,  als  ^ielmehr  in  der  Uöglichkeit  be- 
in  selbst  hervorxuhringen ,  so  ist  in  dieser  Beziehung  allerdings 
n  und  Sikelern  nur  ein  theilweiser  Fortschritt  durch  die  PhOni- 
Jenken.  Wir  müssen  bezweifeln,  dass-die  Ureinwohner  Siciliens 
Industrien,  wie  z.  B.  die  Weberei,  selbständig  ausüben  lernten. 


Badeulung  der  Phdnlcier  für  Sicitien.  97 

Dagegen  scheinen  sie  durch.die  orientalischen  Kolonisten  mit  dem  Zweige  der 
Land^'irthschaft ,  der  rech^  eigentlich  aus  dem  Orient  herstammt,  der  Kultur 
der  Fruchtbäume,  l)ekannt  gemacht  worden  zu  s^n.  Aristaios,  dem  die  Ein- 
führung des  Oelbauras  beigelegt  wird,  steht  mit  den  Phöniciern  in  Verbindung, 
und  Dionysos  kömmt  bekann termassen  aus  dem  Oriente  her.  Dass  die  Sikeier 
und  Sikaner  auch  die  vei*vollkommnete  Weise  des  Fischfangs  den  PhOniciern 
absehen  mussten,  versteht  sich  von  selbst.  Ausserdem  kann  kaum  bezweifelt 
werden,  dass  die  zuerst  vom  Oriente  auf  die  Insel  gebrachte  bildende  Kunst  — 
Ddidrflos,  der  Vertreter  derselben,  hat  manche  Beziehungen  zum  Oriente  —  den 
Ureinwohnern  bald,  wenigstens  in  Bezug  auf  die  Architektur,  zum  Vorbilde 
wurde.  Endlich  ging  Manches  aus  dem  Kultus  der  Orientalen  auf  die  Urein- 
wohner über;  der  einfache  Glaube  an  ländliche  und  llirtengotlheiten  wurde 
durch  das  Eindringen  der  orienUilischen  Mythen  mit  ihren  schroffen  Gegen- 
sätzen, mit  ihren  grossen  Lichte  und  Schatlenmassen,  wesentlich  modificirt. 

Wir  können  also  zusammenfassend  sagen,  dass  die  orientalischen  Koloni- 
sten der  Insel  Sicilien  manche  neue  Bildungselemente  brachten  und  sie  einen 
bedeutenden  Schritt  auf  der  Bahn  der  Civilisation  vorwärts  thun  liessen.  Zu 
den  einfachen,  mit  Ackerbau  und  Viehzucht  beschäftigten  Ureinwohnern  waren 
Männer  ans  weiter  Ferne  gekommen,  in  mancherlei  Künsten  und  Wissenschaften 
jenen  weit  überlegen.  Sie  hatten  einzelne  Punkte  der  Insel  ganz  für  sich  in 
Besitz  genommen ,  in  alle  Theile  derselben  aber  zerstreute  Schaaren  zu  fried- 
licher Niederlassuni:  entsandt.  Von  ihnen  erhielten  die  Ureinwohner  die  Pro- 
dukte einer  entwickelten  Industrie,  von  ihnen  lernten  sie  die  Fruchtbarkeit 
ihres  Bodens  und  den  Beichthum  ihj^er  Meere  besser  benutzen ,  von  ihnen  em- 
pfingen sie  den  ersten  Unterricht  in  mancherlei  Künsten  und  nahmen  einen 
Theit  ihrer  Beligion  an.  Die  verschiedenen  Nationalitäten  standen  sich  also  auf 
Sicilien  keineswegs  feindlich  gegenüber,  aber  sie  vermischten  sich  auch  nicht. 
Es  hatte  noch  nicht  den  Anschein,  als  ob  sich  aus  den  Elementen ,  welche  die 
Insel  enthielt,  ein  neues  Ganzes  bilden  sollte,  wenigstens  nicht  ein  solches,  das 
für  die  Weltgeschichte  von  Bedeutung  sein  würde. 

Dies  wurde  erst  durch  die  Einwanderung  eines  dritten  Volksstammes  her- 
beigeführt: des  hellenischen. 


Sechstes    Kapitel. 
Sporen  der  ältesten  Bewohner  Siciliens. 

Bevor  wir  jedoch  zur  Erzählung  der  Niederlassung  der  Griechen  auf  Sici- 
lien übergehen  können,  hat  uns  die  Frage  zu  beschäftigen,  ob  nicht  vielleicht 
noch  jetzt  Spuren  der  Thätigkeit  der  vorhellenischen  Bewohner  der  Insel  vor- 
handen sind.  Wir  werden  hierbei  von  dem  einfachen,  wenngleich  keineswegs 
immer  leicht  in  Anwendung  zu  bringenden  Gesichtspunkte  ausgehen  müssen, 
dass  die  Kunstübung  der  Sikaner,  Sikeier,  Phönicier  und  Elymer  der  älteren 

Holm,  Qesch.  SicUiens.  I.  7 


98  Erstes  Buch.    VI.  Spuren  der  ttllesten  Bewohner  Siciliens. 

Zeit  sich  durch  eine  ^^rö^sere  Robheit  von  der  hellenischen  unterschied.  Das 
Bedenkliche  dieser  Voraussetzung  liegt  darin,  dass  sie  dem  griechischen  Wesen 
eine  VoUkonttnenheit  zuzuschreiben  scheint,  die  es  zu  Anfang  keineswegs  hatte, 
die  es  vielmehr  erst  im  Laufe  der  Zeit  erreichen  konnte ,  eine  Thatsacfae ,  di« 
ytiv  nicht  leugnen,  wenn  uns  auch  gerade  für  die  Baukunst,  die  hier  besonders 
in  Betracht  kommt,,  von  diesem  allmählichen  Aufklimmen  zur  Vollendung  die 
nähere  Kenntniss  abgeht.  Wenn  es  nun  hiemach  schwer,  ja  unmöglich  scheinen 
konnte ,  Vorgriechisches  auf  Sicilien  von  Aitgriechischem  zu  untei^scheiden ,  so 
stellt  sich  die  Sache  doch  etwas  günstiger ,  wenn  man  auf  die  Oertlichkeiten, 
an  denen  sich  Spuren  des  Alterthums  finden,  Rücksicht  nimmt.  Man  kann,  im 
Allgemeinen  wenigstens,  in  Sicilien  die  Orte,  welche  schon  früher  von  den 
Griechen  besetzt  wurden ,  von  denjenigen  unterscheiden ,  bei  denen  dies  erst 
spät  Statt  fand ;  man  wii*d  also ,  was  in  den  letzteren  einem  höheren  Alter- 
thum  anzugehören  scheint ,  unbedenklich  der  vorhellenischen  Zeit,  oder  viel- 
mehr den  vorhellenischen  Völkerschaften  zuschreiben  dürfen. 

Mit  Sicherheit  können  zunächst  gewisse  alte  Bauwerke ,  die  sich  auf  der 
maltesischen  Inselgruppe  finden,  für  vorgriechi^sch  erklärt  werden.   Da  hier  seit 
alter  Zeit  Phönicier  wohnten ,  so  sind  diese  Ueberreste  als  Denkmäler  der  pho- 
bischen Kunst  EU  betrachten.  Zwei  dei*selben  gehören  der  Insel  Gozzo  an.  Das 
eine  ist  kreisförmig ;  es  hat  einen  Durchmesser  von  \  32  Fuss ,  und  im  Innern 
sind  Spuren  von  Abtheilungen.     Die  Eingangspforte  ist  durch  zwei  grosse, 
i  8  Fuss  hohe,  6  Fuss  dicke  und  4  Fuss  breite,  wenig  behauene  Steine  gebildet, 
welche  7  bis  8  Fuss  von  einander  abstehen.  Die  Mauern  bestehen  aus  abwech- 
selnd der  Länge  und  der  Breite  nach  gestellten  grossen  Steinen.    Das  Gebäude 
ist  unbedeckt,  wie  alle  ähnlichen  auf  Gozzo  und  Malta.   Sechshundert  Fuss  öst- 
lich von  diesem  Gebäude  steht  ein  anderes  ähnliches  Bauwerk,  der  sogenannte 
Thurm  der  Riesen.  133  Meter  im  Umfang,  dessen  Hauptbestandtfaeil  zwei  neben 
einander  befindliche,   nicht  unter  sich  in  Verbindung  stehende,   unbedeckte 
Räume  sind,  ein  jeder  aus  fünf  unregelmässigen  Halbkreisen  gebildet,  die  sich 
einem  mittleren  Gange  anschliessen.    Die  Länge  des  linken,  grösseren  Raumes 
beträgt  vom  Eingänge  bis  zum  Ende  des  gegenüberliegenden  mittleren  Runds 
S6,30  Meter,  seine  Breite  auf  einer  durch  die  beiden  sich  daran  zunächst  an- 
schliessenden Apsiden  gezogenen  Linie  32  Meter,  während  die  Endpunkte  der 
beiden  dem  Eingange  nächsten  Apsiden  1 6,1 0  Meter  von  einander  entfernt  sind. 
Die  Mauern  bestehen  aus  mehreren  Steinschichten,  in  deren  unterster  die  Steine 
abwechselnd  der  Länge  und  der  Dicke  nach  gelegt  sind.   Jene  sind  gewöhnlich 
zw  ei ,  welche  zusammen  die  Dicke  der  Mauern  ausmachen ;  bisweilen  ist  es 
auch  nur  einer;  darauf  folgt  dann  ein  einzelner  Stein,  dessen  grösste  Aus- 
dehnung von  innen  nach  aussen  geht  und  so  die  ganze  Dicke  der  Mauer  — 
5 — 6  Fuss  —  ausfüllt,  oft  sogar  noch  etwas  nach  aussen  hervorragt.  Die  oberen 
Schichten  sind  auf  gewöhnliche  Weise  gebaut.    Am  deutlichsten  zeigt  noch  das 
erste  rechte  Halbrund  des  linken  Raumes  die  ursprüngliche  Einrichtung.     Hier 
führen  Stufen  zu  einem  Platze,  dessen  Mitte  durch  zwei  grosse  Pfeiler  eingefasst 
wird ,    zwischen  denen  aufrecht  stehende  und  deckende  Steine  eine  Art  von 
innerstem  Heiligthum  bilden ;  ein  konischer  Stein  stand  davor. 

Auch  auf  Malta  haben  sich  ähnliche  Ruinen  erhalten.    So  befindet  sich  in 


Maltesische  Bauwerke. 

der  Nahe  der  Ueberreste ,  welche  dem  Heraklestempel  zugeschrieben  werded, 
unfern  einer  Kapelle  des  heil.  Georg  ein  Gebäude,  das  aus  zwei  kreisförmigen 
Abtheilungen  besteht,  welche  70  —  80  Fuss  Durchmesser  haben  und  durch 
eine  Mauer  mit  einander  verbunden  sind.  Noch  bedeutender  ist  aber  auf  der- 
selben Insel  ein  anderes  ähnliches  Bauwerk ,  das  man  an  einem  Hadjar  Cham 
genannten  Orte  unter  einer  Masse  von  unförmlichen  Ruinen  desselben  Charak- 
ters sieht.  Es  ist  nach  üouel ,  dem  zufolge  es  den  Namen  Tadarnadur  Isrira 
führt,  ein  Kreis  von  fast  100  Fuss  Durchmesser,  dessen  Ringmauer  aus  gröss- 
tentheils  am  Boden  liegenden  Steinen  besteht;  —  nur  fUnt  stehen  aufrecht, 
davon  vier  neben  einander,  18  Fuss  hoch.  Im  Innern  dieses  Kreises  sind  Ab- 
theilungen sichtbar.  Nach  neueren  Schriftstellern  wSiren  es  zwei  elliptische 
Haupträume,  von  vier  ebenfalls  elliptischen  und  mehreren  anderen  Neben- 
räumen umgeben. 

Im  Innern  aller  dieser  Gebäude  sind  mehrfach  Steintische,  steinerne  Becken, 
Schranken,  Platten,  steinernes  Fachwerk,  konische  Steine  und  dergl.  gefunden 
worden,  auch  hat  man  hie  und  da  sehr  einfache,  aus  Wellen-  und  Spirallinien 
bestehende  Verzierungen  bemerkt,  in  dem  grossen  maltesischen  Gebäude  hat 
man  endlich  noch  acht  kleine,  unförmliche,  kopflose  steinerne  Figuren  entdeckt. 
Diese  Bauwerke  waren  offenbar  zu  Kultuszwecken  bestimmt.  Da  Hadjar 
Cham  die  Ruinen  Cham's  bedeutet,  so  hat  Movers  wohl  mit  Recht  vermuthet, 
dass  Cham  hier  für  Chamman  stehe,  einen  Beinamen  BaaFs,  wie  denn  Baal- 
Chamman  wirklich  in  einer  phönicischen  Inschrift  Malta's  vorkommt,  und 
weiter  daraus  geschlossen ,  dass  es  die  Ruinen  eines  diesem  Gotle  geweihten 
Ueiligthumes  waren.  Das  Heiligthum  im  ersten  Halbrund  des  Riesenthurms 
auf  Gozzo  erinnert  mit  den  zwei  aufrecht  stehenden  Pfeilern  und  dem  konischen 
Steine  lebhaft  an  den  besonders  durch  kypiiscbe  Münzen  bekannten  Venuslempel 
auf  Paphos;  es  ist  deshalb  wahrscheinlich,  dass  es  ebenfalls  ein  Venustempel 
war,  wie  denn  auch  Mttnzen  von  Gaulos  auf  der  einen  Seite  Mars,  auf  der 
anderen  Venus  zeigen.  Uebrigens  hat  die  Architektur  mehrAehnlicbkeit  mit  den 
celtischen  Gromlecb^ ,  als  mit  dem ,  was  sonst  von  der  Baukunst  der  Phönicier 
bekannt  ist;  wir  dürfen  also  vermuthen,  dass  die  beschriebenen  Bauten  de^ 
maltesischen  Inselgruppe  aus  einer  sehr  frühen  Zeit  herstammen. 

Auf  Sicilien  selbst  hat  sich  ein  Bauwerk  ähnlicher  Art  in  Sparano  (zwischen 
Akrai  und  Note)  gefunden,  wo  ein  Ring  von  fünf  aufrecht  stehenden  Steinen 
eine  in  drei  Räume  getheilte  Substruction  umschliesst,  in  der  eine  aus  phöni- 
cischen Schriftzeichen  gebildete  Inschrift  entdeckt  ist.  Ausserdem  ist  die  bei 
den  Ruinen  von  Gozzo  bemerkte  Art,  die  Mauern  zu  errichten,  Uouel  auch 
an  sicilischen  alten  Bauwerken  aufgefallen.  Er  nennt  in  dieser  Beziehung  die 
sogenannten  Macararuinen  bei  der  Insel  Vindicari  nördlich  vom  Pachynos ,  die 
Ruinen  der  alten  Stadt  bei  Castronovo  (südlich  von  Lercara  gelegen)  und  Pre- 
falaci  bei  Palernö  am  Aetna.  Hier  sah  er  ein  rundes  Gebäude,  so  errichtet, 
dass  immer  zwei  Steine  aufrecht  neben  einander  in  der  Weise  gestellt 
waren ,  dass  sie  durch  ihre  doppelte  Dicke  die  der  Mauer  bildeten ,  worauf 
dann  jedesmal  ein  Stein  folgte,  der  ebenso  dick  war  wie  die  beiden  vorher- 
gebenden zusammengenommen.  Ganz  Aebnliches  fand  er  an  den  beiden  andern 
genannten  Orten.  Nun  konnte  der  Hafenbei  der  Insel  Vindicari  sehr  wohl  eine 


100 


Erstes  Buch.    VI.  Spuren  der  ttHesten  Bewohner  Sicitiens. 


phöDicische  Anlage  enthalten  —  Schubring  erinnert  an  den  Ort  Phoinikus,  der 
in  dieser  Gegend  erwähnt  wird  — ,  ob  aber  am  Aetna  und  mitten  im  Lande  bei 
Castronovo  Phönicier  selbst  diese  Gebäude  errichteten ,  darf  zweifelhaft  er- 
scheinen. Es  steht  aber  nichts  der  Annahme  im  Wege,  dass  die  Sikeler  und 
Sikaner,  indem  sie  von  den  Phöniciern  die  Baukimst  erlernten ,  auch  diese  Art 
der  Mauerbauten  nachgeahmt  haben. 

Sodann  gehören  einem  hohen  Alterthum  Reste  sogenannter  kyklopischer 
oder  peldsgischer  Mauern  an ,  mit  welchem  Ausdrucke  bekanntlich  Bauwerke 
bezeichnet  werden,  die  aus  Steinen  von  unregelmässig  polygoner  Form  zusam- 
mengeftlgt  sind. 

Die  merkwürdigste  Ruine  dieser  Art  befindet  sich  oberhalb  der  Stadt 
Cefalü  in  dem  alten  Kephaloidion.  Das  mit  der  Rückwand  sich  an  den  Berg 
lehnende  Gebäude  besteht  aus  zwei  Kammern  und  einem  Gange ,  der  beide 
trennt.  Die  Eingangsthür  des  Ganzen  führt  in  diesen  Gang ,  in  welchem  sich 
zunächst  rechts  eine  Thür  in  die  grössere  Kammer,  sodann  ein  wenig  weiter 
links  eine  zweite  in  die  kleinere  öffnet.  Der  Gang  und  die  rechts  liegende, 
grössere  Abtbeilung  stehen  um  sechs  Fuss  weiter  nach  aussen  vor,  als  die 
kleinere  links.  Die  Thüröffnungen  sind  von  ziemlich  gut  gearbeiteten  Gesimsen 
und  Pfosten  eingefasst,  welche  gegen  die  Mauern  des  Gebäudes  zurücktreten  und 
erst  später,  vielleicht  in  der  Römerzeit,  hineingearbeitet  sind.  Eine  antike  Be- 
dachung ist  nicht  mehr  vorhanden ,  doch  ragt  aus  der  grossen  Kammer  an  der 
Vorderseite  eine  Regenrinne  nach  aussen  hervor,  ein  Beweis,  dass  die  Höhe  des 
Gebäudes  noch  ungefähr  die  ursprünglicheist.  Die  Vorderseite  liegt  nach  Norden, 
die  Seitenwand  der  grossen  Kammer  nach  Westen,  die  der  kleinen  nach  Osten. 
Jene  hat  eine  Breite  von  circa  24,  diese  von  circa  10  Fuss;  der  sie  trennende 
Gang  ist  6  Fuss  breit.  Die  Steinschichten  der  Mauern  werden  nach  oben  zu 
regelmässiger.  Das  Gebäude  hat  offenbar  nicht  einem  religiösen  Zweck  gedient; 
es  scheint  vielmehr  die  Wohnung  eines  angesehenen  Mfmnes  gewesen  zu  sein. 
Die  grosse  Kammer  ist  gegenwärtig  von  einem  römischen  Gewölbe  bedeckt, 
worüber  sich  eine  kleine  Kirche  aus  der  ältesten  christlichen  Zeit  erhebt,  die 
auch  bereits  zur  Ruine  geworden  ist.  So  gehört  das  kleine  Gebäude  drei  ver- 
schiedenen Epochen  und  Kunstrichtungen  an. 

Ob  das  ursprüngliche  Bauwerk  von  Phöniciern  oder  Sikelera  herrührt,  ist 
nicht  mehr  zu  entscheiden. 

Ausserdem  scheint  noch  ein  Theil  der  Mauern  des  heutigen  Cefalü,  der 
ähnliche  Construction  zeigt,  aus  sehr  alter  Zeit  herzustammen ;  er  gehörte  viel- 
leicht der  phönicischen  Stadt,  die  ja  wahrscheinlich  am  Meeresufer  lag,  an. 

Unter  den  sonstigen  Ueberresten  pelasgischer  Bauten  in  Sicilien  sind  zu- 
nächst die  Mauern  zu  erwähnen,  die  das  alte  Eryx  nach  Westen  hin  einschlös- 
sen, und  worin  sich  noch  13  viereckige  Thürme  befinden.  E)in  anderes  Mauer- 
Stück  dieser  Art-ist  auf  der  Höhe  des  Berges  Eryx  sichtbar.  Man  hat  dasselbe 
für  einen  Theil  der  Fundamente  des  Tempels  der  Aphrodite  erklärt :  nach  seiner 
Lage  könnte  man,  wenn  die  Bemerkung  Houers,  dass  es  an  einer  Felsecke  sonst 
ungesicherten  Boden  stütze,  richtig  ist,  darin  eine  Bestätigung  der  Nachricht 
Diodor's  finden,  dass  Daidalos  die  Oberfläche  des  Eryx  durch  seine  Bauten  er- 
weitert habe.    Natürlich  kommt  es  hier  auf  den  Namen  und  die  Persönlichkeit 


Pelasgische  MauerH.   Grotten .  101 

des  Daidalos  nicht  an ;  aber  es  wäre  interessant ,  ein  Stück  dessen  vor  sich  zu 
sehen,  was  man  im  AU^rthum  als  das  Werk  des  ältesten  Künstlers  betrachtete.  ^ 

Sodann  sieht  man  in  den  westlich  von  Collesano  gelegenen  Ueberresten 
einer  alten  Stadt,  die  wir  oben  (S.  71]  mit  Anderen  für  Paropos  erklart  haben, 
vielfache  Beispiele  der  pelasgischen  Construktion. 

De  Sayve  und  Alessi  haben  ein  Stück  kyklopischer  Mauer  in  Catania  in 
der  Nahe  der  Bastion  degli  Infetti  finden  wollen.  Es  besteht  aus  vulkanischen 
Blöcken  von  5  oder  6  Seiten.  Es  ist  aber  nicht  wahrscheinlich ,  dass  es  der 
vorgriechischen  Zeit  angehört. 

Andere  pelasgische  Mauern  sind  bemerkt  worden :  von  Houel  und  Forbin 
bei  Marza  in  der  Nähe  des  Odysseushafens  am  Pachynos ;  von  Houel  bei  Pal- 
conara ,  auf  der  Insel  Vindicari ,  in  dem  Lehen  S.  Marco  und  in  der  Umgegend 
von  Palazzolo ;  von  Schubring  in  Cassaro,  4  M.  vonModica,  sowie  im  Fondo 
della  Corte,  unweit  davon.  Ndch  Smyth  Fände  sich  endlich  auch  auf  der  Insel 
Lipari  Aehnliches. 

Bei  den  genannten  Lokalitäten  kann  man  unbedenklich  annehmen ,  dass 
es  Sikeler  waren,  welche  diese  Bauwerke  errichteten. 

Beispiele  der  älteren  Art  des  Wölbens ,  wo  die  Seitenmauem  allmählich 
mehr  und  mehr  gegen  die  Mitte  übertreten ,  bis  sie  sich  endlich  berühren  oder 
wenigstens  im  Stande  sind,  einen  darüber  gelegten  Schlussstein  zu  tragen,  sind 
in  Akrai  und  Akragas  bemerkt  worden. 

Sodann  giebt  es  in  Sicilien  eine  Menge  Grotten,  von  Menschenhand  ge- 
machte Aushöhlungen  der  Felsen ,  welche  zum'  Theil  wenigstens  sicher  einem 
sehr  hohen  Alterthum  angehören.  Die  Natur  des  sicilischen  Bodens,  der  gross- 
tentheils  aus  Kalkstein  besieht,  begünstigte  das  Ausgraben  derselben  sehr.  Ich 
spreche  hier  nicht  von  den  vollkommen  unterirdischen ,  künstlich  gemachten 
Höhlen  unserer  Insel,  deren  es  neben  zahlreichen  natürlichen  nicht  wenige  giebt; 
es  wird  von  ihnen  gelegentlich  die  Rede  sein.  Die  hier  in  Frage  kommenden  sind 
in  der  Regel  in  grossen  Mengen  neben  und  übereinander  in  den  Seitenwänden  der 
Thäler  angebracht.  Bereits  Fazell  hat  die  Aufmerksamkeit  auf  sie  gelenkt;  das 
Verdienst,  sie  genauer  verzeichnet  und  beschrieben  zu  haben,  gebührt  Houel. 
Seitdem  ist  eine  Zeit  lang  besonders  eine  einzelne  Reihe  derselben,  die  des 
Thaies  von  Ispica,  besichtigt  und  beschrieben  worden,  und  man  hat  halb  und 
halb  vergessen,  dass  die  Grotten  dieses  Thaies,  wenngleich  höchst  merkwürdig, 
keineswegs  die  einzigen  ihrer  Art  in  Sicilien  sind,  bis  neuerdings  unter  Anderen 
Schubring  wieder  in  Erinnerung  gebracht  hat ,  dass  es  ausser  diesen  und  in 
grösserer  Nähe  von  Syrakus  noch  sehr  viele  uralte  Grotten  giebt.  Dennoch  sind 
sie  noch  nicht  gründlich  und  vollständig  genug  untersucht  worden. 

Ich  will  nun  zuerst  eine  Uebersicht  der  hauptsächlichsten  Pimkte  geben, 
an  denen  die  Reisenden  und  Alterthumsforscher  Grotten  der  genannten  Art 
erwähnen;  .die  Frage,  zu  weldiem  Zwecke  sie  bestimmt  waren,  wird  sodann 
besprochen  werden. 

Im  Westen  und  Norden  der  Insel  sind  verhältnissmässig  wenige  gefunden 
worden.  Ganz  vereinzelt  scheinen  diejenigen  dazustehen,  die  Fazell  an  der 
Mündung  des  F.  S.  Cataldo,  südlich  vom  Capo  Rama  bemerkte.  Weiter  südlich 
finden  sich  viele  Grotten  (50)  in  dem  Gypsberg  Finestrelli,  drei  Millien  nördlich 


Erstes  Buch.     VI.  SpureA  der  altesteii  BewohiiurSicllLena. 

(infa.  Wenn  wir  von  bier  nach  Ost«n  fortschreiten,  so  fälh  uns  die  in 
her  Beziehung  merkwürdige  Berggruppe  von  Caltabellotta  auf.    Hier 

drei  Punkleii  Grotten :  bei  San  Paolo  südlich  vom  Berge  Gogola 
tenj ,  am  sogenannten  Niscbenbei^e  westlich  davon  ['.i'i] ,  endlich  am 
n  Abhang  des  noch  westlicher  gelegenen  Berges  von  S.  Benedello  Cal- 
vo  sieb  in  vier  bis  fünf  Stockwerken  Über  einander  59  Grollen  in  den 
mg  eingeschnitten  finden.     Endlich  enthalt  noch   der  Honte  di  PieU 

vom  Nischenberg  eine  grosse  aus  sechs  Zimniem  bestehende  Grotte, 
werden  erwähnt  bei  Alisilibesi,  <1  H.  von  Hemfrici ,  beiSambuca,  bei 
I,  bei.ftafladale,  bei  Le  Grotte,  beiNaro,  bei  Pietreperzis  gegenüber 
etta. 

nn  wir  uns  vonhier  nach  Norden  wenden ,  so  treffen  wir  im  Mittel- 
ier  Insel  die  auf  steilen  Höhen  zu  beiden  Seiten  der  Ueerstrasse  liegeu- 
Ite  Castrogiovanni  und  Calascibetta.  Hier  finden  sich  zahlreiche  Grotten, 
oviinni  insbesondere  entbült  deren  in  den  Wanden  der  Schluchten, 
das  Plateau  des  Berges  durchziehen,  dicht  neben  den  Strassen  der 
nd  diese  Grotten,  die  griechische  genannt  werden,  sind  theilweise  noch 
Kvobnt. 

:h  Osten  zu  giebt  es  im  nördlichen  Tbeile  des  Symaithosthales  Grotten: 
)  Asaro's,  in  Sperlinga,  bei  Nicosia,  wo  der  Berg ,  an  dessen  Fusse  die 
igt,  voll  von  ihnen  ist;  an  dem  Berge,  auf  welchem  Regalbuto  erbaut  isi, 
idiich  zwischen  Bronte  und  Maletto  in  unmittelbarer  Nahe  des  Aetna, 
südlichen  Theile  des  Symaithosgebietes  sind  sie  besonders  hau6g  in  der 
des  Paiikensees.  Schon  zwischen  Piazza  und  Caltagirone  werden  sie 
..  An  der  südöstlichen  Seite  des  Hügels  La  Rocca ,  auf  dem  man  das 
ke  sucht,  sah  Houel  eine  üi  den  Fels  gehauene,  theilweise  erhaltene 

die  zu  Grölten  führte.  Einige  Heilen  dstlich  davon  liegt  der  isolirte 
.  Basilio,  der  ausser  anderen  Ueberresten  des  Alterthums  auch  Grotten 

Zwischen  Minco  und  Militello  bemerkte  Houel  ebenfalls  verschiedene 

und  in  ihrer  Näbc  stets  Quellen ,  woraus  er  den  Schluss  Z(^ ,  dass  sie 
mungen  gedient  hatten. 

I  zablreicbsleo  sind  die  Grotten  aber  in  der  Sudostecke  Siciliens,  in 
)ietei)  der  Flüsse,  welche  vom  Monte  Lauro  und  seinen  Vorheizen  ber- 
icn. 

Flus^ebiel  des  Tcrias  finden  wir  sie ,  ausser  bei  Licodia  und  Vizzioi, 
die  auf  der  Scheide  zwischen  ihm  und  dem  in's  libysche  Meer  sich  er- 
len  Diriilo  liegen,  bei  Uiliiello  und  Francofonte,  in  ganz  besonderer 
iber  bei  Leoniini,  das  sich  nach  der  Bemerkung  eines  neueren  Beisenden 
1  von  tausend  Grotten  durchlöcherten  Berg  lehnt, 
ich  an  Grotten  ist  sodann  die  Gegend  zwischen  den  HUndungen  des 
Lind  des  Anapos ,  d.  h.  das  vorspringende  Land  um  das  Cap  S.  Croce 

megarische  Bucht.  Da  ist  im  Norden  der  eine  Millie  lange,  gewundene 
'on  La  Bruca ,  durch  den  sich  der  Fluss  Forcari  (Pantagias}  io's  Heer 
,  und  in  dessen  klaren  Gewüssern  die  in  den  40—50  Fuss  hohen  Fels- 
I  angebrachten  Grotten  sich  spiegeln.     In  der  Nähe  ist  die  Schlucht, 


Grotten^  1 03 

weiche  Cava  (so  werden  die  durch  fliessendes  Wasser  gebildeten  Schluchten 
genannt)  diavolo  d^opera  heisst,  wegen  der  ungeheuren  Arbeit,  die  die  vielen 
Grotten,  welche  sie  enthält,  gemacht  haben  müssen.  An  dem  Wej^e  von  Lentini 
nach  Aogusta  fand  Houel  unter  vielen  dort  sichtbaren  Grotten  besonders  eine 
an  dem  Orte  Deluderi  befindliche,  La  Timpa  genannte  bemerkenswerth ,  die 
aus  mehreren  Stockwerken  bestand,  Schubring  nennt  die  den  Fluss  Molinello 
3  Millien  weit  in  den  senkrechten  Felswänden,  welche  ihn  einfassen,  begleiten- 
den ;  derselbe  erwähnt  die  Grotten  an  der  Quelle  des  Flusses  S.  Gusmano  und 
an  der  Küste  der  Halbinsel  Magnisi  (Thapsos) . 

Wir  kommen  jetzt  zum  Thal  des  Anapos.  Hier  zeichnet  sich  vor  Allem  das 
Quellgebiet  durch  seinen  Grottenreichthum  aus.  Houel  bemerkt ,  dass  sich  in 
der  Gegend  von  Palazzolo  mehr  als  hundert  Grabgrotten  fänden.  Bassierre  er- 
zählt, dass  er  auf  seiner  Beise  von  Buccheri  nach  Palazzolo,  die  ihn  am  Fusse 
der  Felsmasse ,  auf  deren  Gipfel ,  wie  er  sagt ,  Occhera  (?)  liegt ,  vorbeigeführt 
habe ,  diesen  Berg  von  einer  unendlichen  Menge  von  Grotten  durchlöchert  ge- 
funden, und  er  vergleicht  diese  zum  Theil.sehr  schwer  zugänglichen  Grotten 
mit  den  m  Castrogiovanni  gesehenen.  Sie  könnten  sehr  wohl  identisch  sein  mit 
den  von  Houel  bei  Buscemi  bemerkten,  einem  Ort,  der  ebenfalls  zwischen 
Buccheri  und  Palazzolo  liegt.  Dieser  Reisende  beschreibt  besonders  ausführlich 
die  in  der  Nähe  von  Palazzolo  befindliche ,  nach  Floridia  sich  hinziehende  Cava 
von  Spinpinatus  mit  ihren  Grotten,  unter  denen  vor  allen  eine  interessant  war, 
da  sie  eine  fast  vollständige  häusliche  Einrichtung,  mehrere  Wohnräume,  eine 
Treppe,  sogar  Latrinen  hatte.  Houel  erwähnt  noch  die  merkwürdige  Thatsache, 
dass  in  früherer  Zeit  Wald  und  undurchdringliches. Gestrüpp  den  Grund  der 
Cava  bedeckte,  und  dass,  als  eine  zufällig  entstandene  Feuersbrunst  die  Bäume 
und  Siräucher  in  Asche  verwandelt  hatte,  die  Einwohner  von  Palazzolo,  die 
nun  den  Boden  untersuchten,  dort  Lanzen,  Pfeile  und  andere  Kriegswerkzeuge 
von  Bronze  fanden.  Eine  andere,  sehr  merkwürdige  Grotte  ist  die  eine  Stunde 
von  Palazzolo  gelegene  Einsiedelei  von  S.  Lucia.  Es  ist  ein  ganzer  Felsen,  den 
man  zu  einer  Burg  ausgehöhlt  hau  Da  ist  ein  kreisförmiger  Raum ,  von  dem 
mehrere  Gänge  zu  Kammern  führen ;  im  Grunde  eines  dieser  Gänge  leitet  eine 
Treppe  zu  einem  noch  tiefer  gelegenen  Zimmer ,  in  welchem  sich  fliessendes 
Wasser  befindet.  In  unmittelbarer  Nähe  des  Berges  von  Akrai  liegt  endlich  der 
mit  demselben  durch  den  Sattel  des  Monte  AUeriu  zusammenhängende  Monte 
Pineta,  auf  dem  Scbubring  Grotten  sah,  die,  mit  der  Front  nach  Norden  gerichtet, 
in  unregelmässigen  Reihen  in  drei  bis  vier  Stockwerken  über  einander  an- 
gebracht waren. 

Die  Strasse,  weldie  sich  von  Palazzolo  nach  Syrakus  hinabzieht,  ist  die 
ersten  4  Millien  weit  auf  beiden  Seiten  von  terrassenförmig  abgestuften,  theater- 
artig gerundeten  Felsrändem  eingefasst,  welche  alle  mit  uralten  Höhlengräbem 
besetzt  sind.  Das  Anaposthal  selbst  enthält  Grotten  bei  Ferla  und  besonders 
bei  Sortino  in  der  sogenannten  Höhlenstadt  von  Pantalica.  Hier  sind  die  Fels- 
wände des  sich  vielfach  windenden  Thaies  in  der  Ausdehnung  einer  Millie  von 
Grotten  durchlöchert,  deren  Zahl  ein  neuerer  Reisender  auf  4000  geschätzt  hat. 
Eine  derselben  soll  gegen  400  Fuss  lang  und  an  ihrem  Ende  nicht  weniger  als 
1 50  Fuss.  hoch  sein ;  es  ist  klar,  dass  dies  eine  natürliche  Höhlung  des  Berges  ist. 


Erstes  Bach.    VI.  Spuren'der  ältesten  Bewohner  Sicillens. 

E  nahe  bei  Syrakus  sind  Grollen  auf  Pleminyrion,  die  verhältnissmfissig 
u  erreichen  sind,  als  die  am  Anapos  und  bei  Palazzolo. 
den  FlUssen  südlich  vom  Anapos  ist  es  besonders  der  Cassibili,  dessen 
)  sogenannte  Cava  gründe,  eine  gewundene  Schlucht  von  höchstens 
Breite,  an  Grotten  reich  ist.  Ausserdem  hat  Houel  die  wichtige  Be- 
ßemacht,  dass  von  Syrakus  bis  Avola,  eine  Sli'ecke  von  18  Uillien 
mg,  wo  das  Gebirge  durchschniliüch  eine  Millie  vom  Ufer  abslebt, 
rotten  in  den  Fels  gehauen  sind.  Treppen,  Grabkammern  mit  Saluten, 

Arkaden,  Alles  ist  aus  dem  Stein  ge'irheilet.  An  einzelnen  Punkten 
mel  zu  dqr  Vennulhung  veranlasst,  dass  diese  Felsknmmem  nur  die 
hg  von  Baulichkeiten  gewesen  seien,  die  vor  den  Felsen,  sich  an  sie  ao- 
gestanden  hiltl«n. 

kommen  jetzt  zu  einer  der  grSsslen  Merkwürdigkeiten  Siciliens ,  dem 
al  von  Ispica. 

lieht  sich  ungefilhr  acht  Million  lang  in  verschiedenen  Krümmungen 
Hodica  und  Spaccafurno  hin,  von  einem  Bache,  dem  Busaidone.  durcb- 
1er  hier  und  da  kleine  Teiche  und  WasscrHiUe  bildet.  Die  Vegelalion 
»Dhnliche  solcher  Schluchten.  Den  Grund  bedeckt  ein  Üppiges  Dickicht 
ider-,  Feigen-  und  Johannisbrodbaumen ;  weiter  hinauf  vkachsen  breil- 
Akanlhus  und  wilde  Artischoken,  und  von  der  Höhe  der  gelben  Sand- 
n  hängen  dicke  Cnklusi^ewinde  herunu-r.  Das  ganze  Thal  birgt  in  den 
Jen,  die  es  einschliessen,  unzählige  Grotten,  oft  in  mehreren  Slork- 
Iber  einander.  Auch  jeiit  noch,  wo  durch  den  Einsturz  vieler  Fels- 
(irliche,  wenngleich  milunler  etwas  unliequcme  Treppen  gebildet  sind, 
ugang  zu  manchen  derselben  sehr  beschwerlich,  und  ursprünglich 
lan  zu  vielen  von  ihnen  nur  auf  Leitfirn  haben  gelangen  zu  können, 
ohne  jf^licfae  Verzierung,  sei  es  im  Innern  oder  im  Acuasern;  die 
id  Fensteröäbungen  haben  keine  Einfassung  irgend  welcher  Art.  Die 
er  Höhlenrilume  ist  verschieden ;  doch  hüben  sie  selten  mehr  als 
riefe  und  (i  Fuss  Breite  und  Htihe.   Der  ThUr  gegenüber,  sagt  St.  Non, 

eine  Grotte  schildert,  welche  nls  Beispiel  für  viele  ähnliche  dienen 
nd  Nischen  angebiachl,  und  in  diesen  eine  Art  von  Trog;  im  Boden 
sich  Vertiefungen,  die  ebenso  gut  Schlafstellen  wie  Grabstütlen  sein 

Ringsumher  sind  unförmliche  Ringe  in  die  Uauer  gehauen  und  kleine 
,te  in  den  Fels  gemacht.  In  einigen  Kammern  befindet  sich  auch  eine 
Kasten,  der  von  einer  Platte  bedeckt  ist,  und  durch  welchen  eine 
r  Ableitung  von  Wasser  lauft,  ein  GerSth  von  sehr  unklarer  Bestim- 
!>ie  nebeneinanderliegenden  Baume  sind  durch  dünne  Scheidewände, 
einander  liegenden  nur  durch  dünne  Fussböden  getrennt.  Gewöhnlich 
[ammer  isolirt,  nur  wenige  haben  hinler  der  ersten  Zelle  noidi  eine 
1er  stehen  mit  der  über  ihnen  befmdlichen  durch  eine  einem  Brunnen- 
chende  OofTnung  in  Vetbindun;;.  Wahrend  nun  die  meisten  der  Grotten 
H  dem  hier  entworfenen  Bilde  gleichen ,  giebt  es  einige ,  die  sich  vor 
;en  durch  Besonderheiten  auszeichnen.  So  Gelen  Houel  die  Grotten  am 
n  Ende  der  Cava  auf,  in  denen  sich  kleine  Corridore,  Nebenireppen 
jres  fand,  das  auf  grössere  Bequemlichkeit  hindeulet«.  Sonderbar  war 


Grotten.  105 

vorzüglich  eine,  die  den  Namen  La  Spezierin ,  der  Krämerladen,  führte,  weil 
grosse  viereckige,  in  den  Seitenwinden  angebrachte  Vertiefungen  dem  Gemache 
eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  einem  solchen  gaben ,  und  wo  ausserdem  noch 
seltsame  sechseckige  Löcher  sich  im  FusSboden  befanden.  Die  merkwürdigste 
von  allen  Grotten  dieses  Thaies  ist  aber  das  sogenannte  Gastello  dlspica ,  ein 
ziemlich  isolirter,  ausgehöhlter  Felsen ,  der  viie  ein  von  Menschenhand  auf- 
gebautes Kastell  aussieht.  Es  ist  bei*eits  so  viel  von  dem  Felsen  eingestürzt, 
dass  die  Vorderwünde  der  Räume  grösstentheils  fehlen  und  man  nun  v^ie  in 
einem  architektonischen  Durchschnitte  das  Innere  der  Wohnungen  offen  ge(egt 
sieht,  liier  gewahrt  man  mehrere  Stockwerke  über  einander ,  durch  Treppen 
verbunden,  und  in  den  Gemächern  verschiedene,  auf  ehemalige  Bewohnung 
hindeutende  Einrichtungen,  wie  mörseriihnliche  Höhlungen  zum  Zermalmen  des 
Getreides,  Löcher  zum  Abflüsse  des  Wassers  u.  a.  m.  Dies  sogenannte  Kastell 
wird  für  den  Wohnsitz  des  Herrschers  der  Höhlenstadt  ausgegeben. 

In  dieser  Gegend  hat  noch  das  zwischen  Spaccafumo  und  dem  Meere  ge- 
legene Stafenda  Grotten. 

Wenn  wir  nun,  der  Südküste  nabebleibend,  nach  Westen  weitergehen,  so 
sind  die  in  und  bei  Scicli  gelegenen  Grotten  zu  erwähnen ,  die  nach  Einigen 
die  Lage  des  alten  Kasmenai  bezeichnen.  Jedenfalls  lag  hier  eine  alte  Stadt  auf 
den  verschiedenen  Absätzen  eines  Berges ,  und  es  ist  noch  ausser  den  Grotten 
eine  lange  Treppe  merkwürdig ,  die  im  Felsen  hinunterführte ,  und  vermittelst 
deren  man,  von  Feinden  unbemerkt,  Wasser  holen  konnte. 

Auf  Malta  ßnden  sich  ähnliche  Werke. 

Welchem  Zwecke  dienten  nun  diese  Grotten?  Man  ist  in  früherer  Zeit 
durchgängig  dejr  Ansicht  gewesen,  dass  sie  menschliche  Wohnungen  waren, 
und  die  oben  nach  St.  Non  und  Houei  gegebene  Schilderung  einiger  der  Grotten 
von  Ispica  beruht  auf  dieser  Voraussetzung.  An  sich  hat  nun  eine  solche  An- 
nahme nichts  Unwahrscheinliches.  Es  giebt  und  gab  Troglodyten  in  den  ver- 
schiedensten Theilen  der  Erde,  und  insbesondere  wird  im  Alterthum  aus  Libyen,, 
aus  Sardinien  und  von  den  Balearischen  Inseln  gemeldet,  dass  es  dort  Stämme 
gebe,  die  in  Höhlen  wohnten.  Wäre  es  nun  auffallend,  wenn  in  alter  Zeit 
dieselben  Stämme  auch  einen  Theil  von  Sicilien  inne  gehabt  und  sich  dort 
ebenso  eingerichtet  hätten,  wie  in  ihren  übrigen  Wohnsitzen?  Dennoch  ist 
neuerdings  die  Meinung  mehr  und  mehr  herrschend  geworden ,  dass  diese  so- 
genannten Höhlenstädte  nichts  als  Todtenstädte  gewesen  seien.  Man  ist  dabei 
besonders  von  der  Aehnlichkeit  mit  den  etruskischen  Nel£ropolen  ausgegangen. 
Indem  aber  die  Vertheidiger  dieser  Ansicht  sich  hauptsächlich  in  allgemeinen 
Bemerkungen  hielten,  konnten  sie  die  Frage  noch  nicht  zu  einer  befriedigenden 
Lösung  bringen,  und  es  ist  daher  um  so  erwünschter,  dass  ganz  kürzlich  über 
einzelne  Grotten  Siciliens  Nachrichten  uns  zugekommen  sind,  weiche  für  diese 
wenigstens  die  Frage  entscheiden.  Schubring,  von  dem  wir  zugleich  Ddieri 
als  den  siciiischen  Namen  solcher  Grotten  erfahren  ,  schildert  die  von  ihm  be- 
sonders in  der  Nähe  von  Syrakus  und  Akrai,  sowie  bei  Galtabellotta  gesehenen 
in  folgender  Weise.  Durch  kleine ,  viereckige ,  fensterartige  Eingänge  von  ge- 
wöhnlich 2  Fuss  Breite  und  3  Fuss  Höhe  schaut  man  hinein ;  am  Rande  dieser 
Oeffnung  sieht  man  noch  die  Angeln  für  die  eingefügten  Holzthüren,  von  denen, 


i-y 


106  Erstes  Buch.    VI.  Spuren  der  jiltesteQ  Bewohi>er  Siciliens. 

nach  Spuren  im  Steine  zu  urtheilen,  gewöhnlich  mehrere  vor  einander  zu  gros- 
serer Sicherheit  angebracht  waren.  Wenige  grössere  ausgenommen ,  sind  sie 
gemeiniglich  so  klein ,  dass  ein  Mensch  nicht  anders  Platz  darin  6ndel ,  als  auf 
allen  Vieren.  Diese  Bemerkung  ist  entscheidend  für  ihren  Gebrauch  als  Grab- 
stätten ,  und  es  wird  somit  äusserst  wahrscheinlich ,  dass  auch  die  grösseren 
und  geräumigeren  zu  demselben  Zwecke  gedient  haben,  wenigstens  die  meisten 
derselben.  In  späterer  Zeit  können  dann  diejenigen  von  ihnen,  weiche  am  zu- 
gänglichsten waren,  von  Hirten,  oder  wer  sonst  genöthigt  war,  in  der  Einsam* 
keit  zu  leben,  zu  Wohnungen  eingerichtet  worden  sein,  und  daher  mögen  dann 
die  Spuren  stammen,  welche  auf  eine  derartige  Benutzung  hindeuten.  Ganz 
ausgeschlossen  ist  aber  damit  die  Möglichkeit  immer  noch  nicht,  dass  einzelne 
schon  in  uralter  Zeit  bewohnt  waren. 

Welchem  Volke  aber  diese  Graber  angehörten,  ist  nodi  nicht  entschieden. 
Manche  halten  sie  fttr  griechisch ,  andere  für  sikelisch  (resp.  sikanisch) ;  ich 
scbiliesse  mich  fUr  die  Mehrzahl  derselben  der  letzteren  Ansicht  an.  Einzelne 
griechische  Thonscherben ,  die  in  den  Grotten  von  Ispica  gefunden  sind,  kön- 
nen natürlich  nur  eine  nachtragliche  Benutzung  durch  die  Griechen  mit  Sicher- 
heit beweisen.  Im  Allgemeinen  ist  es  auffallend ,  dass  man  in  ihnen  so  wenig 
Gegenstände  entdeckt  hat,  wie  sie  sonst  in  Gräbern  vorzukommen  pflegen. 

Dies  ist  mehr  der  Fall  gewesen  bei  einfach  in  den  Felsboden'  gehauenen, 
mit  Steindeckeln  geschlossenen  Gräbern ,  wie  sie  z.  B.  in  der  Nähe  von  Syrakus 
und  Akrai  vielfach  vorkommen.  Man  hat  eine  Anzahl  dei^lben  neuerdings  für 
phönicisch  erklärt.  Schubring  schildert  die  bei  Akrai  gefundenen  als  1,50  bis 
1,80  Meter  lang  und  bald  von  Osten  nach  Westen,  bald  von  Norden  nach  Süden 
gerichtet,  je  nachdem  sie  Gräber  von  Frauen  oder  Männern  waren,  die  man  an 
den  in  den  ersteren  gefundenen  Haarnadeln  unterschied.  Die  Skelette  waren 
vollständig  erhalten ,  die  Köpfe  an  den  Schläfen  sehr  eingedrückt  und  fast  von 
der  Form  einer  Mandel ,  die  Zähne  weit  hervorstehend.  Dies  passt  nicht  auf 
Menschen  hellenischen  Stammes.  Die  in  diesen  Gräbern  gefundenen  Schmuck- 
sachen waren  aus  Kupfer. 

Ob  dagegen  die  in  der  Nähe  von  Palermo  selbst  aufgefundenen  Gräber 
schon  einer  sehr  alten  Zeit  angehören,  ist  noch  zweifelhaft.  Im  Südwesten 
dieser  Stadt  sind  schon  seit  lange  viele  Gräber  entdeckt  worden,  etwas  genauer 
ist  man  aber  über  die  im  vorigen  Jahrhundert,  173S,  1746  uifd  1785,  sowie 
über  die  1834  daselbst  aufgegrabenen  unterrichtet.  Die  letzteren  bestehen  ans 
kleinen,  unterirdischen  Kammern,  zu  denen  Stufen  hinunterführen  **-  ganz  wie 
in  manchen  etruskischen  Gräbern  — ,  sie  enthalten  Sarkophage  und  Ascbea-- 
umen.  Die  daselbst  gefundenen  Münzen  aber,  punische,  römische  und  byzan- 
tinische, beweisen,  dass  die  Gräber  noch  sehr  spät  im  Gebrauche  waren. 

Als  merkwürdig  wird  noch  ein  Rundgebäude  bei  Sparano  bezeidinet,  das 
als  Grab  gedient  haben  soll,  ein  kleines  Bauwerk  aus  polygonen  Blöcken,  deren 
Zwischenräume  mit  kleineren  Steinen  ausgefüllt  sind. 

Ob  von  dem  berümten  Reservoir,  das  Daidalos  aus  dem  Flusse  Alabon  im 
niegarischen  Gebiete  gemacht  haben  soll,  noch  Reste  vorhanden  sind,  ist  s<Awer 
zu  entscheiden.  Allerdings  zieht  sich  quer  durch  das  Thal  des  S.  Gusmano,  in 
geringer  Entfernung  von  der  Mündung  ein  2—3  Meter  dicker  Mauerwall,  der. 


Werke  des  Daidalos.  107 

so  lange  er  wohl  erhalten  war ,  das  Thal  oberhalb  zu  einem  See  machte ;  a))er 
das  Werk  stammt  erst  aus  dem  13.  Jahrhundert ,  und  es  bliebe  nur  die  Yer- 
muthung  übrig,  dass  es  die  Erneuerung  eines  uralten  Werkes  wäre. 

Endlich  müssen  wir  noch  einiger  Grotten  anderer  Art,  als  die  vorher- 
genannten ,  gedenken :  der  Grotten  bei  Sciacca.,  der  Stätte  der  seiinuntischen 
Bäder.  Sie  befinden  sich  nahe  dem  Gipfel  des  Monte  S.  Calogero ,  an  dessen 
Fusse  die  heissen  Quellen  entspringen.  Hier  bewirken  fast  geruchlose  Ströme 
warmen  Dampfes,  die  aus  dem  Innern  des  Berges  hervordringen,  eine  heilsame 
Transpiration  bei  den  Leidenden.  Besonders  merkwürdig  für  den  Alterthums- 
forscher  ist  eine  der  äusseren  Höhlen,  in  der  lur  Bequemlichkeit  der  Badenden 
Sitze  aus  dem  Felsen  gehauen  sind ,  welche  aus  sehr  alter  Zeit  zu  stammen 
scbeinen.  Ebendaselbst  waren  früher  in  den  Stein  gehauene  Buchstaben  von 
eigenthttmlicher  Form  zu  sehen ,  in  denen  man  Angaben  über  die  Heilung  der 
Kranken  suchte,  die  aber  gegenwärtig  nicht  mehr  erkennbar  sind.  Fazell,  der 
sie  noch  sah,  obgleich  sie  schon  damals  undeutlich  geworden  waren,  versichert, 
dass  sie  weder  griechisch,  noch  hebräisch,  noch  chaldäisch  seien.  Hinter  dieser 
Höhle  zieht  sich  noch  eine  andere  tiefer  in  den  Berg  hinein ,  in  der  Houel ,  je- 
doch ohne  besondere  Entdeckungen  zu  machen,  eine  Strecke  weit  vorwärts 
drang.  Die  alte  Sage  will  bekanntlich,  dass  Daidalos  im  Gebiete  von  Selinus 
Höhlen-Dampfbäder  eingerichtet  habe.  Es  ist  höchst  wahrscheinlich ,  dass  die 
Bäder,  deren  Einrichtung  man  dem  kretischen  Flüchtlinge  zuschrieb,  eben  die 
des  Berges  S.  Calogero  sind;  und  man  darf  weiter  annehmen,  dass  dieselben 
aus  der  phönicischen  Zeit  herstammen.  Dann  könnten  auch  die  nun  ver- 
wischten Insdiriften  sehr  wohl  phöniciscbe  gewesen  sein. 


Zweites  Buch. 


ürstes    KapiteL 


Aelteste  Beriehnngen  zirlschen  Hellas  und  SielUen. 

'ie  Völkerschaften,  welche  wir  bis  jHzt  als  Bewohner  Siciliens  kennen 
t  haben ,  waren  ihrer  ganzen  geistigen  Begabung  nach  nicht  im  Stande, 
isel  eine  hohe  geschichtliche  Stellung  zu  verleihen.  '  Die  Sikaner  und 
r  scheinen  nicht  einmal  die  so  höchst  nothwendige  und  vt^^iger  gebil- 
SUmmen  sonst  meistens  innewohnende  Eigenschaft  eines  Kervorragen- 
riegerischen  Sinnes  besessen  zu  haben,  und  das  Hinzukommen  der 
ier,  die  in  ihren  Kolonien  auf  der  Insel  vorzugsweise  als  Kaufleule 
abrikanten  auftraten ,  konnte  der  üi"l)evölkerung  zwar  gewisse  Fertig- 
des  praktischen  Lebens  bringen,  war  aber  zur  Beförderung  einer  inner- 
EntwickeEung  derselben  zu  höherer  Bildung  nur  wenig  geeignet.  Alles 
anders,  als  Griechen  sich  auf  Sicilien  niederliessen. 
lies  Volk,  das  vermöge  seiner  vortrefflichen  körperlichen  und  geistigen 
m  zur  Ausübung  fast  alles  dessen,  was  der  menschlichen  Natur  Uber- 
zuganglich  ist,  geeignet  war,  und  dessen  Ausbildung  nicht,  wie  die  der 
wüschen  Stämme,  mit  denen  es  zusammenhiingt,  durch  lastende  Tradi- 
eines  religiösen  und  politischen  Despotismus  gehemmt  wurde,  bat  nicht 
seinem  eigenen  Lande  das  glänzendste  Schauspiel  freier  menschlicher 
cklung  dargeboten,  das  die  Geschichte  kennt;  es  hat  auch  Sicilien 
trsten  Male  zu  einem  Uxr  die  ganze  bekannte  Welt  bedeutenden  Lande 
ht. 

V'elches  ist  nun  der  Zeilpunkt  des  ersten  Beginnens  der  griechischen 
-lassungen  in  Sicilien?  Die  herkömmliche,  auch  von  Thukydides  vertre- 
s  Ansicht  setzt  ihn  in  das  8,  Jahrhundert  vor  Chr.,  und  es  ist  allerdings 
eslsiehende  Thatsache,  dass  die  historische  Bedeutung  des  griechischen 
ntes  in  Sicilien  erst  mit  den  wohlbezeugten  Kolonien  beginnt,  die  in 
Jahrhundert  fallen.  Diese  Ansicht  befindet  sich  Überdies  in  vollkomme- 
tbereioslimmung  mit  dem,  was  wir  sonst  von  den  anfänglichen  Betiehuo- 
!r  Griechen  zu  den  fremden  Landern  wissen. 


Fahrten  der  Hellenen  nach  Westen.  109 

Die  älteste  griechische  Geschichte  spielt  fast  ausschliesslich  an  den  Gesta- 
den des  Aegüischen  Meeres.  Von  Osten  her  sind  in  vorgeschichtlicher  Zeit  die 
hellenischen  Stämme  in  das  nach  ihnen  benannte  Land  gekommen,  und  so 
finden  wir  denn  schon  in  den  Sagen  der  Griechen  Kleinasien  und  Hellas  in 
fortwährender,  bald  freundlicher,  bald  feiitdiicher  Beziehung  zu  einander.  Die 
Abenteuer  des  Perseus  und  des  Herakles  versetzen  uns  vielfach  an  die  Ost- 
kUsten  des  Archipelagos,  und  in  dem  trojanischen  Kriege  macht  ganz  Griechen- 
land sich  auf,  um  mit  vereinlen  Kräften  eine  asialische  Stadt  zu  besiegen.  So 
kommt  es,  dass  sich  von  den  Inseln  des  Aegäischen  Meeres  und  einem. Theile 
der  kleinasiathchen  Küste  eine  fast  ebenso  genaue  mythische  Geographie  ent- 
werfen lässt,  wie  von  Hellas  selbst.  Der  Beginn  der  historischen  Zeit,  weit 
entfernt,  diese  Beziehungen  zwischen  Griechenland  und  dem  Orient  zu  unter- 
brechen', macht  sie  nur  noch  enger.  In  Folge  der  dorischen  Wanderung  ent- 
stehen grossartige  Völkerztige  von  Hellas  nach  Kleinasien,  und  es  werden 
dort  die  äolischen  ,  ionischen  und  dorischen  Kolonien  gegründet ,  die  es  bald 
in  der  Bildung  dem  Mutterlande  zuvorthun  und  einen  bedeutenden  Einfluss 
auf  dasselbe  ausüben.  Und  nachdem  diese  Kolonien  gegründet  sind ,  vergehen 
noch  einige  Jahrhunderte,  bis  der  Unternehmungsgeist  der  Griechen ,  der  bis 
dahin  nach  Osten  gewandt  war,  sich  nach  Westen  richtet,  und  spät  erst  ent- 
stehen die  bekannten  Niederlassungen  in  Italien  und  Sicilien,  in  Ländern,  die, 
wie  wir  von  Sicilien  schon  nachgewiesen  haben,  auch  in  den  Mythen  Griechen- 
lands keine  bedeutende  Rolle  spielen. 

Dies  ist  im  Grossen  und  Ganzen  der.  Portschritt  der  Beziehungen  des 
eigentlichen  Griechenlands  zu  seinen  östlichen  und  westlichen  Nachbarländern. 
Das  spätere  Eingreifen  des  Westens  in  die  hellenischen  Angelegenheiten  ist 
unverkennbar.  Und  so  ist  denn  auch  umgekehrt  die  Thatsache  nicht  abzu- 
läugnen,  dass  in  der  älteren  Zeit,  wo  die  Griechen  mit  den  kleinasiatischen 
Küsten  sich  ganz  vertraut  zeigen,  ihre  Kunde  von  den  westlichen  Ländern  eine 
ausserordentlich  schwache  und  dürftige  ist.  Homer  weiss  nichts  Sicheres  von 
Italien  und  Sicilien ,  und  die  Mährchen ,  die  er  von  den  westlichen  Meeren 
erzählt,  beweisen,  dass  man  zu  seiner  Zeit  diese  Gegenden  noch  nicht  oder  nur 
wenig  von  Griechenland  aus  befuhr.  Wenn  aber  Odysseus  auf  seinen  Fahrten 
von  Meeresstrudeln  und  Menschenfressern  zu  leiden  hatte,  wenn  er  von  Sirenen 
und  Zauberinnen  festgehalten  wurde ,  und  nach  langer  Irrfahrt  nur  durch  be- 
sondere göttliche  Fürsorge  nach  Hause  gelangte,  wer  durfte  es  dann  noch  wa- 
gen, diese  Meere  zu  befahren? 

Und  so  ganz  unbegründet  waren  die  Befürchtungen,  mit  denen  die  Grie- 
chen der  ältesten  Zeit  in  der  That  auf  die  Westfahrten  blickten,  nicht,  wenn 
sie  gleich  sehr  übertrieben  wurden.  Bei  dem  damaligen  Zustande  der  nauti- 
schen Wissenschaften ,  der  eigentlich  nur  Küstenschiffahrt  gestattete ,  war  es 
immerhin  ein  Wagniss,  von  Griechenland  nach  Italien  und  weiter  nach  Sicilien 
zu  fahren,  zumal  für  die  Bewohner  der  Ostseite  Griechenlands,  welchen  schon 
die  westlichen  Küsten  von  Hellas  als  unwirthliche  Gestade  erschienen.  Man 
konnte  freilich,  wenn  man  einmal  bis  Epeiros  gekommen  war,  das  Südostende 
Italiens  unschwer  erreichen.  Indess  war  damit  noch  nicht  viel  giewonnen.  Es 
handelte  sich  nun  darum,  weiter  vorzudringen,  und  da  machte  sich  der  bedenk- 


110  Zweites  Buch.    I.  Aelteste  Beziehungen  zwischen  Hellas  und  Sicilien. 

liehe  Uaistand  geltend ,  dass  die  Küstenlinie  sich  imm^r  weiter  in  westlicher 
Richtung  fortzog.  Wie  wenn  überlegene  Feinde  den  Schiffer  anfielen  und  ihm 
den  Rückweg  an  derselben  Küste  verlegten?  Dann  war  er  genöthigt,  zu  seiner 
Rettung  quer  über  das  weite,  unbekannte,  insellose  Meer  nach  Osten  zurück- 
zuschiffen  —  ein  Unternehmen  der  gefiihrlichsten  Art.  Dass  eine  so  leicht  zu 
störende  Fahrt  anfangs  nicht  viel  unternommen  wurde,  ist  sehr  erklärlich.  Und 
wenn  nun  der  kühne  Schiffer,  alle  Gefahren  verachtend,  wirklich  bis  zur  Süd- 
westspitze  Italiens  vordrang ,  so  befand  er  sich  dort  in  der  Nähe  des  verrufen- 
sten Strudels  und  einer  Strömung,  die  für  die  kleinen  Fahrzeuge  jener  Zeit  nur 
zu  leicht  verderblich  werden  konnte.  Zu  den  Gefahren ,  die  in  dieser  Gegend 
Wind  und  W^ellen  bereiteten ,  kamen  aber  noch  die ,  welche  von  gefUrchteten 
Feinden  drohten.  Zwar  erwies  sich  der  bei  den  Grijechen  herrschende  Glaube, 
dass  die  Bewohner  Siciliens  sehr  wild  und  fiurchtbar  seien ,  der  vielleicht  eine 
Zeit  lang  noch  Berechtigung  haben  mochte,  als  unbegründet,  sobald  man  nur 
ernstlich  versuchte  auf  der  Insel  Fuss  zu  fassen ;  aber  die  zur  See  mächtigen 
Etrusker  wollten  wirklich  keine  Fremden  in  ihren  Gewässern  dulden  und  zeig- 
Jten  sich  als  gefährliche  Gegner  der  griechischen  Seefahrer. 
"^  ~  So  kam  Manches  zusammen ,  um  den  Hellenen  die  Fahrt  nach  Westen  zu 
verleiden ,  ein  Uindemiss  ungerechnet,  das  vielleicht  das  noächtigste  von  allen 
war ,  und  sich  besonders  ihren  Niederlassungen  auf  Sicilien  entgegenstellte. 
Der  Handel  dieser  Insel  befand  sich  in  den  Händen  der  Phönicier ,  die  überall 
mit  ausserordentlicher  Eifersucht  darüber  wachten ,  dass  ihre  Handeisgebiete 
nicht  fremder  ConcuiTenz  geöffnet  wurden.  Fi^emdo  Schiffe,  die  in  Gegenden 
kamen,  welche  sonst  nur  Phönicier  zu  befahren  und  auszubeuten  pflegten^ 
wurden  von  den  kriegerischen  Kaufleuten  angefallen  und  wo  möglich  vernichtet, 
und  wie  man  es  machte,  wenn  offene  Gewalt  nicht  angebracht  war ,  zeigt  eine 
von  Strabon  mitgetheilte  Geschichte  über  die  anfangs  nur  von  den  Bewohnern 
von  Gades  betriebene  Fahrt  nach  den  Kassiteriden.  Als  einst  römische  Sdiiffer, 
um  diesen  Handelsweg  kennen  zu  lernen,  einem  dahin  steuernden  phöfiicischen 
Schiffe  folgten,  wurde  es  von  seiner  Besatzung  auf  eine  Untiefe  gelenkt,  so  dass 
es  selbst  scheiterte,  aber  auch  die  nachfolgenden  Römer  zu  Grunde  gingen: 
und  die  Phönicier,  die  ihr  Leben  zu  retten  wussten,  erhielten  als  Anerkennung 
ihrer  verdienstlichen  That  vom  Staate  Ersatz  für  die  geopferte  Habe.  Wie  dies 
Volk  es  in  späterer  Zeit  mit  der  Fahrt  im  Ocean  hielt,  so  wird  es  früher  es  mit 
der  im  Westen  des  Mittelmeeres  gemacht  haben.  Nun  waren  schon  die  Tyrrhe- 
ner  gefährliche  Nebenbuhler,  aber  sie  waren,  ihrer  Nähe  wegen,  nicht  zu  ver- 
drängen, und  so  hielten  die  Phönicier  es  für  besser,  in  ein  freundschaftliches 
Verhältniss  zuihnen  zu  treten;  um  so  mehr  aber  mussten  sie  darauf  bedacht 
sein,  die  Griechen,  die,  da  sie  entfernter  wohnten,  vom  Handel  nach  dem 
Westen  ausgeschlossen  werden  konnten ,  auch  wirklich  auszuschliessen.  Dies 
Hess  sich  aber  weder  durch  offene  Gewalt,  noch  durch  Listen  der  ang^ebenen 
Art  bewirken.  Sie  suchten  ihren  Zweck  auf  eine  dritte  Weise  zu  erreichen. 
Sie  verbreiteten  die  übertriebensten  Gerüchte  von  den  Gefahren  des  Westens. 
Sie  sind  es  gewesen ,  die  den  Fabeln  von  Ungeheuern  und  Menschenfressern, 
welche  dem  Schiffer  im  Westen  auflauern  sollten ,  durch  ihre  Mittheilung  Be- 
kräftigung verliehen ;  ihren  Berichten  ist  es  zuzuschreiben ,  dass  die  Griechen 


Hellenen  in  Italien.  Kynoe.  11] 

die  Bewohner  Siciliens  noch  für.gewahige  Krieger  hielten,  als  sie  es  längst  nicht 
mehr  waren.  Später  ward  deshalb  bei  den  Hellenen  der  Ausdruck  phönicische 
Liigen  sprichwörtlich. 

Dass  aber  die  Griechen,  die  nachher  mit  so  grosser  Energie  die  Fahrten 
nach  dem  Westen  aufnahmen ,  sich  damals  durch  wirkliche  und  eingebildete 
Hindemisse  davoii  zurückschrecken  Hessen ,  das  erklärt  sich  einfach  dadurch, 
dass  noch  kein  mächtiges  Interesse  sie  nach  diesen  Gegenden  trieb.  Die  Grie- . 
chen  waren  nicht  ein  in  einseitiger  Richtung  thätiges  Volk  wie  die  Phönicier. 
Tapfer  im  Kriege,  wie  nur  irgend  eine  andere  Nation,  im  Landbau  keinem  Volke 
nachstehend ,  haben  sie  sich  auch  im  Handel  und  in  der  SchiffTahrt  äusserst 
tüchtig  und  gewandt  gezeigt.  Aber  alles ,  was  sie  betrieben ,  war  Mittel  zum 
Zweck ,  der  Entwicklung  eines  gedeihlichen  staatlichen  und  individuellen  Le- 
bens. Zu  diesem  Zwecke  konnten  sie  das  Grösste  leisten ;  wo  er  aber  nicht 
in's  Spiel  kam,  blieben  sie  unthätig.  So  gaben  sie,  da  die  blosse  Bereicherung 
durch  den  Handel  ihnen  niemals  letzter  Zweck  war,  bei  den  ersten  Schwierig- 
keiten, die  ihnen  in  den  Weg  traten,  die  Fahrt  nach  Westen  auf,  an  welche  sich 
sonst  kein  Interesse  für  sie  knüpfte. 

Wenn  nun  so  im  Allgemeinen  die  Beziehungen  zwischen  Griechenland  und 
dem  Westen  in  der  ältesten  Zeit  gering  und  die  Kenntnisse  der  Griechen  von 
demselben  unbedeutend  waren ,  so  stösst  man  doch  bei  einer  genaueren  Be- 
trachtung der  älteren  Geschichte  Italiens  und  Siciliens  auf  Manches,  was  zur 
Behauptung  berechtigt,  dass  diese  Länder  und  insbesondere  auch  Sidlien  doch 
nicht  so  ganz  von  griechischem  Einflüsse  in  jener  Periode  der  Geschichte  frei 
geblieben  sind.  Solcher  Einfluss  zeigt  sich  in  Sage  wie  in  Geschichie.  Was 
jene  anbetrifil,  so  können  hier  weniger  die  Wanderungen  des  Herakles  in  Be- 
tracht kommen,  da  sieh,  wie  wir  sahen,  in  diese  Figur  viel  Semitisches  mischt, 
als  die  Schicksale  der  Heiden  des  trojanischen  Krieges ,  auf  welche  besonders 
viele  italische  Städte  ihren  Ursprung  zurückführten.  So  sollen  nach  Skylletion 
Athener  unter  Menestheus  sich  gewandt  haben ;  Petelia  und  Makalla  behaupte- 
ten, von  Philoktet ,  Metapont  von  Nestor  und  Epeios  gegründet  zu  sein.  Nach 
Siciiien  sind  allerdings  zu  dauernder  Niederlassung  von  den  Theiinehmern  am 
trojanischen  Kriege  nur  Kreter  gekommen ,  und  es  ist  bekannt,  dass  in  ihnen 
auch  ein  semitisches  Element  vorhanden  ist. 

Aber  neben  diesen  in  der  Sage  hervortretenden  Beziehungen  zwischen 
Griechenland  und  dem  Westen  giebi  es  auch  solche,  die  einen  mehr  historischen 
Charakter  tragen.  Es  kommt  hiei*  einmal  in  Betracht ,  dass  Hesiod  nach  Stra- 
hon's  Zeugniss  bereits  eine  ziemlich  bedeutende  Kenntaiss  von  Siciiien  besass, 
wenn  er  von  dem  Vorgebirge  Peloris,  das  Orion  aufgeschüttet  haben  soUte, 
sprach ,  und  wenn  er  den  Aetna  und  die  Insel  Ortygia  erwähnte.  Das  zweite 
ist  die  frühe  Gründung  der  Stadt  Kyme  in  Unteritalien. 

Dies^  Stadt  soll  von  Chalkidiern  und  Kymäem  unter  der  Anführung  des 
Kymäers  Hippokles  und  des  Ghalkidiers  Megasthenes  gegründet  sein ,  anfangs 
auf  der  Insel  Ischia ,  dann  auf  dem  gegenüber  liegenden  Festlande ,  wo  noch 
heute  auf  dem  Gipfel  eines  isolirten  Hügels  von  trachytischem  Tuff  nördlich 
vom  Gap  Misen  und  den  Seen  Fusaro  und  Averno ,  nach  dem  Meerbusen  von 
Gaeta  schauend  die  Trümmer  der  alten  Stadt  zu  sehen  sind,    lieber  die  Zeit 


112  Zweites  Buch.    I.  Aeltesle  Beziehungen  zwischen  Hellas  und  Stcilien. 

ihret  Gründung  berichtet  die  Chronik  des  Eusebios ,  dass  sie  \  33  Jahre  nach 
dem  trojanischen  Krie|<e  Statt  gefunden  habe ,  was  in  das  Jahr  i  051  v.  Chr. 
fiele.  Nach  Veliejus  Palerculus  wäre  das  italische  Kyme  noch  eher  gegrtlndet 
worden  als  die  äolischen  Kolonien  in  Kleinasien,  zu  denen  auch  das  dortige 
Kyme  gehört;  somit  würde  jene  Stadt  noch  älter  sein,  als  selbst  Eusebios  an- 
nahm. Strabon  sagt  einfach  ,  dass  Kyme  die  älteste  der  italischen  und  sicili- 
schen  Kolonien  sei,  und  es  möchte  allerdings  schwer  fallen ,  die  Gründung  der 
Stadt  mit  Wahrscheinlichkeit  in  eine  so  frühe  Zeit  zu  versetzen^  wie  Veliejus 
und  Eusebios  wollen.  Abgesehen  davon,  dass  diese  späten  Schriftsteller  in 
einer  das  hohe  Alterthum  berührenden  Frage  kaum  als  gültige  Zeugen  für  eine 
an  sich  so  auH^dllige  Sache,  wie  die  Giündung  einer  chalkidischen  Kolonie  im 
fernen  Westen  so  lange  vor  allen  andern  chalkidischen.  Kolonien  in  derselben 
Gegend,  betrachtet  werden  können,  scheint  überdies  die  Nennung  zweier 
Gründer  aus  zwei  verschiedenen  Mutterstädten  eine  so  planmässige  Anlage  der 
neuen  Stadt  zu  verrathen .  wie  sie  für  jene  halb  mythischen  Zeiten  bald  nach 

trojanischen  Kriege  kaum  angemessen  sein  möchte.  Es  ist  rathsamer,  die 
Gründung  von  Kyme  ohne  Rücksicht  auf  die  allzu  positiven  Angaben  jener  bei- 
den Schriftsteller  nach  allgemeinen  Wahrscheinlichkeitsrücksichten  anzusetzen, 
wo  sie  dann  1 00  bis  ^00  Jahre  später  fallen  würde,  als  Jene  annahmen.  Wenn 
aber  Kyme  auch  erst,  wie  wir  meinen,  etwa  um  das  Jahr  900  v.  Chr.  gegründet 
sein  sollte ,  so  bleibt  immer  noch  ein  hinreichend  grosser  Zeitraum  zwischen 
der  Gründung  dieser  ältesten  griechischen  Kolonie  im  Westen  und  den  ersten 
Niederlassungen  der  Hellenen  in  Sicilien,  um  die  Vorstellung  von  einem  gänz- 
lichen Fernbleiben  der  Griechen  vom  Westen  und  von  Sicilien  insbesondere, 
vor  dem  8.  Jahrhunderte  v.  Chr.,  einigermassen  zu  erschüttern. 

In  der  That  mussten ,  seit  Griechen  auf  dem  Felsen  am  Ufer  des  Meerbu- 
sens von  Gaeta  angesiedelt  waren,  häufige  Fahrten  von  dort  nach  Griechenland 
und  wiederum  von  Griechenland  nach  Kyme  unternommen  werden ,  und  auf 
diesen  Fahrten  lernte  man  noth wendig  auch  einen  Theil  der  Ostküste  Siciliens 
kennen.  So  verbreitete  sich  in  Griechenland  unter  denjenigen,  welche  mit 
Kyme  und  Chalkis  in  Berührung  kamen ,  bereits  vor  der  Gründung  von  Naxoä 
einige  Kennlniss  von  Sicilien,  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  dies  der 
Weg  ist,  auf  dem  Hesiod,  dessen  Vater  aus  dem  asiatischen  Kyme  stammte,  zu 
seiner  Kennlniss  von  Siciliens  Oslküste  kam. 

Indess  werden  wir  uns  diesen  Verkehr  zwischen  Griechenland  und  dem 
italischen  Kyme  doch  auch  nicht  allzu  lebhaft  denken  dürfen,  da  sonst  die  ei-ste 
Niederlassung  schon  bald  andere  hätte  nach  sich  ziehen  und  z.  B.  das  Vorur- 
theil,  dass  die  Sikeler  sehr  kriegerisch  seien,  bei  häufigeren  Landungen  an  der 
sicilischen  Küste  hätte  verschwinden  müssen.  Und  wenn  wir  fragen,  'w*as  es 
.war,  das  einen  regeren  Verkehr  zwischen  Kyme  und  Hellas  verhinderte,  so 
liegt  die  Antwort  nur  in  der  nicht  ganz  unwahrscheinlichen  Annahme ,  dass 
Kyme ,  statt  ein  Vorposten  hellenischer  Bildung  in  jenen  fernen  Gegenden  zu 
werden ,  sich  vielmehr  selbst  den  Sitten  seiner  Nachbaren  asstmilirte.  Nur  so 
konnte  es  in  geringerem  Grade  das  Bedürfniss  empfinden,  mit  dem  Mutterlande 
in  stetem  Verkehr  zu  bleiben.  Was  uns  aber  zu  dieser  Annahme  berechtislt 
ist  die  Nachricht  des  Thukydides ,  dass  italische  Kymäer  Seeraub  im  Grossen 


Hellenische  Kulte  in  Stoilien  vor  Theokies.  113 

betrieben.  Von  den  Etniskem  ist  es  bekannt  genug,  dass  sie  die  anstossenden 
Meere  unsicher  machten.  Es  scheint  demnach,  dass  die  Kymäer  den  Etniskem 
ähnlich  wurden,  und  soviel  ist  wenigstens  einleuchtend ,  dass  isolirte  Griechen 
am  besten  für  ihre  Sicherheit  sorgten,  wenn  sie  sich  dem  Wesen  der  Nachbar- 
völker möglichst  anbequemten. 

Nach  dem  Bisherigen  wären  wir  nun  zu  dem  Schlüsse  berechligt,  dass 
schon  vor  dem  8.  Jahrhundert,  vor  der  Gründung  von  Naxos,  die  Griechen 
einige  Kenntniss  von  Sicilien  haben  mussten ,  ohne  dass  wir  jedoch  behaupten 
könnten ,  sie  hatten  schon  angefangen  sich  dort  niederzulassen.  Es  giebt  aber 
gewisse  Thatsachen,  welche  auch  dies  Letztere  wahrscheinlich  machen. 

Es  sind  vor  allen  Dingen  Spuren  griechischer  Religion  in  Sicilien,  die  in 
eine  sehr  frühe  Zeit  zurückzugehen  scheinen. 

Ichmuss  hier  zunächst  an  das  erinnern,  was  ich-oben  über  die  Beziehun- 
gen Poseidon's  zu  unserer  Insel  gesagt  habe.  Wir  sahen,  dass  dieser  Gott  Sici- 
lien vom  Festlande  getrennt  haben  soll ,  dass  Trinakros ,  Eryx ,  die  Kyklopen 
und  Laistrygonen ,  sowie  endlich  Selinus  Söhne  Poseidon's  sind,  dass  er  zur 
Auswanderung  der  trojanischen  Elymer  nach  Sicilien  die  Veranlassung  giebt ; 
wir  können  hier  hinzufügen,  dass  mehrere  mit  Aig  anfangende  geographische 
Namen,  wie  die  Aigatischen  Inseln,  Aigusa,  das  Vorgebirge  Aigithallos  offenbar 
auf  Poseidon  hindeuten.  Sdlen  wir  nun  in  diesem  Poseidon,  wie  Einige  wollen, 
einen  phönicischen  Gott  sehen?  Werden  wir  uns  nicht  lieber  daran  erinnern, 
dass ,  während  Poseidon  bei  den  Phöniciern  gegen  andere  Gottheiten  zurück- 
tritt, er  bei  dem  griechischen  Stamme,  der  vorzugsweise  das  Meer  befuhr,  dem 
ionischen,  die  Hauptgottheit  war,  und  hieraus  den  weiteren  Schluss  ziehen, 
dass  ionische  Griechen  in  uralter  Zeit  seinen  Kultus  nach  Sicilien  brachten  ? 

Ein  anderer  altsicilischer  Kultus ,  der  des  Apollon ,  wird  ausdrücklich  mit 
Griechenland  in  Verbindung  gebracht.  In  der  sikelischen  Stadt  Hybla,  wo  auch 
ein  Heiligthum  der  Göttin  Hyblaia  war,  zeichneten  sich,  heisst  es,  die  {Anwoh- 
ner durch  ihre  Frömmigkeit  aus.  Sie  oder  wenigstens  viele  von  ihnen  waren 
auch  unter  dem  Namen  Galeoten  Ausleger  von  Träumen  und  Wunderzeichen, 
eine  Beschäftigung ,  die  von  Apollon  hergeleitet  wurde.  Dieser  Gott  hatte  von 
der  Themisto  zwei  Söhne,  Telmissos  und  Galeotes,  die  nach  einem  Spruche  des 
dodonäischen  Orakels  in  entgegengesetzter  Richtung  auswanderten ,  Telmissos 
nach  Karien ,  wo  die  nach  ihm  benannte  Stadt  durch  ihre  Wahrsager  berühmt 
war,  und  Galeotes  nach  Sicilien.  Hier  liegt  sicher  eine  Verpflanzung  des  Apollo- 
kultus, wenn  auch  nicht  aus  Griechenland  selbst,  so  doch  aus  Kleinasien  vor; 
dass  diese  Verpflanzung  aber  vor  die  Zeit  des  8.  Jahrhunderts  fällt ,  beweist 
der  Umstand,  dass  eine  sikelische,  also  barbarische  Stadt  Apollon  aufnahm. 

Wenn  es  nun  so  wahrscheinlich  wird,  dass  hellenische  Schaaren  schon  vor 
der  Zeit  des  Theokies  und  Archias  nach  Sicilien  gekommen  sind,  so  werden  wir 
auch  einer  bestimmten,  sonst  freilich  nicht  weiter  bezeugten  Nachricht  über  eine 
altgriechische  Niederlassung  auf  unserer  Insel  etwas  mehr  Beachtung  schenken, 
als  sie  gewöhnlich  findet.  Der  alexandrinische  Dichter  Nikandros ,  der  selbst 
lange  Zeit  in  Aetolien  lebte,  behauptete,  dass  Aetolier  zuerst  von  allen  Griechen 
nach  Sicilien  und  zwar  nach  Syrakus  gekommen  seien.  Dieser  Nachricht  steht 
nur  ihr  vereinzeltes  Vorkommen  entgegen ,  um  glaublich  zu  erscheinen.    Für 

Holm,  Oesch.  SiciUeAS.  I.  -  g 


114  Zweites  Buch.    I.  Aelteste  Beziehungen  swiscben  HellMund  Siciiien. 

die  Westgriechen ,  die  —  denken  wir  nur  an  die  Sagen  von  Odysseus  und  von 
den  Phaiaken  —  unstreitig  in  der  Schiffahrt  bewandert  wai*en ,  hatte  die  Fahrt 
nach  Italien  und  Siciiien  weniger  Schwierigkeiten,  als  für  die  Griechen  des 
Ostens ;  und  wenn  man  annimmt,  dass  sie  wii*klich  nach  Siciiien  und  vielleichl 
nach  Syrakus  gekommen  sind,  so  wäre  es  nicht  schwer  zu  erklär«! ,  weshalb 
sich  die  Kunde  von  diesem  Ereigniss  so  gänzlich  verlor.    Die  Kultur  der  Grie- 
chen und  somit  auch  ihre  Literatur  umfasste  lange  Zeit  hindurch  nur  die 
östliche  Seite  Griechenlands ;  die  Thaten  der  Westgriechen  fanden  Verhältnisse 
massig  wenig  Beachtung.    Wenn  Aetolier  früh  in  Verkehr  mit  einer  entfernten 
Insel  des  Westens  standen  und  dort  auch  für  kurze  Zeit  Niederlassungen  grün- 
deten, wer  mochte  sich  in  Athen,  auf  den  Inseln  des  ägäischen  Meeres  and  an 
der  kleinasiatischen  Küste  darum  kümmern?    Die  ostgriechischen  Stämme,  die 
sich  vor  den  übrigen  den-  Vorrang  in  der  Bildung  erwarben,  beachteten  wahr- 
scheinlich ebenso  wenig  die  alten  und  allerdings  nicht  kräftig  genug  betrid)enen 
SeezUge  ihrer  in  der  Kultur  zurückgebliebenen  westlichenLandsIeute,  wie  das 
gebildetere  südliche  Europa  im  Mittelalter  die  Fahrten  der  Normannen  nach 
W^esteu,  und.es  ist  nicht  auffallender,  dass  Athener  nichts  von  der  frühen  Ver- 
breitung der  Aetolier  nach  Siciiien  wussten,    als  dass  man   in  Italien  und 
Deutschland  viele  Jahrhunderte  keine  Ahnung  davon  hatte,  dass  Nordländer 
lange  vor  Columbus  nach  Amerika  gekommen  waren.    Wenn  man  die  Nach- 
richt Nikander*s  annimmt ,  so  erklärt  sich  auch,  wie  ein  Fluss  Siciliens  zu  dem 
Namen  Anapos  kam.    Anapos  hiess  ein  Nebenfluss  des  Aeheloos,  und  es  ist 
klar ,  dass  es  Westgriechen  näher  lag ,  diesen  Namen  einem  sicilischen  Flusse 
beizulegen,  als  aus  dem  Osten  von  Hellas  gekommenen  Kolonisten.    Es  wäre 
dann  femer  aber  auch  möglich,  dass  von  diesen  Ansiedlem  die  syrakusaniscbe 
Insel  den  Namen  Ortygia  empfangen  hätte :  Ortygia  hiess  auch  ein  Ort  in  Aeto- 
lien.  Dann  wäre  aber  auch  die  weitere  Vermuthung  geboten,  dass  Siciiien  die- 
ser altai  westgriechischen  Einwanderung  bereits  den  später  so  bedeutend  ge- 
wordenen Kultus  der  Artemis  verdankte.    Denn  Ortygia's  Name  ist  bekannllich 
eng  mit  dem  der  Artemis  verknüpft  und  die  Herleitung  aus  dem  äftoiischen 
Lande  ist  auch  für  diesen  Kultus  deswegen  nicht  unangemessen,  weil  das  Volk 
der  Leleger,  zu  dessen  vielen  Wohnsitzen  in  Griechenland  auch  Aetolien  ge- 
hörte ,  gerade  vorzugsweise  die  Artemis  verehrte.    Wenn  Ortygia  femer  durch 
die  Arethusa  und  deren  sagenhafte  Beziehungen  zum  Alpheios  mit  Elis  in  Ver- 
bindung steht,  so  würde  dies  nieht  der  Annahme  widersprechen,   dass  der 
Arlciniskult  und  die  ihn  begleitenden  Namen  von  einem  aus  Aetolien  herüber- 
gcküoimenen  lelegischen  Stamme  herrührten;  denn  auch  in  Elis  hatten  sich 
L(;  leger  niedergelassen. 

Indess  kann  nicht  geläugnet  werden,  dass  für  die  Namen  Ortygia  und 
Arethusa  und  ihre  Verpflanzung  nach  Siciiien  auch  ein  anderer  Ursprung 
möglich  ist,  —  durch  die  Chalkidier,  die  auf  ihren  frühen  Fahrten  von  und 
nach  Kyme  diesen  Punkt  der  sicilischen  Ostküste  entdeckt  und  besetzt  haben 
mögen. 

Und  nun  haben  wir  uns  noch  an  eine  Erzählung  zu  erinnern ,  die  uns 
oben  in  der  n)ythischen  Geschichte  Siciliens  entgegentrat :  die  Gründung  von 
Alontion  durch  Akamanier  unter  Patron  aus  Thurion,  der  den  Aeneas  nach 


k<. 


Artemis.  Apollon.  Kreter.  115 

Italien  geleitet  Ifatte.  Es  ist  wiederum  eine  Beziehung  der  Acbeloosgegend  zu 
unserer  Insel,  der  sehr  wohl  eine  historische  Thatsadie  zu  Grunde  liegen  kann. 
Jetzt  kann  denn  auch  die  Yermuthung  gewagt  werden,  dass,  wenn  die  phöni- 
cische  Hauptstadt  Siciliens  einen  griechischen  Namen  führt,  ohne  dass  je  Helle- 
nen sie  besessen  haben ,  die  erste  Benutzung  und  Namengebung  des  Grossen 
Hafens  in  uralter  Zeit  von  Halbgriechen  —  sei  es  östlichen  oder  westlichen  — 
ausging,  die  so  gut  nach  Panormos,  wie  nach  Alontion  oder  nach  Hyhla  gelangt 
sein  können. 

So  hätte  denn  die  bisherige  Untersuchung  die  insbesondere  von  Thukydides 
vertretene  gewöhnliche  Ansicht,  dass  erst  im  8.  Jahrh.  v.  Chr.  HelTenen  nach 
Sicilien  kamen,  einigermassen  modificirt.  Es  ist  zunächst  nicht  unwahrschein- 
licfa,  dass  von  den  westlichen  Griechen,  die  Italien  so  nahe  wohnten.  Einzelne 
auch  nach  Sicilien  zogen ,  wohin  sie  vielleicht  den  Kultus  der  Artemis  gebracht 
haben.  Es  ist  aber  femer  nicht  unmöglich,  dass  auch  kleinasiatische  und  Insel- 
griechen sehr  früh  nach  unserer  Insel  kamen ,  und  dass  diese  es  waren ,  die 
dort  die  Verehrung  des  weissagenden  Apollon  heimisch  machten.  Die  ersten 
können  Leleger  gewesen  sein ;  mit  welchem  Namen  die  letzteren  zu  benennen 
wären,  ist  schwer  zu  sagen. 

Wir  dtlrfen  annehmen,  dass  diese  Stämme  nicht  ohne  Einfluss  auf  die 
ältere  Berölkerung  der  Insel  blieben ,  was  ja  auch  sdion  durch  die  Einfttbrang 
des  apollinischen  Kultus  in  eine  Sikelerstadt  bewiesen  wird ;  sie  haben  also  die 
schon  von  den  Kretern,  in  denen  neben  dem  semitischen  Elemente  doch  auch, 
wie  der  in  Engyon  eingeführte  Kult  der  kretischen  Mütter  zeigt,  ein  griechisches 
unverkennbar  ist,  begonnene  Vermittlung  zwischen  den  Ureinwohnern  und  den 
eigentfichen  Hellenen,  den  Ostgriechen,  fortgesetzt. 

Denn  das  darf,  wenn  wir  auch  nicht  unbedeutende  griechische  Einwan- 
derungen vor  Archias  und  Theokies  annehmen  müssen,  keinen  Augenblick 
übersehen  werden,  dass  das  eigentliche  Hellenenthum  doch  erst  mit  der  Grün- 
dung von  Naxos  und  Syrakus  nach  Sictfien  kommt ,  und  so  ist  die  gewöhnliche 
Annahme ,  dass  Naxos  die  erste  hellenische  Kolonie  auf  Sicilien  sei ,  in  einem 
gewissen  Sinne  dennoch  richtig.  Die  griechischen  Vorläufer  dieser  Kolonisten 
waren  zu  wenig  zahhreich ,  und  überdies  in  Sitte  und  Bildung  zu  sehr  mit  den 
Ureinwohnern  verwandt,  als  dass  sie  nicht,  statt  eine  neue  abgesonderte  Gruppe 
zp  bilden,  sich  ihnen  assimiiirt  und  friedlich  unter  ihnen  gewohnt  hätten ;  und 
so  konnte  es  kommen,  dass,  als  nun  Osthellenen  in  grösserer  Anzahl  nach 
SiciKen  kamen,  um  sich  dort  dauernd  und  selbständig  niederzulassen,  für  diese 
in  ganz  anderer  Weise  auftretenden  Griechen  westliche  oder  kleinasiatische 
Hellenen  auf  Sidlien  gar  nicht  vorhanden  waren ,  und  sie  sich  die  ersten  ihres 
Stammes  dünkten,  welche  diese  Insel  kolonisirten. 


8* 


Zweites  BueJi.    II.  Gründung  der  he  He  ni  sehen  Kolonien  in  SicilJei 


Zweites  Kapitel. 

Grandang  der  hellenlsclien  Kolonieo  in  Sielllen. 

Inllenen  sind  l<inge  Zeit  hindurch  ein  Wandervolk  gewesen.  Die  Ein- 
g  des  ganzen  Volkes  von  Asien  nach  Europa  entzieht  sich  allerdings 
sehen  Kunde ;  aber  seit  die  Geschichte  von  den  Helieuen  meldet,  bis 
Anfange  des  6.  Jahrhunderts  v.  Chr.  finden  wir  die  einzelnen  Siainme 
zuerst  in  beständigem  Ortswechsel  und  dann  in  fortdauernder  Aus- 
•pgriDen.  per  Beginn  der  eigentlichen  Geschichte  Griechenlands  wird 
dorische  AVanderung  bezeichnet,  in  der  von  Norden  her  gekommene 
ich  in  den  südlicheren  Theilcn  des  Landes  festsetzen  und  vor  Allem 

den  Peloponnes  zu  ihrem  Sitze  machen.  Dies  ist  eine  Wanderung 
mme,  denn  wenn  auch  dorische  Gemeinden  am  Oeta  blieben,  so  log 
lauptmasse  dieses  Volkes  nach  SUden.  Anders  wird  es  schon  in  den 
den  Zügen,  durch  welche  in  Kleinasicn  die  dorischen,  ionischen  und 
Kolonien  gegründet  wurden.  Wenn  auch  eine  grosse  Masse  von 
jscr  Suimme  nach  Asien  auswanderte ,  so  blieb  doch  der  eigentliche 
riechenland  zurück.  Es  geht,  wie  man  sieht,  mit  den  Wanderungen 
en  wie  mit  einer  Bewegung  im  Wasser ,  die  durch  einen  hineinge- 
Stein  hervoi^erufen  wird.  Die  Kreise  werden  nach  und  nach  schwä- 
mdcutlicher.  Fast  die  letzten  Wellen  dieser  Bewt^ung  sind  es,  welche 
Nation  von  Italien  und  Sicilien  bezeichnen. 

treten  uns  dieselben  drei,  nach  Stimmen  geschiedenen  Gruppen  cnt- 
ie  bei  der  Kolonisation  Asiens,  und  gerade  hierin  liegt  der  Beweis, 
vosilichen  Niederlassui^en  wirklich  als  eine  nur  nach  der  entgegen- 
liimmeisrichtung  gewandte  Fortsetzung  der  Bewegung  zu  betrachlen 
he  die  Besiedelung  Kleinasiens  hervoi^erufen  hatte.  Wie  dortDorier, 
1  Aeolier,  so  haben  wir  hier  Dorier,  lonier  und  Achäer,  und  es  ist 
enug,  dnss  auch  die  Solischen  Kolonien  Kleinasiens  grOsslentheils 
<m  bestanden,  die  nur,  weil  sie  vom  Peloponnes  her  durch  das 
öfllicn  zogen,  und  sich  hier  verstäiiiten  und  einschilTlen ,  mit  dem 
oller  iK^legt  worden  sind.  Aber  e^  ist  auch  die  geographische  Lage 
en  der  drei  Stämme  im  Wcslen  dieselbe  wie  im  Osten.  Wenn  wnr 
id  Sybaris  nis  Iteprilscntantcn  der  achäischen ,  Lcontini  und  Kaiana 
len,  Symkns  der  dorischen  Gmppe  betrachten,  so  wohnen  auch  hier 
r ,  wie  in  Kleinasien ,  im  Norden ,  die  lonier  in  der  Mitte ,  die  Dorier 
,  und  wenn  die  nUixiliche  Lage  des  dorischen  Tarenl  dem  zu  wider- 
scheint, so  zeigt  sich ,  auch  abgesehen  von  dem  Umstände,  dass  in 
1  starkes  achüisches  Element  vorhanden  ist ,  sobald  man  die  Beibe 
Pflnnzstildte  der  Sfldkust«  Siciliens  berücksichtigt,  die  südlichere  Lage 
len  dieses  Slammcs  auch  hier  als  die  Begel.    Allerdings  ist  die  Scbei- 

Gruppen  nicht  so  scharf  und  deutlich  wie  im  Osten ,  und  es  sind 


Hellenische  Kolonien .  117 

besonders  die  Dorier  gewesen,  welche  sich  in  die  eigentlich  den  beiden  andern 
Stämmen  Aigefallenen  Gegenden  einzudrängen  gewusst  haben ,  aber  dies  be- 
weist eben  nur,  dass  die  Volksbewegung,  welche  die  westlichen  Niederlassun- 
gen veranlasste,  bereits  von  ihrer  ursprünglichen  Gewalt  eingcbUsst  hatte,  so 
dass  es  nicht  mehr  grosse,  für  sich  bleibende  Völkerschaaren,  sondern  mehr 
oder  weniger  gemischte,  einzelne  Volkshaufen  waren,  die  nach  Italien  und  Sici- 
lien  zogen. 

Wenn  so  im  Allgemeinen  die  westlichen  Kolonien  des  8.  Jahrhundert« 
V.  Chr.  als  ein  Ausfluss  des  noch  nicht  erstorbenen  Wandertriebes  der  Hellenen 
zu  betrachten  sind,  so  fehlte  es  doch  nicht  an  besonderen  Veranlassungen, 
welche  diesen  Trieb  gerade  damals  von  Neuem  wachriefen,  und  unter  denen 
eine  grössere  Zunahme  der  Bevölkerung  und  mit  Verfassungsverändeningen 
zusammenhängende  bürgerliche  Unruhen  in  den  Stadien  Griechenlands  als  die 
hauptsächlichsten  zu  betrachten  sind.  Dass  aber  die  Auswanderung  jetzt 
nach  Westen  gerichtet  war,  dafür  lag  der  Grund  einfach  in  dem  Umstände, 
dass  die  östlich  gelegenen  Küsten  sich  bereits  vollständig  mit  hellenischen 
Pflanzstädten  bedeckt  hatten.  Wenn  die  Griechen  in  dieser  Beziehung  einer 
besonderen  Anleitung  bedurft  hätten,  so  würden  sie  sie  in  der  Stimme  des 
delphischen  ApoUon  gefunden  haben ,  dessen  Orakel  damals,  wie  noch  in  spä- 
terer Zeit ,  den  grössten  Einüuss  auf  ganz  Griechenland  ausübte  und  als  der 
geistige  Mittelpunkt  desselben  betrachtet  werden  konnte.  Zu  den  wichtigen 
Unternehmungen ,  bei  denen  der  Rath  des  Gottes  erforderlich  war^  gehörte  vor 
allen  Dingen  die  Gründung  einer  Kolonie ,  und  es  scheint,  dass  die  delphischen 
Priester  den  ihnen  in  dieser  Beziehung  gestatteten  Einfluss  damals  in  der  sehr 
richtigen  Weise  benutzt  haben ,  dass  sie  die  Hellenen  auf  die  Bahn  der  west- 
lichen Kolonisation  leiteten. 

In  dem  Vorhergehenden  haben  wir  zugleich  den  wesentlichen  Unterschied 
der  hellenischen  Kolonien  von  den  phönicischen  ausgesprochen.  Während  die 
Niederlassungen  der  Phönicier  ursprünglich  und  hauptsächlich  Handelsstatio-^ 
nen  oder  wenigstens  zum  Zwecke  des  Handels  gegründete  Städte  waren, 
sollten  die  der  Griechen  das  Mittel  sein,  einer  überhandnehmenden  Volksmenge 
neue  und  bessere  Sitze  zu  verschaffen.  Jene  standen  stets  in  einer  gewissen 
Abhängigkeit  von  der  Mutterstadt ,  bei  diesen  überwog  entschieden  die  Selb- 
ständigkeit. Dennoch  zeigt  sich  darin  bei  den  hellenischen  Kolonien  des  We- 
stens ein  Unterschied  von  den  älteren  östlichen ,  dass  sie  doch  mehr  als  diese 
uts  Gründungen  einzelner  Städte  betrachtet  werden  müssen ,  welche  allerdings 
gerade  durch  ihren  Handel  dazu  kamen,  die  nach  neuen  Wohnsitzen  begierigen 
Schaaren  bei  sich  zu  concentriren  und  so  die  Mutterstädte  solcher  Kolonien  zu 
werden. 

Am  wenigsten  ist  dieses  noch  der  Fall  bei  den  achäischen  Pflanzstädten, 
nn't  denen  wir  es  hier  auch  nicht  speciell  zu  thun  haben.  Diese  sind  das 
Resultat  einer  grossartigen  Auswanderung  von  Achäem  des  Peloponnes  .nach 
einem  Lande,  in  dem  sich  schon  einige  Spuren  griechischer  Kolonisation  vor- 
fanden ,  und  das  nun  ganz  von  hellenischen  Elementen  durchdrungen  wurde. 
Bei  diesen  Niederlassungen  kommen  die  peloponnesischen  Städte ,  von  denen 
die  Kolonien  ausgingen ,  wenig  in  Betracht ;  es  ist  von  einem  besondem  Ver- 


118  Zweites  Blieb.    II.  Gründung  der  hellenischen  Kolonien  in  Sicilien. 

hällAiss  derselben  zu  ihnen  kaum  die  Rede,  Anders  ist  es  bei  den  Kolonien 
auf  Sicilien.  Hier  sind  es  vor  allen  zwei  griechische  Städte,  eine  iMiische  und 
eine  dorische ,  denen  der  Ruhm ,  zu  jenen  Ansiedlungen  die  Veranlassung  ge- 
geben  zu  haben,  in  vollem  Masse  zukommt:  Ghaikis  und  Korinth.  Beide  waren 
bedeutende  Handelsplätze,  und  schon  durch  ihre  Lage  dazu  bestimmt,  es  zu 
sein ;  Cfaalkis  an  der  wichtigsten  Meerenge  von  Griechenland ,  dem  Euripos, 
Korinth  an  seiner  hauptsächlichsten  Landenge  gelegen.  Von  diesen  beiden 
Städten  muss  Ghaikis ,  das  unmittelbar  am  Meere  lag ,  als  die  ältere  Handels- 
stadt gelten,  wie  schon  die  von  diesem  Orte  ausgegangene  frühe  Gründung  von 
Kyme  zeigt.  Konnth  ist  erst  auf  den  Spuren  von  Ghaikis  gewandelt,  wie  an- 
derswo, so  auch  in  Sicilien.  Ausser  diesen  beiden  Handelsplätzen  ersten  Ranges 
nahm  sodann  das  ebenfalls  fdr  den  Verkehr  zur  See  wohlgelegene  Megara  von 
Anfang  an  Theil  an  dem  Werke  der  Kolonisation  Sidliens. 

Ghaikis,  das  den  Anstoss  gab^  war  in  älterer  Zeit  eine  der  angesehensten 
Städte  von  Hellas.  Die  Pythia  bezeichnete  als  die  besten  Männer  von  Griechen- 
land diejenigen,  welche  das  Wasser  der  schönen  Arethusa  tränken,  und  heftige 
Streiti^eiten ,  welche  die  durch  ihren  ausgebreiteten  Erzhandel  berühmte  und 
reiche  Stadt  mit  dem  nahen  Eretria  über  den  Besitz  der  lelantischen  Ebene 
hatte ,  rissen  ganz  Griechenland  in  einen  dem  peloponnesischen  Kriege  ähn- 
lichen Kampf  hinein.  Es  hat  daher  bei  dieser  alten  Bedeutung  von  Ghaikis  der 
folgende  Bericht  des  Ephoros  über  den  Beginn  der  sicilischen  Kolobisaüon  an 

und  für  sich  nichts  Befremdendes. 

« 

Nachdem  man  lange  Zeit  hindurch  aus  Furcht  vor  den  Seeraub  treibenden 
Tyrrhenem  und  vor  den  angeblich  sehr  kriegerischen  Einwohnern  Sidliens 
diese  Insel  nicht  besucht  hatte,  auch  nicht  um  Handel  zu  treiben,  erkannte  der 
durch  Sturm  dahin  verschlagene  Athener  Theokies  den  Ungrund  dieser  letzte- 
ren Annahme  und  zugleich  die  Vortreflflichkeit  des  sicilischen  Bodens,  und  es 
entstand  in  ihm  der  Gedanke,  dort  eine  Niederlassung  zu  gründen.  Da  seine 
Mitbüi*ger  nicht  zu  bewegen  waren,  zur  Ausführung  seines  Planes  die  Hand  zu 
bieten ,  so  wandte  er  sich  nach  Ghaikis,  wo  er  Gehör  fand.  Neben  den  Ghal- 
kidiem  nahmen  noch  andere  lonier ,  sowie  einige  Dorier  Theil  an  der  von  ihm 
geleiteten  Fahrt.  Jene  gründeten  Naxos ;  diese  dagegen,  welche  besonders  aus 
Megarem  bestanden,  Megara  Hyblaia ,  während  andere  Dorier  sich  wieder  ent- 
fernten und  am  italischen  Vorgebirge  Zephyrion  verweilten,  bis  Archias  sie  von 
da  nach  Syrakus  mitnahm. 

Von  diesem  Berichte,  der  einen  Athener  mit  Ghalkidiem,  anderen  loniem 
und  Doriem  nach  Sidlien  ziehen  und  Naxos  und  Megara  die  ältesten  Kolonien 
sein  lässt,  weicht  die  Darstellung  des  Thukydides,  der  wir  uns  im  Folgenden 
anschliessen,  ab.  Nach  ihm  war  nur  Naxos  die  erste  Niederlassung  auf  Sicilien, 
und  die  Gründung  von  Megara  ist  nicht  so  eng  mit  der  von  Naxos  verbunden, 
auf  das  vielmehr  als  zweite  Kolonie  Syrakus  folgt,  so  dass  hier  Korinth's 
Thätigkeit  mehr  in  den  Vordergrund  tritt. 

Näxos  lag  an  dem  Punkte  Sidliens ,  auf  welchen  man  bei  einer  ersten 
Fahrt  nach  diesen  Gegenden  fast  von  selbst  geführt  wurde.  Wenn  d^  Schiffer 
von  der  Südspitze  Italiens  nach  Westen  hinüber  lenkte  und  nun  die  sicilische 
Ktiste  in  südlicher  Richtung  verfolgte,  so  fand  er  eine  Zeit  lang  schmale  Ufer- 


Naxos.  1 1 9 

säume ,  auf  denen  der  nahen ,  fast  ttbertiängenden  Felsen  wegen  an  eine  ge- 
sicherte Niederlassung  nicht  zu  denken  war.    Der  nädiste  zur  Anlage  einer 
Stadt  geeignete  Platz  war  am  Gap  Schisö,  ein  wenig  stidlich  vom  Berge  Tauros, 
der  spHter  die  Stadt  Tauromenion  trug.    Dass  man  ihn  wählte  und  nicht  weiter 
südlich  nach  bessei^en  Plätzen  suchte,  das  erklärt  sich  durch  die  Nähe  des  Ber- 
ges Aetna ,  den  man  fürchtete ,  und  von  dem  man  hier  doch  wenigstens  noch 
durch  ein  tiefes  Thal  und  einen  Fluss  getrennt  war.    Die  Gegend,  in  welcher 
die  Stadt  gegründet  wurde ,  ist  fruchtbar  und  malerisch  zugleich ;  der  Boden 
erhebt  sich  auf  der  einen  Seite  allmählich  zum  Aetna,  dessen  Gipfel  nur  wenige 
Meilen  entfernt  ist;  auf  der  andern  ruht  der  Blick  mit  Wohlgefallen  auf  den 
schroffen  Abhängen  des  Taurosberges.    Nach  Ferrara  beweisen  die  aus  grossen 
Lavablöcken  bestehenden  Ruinen ,  die  grösstentheüs  schon  wieder  mit  vegeta- 
bilischem Terrain  bedeckt  sind ,  dass  das  auf  einem  nur  wenig  über  das  Meer 
erhabenen  und  von  einem  uralten  Lavastrom  gebildeten  Vorgebirge  stehende 
Naxos  eine  Ausdehnung  von  einer  Millie  in  die  Länge  wie  in  die  Breite  hatte. 
Der  der  Stadt  gegebene  Name  zeigt ,  dass  Leute  von  der  Insel  Naxos  unter  den 
Begleitern  des  Theokies  waren.  Dies  werden  die  lonier  gewesen  sein,  von  denen 
Ephoros  spricht.   In  der  neu  gegründeten  Stadt  .errichtete  Theokies  am  Strande 
einen  Altar  dem  ApoUon  Archegetes ,  dem  Führer  der  griechischen  Kolonisation 
nach  Sicilien ;  ein  Beweis,  dass  die  Stimme  des  delphischen  Gottes  es  gewesen 
^\ar,  die  einem  durch  zufällige  Umstände  erwachsenen  Entschlüsse  ihre  Weihe 
gegeben  hatte.     Diese  erste  heilige  Stätte  der  Hellenen  der  Insel  wurde  noch 
lange  Zeit  so  allgemein  verehrt ,  dass  die  Theoroi,  die  Gesandten ,  welche  die 
griechischen  Städte  Siciliens  zu  den  grossen  hellenischen  Festversammlungen 
schickten,  hier  vor  ihrer  Abfahrt  aus  der  Heimat  ein  letztes  Opfer  zu  bringen 
pflegten.  Thukydides  sagt  von  diesem  Altar,  dass  er  sich  »jetzt«  ausserhalb  der 
Stadt  befinde ;  also  hatte  zur  Zeit  des  peloponnesischen  Krieges  die  Grösse  von 
Naxos  mit  seiner  Bedeutung  schon  abgenommen.  Esmuss  deshalb  dahingestellt 
bleiben,  ob  die  Vermuthung  Ferrara's  richtig  sein  kann,  dass  dieses  uralte  Hei- 
ligthum  an  dem  Punkte  zwischen  der  Stätte  von  Naxos  und  Tauromenion  ge- 
standen habe,   wo  sich  jetzt  am  Ufer  die  Bildsäule  des  heiligen  Pancratius 
erhebt.    Es  wäre  dann  an  die  Stelle  des  ersten  griechischen  Gottes ,  der  sich 
dauernd  in  Sicilien  niederliess ,  der  erste  Yerkündiger  des  Evangeliums  getre- 
ten, den  diese  Küste  sah ;  und  es  ist  allerdings  bekannt  genug,  dass  das  Gbri- 
stenthum  es  liebte ,  antike  Kultusstätten  in  dieser  Weise  zu  benutzen.    Man 
sollte  vermuthen,  dass  Naxos  im  Alterthum  einen  guten  Hafen  hatte ;  heutzutage 
ist,  obgleich,  so  viel  wir  wissen,  keine  Lavaströme  diese  Gegend  seitdem  über- 
scliwemmt  und  das  Ufer  verändert  haben ,  kein  geschützter  Ankergrund  dort 
vorhanden.     Ausser  dem  Apolloaltar  wird  noch  ein  Aphrodision  am  Strande 
erwähnt,  das  rielleicht  älter  war  als  die  Niederlassung  des  Theokies,  vielleicht 
desselben  Ursprungs  wie  die  Aphroditetempel  auf  dem  Eryx   und   am  Ufer 
bei  Lavinium.    Aber  die  Hauptgottheit  der  Stadt  war  eine  dritte:  Bakchos, 
der  beimische  Gott  der  Insel,  von  welcher  die  sicilische  Stadt  ihren  Namen 
empfangen  hatte.     Deshalb  haben  die  ältesten  Münzen   von  Naxos  auf  dem 
Avers  den  bekränzten  Bakchoskopf .  auf  dem  Revers  eine  Traube.     Auf  spä- 
teren erscheint  der  Apollokopf,  auch  der  Flussgott  Assinos.    Natürlich  wurde 


120  Zweitos  Buch.    IT.  Gründiug  der  helleottcheo  KoloBien  Id  Sictiieo. 

auch  im  Gebiete  des  sicilischen  Naxos  der  Weinbau  eifrig  betrieben.  —  Naxos 
wurde  735  v.  Chr.  (Ol.  H ,  9)  gegründet. 

Wir  dürfen  annehmen ,  dass  die  Gründer  von  Naxos  alsbald  die  grösste 
Befriedigung  über  ihre  Erfolge  und  den  Zustand  der  neuen  Kolonie  emptmden, 
und  dass  die  Nadiricht  hiervon  sich  schnell  in  den  Seestädten  von  Hellas  ver- 
breitete ;  denn  auf  die  erste  Kolonie  folgte  alsbald  eine  zweite.  Es  waren  die 
Korinther,  die,  durdi  das  Beispiel  ihrer  Handelsfreunde  angetrieben,  ein  Jahr 
nadidem  Naxos  angelegt  war  (73  i,  Ol.  1  f ,  3),  Syrakus  gründeten.  Der  Ur- 
sprung dieser  wichtigsten  aller  sicilisdien  Städte  wird  an  folgende  Sage  g^nüpft. 
In  Korinth  lebte  ein  Büif;er,  Namens  Mellssos,  dessen  Vater,  ein  Argiver  von 
Geburt,  Abron  mit  Namen,  wegen  eines  den  Korinthem  gegen  den  argivischen 
Tyrannen  Pbeidon  geleisteten  grossen  Dienstes  seine  Vaterstadt  hatte  veriassen 
müssen  und  nach  Korinth  übergesiedelt  war.  Er  hatte  nämlich  tausend  Jüng- 
linge ,  die  Pheidon  als  Hülfstnippen  von  Korinth  erbeten  und  erhalten  hatte, 
und  die  er  nun  aus  dem  Wege  zu  räumen  beabsiditigte ,  um  auf  diese  Weise 
Korinth's  Macht  zu  schwächen,  rechtzeitig  gewarnt  und  so  gerettet.  Des  Me- 
lissos  Sohn  Aktaion  zeichnete  sich  durch  Schönheit  und  Sittsamkeit  vor  allen 
korinthischen  Jünglingen  aus,  so  dass  sich  Viele  um  seine  Gunst  bemühten,  vor 
Allen ,  aber  vergeblich,  Archias,  ein  Heraklide,  einer  der  reichsten  und  ange- 
sehensten Männer  der  Stadt.  Archias  beschloss  endlich ,  Gewalt  zu  brauchen. 
In  schwärmendem  Zuge  begab  er  sich  mit  seinen  Freunden  zum  Hause  des 
Mellssos  und  versuchte,  den  Jüngling  zu  entführen.  Mellssos  mit  den  Seinigen 
widerstand ,  und  es  erhob  sich  ein  Handgemenge,  in  welchem  der  hin  und  her 
gezerrte  Aktaion  das  Leben  verlor.  Die  Frevler  zogen  ab,  Mellssos  aber  brachte 
die  Leiche  seines  Sohnes  auf  den  Markt  und  forderte  Bestrafung  der  Schul- 
digen. Das  Volk  jedoch ,  das  den  mächtigen  Archias  fürchtete,  begnügte  sich 
damit ,  dem  unglücklidien  Vater  ein  müssiges  Mitleid  zu  zeigen.  Als  nun  das 
nächste  Mal  die  Isihmischen  Spiele  gefeiert  vmrden ,  da  erschien  plützlidi,  als 
alles  Volk  versammelt  war ,  Mellssos  auf  oder  vor  dem  Tempel  des  Poseidon, 
erinnerte  an  das  Verdienst ,  das  sein  Vater  Abron  sich  um  Korinth  erworben, 
und  an  die  Art,  wie  ihm  dafür  das  Volk  gelohnt,  verfluchte  die  Bakchiaden  — 
das  Herrschergeschlecht  der  Stadt  —  als  Mörder  seines  Sohnes  und  stürzte 
sich  dann  vom  Felsen  herunter.  Bald  darauf  brach  die  Pest  in  der  Stadt  aus, 
und  das  delphische  Orakel  antwortete  den  Korinthem  auf  ihre  Anfrage,  was 
sie  dagegen  thun  sollten ,  Poseidon^s  Zorn  werde  erst  dann  schwinden ,  wenn 
Aktdion*s  Tod  gesühnt  wäre.  Archias  selbst  war  es  gewesen,  der  als  Gesandter 
Korinth's  den  Orakelspnich  in  Delphi  empfangen  hatte.  Er  vollzog  sogleich  den 
Willen  des  Gottes  und  ging ,  ohne  seine  Vaterstadt  wiederzusehen,  in  die  Ver- 
bannung nach  Sicilien,  wo  er  Syrakus  gründete. 

So  die  Sage.  Es  ist  möglich ,  dass  Aehnliches  vorgefallen  ist  und  den  An- 
stoss  zur  Auswanderung  des  Archias  gegeben  hat.  Dass  aber  so  viele  Korinther 
sich  ihm  anschlössen,  dafür  müssen  andere  Gründe  vorgelegen  haben.  Sie  sind 
zum  grösseren  Theil  in  den  leider  nur  zu  wenig  ^bekannten  inneren  Verhält- 
nissen der  Stadt  zu  suchen.  -Es  war  die  Zeit,  wo  daselbst  an  die  Stelle  des 
Königthums  eine  aristokratische  Regierung  trat,  die  jedoch  in  den  Händen  des- 
selben Geschlechtes  blieb,   das  auch  die  Königswürde  besessen  hatte,   der 


Syrakus.  121 

Bakchiaden.  Wenn  es  nun  auch  nicht  weniger  als  200  Familien  waren ,  die 
sich,  als  sämmtlich  von  Bakchis  abstammend,  in  die  Herrschaft  so  theilten, 
dass  jährlich  Einer  aus  ihrer  Mitte  als  Prytane  an  der  Spitze  des  Staates  stand, 
so  konnte  es  doch  leicht  geschehen,  dass  manche  Bakchiaden  gegen  diesen  Zu- 
stand der  Dinge,  der  ihren  Ehrgeiz  vielleicht  nicht  befriedigte,  Widerwillen 
empfanden  und  deshalb  neue  Wohnsitze  suchten.  Freilich  ist  keineswegs  be- 
stimmt ttberhefert,  dass  Archias  selbst  zu  den  Bakchiaden  gehörte  —  eine 
Nachricht  ISisst  ihn  sogar  von  Temenos,  demjenigen  Herakliden,  welchem  Argos 
zu  Tbeil  geworden  war ,  abstammen ,  während  die  Bakchiaden  sich  von  dem 
Herakliden  Aletes  herleiteten  —  aber  wenn  er  auch  selbst  kein  Bakchiade  ge- 
wesen sein  sollte ,  so  ist  es  doch  gewiss ,  dass  viele  dieses  Geschlechtes  sich 
ihm  anschlössen.  So  kam  es ,  dass  Mitglieder  der  herrschenden  Klasse  von 
Korinth  auswanderten.  Fttr  das  Volk  der  Stadt  lag  aber  die  Veranlassung,  dieses 
Unternehmen  zu  unterstützen,  in  der  ganzen  Biehtung,  welche  der  Handel  Ro- 
rinth^s  verfolgte.  Denn  wenn  dieser  wichtige  Handelsplatz ,  über  welchen  ein 
Hauptstrom  des  Weltverkehrs  ging,  ohne  Zweifel  auch  nach  Osten  hin  im  ägSii- 
sehen  Meere  Schiffahrt  trieb,  so  war  die  Hauptthätigkeit  seiner  Bttrger  doch 
nach  Westen  gerichtet,  wo  sie  mit  wenigeren  Goncurrenten  den  Gevnnn  zu 
theilen  hatten.  Lag  doch  die  Stadt  selbst  dem  nach  ihr  benannten  Meerbusen, 
der  zum  Ionischen  Meer  führte,  näher  als  dem  Saronischen.  So  waren  sie  früh 
in  ihm  heimisch  und  fuhren  von  da  weiter  in  die  Ionische  See.  Alle  älteren 
Kolonien  der  Korintber  lagen  nach  dieser  Seite  hin;  das  thrakische  Potidaea 
wurde  erst  später  gegründet.  So  war  das  bereitwillige  Eingehen  der  Korinllier 
auf  die  Kolonisation  Siciliens  sehr  natürlich.  Uebrigens  haben  sie ,  wenn  sie 
gleich  die  Fahrt  nach  dem  fernen  Westen  erst  auf  den  Spuren  der  Ghalkidier 
unternahmen ,  doch  zuerst  unter  den  Griechen  in  Schiffbau  und  Seewesen  be- 
deutende Fortschritte  gemacht;  sie  sind  von  allen  Hellenen  den  Phöniciem  in 
der  ganzen  Art  ihrer  Thätigkeit  am  ähnlichsten.  Wie  bei  diesen ,  war  auch  in 
Korinth  Handel  und  Industrie  die  Hauptsache,  und  auch  die  Kunst  ist  dort 
immer  vorzugsweise  in  ihrer  Beziehung  zur  Industrie  ausgebildet  worden.  Es 
ist  deshalb  eigenthümlich ,  dass  die  Kolonie  der  den  Phöniciem  Aehnlichsten 
unter  den  Griechen  es  gewesen  ist ,  welche  ihnen  in  Sicilien  mit  der  grössten 
Kraft  und  dem  grössten  Erfolge  entgegentrat. 

Als  die  Gründung  einer  Niederlassung  in  Sicüien  von  den  Korinthem  be- 
schlossen war,  suchten  sie  für  ihr  Unternehmen  die  Sanction  des  delphischen 
Orakels.  Es  heisst ,  dass ,  als  Archias  zu  diesem  Zwecke  in  Delphi  verweilte, 
sich  dort  auch  Myskellos,  ein  Heraklide  aus  Bhypai  in  Achaja  befand,  der  eben- 
falls eine  Kolonie  gründen  wollte.  Der  Gott  fragte  Beide ,  was  sie  vorzögen, 
Reichthum  oder  Gesundheit ,  und  als  Myskellos  die  Gesundheit,  Archias  aber 
den  Beichthum  nannte,  da  gebot  er  jenem,  Kroton  in  Italien,  diesem,  Syrakus 
auf  der  sicilischen  Insel  Ortygia  zu  gründen.  Es  ist  natürtich  eine ,  nach  den 
späteren  SchidLsalen  der  beiden  berühmten  Städte  ersonnene  Geschichte,  denn 
wie  Syrakus  durch  seinen  Beichthum ,  so  zeichnete  sich  Kroton  durch  die  ge- 
sunde Kraft  seiner  Bürger  aus. 

Die  Fahrt  wurde  begonnen ,  und  Archias  leitete  sie.  Unter  den  Auswan- 
derern ,  die  ihm  folgten ,  waren  besonders  viele  aus  dem  korinthischen  Orte 


122  Zweites  Buch.    II.  Gründung  der  belleniscben  Kolonien  in  Siciiien. 

Tenea.  Als  Weissager  scheint  den  Zug  ein  Mann  aus  dem  Propheiengeschlechte 
von  Olympia,  den  lamiden,  begleitet  zu  haben,  dessen  Familie  noch  zu  Pindar's 
Zeit  in  Syrakus  blühte.  Auch  der  Bakcbiade  Eumelos ,  ein  Dichter  von  Ruf, 
war  unter  den  ersten  Kolonisten.  Während  der  Fahrt  soll  einer  der  Auswan- 
derer,  Aithiops,  einem  Genossen  seinen  Landantheil  an  der  zu  gründenden 
Stadt  um  einen  Honigkuchen  verkauft  haben. 

Es  ist  bemerkenswerth,  mit  wie  vielen  andern  Niederlassungen  die  von 
Syrakus  in  Verbindung  gebracht  wird.  Wir  sahen  schon,  dass  zugleich  mit 
Archias  der  Stifter  Kroton's  in  Delphi  anwesend  war ;  Archias  soll  denselben 
aber  auch  bei  der  Anlage  seiner  Stadt  thätig  unterstützt  haben.  Vorher  hatte 
er  schon  einen  andern  Bakchiaden,  Ghersikrates,  zur  Gründung  Kerkyra's  an^s 
Land  gesetzt,  und  ehe  er  nach  Siciiien  gelangte,  verweilte  er  noch  am  Zephyri- 
sehen  Vorgebirge,  wo  er  Dorier  fand,  die  so  eben  von  der  Gründung  M^ara*s 
kamen ,  bei  der  sie  geholfen  hatten ,  und  er  nahm  diese  Männer  mit  sich  nach 
Syrakus.  Diese  Geschichten,  bei  denen  auf  die  Chronologie  keine  besondere 
Rücksicht  genommen  ist,  sollen  die  Städte  Kerkyra,  Kroton ,  Megara  und  Syra- 
kus in  einer  uranfänglichen  Verbindung  zeigen,  und  in  dem  Verweilen  am 
Zephyrischen  Vorgebirge  scheint  überdies  eine  Hindeutung  auf  Lokri  zu  liegen, 
von  dessen  frühen  Beziehungen  zu  Syrakus  alsbald  die  Rede  sein  wird.  Man 
sieht ,  dass  später  der  Stolz  der  SyrakusanoF  auf  ihre  berühmte  und  prächtige 
Stadt  schon  ihre  Gründung  dadurch  zu  verherrlichen  suchte,  dass  Archias 
- — nebenbei  als  der  freundliche  und  mächtige  Helfer  aller  Hellenen  des  Westens 
bei  «ähnlichen  Unternehmungen,  wie  die  seinige  war,  dargestellt  wurde ;  Sy- 
rakus sollte  schon  mächtig  gewesen  sein,  als  es  noch  kaum  bestand,  und  mit 
Glanz  in  die  Geschichte  eintreten.  Uebrigens  weisen  bei  Kroton  alte  Münzen 
mit  dem  Pegasus  auf  eine  Theihaahme  Konnth^s  bei  der  Gründung  der  Stadt  hin^ 
wogegen  Lokrische  Münzen  ähnlichen  Gepräges ,  aus  denen  derselbe  Schluss 
gezogen  worden  ist,  gegenwärtig  von  bedeutenden  Forschem  dem  Epizephyri- 
sehen  Lokri  aberkannt  werden. 

Als  Archias  endlich  nach  Siciiien  gelangt  war,  fuhr  er  an  dem  neugegrtln- 
deten  Naxos  vorbei  nach  dem  Punkte  der  Ostküste ,  der  den  voi*ztlglichst«n 
Hafen  darbot ,  und  wo  die  Verheissungen  der  Pythia  am  besten  in  Erfüllung 
gehen  konnten.  Er  landete  auf  der  Insel  Ortygia,  von  der  er  die  Sikeler 
vertrieb. 

Ortygia  liegt  am  Eingang  einer  geräumigen,  nach  Osten  geöffneten  Meeres- 
bucht, nahe  dem  i.ördlichen  Ufer  derselben,  so  dass  die  Einfahrt  stets  südlich 
von  der  Insel  gewesen  ist.  Es  zerteilt  heutzutage  in  zwei  Theile ,  von  denen 
der  erste,  etwa  400  Meter  lang  und  SOO  Meter  breit,  welcher  ganz  von  einer 
Festung  eingenommen  ist,  die  in  südöstlicher  Richtung  vom  Festlande  sich  hin- 
ziehende Verbindung  de^elben  mit  der  eigentlichen  Inselstadt  bildet ,  die  sich 
dann  weiter  nach  Süden  erstreckt.  Jener  erste  Theil  ist  an  beiden  Enden  durch 
schmale  Wassergräben  von  der  Stadt  wie  von  dem  Festlande  getrennt.  Wo 
nach  dieser  Seite  hin  ursprünglich  die  Grenze  der  Insel  Ortygia  war,  wissen 
wir  nicht.  Es  ist  nicht  bekannt,  ob  der  Raum  der  jetzigen  Festung  anfangs  vcm 
Wasser  bedeckt  war  und  also  der  Damm  ist,  der,  wie  wir  hören  werden,  später 
geschüttet  wurde,  oder  ob  derselbe  bereits  von  vornherein  als  trockenes  Land, 


Oriy^ia.  ArethoA.  123 

sei  es  zu  Ortygia ,  sei  es  zum  sicilischen  GoDtinent  gehörte.  Vielleicht  kann 
diese  Frage  durch  genauere  Untersuchungen  des  Bodens  jener  Strecke  gelöst 
werden.  Der  südliche  Uaupttheil  hat  bei  einer  Länge  von  1400  Metern  eine 
ungleiche  Breite  und  sondert  sich  in  dieser  Beziehung  wieder  in  zwei  Theile, 
von  denen  der  nördliche  etwa  900  Meter  lang  und  500  Meter  breit  ist,  wahrend 
der  südliche  mit  nur  200  Meter  Breite  beginnend ,  zuletzt  in  eine  nach  Osten, 
dem  offenen  Meere  zu,  gebogene  Spitze  ausläuft.  Man  sieht  hieraus,  dass  der 
zu  4:i00  Meter  angegebene  Uiftfang  der  Insel  keine  richtige  Vorstellung  von  der 
Geringfügigkeit  ihres  Flächenraums  giebt.  Ihr  felsiger  Boden  erhebt  sich  in  der 
MiUe  etwa  44 — 15  Meter  über  das  Wasser,  das  sich  an  der  äusseren,  etwa 
i  1  Meter  hohen  Seite  an  rauhen  Klippen  bricht,  während  es  auf  der  Seite  des 
grossen  Hafens  ein  ebeneres  Ufer  bespült. 

Die  grösste  Merkwürdigkeit  Ortygia^s  war  für  die. Alten  die  Quelle  Are- 
Ihusa,  deren  schon  das  an  Archias  gerichtete  Orakel  gedenkt.  Sie  entspringt  an 
der  Westseite  der  Insel,  da,  wo  dieselbe  anfangt  schmal  zu  werden,  in  unmit- 
telbarer Nähe  des  Meeres ,  von  dem  sie  nur  durch  einen  Theil  der  Stadtmauer 
getrennt  ist,  und  in  das  sich  ihre  Gewässer  ergiessen.  Sie  war  reich  an  grossen 
Fischen,  die  nicht  gefangen  werden  durften;  wenn  dies  in  Zeiten  der  Noth 
geschah,  so  befiel  die  Stadt  grösswes  Unglück.  Wir  haben  bereits  erzählt,  wie 
nach  der  gewöhnlichen  Sage  Arethusa  eine  elisdie  Nymphe  war,  die,  vom 
Flussgott  Alpheios  verfolgt ,  nach  Ortygia  entfloh ,  wo  sie  als  Quelle  zum  Vor- 
schein kam ;  aber  Alpheios  folgte  ihr  auch  dahin ,  erreichte  sie  und  vermischte 
sein  Wasser  mit  dem  ihrigen.  Uebrigens  war,  wie  alte  Nachrichten  zeigen,  die 
Nymphe  Arethusa  eigentlich  Niemand  anders ,  als  Artemis  selbst ,  die  Nymphe 
unter  den  Göttinnen.  Ausserordentlich  populär  war  die  Sage  von  dem  geheimen 
Zusammenhang  der  Quelle  mit  dem  Alpheios.  Man  wollte  wissen ,  dass  sie  an 
den  Tagen  der  Olympischen  Feste  von  den  Stieropfem  in  Elis  trübe  werde, 
und  daes  einmal  eine  in  jenen  Fluss  geworfene  Schale  in  ihr  wieder  zum  Vor- 
schein gekommen  sei.  So  nennt  auch  Pindar  Ortygia  des  Alpheios  heilige  Ruhe- 
statt, und  man  sagte  geradezu,  Arethusa  sei  der  Alpheios  selbst.  Wenn  man 
nun  Ober  die  Thatsache  des  Wunders  einig  war,  ging  man  natürlidi  in  dem 
Versuche,  es  zu  erklären,  aus  einander.  Auf  welchem  Wege  kam  der  Alpheios 
nach  Syrakus  ?  Nonnos  lässt  ihn  an  der  Oberfläche  des  Meeres  dahin  gelangen, 
Moschos  und  Sidonius  Apollinaris  lassen  ihn  unten  durch's  Meer  strömen ,  nach 
Ovid  endlich  taucht  Arethusa  in  Elis  in  düstere  Höhlen,  durch  die  sie  nach 
Sicilien  gelangt ,  und  ebenso  wird  dann  auch  Alpheios ,  der  sich  schon  vorher, 
um  sich  mit  ihr  zu  verbinden,  in  Wasser  verwandelt  hat,  durch  dieselben 
üöhlen  nach  Sicilien  gekommen  sein.  Wenn  man  aber  auch  nicht  wusste,  wie 
man  ihn  nach  seiner  neuen  Heimat  bringen  sollte,  so  herrscht  doch  darüber 
kein  Zweifel,  dass  er  mit  und  in  der  Arethusa  aus  der  Erde  hervorkommt,  und 
Niemand  unter  den  Alten  lässt  ihn  als  selbständige  Quelle  neben  ihr  aufspru- 
deln. Es  ist  deshalb  durchaus  ungerechtfertigt,  wenn  man  jetzt  gewöhnlich  den 
sogenannten  Occhio  della  Zilica  —  eine  Süsswasserqnelle  im  grossen  Hafen  von 
Syrakus,  etwa  80  Fuss  von  der  Arethusa  entfernt  —  in  diese  Fabel  mischt. 
M.  Aretius  erklärte  sie  für  den  Alpheios,  und  diese  Behauptung,  welche  nicht 
einmal  Mirabella  unbedingt  annahm,  hat  später  sehr  mit  Unrecht  die  Kraft  einer 


124  Zweites  Buch.    11.  GrttaduDg  der  beüenischeQ  Koloniea  io  Siciiien. 

alten  Tradition  bekommen.  Es  ist  gewiss,  dass  mit  der  Quelle  im  Laufe  der 
Zeit  manche  Veränderungen  vorgegangen  sind.  Cicero  rühmt  ihr  süsses  Was- 
ser ;  wenn  später  im  Alterthum  das  Wasser  als  salzig  bezeichnet  wird,  so  kann 
die  euboische  Quelle  dieses  Namens  gemeint  sein.  War  das  Wasser  aber  wirk- 
lich das  ganze  Alterthum  hindurch  noch  süss,  so  hat  es  sicher  seinen  Geschmack 
im  Jahre  1 1 70  verändert,  wo  in  Folge  eines  Erdbebens  Meerwasser  sich  mit  ihm 
mischte.  In  diesem  Zustande,  der  es  nicht  wohl  trinkbar  macht,  ist  es  bis  jetxt 
geblieben.  Bis  in  die  neueste  Zeit  gewährte  die  Arethusa  überdies  als  privi- 
legirter  Waschplatz  der  Syrakusanerinnen  einen  wenig  erfreulichen  Anblick,  aber 
der  von  den  früheren  Reisenden  lebhaft  beklagten  Profanirung  des  altheiligen 
Ortes  ist  jetzt  em  Ende  gemacht.  Die  Wäscherinnen  sind  vertrieben;  eine  Treppe, 
die  freilich  mehrere  Grotten  zerstört  hat,  führt  zu  dem  etwa  50  Fuss  breiten  und 
20  Fuss  tiefen,  gemauerten  Bassin  hinunter,  das  mit  Papyruspflanzen  besetzt  ist, 
und  in  welches  sich  durch  vier  Oefihungen  die  Gewässer  der  Quelle  ergiessen. 

Uebrigens  ist  auch  sonst  die  Insel  Ortygia  nicht  arm  an  Quellen ,  die  hie 
und  da ,  meistens  tief  unter  der  Oberfläche  des  Bodens ,  kleine  Becken  fUUen. 
Man  hat  schon  früher  vermuthet ,  dass  alle  diese  Gewässer  in  einem  gewissen 
Zusammenhang  mit  einander  stehen ,  worauf  unter  andern  der  Umstand  hin- 
deutete, dass,  als  im  Jahre  4506  die  Arethusa  eine  Zeitlang  versiegte,  neue 
Quellen  in  der  Nähe  des  kleinen  Hafens  entstanden ,  welche  alsbald  vertrodL- 
neten,  da  jene  wieder  zu  fliessen  begann.  Neuerdings'  ist  man  nun  zu  der  An- 
sicht gelangt,  dass  ein  grosser  Theil  des  reichen  unterirdischen  Wasserschatzes 
der  Ortygia  vermittelst  der  Aquädukte  vom  Festlande  Siciliens  hergeleitet  ist^ 
und  man  will  sogar  in  der  Arethusa  mehr  die  Mündung  einer  Wasserleitung  als 
eine  natürliche  Quelle  sehen. 

Die  Lage  der  neuen  korinthischen  Kolonie  machte  sie  vorzugsweise  zum 
Handel  geeignet.  Ortygia  besass  zwei  Häfen,  vrie  die  Mutterstadt  Eorinth  und 
das  zu  derselben  Zeit  gegründete  Kerkyra.  Nördlich  von  der  Insel ,  zwischen 
ihr  und  dem  Festlande  Siciliens  lag  der  kleinere  der  beiden,  der  den  Namen 
Lakkios  führte,  ein  Name,  der  auf  Gruben  oder  Hohlen  deutet,  welche  sich  an 
seiner  Umfassung  fanden.  Er  ist  und  war  keine  1 500  Fuss  lang  und  an  der 
breitesten  Stelle  keine  1 000  Fuss  breit,  übrigens  wenig  tief,  am  Eingange  gegen- 
wärtig etwa  4  0 ,  im  Innern  höchstens  6  Fuss.  Desto  trefflicher  war  der  grosse 
Hafen,  der  die  ganze  Meeresbucht  umfasst,  an  deren  Eingang  die  Insel  Ortygia 
als  Wache  liegt.  Sein  innerer  Umfang  wiixt  von  Strabon  zu  80  Stadien  an- 
gegeben; in  Wirklichkeit  beträgt  er  höchstens  zwei  Drittel  dieses  Masses, 
etwa  32000  Fuss.  Seine  Tiefe  ist  verschieden ;  er  wird  nach  der  Mtindung  des 
Anapos  und  den  flachen  Theilen  des  Ufers  zu  seichter,  doch  beträgt  sie  in  ganz 
geringer  Entfernung  von  den  westlichen  Mauern  Ortygia's  schon  ungefähr  SO  Fuss 
und  in  der  Mitte  durchschnittlich  mehr  als  30.  Der  Eingang  ist  etwa  70  Fuss 
tief.  Da  dieser  verhältnissmässig  schmal  ist  —  die  Thukydideische  Angabe  von 
8  Stadien  (=  1  Miliiej  stimmt  mit  der  Wirklichkeit  überein  —  so  war  es  möglich, 
die  innen  liegenden  Schiffö  gegen  Feinde  zu  vertheidigen.  Der  Hafen  ist  einer 
der  schönsten,  die  es  giebt;  guter  Ankergrund,  leichter  Zugang  und  reichlich 
vorhandenes  Quell-  und  Flusswasser  stellen  ihn  den  besten  Europa*s  gleich.  Er 
wird  in  späterer  Zeit  einmal  der  marmorne  genannt ,  und  der  Anblick ,  den  er 


Name  der  Stadt.  125 

gewährte,  als  er  noch  zu  Gicero's  Zeit  ganz  von  Gebäuden  eingefasst  war,  mag 
prächtig  genug  gewesen  sein. 

Bald  nach  der  Gründung  der  Stadt  sollen  die  Syrakusaner  den  Lokrem 
bei  der  Verlegung  ihrer  Wohnsitze  von  dem  Zephyrischen  Vorgebirge  nach  einem 
etwas  nördlicheren  Punkte  geholfen  haben.  « 

Von  Archias  berichtet  die  Sage  noch ,  dass  er  zwei  Töchter  gehabt  habe, 
Ortygia  und  Syrakusa,  und  dass  er  von  Telephos ,  den  er  liebte ,  und  der  ihn 
nach  Sicilien  begleitet  hatte,  erschlagen  worden  sei.  Dieses  ist  poetische  Ge- 
rechtigkeit für  den  Mord  Aktaion's ;  jenes  führt  auf  eine  wichtige  Frage  über  die 
älteste  Geschichte  von  Syrakus.  Die  Stadt«  des  Archias  erscheint  unter  dem 
Namen  Syrakusai,  den  sie  von  einem  Sumpfe  Syraka  oder  Syrako  erhalten 
haben  soll.  Nun  ist  von  Sümpfen,  die  einst  auf  Ortygia  gewesen  wären,  nichts 
bekannt;  die  nächsten  befinden  sich  nördlich  von  der  Mündung  des  Anapos. 
Dürfen  wir  nun  annehmen,  dass  eine  auf  Ortygia  gegründete  Stadt  nach  diesen 
entfernten  Sümpfen  benannt  worden  ist?  Schwerlich.  Wenn  wir  dagegen  jetzt 
wieder  an  die  Sage  von  den  zwei  Töchtern  des  Archias  denken,  welche  Ortygia 
und  Syrakusa  Messen,  so  können  wir  darin  wohl  eine  Andeutung  davon  finden, 
dass  Syrakus  ursprünglich  nicht  mit  Ortygia  identisch  war.  Wo  lag  denn  nun 
aber  das  Syrakus  der  ältesten  Zeit,  die  Schwesterstadt  Ortygia^s,  dem  sie  bald 
ihren  Namen  mittheilte? 

Zunächst  würde  man  an  den  Stadttheil  denken,  der  später  mit  Ortygia 
zusammen  Syrakus  ausmachte ,  und  der  dem  Sumpfe  am  Anapos  schon  näher 
lag,  als  die  Insel.  Indess  gäbe  es  noch  eine  andere  Möglichkeit,  die  immerhin 
der  Erwähnung  werth  ist.  Wie,  wenn  es  die  Höhe  südlich  vom  Anapos  gewesen 
wäre,  die  den  Tempel  des  Olympischen  Zeus  trug,  und  in  deren  Nähe  sich 
nach  dem  Anapos  und  dem  Meere  zu  ebenfalls  Sümpfe  befanden  ?  Allerdings 
war  in  späterer  Zeit  hier  nur  eine  Vorstadt ,  indess  ist  einerseits  dieser  Ort  für 
Solche,  die  sich  am  grossen  Hafen  niederlassen  wollen,  ohne  die  Insel  selbst  zu 
besetzen ,  der  passendste  zu  einer  Ansiedlung ,  und  dann  ist  es  merkwürdig, 
dass  noch  in  der  Zeit  des  athenischen  Kineges  sich  hier  im  Tempel  des  Olympi- 
schen Zeus  das  Verzeichniss  der  Bürger  von  Syrakus  befand,  das  doch  kaum 
an  einem  Orte  aufbewahrt  werden  durfte ,  der  nie  etwas  anderes  als  eine  ent- 
fernte Vorstadt  gewesen  war.  Sollte  es  nicht  denkbar  sein,  dass,  wie  die  Athener 
hier  zuerst  landeten,  als  sie  Syrakus  belagern  wollten,  so  auch  Archias  mit  den 
Seinigen  an  diesem  Punkte  an's  Land  gestiegen  wäre,  um  sich  dann  weiter 
nach  Ortygia  zu  wenden  ?  Dass  aber  in  dieser  Gegend  eine  alte  Stadt  sich  er- 
hob, darauf  scheinen  auch  die  von  Herakles  hergeleiteten  Opfer  an  der  nahen 
Kyane  zu  deuten.  Andererseits  könnte  man  bei  der  Annahme,  dass  Syrakusai, 
wie  die  Namensform  überdies  zu  bezeugen  scheint,  ursprünglich  eine  Doppel- 
stadt war,  auf  die  weitere  Vermuthung  kommen,  dass  hierin  die  Spur  einer 
wiederholten  Niederlassung  der  Korinther  zu  finden  wäre ,  so  dass ,  wenn  Ar- 
chias sich  auf  der  Insel  Ortygia  angesiedelt  hat ,  andere  Korinther  nach  ihm 
etwa  die  Gegend  des  Olympischen  Tempels  besetzt  hätten,  worauf  dann  später 
eine  Vereinigung  der  Orte  in  der  Weise  eingetreten  wäre ,  dass  derjenige  der 
beiden ,  der  im  Wesentlichen  in  den  andern  aufging ,  zur  Entschädigung  dafür 
dem  Ganzen  seinen  Namen  gab. 


126  Zweites  Buch.    11.  Gründang  der  hetlenf sehen  Kolonien  in  SiciUen. 

Wie  dem  auch  sein  mag,  die  alten  Historiker  melden  uns  nichts  von  dieser 
Urgeschichte  von  Syrakus.  Thukydides  sagt  einfach ;  Archtaa  gründete  Syra- 
kus,  indem  er  zuerst  ans  der  Insel,  die,  jetzt  nicht  mehr  vom  Meere  umflossen, 
die  innere  Stadt  trägt,  die  Sikeler  vertrieb.  Nach  einiger  Zeit  vt^urde  auch  die 
äussere  mit  der  inneren  durch  eine  Maner  verbunden  und  volkreich.  Diese 
Worte  lassen  für  mehr  als  eine  Frage  Raum.  Wann  ist  die  äussere  Stadt  an- 
gelegt veorden?  Wann  ist  sie  mit  der  inneren  durch  eineManer  verbunden? 
Jenes  könnte  bereits  unter  Archias  selbst  geschehen  sein,  und  es  v^Sre  möglich, 
dass  auch  das  zweite,  die  Verbindung  der  beiden  Städte  durch  eine  Mauer  baki 
darauf  Statt  gefunden  hätte.  Wir  werden  sehen,  wie  Syrakus  bereits  70  Jahre 
nach  seiner  Gründung  Kolonien  in's  Inland  aussandte,  die  offenbar  vorge- 
schobene Posten  der  syrakusaniscfaen  Macht  waren,  und  es  ist  klar,  dass  dies 
nicht  geschehen  konnte,  wenn  nicht  seit  geraumer  Zeit  schon  der  der  Insel  zu- 
nächstliegende Theil  des  Festlandes  in  den  Bereich  der  Stadt  gezogen  war.  Man 
verband  die  Insel  —  Nasos  war  die  gewöhnliche  Bezeichnung  für  Ortygia  — 
mit  dem  Festlande  durch  einen  Damm  »von  ausgewählten  Steinen«,  wie  der 
Dichter  Ibykos  sagte.  Später,  zu  Strabon's  Zeit,  war  eine  Brücke  an, Stelle  des 
Dammes  getreten^  und  derselbe  Wechsel  zwischen  Damm  und  Brücke  hat  sich 
in  neuerer  Zeit  wiederholt. 

Der  besondere  Name  für  den  festländischen  Theil  von  Syrakus  war  Achra- 
dina, eigentlich,  wie  es  scheint,  der  Ort  der  wilden  Birnbäume,  deren  viele 
dort  gestanden  haben  mögen.  Diesen  Stadttheil  haben  wir  jetzt  genauer  zu 
betrachten. 

Nördlich  von  Ortygia  ist  eme  flache  Gegend,  die  sich  etwa  2500  Fuss  weil 
erstreckt ;  in  dieser  Entfernung  erhebt  der  Boden  sich  plötzlich  und  bildet  eine 
Hochfläche,  welche  nach  Osten  und  Norden  ziemlich  schroff  zum  Meere  abfölit, 
während  sie  nach  Westen  hin  sich  anfangs  in  derselben  Breite ,  dann  immer 
schmäler  werdend,  in's  Land  hinein  fortzieht.  Unweit  von  dem  Punkte,  wo  der 
Nordrand  dieses  Plateau^s  sich  vom  Meere  entfernt ,  befindet  sidi  eine  schmale 
Bucht:  die  Bucht  von  S.  Panagia  oder  Bonagia,  die  in  einer  klräien  FaHe  des 
Terrains  nach  Süden  hin  ihre  Fortsetzung  ßndet.  Eine  von  dieser  Bucht  nach  der 
Nordspitze  Ortygia's  —  östlich  von  dem  Punkte,  wo  es  mit  dem  Fesllande  ver- 
bunden ist  —  gezogene  Linie  sondert  von  dem  in  westlicher  Richtung  sich  fort- 
ziehenden Plateau  einen  besonders  hoch  gelegenen  Theil  desselben  ab,  der  einen 
Umfang  von  9000  Metern,  aber  eine  Grundfläche,  welche  etwa  sechsmal  so  gross 
ist,  wie  die  von  Ortygia,  besitzt.  Diese  Linie,  welche  durch  die  \  839  entdeckten 
üeberreste  einer  Mauer  bezeichnet  wird,  ist  die  sichere  Westgrenze  von  Aehradina. 
Dagegen  walten  über  die  Ausdehnung  dieses  Stadttheiles  nach  Süden  Zweifel  ob. 
Während  nämlich  einerseits  der  Gedanke  nahe  liegt ,  dass  der  älteste  Theil  des 
festländischen  Syrakus  der  Insel  als  dem  zuerst  kolonisirten  Bezirke  so  nahe  als 
möglich  gelegen  habe,  mit  andern  Worten,  dass  die  Bevölkerung,  welcher  Or- 
tygia zu  eng  wurde,  sich  zunächst  über  die  gegenüberliegende  Küste  ver- 
breitete .  woraus  dann  folgen  würde ,  dass  die  Niederung  zwischen  der  Insel 
und  dem  oben  beschriebenen  Plateau  jedenfalls  zu  Achradina  gehört  haben 
müsste,  ist  von  Einigen  dies  Letzlere  bestimmt  in  Abrede  gestellt  und  behauptet 
worden ,  dass  nur  das  nördliche  Hochland  den  Stadttheil  Achradina  getragen 


Latomien.  Katakomben.  127 

habe,  da  eben  nur  die  Höhe  die  für  eine  Stadt  wesentliche  Bedingung  der 
Sicherheit  zu  erfüllen  im  Stande  gewesen  sei.  Es  kommt  als  weitere  Stütse 
dieser  Ansieht  hinzu ,  dass  sich  in  dem  südlichen  Abhang  des  Plateau's  grosse 
Steinbrüche  und  noch  weiter  südlich  in  der  Niederung  selbst  gewaltige  Kata- 
komben befinden  und  man  Steinbrüche  und  besonders  Grabgewölbe  sich  nur 
ungern  im  Innern  einer  hellenischen  Stadt  denkt. 

hd  der  That  sind  diese  Aushöhlungen  des  Felsbodens  von  höchst  bedeuten- 
dem Umfange.  Unter  den  Steinbrüchen  ist  der  gi*össte  und  berühmteste  der 
östlichste,  die  Latomie  oder  Selva  der  Kapuziner,  deren  £Lloster  am  Rande  des 
Abbanges  liegt,  und  die  aus  dem  Steinbruche  einen  Garten  gemacht  haben, 
welcher,  von  den  hundert  Fuss  hohen  grauen  Felswänden  umschlossen,  mit 
seinen  Kräutern  und  Blumen,  seinem  Moos  und  seinen  SchlingpflaniBen,  seinen 
Gruppen  von  Orangen,  Feigen,  Lorbeer  und  €ypressen  einen  reizenden,  höehM 
eigeaibümlichen  Anblick  gewährt.  Aus  der  Mitte  des  üppigen  Laubwerkes  er- 
heben sich  mehrere  isolirte  Felspfeiler  zur  Höhe  der  die  Latomie  einschliessenden 
Wände,  von  denen  der  eine  an  seiner  Spitze  eine  Reihe  von  jetzt  unzugänglich 
gewordenen  Stufen  trägt.  Die  Felswände  selbst  sind  hie  und  da  zu  Hallen  mit 
flacher  Decke  ausgehöhlt.  Westlich  von  diesem  Steinbruche  finden  sich  am 
Südrande  des  Plateau's  von  Achradina  noch  drei  andere ,  die  Latomien  Casale, 
Cassia  und  Novantieri.  Von  allen  diesen  ist  nur  die  Latomie  Gasale  späteren 
Ursprungs ,  die  drei  übrigen  gehören  der  ältesten  Zeit  von  Syrakus  an.  Nach 
dem  grossen  athenischen  Kriege  dienten  sie  den  Syrakusanern  als  Gefängniss 
für  ihre  tiberwundenen  Feinde;  aber  schon  ein  Jahrhundert  früher,  zur  Zeit 
des  Philosophen  Xenophanes,  wird  ihrer  gedacht.  Wir  müssen  also  annehmen, 
dass  sie  zu  einer  Zeit  ausgehöhlt  worden  sind ,  wo  Achradina  schon  als  Theil 
von  Syrakus  bestand.  £s  folgt  jedoch  hieraus  keineswegs,  dass  dieser  Stadt- 
theii  nördlich  von  ihnen  lag.  Ebenso  wahrscheinlich  wUre  die  Annahme,  dass 
sie  die  Nordgrenze  desselben  bildeten,,  und  dass  sie  unter  andern  auch  zu  dem 
Zwecke  ausgehauen  wurden,  um  Feinden  den  Angriff  von  oben  her  zu  er- 
schweren. Jedoch  ist  natürlich  auch  denkbar,  dass  sie  sich  innerhalb  der  Stadt 
befanden,  die  sich  sowohl  südlich  wie  nördlich  von  ihnen  ausdehnte.  Man 
konnte  sehr  wohl  einen  in  der  Stadt  gelegenen  Felsrand,  der  zur  Bebauung  mit 
Häusern  weniger  geeignet  schien ,  füi*  den  Zweck  der  Gewinnung  von  Bruch- 
steinen bestimmen. 

Aber  in  der  Niederung  südlich  von  den  Latomien  sind  auch  noch  die  Kata- 
komben. Sie  ziehen  sich  ungemein  weit  nach  Norden  hin  und  waren  in  früherer 
Zeit  in  weiterer  Ausdehnung  zugänglich  als  jetzt,  wo  die  auf  älteren  Karten  in 
der  Nabe  der  Kirche  S.  Lucia  verzeichneten  eingesunken  oder  vermauert  sind 
und  nur  noch  die  westlicher  gelegenen,  nach  der  nahen  Kirche  S.  Giovanni 
benannten  besucht  werden  können.  Es  sind  regelmässige,  in  den  Fels  ge- 
arbeitete Galerien ;  die  Hauptgänge,  42 — 16palmi  breit  und  8 — 42  p.  hoch, 
sind  häufig  von  schmäleren  Nebengängen  durchschnitten ,  deren  Boden  nicht 
überall  dasselbe  Niveau  hat.  Hie  und  da  finden  sich  runde  oder  viereckige 
Säle,  jene  gewöhnlich  mit  gewölbter,  diese  mit  flacher  Decke.  Hin  und  wieder 
sind  in  der  Decke  Luftlöcher  angebracht.  Diese  Galerien  sind,  wie  die  Nischen 
in  den  Seitenwänden  und  die  Gräber  im  Fussboden,  besonders  der  Nebengänge, 


128  Zweites  Bacb.    II.  GrUndung  der  hel]eoi8chen  Kolonien  in  Sicilien. 

sowie  die  Inschriften  beweisen ,  als  Grabgewölbe  benutzt  worden.  Wenn  sie 
nun  als  solche  bereits  in  der  älteren  griechischen  Zeit  angewandt  worden  wären, 
so  liesse  sidi  allerdings  die  Frage  schwer  beantworten,  wie  ihre  Anlage  im  In- 
nern der  Stadt  sich  mit  dem  bekannten  Gebrauche  der  Griechen ,  die  Todien 
vor  den  Thoren  zu  bestatten ,  vertrüge ,  und  man  hätte  sich  vielleicht  dazu  su 
entschliessen,  die  Niederung  nördlich  von  Ortygia  als  ausserhalb  der  Achradina 
befindlich  anzusehen.  Es  ist  aber  kein  zwingender  Grund  vorhanden,  den  Ur- 
sprung der  Katakomben  in  die  erste  Zeit  des  Bestehens  von  Syrakus  zu  ver- 
setzen ,  und  die  dort  gefundenen  Inschriften  weisen  vielmehr  auf  die  Epoche 
des  beginnenden  Christenthums  hin.  Allerdings  finden  sich  Spuren  von  Aus- 
höhlungen, welche  auf  eine  vorchpstliche  Zeit  hindeuten ;  aber  diese  erscheinen 
in  keiner  Weise  als  ftir  Begräbnisszwecke  gemacht ;  sie  können  zur  Auffindung 
von  Wasser  und  zur  Anlage  von  Brunnen  unternommen  worden  sein. 

Wenn  nun  so  das  Vorhandensein  der  Latomien  und  Katakomben  keinen 
Beweis  liefert,  dass  die  Niederung  zwischen  Ortygia  und  dem  Plateau  von 
Achradina  nidit  zu  diesem  Stadttheil  gehört  haben  könne,  so  giebt  es  anderer- 
seits Gründe,  die  die  gegentheilige  Annahme  als  unabweisbar  erscheinen  lassen. 
Es  ist  zunächst  keinem  Zweifel  unterworfen ,  dass  dieser  Raum  sich  innerhalb 
der  Mauern  der  Gesammtstadt  Syrakus  befand,  seit  dieselbe  Ortygia  und  Achra- 
dina umfasste.  Dies  wird  einerseits  dadurch  bewiesen,  dass  es  eine  undenkbare 
Vernachlässigung  ihrer  wichtigsten  Interessen  gewesen  wäre,  wenn  der  Syra- 
kusaner  die  zwei  bedeutendsten  Theile  ihrer  Stadt  getrennt  gelassen  hätten; 
sodann  durch  die  Thatsache,  dass,  während  z.  B.  bei  der  Belagerung  der  Stadt 
durch  Marcellus  vorkommt,  dass  ein  freier  Platz  zwischen  Tyche  und  Neapolis, 
zwei  anderen  syrakusanischen  Stadttheilen ,  von  den  Belagerern  besetzt  ^^rd, 
ein  solcher  Raum  zwischen  Ortygia  und  Achradina  niemals  erwähnt  wird,  end- 
lich aber  durch  die  ausdrückliche  Angabe  des  Thukydides,  dass  Adiradina  mit 
Ortygia  durch  eine  Mauer  verbunden  war.  In  der  so  von  den  Stadtmauern  um- 
schlossenen Niederung  nördlich  von  Ortygia  befand  sich  aber  der  Markt  von 
Syrakus,  da  Cicero  von  demselben  sagt,  dass  er  in  der  Nähe  des  grossen  Hafens 
war,  und  derselbe  Schriftsteller  nennt  ihn  bei  einer  andern  Gelegenheit  als  eine 
der  Hauptzierden  der  Achradina.  Und  ein  ähnlicher  Beweis  liegt  in  dem,  was 
uns  an  verschiedenen  Stellen  von  der  Lage  einer  von  Dionys  erbauten  grossen 
Sonnenuhr  gemeldet  wird.  Sie  stand  nämlich  in  der  Nähe  Ortygia's  und  wird 
anderswo  als  in  Achradina  befindlich  bezeichnet. 

Es  kann  nach  allem  diesem  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die 
Achradina  sowohl  die  Niederung,  welche  an  den  grossen  und  kleinen  Hafen 
stösst ,  wie  das  nördlich  davon  gelegene  Plateau  umfasste.  Dass  sich  von  den 
Mauern y  welche  jene  einschlössen,  nichts  mehr  erbalten  hat,  erklärt  sich  da- 
durch, dass  die  Materialien  zu  Lande  wie  zu  Wasser  leicht  wegzuschaffen  wa- 
ren. Von  der  das  Plateau  umgrenzenden,  einer  späteren  Zeit  angehörenden 
Mauer  sind  dagegen  nach  der  Seeseite  hin  noch  ziemlich  beträchtliche  Ueber- 
reste  vorhanden.  Man  sieht,  dass  sie  8 — 9  Fuss  dick  war  und  aus  Blöcken  von 
nicht  ganz  regelmässiger  Gestalt  bestand.  Das  Plateau  von  Achradina  ist  gegen- 
wärtig eine  nackte,  kahle  Felsebene ,  fast  ohne  Spuren  antiker  Gebäude ,  wo- 


Pollchne.  1 29 

gegen  in  der  Niederung  von  Ortygia  nunnche,  dem  spätem  Alterlhum  angehörige 
üeberreste  gefunden  sind. 

Wir  haben  uns  also  folgendes  Bild  von  Syrakus,  wie  es  einige  Jahrzehnte 
nach  seiner  GiUndung  war,  zu  entwerfen.  Die  innere  Stadt  lag  auf  der  Insel 
Ortygia,  geschmückt  mit  den  illtesten  Tempeln  und  verherrlicht  durch  die 
Quelle  Arethusa;  die  äussere  concentrirte  sich  ,  was  die  Privat  Wohnungen  an- 
hetrifll,  mehr  und  mehr  auf  dem  PlaU^au  von  Achradina,  während  die  südlich 
davon  gelegene  Niederung  haüptsitchlich  von  dem  Markte  und  den  sich  daran 
anschliessenden  öfientlichen  Gebäuden  und  Handelsniederlagon  eingenommen 
war.  Man  kann  diesen  Raum  demjenigen  vergleichen ,  der  sich  in  Rom  zwi- 
schen Gapitolin,  Palatin  und  Quirinal  ausdehnt,  und  der  das  römische  Forum 
wurde. 

Dazu  kommt  endlich  die  Vorstadt  am  Olympieion.  Denn  wenn  auch  die 
Vermuthung,  dass  hier  eine  der  ersten  Niederlassungen  gegründet  wurde,  irrig 
sein  sollte ,  alt  muss  dieser  Wohnsitz  gewesen  sein ;  das  beweist  die  Aufbe- 
wahrung derBüi'gerregister  daselbst.  Der  Weg  dahin  führt  am  Ufer  des  grossen 
Hafens  entlang,  zuerst  über  die  Mündung  des  Gewässers,  welches  heutzutage 
das  Theater  durchströmt,  des  sogenannten  Fiumicello  delle  lavandaje  und  sodann 
zwischen  dem  Sumpf,  den  man  für  Syrako  oder  Lysimeleia  halten  muss,  und 
dem  Meere  an  den  Anapos,  den  er  auf  einer  Brücke  überschreitet.  Jenseits  des- 
selben leitet  die  Strasse,  die  Küste  verlassend,  in  gerader  Richtung  weiter  auf 
eine  felsige  Anhöhe,  die  sich  etwa  40 — 50  Fuss  über  die  umliegenden  Sümpfe 
erhebt  und  nur  im  Süden  mit  dem  ebenen  Lande  zusammenhängt ,  während 
im  Osten  nach  dem  grossen  Hafen  zu  Salzwerke  vorliegen,  im  Norden  der  Ana- 
pos sti'Omt  und  im  Westen  durch  eine  sumpfige  Gegend  die  Kyane  fliesst, 
welche  sich  gerade  nördlich  von  der  Felskuppe  mit  dem  Anapos  vereinigt.  Hier 
lag  das  Olympieion  und  um  dasselbe  die  Polichne  genannte  Vorstadt.  Der  Punkt 
ist  ein  Brückenkopf  (Ür  Syrakus  und  insofern  für  diese  Stadt  von  grosser  Be- 
deutung. 

Der  auf  den  syrakusanischen  Münzen  gewöhnlich  sich  findende'  weibliche 
Kopf  deutet  ursprünglich  und  in  den  meisten  Fällen  wahrscheinlich  auf  den 
Kultus  der  mit  der  Arethusa  identischen  Artemis  als  der  Hauptgottheit  von 
Ortygia  hin. 

Wir  sind  auf  den  letzten  Seiten  auf  Verhältnisse  eingegangen ,  die  sich 
theilweise  erst  im  Verlaufe  einiger  Jahrzehnte  gestaltet  haben  roögen^  und 
müssen  jetzt  wieder  zur  Zeit,  da  Syrakus  gegründet  wurde,  zurückkehren. 

Sicilien  gefiel,  je  mehr  es  bekannt  wurde,  um  so  besser  den  Griechen ;  der 
Zudrang  von  Einwanderern  mehrte  sich.  Zunächst  kamen  besonders  viele  Chal- 
kidier  an,  die  in  Naxos  nicht  mehr  Aufnahme  finden  konnten,  so  dass  es  noth- 
wendig  erschien,  eine  neue  Stadt  zu  gründen.  Wohin  sich  jetzt  wenden?  Hatte 
man  in  Naxos  den  der  Heimath  nächsten  Punkt  der  Küste  gewählt ,  und  dann 
in  Syrakus  denjenigen,  welcher  den  besten  Hafen  darbot,  so  war  man  doch 
immer  noch  unmittelbar  am  Meere  geblieben.  Wie  wenn  man  sich  weiter  im 
Innern  ansiedelte,  um  die  bald  erkannten  Schätze  des  Bodens  besser  auszu- 
beuten? In  Naxos  war  man  nördlich  vom  Grenzflusse  des  immer  noch  gefürch- 
leten  Aetna ,  die  fruchtbarste  Ebene  des  Landes  lag  aber  südlich  vom  Vulkan, 

Holm  ,  Oofich.  Sieiliens.  I.  9 


1^0  Zweites  Buch.    U.  Gründung  4er  helfeuischen  Kolooieii  la  Sicilien. 

und  so  suchte  niciD  sich  südlich  von  dem  Flusse,  der  hier  seine  Grenze  bildete, 
einen  Platz  für  die  neue  Ansiedlung  aus.  Fünf  Jahre  nach  der  Gründung  von  Sy- 
rakus  (Ol.  12,  4;  729  vor  Chr.)  baute  Theokies  mit  den  Chalkidiern  aus  Naxos 
die  Stadt  Leontinoi,  die  eine  deujtsche  Meile  vom  Meere  entfernt  ist.  Ihre 
Lage  ist  von  Polybios  genau  beschrieben  worden.  Sie  lag  auf  einem  nach  Norden 
gewandten  Abhänge,  welcher  in  seiner  Mitte  ein  Thal  enthielt,  in  dem  der  Mai4Lt 
und  die  öfientlichen  Gebäude  waren.  Die  beiden  östlich  und  westlich  vom  Thale 
liegenden  Hügel  fallen  nach  aussen  schroQ'ab.  Thore  hatte  die  Stadt  zwei;  das 
eine,  am  südlichen  Ende  des  Thaies,  führte  nachSyrakus;  das  andere,  am 
nördlichen,  nach  den  Leontinischen  Gefilden ;  an  dem  westlichen  Abhänge  floss 
der  Lissos,  der  sich  in  den  nördlich  in  einer  Millie  Entfernung  da  hinströmenden 
Ter  las  ergoss.  Die  neueste  Forschung  {Schubring)  will  die  Statte ,  auf  welche 
diese  Beschreibung  passt,  südwestlich  neben  dem  heutigen  Lentini  nach- 
weisen, das,  im  grossen  Erdbeben  von  1693  vollständig  zerstört,  seitdem  nur 
kümmerlich  wieder  aufgebaut  worden  ist.  Die  Stadt  wird  von  den  im  Süden  sich 
hinziehenden  Höhen  beherrscht,  von  denen  eine  das  von  Karl  Y.  gebaute,  aber 
seit  1 693  ebenfalls  schon  verfallende  Carlentini  trägt.  Der  Ort  war  schon  von 
~  Sikelern  bewohnt,  welche  die  Ghalkidier  bei  sich  aufnahmen.  Um  die  Stadt 
allein  zu  besitzen,  forderte  Theokies  dieMegarer,  welche  gerade  dwials  Wohn- 
sitze in  Sicilien  suchten,  auf,  die  Sikeler  zu  vertreiben,  er  werde  ihnen  in  der 
Nacht  die  Thore  öShen ;  selbst  aber  die  Sikeler  anzugreifen,  verböten  ihm  und 
den  Seinigen  die  geleisteten  Eide.  Der  Verrath  wurde  Verabredetermassen  aus- 
geführt ;  wie  nachher  auch  die  Megarer  hinterlistig  vertrieben  wurden,  werden 
wir  alsbald  sehen.  Für  den  Ackerbau  war  Leontini  trefflich  gelegen ;  es  schaut 
auf  jene  fruchtbaren  Leontinischen  Gefilde,  welche  im  späteren  AI terthume  und 
jetzt  nach  der  wichtiger  gewordenen  Stadt  die  Katanäischen  heissen^  Neben 
dem  Löwenkopf  des  Averses,  der  auf  den  Namen  der  Stadt  hindeutet,  weist 
ein  Gerstenkorn  auf  dem  Revers  der  leontinischen  Münzen  auf  die  Fruchtbar- 
keit der  Gegend  und  die  Hauptbeschäftigung  der  Einwohner,  der  Apoliokopf 
auf  ihren  HauptkuUus  hin. 

Bis  jetzt  waren  die  in  Sicilien  gegründeten  Städte  jede  durch  einen  Haupt- 
vorzug ausgezeichnet  gewesen.  Naxos  und  Syrakus  konnten  zunächst  nur  als 
Handelsstädte  y  Leontini  vorzugsweise  als  ackerbautreibende  Stadt  von  Bedeu- 
tung sein.  Wenn  mau  aber  Muth  genug  hatte,  sich  über  die  Furcht  vor  dem 
Aetna  hinwegzusetzen ,  so  liess  sich  Beides  vereinigen ;  man  konnte  eine  Stadt 
gründen,  die,  unmittelbar  am  Meere  gelegen,  als  Handelsstadt  ihre  Bewohner 
zu  bereichern  im  Stande  war,  und  die,  an  die  fruchtbaren  Abhänge  des  Aetna 
gelehnt,  zu  gleicher  Zeit  den  unermess liehen  Reichthum  des  Bodens'duszubeat^a 
vermochte.  Dasselbe  Naxos ,  dem  schon  Leontini  seinen  Ursprung  verdankte, 
grtkndetc  kurze  Zeit  darauf  (ebenf.  729)  auch  Katana,  unter  der  Führung  des 
Euarchos.  Man  war  jedoch  noch  soweit  in  Furcht  vor  dem  Aetna  befangen,  dass 
man  zur  Niederlassung  einen  möglichst  südlichen  Punkt  wählte,  der,  wie  man 
freilich  mit  Unrecht  hoflle,  den  Eruptionen  weniger  ausgesetzt  wäre ;  aber  ab- 
gesehen hiervon  war  die  Wahl  des  Platzes  eine  sehr  zweckmässige;  denn  Katana 
liegt  so  ziemlich  im  innersten  Winkel  der  Bucht,  wo  überdies  das  noch  nicht  ganz 
Üache  Ufer  es  den  SchifTen  möglich  macht,  in  der  Nähe  des  Landes  anzulegen. 


Katana.  KalHpoIis.  Eubola.  Megarisohe  Niederiassangen.  131 

und  auch  ein  wenngleich  kleiner  Fluss  die  Niederlassung  erleichtert.  Weiter 
südlich  wäre  man  vor  dem  Aetna  noch  sicherer  gewesen,  aber  die  sandige 
Küste  hiUte  keinen  Hafen  gestattet.  Dagegen  wird  der  Hafen  von  Ratana  vor 
Winden  wenig  Sicherheit  gewährt  haben,  und  so  war  es  noch  in  neuerer  Zeit, 
bis  ein  grösserer  Molo  erbaut  worden  ist.  Dass  aber  die  Wahl  des  Ortes  eine 
glückliche  war,  beweist  am  schlagendsten  der  Umstand ,  dass  von  allon  bisher 
genannten  hellenischen  Kolonien  Katana  allein,  trotz  melirfacher  Verheerung 
durch  den  Vulkan,  eine  grosse  und  bedeutende  Stadt  geblieben  ist.  Üer  Boden, 
auf  dem  es  erbaut  ist,  steigt  sanft  nach  Norden  an,  in  weicher  Richtung  sich  die 
alte  Stadt  nur  bis  in  die  Gegend  des  Amphitheaters  erstreckt  hat ;  hier  begann 
die  Nekropolis.  Katana  war  durchflössen  vom  Amenas  oder  Amenanos ,  jetzt 
Judicello  genannt,  von  dessen  Natur  oben  die  Rede  war,  und  der  gegenwärtig 
fast  nur  bei  seiner  Mündung  in  den  Hafen  sichtbar  ist.  Der  Name  der  Stadt, 
der  von  den  Alten  in  verschiedener  Weise  ausgelegt  wird,  könnte  phönicischen 
Ursprungs  sein  und  klein  bedeuten. 

Von  den  alten  Mttnztypen  deutet  der  wichtigste ,  ein  Stier  mit  mensch- 
liebem Haupte,  auf  den  Kult  des  Flussgottes  Amenanos  hin  (Revers :  schreitende 
Nike  mit  Binde  in  der  Hand) ;  der  andere  ist  der  Apollokopf,  der  an  die  Mutter- 
Stadt  Naxos  mit  ihrem  Kultus  des  Archegetes  erinnert ;  das  später  vorkommende 
Silenhaupt  beweist,  dass  die  Verehrung  des  Bakchos ,  welche  sowohl  die  Lage 
der  Stadt  am  fruchtbaren  Aetnaabhang ,  wie  die  Gründung  durch  Naxos  als 
natürlich  erscheinen  lässt,  unter  den  Katanäem  sehr  verbreitet  war. 

Zu  diesen  zwei  Kolonien  von  Naxos  kommt  endlich  noch  eine  dritte ,  die 
Stadt  Kallipolis,  von  unbekannter  Lage.  Cluver  hält  sie  für  das  jetzige 
Mascali ,  das  am  Aetna  unfern  vom  Meere  liegt.  Und  hier  muss  erwähnt  wer- 
den, dass  auch  Leontini  eine  Kolonie  gründete,  Euboia  genannt,  deren  Lage 
und  Grtlndungsjahr  aber  eben  so  wenig  bekannt  sind.  Die  Meinung  Gluver's,  es 
möchte  das  heutige  Licodia  di  Vizzini  sein ,  das  auf  steilem  Felsen  in  der  Nahe 
des  Ursprungs  des  Dirillo  liegt,  hat  nur  die  Existenz  von  antiken  Trümmern  in 
der  Nähe  dieser  Stadt  für  sich. 

Nach  Chalkis  und  Korinth  nahm  auch  Megara  selbständig  an  der  Koloni- 
sation Siciliens  Theil.  In  Megara  herrschten  Dorier,  aber  die  Volksmasse  bestand 
aus  den  älteren  Bewohnern  des  Landes ,  und  die  Lage  der  Stadt  machte  sie  für 
Unternehmungen  zur  See  geeignet.  Ihre  wichtigsten  Kolonien  lagen  an  der 
Küste  von  Thracien  und  Bithynien,  am  Eingange  des  Schwarzen  Meeres.  Nach 
Sicilien  sind  Megarer  wahrscheinlich  schon  mit  Theokies  und  Archias  gekom- 
men ;  gesonderte  und  bald  auch  feste  Wohnsitze  erhielten  sie  unter  der  Führung 
des  Lamis.  Dieser  besetzte  am  Flusse  Pantakyas  einen  Ort,  Namens  Trotilon, 
der,  wenn  er  am  Meere  lag,  an  dem  oben  (S.  10^)  beschriebenen  Hafen  La 
Bruca  gesucht  werden  muss.  Man  vermuthet  Trotilon  auf  den  niedrigen  Hügeln 
rechts  von  der  Bucht.  Doch  blieb  Lamis  nicht  lange  hier.  Er  wandte  sich  mit 
den  Seinigen  nach  Leontini,  wo  sie  in  der  geschilderten  Weise  Eingang  fanden. 
Aber  Theokies  hatte  sie  nur  aufgenommen ,  um  sich  mit  ihrer  Hülfe  von  den 
Sikelem  zu  befreien;  nach  kurzer  Zeit  schaffte  er  durch  einen  {ähnlichen  Ver- 
rath  auch  sie  aus  der  Stadt.  Er  gab  vor,  den  zwölf  Göttern  einen  feierlichen 
Umzug  seiner  Chalkidier  gelobt  zu  haben ,  zu  dessen  glänzenderer  Ausstattung 

9* 


1 32  Zweites  Buch.    II.  Gründuag  der  helleoischen  Kolonien  in  Sicillen. 

sie  auch  der  Waffen  der  Megarer  bedürften.    Als  die  Arglosen  sie  ihnen  aus^ 
geliefert  hatten  und  die  Ghalkidier  säinmtlicb  bewaffnet  auf  dem  Markte  waren, 
Hess  er  durch  einen  Herold  den  Megarern  gebieten ,  vor  Sonnenuntergang  die 
Stadt  zu  verlassen ,  imd  die  ihrer  Waffen  Beraubten  musst^n  gehorchen.    Sie 
siedelten  sich  jetzt  auf  der  nördlich  von  Syrakus  gelegenen  Halbinsel  Thapsos 
(Isola  di  Magnisi)  an,  wo  Laniis  starb.     Hierauf  verlicssen  sie  auch  diesen  Ort 
und  fanden  nun  erst  bleibende  Wohnsitze  in  dem  sikelischen  Uybla,  dessen 
König  Hybion  sie  bereitwillig  «nufnahm,    und  welches  von  nun  an  Megara 
H  y  blaia  genannt  wurde.  Megara,  dessen  früherer  Name  den  von  den  Hellenen 
dem  Orte  gegebenen  in  der  Benennung  der  nahen  Berge  überdauert  hat,  lag  an 
dem  Meerbusen,  der  jetzt  nach  der  Stadt  Augusta  benannt  wird  und  im  Alter- 
thum  der  Megarische  hiess,  zwischen  den  Flüssen  S.  Gusmano  und  Gantara, 
auf  einem  niedrigen  Hügel ;  die  Mauerreste  zeigen ,  dass  es  einen  Umfang  von 
etwa  drei  Million  halte.    Der  Hafen  scheint  an  der  Mündung  des  Gantara  ge- 
wesen zu  sein.    Der  Ort  war  dem  durch  seine  Lage  in  jeder  Beziehung  bevor- 
zugten Syrakus  zu  nahe,  als  dass  er  auf  die  Dauer  hätte  gedeihen  können;  es 
sind  nicht  einmal  Münzen  der  Stadt  sicher  nachweisbar.    Die  Gründung  von 
Trotilon  ist  gleichzeitig  mit  der  von  Leontini  und  Katana ;  die  von  Megara  ralit 
wahrscheinlich  in  das  Jahr  728  vor  Ghr.  (Ol.  43,  \). 

Wahrend  sich  von  Naxos,  Syrakus,  Leontini,  Katana  und  Megara  das  Grün- 
dungsjahr  ziemlich  genau  bestimmen  liisst,  ist  dies  bei  einer  andern,  wahrschein- 
lich um  dieselbe  Zeit  von  Griechen  besetzten,  höchst  wichtigen  Stadt  nicht  der 
Fall,  bei  Zankle,  dem  späteren  Messana.  Der  prachtvolle  Hafen,  den  hier  in 
der  wichtigsten  Meerenge  eine  kreisförmig  gebogene  Landzunge  bildet ,  musste 
schon  in  sehr  früher  Zeit  zu  Niederlassungen  einladen.  Wenn  nun  erzählt  wird, 
dass  Orion  für  den  König  Zanklos  den  Hafen  gemacht,  dass  die  Stadt  von  Zan- 
klos oder  von  der  Sichel  des  Saturn  den  Namen  erhalten  habe,  wenn  wir  end- 
lich belehrt  werden,  dass  die  Sikeler  eine  Sichel  Zankle  nannten,  so  ist  daraus 
zu  schliessen,  dass  die  Sikeler  hier  eine  Stadt  besassen,  welcher  sie  wegen  der 
Gestalt  des  Hafendammes  den  Namen  Zankle  oder,  wie  man  ursprünglich 
sagte,  Dankle  gegeben  hatten.  Von  Hellenen  besetzten  zuerst  Seeräuber  aus 
KymedcnOrt;  splUer  kamen  Auswanderer  aus  Ghalkis  und  anderen  euboi- 
sehen  Städten  hinzu,  und  als  Gründer  galten  Perieres  und  Krataimenes,  jener 
ein  Ghalkidier,  dieser  ein  Kymäer  oder,  nach  Pausanias,  ein  Samicr.  Nach 
Strabon  wöre  dagegen  Zankle  wie  Leontini  und  Katana  eine  Gründung  der 
sicilischen  Naxier  gewesen.  Die  Zankleer  erkannten  schnell,  wie  vortheilhafi  es 
für  die  sichere  Fahi't  durch  die  wichtige  Meerenge  wäre,  wenn  auch  die  gt^en- 
über  liegende  italische  Küste  sich  in  befreundeten  HUnden  befände,  und  sie 
forderten  deshalb  die  SUidt  Ghalkis  auf,  dort  eine  Kolonie  zu  gründen.  Den 
Glialkidiern ,  die  hierzu  auszogen ,  vom  delphischen  Apollon  gesandt ,  dem  sie 
ihr  Schicksal  als  ein  von  der  Stadt  geweihler  Zehnte  anvertraut  hatten,  schlös- 
sen sich  aus  ihrem  Valerlande  vertriebene  Messenier  an ,  und  die  ZankleiT 
schickten  als  Anführer  Antimnestos.  So  wurde  am  Flusse  Apsia,  an  einer  Stelle^ 
wo  sich  ein  Weinstock  um  einen  Feigenbaum  schlang,  was  man  als  ErfüUung 
eines  Orakelspruclies  nahm,  am  Grabe  des  Aeoliden  lokastos  die  Stadt  Rhe- 
gion  gegründet,  deren  Name  an  die  Trennung  Siciliens  vom  Fesllande  erinnert. 


Zankle.  Mylai.  133 

Mit  Hülfe  dieser  Nachricht  l^st  sich  die  Zeit  der  Gründung  von  Zankle  durch 
die  Chalkidier  wenigstens  annähernd  hestimnien.    Die  Anlage  Rhegions  fand 
vor  dem  Ende  des  ersten  messenischen  Krieges  —  vor  72  i  ~  Statt ,  da  den 
auswandernden  Messeniem  vom  delphischen  Gotte  bemerkt  wurde  ^  dass  sie 
vor  dem  ihrem  Valerlande  bevorstehenden,  traurigen  Schicksale  bewahrt  werden 
wünien.    Noch  etwas  früher  fHlit  also  die  Gründung  von  Zankle,  da  dies  die 
Anlage  von  Rhegion  veranlasste.  Wenn  nun  Thukydides  Recht  hat,  dass  Naxos 
die  ei^te  hellenische  Kolonie  auf  Siciiien  war,  so  kann  Zankle  wiederum  nicht 
vor  734  gegründet  sein,  und  wir  haben  somit  die  Gründung  dieser  Stadt  etwa 
in  das  Jahr  730  zu  setzen.    Hieraus  folgt  jedoch  nicht,  dass  auch  die  Ankunft 
der  ersten  kymäischen  Seeräuber  in  Zankle  erst  nach  73i  fallen  müsse.    Man 
wird  eine  Niederlassung  von  Seeräubern  nicht  mit  dei'  förmlichen  Gründung 
einer  Kolonie  verwechseln  dürfen.    Jene  können  inmierhin  schon  lungere  Zeit 
den  Ort  mit  dem  sichelförmigen  Hafendarame  zu  ihrem  Sammelplatz  gemacht 
haben,  ehe  die  Stadt  Kyme  selbst  ihr  Augenmerk  auf  diesen  Platz  richtete  und 
den  Plan  fasste,  dort  in  Verbindung  mit  den  Chaikidiern  eine  Stadt  zu  gründen, 
und  wenn  nur  dies  Letztere  erst  nach  735  geschah ,  so  hatte  Thukydides  wohl 
das  Recht,  Naxos  als  die  ältere  Kolonie  zu  betrachten.    Pausanias  bezeichnet 
freilich  Perieres  und  Kratairaenes  als  Anführer  der  Piraten.   Die  ältesten  Münz- 
typen der  Stadt,  ein  Delphin  und  eine  Sichel  (Revers :  in  dreizehn  Abtheilungen 
getheiltes  vertieftes  Feld,  meist  mit  einer  Muschel  in  der  Mitte)  deuten  auf  ihre 
Lage  hin ;   man  liest  auf  den  Münzen  den  Namen  Dankle. 

Der  Hafen  Zankle's  ist  einer  der  schönsten  und  sichersten  der  Erde.  Die 
sichelförmige  Landzunge,  die  ihn  bildet,  springt  nach  Norden  vor;  sie  ist  etwa 
1 DOO  Meter  lang  und  an  der  breitesten  Stelle  beim  Leuchtthurme  gegen  500  Meter 
breit.  Der  Umfang  des  ganzen  Hafens  beträgt  cii*ca  Y2  deutsche  Meile;  er  fasste, 
nach  Diodor,  über  600  Schiffe.  £r  ist  40—50  Klafter  lief,  und  grosse  Schiffe 
können  unmittelbar  am  Ufer  anlegen.  Sein  Eingang  hat  eine  Rreite  von  etwa 
iOO  Meteinn.  Gleich  rechts  von  demselben,  an  der  Westseite  des  Hafens,  erhebt 
sich  die  Stadt  auf  einem  sanft  ansteigenden  Boden ,  der  leider  den  vom  unmit- 
telbar dahinter  sich  erhebenden  Gebirge  herabstürzenden  Fiumaren  als  Durch- 
gang nach  dem  Meere  zu  dienen  muss.  Das  Gebirge  erlaubt  der  Stadt  auch 
keine  grosse  Ausdehnung  nach  Westen  hin;  sie  betrügt  nur  1800 — 3000  Fuss, 
während  sie  von  Süden  nach  Norden ,  wo  auch  die  hauptsächlichsten  Thore 
sind,  sich  etwa  6000  Fuss  weit  erstreckt.  So  ist  es  heutzutage.  Die  älteste 
Sladt  war  noch  kleiner. 

Die  Sicherheit  der  Stadt  erforderte ,  dass  das  sie  beherrschende  Gebirge 
ihren  Einwohnern  gehörte.  Sie  besetzten  also  zunächst  den  Kamm  desselben* 
al)or  sie  mussten  noch  einen  Schritt  weiter  gehen.  Fast  ebenso  kurz,  wie  nach 
Zankle  hin,  ist  der  Abfall  des  Gebirges  nach  dem  Tyrrhenischcn  Meere.  Wenn 
die  Zankleer  nun  hier  in  zweckmässiger  Lage  eine  Küstenburg  hatten,  so  konnten 
sie  jedem  Feinde  den  Weg  an  der  Nordküste  nach  dem  Gebirgskamme  und  so- 
mit nach  Zankle  selbst  verlegen.  Sie  fanden  diesen  Punkt  et^^a  5  deutsche 
Meilen  vom  pelorischen  Vorgebirge.  Hier  erstreckt  sieb  ungefähr  4  Müllen  weit 
in's  Meer  hinaus  eine  schmale  Halbinsel ,  die  an  ihrer  Wurzel  nur  etwas  mehr 
als  1000  Schritte  breit  und  so  niedrig  ist,  dass  ein  geringes  Steigen  der  Meeres- 


134  Zweites  Buch.    II.  Gründung  der  bellenischeo  Kolonien  in  Siciiien. 

flut  sie  Kur  Insel  mächen  würde ,  die  sich  aber  weitei'hin  zu  einer  mehr  als 
doppelten  Breite  ausdehnt  und  bis  320  Fuss  über  die  Meeresfläche  ansteigt. 
Hier  legten  sie  ein  Kastell  an,  das  sie  Mylai  oder  Ghersonesos  nannten. 
Jetzt  liegt  hier  die  Stadt  Milazzo ,  die  in  einen  unteren  und  oberen  Theil  zer- 
fällt, an  welchen  letzteren  sich  im  Norden  das  die  ganze  Halbinsel  beherrschende 
Fort  anschliesst.  Dies  stammt  erst  aus  der  normannischen  Zeit;  es  ist  aber 
nicht  zu  bezweifeln ,  dass  an  derselben  Stelle  die  alte  griechische  Festung  lag, 
die  Ol.  16,1 — 716  v.  Chr.  —  gegründet  wurde.  Der  Wichtigkeit  wegen,  welche 
die  Lage  von  Mylai  hat  —  die  Kämpfe  des  Jahres  4860  haben  dies  von  Neuem 
bewiesen  —  Hessen  die  Einwohner  von  Zankle  nicht  zu ,  dass  der  Ort  selb- 
ständig wurde. 

So  war  im  ersten  Anlauf  die  Ostküste  der  Insel  mit  griechischen  Kolonien 
besetzt;  ja,  man  hatte  sogar  schon  ein  wenig  auf  die  Nordküste  hinüberge- 
griffen.   Die  in  Besitz  genommenen  Punkte  waren  die  besten  der  Insel ;  zu  der 
vortrefflichen  Lage  für  den  Handel  kam  noch  das  gesunde  Klima,  v^ie  denn  der 
einzige  Ort  Siciliens ,  der  in  Bezug  auf  seinen  Hafen  mit  Messana  und  Syrakus 
wetteifern  konnte,  Panormos,  gerade  voi*zugsweise  dein  Sciix)cco  ausgesetzt  ist, 
der  sich  an  der  Ostküste  der  Insel  etwas  weniger  fühlbar  macht.     Nun  trat 
eine  kurze  Pause  in  der  Kolonisation  Siciliens  ein.  Es  scheint,  dass  in  den  letz- 
ten Jahren  des  achten  Jahrhunderts  der  Blick  der  Griechen ,  die  sich  um  den 
Westen  kümmerten,  mehr  nach  Italien  gerichtet  war,  wo  in  der  Reihe  schöner 
Griechenstädte,   die  sich  an  dem  südlichen  Meerbusen  des  Landes  hinzogen, 
einige  damals  sicher  entstanden,  andere,  wenn  sie  schon  zugleich  mit  Syrakus 
gegründet  sein  sollten ,  doch  jetzt  erst  einen  mächtigen  Aufschwimg  nahmen. 
Ausser  dieser  Richtung  der  Griechen  auf  Italien  hatte  aber  das  augenblickliche 
Aussetzen  der  weiteren  Kolonisation  Siciliens  noch  einen  doppelten  Grund.  Der 
eine  galt  für  die  Nord-  und  Südküste  gemeinsam  ,  auf  denen  beiden  man  bei 
weiterem  Vordringen  den  Mittelpunkten  der  phönicischen  Macht  immer  näher 
kam,  und  deshalb  alle  Ursache  hatte,  auf  seiner  Hut  zu  sein;  der  zweite  ftlr 
die  Südküste  allein,  die  bekanntlich  nur  schlechte  Häfen  darbot.    Dennoch  war 
gerade  diese  Küste,  die  allerdings  den  von  Osten  her  Kommenden  offener  daliegU 
die  erste ,  auf  der  ein  Fortschritt  der  griechischen  Kolonisation  gemacht  w  urde. 
Doch  waren  es  nicht  wieder  Griechen  des  eigentlichen  Hellas,  welche  sich  dort 
niederliessen,  sondern  Griechen  dos  Ostens,  vorzüglich  Rhodier.  ^chou  die  Sage 
weiss  von  einer  uralten  Seemacht  dieses  Volkes.     Nach  der  Berechnung  der 
alexandrinischen  Chronologen  begann  die  Seeherrschaft  der  Rhodier  187  Jahre 
nach  dem  Heraklidenzuge  und  daueite  23  Jahre,  und  nach  Strabon  fuhren  sie 
viele  Jahre  vor  dem  Beginn  der  Olympiadenrechnung  weit  und  breit  zur  See. 
Sicherer  als  diese  Herrschaft  der  Rhodier  auf  dem  Meere  ist  ihr  Streben  nach  dem 
fernen  Westen  des  Mittelmeeres,  wovon  ein  deutlicher  Beweis  in  der  Gilindung 
einer  Niederlassung  in  Iberien,  der  Stadt  Rhode,  liegt. 

Aus  diesem  schon  im  homerischen  Schiffskatalog  wegen  seines  Reichthums 
gefeierten  Volke  war  Antiphemos,  von  Andern  Deinomenes  genannt.,  der  sich 
den  Kreter  Entimos  beigesellte  und  mit  einer  Schaar  kühner  Seeleute ,  unter 
denen  auch  Männer  von  der  Insel  Telos,  sowie  Peloponnesier  waren,  vom  del- 
phischen Orakel  angetrieben,  nach  Siciiien  fuhr  (Ol.  22,  i ;  68ü  vor  Chr.)   Es  ist 


Die  Rhodler.  Gela.  Himera.  ]35 

nicht  unmöglich,  dass  bei  der  Wahl  der  Sudktiste  der  Insel  der  Kreter  mit  seinen 
Erinnerungen  an  Minos  von  Einflüss  gewesen  ist.  Nachdem  sie  das  Vorgebirge 
Pachynos  umschifft,  machten  sie  Halt  im  Mittelpunkte  der  ausgedehntesten 
Bucht,  welche  die  Südküste  Siciiiens  darbietet,  an  der  Mündung  des  kalten 
Gela,  des  heutigen  F.  di  Terranova.  Zur  Wahl  dieser  Gegend  veranlasste  noch 
besonders  die  Nähe  der  durch  ihre  Fruchtbarkeit  a^isgezeichneten  Gefilde ,  die 
seitdem  die  Geloischen  hiessen.  Hier  ward  eine  Burg  erbaut,  welche,  weil  viele 
der  Kolonisten  aus  dem  Rhodischen  Lindos  waren,  den  Namen  Lindioi  em- 
pfing, und  um  welche  sich  bald  die  Stadt  Gela  bildete.  Es  ist  klar,  dass  dieser 
Name  dem  des  Flusses  entlehnt  war ;  Einige  wollten  ihn  freilich  von  einem 
Gelon,  Sohn  der  Aetna  und  des  Hymaros,  herleiten,  während  noch  Andere  die 
Geschichte  erzählten,  dass  Antiphemos  über  das  unerwartete  Geheiss  des  Ora- 
kels, eine  Stadt  zu  gründen,  gelacht  und  die  Stadt  deshalb  von  gelan,  lachen, 
den  Namen  empfangen  habe.  Nach  der  gewöhnlichen  Annahme  lag  Gela  am 
rechten  Ufer  des  Flusses,  an  derselben  Seite,  wo  das  moderne  Terranova  liegt, 
und  an  derselben  Stelle  oder  unfern  davon.  Wenigstens  werden  in  Terranova 
selbst,  besonders  in  der  Piazza  della  matrioe,  verstümmelte  Uebcrreste  des 
Alterthums  bemerkt,  und  etwa  SOO  Schritte  von  der  Stadt  nach  Osten  zu  liegen 
auf  der  Höhe  eines  mit  Maulbeerbäumen  besetzten  Hügels  die  Stücke  einer 
schönen,  einst  etwa  24  Fuss  hohen  dorischen  Säule  von  fast  5  Fuss  Durchmesser, 
die  zu  d*Orville's  Zeit  noch  ganz  aufrecht  stand.  Fazeli  erkannte  noch  deut- 
lich den  ganzen  Tempel,  dessen  Fundamente  seitdem  durch  Triebsand  über- 
schüttet worden  sind  und  der  Lcake  als  ein  Hexastylos  des  6.  oder  5.  Jahrh.  vor 
Chr.  erschien.  Ausserdem  sind  in  der  Nähe  von  Terranova  mancherlei  antike 
Ueberreste,  besonders  Vasen  und  Münzen,  gefunden  worden,  vor  Allem  auf  dem 
im  Westen  gelegenen  Capo  Soprane ,  wo  sich  eine  der  Nekropolen  Gela's  be- 
fand. Mit  diesen  antikei\  Spuren,  die  das  rechte  Ufer  des  Flusses  als  die  Stätte 
des  alten  Gela  bezeichnen,  lässt  sich  eine  Stelle  Diodor's  nicht  vereinigen,  nach 
der  die  Stadt  vielmehr  am  linken  Ufer  gelegen  haben  muss.  Es  scheint,  dass  in 
einer  nicht  mehr  nachweisbaren  Zeit  die  Mündung  des  Flusses  ihren  Platz  ge- 
wechselt hat.  So  konnte  Gela  an  der  Stelle  von  Terranova,  wie  die  Ueberreste, 
und  doch  am  linken  Ufer  des  Flusses,  wie  die  Schriftstellen  verlangen,  liegen. 
Von  der  Höhe,  wo  der  Tempel  stand,  übersieht  man  die  Geloischen  Gefilde, 
von  Bergen  im  Halbkreise  eingefasst  und  durchschnitten  von  den  blmkenden 
Windungen  des  Gelastromes.  Dass  das  Gebiet  der  Stadt  nicht  ohne  Krieg  mif 
den  Sikanem  Eigenthum  der  Kolonisten  wurde,  haben  wir  oben  bei  der  sikani- 
schen  Stadt  Omphake  gesehen.  * 

Der  gewöhnliche  Münztypus  Gela's,  das  Vordertheil  eines  Stieres  mit  Men- 
schenhaupt, stellt  den  Fiussgott  Gela  dar;  auf  der  anderen  Seite  erscheinen  auf 
den  grösseren  Münzen  ein  Gespann,  auf  den  kleineren  ein  Heiter  oder  ein  Pferd. 

Beinahe  ein  halbes  Jahrhundert  nach  Gela's  Giündung  —  Ol.  33,  \  ;  618 
vor  Chr.  —  wurde  ein  ähnlicher  Fortschritt  nach  Westen  auf  der  Nordküste 
gemacht,  mit  dem  Unterschiede,  dass  hier  die  Griechen  verhältnissmässig  weiter 
vordrangen ,  als  sie  es  bis  dahin  im  Süden  gethan.  Die  Hauptmasse  der  Aus- 
wanderer bildeten  Zankleer  unter  Eukleides,  Simos  und  Sakon.  Doch  kamen 
zu  ihnen  syrakusanische  Flüchtlinge,  die  sich  Myletiden  nannten,  ein  Name,  der 


136  Zweites  Buch.    II.  GrUadung  der  helleoisclien  Kolonien  in  Sicitien. 

sich  nicht  befriedigend  erklären  Uisst,  aber  einige  Schririsleller  zu  der  Bchaup- 
nlasst  zu  fauben  scheint,  duss  in  Myliii  wohnende  ZunkLcer  die  Gründer 

Stadt  geworden  seien,  die  den  Namen  lliinera  erhielt,    Ueberreslc 

sind  in  der  itlitto  der  von  C.  Cefalü  und  C.  Znüirnna  cingefasstcn 
e  durch  ihren  breiteren  L'fersaum  zur  Ansiedlung  einlud ,  am  linken 
\  Grande ,  des  alten  lliniera ,  H  00  Meter  vom  Meere  gefunden  ww- 
wo  jetzt  ein  Pachthaus,  genannt  Hasseria  di  Bonfomelio,  Kl<.<ht. 
'on  demselben  sieht  niati  in  drr  Ebene  Ucherreste  eineä  Tempels ;  die 
st  lag  aber  südlid)  auf  einem  breiten  und  ilaclien  Plateau,  das  sich 
Meter  über  das  Meer  erhebt,  und  dessen  sl^ilcr,  mit  Oelbitunien  Iw- 
■  Abhang  sich  ungef^lhr  500  Meter  weil  von  Osten  nach  Westen  hin- 
e  Stiidt,  deren  sehr  geringfügige  Ueberreste  kein  Geltitude  vollsUlndi^' 
hissen,  ist  nur  auf  einem  Wege  zug<lnglicl),  dei'  westlich  von  dem  nii) 
legenenkegelftn-migen  Hugel,  Cozzo  della  Signoni,  beginnend,  in  sUil- 
litung  weiter  führt.  Im  Westen  wird  das  PlaUüiu  von  einer  sich  lur 
i  öffnenden  Schlucht  begrenzt,  in  der  Grilber  gefunden  sind;  jenseits 

«iehl  sich  900  Meier  weil  eine  zweite  IlochllHdic  hin,  die  südlich  von 
cht  mit  der  erslei'en  zusammcnhüiigt ;  ob  auch  sie  zur  Stadt  gehörte, 
veit  dieselbe  naeh  Süden  sieh  erstn'dite,  ist  noch  nii'ht  aiisgcmarhl. 
itigliehen  Ucrleitung  des  Namens  Uimera  «us  den  semitischen  Spradicn 
die  Rede  gewesen ;  die  Ilerleilungcn  aus  dem  Griechischen  entweder 
ira,  Tag,  wofür  hiniera  eine  alte  Nebenform  ist,  eine  Etymolf^ie, 
jrch  den  auf  den  MUnzen  der  Stadt  abgebildel^'n  Hahn  angedeulel 
der  die  von  hrmeros ,  lieblich ,  was  besonders  auf  die  schöne  Aussicht 
Irdo,  die'  sich  von  der  StJitU;  llimcra's  über  die  Küste  nach  Ost  um! 
Land  hinein  bis  auf  die  einen  Theil  des  Jahres  mit  Schnee  bedeckten, 
il  der  Stadt  cinscbiiessenden  Berge  aufthut,  können  nicht  ernsllirl] 
1  werden.  Ueber  einen  andern  Nnmcu,  den  die  Stadtauf  altenHünzen 

scheint,  ist  nichts  Nuhcres  bekannt.  Die  Sprache  der  Bewohner  von 
ar  ihres  doppellen  Urspiungs  wegen  aus  chalkidischer  pnd  dorischer 
gemischt;  die  Gesetze  aber  waren  die  chal kidischen.  Vielleicht  lag 
;hon  innerhalb  der  Grenz mai-ken  der  Sikancr,  sicheriich  nicht  weil 
Wohnsitzen  dieses  Volkes,  das  jetzt  also  zum  zweiten  Halo  in  unniiltcl- 
rUbrung  mit  den  Griechen  kam. 

ilteslon  Münzen  haben  einerseits  den  auf  Askicpioskult  hinweisenden 
dererseils  ein  in  acht  Dreiecke  getheiltes ,  eingeschlagenes  Quadrat, 
»igen,  dass  zu  llimcra's  Gebiet  die  berühmten  Thermen  im  heul^'n 
ehörtcn,  da  auf  ihnen  ein  von  einem  Wassci'strahl  bespritzter Siit}r 
L  ist.  Auch  den  Kopf  des  Herakles,  für  den  ja  die  Quellen  sprudelk-n, 
lie  Münzen  zu  zeigen.  Andere  enlballcn  ei  gen  thUm  liehe,  wahi-schcin- 
lische  Darstellungen :  ein  phantastisches  Thior,  und  einen  Bock ,  »uf 
les  sitzt. 

folgten  dem  Beispiele  der  Bhodier  und  Zankleer  die  von  den  Syraku- 
igeengten  Megarer,  die  nicht  weit  von  der  Westspitze  Siriliens,  hun- 
j  nach  der  Anlage  des  sicilischen  Megara  —  6J8  vor  Chr.  [Ol.  :!8,  I) 
Icr  Anführung  des  Panunilos,  der  aus  dem  nisitischen  Megara  nach  dem 


Seiinas.  137 

hyhUiischen  gekonirnen  wnr,  die  Stadt  Selinus  gründeten,  die,  wie  von  den 
Alten  behauptet  wird,  nach  dem  nahen  Flusse  den  Namen  führte,  einen  Namen, 
der  dann  weiter  die  Stadt  in  der  auf  den  Münzen  angedeutc^ten  Weise  als  Eppich- 
sladt  bezeichnet.  Oben  ist  von  einer  semitischen  Etymologie  die  Rede  gewesen. 
Die  Stadt  erhob  sich  links  von  der  Mündung  des  genannten  Flusses  in  einer 
fruchtbaren ,  besonders  durch  ihren  reichen  Ertrag  an  Weizen  ausgezeichneten 
(legend.  Hier  zieht  sich  zwischen  dem  Seiinusflusse  und  einer  feuchten  Nie- 
derung, die  das  Wasser  der  umliegenden  Höhen  sammelt,  ein  Hügelrücken 
hin,  elwa  1000  Meterlang  und  200—300  Meter  breit,  der  in  der  Mitte  am 
schmälsten ,  im  Norden  am  ausgedehnteslen  ist  und  hier  sich  noch  weiter  in 
das  Land  hinein  fortsetzt.  Dieser  Hügelrücken  trug  den  illU?stini  Theil  der  Stadt 
Selinus.  Er  zerfiillt  selbst  wieder  in  zwei  durch  eine  leise  Vertiefung  des  Bo- 
dens geschiedene  Terrassen.  Die  südlichere  derselben,  die  sich  80 — 100  Fuss 
hoch  schroff  aus  dem  Meere  erhebt  und  etwa  eine  Millie  im  Umfang  hat,  trug 
die  Burg  von  Selinus;  die  nordlichere,  sich  bis  zu  47  Meter  erhe}>ende  die 
eigentliche  Stadt,  die  Wohnhäuser  der  Bürger;  der  beide  verbindende  Raum 
mag  als  Marktplatz  gedient  haben.  Von  der  Burg  hatten  die  Beamten  und  Ty- 
rannen von  Selinus  eine  herrliche  Uebersicht  über  das  blaue  Meer  und  das 
ziemlich  ebene  Terrain  des  ihnen  unterworfenen  Gebietes ,  das  die  Berge  von 
Partanna  und  S.  Margherita  einfassen.  Die  BurgteiTasse,  auf  der  sich  jene  spä- 
ter zu  beschreibenden  Ueberresle  alter  heiliger  Architt^ktur  beßnden ,  ist  voit 
einer  antiken  Mauer  umgeben,  welche  zum  grösseren  Theiio  aus  der  Zeit  stammt, 
da  Selinus  nach  der  Zerstörung  durch  die  Karthager  neu  befestigt  wurde,  wäh- 
rend sie  zum  kleineren  offenliitr  noch  die  ursprüngliche  Ummauerung  der  Stadt 
ist;  jene  Stücke  bestehen  aus  dem  schönen  Kalkstein,  der  das  Material  zu  den 
Tempeln  liefeite,  diese  aus  gröbereni  Muschelkalk.  Die  Burg  scheint  nur  einen 
Zugang  gehabt  zu  haben,  in  der  südöstlichen  Ecke  nahe  dem  Meere,  und  die  hier 
einmündende  Strasse  hat  sich  noch  eine  Strecke  weit  nach  Norden  verfolgen 
lassen;  es  ist  anzunehmen,  dass  sie  von  dem  Marktplatze  herführte.  Der  Raum, 
auf  welchem  dieser  vermuthet  wird,  zeigt  zwei  Ruinengruppen,  von  denen  die 
östliche  dem  Heiligthum  des  Zeus  Agoraios,  der  in  der  Geschichte  von  Selinus 
vorkommt,  angehört  haben  könnte.  Das  eigentliche  Stadtplateau  hat  an  der 
Weslseile  noch  deutliche  Ueberreste  der  Mauer,  die  sogar  eine  doppelte  gewiesen 
zu  sein  scheint ;  im  Norden  und  Osten  hat  sich  nur  der  geglättete  Felsrand  er- 
kennen lassen,  auf  dem  die  Mauer  ruhte.  Manche  Ueberreste  des  alten  Selinus 
mögen  noch  unter  dem  Sande  stecken,  der  die  Stätte  in  gewaltiger  Anhäufung 
bedeckt ,  und  unter  welchem  die  vielen  Zwergpalmen ,  die  ein  schon  bei  den 
Alten  beillhmter  und  noch  immer  charakteristischer  Schmuck  der  Gegend  sind, 
mühsam  im  Kalkstein  ihre  Nahrung  suchen  müssen.  Am  Fussc  der  Akropolis 
sind  sowohl  nach  dem  Flusse  Selinus  zu,  wie  nach  Osten  Spuren  weiterer  Be- 
ftrsligungen ,  die  uns  die  Stadt  von  Vorstädten  umgeben  zeigen ,  von  denen  die 
östlichen  aber  noch  einem  andern  Zwecke  dienten,  der  Einfassung  des  Hafens, 
der  noch  weiter  östlich  durch  eine  zweite  parallellaufende,  auch  noch  in  Ueber- 
resten  vorhandene  Mauer  seine  entsprechende  Begrenzung  fand.  Dieser  910  Pal- 
men breite  Hafen  nahm  den  unteren  Theil  der  oben  erwähnten  feuchten  Niede- 
rung ein ,  die  von  einem  kleinen  Bache  durchOossen  w  ird ;  ihren  obern  Theil 


138  Zweites  Buch.    II.  Gründung  der  hellenischen  Kolonien  in  Sicilien. 

müssen  wir  uns  als  zur  Stadt  Selinus  gehörig  denken,  zu  einer  Zeit,  da  die 
Macht  des  Gemeinwesens  sich  beträchtlich  gehoben  und  eine  bedeutende  Aus- 
dehnung der  Stadt  nöthig  gemacht  hatte.  Denn  östlich  von  dieser  Niederung 
erhebt  sich  ein  zweiter  Hügel  ebenfalls  40  Meter  hoch  über  das  Meer,  der  etwa 
600  Meter  von  demselben  die  Ueberreste  von  drei  grossen  und  merkwürdigen 
Tempeln  trägt.  Es  lassen  sich  für  diesen  Stadttheil  die  östlich  ihn  abschliessen- 
den Mauern  nicht  mehr  nachweisen ,  dennoch  muss  bei  der  Zahl  und  dem  ge- 
drängten Zusammenstehen  der  Tempel  vermuthet  werden,  dass  hier  nicht  blos 
eine  offene  Vorstadt  lag.  Der  Umfang  der  Gesammtstadt  muss  wenigstens  eine 
halbe  geographische  Meile  betragen  haben.  Nördlich  von  der  Stadt  waren  die 
Begräbnissplätze. 

Die  Münzen,  von  denen  die  ältesten  einerseits  das  Eppichblatt,  andererseits 
ein  in  acht  Dreiecke  getheiltes  eingeschlagenes  Quadrat  (eine  Aehnlichkeit  mit 
Himera}  zeigen ,  weisen  den  Kult  des  Herakles  als  einen  der  wichtigsten  der 
Stadt  nach. 

Ob  der  Hafen  von  Selinus  von  Bedeutung  war,  ist  schwer  zu  sagen.  Jeden- 
falls  benutzten  die  Selinuntier  auch  den,  welchen  einige  Mi llien  westlich  vom 
C.  Granitola  die  Mündung  des  Flusses  Mazaras  darbot,  und  die  Stadt,  welche 
links  vom  Flusse  an  der  Stelle  des  heutigen  Mazzara  lag ,  war  das  Emporium 
der  Selinuntiei*  und  zugleich  ihre  Grenzfestung  gegen  die  Phönicier  und  Kar- 
thager, von  deren  Waffenplatz  Lilybaion  nur  die  geringe  Entfernung  von  18  Mil- 
lion sie  trennte.  Die  Flussmündung  hat  über  eine  Millie  weit  Seewasser,  ist 
breit,  ziemlich  tief,  und  man  sieht  noch  die  Pundamente  der  alten  gemauerten 
Einfassung  des  Hafens.  Viele  Arbeiten,  Grotten,  Treppen  u.  s.  w.,  zeigen,  wie 
gut  man  den  über  Fclsboden  strömenden  Fiuss  zu  benutzen  wusste.  Von  dem 
antiken  Wege,  der  von  Selinus  nach  Mazara  führte,  fand  d'Orville  noch 
Spuren. 

So  wie  im  Westen  das  selinuntische  Gebiet  durch  das  Emporium  Mazara 
weit  über  die  natürlichen  Grenzen  der  Bucht,  an  der  die  Hauptstadt  lag, 
hinausgriff,  so  im  Osten  durch  die  Stadt,  die  sich  neben  den  berühmten  war- 
men Bädern  am  Berge  S.  Galogero  erhob ,  das  heutige  Sciacca ,  das  unter  dem 
Namen  der  selinuntischen  Thermen  am  Bande  eines  hohen,  die  See  überragen- 
den Felsens  in  malerischer  und  fester  Lage  thronte  und  den  Selinuntiem  als 
östliche  Grenzfestung  dienen  mochte.  Es  gab  eine  Zeit,  wo  die  selinuntische 
Macht  noch  weiter  nach  Osten  reichte ,  denn  Herakleia ,  links  von  der  Mündung 
des  Halykos,  die  alte  Stadt  des  Minos,  empfing  eine  selinuntische  Kolonie. 

Nachdem  so  die  Megarer  fast  an  das  Ende  der  Südküste  Siciliens  gelangt 
waren,  blieb  zwischen  dieser  neuen  Kolonie  und  Gela  noch  ein  grosser  Raum 
übrig,  der  für  hellenische  Niederlassungen  ein  treffliches  Feld  darbot.  Gela  be- 
nutzte diesen  günstigen  Umstand.  Es  waren  die  Geloer  Aristonoos  undPystilos, 
welche  im  Jahre  581  vor  Chr.  (Ol.  49,  4) —  108  Jahre  nachdem  Gela  gegründet 
worden  war  —  hier  die  Stadt  Akragas  erbauten.  Sie  wählten  nicht  ganz  in 
der  Mitte  zwischen  ihrer  Vaterstadt  und  Selinus,  etwa  4  4  Million  von  jener,  60 
von  dieser  Stadt,  zu  ihrer  Niederlassung  eine  ausgedehnte  Anhöhe,  che  unfern 
vom  ,Meere  —  1 8  Stadien  nach  Polybios  —  sich  erhebt.  Es  ist  eine  viereckige 
Hochfläche,  die  durch  eine  Ausbauchung  in  der  nordwestlichen  Ecke  eine  un- 


Akragas.  139 

regelmässige  Gestalt  erhält,  rings  von  Tiefen  umschlossen,  aus  denen  sie  überall 
steil  emporragt.  Zwei  Flüsse  fassen  sie  ein,  im  Osten  und  Süden  der  Akragas, 
im  Westen  der  H^^sas ,  die  sich  südlich  von  der  Stadt  vereinigen  und  nach 
kurzem  Laufe  in's  Meer  ergiessen.  Die  Senkung  der  Hochfläche  ist  nach  Süden 
gerichtet ;  sie  ist  im  Norden  am  höchsten ,  wo  sich  auf  einer  von  Nordwesten 
nach  Südosten  gehenden  Linie  zwei  Gipfel  erheben,  der  nordwestliche  zu  '^^0 
Meter,  der  sudöstliche  zu  3i0;  die  beide  trennende  £insenkung  geht  auf  240 
Meter  herunter.  Die  westliche  Höhe  dacht  sich  nach  Süden  zu  allmählich  zum 
F.  Drago  (Hypsas)  ab;  diese  Abhänge  lagen  ausserhalb  der  antiken  Stadt  und 
bildeten  die  Nekropolis.  Die  durch  ein  Thal,  das  V.  S.  Leonardo,  von  der  Ne- 
kropolis  getrennte  Abdachung  des  südöstlichen  Gipfels ,  der  sogenannten  Rupe 
Atenea,  bildet  die  eigentliche  Hauptmasse  der  Stadt.  Sie  erstreckt  sich  im  We- 
sentlichen in  südwestlicher  Richtung  und  hat  das  Charakteristische,  dass  sie  in 
der  Mitte  von  zwei  Senkungen  durchschnitten  wird,  in  denen  sich  Wasserrinnen 
hinziehen  —  die  westliche  stets  nach  Südwesten  gerichtet,  die  östliche,  von 
der  Fontana  Bonamorrone  ausgehend ,  anfangs  südlich ,  dann  nach  Westen  ge- 
wandt — ,  welche  sich  nahe  der  südwestlichen  Ecke  der  Stadt  vereinigen,  wo 
in  der  tiefsten  Senkung  des  Stadtbodens  die  Gewisser  einen  Ausgang  finden. 
So  bleibt  zwischen  diesen  beiden  Rinnen  eine  ausgedehnte*  Hochflache ,  rechts 
und  links  aber  schliessen  hohe  Runder  die  Stadiflüche  ab.  Der  westliche  Rand, 
einem  nach  Süden  gerichteten  Höhenzuge  vergleichbar,  gipfelt  in  drei  nach 
einander  niedriger  werdenden  Punkten,  der  Höhe  von  S.  Leonardo,  !80  Meter, 
und  zwei  andern,  127  und  88  Meter,  die  zusammen  nut  der  sie  trennenden 
Fläche  von  etwa  600  Fuss  Länge  den  Poggio  della  Meto  bilden,  so  benannt,  weil 
man  hier  die  Bahn  suchte,  auf  der  die  Akragantiner  mit  ihren  berühmten  Rossen 
Wettrennen  hielten.  Er  schliesst  im  Süden  nahe  dem  F.  Drago  mit  dem  Platze, 
auf  welchem  der  sogenannte  Vulkantempel  steht,  60  Meter  hoch.  Ein  östlicher 
Nebenzweig  ist  \^n  den  Absenkungen  des  Poggio  della  Meta  durch  eine  Schlucht 
getrennt,  deren  Gewässer  sich  mit  den  oben  erwähnten  vereinigen.  Der  östliche 
Rand  entspricht  in  seiner  Richtung  dem  Zuge  der  ihn  begleitenden  Wasser- 
rinne ;  er  bildet  dem  entsprechend  an  dem  Punkte ,  wo  in  4  20  Meter  Höhe  der 
sogenannte  Junotempel  steht,  die  Südostecke  der  Stadt,  zieht  sich  dann  im 
Norden  von  der  immer  näher  kommenden,  soeben  bezeichneten  Wasserrinne 
begleitet,  1330  Meter  weil  in  fast  schnurgerader  Richtung  nach  Westen  fort  bis 
zum  sogenannten  Herkuleslempel,  um  dann  jenseits  dieses  Punktes,  wo  in  einer 
Senkung  des  Bodens  das  Hafeuthor  war,  breiter  und  niedriger  werdend,  noch  über 
den  Zeustempel  hinaus  bis  zudem  jenem  Vulkantempel  auf  gleicher  Höhe  gegen- 
überliegenden Castor-  und  Polluxtempel  sich  fortzusetzen.  Nach  Polybios  erhob 
sich  die  Burg  im  Nordosten  der  Stadt,  und  auf  ihrer  Höhe  standen  zwei  Tempel, 
der  Athene  und  des  Zeus  Atabyrios,  wie  in  Rhodos,  der  Mutterstadt  Gela's,  der 
Stadt ,  aus  welcher  ohne  Zweifel  manche  Bürger ,  mit  den  Geloem  vereinigt, 
zur  Gründung  von  Akragas  ausgezogen  waren.  Wenn  nun  andererseits  Diodor 
den  Athenehügel  als  die  Stadt  tiberragend  nennt,  so  meint  er  ohne  Zweifel  da- 
mit die  Burg  mit  dem  Tempel  der  Athene.  Wir  mtissten  also  Beides  in  dem 
östlichen  Theile  der  nördlichen  Hübe  wiederfinden ,  der  jetzt  nicht  bewohnt 
wird ,    während  die  westliche  «Hälfte  derselben  das  heutige  Girgenti  trägt  — 


Zweites  Buch.    II.  Gründung  der  helleDischen  KolonieD  in  Sicillen. 

r  der  sl«il  anslnigcnde  Gipfel  dieses  TheUes  entweder  Ruloen  odvr 
'  ;slcns  «ine  hinreichend  grosse,  ebene  PUtchc  darbtfl«  für  eine  Burg 
lifJmcrn  u.  s.  w.  Ua  nun  iiir  G^ensatz  hierzu  das  moderne  Girgenli 
der  betrilchtlichen  Steigung,  die  innerhalb  desselben  heri-scht,  dm- 
■  grösseren  Ausdehnung  wegen  vortrefflich  zu  einem  Burgrsume  ab- 
ist die  Angabc  Polyb's  grossen  Bedenken  unlenvorfen.  Der  Blick  voo 
Itcnea  ist  ein  höchst  ausgcdotinl«r.  M;in  sieht  zu  seinen  Füssen  den 
enlheiJs  mit  Kornfeldern  und  Du  Umpflanzungen  bedeckten  Raum  iI(t 
,  und  weiterhin  im  Sllden  das  Meer,  im  Westen  und  Norden  hioUT 
iifsteigende  Bci^reihen,  im  Osten  aber  eine  ziemlich  ebene  Flilclici 
i  nach  Palma,  1 4  Hillicn  weil,  hinzieht.  Die  Blauern  der  allen  Stadl 
Iheilweisc  erhallen ,  besonders  die  Strecken  des  östlichen  und  des 
Thores.  Im  Süden  ist  die  Mauer  und  sogar  die  Fetsbrtlslung,  welche 
i^rösslentheils  zerstört.  Nur  Im  Norden  ist  die  Grenze  der  allen 
ganz  deutlich  zu  erkennen ;  sie  scheint  sich  hier  jedoch  nicht  his 
ege ,  der  gegenwürlig  von  Molo  di  Gii^enli ,  dem  modernen  Hafen- 
1  Girgenti  führt,  erstreckt  zu  haben,  sondern  nur  bis  zur  öslliclKr 
Kinscnkung  des  Val  di  San  Leonardo,  jenseits  deren  die  bereits 
fekropolis  war,  und  die  sie  wahrscheinlich  bei  dem  Ponte  dei  morli 
,  um  dann  auf  das  moderne  Gii^enü  zuzulaufen ,  von  dem  sie  den 
El  Theil  nicht  umfasste.  Hiernach  hat  der  Umfang  des  allen  Akrag^ 
ilhalb  deutsche  Meilen  betragen.  Der  nordwestliche  Endpunkt,  dii^ 
von  Gii^cnti ,  ist  vom  nordöstlichen ,  der  Spitze  der  Rupc  Atenra, 
■,  dieser  vom  südöstlichen,  dem  Junotempcl,  iHO  Meter,  dieser 
I  südwestlichen,  dem  Vulkanlempel,  1975  Meter  entfernt,  und  die 
i'ischen  diesem  und  der  Kathedrale  hetnlgt  in  direktem  AbsbiiHl, 
ie  drei  andern  Entfernungen  angegeben  wurden,  2300  Ucter.  D« 
!he  Theil  der  alten  Stadt ,  welcher  das  moderne  Girgenti  tragt ,  enl- 
^pur  uralter  Thatigkeit  in  den  grossen,  unregelmässig  gostalletcn 
liehe  den  Bci^  durchziehen.  Sie  sind  von  mächtigen  Pfeilern  gesltttzt 
I  durch  schmale  GUngc  mit  einander  in  Verbindung,  llic  und  da 
eckige  Schachte  zu  ihoen  hinunter,  von  denen  die  noch  nicht  vcr- 
zl  als  Zugänge  zu  den  Höhlen  dienen.  In  diesen  haben  sieb  ntder 
h  Inschriften  gefunden,  so  dass  sie  nur  als  Steinbrüche  bciTachlel 
incn.  Das  ähnliche  Material  der  akragantinischeo  Hauern  lUssl  vrr- 
ass  man  es  von  hier  genommcm  hat.  Sie  sind  den  syrakusaniachcn 
anz  tthnlich,  von  denen  sie  sich  nur  dadurch  unlerscheiden ,  diiss 
I  nicht  eingestürzt  sind.  Grosse  Höhlen,  die  unten  an  dem  HUgel, 
m  das  heutige  Gii^enti  steht,  sichtbar  sind,  mt^en  vielleicht  die  jeiil 
en  OcITnungeD  sein ,  durch  welche  die  Akraganliner  die  Steine  aus 
en  entfernten.  Es  ist  eine  auffallende  Erscheinung ,  dass  die  wich- 
non  von  Aki-agas  sJImmllich  am  Bande  des  Stadtbezirkes  liegen.  Dn.' 
id  schönsten  derselben  stehen  hart  am  Saume  des  steilen  sUdüclini 
Als  sie  noch  unversehrt  in  buntem  Glänze  strahlten,  müssen  sie  niil 
ihnen  sich  aufthürmenden  Stadt  und  der  roichbebaulen  Umgehung 
e  Ankommenden  einen  prachtvollen  Anblick  gewährt  haben.  Mit  der 


Akragaft.  Akrai.  141 

grossten  Sicherheit  vorgetragene,  jedoch  durch  Nichts  begründete  Behauptungen 
über  die  Topographie  von  Akragashat  die  Angabe  Solin's  hervoi^erufen,  dass  ein 
Hügel,  Namens  Yulcanius ,  nahe  bei  einem  Agrigentinischen  See  sei,  aufwei- 
chen) Oel  schwimme.  Fazell  hat  versichert,  diese  Oelquelle  in  einem  Garten  bei 
Girgenti  gesehen  zu  haben,  und  man  hat  dann  einen  Hügel  westlich  vom  Drago- 
flusse,  unter  dem  man  eine  solche  Quelle  entweder  gesehen  oder  doch  am  Ge- 
rüche erkannt  haben  wollte,  als  Yulcanius  bezeichnet,  wührend  Andere  der  obtm 
erwähnten  Tempelruine  in  Akrngas  selbst,  in  deren  Nähe  ein  schmutziger  Teich 
sein  soll,  den  Namen  Vulkantempel  beilegen.  Da  aber  die  Existenz  eines  Oelseos 
in  unmittelbarer  Nähe  dieses  Tempels  gar  nicht  mit  Sicherheit  nachzuweisen 
ist,  so  ist  ein  Yulkantempei  in  Akragas  eine  völlig  in  der  Luft  schwebende  Sache. 
Die  Burg  war  von  der  Stadt  durch  eine  Mauer  geschieden,  in  der  sich  nur 
ein  Thor  befand ;  die  Stadt  selbst  hatte  drei  grosse,  deutlich  nachweisbare  Thore ; 
im  Westen  das  von  Herakleia,  im  Osten  das  von  Gela  und  im  Süden  das  Hafen- 
thor, jetzt  Porta  aürea  genannt,  wozu  im  Süden  wahrscheinlich  noch  zwei  klei- 
nere, neben  den  Tempeln  der  Juno  und  des  Gastor  und  Pollux,  kamen. 

Akragfis  verehrte  besonders  den  Zeus;  das  zeigen  die  Münzen  der  Stadt, 
deren  Haupttypus  der  Adler  ist,  und  wo  der  Seekrebs  auf  dem  Bevers  und  die 
sonstigen  Seethiere  die  Seestadt  und  den  Kultus  des  Poseidon  andeuten. 

Die  Umgegend  von  Akragas  war  sehr  fruchtbar.  Die  Büi^er  bereicherten 
sich  bald  durch  den  Ertrag  ihrer  Aecker  und  zogen  auf  den  üppigen  Weiden 
eine  vortreffliche  Pferderace.  Ihr  Handel  bestand  in  der  Ausfuhr  ihrer  Produkte. 
Gegenwärtig  ist  der  schlechte  Hafen  durch  einen  Molo  geschützt,  der  im  vorigen 
Jahrhundert  aus  den  Ueberresten  des  mächtigen  Zeustempels  gebaut  wurde ; 
der  Hafen  des  alten  Akragas  war  östlicher,  an  der  Mündung  des  Flusses. 

Jetzt  bleiben  uns  von  den  griechischen  Kolonien  auf  Sicilien  nur  noch  die- 
jenigen zu  betrachten  übrig,  welche  Syrakus  gründete.  Sie  fallen  sämmtlich 
vor  die  Gründung  von  Akragas  und  hätten  also  früher  erwähnt  werden  müssen, 
wenn  nicht  ein  Theil  von  ihnen,  und  gerade  die  ältesten,  einen  von  den  übrigen 
hellenischen  Kolonien  Siciliens  etwas  abweichenden  Charakter  trügen. 

Bereite  70  Jahre  nach  der  Erbauung  von  Syrakus  wurden  nach  verschie- 
denen alten  Berichten  zwei  Kolonien  von  den  Syrakusanem  ausgesandt :  Akrai 
und  Henna.  Ak  ra  i  wird  als  syrakusanische  Pflanzstadt  von  der  besten  Autorität, 
von  Thukydides,  bezeugt,  und  Henna  kommt  wenigstens  einmal  entschieden  als 
hellenische  Stadt  in  der  sicilischen  Geschichte  vor.  Die  Lage  von  Akrai  steht  heut^ 
zutage  fest.  Unfern  von  den  Quellen  des  Anapos  steigt,  südwestlich  von  der 
modernen  Stadt  Palazzolo  (wahrscheinlich  so  genannt ,  weil  sie  an  der  Stätte 
eines  alten  Palastes,  vielleicht  des  Königs  Hieron  H.,  errichtet  wurde)  ein  Berg  an, 
dessen  obere  Fläche  etwa  eine  Millie  im  Umfang  hat,  und  der  nach  Süden  und 
Westen  steil  abfüllt,  während  von  Norden  und  Ostender  Zugang  leichter  ist. 
Von  dieser  Bergspitze,  die  den  Namen  Acremonte  führt,  überblickt  man  die  ganze 
südöstliche  Ecke  Siciliens  von  dem  Hafen  von  Augusta  und  dem  Megarischen  Meer- 
busen an,  über  Syrakus  und  das  Vorgebirge  Pachynos  bis  nach  Terranova  hin, 
wahrend  im  Norden  der  riesige  Aetna  emporragt.  Hier  lag,  wie  die  Inschriften  von 
hier  gefundenen  Münzen  und  einer  Terracotta  in  Verbindung  mit  den  Angaben 
der  alten  Schriftsteller  zeigen,  das  alte  Akrai,  dessen  eisige  Höhen ,  wieSilius 


14)  Zweites  Buch.    [[    Gnindune  dar  belleolMhen  Koloolcn  lo  Siclllon. 

sie  nennt,  noch  jelil  ihrem  Bufe  u-eu  geblieben  sind,  indem  sie  im  Winter 
^  (Ur  ck-n  Sommerbodarf  der  Syrakusiiner  einsammeln.  Die  Ausgrabut^pn 
's  und  der  Alterlhumseommissioa  hnben  maneheriei  interessante  Anüqui- 
lufgedeckt,  au  denen  vor  Allem  ein  eigonlhllDilichcs  System  von  unter- 
len  Güngen  gehVrt,  die  sieb  in  einer  noch  nicht  gani  erforschten  Aus-  ' 
ng  durch  den  Bei^  liinziehen  und  durch  senkrechte  Brunnenschächte  und 
en  zugllnglicli  sind.  Ucrkwtlrdige  Beliefs,  die  am  sUdlirhen  Fusse  des  äie 
Irngenden  Fels<'ns  in  einer  Reih<!  von  Nischen-angebracht  sind,  und ,  aus 
er  Zeil  stamuiend ,  vielleicht  auf  den  Kult  der  GUtl/Tmulter  hindeuten, 
schon  vor  den  Ausgrabungen  Judiea's  bekannt.  Die  Stadt  hat  Suin 
i,  den  syrakusiinischen  ähnlich.  Akrai  liegt  nicht  ^^'enige^  als  ii  Hillien 
'rakus  im  Innern  des  Landes.  Dass  so  frUh  schon  (Ol.  39,  1 ;  66lvorChr.; 
ser  Enlfemung  von  der  Rtlste  syi'akusanischc  Pflanzer  sich  niederlasse 
'n,  beweist,  dass  diese  Sladt  schnell  mitchtig  geworden  war,  und  nicht 
ir  See  und  an  der  KUste,  sondern  aucli  tÜNtr  ein  oBenbnr  sehr  bedeutendes 
ebiel  hin.  War  nun  Akrai  von  Anfang  an  nicht  blos  ein  vorgescholiener 
I  der  Syrakusaner  —  was  es  ohne  Zweifel  auch  gewesen  Ist  — ,  sondern 
'irkliche  Stadt  mit  einer  mehr  oder  weniger  selbsUndigen  BUrgerschafI, 
in  es  seine  Bedeutung  nur  durch  Landhandel  und  besonders  durch 
:>aubetrieb  gehabt  haben.    Darauf  deuten  auch  die  erst  später  vorkom- 

0  Münzen  biu,  die  den  Kopf  der  Demeter  zeigen. 

^enn  nun  die  Anlage  von  Akrai  beweist,  dass  den  Syrakusanem  das  Thal 
iapo6,  dessen  Quellen  es  beben-scht,  gehorchte,  so  zeigt  uns  die  tirUn- 
einer  Niederlassung  in  Henna  Syrakus  im  Lichte  einer  Herrscherin  über 
nie  Insel.  Henna,  das  heutige  Castrogiovanni,  der  Nabel  Siciliens,  11^ 
il  so  weit  als  Akrai,  etwa  80  Uiltien,  von  Syrakus  entfernt.  Die  Slrassi' 
,  von  der  wir  nicht  mehr  sagen  können,  durch  welche  Orte  sie  führte, 
!  unmliglich  iro  wirklichen  und  ausschliesslichen  Besitze  der  Symkusaner 

Denn  ging  man  von  Syrakus  Über  Akrai  nach  Henna ,  so  hatte  man  von 
9tadt  an  über  rauhe  Ber^fade  und  durch  eine  Menge  von  Schlueblrn  zu 

,  die  nur  zu  leicht  Gefahren  bt^en  konnten ;  wanderte  man  aber  das 
Ihosthal  in  die  Hohe,  so  waren  alle  wichtigsten  sikeliscben  Stüdte  in 
^n,  denen  nichts  leichter  war,  als  den  Syrakusanern  den  Weg  zu  er- 
ren.  Wenn  nun  trotzdem  Syrakus  Henna  eu  einer  G)'iechensladt  mach), 
m  dies  nur  im  Einvernehmen  mit  den  Sikelern  geschehen  sein,  welche 
ilh  die  Uebermachl  der  korinthischen  Pflanzstadt  anerkannt  haben  ntUs- 
nd  es  beweist  eine  herrschende  Stellung  dieser  Stadt,  w  ie  sie  die  Ubi-igeo 
iscben  Geuicinwesen  Sicilieofi,  mitAusnahmc  vielleicht  von  Akragas,  auch 

nicht  gehabt  haben.  Es  gehtirt  deshalb  aber  auch  mehr  als  die  blosse 
tut  des  Stephanos  von  Byianz  dazu,  um  die  Existenz  einer  hellenischen 
e  in  Henna  glaublich  zu  niaclien ,  und  es  wird  insbesondere  die  nur  von 

1  Schriftsteller  gemachte  Angabe,  dass  Henna's  Grtlndung  in  dasstill>e 
lit  der  von  Akrai  falle,  wohl  bezweifelt  werden  dUrfon,  nenn  mao  er- 
dass  Akrai,  als  eine  Station  auf  dem  Wege  nach  Henna,  vielmehr  fritber 
3Se  Stadt  gegrtlndet  sein  inuss.  Welches  kannte  aber  der  Zweck  der 
lung  einer  hellenischen  Niederlassung  in  Henna  sein  ?  Oßenbnr  nicht  blos. 


H^nna.  Kasmeo«!.  KamarlDa.  Lipara.  143t 

auch  nicht  vorwiegend  ein  nülitfiriscber,  denn  ein  so  entfernter  Posten  ist  ein 
verlorener,  wie  denn  auch  später,  in  einer  uns  unbekannten  Zeit,  Henna  wie- 
der sikelisch  geworden  ist.  Denken  \vir  aber  an  den  Ruhm  der  Hennüischen 
Geßlde  in  der  Geschichte  des  Ackerbaues,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe ,  dass 
die  Syrakusaner  sich  an  diesem  Centralpunkte  des  Demeterkultus'  festsetzten, 
um  hier  ditv  Produkte  der  niitUeren  Landstriche  der  Insel  zu  sammeln ,  die  sie 
dann  weiter  nach  Syrakus  schafften.  In  derselben  Weise  konnte  Äkrai  als 
Stapelplatz  für  das  Korn  und  die  übrigen  Erzeugnisse  der  der  Küste  näheren 
Gegenden  dienen,  und  Syrakus,  wohin  dies  Alles  zusammenOoss,  vermochte  so 
auch  in  der  Ausfuhr  von  landwirthschaftlichen  Produkten  mit  den  durch  die 
Fruchtbarkeit  ihrer  nächsten  Umgegend  begünstigteren  Nachbarstaaten  Leontini 
und  Katana  zu  wetteifern.  Die  meist  spiiteren  Münzen  Henna*s  zeigen  haupt- 
sächlich den  Demeterkopf;  auf  der  ältesten  ist  einerseits  eine  an  einem  Altar 
opfernde ,  verschleierte  Frau  mit  einer  Fackel  in  der  Hand ,  andererseits  eine 
Biga  mit  einer  weiblichen  Figur  darin  dargestellt. 

Die  zwei  später  gegründeten  syrakusanischen  Kolonien  fallen  dagegen  in  die 
Kategorie  der  gewöhnlichen  griechischen  Niederlassungen,  die  sich  an  den  Küsten 
oder  in  ihrer  Nähe  zu  halten  pflegten.  Die  erste  ist  Kasmenai,  das  $0  Jahre 
nach  Akrai  (  Ol.  34,  4  ;  644  vor  Chr.)  entstand  und  vielleicht  oberhalb  der  in 
der  Tiefe  liegenden  Stadt  Scicli  auf  der  Costa  di  S.  Lucia  lag.  Kasmenai  kommt 
nur  sehr  wenig  in  der  Geschichte  vor.  Die  zweite  ist  die  bertthmtei^  Stadt  Ka- 
marina,  435  Jahre  nach  Syrakus,  Ol.  43,  2;  599  vor  Chr.  gegründet.  Es  lag 
auf  einem  80 — 400  Fuss  hohen  Hügel  am  Meere,  zvrischen  den  Mündungen  der 
Flüsse  Oanis  (Frascolaro)  und  Hipparis  (Camarana},  am  Ostlichen  Anfange  der 
grossen  Meeresbucht,  deren  innersten  Punkt  Gela  einnahm,  so  dass  es  nach 
Westen  hin  den  Endpunkt  des  direkten  Einflusses  der  Syrakusaner  bezeichnete. 
Fazell  fand  Grundmauern  von  Gebäuden  der  alten  Stadt  auf  einem  Räume,  der 
einen  Umfang  von  4  Y2  Millien  hatte.  Die  mächtigen ,  bis  in's  tiefe  Meer  hinaus 
sich  erstreckenden  Bafenbauten ,  die  grössten ,  die  er  gesehen  hatte,  waren  im 
Jahre  4  554,  als  er  den  Platz  von  Neuem  besuchte,  verschwunden,  da  man  das 
Material  nach  Terranova  gebracht  hatte.  Munter  sah  nichts  mehr  als  ein  noch 
vorhandenes  Stück  Mauer  von  der  Cella  eines  Tempels.  Fazell  spricht  etwas 
undeutlich  von  einem  burgähnlichen  Orte  nördlich  von  der  Stadt,  der  durch 
seine  Gräbernienge  merkwürdig  sei.  Nach  seiner  Zeit  sind  dann,  besonders  im 
vorigen  Jahrhundert  durch  den  Fürsten  von  Biscari,  überall  um  das  alte  Kama- 
rina  herum  Ausgrabungen  veranstaltet ,  die  prachtvolle  Vasen  in  grosser  Zahl 
an's  Licht  gefördert  haben.  Als  Gründer  Kamarina's  nennt  Thukydides  Daskon 
und  Menekolos. 

Der  charakteristische  Münztypus  Kamarina^s  ist  der  Schwan ,  sonst  aller- 
dings der  apollinische  Vogel ,  hier  aber  wohl  ein  Beprüsentant  des  Sees  Kama- 
rina.  Die  Mitesten  Münzen  haben  auf  dem  Avers  sein  B.ild,  auf  dem  Bevers  ein 
eingeschlagenes  Quadrat. 

Die  letzte  Niederlassung  der  Griechen  ist  endlich  die  auf  den  Liparischen 
Inseln  —  Ol.  50 ;  580  vor  Chr.  — ,  von  deren  Veranlassung  spater  noch  genauer 
die  Bede  sein  wird.  Bhodier  uYid  Knidicr  unter  Pentathlos  hatten  vergeblich  im 
westlichen  Sicilien  eine  Kolonie  zu  gründen  versucht,  die  Phönicier  und  Kar- 


144    Zweites  Bucb.    m.  Pollt  Getob.  d.  *lcU.  Stadt«  bli  i.  Anf.  d.  runften  Jahrh.  v.  Chr. 

thagei-,  Jetzt  zuerst  sich  gegen  das  besljindige  UiDSicIigreifen  der  Hellenen  er- 
mannend, hatten  sie  vertrieben.  Nun  begaben  sie  sich ,  da  Pentathlos  inzw- 
schen,  wie  es  scheint,  gefallen  war,  unter  der  Fuhrung  von  dreien  seiner  Ge- 
fiihrlen,  Gorgos,  Thestor  und  Epithcrsides,  nnch  den  Aeolischen  Inseln,  wo  sie 
von  den  Sikelem,  deren  Zahl  etwa  500  betrug,  freundlich  aufgenommen  wur- 
den. Die  Hauptstadt  Lipnm  lag  an  der  Oslktlste  d«r  gleichnamigen  Insel ,  in 
der  Mitte  einer  Bucht,  welche  durch  nttrdlich  und  südlich  vorspringende  Berge 
gebildet  und  geschützt  wird;  auf  dem  steil  in's  Meer  abfallenden  Vorgebii^e, 
das  heutzutage  das  Castell  der  Stadt  Lipari  trägt,  stand  auch  die  antike  Burg. 
Es  sind  manche  Ueberreste  des  Allerlhums  in  und  bei  Lipara  gefunden  worden. 

Die  Hltnzen  Lipnra's  beweisen,  dass  die  Bürger  haupisilchlich  Hephaislos 
verehrten.  Ausserdem  deuten  Bakchos  und  ein  Schiffsvordertheil  auf  ihre  Er- 
worhsqueljen  zu  Land  und  See  hin. 

Dies  sind  die  hellenischen  Kolonien ,  die  in  einem  Zeilraum  von  mehr  als 
anderthalb  Jahrhunderten,  von  13^— '■'>&(>,  auf  Sicilien  gegründet  wurden 
Ihre  Bflrger  nannten  sich  zum  Unl^rschiede  von  den  Ureinwohnern  der  Insel 
Sikeliolcn,  ebenso  wie  die  U^einv^ohner  Italiens  Italer,  die  hellenisehcn  Bewoh- 
ner des  Landes  dagegen  llaliotcn  hicsscn. 


Drittes  Kapitel. 

Politische  Geschichte  der  sicilisehen  Städte  bis  zdid  Anfange  des 
fBnften  Jahrhnnderta  ror  Chr. 

So  waren  dünn  nun  die  Völkerschaften  auf  Sicilien  angesiedelt,  deren 
Entwicklung  und  deren  Kampfe  die  Gcschidite.  der  Insel  im  Älterthum  aus- 
machen sollten.  Der  zuletzt  gekommenen  ward  alsbald  das  Uebei-gewicbt  zu 
Thcil,  und  alle  Übrigen,  Sikaner  wie  Sikcler,  Elymer  wie  Phanicier,  nmssu>n, 
wenn  nicht  ihren  Waffen ,  so  doch  ihrer  Bildung  sich  unterwerfen.  Die  Ge- 
schichte der  Insel  wird,  seil  die  Griechen  sich  iiuf  ihr  niedergelassen  halten, 
im  Wesentlichen  eine  Geschichte  der  Griechen  daselbst.  Und  da  ist  es  um  so 
mehr  zu  bedauern,  doss  auch  für  diese  in  der  ersten  Zeit,  und  besonders  bis 
zum  Anfange  des  fünften  Jahrhunderts  vor  Chr.  die  Quellen  nur  höchst  dürftig 
fli  essen. 

Einiges  fi'eilich,  was  gewissermassen  die  Grundlage  dieser  Geschichte 
bildet,  lüsst  sich  durch  eine  einfache,  mit  Hülfe  der  Analogie  gezogene  Schluss- 
folgerung ersetzen.  Allen  hellenischen  Kolonien  sind  gewisse  Verhältnisse  ge- 
meinsam. Sie  stehen,  w'o  sie  auch  angelegt  sein  nißgcn,  in  denselben  Beziehun- 
gen zum  Mutlerlande,  und  sie  schalten  sich  in  den  Ländern,  in  denen  sie  liegen, 
Verhältnisse,  welche  im  Wesentlichen  ebenfalls  Überall  dieselben  sind,  ohne 
dass  die  verschiedene  geographische  LUnge  und  Bi-eite  hier  einen  l>edeutenden 
Unterschied  begründete.  Diese  allgemeinen  Verhilltnisse  aller  griechischen 
PHanzsUldte  müssen  also  auch  auf  die  sicilischen  Anwendung  finden. 


\  - 


VorfflssQngszastönde  der  Kolonieo.  145 

Zunächst  ist  bekannt,  dass  die  griechischen  Kolonien  zu  ihren  Mutter- 
stadten  fortwährend  in  dem  Verhaitniss  zu  stehen  pflegten,  welches  die  Liebe 
und  Ehrfurcht  erwachsener  Kinder  zu  ihren  Eitern  begründet.  Sie  hatten  aus 
der  Mutterstadt  die  Kulte  derselben,  meistens  sogar  das  Feuer  aus  ihrem  Pry- 
taneum  mitgenommen ,  sie  nahmen  stets  an  den  hauptsächlichsten  Festen  der- 
selben durch  Gesandtschaften  und  Geschenke  Theil,  und  sie  zeichneten  Bürger 
der  Mutterstadt,  die  den  Festen  der  Kolonien  beiwohnten,  durch  die  Gewährung 
von  Ehrenplatzen  und  einer  besonders  hervorragenden  Theilnahme  an  den 
Opfern  aus.  Indem  die  Kolonie  es  so  der  Mutterstadt  gegenüber  nicht  an 
Aeusserungen  der  Pietät  fehlen  Hess,  war  sie  im  üebrigen  dtirchaus  selbständig. 

Für  die  Rechtsverhältnisse  der  Bewohner  der  Niederlassung  selbst  war 
der  Umstand  massgebend,  dass  die  den  Gniniislock  derselben  bildenden  Aus- 
wanderer von  vornherein  das  gesammte  Landgebiet  unter  sich  getbeilt  hatten 
und  so  die  ausschliesslichen  Grundbesitzer  der  Kolonie  waren ,  während  die 
Ureinwohner  der  in  Besitz  genommenen  Gegenden ,  falls  sie  nicht  vertrieben 
wurden,  in  ein  ähnliches  Verhältniss  zu  treten  pflegten,  wie  das  der  spartani- 
schen. Periöken  oder  gar  Heloten  war;  sie  hatten  das  Land  zu  bestellen  und  viel- 
leicht im  Kriege  als  Leichtl>ewaflFnete  zu  dienen.  So  waren  also  natürlich  nur 
die  Griechen  Bürger  der  Stadt.  Die  Verfassung,  welche  sie  sich  gaben,  war  notb- 
wendig  an  den  verschiedenen  Orten  im  Einzelnen  eine  verschiedene,  im  Grossen 
und  Ganz.en  aber  musste  wenigstens  insoweit  Uebereinstimmung  herrschen, 
dass  auf  Grund  der  gleichen  Gefahr,  die  Alle  im  fremden  Lande  bestanden, 
die  wesentlichsten  bürgerlichen  Rechte  Allen  gleichmässig  gewährt  wurden* 

Aber  dieser  Zustand  der  bürgerlichen  Gleichheit  pflegte  nicht  lange  zu 
dauern.  Wenn  es  sich  zeigte,  dass  die  Niederlassung,  an  einem  passenden 
Orte  mit  Umsicht  angelegt,  Gedeihen  hatte,  so  kamen  bald  aus  Griechenland 
neue  Ansiedler  hinzu,  ,die  in  dem  fremden  Lande  ihr  Glück  zu  machen  ge- 
dachten. Ihrer  Aufnahme  stellten  sich  keine  Hindernisse  entgegen  ;  sie  konnten 
in  der  Stadt  wohnen  und  in  voller  Freiheit  Handel  und  Gewerbe  betreiben, 
aber  Ländbesitz  konnten  sie  nicht  erhalten,  da  bereits  zu  Anfang  alles  Land 
seine  üerren  gefunden  hatte,  und  ebensowenig  dachte  man  in  den  meisten 
Fällen  daran ,  diesen  Ankömmlingen  politische  Rechte  zu  gewähren.  So  war 
aus  der  ursprünglich  auf  allgemeiner  Gleichheit  ruhenden  Verfassung  schnell 
eine  Aristokratie  geworden.  Eine  Zeit  lang  konnte  diese  ungefährdet  und  un- 
bestritten Bestand  haben,  so  lange  nämlich,  als  der  Schwerpunkt  des  Staates 
in  dem  G rundeigen th um  und  seinen  Inhabern  ruhle ;  denn  hierauf  stützte  sich 
die  Aristokratie,  und  die  ackerbautreibenden  Staaten  pflegten  eine  aristokratische 
Verfassung  zu  besitzen.  Nun  waren  aber  die  meisten  Kolonien  durch  ihre  Lage 
an  der  See  wenigstens  ebenso  sehr  auf  Handel  und  SchiflTahrt,  wie  auf  Acker- 
bau angewiesen,  und  Städte,  die  diese  Beschäftigungen  vorzugsweise  bei  sich 
ausbildeten,  waren  für  Verfassungen  denK)kratischer  Art  der  geeignete  Boden. 
Sobald  nun  in  einer  Kolonie  Handel  und  Verkehr  einen  grosseren  Aufschwung 
nahmefi ,  fanden  die  später  hinzugekommenen ,  nicht  mit  Grundbesitz  ausge- 
rüsteten Ansiedler  eine  treffliche  Gelegenheit,  sich  zu  bereichem,  und  der  unter 
ihnen  aligemein  werdende  Wohlstand  lockte  immer  Mehrere  aus  Griechenland 
nach.    So  wuchsen  zugleich  Reichthum  und  Anzahl  der  minder  berechtigten 

Holm,  Gesch.  Siciliens.  L  10 


146    Zweites  Buch.    111.  Polil.  Gescb.  d.  sicil.  SUdle  bis  z.  kat.  d.  tüntten  Jahrh.  v.  Cbr. 

Bürger,  und  die  nolhwendlge  Folge  tlavon  war,  dass  sie  je  langer,  desto  aiehr 
luil  ihrer  abhängigen  und  cinflussloseD  Stellung  im  Slaale  unzufrieden  wurden, 
hie  AoTia  endlich  der  Augenblick  eintrat,  wo  sie  eich  slarii  genug  glaubten, 
«rechliguDg  mit  den  Allhflrgern  fordei'n  zu  kttnnen.  Wenn  dies  geschab, 
ie  Arislokralie  sich  lu  entscheiden ,  ob  sie  durch  Nachgiebigkeit  den  in- 
ieden  erhallen  oder  durch  Kampf  ihre  Vorrechte  bewahren  wolle.  In 
isten  Kulten  entschied  sie  sich  fUr  das  LeUlere.  Nachgiebigkeit  in  Bezug 
politischen  Reihte  der  NeubUrgcr  konnte  diese  dazu  fuhren,  endlifh 
ine  neue  Landtheilung  zu  verlangen ,  und  tlberdies  waren  zu  der  Zeit, 
;  NeubUrger  mit  ihren  Forderungen  aufzutreten  begannen,  ihre  Gegner 
ch  noch  an  wirklicher  Hi<chl  ihnen  überlegen.  So  liessi'n  sie  es  denn 
IS  auf  einen  Kampf  ankommen,  und  es  brachen  bürgerliche  Unnibeo 
s  in  der  Hegel  die  inneren  Verhältnisse  der  StJidte  vollstiindig  umgcstal- 
venn  auch  die  Zeil,  welche  darüber  verOoss,  in  den  vcrschiedeoen  Orten 
der  weniger  lang  war. 

n  schneller  Sieg  des  niederen  Volkes  und  eine  dauernde  Befestigung  der 
'atie  scheint  am  seltensten  den  Ausgang  des  Kampfes  gebildet  zu  haben, 
len  der  Volksherrschaft  brachen,  selbst  fUr  die  Kolonien,  erst  später  an. 
a  Iral  nicht  selten  der  Fall  ein,  dass  man  sich,  wenn  Überdies  die  Ge- 
iaht der  Bürger  sehr  gross  geworden  war,  Über  die  Verpflanzung  cmes 
der  Bürgerschaft  nach  einer  andern  WohnsUtlte  verstund  igte,  dass  man 
ue  Kolonie  gründete,  in  der  dann  natürlich  Gleichheil  unter  den  Er- 
faerrschte.  Indem  so  den  Unzufriedensten  Gelegenheil  gegeben  wurde, 
;m  andei'u  Orte  die  Rechte  zu  erwerben,  welche  sie  zu  Hause  nicht 
erlangen  können,  behauptete  sich  hier  dagegen  die  Arislokralie,  und^e 
ine  Zeit  lang  Ruhe,  bis  die  wieder  zunehmende  Hacbl  der  NeubUi^er 
am ben  herbeiführte.  Weniger  vortheilhaft  für  die  Aristokratie  worein 
■,  ofl  vorkommender  Ausgang  der  l)Urgerlichen  Zwisligkciten.  Ange- 
BUrger  stellten  sich  an  die  Spitze  d<'S  unzufriedenen  niederen  Volkes, 
Beschwerden  sie  Abhülfe  zu  verschaOen  verhtessen,  abei'  sie  benuliten 
^lluDg ,  um  sich  selbst  zu  Herrschern  der  Stadt  zu  machen.  Dit^  sind 
annen,  welche  in  der  Geschichte  des  giiechiscben  Volkes  eine  so  be- 
le  Rolle  spielen.  Die  Art  und  Weise,  auf  welche  sie  zu  ihrer  Macht  ge- 
aren,  hatte  zur  Folge,  dass  sie  allerdings  vorzugsweise  die  Arislokialie 
o ,'  gegen  welche  sie  ja  besonders  sich  ei  hoben  ballen ,  dass  sie  jedoch 
cht  allen  Bestrebungen  des  niederen  Volkes  die  Untei-stützung  gewahren 
I,  welche  dieses  erwartete.  Durch  Gewalt  oder  List  Herrscher  gewor- 
mssten  sie  durch  List  und  Gewall  sich  als  Herrscher  behaupten ,  und 
är  das  niedei-e  Volk  ebenso  sehr  gegen  sie  eingenommen ,  wie  die  Arv- 
:n,  die  sich  ihnen  stets  nur  gezwungen  gefügt  hallen.  Man  verschwor  sich 
na  Sturz,  und  früher  oder  spüler  hatten  die  Verschwörungen  Erfolg.  Nun 
für  die  Bestimmung  der  Verfassung,  die  jetzt  der  Stadt  zu  Theil  werden 
larauf  an,  welche  Partei  am  meisten  zum  Sturze  derTyrannis  beigetra- 
te.  Meistens  war  weder  der  Adel  noch  das  niedere  Volk  müchiig  genu^, 
ieitig  über  die  Ordnung  der  bürgerlichen  Verhallnisse  zu  entscheiden, 
!  Verfassung  wurde  eine  gemischte.    Nicht  seilen  kam  es  auch  vor,  dass 


Syrakus.  Gamoreo.  147 

nach  neuen  Unruhen  neue  Tyrannen  auftraten.  Eine  bessere  und  vortheii- 
hafiere  Art;  den  inneren  Frieden  herzustellen,  bestand  dagegen  in  der  Aus- 
arbeitung eines  neuen  Systemes  der  Gesetzgebung,  und  dieser  Weg  ist  eben- 
falls in  manchen  Kolonien  eingeschlagen  worden.  Sie  knüpft  sich,  entsprechend 
den  Sitten  und  der  Denkweise  des  Alterthums,  in  der  Regel  an  den  Nameti 
eines  einzelnen  Mannes,  der,  mit  heiliger  Autorität  ausgerüstet,  allen  Parteien 
das  Joch  eines  gerechten  und  billigen  Gesetzes  auflegt. 

Dies  sind  die  allgemeinen  GrundzUge  der  ältesten  Verfassungsgeschichte  der 
griechischen  Kolonien.  Was  von  den  sicilischen  aus  der  ersten  Zeit  bekannt  ist, 
passt  vollkommen  zu  diesem  Bilde.  Wir  haben  freilich  nur  von  wenigen  Städten 
def  Inset  etwas  genauere  Nachrichten,  aber  diese  reichen  doch  so  weit,  dass  sie 
das  Vorhandensein  von  Beispielen  der  drei  soeben  besprochenen  Fälle  erkennen 
lassen,  die  als  Folgen  der  inneren  Unruhen  eintreten  konnten. 

Der  zuerst  angeführte  Weg ,  Unruhen  zu  beseitigen ,  vermittelst  der  Aus- 
sendung neuer  Kolonien,  ist  längere  Zeit  mit  Erfolg  von  Syrakus  beschritten 
worden,  das  überdies  am  deutlichsten  einige  der  Elemente  erkennen  lässt, 
welche  nach  unserer  obigen  Darstellung  das  Gemeinwesen  einer  hellenischen 
Kolonie  auszumachen  pflegten.  Hier  finden  wir  in  der  älteren  Zeit  die  Ga- 
moren  oder  Geomoren,  deren  Namen  schon  daraufhindeutet,  dass  sie  die 
Nachkonnmen  der  ursprünglichen  Ansiedler  und  Theilhaber  am  Grundbesitz 
waren.  Ausdrücklich  berichtet  ist,  dass  sie  um  die  45.  Olympiade  die  Herr- 
schaft der  Stadt  in  Händen  hatten.  Es  liegt  nun  die  Schlussfolgerung  nahe,  dass 
sie  sie  von  Anfang  an  gehabt  haben.  Dennoch  hat  neuerdings  die  Ansicht  viel- 
fachen Beifall  gefunden,  dass  zuerst  noch  die  königliche  Würde  in  Syrakus 
bestanden  habe,  was  man  aus  der  Erwähnung  eines  Königs  Pollis  schliesst,  der 
eine  nach  ihm  benannte  Weinarl  nach  Sicilien  verpflanzt  haben  soll.  Indess  ist 
von  diesem  Poliis  ebenso  wenig  bekannt,  wann  er  lebte,  als  es  sicher  ist,  dass 
er  über  Syrakus  herrschte.  Wir  finden  nirgends  Archias  als  König  von  Syrakus 
bezeichnet;  sollte  wirklich  nach  seiner  Zeit  das  Königthum  dort  eingeführt 
worden  sein?  Es  ist  mit  mehr  Wahrscheinlichkeit  hier,  wie  in  andern  sicili- 
schen Städten,  von  Anfang  an  eine  aristokratische  Verfassung  anzunehmen,  die 
wir  uns  so  geordnet  zu  denken  haben ,  dass  aus  den  Ga moren  ausschliesslich 
die  Magistrate  und  die  Mitglieder  des  hohen  Balhes  gewählt  wurden ,  —  wenn 
nicht  etwa  sämmtliche  Gamoren  diesen  letzteren  bildeten  —  während  wir  uns 
zur  Volksversammlung  —  der  Halia  — ,  der  es  freilich  nach  dorischer  Sitte  nicht 
zustand ,  Vorschläge  zu  machen ,  sondern  nur  dem ,  was  die  Obrigkeiten  oder 
der  Bath  vorschlug,  zuzustimmen  oder  es  zu  verwerfen,  auch  die  zweite  Volks- 
klasse, das  nicht  von  den  Gründern  der  Stadt  herstammende  Volk ,  als  mit- 
benifen  denken  mögen.  Ohne  alle  bürgerlichen  Bechte  waren  aber  die  Nach- 
kommen der  unterjochten  Ureinwohner  des  Landes,  die  den  Namen  Kallikyrioi, 
Killikyrioi  oder  Kyllyrioi  führten,  ein  Name,  der  vielleicht  ursprünglich  einem 
Sikelerstamme  eigen  sein  mochte.  Wir  haben  uns  diese  nicht  besser  gestellt  zu 
denken,  als  die  lakonischen  Heloten. 

Es  ist  aus  dieser  älteren  Zeit  eine  Geschichte  erhalten,  die  uns  einen  flüch- 
tigen Bli<5k  in  die  damaligen  Zustände  von  Syrakus  eröffnet.  Ein  angesehener 
Bürger,  Namens  Agathokles,  war  zum  Aufseher  beim  Bau  des  Athenelempels 

>  40* 


148      Zweites  Buch.    III.  Polit.  Gesch.  d.  sicil.  Städte  bis  z.  Anf.  d.  fünften  Jahrh.  v.  Cbr. 

erwählt  worden,  für  welchen  er  die  Steine  von  der  Stadt  geliefert  erhielt.  Von 
diesen  Steinen  nahm  er  zum  Bau  seines  eigenen  Hauses ,  doch  ersetzte  er  den 
Werth  derselben.  Dennoch  betrachteten  die  Götter  seine  Handlung  ^Is  einen 
Frevel,  und  ein  Blitzstrahl  verbrannte  ihn  und  sein  prächtiges  Haus.  Nun  entr- 
schieden  die  Gamoren,  dass  die  Statte  desselben  geweiht  und  dem  profanen 
Gebrauche  entzogen  werden  soüte  —  ein  durch  einen  Blitzstrahl  getroffener 
Ort  (Embrontaion,  bidentalj  war  Griechen  und  ßdmern  ein  heiliger  — ,  und  sie 
verfugten  Uberdiess ;  obwohl  die  Kleronomen ,  die  Finanzverwalter  der  Stadt, 
dem  Agathokles  das  Zeugniss  ausstellen  konnten ,  dass  er  den  Staat  nicht  be- 
naöhtheiligt  habe,  die  Einziehung  seines  Vermögens. 

Es  ist  hier  die  Stellung  der  Gamoren  bemerkenswerth ,  welche  in  dem 
Charakter  eines  besonderen  CoUegiums  erscheinen ;  bemerkenswerth  auch  der 
Name  Kleronomen  für  die  Finanzbehörde,  der  dieselbe  urspiilnglich  und  vorzugs- 
weise mit  der  Beaufsichtigung  der  Landloose  (kleroi)  betraut  kennzeichnete  und 
so  den  grossen  Werth  erkennen  lässt,  den  man  auf  die  Ackerverhäitnisse  legte. 

Wenn  die  Volksmasse  in  Syrakus  zu  gross  und  die  Ansprüche  der  Neu- 
bürger den  Gamoren  zu  lästig  wurden ,  sandte  man  Kolonien  aus.  Schon  bei 
den  ersten  unter  ihnen,  bei  Akrai  und  Henna,  können  diese  Rücksichten  mass- 
gebend gewesen  sein,  obwohl  sie,  wie  wir  sahen ,  als  wirkliche  Vorposten  der 
syrakusanischen  Macht  und  Thätigkeit  zu  betrachten  sind;  sicherlich  ist  aber 
der  Ursprung  der  beiden  letzten,  Kasmenai  und  Kamarina,  auf  Gründe  der  an- 
gegebenen Art  zurückzuführen.  Bei  jener  lässt  sich  überdies  noch  eine  be- 
stimmtere Veranlassung  vermuthen :  die  Vermehrung  der  Volksmenge ,  weldie 
die  Gründung  von  Kasmenai  im  Jahre  644  veranlasste,  kann  mit  dem  etwa 
zehn  Jahre  vorher  eingetretenen  Sturze  der  Bakchiadenaristokratie  in  Korinth 
und  der  Giilndung  der  Tyrannis  des  Kypselos  zusanimenhangen ,  die  manchen 
korinthischen  Mann  in  die  Fremde  und  zumal  nach  Syrakus  getrieben  haben 
mochten.  So  hielt  sich  die  Aristokratie  der  Gamoren  längere  Zeit.  Endlich 
wurde  sie  dennoch  gestürzt ,  und,  wie  es  heisst,  durch  die  Schuld  der  regie- 
renden Klasse  selbst.  Ein  vornehmer  junger  Mann  benutzte  die  Abwesenheit 
eines  Freundes ,  der  ihm  volles  Vertrauen  geschenkt  hatte ,  um  den  Gelieblen 
desselben  für  sich  zu  gewinnen.  Zur  Rache  verführte  der  Gekränkte  die  Frau 
seines  Beleidigiers.  Die  Feindschaft  zwischen  den  Beiden  theiHe  sich  ihren  Sian- 
desgenossen  mit ;  es  bildeten  sich  zwei  Parteien ,  die  sich  heftig  befehdeten. 
Das  minder  berechtigte  Volk  benutzte  die  Gelegenheit,  sich  zu  erheben,  und 
die  Herrschaft  der  Vornehmen  ward  gestürzt.  Wann  dies  geschah ,  ist  nicht 
überliefert ;  wir  vermuthen :  im  Laufe  des  sechsten  Jahrhunderts ,  nach  der 
Gründung  von  Kamanna.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  an  den  Sturz  der 
Herrschaft  der  Gamoren  sich  ein  wichtiger  Fortschritt  von  Syrakus  auf  wirth- 
schaftUchem  Gebiete  geknüpft  hat.  Im  Laufe  des  sechsten  Jahrhunderts  hat 
Syrakus  angefangen,  selbst  zu  münzen;  bis  dahin  hatten  di^  Büi^er  sich  frem- 
der Geldslücke  bedienen  müssen.  Sie  prägten  nun  nach  dem  athenischen,  von 
Selon  eingeführten,  bald  darauf  ein  wenig  geänderten  Münzfusse,  der  in  Grie- 
chenland selbst  in  so  früher  Zeit  keine  Verbreitung  gefunden  hat  und  auch  in 
Sicilien  noch  hinter  dem,  den  chalkidischen  Kolonien  Naxos  und  Zankle^  sowie 
Himera  und,  wie  es  scheint,  Akragas,  ursprünglich  eigenen  äginäischen  zurüdk- 


Akregas.  Phalaris.  '  149 

Stand.  Seine  Annahme  in  Syrakus  kann  kaum  anders  als  durch  eine  daselbst 
eingetretene  Revolution  erklärt  werden ,  die  auch  in  Bezug  auf  den  Verkehr  in 
auffallender  Weise  mit  dem  Hergebrachten  zu  brechen  wünschte.  Es  ist  zu 
vermuthen,  dass  um  dieselbe  Zeit  auch  die  übrigen  dorischen  Kolonien  Siciliens 
begonnen  haben,  Münzen  zu  prägen ,  welche  dem  nachsolonischen  Fusse ,  wie 
Syrakus,  folgen ;  nur  von  Selinus  sind  solonische  Didrachmen  vorhanden. 

So  waren  nun  die  Gamoren  ihrer  Vorrechte  beraubt.  Sie  müssen  versucht 
haben,  sie  wieder  zu  erlangen.  So  entstanden  Unruhen,  in  Folge  deren  sie 
später,  wie  wir  sehen  werden,  aus  der  Stadt  flüchten  mussten. 

In  einem  entschiedenen  Gegensatze  zu  den  Zuständen  von  Syrakus  befan- 
den sich  die  von  Akra  gas.  Hier  trat  nach  sehr  kurzer  Herrschaft  des  Gesetzes 
wahrscheinlich  bei  aristokratischer  Verfassung ,  wie  sie  in  dorischen  Städten 
gebräuchlich  war ,  Tyrannis  ein.  Der  Grund  dieser  auffallenden  Erscheinung 
liegt  darin,  dassAkragas,  von  vornherein  als  Gro$sstadt  angelegt,  eine  gemisch- 
tere Bevölkerung  hatte  als  Syrakus  und  andere  Städte,  eine  Bevölkerung,  welche 
sich  nicht  so  sehr  durch  die  Schranken  des  Herkommens  gebunden  fühlte. 

Die  äussere  Veranlassung  zu  dem  wenig  mehr  als  ein  Jahrzehnt  nach  der 
Gründung  der  Stadt  in  Akragas  eintretenden  Verfassungswechsel  soll  folgende 
gewesen  sein.  Als  die  vorhandenen  Tempel  nicht  mehr  ausreichten  und  der 
Beschluss  gefasst  war,  neue  zu  errichten,  da  wurde  der  Bau  des  bedeutendsten 
derselben,  des  Tempels  des  Zeus  Polieus,  der  sich  mit  einem  Aufwände  von  200 
Talenten  auf  der  Burg  erheben  sollte,  unter  die  Aufsicht  eines  der  angesehensten 
Männer  der  Stadt,  des  Phalaris,  der  als  Zollpächter  bezeichnet  wird,  gestellt. 
Nun  hatten  in  den  hellenischen  Städten  die  Aufseher  Öffentlicher  Bauten,  welche 
für  die  ganze  Dauer  des  betreffenden  Werkes  ernannt  wurden,  einen  sehr  aus- 
gedehnten und  bedeutenden  Wirkungskreis.  Sie  hatten  nicht  blos  die  Arbeit  zu 
vertheilen  und  zu  leiten ;  wenn  unter  den  Arbeitern  Streitigkeiten  ausbrachen, 
so  stand  ihnen  die  Entscheidung  darüber  zu,  und  überdies  hatten  sie  als  Ver- 
walter beträchtlicher  Geldsummen  auf  das  niedere,  von  Handarbeit  lebende 
Volk  einen  grossen  Einfluss.  Es  ist  bekannt,  wie  sehr  die  Verwaltung  dieses 
Amtes  die  Macht  des  Perikles  in  Athen  beforderte ;  wir  haben  soeben  gesehen, 
wie  der  Syrakusaner  Agatbokles  dasselbe  Amt  missbrauchte;  es  kann  also 
keine  Verwunderung  erregen,  wenn  Phalaris  sich  dadurch  sogar  die  Tyrannis 
erwarb.  Auf  die  von  ihm  gemadite  Anzeige ,  dass  von  dem  zum  Bau  auf  der 
Barg  angesammelten  Material  viel  gestohlen  werde ,  erhielt  er  die  Eriaubniss, 
die  Burg  zu  befestigen.  Nun  bewaffnete  er  seine  Arbeiter  und  machte,  als  die 
Bürger  das  Fest  der  Tbesmophorien  feierten ,  einen  so  gut  angelegten  Angriff 
auf  die  Stadt,  dass  er  nach  einem  grossen  Blutbade  Herr  derselben  wurde.  Er 
regierte  über  Akragas  i  6  Jahre,  wie  es  seheint  von  Ol.  52,  3 — 56,  3  (570 — 554 
vor  Chr.).  Phalaris  soll  nicht  nur  das  akragantinische  Gebiet,  sondern  auch  einen 
grossen  Theil  des  übrigen  Siciliens  sich  unterworfen  haben,  und  man  sagte  mit 
einiger  üebertreibung  von  ihm,  wie  später  von  Dionys,  er  habe  die  ganze  Insel 
beherrscht.  Nach  Einigen  hatte  sich  sein  Machtkreis  bis  nach  Leontini  erstreckt, 
was  Verwunderung  erregen  darf,  wahrend  wir  durchaus  keine  Veranlassung 
haben,  2u  bezweifeln ,  dass  die  Sagen,  welche  ihn  mit  Himera  in  Verbindung 
briDgen,  anif  wirklichen  Vorfällen  begründet  sind.    Hier  hatte  Phalaris  bereits 


150     Zweites  Buch.    IH.  Polit.  Gesch.  d.  sicil.  Städte  bis  z.  Anf.  d.  fünnen  Jahrb.  v.  Chr. 

durchgesetzt,  dass  er  zum  Feldherrn  erwählt  wurde;  als  er  aber,  um  der 
Tyrannis  einen  Schritt  nüher  zu  kommen,  eine  Leibwache  verlangte  und  die 
Himeräer  schon  im  Begriff  waren,  seinen  Wunsch  zu  erfüllen,  da  erzählte  ihnen 
der  Dichter  Stesichoros  die  Fabel  von  dem  Pferde ,  das  anfangs  eine  Weide  für 
sich  allein  hatte,  als  aber  der  Hirsch  hinzukam ,  den  Menschen  ersuchte,  ihm 
bei  der  Vertreibung  des  Eindringlings  behUlflich  zu  sein.  Der  Mensch  bestieg 
das  Pferd  und  verjagte  den  Hirsch ,  war  aber  von  nun  an  des  Pferdes  Herr. 
Die  Himeräer  verstanden  den  Wink  und  schlugen  dem  Phalaris  sein  Begehren 
ab.  Besser  gelangen  ihm  seine  Plane  in  den  sikanischen  SUidten,  von  denen  er 
einige  durch  Listen  eroberte,  die  das  Alterthura  der  Erinnerung  werth  gehalten 
hat.  So  schloss  er,  um  eine  feste  Stadt,  die  sich  ihm  mit  Erfolg  widersetzte, 
desto  leichter  unterwerfen  zu  können ,  mit  ihr  ein  BUndniss  und  bat  um  die 
gern  bewilligte  Gunst,  in  einem  besonderen  Gebäude  derselben  eine  groisse  Menge 
Getreide  aufbewahren  zu  dürfen,  wogegen  ihm  dasjenige  geliefert  werden  sollte, 
welches  die  Stadt  in  ihrem  Gebiete  ernten  würde.  Als  der  Vertrag  vollzogen 
war,  gewann  Phalaris  die  Aufseher  des  Speichers  durch  Geld;  sie  durch- 
löcherten heimlich  das  Dach  des  Gebäudes,  und  der  eindringende  Regen  ver- 
darb das  Rom.  Nun  griff  Phalaris  die  Stadt  von  neuem  an,  und  die  Einwohner, 
die  ihr  eigenes  Getreide  an  den  Tyrannen  ausgeliefert  hatten  und  das  ihm  ge- 
hörige verfault  fanden,  mussten  sich  bald  ihrem  Feinde  eingeben.  —  Eine  andere 
List  ersann  er,  um  die  vom  Könige  Teutes  regierte  Stadt  Uessa  zu  erobern. 
Er  bat  um  die  Hand  der  Tochter  des  Königs ,  und  als  sie  ihm  bewilligt  war, 
schickte  er  in  der  Verkleidung  von  Weibern,  welche  die  Braut  bedienen  sollten, 
Soldaten  nach  Uessa ,  die  sich  ohne  Mühe  der  Stadt  bemächtigten.  —  Am  be- 
kanntesten ist  aber  der  Name  des  Phalaris  durch  seine  Grausamkeit;  er  eröffnet 
mit  seiner  sagenhaften* Gestalt  die  Reihe  der  im  Alterthum  sprichwörtlich  ge- 
wordenen siciiischen  Tyrannen.  Womit  man  sein  Andenken  belasten  zu  dürfen 
glaubte,  beweist  der  Umstand,  dass  man  von  ihm  sagte,  er  habe  als  vollendeter 
Kannibale  Säuglinge  schlachten  lassen  und  verzehrt;  aber  solche  offenbar  erfun- 
dene Geschichten  haben  doch  nicht  dieselbe  Gunst  bei  der  Nachwelt  gefunden, 
wie  die  von  seinem  Stier.  Es  soll  ein  aus  Athen  gebürtiger  Künstler,  Namens 
Perilaos  oder  Perillos,  ihm  einen  inwendig  hohlen  Stier  aus  Erz  gemacht  haben, 
um  in  denselben  die ,  welche  der  Tyrann  tödten  lassen  wollte ,  zu  werfen ; 
durch  darunter  angelegtes  Feuer  wurde  der  Stier  glühend  gemacht  und  ver- 
brannte die  Opfer,  deren  Wehgeheul  überdies  durch  eine  künstliche  Vorrichtung 
des  Perilaos  wie  Stiergebrüll  klang.  Phalaris,  der  das  Werk  des  athenischen 
Künstlers  gern  annahm,  belohnte  ihn  für  seine  Erfindung  dadurch,  dass  er  ihn 
zuerst  in  seinem  Stier  braten  Hess;  ein  Zug  roher  Gerechtigkeit,  wie  er  sich  in 
ähnlicher  Weise  auch  in  anderen  Sagen  von  grausamen  Tyrannen  findet.  Der 
Stier  ward  auf  einer  Burg  im  Gebiete  von  Akragas  aufgestellt,  welche  davon 
den  Namen  Eknomos ,  die  Gesetzlose,  empfing.  So  lautet  die  Sage  vom  Stiere 
des  Phalaris,  die  die  Alten,  mit  Ausnahme  des  Timaios,  allgemein  für  wahr 
hielten.  Timaios  widersprach  besonders  der  Behauptung,  dass  die  Wahrheit 
der  Tradition  durch  das  wirkliche  Vorhandensein  des  Stieres  bewiesen  werde. 
Man  versicherte,  dass  das  Erzbild  von  den  Karthagern,  als  sie  Akragas  erobert 
hatten,  mit  anderer  Beute  nach  Karthago  geschafft  worden  sei ;  Timaios  dag^en 


Phalaris,  151 

behauptete,  der  in  Karthago  befindliche  Stier  stamme  gar  nicht  aus  Akragas. 
Der  eifrige  Gegner  des  sicilischen  Historikers ,  Polybios,  hatte  später,  als  der 
jüngere  Scipio  Karthago  erobert  hatte,  die  Genugthuung,  auch  in  diesem  Punkte 
den  ihm  verhassten  Mann  eines  Irrthums  zeihen  zu  können.  Er  constatirt  mit 
Befriedigung,  dass  der  eherne  Stier,  der  als  der  des  Phalaris  betrachtet  wurde, 
und  den  Scipio  den  Akraganlinem  zurückgab,  noch  die  Klappe  an  der  Schulter 
hatte,  durch  weiche  die  Opfer  hineingebracht  worden  seien.  Es  ist  jedoch  klar, 
dass  hierin  kein  Beweis  für  die  Wahrheit  der  Sage  liegt,  denn  das  für  den  Stier 
des  Phalaris  gehaltene  Erzbild  in  Karthago  konnte  ja  ein  zu  Molochopfem  ge- 
brauchter, ursprünglich  karthagischer  Stier  sein.  Nach  Anderen  blieb  der  Stier 
des  Tyrannen  in  Akragas,  wogegen  wieder  geltend  gemacht  wurde,  dass  dies 
Werk  nichts  Anderes  als  ein  Bild  des  Flusses  Gela  gewesen  sei ;  den  achten  Stier 
des  Phalaris,  wurde  hinzugefügt,  hatten  die  Akragantiner  nach  dem  Sturze  des 
Tyrannen  in's  Meer  geworfen.  —  Im  Uebrigen  weiss  die  Sage  nur  wenig  aus 
dem  Leben  des  Tyrannen  zu  berichten.  Als  er  einmal  erfuhr,  dass  viele  Bürger 
von  Akragas  Waffen  in  ihren  Häusern  verborgen  hatten ,  lockte  er  sie  unter 
dem  Vorwande  gymnischer  Spiele  vor  die  Stadt  und  liess  indessen  die  Waffen 
aus  den  Häusern  wegnehmen.  Einigen.  Verschwörungen  entging  er  glücklich 
und  zeigte  sich  dabei  in  einem  Falle  nicht  so  grausam,  wie  man  nach  seinem 
Rufe  erwarten  sollte.  GharitonundMelanippos,  die  eng  mit  einander  befreundet 
waren ,  und  von  denen  der  letztere  in  einer  Streitsache  gegen  einen  Vertrauten 
des  Tyrannen  nicht  hatte  Recht  erhalten  können,  hatten  sich  zu  seinem  Unter- 
gange  verschworen.  Aber  Chariten,  der  seinen  Freund  nicht  in's  Unglück  stür- 
zen wollte,  beschloss,  dieThat  allein  auszuführen.  Sein  Vorhaben  wurde  jedoch 
entdeckt  und  er  selbst  in's  Geföngniss  geworfen.  Auch  unter  Martern  wollte  er 
keine  Mitverschworenen  nennen.  Da  gingMelanippos  zum  Tyrannen ,  erklärte 
sich  für  den  eigentlichen  Urheber  des  Planes  und  forderte,  allein  bestraft  zu 
werden.  Phalaris  bewunderte  die  aufopfernde  Liebe  der  beiden  Freunde  und 
schonte  ihr  Leben  unter  der  Bedingung,  dass  sie  Sicilien  verliessen.  Die  Pythia, 
die  Feindin  aller  Gewallherrscher,  pries  die  That  der  Freunde;  Zeus  aber  ver- 
längerte zum  Lohne  für  die  Menschlichkeit  des  Tyrannen  sein  Leben  noch  um 
zwei  weitere  Jahre.  Endlich  erreichte  den  Phalaris  doch  die  Rache  seiner  Feinde. 
Er  sah  einst  einen  Raubvogel  eine  Schaar  Tauben  verfolgen  und  that  die  un- 
vorsichtige Aeusserung,  sie  könnten  ihren  Feind  woiil  besiegen,  wenn  sie  nur 
Muth  hütten.  Unter  der  Anführung  des  Telemachos  ermannten  sich  die  Akra- 
gantiner wirklich  und  stürzten  den  Tyrannen,  der,  wie  ^es  heisst,  mit  den 
Seinen  in  seinem  eigenen  Stier  verbrannt  wurde.  Die  Erbitterung  gegen  das 
Andenken  des  Phalaris  war  so  gross,  dass  es  verboten  wurde,  blaue  Kleider  zu 
tragen,  weil  dies  die  Farbe  der  Leibwache  des  Tyrannen  gewesen  war. 

Es  ist  natürlich  Vieles  von  dem ,  was  ich  soeben  aus  Phalaris'  Leben  nach 
den  Berichten  des  Altertbums  milgetheilt  habe,  erdichtet,  und  Manches  stimmt 
mit  Begebenheiten  aus  dem  Leben  anderer  Tyrannen ,  z.  B.  des  Dionys,  über- 
ein ;  dennoch  ist  nicht  zu  läugnen,  dass  ein  Kömlein  Wahrheit  zu  Grunde  liegen 
moss.  Ohne  Zweifei  waf  Phalaris  sehr  grausam,  obschon  keineswegs  sicher 
ist ,  dass  er  wirklich  einen  Stier  zu  dem  angegebenen  Zwecke  gebraucht  hat. 
Die  Widersprüche  in  Betreff  der  späteren  Schicksale  des  Stieres  sind  bereits 


152    Zweites  Buch.    III.  Polit.  Ge'sch.  d.  sicil.  St&dte  bis  z.  Anf.  d.  fünften  Jahrb.  y.  Chr. 

besprochen.  A))er  abgesehen  von  den  Zweifeln,  die  so  auf  die  Existenz  des  Mar- 
terinstrumentes fallen,  .Hesse  sich  die  Ansicht  begründen,  dass  die  Sage  nur  auf 
der  Thatsache  beruhte,  dass  Phalaris  Molochdienst  in  Akragas  eingeführt  oder 
geduldet  habe.  Das  Molochbiid  der  alten  Israeliten  hatte  einen  Ochsenkopf  und 
briet  auf  seinen  glühenden  Armen  die  zum  Opfer  daiigebrachten  Kinder;  der 
karthagische  Moloch  liess  die  Kinder  von  seinen  Armen  in  einen  FeuerschluDd 
rollen,  und  die  kretischen  Sagen  von  dem  Mjnotauros,  der  Henschenopfier  for- 
dert, und  von  dem  ehernen  Riesen  Talos,  der  die  auf  der  Insel  landenden 
Fremden  in  seinen  feurigen  Armen  tödtet,  weisen  auf  Aehnlidies  hin.  So  wür- 
den sich  die  beiden  Züge  der  Phalarissage  erklären ,  dass  der  Tyrann  Fremde 
und  Kinder  getödtet  habe.  Doch  wie  dem  auch  sein  mag ,  wichtiger  für  die 
Geschichte  der  Insel  ist  die  Machtstellung  des  Phalans  in  Sicilien.  Es  darf  als 
richtig  angenommen  werden,  dass  der  Tyrann  über  einen  nicht  geringen  Theil 
der  Insel  gebot.  Dann  entsteht  aber  die  Frage ,  ob  nichts  Anderes  in  seiner 
Handlungsweise  und  seinem  Auftreten  war,  was  bewirkte ,  dass  man  sich  an 
ihn  anschloss.  Wenn  wir  nicht  irren,  deuten  zwei  der  von  ihm  erzählten  Ge- 
schichten darauf  hin ,  dass  er  für  die  unterworfenen  Städte  mehr  sein  wollte, 
als  blosser  Zwingherr.  Er  lässt  sich  von  den  Himeräem  zumFeldheim  erwöhlen, 
er ,  der  eine  weit  von  Himera  entfernte  Stadt  beherrscht.  Das  ist  nur  dann, 
aber  dann  auch  vollkommen  erklärlich ,  wenn  wirklich  ein  mächtiger  Feind  da 
war,  den  die  Himeräer  zu  fürchten  hatten.  Und  nur  durch  dieselbe  Voraus- 
setzung lässt  es  sich  erklären,  wie  er  in  einer  sikanischen  Stadt  sich  ein  Korn- 
magazin anlegen  kann.  Nun  traten,  wie  wir  bald  sehen  werden,  gerade  zur 
Zeit  des  Phalaris  die  Phönicier  und  Karthager  ktlhner  und  unternehmender  in 
Sicilien  auf,  als  früher;  dürfen  wir  nicht  annehmen ,  dass  dies  der  gemein- 
scbaftliche  Feind  yon  Griechen  und  Sikanern  war,  gegen  den  Phalaris  kämpfen 
wollte  oder  zu  wollen  vorgab?  Diese  Annahme  erklärt  aufs  Beste  sowohl  die 
sonst  dunkeln  Züge  der  beiden  Geschichten ,  als  das  grosse  Ansehen ,  das  der 
Tyrann  von  Akragas  eine  Zeitlang  besessen  zu  haben  scheint;  sie  zeigt  ihn  in 
einer  historischen  Zeit  als  einen  nicht  blos  mährchenhaften  Charakter.  Phalaris 
wird  so  ein  rechter  Vorläufer  der  späteren  Tyrannen  der  Insel,  insbesondere  des 
Dionys,  dessen  Hauptbedeutung  für  die  Geschichte^  ebenfalls  in  der  Sammlung 
der  Kräfte  der  Insel  gegen  die  Punier  besteht.  In  diesem  Zusammenhang  ist  es 
denn  auch  nicht  ohne  Bedeutung,  dass  Phalaris  wie  Dionys  eine  besondere  Sorg- 
falt auf  die  Erßndung  von  Kriegsmaschinen  verwandte.  Eine  Spar  seiner  Thä- 
tigkeit  haben  wir  in  dem  Namen  des  Kastells  Phalarion ,  Ostlich  vom  Himera, 
wahrscheinlich  dem  heutigen  Monte  Gallodoro,  etwa  5  M.  von  Licata. 

Ob  Telemachos,  nachdem  er  die  Stadt  vom  Tyrannen  befreit,  selbst  an  die 
Spitze  des  Staates  getreten  ist,  wissen  wir  nicht.  Bald  nachher  aber  finden  wir 
in  Akragas  einen  neuen  Herrseber,  Alkamenes,  auf  den  Alkandros  folgte. 

Wie  in  Akragas  kam  es  auch  in  Gela  schon  zur  Einsetzung  einer  Tyran- 
nis,  als  Syrakus  noch  frei  war,  wenngleich  die  akragantinische  Tyrannis  der  in 
Gela  um  mehr  als  50  Jahre  voranging.  Zuvor  aber  hatte  die  Stadt  bereits 
manche  innere  Bewegungen  durchgemacht,  von  dene^  eine  durch  ihren  eigen- 
thümlichen  Ausgang  etwas  genauer  bekannt  geworden  ist.  Eine  Anzahl  Geloer 
nämlich,  die  zur  unterliegenden  Partei  zählte,  sog  sich  nach  Maktorion  surüok, 


Gela.  Selinus.  Leontini.  Katatia.  Charondas.  153 

einem  oberhalb  Gela's  gelegenen  Orte,  wie  Herodot  sagt,  also  vielleieht  dem 
heutigen  Gasielluzzo.  Hier  nahmen  sie  eine  drohende  Stellung  gegen  Gela  ein, 
etwa  wie  die  Plebejer  auf  dem  heiligen  Berge  gegen  Rom.  Man  sah  nicht,  wie 
der  Streit  gütlich  beigelegt  werden  könnte,  als  Telines,  ein  Geloer,  dessen  Ahn- 
herr aus  der  nahe  beim  triopischen  Voi^ebirge  liegenden  Insel  Telos  mit  den 
Rhodiern  und  Kretern  zur  Gründung  Gela's  nach  Sicilien  gekommen  war',  mit 
den  Symbolen  und  Opfergeräthen  der  triopischen  Erdgottheiten  sich  zu  den 
Abgefallenen  begab  und  durch  die  Erregung  ihrer  religiösen  Gefühle  sie  zur 
Rückkehr  nach  Gela  bewog.  Zum  Danke  für  die  Rettung  des  Staates  übertrugen 
die  Geloer  dem  Telines  und  seiner  Familie  das  erbliche  Priesterthum  der  Gott- 
heiten, mit  deren  Hülfe  er  den  Bürgerkrieg  verhindert  hatte,  und  die  bis  dahin 
vielleicht  nur  in  seinem  Hause  verehrt  worden  waren.  Herodot  fügt  die  Bemer^ 
kung  hinzu,  dass  dieser  Mann,  dem  man  nach  seiner  That  ein^n  sehr  kräftigen 
Charakter  zuschreiben  würde ,  nach  den  sicilischen  Berichten  von  weichlichem 
und  weibischem  Sinne  gewesen  sei.  Während  nun  diesmal  noch  die  Freiheit 
der  Bürger  unangetastet  geblieben  war,  gelang  es  im  Jahre  504  vor  Chr.  dem 
Kleandros,  dem  Sohne  des  Pantares,  sich  zum  Tyrannen  von  Gela  zu  machen ; 
von  seiner  Geschichte  wird  später  die  Rede  sein. 

Auch  in  Selinus.  finden  wir  bereits  in  dieser  Periode  einen  Tyrannen, 
den  Peithagoras,  auf  den  wir  wieder  zurückkommen  werden ;  ob  auch  Theron, 
der  nicht  mit  dem  berühmteren  Akragantiner  verwechselt  werden  darf,  ihr 
ang^ört,  ist  weniger  sicher. 

Jetzt  haben  wir  uns  zu  einer  dritten  Gruppe  von  sicilischen  Städten  zu 
wenden,  zu  den  chalkidüschen.  Auch  hier  bestand  in  alter  Zeit  Aristokratie  oder 
Oligarchie,  wie  dies  nach  der  Verfassung  von  Ghalkis,  wo  der  Adel  der  Hippo- 
boten  herrschte,  zu  erwarten  war.  Auch  hier  kam  es  zu  Streitigkeiten  zwischen 
Adel  und  Volk,  und  aus  Volksftlhrem  wurden  Tyrannen.  So  machte  sich  in  Hi- 
rne ra  Terillos  zum  Alleinherrscher  —  erst  um  die  Zeit,  da  Kleandros  in  Gela  als 
Tyrann  auftrat  —  und  in  L conti ni  Panaitios,  der  als  der  älteste  sicilische  Ty- 
rann gilt,  da  er  von  Eusebios  ijnLdas  Jahr  608  vor  Chr.  (Ol.  43,  J)  gesetzt  wird. 
Dieser  war  Polemarch  der  Leontiner,  als  die  Stadt  mit  den  Megarern  Krieg 
führte.  Er  verdächtigte  die  reichen  Ritter  bei  dem  ärmeren  Fussvolke,  dass  sie 
einen  unbilligen  Vortheil  aus  dem  Kriege  zögen,  und  als  er  die  niederen  Bürger 
hinlänglich  gegen  die  Vornehmen  aulgeregt  hatte,  veranstaltete  er  vor  den 
Thoren  der  SUidt  eine  Musterung,  bei  der  die  Reiter  Pferde  und  Waflfen  zur 
Inspection  abgeben  mussten.  £r  hatte  ihre  Diener  gewonnen ,  die  nun  nebst 
600  Leichtbewaffneten  ihre  Herren  überfielen  und  niedermachten.  So  wurde 
Panaitios  Tyrann  von  Leontini.  Aber  zu  diesen  Erscheinungen,  die  in  Leontini 
und  Himera  ähnliche  Verhältnisse  zeigen,  wie  in  Akragas  und  Gela,  kommt  in 
den  chalkidisohen  Städten  noch  etwas  Neues  hinzu ,  die  Abfassung  einer  das 
ganze  Leben  regeind^a  Gesetzgebung.  Das  grossartigste  Beispiel  einer  solchen 
war  bis  dahin  in  Hellas  von  einem  dorisch^i  Staate  dtu*ch  die  Gesetzgebung 
des  Lykurgos  aufgestellt  worden,  und  so  wird  denn  auch  die  des  Charondas 
von  Katana ,  um  welche  es  sieh  hier  handelt,  auf  dorischen  Ursprung  zurück- 
geftahrt.  Dena  von  dem  kretischen  Weisen  und  Sänger  Thaletas,  dem  man  einen 
grossen  Einfluss  auf  Lykurgos  zuschrieb,  soll  Zaleukos  von  Lokri  seine  Weis** 


154    Zweites  Buch.    III.  Polit.  Gesch.  d.  «ii^l.  Sudte  bU  i.  Anf.  d.  rUnflen  Jshrh.  v.  Cbr. 

l  haben ,  und  von  diesem  wieder  Charondas.  Leider  ist  Über  die 
wie  über  die  Thmigkeit  des  Charondas  wenig  mit  Sicherheil  aus 
liten  der  Alten  zu  entnehmen.  Mit  Enischiedenheit  ist  [reiiich  die 
Diodor  zurückzuweisen,  der,  wie  er  Zateukos  für  einen  Schüler  des 
trklQrt,  so  Charondas  in  das  fUnfle  Jahrhundert  vor  Chr.  -  versetzt 
irger  der  Stadt  Thurioi  macht,  der  er  Gesetze  fiegeben  habe.  Dass 
in  Kalantter  war  und  Kaiana  Gesetze  gab,  steht  durch  Aristoteles 

£usebios.den  Zaieukos  der  29.  Olympiade  (6Gi  vor  Chr.  i  zuweist, 
hts  einzuwenden  ist,  so  dUrfeu  wir  Charondas,  der  so  oft  mit  Za- 
nmen  genannt  wird,  ein  wenig  später  setzen.  Von  seinen  sönstif!cn 
anden  wissen  wir  nur,  dass  er,  aus  Katana  verbannt,  nach  Bbegion 
<n  seine  Gesetze  ebenfalls  einbUi^erte.  Von  seinem  Tode  erzahlt 
ndes.  Charondas  halte  das  Gesetz  gegeben,  dass  Niemand  bewaUhet 
Versammlung  erseheinen  solle,  und  Uberlrat,  als  er  einen  Zug  gegen 
acht  hatte,  sein  eigenes  Verbot,  indem  er  schnell,  ohne  an  das 
s  er  tmg,  zu  denken,  in  die  Volksversammlung  eilte.    Jemand  rief 

übertrittst  dein  Gesetz,  Charondas  I  Nein,  erw lederte  er,  ich  be- 
ielmehr,  zog  sein  Sdiwert  und  tödlete  sich  auf  der  Stelle.  Abge- 
I,  dass  Diodor  diese  Geschichte  von  dem  thurischen  Gesetzgeber 
as  nicht  hindern  würde,  sie  von  dem  Kalanüer  zu  verstehen,  wird 
1  Zaleukos  und  dem  Syrakusaner  Diokles  erzahlt,  so  dass  dahin- 
>en  muss ,  wem  sie  eigentlich  zukommt.  Einen  wichtigeren  Auf— 
'  die  Verhältnisse  des  Charondas ,  als  diese  Nachrichten ,  giebt  der 
tsetzgebers  selbst,  der  kein  ionischer  ist,  wie  die  chalkidische  Stadt, 
mgehdrt,  erwarten  Hesse ,  sondern  ein  dorisch-aolischer,  und  an 
imen,  wie  Epaminondas,  erinnert.  Charondas  war  also  kein  Chal- 
erkunft,  und  so  erklärt  sich,  wie  die  ionische  Stadt  Kaiana  zu  einer 
lg  kam ,  die  in  ihrem  Geiste  mehr  mit  den  berühmten  dorischen 
Igen  übereinstimmte. 

'ober.die  Nachrichten  über  das  Werk  des  Charondas  nehmen?  Di<^- 
anches  aus  den  Gesetzen  des  Thuriers  mit.  G^bDrt  dies  Thurioi 
atanäischen  Charondas  an?  Einiges  offenbar  dem  letzteren,  da 
Dichtem,  in  denen  sein  Name  genannt  ist,  sich  auf  diese  Gesetze 
^ber  darf  man  von  dem  Theil  auf  das  Ganze  schliessen  ?  Sodann 
lei  Stobaios  die  angebliche  Einleitung  zu  den  Gesetzen  des  Charon- 
in  der  vorliegenden  Form  ist  sie  sicher  nicht  acht ,  nicht  weil  sie 
dorischen  Dialektes  tragt,  denn  der  wäre  für  Gesetze  des  Charondas 
emessen,  sondern  gewisser  Ausdrücke  wegen,  die  so  nicht  im  Ur- 
amen  konnten.  Ist  indess  darum  das  ganze  Stück  auch  seinem  In- 
unaditf    Endlich  finden  sich  vereinzelte  werthvolle  Nolizen  bei 

Wenn  indess  dieser  so  glaubwürdige  SchriftsteUer  sagt,  dnss  von 
lur  ein  wirklich  neues  Gesetz  herrlihre,  was  sollen  wir  dann  von 
n  bei  Diodor  urtheilen,  die  offenbar  viel  Neues,  nur  gerade  das  von 
lH geführte  nicht,  enthalten?  So  ist,  wohin  wir  blicken,  Unsicherheit 
iken,  und  wir  können  wenig  mehr  thun,  als  unter  Angabe  der 
imtnenslellen,  was  dem  Charondas  zugeschrieben  wird. 


/  Charondas.  155 

Durch  Arbtoteies  wissen  wir,  dass  er  für  die  Hausgenossen  einen  beson- 
deren Ausdruck,  homosipyoi,  d.  h.  die  aus  demselben  Brodkorb  Essenden, 
halte,  eine  Hindeutung  darauf,  dass  ihm  das  Haus  als  die  rechte  Grundlage  des 
staatlichen  Lebens  ^alt.  Nach  demselben  gestattete  seine  Gesetzgebung  Aer«- 
meren,  Aemter  und  Richterstellen  auszuschlagen,  welche  Reichere  annehmen 
mussten.  Aristoteles  giebt  endlich  die  Klage  wegen  falschen  Zeugnisses  als  die 
einzige,  Charondas  eigenthttmliche  Einrichtung  an. 

Diodor  hebt  eine  Anzahl  von  Bestimmungen  des  Charondas  hervor,  die  ihm 
besonders  merkwtlrdig  erscheinen.  Zuerst  die ,  dass  ein  Wittwer  seinen  Kin- 
dern keine  Stiefmutter  geben  darf,  bei  Verlust  der  bürgerlichen  Rechte.  Sodann 
dürfen  diejenigen ,  welche  falscher  Anklagen  überführt  sind ,  nicht  anders  als 
mit  einem  Tamariskenkranze  öffentlich  erscheinen.  Es  steht  Strafe  darauf,  mit 
Schlechten  Umgang  zu  haben.  Der  Staat  sorgt  durch  öffentlich  angestellte  Lehrer 
dafür,  dass  alle  Kinder,  auch  die  der  Unbemittelten,  Lesen  und  Schreiben 
lernen.  Sehr  klug  ausgedacht  ist  das  Gesetz  über  die  Sorge  für  die  Waisen. 
Während  nämlich  das  Vermögen  derselben  den  Verwandten  väterlicherseits 
zur  Verwaltung  übertragen  wird,  werden  sie  selbst  den  mütterlichen  Ver- 
wandten zur  Pflege  anvertraut,  eine  Anordnung ,  wovon  Folgendes  der  Grund 
ist.  Im  Falle  des  Todes  des  Kindes  wurden  die  väterlichen  Verwandten  Erben ; 
indem  sie  also  das  Vermögen  der  Waise  verwalten,  behüten  sie  etwas,  das 
vielleicht  ihnen  selbst  zufallen  wird ,  und  sie  behüten  es  deshalb  gut ;  aber 
eben  deswegen  sind  ihnen  die  Kinder  selbst  zur  Obhut  nicht  übergeben,  damit 
nicht  ihre  Tugend  auf  eine  zu  harte  Probe  gestellt  werde.  Solche,  die  im  Kriege 
ihren  Posten  feige  verlassen^  hatten  ,  mussten  drei  Tage  lang  in  Weiberkleidem 
auf  dem  Markte  sitzen.  Endlich  hatte  Charondas,  um  unüberlegten  Abände- 
rungen seiner  Gesetze  einen  Damm  entgegenzustellen ,  die  strenge  Verfügung 
getroffen,  dass,  wer' eine  Veränderung  vorschlagen  wollte,  mit  der  Schlinge  um 
den  Hals  in  die  Volksversammlung  kommen  musste ,  um ,  wenn  sein  Antrag 
nicht  angenommen  wurde ,  sogleich  den  Tod  zu  erleiden.  Wir  dürfen  die  drei 
Anekdoten,  welche  Diodor  als  die  einzigen  Fälle  glücklicher  Gesetzveränderung 
in  Thurioi  vorträgt ,  hier  um  so  weniger  mittheilen ,  da  diese  Verordnung  an- 
derswo dem  Zaleukos  zugeschrieben  wird. 

Endlich  haben  wir  noch  das  angebliche  Prooemium  des  Charondas  bei 
Stobaios.  Es  beginnt  mit  der  Hinweisung  auf  Gott,  den  Ursprung  aller  Dinge, 
von  dessen  Gemeinschaft  die  Schlechten  ausgeschlossen  seien,  weshalb  man 
das  Böse  meiden  müsse.  Dann  wird  Achtung  und  Liebe  zu  guten  Men- 
schen eingeschärft  und  Hülfsberei tschaft  gegen  Mitbürger  und  Fremde,  wobei 
an  die  allgemeine  Verehrung  des  gastlichen  Zeus  erinnert  wird.  Die  Aelteren 
sollen  den  Jüngeren  mit  gutem  Beispiel  vorangehen.  Mässigung  ist  vor  Allem 
nöthig.  Der  Obrigkeit  sollen  die  Bürger  mit  Ehrfurcht  gehorchen,  die  Obrigkeit 
aber  die  Büi^er  wie  ihre  Kinder  behandeln.  Die  Reicheren  müssen  den  Bedürf- 
tigen helfen,  ausgenommen,  wenn  diese  durch  ein  schledites  Leben  arm  ge- 
worden sind.  Ein  Jeder  ist  verpflichtet,  das  Schlechte,  das  er  absichtlich  be- 
gehen sieht ^  zur  Anzeige  zu  bringen.  Besonders  wird  der  Tod  für^s  Vaterland 
gepriesen ;  die  Todten  sollen  nicht  mit  Wehklagen ,  sondern  durch  ein  gutes 
Andenken  und  durch  jährliche  Opfer  der  Früchte,  welche  die  Jahreszeit  bringt, 


156    Zweites  Buch.    III.  Polit.  Gesch.  d.  sicii.  Sttfdte  Iris  z.  Anf.  d.JüoOeD  Jaiirh.  v.  Chr. 

gefeiert  werden.  Die  PrivathSliiser  dürfen  Dicht  prächtiger  sein  als  Tempel  und 
öffentliche  Gebäude.  Unsittliche  Reden  sind  ebenso  strenge  verboten  wie  un- 
sittliche Handlungen.  Tadelnswerth  ist,  wer  seinen  Kindern  eine  Stiefmutter 
in's  Haus  bringt.  Die  Prooemien,  heisst  es  zuletzt ,  sollen  alle  Bürger  aus- 
wendig wissen,  und  bei  Gastmählern  soll  sie  der  von  dem  Wirth  dazu  Bezeich- 
nete nach  den  an  die  Götter  gerichteten  Paanen  hersagen. 

Von  dem  hier  Angeführten  stimmt  das  über  die  Ehrfurcht  gegen  die  Obrig- 
keit Gesagte  mit  einer  Aeussening  Gicero's  über  eine  Vorschrift  des  Gharondas 
Uberein,  und  das  zuletzt  Bemerkte  von  dem  Vortrage  seiner  Gesetze  wird  durch 
die  Nachricht  bestätigt ,  dass  sie  auch  in  Athen  beim  Weine  gesungen  seien. 
Dass  Vieles  von  den  Vorschriften  des  .Gharondas  in  die  Gesetzgebung  von 
Thurioi  überging,  ist  wahrscheinlich ;  aus  Aristoteles  wissen  wir,  dass  ausser 
Katana  auch  andere  chalkidische  Städte  in  Sicilien  and  Italien  die  Gesetze  des 
Gharondas  hatten.  Eigenthümlich  ist ,  dass  die  Hauptstadt  von  Kappadoden, 
Mazaka ,  sie  ebenfaHs  angenommen  hatte.  Hier  war  ein  Nomode ,  d.  h.  Vor- 
sänger der  Gesetze,  mit  ihrer  Auslegung  betraut. 

Die  Gesetzgebung  des  Gharondas  war  eine  jener  alten  Gesetzgebungen^ 
die  das  ganze  menschliche  Leben  einer  festen  Reg^  unterwarfen  und  also  einen 
nicht  blos  politischen  Gharakter  hatten.  So  konnten  ihre  Grundzüge  ebenso- 
wohl für  das  aristokratische  Katana,  wie  für  das  demokratische  Thunoi  passen, 
wenn  sie  gleich  mit  ihrem  conservativen  Charakter  für  jenes  angemessener  sein 
mochten,  als  für  dieses. 

Dies  ist  das  Wenige,  was  über  die  Verfassungen  und  das  innere  politisdie 
Leben  der  hellenischen  Kolonien  Siciliens  in  der  Zeit  bis  zum  Beginne  des  fünften 
Jahrhunderts  vor  Chr.  bekannt  ist.  Man  sieht,  wie  viele  Fragen  unbeantwortet 
bleiben,  lieber  die  äusseren  Beziehungen  derselben  sowohl  untereinander,  als 
zu  den  fibrigen  Bewohnern  der  Insel  ist  noch  weniger  zu  sagen  möglich. 

Die  Machtstellung  der  Städte  kann  nur  errathen  werden.  Wir  glauben 
Syrakus  in  einer  nicht  unbedeutenden,  wenngleich  etwas  schwerfälligen  Macht 
zu  erblicken ;  die  chalkidischen  Städte  scheinen  mehr  mit  inneren  Angelegen- 
heiten als  mit  den  Beziehungen  nach  aussen  beschäftigt;  Akragas  endlich  tritt, 
kaum  gegründet,  als  eine  Grossstadt  von  bedeutenden  Ansprüchen  und  un- 
ruhiger Thätigkeit  auf.  Es  wäre  höchst  wünschenswerth,  die  Ausdehnung  des 
Gebietes  der  hauptsächlichsten  Griechenstädte  Siciliens  zu  wissen.  In  dieser 
Beziehung  ist  nur  eine  kurze  Notiz  aus  späterer  Zeit  erlfaiten ,  die  inciess  auch 
auf  die  ältere  angewandt  werden  darf.  Kallias  sagt,  dass  die  sikelisc&e  Stadt 
Eryke  90  Stadien  vom  Gebiete  Celans  entfernt  war.  Nun  kann  Eryke ,  das  in 
der  Nähe  von  Caltagirone  lag,  nicht  mehr  als  SOO  Stadien  von  Gela  und  der 
Küste  entfernt  gewesen  sein,  so  dass  sich  daraus  für  die  Ausdehnung  des  Ge- 
bietes Gela 's  in  das  Innere  etwa  4  20  Stadien ,  d.  h.  höchstens  drei  deutsche 
Meilen  ergaben.  An  der  Küste,  wo  im  Osten  das  Gebiet  von  Kamarina,  dessen 
Grenze  der  Dirillo  gebildet  haben  wird,  im  Westen  das  von  Akragas,  dBS  wahr- 
scheinlich westlich  von  der  Mündung  des  Himera,  bei  dem  heutigen  Licata 
begann ,  anstiessen ,  kann  die  Ausdehnung  des  Geloischen  Gebietes  auch  nur 
wenig  über  fünf  geogr.  Meilen  betragen  haben ,  so  dass  wir  im  Ganzen  nur 
1 5  Quadratmeilen  für  das  Territorium  von  Gela  in  Anspruch  nehmen  dürfen. 


Gobiet  der  Städte.  157 

WeDD  wir  nun  versuchen,  auch  für  eiDu:;e  andere  Städte  die  Gebietsausdehnung 
vermuthungsweise  festzustellen,  so  haben  wir  bei  Selinus  eine  Küstener- 
Streckung  von  3i  Mühen  in  gerader  Linie  (Mazzara  bi»Sciacca},  in's  Innere  eine 
Ausdehnung  des  Gebietes  von  höchstens  1 5  Millien,  was  nicht  ganz.  50  Quadrat- 
meilen Gebiet  ergübe.  Bei  Akragas  dürfen  wir  von  Licata  bis  in  die  Nähe  von 
Uerakleia  an  der  Ktlste  etwa  42  Millien  rechnen ;  nehmen  wir  in*s  Innere  wie- 
der durchschnittlich  15  Millien,  so  haben  wir  ein  Gebiet  von  über  !^i  Quadrat- 
meilen.  Bei  Hiniera  können  wir  für  die  KUste  wegen  Solos  und  Kephalmdion 
Diebi  mehr  als  fünf  deutsche  Meilen  und  für  die  Ersireckung  in^s  Innere  nur 
etwa  272  rechnen,  so  dass  wir  ein  Territorium  von  nur  *?  Quadratmeilen  er- 
hielten. Zankle^s  Gebiet  dürfte  von  der  Farospitze  bis  westlich  von  Mylai  einer- 
seits und  bis  zum  C.  S.  Alessio  andererseits  gegangen  sein,  etwa  18  Quadrat- 
Dieilen  um£assend.  Wenn  das  Gebiet  von  Naxos  sich  etwas  aufwärts  am 
Cantara  erstreckte ,  so  kann  es  bei  einer  Küstenausdehnung  vom  C.  S.  Alessio 
bis  vielleicht  nach  Mascali  hin  keine  10  Quadratmeilen  betragen  haben.  Ka- 
tana's  Gebiet  —  denn  über  das  von  Kallipolis,  das  vielleicht  die  von  Naxos  und 
Katana  trennte  und  jedenfalfs  unbedeutend  war,  iässt  sich  nichts  sagen  —  wird 
sich  an  der  Küste  von  Mascali  bis  zur  Mündung  des  Symaithos  5  geogr.  Meilen 
weit  erstreckt  haben.  £s  umfasste  einen  grossen  Theil  der  Ostabhänge  des 
Äelna  und.  kann  deshalb  wohl  zu  1 5  Quadratmeilen  veranschlagt  werden ;  und 
ebenso  gross  dürfen  wir  das  von  Leontini  schätzen,  da  es  einerseits  die  in  alter 
Zeit  nach  Leontini  benannte  Ebene  von  Gatania  umfasste  und  sich  ausserdem 
im  Südwesten,  wie  es  scheint,  bis  in  die  Gegend  des  Palikensee's  erstreckt  hat. 
Die  Megaris,  von  Leontini  und  Syrakus  eingeengt,  umfasste  nicht  mehr  als  etwa 
4  Quadratmeilen.  Das  syrakusanische  Gebiet,  das  ausser  dem  Anaposlbale 
noch  cinigie  südlicher  gelegene  Flussthüler  in  sich  begriff,  kann  schwerlich  auf 
mehr  als  1 5  Quadratmeilen  abgeschätzt  werden.  Ueber  die  Ausdehnung  des 
Territoriums  von  Kasmenai  lässt  sich  gar  nichts  sagen.  Kamarina's  Gebiet  mag 
im  Westen  des  Uyrminos  begonnen  haben;  wenn  es  bis  zum  Dirillo  ging, 
bat  es  doch  kaum  1 1  Quadratmeilen  umfasst.  Bei  allen  diesen  Annahmen  ist 
ebne  Zweifei  eher  zu  hodi  als  zu  niedrig  gegriffen;  wobei  zu  beachten  ist,  dass 
eine  etwaige  Ausdehnung  der  Herrschaft  einer  Stadt  über  benachbarte  sika- 
oische  oder  sikelische  Orte  nicht  eingerechnet  ist. 

Dieser  Versuch  einer  Gebietsunigrenzung  der  hellenischen  Städte  Siciliens 
giebt  zu  einer  doppelten  Betrachtung  Veranlassung.  Einmal  zeigt  sich  bei  den 
meisten  derselben ,  nämlich  bei  denjenigen,  welche  der  Ostküste  angehören, 
dass  sich  die  Gebiete  nicht  mit  solcher  Natürlichkeit  scheiden  wie  im  helleni- 
schen Matterlande ,  wo  jede  Landschaft  ihren  besondern  Charakter  und  ihre 
natürlichen  Grenzen  bat.  Wer  vermöehte  zwischen- Naxos ,  Kallipolis,  Katana, 
Leontini  Grenzlinien  zu  ziehen ,  die  sich  einigermassen  aus  nothwendigen  Be- 
dingungen der  Bodengestalt  ergäben?  Syrakus  und  Megara  einerseits,  Syrakus 
und  Kamarina  nebst  Kasmenai  andererseits  sind  ebenso  schwer  auf  ihr  natür- 
liches Gebiet  zurückzuführen.  Anders  ist  es  schon  mit  den  westlichen  Släkiten, 
Uimera^  Gela,  Akragas,  Selinus,  die  inmitten  von  Buchten  gelegen ,  ein  an- 
gewiesenes Gebiet  beherrschen.  Dah^r  die  grössere  Gesondertheit  der  west^ 
liehen y  die  grössere  Zusammengehörigkeit  der  östlichen  Städte,  die  sieh  unter 


158    Zweites  Buch.    III.  Polit.  Gesch.  d.  sicil.  Städle  bis  z.  Anf.  d.  füoflea  Jahrh.  v.  Chr. 

Anderm  in  häufigeren  Eroberungen  und  Unterjochungen  durch  die  Nachbarn, 
in  hiiußgeren  Verpflanzungen  der  Einwohner  von  einer  Stadt  in  die  andere 
äussert ,  und  die  den  Aufschwung  des  wohlgeiegenen  Syrakus  wesentlich  be~ 
fördert  hat. 

Das  Zweite  ist  die  Kleinheit  der  Gebiete.  Es  musst«  offenbar  etwasr  An- 
deres hinzukommen,  um  die  Stödte  gross  und  bedeutend  zu  machen,  und  dies 
Andere  war  in  den  meisten  Fällen  eine  ausgebreitete  Uandelsthätigkeit.  Eine 
solche  lässt  schon  die  Lage  der  Städte  voraussetzen  bei  Zankte  und  bei  Syra- 
kus, welches  letztere  nach  dem  oben  über  seine  Mttnzgeschichte  Bemerkten 
schon  früh  mit  Athen  in  Verbindung  getreten  sein  muss.  Von  Akragas  endlich 
wissen  wir,  dass  es  im  5.  Jahrhunden  Afrika  mit  Oel  und  Wein  versorgte ;  es 
ist  möglich,  dass  dies  bereits  im  sechsten  begann.  Ein  Hauptzug  des  Handels 
nach  Hellas  ging  über  Delphins  Nachbarstadt  Krisa,  dessen  Einwohner  sich 
durch  Zölle  bereicherten,  mit  welchen  sie  italische  und  siciiische  Waaren 
belegten. 

Doch  wurden  die  Städte  in  der  freien  Entwicklung  ihres  Handels  durch 
die  Tyrrhener  gestört ,  die  früher  schon  ein  Hindemiss  der  Niederlassung  der 
Hellenen  auf  Sicilien  gewesen  waren  und  später  noch  mit  den  Syrakusanern, 
als  diese  auf  dem  Gipfel  ihrer  Macht  standen,  sich  in  lebhaftem  Gonflict  befan- 
den. In  älterer  Zeit  übernahmen  besonders  die  Bewohner  der  Aeolischen  Inseln, 
die  später  gegen  ihre  Stammesgenossen  auf  Sicilien  selbst  entschieden  zurück- 
treten, den  Kampf  gegen  die  Tyrrhener,  von  denen  sie  ja  auch  zunächst  zu 
leiden  hatten ,  obwohl  die  verwegenen  Räuber  auch  die  Meerenge  von  Zankle 
durchschifilen  und  das  sikelische  Meer  ebenfalls  unsicher  machten.  Fortwährend 
genöthigt,  gegen  sie  auf  ihrer  Hut  zu  sein,  gaben  sie  sich  eine  eigcnthamliche 
Verfassung.  Sie  richteten  Gütergemeinschaft  und  Syssitien  ein  —  offenbar  waren 
die  Gebräuche  der  alten  sikelischen  Bevölkerung  der  Insel  hier  von  Einfluss  — 
und  während  die  Hälfte  von  ihnen  zur  See  die  Tyrrhener  bekämpfte,  bebauten 
die  Uebrigen  das  Land.  Nach  einiger  Zeit  änderten  sie  dies  dahin  ab,  dass  sie 
den  Grund  und  Boden  der  Hauptinsel  Lipara  fest  vertheüten,  während  die 
anderen  zum  allgemeinen  Nutzen  bewirthschaftet  wurden,  und  zuletzt  theilten 
sie  sämmtliche  Inseln  in  so  viel.Loose,  als  Bürger  da  waren,  aber  mit  Zurück- 
nahme derselben  und  Neutheilung  nach  Ablauf  jedes  zwanzigsten  Jahres.  In 
den  Kämpfen  gegen  die  Tyrrhener  waren  die  Liparäer.  die  sich  überdies  durch 
den  Handel  mit  dem  bei  ihnen  gewonnenen  Alaun  bereicherten ,  oft  glücklich, 
und  Delphi  empfing  manchen  Zehnten  von  der  durch  sie  gemachten  Beute. 

Von  Kämpfen  unter  den  hellenischen  Städten  Siciliens  hören  wir  ausser 
von  einem  zwischen  Leontini  und  Megara,  von  dem  wir  gesprochen  haben,  und 
dem  zwischen  Syrakus  und  Kamarina,  von  dem  noch  die  Rede  sein  wird,  aus 
dieser  Zeit  nichts.  Das  mag  vor  Allem  an  der  Mangelhaftigkeit  unserer  Quellen 
liegen ,  doch  ist  es  möglich ,  dass  das  Gefühl  der  Zusammengehörigkeit  aHer 
Hellenen  in  dem  fremden  Lande  längere  Zeit  hindurch  noch  gross  genug  war, 
um  dergleichen  innere  Zwistigkeiten  wenigstens  seltener  zu  machen. 

Auch  über  die  Beziehungen  der  Griechen  zu  den  übrigen  Völkerschaften 
der  Insel  lassen  sich  nur  allgemeine  Andeutungen  geben.  Zu  den  Elymem  und 
besonders  zu  den  Phöniciern  stand  man  offenbar  meist  in  gespannten  Verhält- 


Verkehr.  Münze.  159 

Di'ssea;  die  Sikaner  waren  theilweise  Akragas  unterworfen,  zu  den  sikeUschen 
Städten  scheint  dagegen  ein  freundliches ,  auf  Anerkennung  ihrer  Unabhängig- 
ieit  beruhendes  Verhältniss  bestanden  zu  haben.  Sonst  wäre  es  unmöglich 
gewesen ,  in  Henna  eine  syrakusanische  Kolonie  zu  gründen ,  sonst  hätte  ein 
Verkehr  dut'ch  das  Innere  der  Insel ,  wie  er  in  dem  Namen  des  selinuntischen 
Thores  in  Akrai  angedeutet  liegt,  nicht  bestehen  können.  Selinus  war  die  erste, 
nach  Akrai  im  Westen  der  Insel  angelegte  Kolonie ;  Akragas ,  dessen  Gebiet 
zwischen  dem  von  Akrai  und  Selinus  lag,  ist  erst  später  gegründet  worden« 
Wenn  also  ein  Thor  von  Akrai  nach  Selinus ,  nicht  nach  dem  näheren  und  be- 
deutenderen Akragas  hiess,  so  stammt  der  Name  offenbar  aus  der  Zeit,  wo  die 
letztere  Stadt  noch  nicht  bestand.  Würde  es  aber  wohl  den  Einwohnern  von 
Akrai  eingefallen  sein,  das  Thor  das  selinuntische  zu  nennen,  wenn  man  durch 
dasselbe  nicht  wirklich  nach  Selinus  zog?  Der  Weg  führte  durch  sikelisches 
und  sikanisches  Gebiet ;  die  dazwischen  wohnenden  Völkerschaften  haben  also 
offenbar  dem  Landverkehr  der  Griechen  kein  Hinderniss  in  den  Weg  gelegt. 
Uebrigens  waren  einzelne  sikelische  Stämme  den  Syrakusanem  zinspüichtig, 
und  wir  sehen  die  Bewohner  der  sikelischen  Stadt  Petra  in  Beziehungen  zu 
Himera,  wie  sich  aus  dem  Namen  Petron,  den  ein  Himeräer  führte,  ergiebt. 

Sehr  bemerkenswerth  ist,  dass  die  Griechen  der  Insel  den  Sikelern  die 
Rechnungseinheit  ihres  Münzvvesens  entlehnten ,  indem  sie  als  Grundlage  des- 
selben die  Litra,  das  Pfund  Kupfer,  annahmen,  deren  Namen  sie  auch  bei- 
behielten. Jedoch  prägten  sie  nicht  etwa  kupferne  Münzen  aus ;  sobald  sie, 
was  nicht  allzu  fillh  geschah,  selbst  Münzen  schlugen,  waren  diese  aus  Silber : 
Gold  wie  Kupfer  treten  erst  später  auf.  Die  Litra  in  Silber  ward  nummos  ge- 
nannt. Die  Beziehungen  zwischen  dieser  Rechnungseinheit  und  dem  Münzfusse, 
der  ja  anfangs  in  manchen  Städten  der  äginäische  war,  später  aber  überall  der 
attische  nachsolonische ,  lassen  sich  nur  für  diesen  letzteren  nach  Angaben  des 
Aiistoteles  bestimmen,  und  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  eine  Silberlitra 
der  fünfte  Theil  einer  attischen  Drachme  war,  weshalb  die  Sicilier  eine  Deka- 
drachme ein  Fünfziglitrenstück  nannten.  Volistän4ige  Serien  von  Münzen  der- 
selben Emission  einer  Stadt  sind  neuerdings  besonders  in  Folge  eines  Fundes 
kleiner  Silbermünzen  in  Sicilien  von  Akragas  bekannt  geworden,  wo  nach  einer 
vereinzelten  äginäschen  Didrachme  und  altischen  Didrachmen  eine  Serie  von 
Telradrachmen ,  Didrachmen,  Drachmen  und  Bruchtheilen  derselben  nachge- 
wiesen ist,  mit  dem  Adler  auf  einer  Reihe  von  Punkten  oder  einer  ionischen 
Säule  einerseits  und  dem  Seekrebs  andererseits ,  und  eine  andere  von  Deka- 
drachmen ,  Tetradrachmen ,  Didrachmen ,  Drachmen ,  Obolen  mit  dem  Adler 
über  Hasen  oder  der  Schlange  auf  dem  Avers  und  dem  Seekrebs  auf  dem  Re- 
vers. Auf  einer  Drachme  der  ersten  Serie  findet  sich  die  Inschrift  pen ,  wahr- 
schein lieh  fünf  Litren  bezeichnend.  Die  Syrakusaner  variirten  die  Typen  der- 
selben Emission  nach  der  Grösse  der  Stücke:  hat  die  Tetradrachme  ein 
Gespann,  so  haben  Didrachmen  und  Drachmen  einen  Reiter,  die  Litra,  lange 
das  gewöhnliche  syrakusanische  Kleinsilber,  einen  Polypen,  und  der  Obol  ein 
Rad  mit  vier  Speichen.  Epicharmos  erwähnt  Pentunkien ,  fünf  Zwölftel  einer 
Litra  als  gebräuchlich,  einen  Bruchtheil,  der  offenbar  wegen  der  Uebereinstim- 
fflung  mit  dem  halben  attischen  Obol  gewählt  war. 


160  Zweites  Buch.    IV.  Lileralur  und  Kunst  derselben  Zeit. 

Auf  die  PhOnicier  hatte,  wie  wir  wissen ,  das  Ueberhand nehmen  der  hel- 
leniscbcn  Niederlassungen  in  Sicilien  zunUclist  die  Wirkung,  daSs  sie  sich  in 
ihren  drei  Städten  des  Westens,  Motye,  Panormos  und  Solus  concenirirlen.  Es 
mOgen  deshalb  aus  dieser  Zeit  Erweiterungen  der  ersten  beiden  derselhen 
stammen,  welche  sich  bei  Panormos  in  dem  Vorkommen  einer  Neustadt  nehen 
der  Altstadt,  bei  Motye  in  dem  mehr  vermulheten  als  sicher  bezeugten  Vorhan- 
densein einer  Nebensladt  auf  dem  Festlande  kundgeben.  Wenn  nun  femer  die 
ganze  Gegend  zwischen  Panormos  nnd  Solus  im  Alterlhum  sttlriier  bevölkert 
war  —  und  es  scheint  besonders  auf  dem  Berge  Cannita  nicht  blos  ein  sara- 
cenischcs  Schloss  Kasr  Sad,  von  dem  man  Nachricht  hat,  5<Hidem  auch  eine  she 
phttnicische  Stadt  unbekannten  Namens  gestanden  zu  haben,  von  der  als  merk- 
würdige Ueberreste  zwei  noch  zu  besprechende  Sarkophage  vorhanden  sind—, 
ao  dürfen  wir  den  Beginn  solcher  Niederlassungen  wohl  in  diese  Zeit  versetzen. 

Eine  Einwirkung  des  orientalischen  Elementes  auf  das  hellenische  dOrfle 
in  der  aus  dem  Vorkommen  des  Hundes  auf  einer  seli  nun  tischen  Htlnze  lu 
schtiessenden  Verbreitung  des  erycinischen  Aphroditekultus  nach  Selinus  lu 
finden  sein,  einer  Stadt,  die  wegen  ihrer  Lage  solchen  Einfhissen  am  meisU'n 
ausgesetzt  war:  wir  werden  sie  bei  den>  grosseh  Feldzuge  der  Karthager  na«^ 
Sicilien  um  das  Jahr  480  sogar  auf  der  Seile  der  Barbaren  finden. 


Viertes    Kapitel. 

Llteratnr  und  Knust  derselben  Zeit.  * 

So  sehen  wir  die  griechischen  Sutdle  Siciliens  schon  im  ersten  Zeilrsum 
ihrer  Geschichte  ein  reiches  bürgerliches  Leben  entfalten.  Verfassungen  wech- 
seln fest  schneller  noch,  al&im  Mutlerltinde;  es  fehlt  nicht  an  Hünnem,  die  die 
Kräfte  der  Städte  ihren  eigenen  Zwecken  dienstbar  zu  machen  wissen,  und 
daneben  treten  andere  auf,  die  ihre  Mitbürger  durch  gute  Gesetze  zu  etnein 
friedlichen  und  glücklichen  Dasein  zu  bringen  suchen.  Srctliens  SUtdie  nahmen 
aber  auch  an  der  geistigen  Entwicklung  Griechenlands  lebhaft  Theil;  sie  blie- 
ben in  Poesie  und  Kunst  nicht  hinler  dem  Mutlerlande  zurück,  und  ein  sicili- 
schcr  Grieche  reihte  sich  in  die  Zahl  der  Meister  der  hellenischen  Dichtkunst. 

Unter  den  Gründern  von  Syrakus  befand  sich  Eumelos,  der  zu  den 
Dichtem  des  epischen  Cyklus  gezahlt  wird.  Er  s<A\  eine  Titanomachie  verfasst 
haben,  ausserdem  ein  Epos,  das  sich  auf  seine  Vaterstadt  Korinth  bezog,  und 
andere.  Die  eigenthümlicbe  Nachrrcht,  dass  in  der  69.  Olympiade  zuerst  die 
Homerischen  Gedichte  voq  Kynaithos  in  Syrakus  vorgetragen  seien,  hat  man 
vielmehr  auf  die  9.  Olympiade  iu  beziehen  gesucht.  So  ward  die  epische 
Dichtkunst  in  Sicilien  geehrt  und  gepflegt.  Doch  war  e^entlich  in  der  Zeit,  da 
die  griechischen  Kolonien  der  bisel  sich  entwickelten,  die  Bleiezeil  der  epischen 
Poesie  vorüber  und  die  lyrische  in  voller  Entfaltung  begriffen.  Diese  umfassle 
zwei  HauplgattuDgen.    Entweder  stellte  man  die  EmpfindongeQ  und  Geftlble 


Stesichoras.  161 

Einzelner  dar,  ein  Zweig  der  Lyrik,  der  besonders  von  den  Aeoliem  auf  Lesbos 
ausgebildet  wurde ,  oder  der  Dichter  sprach  im  Namen  einer  Anzahl  von  Men-^ 
sehen,  die  sich  zu  bestimmten,  besonders  gottesdienstlichen  Zwecken  vereinigt 
hatten.  Dies  ist  die  Lyrik  der  Chorlieder,  die  vor  Allem  der  dorische  Yolksstamm 
pflegte.  Denn  kein  anderer  Stamm  der  Hellenen  besass  in  Festen  und  festlichen 
Versammlungen  solchen  Antpeb  zur  Ausbildung  einer  Dichtungsart,  deren  Er-^ 
Zeugnisse  von  Vielen  gesungene  Festlieder  waren,  als  gerade  der  dorische. 
Dazu  kam  die  Liebe  zur  Musik  und  zu  geordnetem ,  einen  Theil  des  Kultus 
bildendem  Tanze,  die  die  Dorier,  zumal  die  Kreter  und  Spartaner,  auszeichnete, 
und  so  konnte  sich  gerade  bei  den  Doriern  eine  Dichtungsart  bilden,  in  welcher 
die  Elemente  der  Musik,  der  rhythmischen  Bewegung  und  der  Poesie  zu  einem 
harmonischen  Ganzen  vereinigt  waren.  Der  erste  bedeutende  Dichter  dieser 
Gattung  war  der  in  Lydien  geborene ,  in  Sparta  lebende  Alkman ;  weiter  aber 
bildete  die  chorische  Poesie  der  Hiroeräer  Stesichoros  aus. 

Die  Familie  dieses  berühmten  Dichters  stammte  aus  Matauros,  einer  lokri- 
sehen  Kolonie  in  Unteritalien,  und  hiermit  hängt  auch  die  von  den  Lokrem 
festgehaltene  Sage  zusammen,  dass  Hesiodos  sein  Vater  gewesen  sei.    Denn 
dieser  Dichter  soll  bei  den  Lokrem  von  Oinoe  den  Tod  gefunden  haben,  wie  es 
heisst,  durch  zwei  Brüder,  welche  die  Schande  ihrer  Schwester  Klymene  an 
ihm  rächen  wollten;  der  Sohn  dieser  Klymene  wäre  nun  Stesichoros  gewesen. 
Nacb  Andei*en  geschah  die  Ermordung  des  Hesiod  in  Naupaktos.    Wenn  man 
nun  bedenkt,  dass  an  diese  Stadt  sich  eine  Hesiodeische  Sängerschule  knüpfte, 
welche  das  Gedicht  Naupaktia  hervorgebracht  ha{,  so  liegt  die  Vermuthung 
nahe,  dass  die  Hesiodeische  Abstammung  des  Stesichoros  eben  den  Sinn  haben 
solle,  dass  der  sicilische  Lyriker  aus  der  Hesiodeischen  Dichterschuie  hervor- 
gegangen sei.    Daraus  darf  jedoch  nicht  geschlossen  werden,  dtiss  wirklich  die 
Dichtung  de»  Stesichoros  einen  mehr  Hesiodeischen  als  Homerischen  Charakter 
halt^.    Sonst  werden  als  Namen  seines  Vaters  noch  Euphorbos,  Euphemos, 
Uyetes  genannt ,  und  Eukleides  —  auch  einer  der  Gründer  von  Himera  führt 
diesen  Namen  —  scheint  der  Vater  des  Dichters  auf  einer  unvollständig  erhal- 
tenen Herme  desselben  zu  heissen.  Gewöhnlich  hält  man  den  Namen  Euphemos 
für  den  wahren,  weil  schon  Piaton  ihn  anerkennt.  Auch  für  den  Dichter  selbst 
erneuert  sich  die  Frage  nach  dem  ächten  Namen,  denn  es  ist  überliefert,  dass 
er  eigentlich  Tisias  hiess  und  Stesichoros,  der  Chorsteller,  nur  nach  seiner 
Thätigkeit  genannt  worden  sei.    Stesichoros,  denn  so  müssen  wir  ihn  mit  dem 
gesanamten  Alt«*thum  nennen,    lebte  zwischen  der  35.  und  56.  Olympiade 
(zwischen  6i0  und  556).     Aus  seinem  Leben  ist  wenig  bekannt.     Auf  den 
Mund  des  Kindes  setzte  sich  eine  Nachtigall ,  den  künftigen  Dichter  vorherver- 
kündigend.  Dass  er  sich  in  seiner  Geburtsstadt  viel  aufhielt  und  dort  in  Ehren 
stand,  zeigt  die  nicht  wohl  zu  bezweifelnde  Geschichte  von  dem  Antheile,  den 
er  an  der  Ablehnung  der  verfänglichen  Anträge  des  Phalaris  durch  die  Himeräer 
hatte.     Aber  auch  nur  diese  feindliche  Beziehung  zum  Tyrannen  von  'Akragas 
ist  von  Stesichoros  bezeugt ;  der  sonstige ,  ziemlich  freundschaftliche  Verkehr 
mit  ihno,  von  welchem  die  Phalarideischen  Briefe  erzählen,  bleibt  unbewiesen, 
und   damit  auch  die  Existenz   und  die   Namen  seiner  dort  vorkommenden 
Töchter,  wogegen  Namen  und  Beruf  seiner  Brüder  aus  anderen  Quellen  glaub«- 

Holm,  Qeseh.  Siciliens.  I.  44  • 


\ 

162  Zweites  Bach.    IV.  Literatur  und  Kunst  derselben  Zeit. 

licher  berichtet  sind.  Dass  er  auch  in  Lokri  lebte  und  angesehen  war,  sieht 
man  aus  der  Nachricht,  dass  er  die  Lokrer  vor  Hochmuth  gewarnt  habe  mit 
den  Worten ,  sie  möchten  sich  in  Acht  nehmen ,  dass  nicht  die  Gicaden  bei 
ihnen  auf  der  Erde  sängen  -^  wenn  nilmlich  die  Feinde  so  ihre  Ländereien 
verheert  hätten,  dass  diese  Thiere,  auf  deren  Gesang  ja  bekanntlich  die  Lokrer 
den  Rheginem  gegenüber  stolz  waren,  keine  Bäume  mehr  finden  könnten,  dar- 
auf zu  sitzen.  Der  berühmteste  Vorfall  aus  seinem  Leben  ist  aber  seine  Er- 
blindung und  die  Ursache  und  Heilung  derselben.  Er  hatte  in  einem  Gedichte 
die  Helena  geschmäht  und  wurde  durch  Blindheit  von  ihr  dafür  gestraft,  und 
als  er  in  einem  andern  Gedichte  seine  Worte  zurücknahm,  erhielt  er  das  Augen- 
licht wieder.  Ich  werde  bald  genauer  auf  diese  Geschichte  eingehen.  Stesicho- 
ros  soll  85  Jahre  alt  geworden  sein.  Einige  behaupteten,  dass  er  in  Katana 
gestorben  sei,  wohin  er  aus  dem  arkadischen  Pallantion  gekommen  wäre.  Letz- 
teres muss  zweifelhaft  erscheinen,  das  Erstere  dagegen  wurde  dadurch  bestä- 
dass  man  sein  Grab  in  Katana  zeigen  konnte.  Es  lag  vor  dem  Thor,  das 
nach  ihm  das  Stesichoreische  hiess,  und  hatte  8  Stufen,  8  Ecken,  8  Säulen, 
weshalb  man  die  Zahl  8  mit  dem  Namen  des  Dichters  in  Verbindung  brachte 
und  im  Würfelspiel  dieselbe  Zahl  Stesichoros  nannte.  Ein  ebenso  gestaltetes 
Grabmal  des  Stesichoros  befand  sich  aber  nach  Anderen  in  Himera.  Es  ist  im 
Alterthum  nichts  Seltenes,  dass  mehrere  Orte  sich  um  das  Grab  eines  berühmten 
Dichters  streiten,  und  es  pflegt  dabei  die  Thatsache  zu  Grunde  zu  liegen,  dass 
sie  sämmtlich  von  ihm  hergeleitete  Dichterschulen  enthielten.  Man  hat  ver- 
muthet,  dass  die  Achtzahl  ursprtinglich  bei  der  Eintheilung  der  Stesichoreischen 
Gesänge  vorgekommen  sei ,  und  dass  diese  wieder  mit  einer  Eintheilung  des 
Volkes  von  Himera  oder  Katana  in  acht  Phylen  in  Zusammenhang  gestanden 
habe.  GrabscBriften  auf  ihn  werden  zwei  überliefert,  beide  auf  Katana  hin- 
deutend, die  eine  in  lateinischer  Sprache.  Eine  Statue  des  Stesichoros,  die  ihn 
als  gebückten  Greis  mit  einer  Rolle  in  der  Hand  darstellte,  befand  sich  zu 
Gicero^s  Zeiten  in  Thermae.  Scipio  hatte  sie  aus  Karthago,  wohin  sie  als  Beute- 
stück von'Himera  gekommen  war,  zurückgebracht  und  den  Thermitanern  als 
Erben  der  alten  Himeräer,  überliefert.  Eine  andere  beschreibt  viel  später 
Chrislodor  als  im  Zeuxippo^gymnasium  zu  Byzanz  befindlich.  Die  Thermitaner 
scheinen  die  Gestalt  des  berühmten  Dichtete  sogar  auf  ihre  Münzen  gesetzt  zu 
haben. 

Es  werden  von  Stesichoros  26  Bücher  erwähnt ,  und  es  ist  bemerkens- 
werth,  dass  immer  nur  im  Allgemeinen  von  seinen  Gedichten  die  Rede  ist  und 
nicht,  wie  bei  andei*n  Lyrikern,  z.  B.  Pindar,  bestimmte  Gattungen  derselben 
unterschieden  werden.  Nur  ein  Päan  findet  sich  citirt;  ein  Trauergedicht  auf 
eine  Zeitgenossin  ist  wenigstens  wahrscheinlich;  im  Uebrigen  muss  aber  die 
gross0  Masse  der  Gedichte  einen  und  denselben  Charakter  gehabt  haben :  den 
einer  entschiedenen  Anlehnung  an  das  Epos.  Stesichoros  galt  den  Alten  als 
Epiker  in  lyrischer  Form.  Seine  Gesänge,  von  denen  nur  geringe  Bruchstücke 
vorhanden  sind,  waren  fast  alle  mythologischen  Inhalts. 

So  dichtete  er  die  Leichenspiele  des  Pelias.  Bekanntlich  war  Pelias  auf 
Anstiften  der  Medea,  die  ihn  zu  verjüngen  verhiess,  zerstückelt  worden,  und 
sein  Sohn  Akastos^veranstaltete  bei  seinem  Begräbnisse  grosse  Spiele,  an  denen 


Stesicboros.  163 

die  berühmtesten  Heldeo  Griechenlands  Theil  nahmen.  Dass  diese  Spiele  viel 
gefeiert  waren ,  zeigt  sich  dann ,  dass  sie  sich  auch  auf  dem  Kasten  des  Ky- 
pselos,  sowie  an  dem  Throne  von  Amyklai  dargestellt  fanden.  Unter  den  we- 
nigen aus  diesem  Gedichte  erhaltenen  Fragmenten  ist  eins ,  in  welchem  die 
Helden  aufgefordert  werden,  von  den  Jungfrauen  Speisen  anzunehmen,  Back-' 
werk  verschiedener  Art  und  Honig,  und  das  deswegen  merkwürdig  ist,  weil 
hier  in  der  direkten  Anrede  an  die  Helden  eine  fast  dramatische  Lebendigkeit 
der  Stesichoreisehen  Poesie  sich  offenbart. 

Aas  dem  Kreise  der  Heraklessage  waren  mehrere  Gedichte,  von  denen 
Geryonis,  [Kerberos  und  Kyknos  genannt  werden.  Et  oder  nach  Anderen  der 
Epiker  Peisandros  soll  es  gewesen  sein ,  der  zuerst  dem  Herakles  $tatt  der  ge- 
wöhnlichen Waffen  eines  Kriegers  die  Löwenhaut ,  den  Bogen  und  die  Keule 
gab,  mit  denen  er  später  dargestellt  zu  werden  pflegte.  Ein  alter  Schriftsteller 
giebt  ihm  deswegen  Schuld,  dass  er  den  Halbgott  nicht  wie  einen  Helden,  son- 
dern wie  einen  Räuber  auftreten  lasse.  Aus  dem  Kerberos  und  dem  Kyknos 
des  Stesichoros  ist  wenig  bekannt,  mehr  aus  seiner  Geryonis. 

Hier  war  er  einer  der  Ersten ,  welche  die  Insel  Erytheia ,  auf  der  Geryo- 
neus  wohnt,  bei  Tartessos  in  Iberien  suchten.    Er  gab  dem  Riesen  3  Leiber, 
6  Hände  und  6  Beine  und  Flügel,  und  die  spätere  Kunst  hat  sich  auch  hier 
nach  dem  sicilischen  Dichter  gerichtet.    Stesichoros  hat  endlich  der  Sage  von 
dem  goldenen  Becher ,  in  welchem  Helios  den  Okeanos  durchschifft ,  eine  be- 
sondere'Verbreitung  gegeben  und,  wie  es  scheint,  hinzugedichtet,  dass  Herakles 
ihn  von  dem  Gotte  entliehen  habe,  um  zu  Geryoneus  zu  gelangen.    Nach  einer 
früher  von' uns  angeführten  Sage  hat  der  Heros  ihn  auch  noch  auf  seiner  Rtick- 
kebr  und  schifft  in  ihm  nach  Sicilien  hinüber;  auch  dies  mag  von  Stesichoros 
herrühren.  Jedenfalls  sieht  man,  dass  er  den  Zug  des  Herakles  nach  dem  Westen 
mit  besonderer  Sorgfalt  behandelt  hat ;  der  Umstand,  dass  der  Heros  auf  dem- 
selben auch  Sicilien  betrat,  muss  dem  Dichter  von  Himera  ein  Sporn  mehr  zur 
Bearbeitung  dieses  Gegenstandes  gewesen  sein.     Er  wird  hierbei  auf  Sagen 
seines  Vaterlandes  Rücksicht  genommen,    sie  vielleicht  zuerst  poetisch  aus- 
gebildet haben.    Herakles  verweilte  auf  Sicilien  bei  den  Quellen  von  Himera, 
welche  die  Nymphen  ihm  zur  Erquickung  schufen;    sollte  der  Himeräische 
Dichter  dies  in  seiner  Geryonis  übergangen  haben  ? 

Ein  anderes  Gedicht  des  Stesichoros  hiess  die  Saujäger.    Es  ist  wohl  un- 
zweifelhaft ,  dass  es  die  Geschichte  der  k'alydouischen  Jagd ,  die  zu  so  vielen  . 
Bildwerken  Veranlassung  gegeben  hat,  enthielt. 

Thebanische  Sagen  behandelte  er  zunächst  in  seiner  Europeia,  wo  Athene 
es  ist,  welche  die  Drachenzähne  säet.  Ein  anderes  Stück  desselben  Sagenkreises 
enthielt  seine  Eriphyle.  Bekanntlich  hiess  so  die  Gattin  des  Amphiaraos ,  die 
von  Polyneikes  durch  das  Geschenk  eines  Halsbandes  bestochen,  ihren  Gemahl 
gegen  seinen  Willen  zur  Theilnahme  am  thebanischen  Kriege  brachte  und  so 
seine  Mörderin  wurde.  Man  hat  vermuthet ,  dass  Stesichoros  der  Handlungs- 
weise der  Eriphyle  edlere  Motive  untergelegt  habe.  Wir  wissen  nicht,  in  wel- 
chem Gedichte  er  die  Sage  von  dem  durch  seine  Mutter  von  Kadmos  herstam- 
menden Jäger  Aktaion  erzählt  hat,  in  welcher  er  von  den  gewöhnlichen  Berichten 
wesentlich  abwidi.    Aktaion  wird  hiemach,  weil  er  die  Artemis  im  Bade  be- 


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lg4  Zweites  Buch.    IV.  Literatar  und  Kunst  derselben  Zeit. 

Inuscht,  von  ibr  id  einen  Hirsch  verwandelt  und  nun  von  seinen  eignen  Hun- 
den zerrissen.  Stesichoros  dagegen  sagte ,  Artemis  habe,  um  Aktaion  zu  ver- 
hindern, die  Semele  zu  heirathen,  ihm  ein  Hirschfell  umgehängt,  worauf  ihn 
seine  Hunde  zerrissen  haltten.  Wir  werden  sehen,  wie  die  sidlische  Kunst  sich 
die  Auffassung  des  Dichters  von  Himera  zu  eigen  gemacht  h^. 

Vielfach  beschäftigte  den  Stesichoros  endlich  der  troische  Sagenkreis.  Vor 
Allem  ist  hier  merkwtirdig  die  lliu  persis,  Ilions  Zerstörung,  worüber  wir  be- 
sonders durch  die  Tabula  liiaca  unterrichtet  sind,  ein  antikes  Bildwerk  mit 
einer  Reihe  von,  Scenen  aus  dem  troischen  Sagenkreise ,  unter  denen  die  Zer- 
störung der  Stadt  ausdrücklich  als  nach  Stesichoros  dargestellt  bezeichnet  ist. 
Wir  wollen  nicht  die  einzelnen  Scenen,  welche  das  Werk  enthalt,  beschreiben, 
nur  das  muss  angeführt  werden,  dass  in  gewisser  Weise  Aeneas  den  Mittel- 
punkt des  Ganzen  bildet.  Seine  Fahrt  nach  Hesperien  —  dieser  Name  steht  auf 
dem  Bildwerke  beigeschrieben  —  ist  das  Hauptresultat  des  trojanischen  Krieges. 
Wir  haben  also  bei  Stesichoros  die  Auffassung  des  grossen  Kampfes  vom  Stand- 
punkte des  Westens,  der  sich  von  Aeneas  herleitet,  nicht  von  dem  der  Griechen, 
deren  Ahnen  Troja  zerstört  hatten.  Es  ist  klar,  dass  diese  Einftthrung  des 
Aeneas,  als  des  Haupthelden,  in  die  griechische  Literatur  von  Stesichoros  her- 
rUhi*t,  der  in  seiner  Heimat  manche  Spuren  des  Heros.  6nden  mochte ,  und  der 
überdies  zu  Italien  in  engen  Beziehungen  stand.  Dabei  ist  die  Annahme  nicht 
gerade  nothwendig,  dass  Stesichoros  den  Aeneas  bis  nach  Latium  führte;  der 
ihn  begleitende  Misenos  deutet  nur  auf  Gampanien  hin,  obschon  andererseits,  da 
in  Gampanien  sich  keine  Spuren  des  dauernden  Aufenthaltes  des  Aeneas  finden, 
bei  der  geringen  Entfernung  zwischen  Hiitiera  und  den  mit  Latium  offenbar 
in  Verbindung  stehenden  ElymersUtdten  doch  nicht  unwahrscheinlich  ist,  dass 
Stesichoros  des  Aeneas  Gelangen  nach  Latium  berichtete,  wenn  er  auch  vielleicht 
Lavinium  selbst  nicht  nannte.  Eigenthümlich  war  noch  dem  sicilischen  Dichter 
die  Auffassung  des  Epeios ,  der  als  Wasserträger  von  den  Achäem  gebraucht 
wurde,  und  den  Helena  bemitleidete.  Dies  scheint  keine  besonders  freundlichen 
Beziehungen  zu  Metapont,  der  Stadt  des  Epeios,  bei  Stesichoros  zu  verrathen. 

Wahrend  in  allen  diesen  Gedichten  Stesichoros  bekannte  Figuren  der  Sa^e 
verherrlicht  hat,  ist  dies  nicht  der  Fall  in  zwei  andern,  weldie  die  Ueberschrif* 
ten  Kalyke  und  Badine  trugen,  und  die  das  Gemeinschaftliche  haben,  dass  sie 
eine  unglückliche  Liebe  schildern.  In  jenem  wurde  erzählt,  wie  die  Frau,  nachj 
der  das  Gedicht  benannt  ist,  Aphrodite  bittet,  sie  die  Gattin  des  Euathlos  wer- 
den zu  lassen,  sonst  wolle  sie  lieber  sterben,  und  da  Euathlos  sie  verschmähl 
stürzt  sie  sich  vom  leukadischen  Felsen  herunter.  Die  Badine  ist  eine  Jungfrai 
aus  Samos,  die  einem  korinthischen  Tyrannen  als  Gattin  versprochen  ist.  Si^ 
fahrt  zu  ihm  mit  günstigem  Zephyrwinde;  es  begleitet  sie  ihr  Bruder,  der  al 
Anführer  einer  Festgesandtschaft  nach  Delphi  reist;  ihr  Vetter  aber,  der  sij 
liebt,  .fährt  auf  einem  Wagen  nadi  Korinth.  Da  erfasst  Eifersucht  den  Tynrannei 
und  er  lässt  Beide  tödten,  sie  und  ihren  Vetter;  bald  aber  gereut  ihn  seil 
That,  und  er  richtet  den  Gemordeten  ein  £eiei*liches  Begräbniss  aus. 

Man  hat  mit  diesen  beiden  Gedichten  auch  seine  Behandlung  der  Sage  v( 
Daphnis,    dem  jungen  sicilischen  Hirten,    zusammengestellt;   nicht  ganz 
Becht,  da  es  sich  bei  Daphnis,  wenn  auch  nicht  um  eine  Figur  der  Heldensage, 


t 


Stesichoros.  |65 

doch  immer  der  Sage,  handelt,  während  Kalyke  und  Radine  ihr  nicht  angehören^ 
und  ferner,  da  Daphnis  nicht,  wie  diese,  ein  fremder,  sondern  ein  heimischer 
Stoff  ist.  Stesichoros  soll  der  erste  Dichter  gewesen  sein,  der  den  Daphnis  be- 
sang. Man  hat  ihn  deswegen  als  den  Urheber  der  bukolischen  Poesie  bezeichnet ; 
mit  Umgeht,  wenn  ftlr  diese  die  Foi*m  massgebend  ist,  welche  sie  bei  Theokrit 
hat.  Besonders  scheint  die  Blendung  des  Hirten  bei  Stesichoros  voi*gekommen 
zu  sein ,  uod  im  Allgemeinen  wird  die  Gestalt  der  Daphnissage ,  wie  ich  sie 
oben  nach  Diodor  entworfen  habe,  mit  der  Auffassung  des  sicilischen  Dichters 
übereinstimmen. 

Ein  Gedicht  des  Stesichoros  bezog  sich  auf  zeitgenössische  Yeiiiältnisse, 
wenn  wir  anders  Recht  haben,  von  den  hierher  gehörigen  Notizen  der  Phalari- 
deisdien  Briefe  anzunehmen,  dass  sie  ausnahmsweise  etwas  Wahres  mittheilen. 
Es  ist  ein  Trauergedicht  auf  den  Tod  der  Syrakusanerin  Kleariste ,  Tochter  des 
Echekratidas,  Nichte  und  Gattin  des  Nikokles,  mit  dem  sie  4  6  Jahre  verbunden 
gelebt  hatte.  Es  ist  nicht  unmöglich ,  dass ,  während  alles  Andere .  was  von 
Slesichoros  in  jenen  Briefen  vorkommt  —  sein  freundschaftliches  Yerhäitniss 
zum  Tyrannen ,  seine  Töchter  und  deren  Beziehungen  zu  Phalaris  nach  dem 
Tode  des  Dichters  -*-  höchst  wahrscheinlich  erfunden  ist,  die  Beziehung  auf  ein 
Gedicht  des  StesidioiX)S  der  Wahrheit  entspricht,  da  ja,  wenn  in  einem  Punkte, 
der  sich  noch  durch  einen  Blick  in  die  Werke  des  Dichters  als  richtig  oder  un- 
ncfatig  nachweisen  liess,  die  Briefe  sich  wahrheitsgemäss  zeigten,  dies  der 
kräftigste  Antrieb  sein  musste ,  ihnen  auch  im  Uebrigen  zu  glauben  und  sie 
überhaupt  für  Ucht  zu  halten.  Doch  kann  diesem  Grunde  eine  unbedingte  Be- 
weiskraft nicht  zugestanden  werden ,  zumal  da  es  im  Alterthum  noch  schwerer 
war  als  heutzutage,  den  wirklichen  Bestand  der  Werke  eines  bertthmten  Schrift- 
stellers festzustellen. 

Endlich  wird  ein  Päan  des  Stesichoros  erwähnt,    ein  Lobgesang,    nach 
Tische  zu  singen,  der  noch  zu  den  Zeiten  des  Tyrannen  Dionys  beliebt  war. 

Wenn  ausser  der  Fabel  vom  Hirsch  und  Pferd,  die  Stesichoros  den  Hi- 
meräem  vorgetragen  haben  soll ,  nocb  eine  andere  von  ihm  erzählte  erwähnt 
wird,  so  ist  daraus  nicht  auf  besondere  Gedichte  zu  schliessen,  die  dieser  Gat- 
tung angehört  hätten;  die  Fabel  kann  in  einem  anderen  seiner  Werke  vor- 
gekommen sein,    ihr  Inhalt  ist  folgender.    Ein  Arbeiter,  von  Landleuten,  die 
bei  der  Ernte  beschäftigt  sind,  zum  Wasserholen  ausgeschickt,  findet  bei  der 
Quelle  einen  Adler  mit  einer  Schlange  im  Kampfe  und  im  Begriff  zu  unterliegen. 
Er  iödtet  die  Schlange  uAd  befreit  so  ihren  Gegner.    Nun  schöpft  er  den  Trunk 
und  bringt  ihn  den  Landleüten.    Als  diese  getrunken  haben,  setzt  er  ebenfalls 
das  Gefass  an  den  Mund,  um  seinen  Durst  zu  löschen;  da  kommt  der  Adler 
herfoeogeflogen  und  schlägt  es  ihm  aus  der  Hand,  so  dass  der  Inhalt  verschüttet 
wird.   Dem  Thiere  zürnend,  geht  er  fort;  aber  kaum  ist  er  einige  Schritte  weit 
gegangen,  als  er,  sich  umwendend,  die  Andern  im  Todeskampfe  daliegen  sieht. 
Die  Schlange  hatte  das  Wasser  der  Quelle  vergiftet ,  und  der  Adler ,  der  das 
wusste.  ihm  zum  Danke  für  seine  eigene  Erhaltung  das  Leben  gerettet.  Man  wird 
nicht  mit  Weicker  behauplen  dürfen ,  dass  diese  Fabel  zu  gekünstelt  sei ,  um 
des  Steächoros  würdig  zu  sein.    Sie  ist'  ein  Gegenstück  zu  der  undankbaren 
Schlange  und  dem  Bauer. 


166  Zweites  Buch.    IV.  Literatur  und  Kunst  derselben  Zeit. 

Für  die  Kenntniss  des  Charakters  der  Gedichte  des  Stesichoros  sind  wir 
mehr  auf  die  beurtheilenden  Nachrichten  der  Alten ,  als  auf  das  direkte  Zeug- 
niss  der  wenigen  Ueberreste  des  Dichters  angewiesen.  Die  Alten  schätzten  ihn 
ausserordentlich  hoch.  Sie  stellten  ihn  dem  Homer  nahe,  dem  er  auch  nach- 
geeifert haben  sollte.  Nach  Quintilian  erfüllt  er  als  Lyriker  die  Pflichten  eines 
epischen  Dichters ,  und  der  römische  Kritiker  würde  ihn  als  dem  Homer  zu- 
nSichststehend  betrachten,  wenn  er  verstanden  hätte,  Mass  zu  halten,  und  nicht 
eine  zu  grosse  Wortfülle  entfaltet  hätte.  Besonders  rühmt  er  die  angemessene 
Würde,  welche  die  Figuren  des  Dichters  in  Handlungen  wie  in  Reden  offenbaren. 
Anderen  erschien  er  gerade  dadurch  lieblich,  dass  er  viele  Beiwörter  gebrauchte. 
Die  Verbindung  von  Kraft  und  Lieblichkeit  bei  ihm  bewirkt,  dass  Dionys  ihm 
wie  dem  Homer  selbst  den  von  ihm  besonders  hochgeschätzten  mittleren  Cha- 
rakter beilegt. 

Es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  Stesichoros  der  erste  Dichter  war,  der 
zu  den  bis  dahin  bestehenden  zwei  Gliedern  der  Ode ,  der  Strophe  und  der 
Antistrophe,  das  dritte,  die  Epodos,  hinzufügte  und  so  den  kunstmässtgen  Bau 
der  chorischen  Ode  vollendete ,  wie  er  seitdem  in  Geltung  blieb.  Denn  wenn 
dies  auch  nicht  ausdrücklich  von  den  Alten  überliefert  wird ,  so  knüpft  sich 
doch  an  seinen  Namen  das  Sprichwort :  die  Drei  des  Stesichoros ,  welches  auf 
seine  Gestaltung  des  Chores  gedeutet  wird,  und  warum  sollte  man,  wenn  schon 
ein  Anderer  vor  ihm  die  Dreitheilung  der  Ode  erfunden  hätte,  gerade  mit  seinem 
Namen  diese  Zahl  verbunden  haben?  Dagegen  ist  nicht  anzunehmen,  dass  er 
auch  der  Erste  war,  welcher  der  Lyrik  einen  epischen  Charakter  gab,  während 
es  allerdings  sicher  ist,  dass  dies  keinem  Andern  so  gut  gelang  wie  ihm.  Schon 
der  Lyriker  Xanthos,  der  älter  war  als  er,  und  den  er  nachgeahmt  haben  soll, 
hat  Gedichte  verfasst,  welche  ähnliche  epische  Titel  führen,  wie  die  des 
Stesichoros. 

Man  rühmte  an  unserem  Dichter,  dass  er  eine  grosse  Fertigkeit  in  der  Dar- 
stellung der  Liebe  besessen  habe.  Daraus  folgt  nicht,  dass  er  eigene  Liebes- 
lieder gedichtet  hat  —  wenn  man  die  Kalyke  und  Radine  nicht  etwa  als  solche 
bezeichnen  will  — .  ebenso  wenig,  wie  daraus,  dass  Verse  des  Stesichoros  als 
Skolien  bei  Tisch  gesungen  wurden,  folgt,  dass  er  eigene  Skolien  verfasste« 
Bekanntlich  wurden  auch  die  Homerischen  und  andere  Gedichte  —  so  [die  Ge- 
setze  des  Charondas  —  bei  Tische  in  der  Weise  gesungen  y  dass  die  Ueber- 
reichung  eines  Zweiges  als  Aufforderung  galt,  fortzufahren,  und  [ausser  dem 
öffentlichen  Vortrag,  z.  B.  in  Theatern,  ist  gerade  dieses  Singen  bei -Tische  ein 
Hauptmittel  gewes^i ,  die  Werke  unseres  Dichters  im  Gedächtnisse  des  Volkes 
zu  erhalten. 

Ursprünglich  dagegen  sind  sie  von  ganzen  Chören  bei  Festen  gesungen 
worden.  Diese  Feste  waren  die  der  Götter  und  Heroen  der  sicilischen  und  ita- 
lischen Griechen ,  weshalb  die  Sagen ,  welche  in  Unteritalien  und  Sicilien  sich 
an  die  ächthellenischen  Helden  knüpften ,  dem  Dichter  den  Stoff  ^zu  den  Chor— 
gesängen  geben  mussten. 

In  diesem  Zusammenhange  wird  auch  die  berühmte  Geschichte  von  der 
Palinodie  oder  dem  Widerrufe  des  Stesichoros,  die  wir  vorhin  nur  oberfläehlidi 
berührt  haben,  verständlicher.  Er  wurde  blind,  weil  er  die  Helena  verleumdete, 


Stefticboros.  Palinodie.  167 

uml  wieder  sehend,  als  er  die  Verleumdung  zurttcknahm  und  sang,  Helena  sei 
gar  nicht  nach  Troja  gekommen.  Aber  wie  erfuhr  er,  weshalb  er  das  Augenlicht 
verlpren  hatte?  Piaton  sagt,  Stesichoros  habe  als  Vertrauter  der  Musen  die  Ursache 
seiner  Blindheit  erkannt;  nach  Suidas  wurde  sie  ihm  im  Traume  eröffnet,  ein 
Anderer  nennt  das  Orakel  des  Apollon.  Ganz  ausführlich  und  eigenthümlich  ist 
aber  die  Erzählung  des  Pausanias,  der  in  einigen  Stücken  von  Hermeias,  einen) 
Erklärer  Platon's,  ergänzt  und  berichtigt  wird.  Als  dieKrotoniaten  mit|den  Lokrern 
und  Rheginem  Krieg  führten,  wurde  die  Sdilacht  am  Flusse  Sagra  geliefert,  in 
welcher  die  an  2<ahl  schwächeren  Lokrer  dennoch  mit  göttlichem  {Beistande 
siegten.    In  dieser  Schlacht  wurde  der  Krotoniat  Leonymos  oder  Autoleon  von 
unsichtbarer  Hand  an  der  Brust  verwundet,  als  er  an  einer  Stelle  der^Schlacht- 
reibe  eindringen  wollte,,  welche  die  Lokrer  unbewacht  gelassen  hatten,  da  hier 
nach  ihrem  Glauben  die  sie  schützenden  Heroen  standen.    Er  wandte  sich,  als 
er  sonst  keine  Heilung  zu  finden  vermochte,  an  die  Pythia,  und  diese  gebot  ihm, 
nach  der  Insel  Leuke  im  Pontes  Euxeinos  zu  fahren,  wo  der,  welcher  ihn  ver- 
wundet, ihn  auch  heilen  werde.  Hier  erschienen  ihm  die  Heroen  im'Schlaf  und 
eröffneten  ihm ,  dass  ihm  Genesung  beschieden  sei.    Auf  dieser  Insel  wohnten 
aber  AchHleus  und  die  beiden  Aias  nebst  Helena ,  der  Gemahlin  des  Achilleus, 
welche  den  Leonymos  aufforderte ,  sich  nach  Himera  zum  Stesichoros  zu  be- 
geben und  diesem  mitzutheilen,  sie  sei  es,  welche  ihn  seines  Augenlichts  beraubt 
habe,  aus  Zorn  darüber,  dass  er  sie  geschmäht.  Homer^s  Blindheit  habe  densel- 
ben Grund  gehabt,  und  er  möge  nun  in  einem  andern  Gedichte  sane  Verleum- 
dungen widerrufen.     So  erzählten  übereinstimmend  die  Krotoniaten'und  die 
Himeräer.  Und  der  Umstand,  dass  dieser  eigenthümliche  Bericht  von*denXands- 
leuten  des  Dichters  herrührt,  giebt  ihm  eine  gewisse  Autorität.  Wenn^wir  ihn 
nun  genauer  betrachten,  so  f^llt  uns  die  Erwähnung  von  Lokri^auf,  mit  dem 
ja  des  Stesichoros  Familie  zusammenhing,  und  sodann  die  gewisser  Heroen. 
Wer  sind  sie?    Offirabar  die  Dioskuren,  deren  Hülfe  es  nach  anderen  Berichten 
-war ,  welche  die  Lokrer  in  der  Schlacht  am  Sagra  rettete.    Die  Dioskuren  aber 
sind  die  Brüder  der  Helena.  Sie  wurden  in  Lokri  hoch  geehrt,  und  es  ist  natür- 
lich ,  dass  auch  ihre  Schwester  an  dieser  Verehrang  Theil  hatte.    Wenn  dies 
aber  der  Fall  war,  so  liegt  auf  der  Hand,  wie  die  Palinodie  entstehen  musste. 
Stesichoros  erhielt  von  den  Lokrern  den  Auftrag,  in  ihrem  Namen  die  Dioskuren 
und  ihre  Schwester  in  einem  öffentlich  vorzutragenden  Gedichte  zu  feiern.  Wie 
sollte  er  sich  in  Bezug  auf  Helena  verhalten ,  die  ja  durch  die  epische  Poesie 
nicht  eben  in  den  besten  Ruf  gekommen  war,  und  die  er  selbst  früher,  der 
gewöhnlichen  Sage  folgend,  in  einer  Weise  geschildert  hatte,  die  sie  für  öffent- 
liche Verehrung  nicht  besonders  geeignet  machte?  Er  musste  sie  preisen ;  war 
er  nicht  genöthigt,  eine  Palinodie  zu  schreiben?    Wir  nehmen  also  nicht  die 
Blindheit  des  Dichters ,  sondern  seine  Abfassung  einer  Palinodie  als  die  sichere 
Thatsache,  und  wir  glauben  vollständig  dazu  berechtigt  zu  sein.     Denn  die 
sichersten  Spuren,  welche  die  alten  Dichter  hinterlassen  haben,   sind  ihre 
Werke;  ihre  sonstigen  Lebensumstände  dagegen  sind,  wenn  sie  sie  nicht  selbst 
in  ihren  Gedichten  mitgetheilt  haben,  stets  sehr  unsicher.    Wenn  nun  die*  Ent- 
stehung der  Palinodie  des  Stesichoros  sich  so  auf  eine  natürliche  und  unge- 
zvmngene  Weise  erklären  lässt,  so  ist  es  nicht  mehr  nothwendig,  sie  von  einer 


16g  Zweites  Buch.    IT.  Literatur  und  Kunst  derselben  Zeit 

angeblichen  Blindheit  des  Dichters  abhangig  zu  machen.  Und  ttberdies  sind  <Üe 
Nachrichten  von  dieser  so  schwankend,  dass  z.  B.  Isokrates  gemeint  zu  haben 
scheint,  Stesichoros  sei,  als  er  die  Helena  in  einem  Gedichte  geschmäht,  äugen— 
blicklidi  blind  geworden  und  wieder  sehend ,  als  er  dasselbe  Gedicht  in  einem 
andern  Sinne  fortführte.  Es  kann  nun  sein ,  dass  Stesichoros  wirklich  erblin- 
dete ,  und  dass  -er  dies  seiner  Schmähung  der  Helena  zuschrieb ;  es  ist  aber 
auch  möglich ,  dass  man  ganz  irrthtlmlicher  Weise  die  Blindheit  des  mit  Homer 
vei*glichenen  Dichters  aus  von  ihm  gebrauchten  Ausdrücken  geschlossen  hat, 
die  etwas^  ganz  Anderes  bedeuten  sollten. 

Wie  dem  auch  sein  mag,  nur  die  Palinodie  ist  als  eine  Thatsache  zu  be- 
trachten. Wie  stand  es  nun  aber  mit  dem  Inhalte  dieses  Gedichtes?  Wenn 
Helena  nicht  die  leichtsinnige  Frau  sein  sollte ,  fttr  die  sje  gewöhnlich  gehalten 
wurde ,  so  blieb  kaum  ein  anderer  Ausweg  übrig ,  als  der ,  dass  die  äusseren 
Lebensumstände ,  die  von  ihr  erzHhIt  wurden ,  falsch  waren ;  sie  durfte  ins- 
besondere nie  dem  Paris  gefolgt  und  nach  Troja  gekommen  sein.'  Dann  musste 
aber  Stesichoros  erklären ,  welchen  Ursprung  die  gewöhnliche  Ansicht  habe, 
wie  es  komme^  dass  man  Helena  nach  Troja  entführt  geglaubt,  endlidi  wo  sie 
in  Wirklichkeit  während  des  trojanischen  Krieges  gewesen  sei,  der  ^uf  diese 
Weise  ein  Krieg  um  Nichts  wurde.  Hier  ist  nun  Eins  klar..  Er  musste  das 
Hülfsmittel  anwenden,  das  schon  Homer  beiip  Aeneas  gebraucht;  ein  Schatten- 
bild der  Helemä  ging  mit  Paris  nach  Troja  ,  die  wirkliche  Helena  blieb  zurück. 
Möglich  ist  nun  überdies  noch,  dass  Stesichoros  nicht  einmal  nöthig  hatte,  dies 
Auskunftsmittel  selbst  zu  ersinnen^  das  ihm  ja  eine  irgendwo  bestehende  locale 
Sage  an  die  Hand  geben  konnte ,  in  welcher  nach  Analogie  der  Sage  von  der 
Iphigenia,  die  nach  Tauris  entführt  wird,  auch  Helena  irgend  wohin  in  Sicher- 
heit gebracht  wurde,  während  ihr  Schattenbild  den  Paris  begleitete.  Die  spä- 
tere Ueberlieferung ,  wie  sie  besonders  von  Euripides  dargestellt  ist,  lässt 
Aegypten  dies  Land  sein,  und  Herodot  erzählt  aus  dem  Munde  der  ägyptischen 
Priester  eine  ähnliche  Geschichte,  nur  mit  dem  für  Stesichoros  nicht  passenden 
Unterschiede ,  dass  Helena  dem  Paris  bis  Aegypten  folgt  und  erst  hier  von  ihm 
getrennt  und  zurückgehalten  wird.  Es  kann  übrigens  audi  die  Mi*giichkeit 
nicht  ausgesdhlossen  werden ,  dass  Slesichoros  die  vrirkliche  Helena  irgendwo 
in  der  Nähe  ihrer  Heimat  weilen  liess. 

Endlich  muss  in  Bezug  auf  den  Vortrag  der  Stesichoreischen  Gedichte  noch 
erwähnt  werden,  dass  nach  Aristoxenos  die  Frauen  der  alten  Zeit  die  Ode  Ka- 
lyke  sangen.  Wir  haben  uns  also  dies  Gedidbt  und  ebenso  die  Badine  als  von 
Frauenchören  öffentlich  vorgetragen  zu  denken ,  während  die  heroischen  Ge- 
dichte des  Stesichoros  von  Männerchören  gesungen  wurden. 

Die  Versmasse  des  Stesichoros  sind  ziemlich  einfach;  er  hat  besonders  Tiei 
daktylische  Verse,  in  denen  er,  was  ihre  Länge  betrifft,  nicht  selten  über  den 
Hexameter  hinausgegangen  ist.  Seine  Sprache  ist  nicht  der  reine  dorische 
Dialekt;  sowohl  seine  Heimat  Himera,  in  welcher  dorische  und  ionische  StacEH- 
meseigenthümlichkeit  sich  mischten,  als  auch  seine  Annäherung  an  die  epische 
Poesie  bewirkten ,  dass  er  sich  einer  aus  dorischen  und  ionischen  Elementen 
zusammengesetzten  Sprache  bediente. 

Stesichoros  trügt  in  manchen  Beziehungen  einen  acht  sioiiischen  Charakter. 


Stesichoros«  Ibykos.  I59 

Wir  l^ben  schon  gesehen^  dass  er  gern  soldie  Sagen  erzählt^  die  sich  nnf  seine 
heimatliche  Insel  beziehen ,  und  dass  die  Wanderungen  des  Herakles  und  des 
Aeneas  nach  dem  Westen  zuerst  von  ihm  ausführlicher  in  griechischen  Versen 
vorgetragen  zu  sein  scheinen,  so  dass  man  von  ihm  sagen  könnte,  er  habe 
sein  Vaterland  in  die  griechisdie  Poesie  eingeführt.  Einen  siciiischen  Charakter- 
zug finden  wir  femer  in  aeiner  Vorliebe  für  prächtige  Worte,  die  sich  noch  bei 
anderen  Schriftstellern  unserer  Insel  «eigen  wird.  Dürfen  wir  endlich  noch 
hinzufügen,  dass ,  w^enn  in  der  lyrischen  Heldenpoesie  Stesichoros  bei  der  Be- 
schreibung von  Leckerbissen  verweilt,  die  bei  einem  Feste  ausgetheilt  werden, 
dies  den  siciiischen  Hellenen  sehr  behagen  musste ,  bei  denen  die  Vorliebe  für 
gute  Rost  ein  hervorstechender  Charakterzug  war? 

Seinem  Andenken  ist  denn  auch  noch  das  neuere  Sicilien  treu  geblieben. 
Wie  das  alte  Rata»a  ein  Stesidioreisches  Thor  hatte,  so  hat  des  jetzige  einen 
Stesidioreischen  natz  und  eine  Stesichoreische  Strasse.  Ihren  Hintergrund 
bildet  der  gewaltige  Aetna ,  den  der  Dichter  in  seinen  Weriien  nicht  vergessen 
haben  wird. 

An  Stesichoros  schliesst  sich  in  manchen  Beziehungen  Ibykos  aus  Rhe- 
gion.    Er  war  der  Sohn  des  Phytios ,  nach  Andern  des  Polyzelos ,  eines  Mes- 
seniers,  was  vielleicht  so  zu  vereinigen  ist,  dass  Polyzelos  der  Grossvater  dea 
Ibykos  war  und  zu   den  Rheginem  gehörte,   die  aus  Messenien  stammten. 
Ibykos  lebte  um  die  60.  Olympiade.    Er  hielt  sich  am  Hofe  des  Tyrannen 
Polykrafes  von  Samos  auf,  doch  hat  er  auch  in  Italien  und  Sicilien  gelebt.    Auf 
einer  Reise  von  Ratana  nach  Himera  soll  er  vom  Wagen  gestürzt  sein  und  sich 
die  Hand  verletzt  haben ,  worauf  er  Apoll  als  seinem  Erretter  aus  grösserer 
Gefahr  seine  Leier  weihte.    Bekannt  ist  sein  Tod  durch  Rauber,  welche  durch 
den  Ruf:  »Sieh  da  die  Rraniche  des  Ibykos<(  sieh  selbst  verrathen,  so  dass  die 
Worte  sprichwörtlich  wurden.    Eine  alte  Naöhricht  verlegt  die  Scene  der  Be- 
gebenheit nach  Rorinth ;  da  wir  sonst  nicht  wissen,  dass  der  Dichter,  der  übri- . 
gens  das  Greisenalter  erreichte,  sich  in  Hellas  aufhielt,  so  könnte  sein  Tod  auch 
in  seinem  Vatedande,  in  Italieh,  Statt  gefunden  haben,  zumal  da  wir  von  sei- 
nem Grskbtnal  in  Rhegipn  hören.    Ibykos  war  vorzüglich  als  erotischer  Dichter 
geschätzt,  da  er  aber  vielfach  mit  Stesichoros  verbunden  erscheint,  und  z.  B.  bei 
manchen  Gedichten  alte  Schriftsteller  unentschieden  waren ,  ob  sie  sie  Stesi- 
choros oder  Ibykos  zuschreiben  sollten,   so  ist  anzunehmen,  dass  er  ausser 
erotisdien  Gedichten  auch  solche  geschrieben  hat,  die  den  heroischen  Charakter 
der  Stesichoreisohen  Poesie  trugen.    In  diesem  Zusammenhang  verdient  auch 
seine  Besiehung  zu  Himera  und  Ratana  Beachtung. 

Die  Gedichte  des  Ibykos  wurden  in  7  Bücher  getheflt.  Untei*  den  wenigen 
aus. ihnen  erhaltenen  Fragmenten  gestatten  einige  die  Vermuthung ,  dass  der 
Dichter  in  Stesichoreischer  Weise  den  troischen  Sagenkreis  >  die  Sage  von  den 
Argonauten ,  die  von  Herakles ,  endlich  Aetolische  Geschichten  behandelt  hat. 
Ein  anderes  Gedicht  scheint  zur  Verherriichung  der  ortygischen  Artemis  ge^» 
schrieben  zu  sein.  Eine  sonderbare  Fabel  hatte  Ibykos,  wie  andere  Dichter, 
erzählt.  Zeus  gab  denen,  welche  entdeckt  hattefi,  dass  Prometheus  das  Feuer 
gestohlen  ^  ein  Zaubermittel  gegen  das  Altwerden/  Das  luden  sie  einem  Esel 
auf,  der  an  eine  Quelle  wollte,  um  zu  trinken.  Aber  eine  Schlange,  welche  die 


170  Zweite)  Bucb.    IV.  Uteralnr  ODd  Knnst  derselben  Zeil. 

Quelle  bewachte,  liess  ihn  nur  unter  der  Bedingung  lu,  dass  er  ihr  das  Zauber- 
mitlel  abtrat.  So  wurde  sie  wieder  jung,  ertiielt  aber  den  Durst  des  Esels  mit 
in  den  Kauf. 

her  Dialekt  des  Ibykos  war  der  Rfaeginische,  der  viel  D<»i5ches  enihielt. 

Zu  einer  andern  Dichtungsart,  der  dramatischen,  die  zu  Anfang  des 
5.  Jahrb.  vor  Chr.  ihre  erste  Blute  erreichen  sollte,  wurde  schon  früh  der  Grund 
gelegt  durch  die  iambischeo  Spottgedichte  des  Aristoxenos  aus  Selinus,  von 
denen  nichts  Näheres  bekannt  ist. 

Um  aber  die  Stufe  der  geistigen  Entwickelung ,  auf  welcher  Sicilien  sich 
in  dieser  Zeit  befand,  besser  würdigen  tu  können,  müssen  wir  ausser  den 
Dichtem ,  welche  aus  Sicilien  selbst  hervorgingen  oder  doch  durch  Geburt  und 
Bildung  der  Insel  ganz  nahe  standen ,  noch  diejenigen  nennen ,  von  denen  es 
bekannt  ist,  dass  sie  auf  der  Insel  verweilten  und  dort  mit  Heifall  gehtirt  wur- 
den. Hierher  gehört  A  r  i  o  n ,  der  sich,  wie  wir  aus  Herodot  wissen,  auf  Sicilien 
eines  grossen  Erfolges  erfreute ;  seine  Dithyramben  konnten  in  der  That  den 
Sikeliolen  als  eine  Ausbildung  ihrer  eigenen  munteren  lün^lichen  Festgesan^ 
erscheinen.  Auch  Sappho  war  in  Sicilien,  vie  die  Pansche  Chronik  sagt,  aus 
Lesbos  vertrieben.  In  einem  erhaltenen  Fragmente  erwähnt  sie  Panorntos  als 
Sitz  der  Aprodile;  es  ist  aber  keineswe-gs  sicher,  dass  dies  Panormos  das  sici- 
liscfae  ist.  Endlich  dürfen  wir  nicht  Ubet^ehen.  dass  zwei  Hen'Schenaller  nach 
Sappho  der  Hegarer  Tbeognis,  der  Dichter  der  aristokratischen  Elegie,  »cfa 
im  sicilischen  Megara  aufhielt,  wo  er  auch  das  BUi^erredit  erwarb.  Er  hat  ein 
Ge4icht  auf  die  bei  einer  Belagerung  geretteten  Syrakusaner  geschrieben.  Ob 
di^  sich  auf  den  Kampf  des  Hippokrates  von  Gela  mit  Syrakus  und  die  Nieder- 
lage der  Syrakusaner  am  Heloros  bezieht,  wovon  bald  die  Rede  sein  wird,  ist 
unsicher.  Wir  werden  später  noch  das  Gnomische  in  der  Poesie  in  Sidlioi 
beliebt  ßnden,  der  Charakter  des  Thec^nis  entsprach  also  vollkommen  den 
Neigungen  seiner  sicilischen  Zuhörer. 

Aus  dieser  Zeit  sind  auch  die  ältesten  Ueberresle  griechischer  Kunst,  die 
Sicilien  aufzuweisen  hat,  und  die  den  Beweis  liefern,  dass  unsere  Insel  auch  ia 
dieser  Hinsicht  dem  Hulterlsnde  ebenbürtig  war.  Sie  finden  sich  in  Selinus, 
dessen  gewaltige  Trümmerhaufen  seit  Jahrhunderten  schon  das  Erstaunen  und 
die  Bewunderung  der  Heisenden  erregt  haben.  Wir  wissen,  dass  die  Ruinen  von 
Selinus  in  zwei  Gruppen  zerfallen,  von  denen  die  eine  östlich  von  dem  Hafen 
der  Stadt,  auf  einer  nicht  sehr  hoch  gelegenen  Ebene,  die  andere  westlidi 
von  demselben  auf  einem  kleinen  Hügel  liegt.  Auf  diesem ,  dem  sogenannten 
BurghUgel,  hat  man  aus  der  Hasse  der  Trümmer  die  Ueberreste  von  vier  Tem- 
peln ausgesondert ,  deren  Grundrisse,  mit  Ausnahme  des  kleinsten  von  ihnen, 
sich  noch  deutlich  erkennen  lassen.  Die  Tempel  lagen  hier,  wie  auf  dem  Ost- 
lidien  Plateau,  in  geringer  Entfernung  nebeneinander  auf^iner  von  Norden 
nach  Süden  sich  erstreckenden  Linie,  und  zwar  natürlich  so,  dass  ihre  schmalen 
Seiten  nach  Westen  und  Osten  gerichtet  waren.  Von  diesen  Tempeln  ist  der 
drille  von  Süden  gerechnet,  vielleicht  dem  Herakles  gewidmet,  jetzt  gewöhnlich 
C  bezeichnet,  da  man  für  keinen  der  selinuntischen  Tempel  einen  traditionellea 
Namen  hat ,  der  älteste ,  und  der,  mit  dem  wir  uns  jetzt  genauer  zu  beschäf- 
tigen habeo. 


Tempel.  Seiinas.  17  t 

Er  ist  im  dorischen  Style  erbaut ,  wie  die  meisten  erhaltenen  Denkmäler 
Siciliens,  zeigt  aber,  \vie  auch  andere  derselben ,  manche  Abweichungen  von 
dem  klassischen  Dorismus  der  attischen  Bauwerke. 

Es  ist  ein  Peripteros,  d.  h.  er  hat  einen  vollständigen  Säulenumgang.  Die 
Zahl  der  Säulen  beträgt  an  jeder  der  schmalen  Seiten  sechs ,  an  den  beiden 
Lahgseiten  je  siebenzehn,  die  Ecksäulen  jedesmal  mitgerechnet.  Dies  Verhältr- 
niss  der  Säulenzahl  ist  ein  ungewöhnliches.  Bei  den  attischen  Monumenten  dos 
dorischen  Styls  pflegt  die  Anzahl  der  Säulen  jeder  Langseite  die  der  beiden 
schmalen  Seiten  zusammengenommen  nur  um  eine  zu  Übertreflen.  Der  älteste 
selinuntische  Tempel  ist  also  im  Yerhältniss  zu  seiner  Breite  ungewöhnlich  lang, 
und  würde  es  noch  mehr  sein,  wenn  nicht  die  Zwischenräume  der  Säulen  an 
der  Vorder-  und  Bückseite  grösser  wären  als  an  den  Langseiten,  die  Säulen  in 
den  letzteren  also  gedrängter  ständen.  Hn  der  Ostseite,  der  Vorderseite  dieses 
wie  der  meisten  hellenischen  Tempel ,  entsteht  durch  eine  Wiederholung  der 
vorderen  Säulenreihe  eine  doppelte  Vorhalle,  die  aus  zwei  gleich  tiefen  Räumen 
besteht ;  man  könnte  fast  vermuthen,  dass  di^  Verdoppelung  der  Vorhalle  nicht 
im  urspillnglichen  Plane  gelegen  hätte,  um  dann  auf  diese  Weise  die  unver- 
hältnissmässige  Länge  des  Tempels  zu  erklären.  Der  eigentliche  Tempelraum, 
dessen  Seitenmauem  ziemlich  weit  von  den  Säulenreihen  abstehen,  zerfällt  in 
drei  Theile.  Von  dem  ersten  derselben,  dem  sogenannten  Pronaos,  der  vorne 
nicht,  wie  sonst  gewöhnlich  ist,  Säulen  zwischen  Seitenpfeilem  (Anten)  hat, 
sondern  bei  dem  die  einander  nahe  tretenden  Mauern  den  Eingang  bilden, 
führten  in  die  eigentliche  Gella  Stufen,  von  denen  eine  sich  innerhalb  der 
Thüröffnung  selbst  befand.  Der  Stylobat,  d.  h.  der  Unterbau,  auf  welchem  der 
Tempel  ruht ,  hat  an  den  Langseiten  und  im  Westen  drei  grosse  Stufen ;  an 
der  Ostseite  dagegen ,  wo  man  den  Tempel  betrat,  neun  niedrigere,  die  das 
Hinaufsteigen  erleichterten.  An  der  Vorder-  und  Rückseite  ist  das  Verhällniss 
der  Höhe  der  Säulen  zu  ihrem  untern  Durchmesser  nicht  ganz  wie  5:1,  und 
die  Verjüngung  derselben  beträgt  fast  Y4  des  untern  Durchmessers  ,  während 
sie  bei  den  attischen  Monumenten  wenig  mehr  als  Ve  ^^'  ^^  ^^^  Langseiten 
sind  die  Verhältnisse  ein  wenig  anders  und  die  Säulen  unten  etwas  weniger 
dick,  so  dass  auch  hierdurch  wieder  einigermassen  eine  Ausgleichung  der  Un- 
regelmässigkeit angebahnt  ist ,  welche  durch  die  \  7  Säulen  der  Langseiten  im 
Yerhältniss  zu  den  sechs  der  schmalen  Seiten  entsteht.  Der  Echinus  ladet  sehr 
stark  aus.  Die  Säulen  waren  theilweise  monolith ;  der  Rest  hatte  bis  zu  6  Trom- 
meln. Eine  der  monolithen  an  der  Südseite  misst  25  engl.  Fuss.  Das  Gebälk 
ist  ziemlich  schwer,  da  es  fast  die  Hälfte  der  Säulenhöhe  misst.  Es  besteht  aus 
sehr  grossen  Blöcken ;  einer  von  der  nordöstlidien  Ecke  ist  4  5'  8"  X  5'  1 0" 
X  3'  i"  gemessen  worden.  Die  Dielenköpfe  haben  die  Eigenthümlichkeit,  dass 
sie  schlag  hervortreten  und  über  den  Metopen  nur  halb  so  breit  sind,  wie  über 
den  Triglyphen ;  auch  haben  jene  schmäleren  nur  3  Tropfen ,  während  diese 
6  zählen.  Die  Triglyphen  sind  abweichend  von  dem  späteren  Gebrauche  nur 
um  Weniges  schmäler  als  die  Metopen ,  was  auch  bei  den  übrigen  selinunti- 
schen  Tempeln,  mit  Ausnahme;  der  beiden  jüngsten  (E  und  G},  der  Fall  ist,  so 
wie  auch  eben  dieselben  das  starke  Ausladen  des  Echinus  mit  unserem  Tempel 
gemein  haben.    Die  kürzlich  gefundene  nördliche  Ecktriglyphe  der  Ostfronte, 


Zweites  Buch.    IV.  Literatur  und  Kunst  derselben  Zeil. 

Is  die  (ibrigen ,  zeigt  in  den  Vertiefungen  zwei  sich  in  gebrochenem 
isam  mensch  Hessen  de  Leisten. 

kl  man  sich  nun  diesen  Tempel  mit  den  aogegebenen  Eigenthtünlich- 
is  den  Trümmern,  in  denen  er  liegt,  wieder  erhoben,  so  macht  er  ent- 

den  Eindruck  eines  voriLlassiscben  Bauwerkes.  Seine  ungewöhnliche 
1  Yerhültniss  zu  seiner  Breite,  der  ungleiche  Durchmesser  der  Saalen 

stari:e  Verjüngung ,  die  grosse  Weile  des  Umgangs ,  die  Schwere  des 
1,  die  ungleiche  Breite  der  DielenkCpfe  —  dies  Alles  Issst  auf  die  Ent- 
;speriode  des  dorischen  Styls,  auf  ein  htiberes  Älter  des  Gebäudes 
a.  Diese  Vermuthung  wird  aber  noch  besonders  durch  die  im  Jahre 
n  den  «ngliscfaen  Architekten  Harris  und  Angell  entdeckten  Metopen 
jmpels  bestätigt. 

le  Bildwerke  sind  aus  dem  compacten  Tuff  der  Umgegend  von  Selinus 
i)  gearbeitet  und  gehören  der  Vorderseite  des  Gebäudes  an.  Auch  die 
te  trug,  wie  aufgefundene  Bruchstücke  beweisen,  mit  Sculpturen  be- 
etopenptatten,  wogegen  die  Metopen  der  Langseiten,  von  dräen  eben- 
h  Fragmente  gefunden  sind,  glatt  waren.  Die  Platze,  welche  die  von 
en  Engländern  entdeckten,  i'  9'/i"  hohen  und  3'  e'/^"  breiten  Bildtafeln 
in,  haben  genau  bestimmt  werden  kennen ;  es  waren,  von  der  Becfalen 
hauers  gezüblt,  die  dritte,  vierte  und  fünfte  Hetope.  Die  erste  der- 
at  von  den  Entdeckern  aus  48,  die  zweite  aus  32,  die  dritte  aus 
stucken  zusammengesetzt  werden  müssen.  Die  beiden  ersten  sind  in 
iehung  wichtiger  als  die  dritte,  an  welcher  die  Haupuheile  der  Figuren 

erste  Platte  zeigt  einen  M^nn  von  äusserst  kräftigen  Formen  mit  regel- 
eordnetem,  kurzem  Haar,  einem  kurzen  Schwerte  und  einem  von 
irtel  um  den  Leib  zusammengehaltenen  kurzen  Gewände.  Er  schreilet 
i  nadi  rechts ,  indem  er  dabei  sein  Gesicht  dem  Zuschauer  voll  tw- 
and  b^gt  an  einer  Über  den  Nacken  gelegten  Stange  zwei  Männer, 
terschenkel  auf  derselben  befestigt  sind ,  und  welche  mit  unter  der 
sammengcbun denen  Armen  von  ihr  herabhängen.  Ihre  Haare  sind 
sig  geordnet  und  Über  der  Stirn  kurz;  doch  fallen  die  unter  den 
festigten  Flechten  in  symmetrischen  Bogen  über  dieselben  faemntcr. 
,  Annen  und  Beinen  sind  die  Biemen  sichtbar,  mit  denen  sie  gebunden 
e  beiden  MHnner  hangen  ganz  symmetrisch  zu  beiden  Seiten  des  Tre- 
erab,  die  FUsse  auf  der  Sl«nge  dem  Kopfe  desselben  zugewandt,  die 
genden  Kopfe  dagegen  von  Vbme  sichtbar*.  Es  ist  die  Darstellung  eines 
^rs  des  Herakles  mit  den  Kerkopcn,  koboidartigen ,  bssslichen  Wes^i, 
ene<±l  und  ihm  Keule  und  Bogen  oder  Kleider  gestohlen  hatten.  Zar 
nd  er  zwei  von  ihnen ,  welche  er  gefangen  hatte,  —  sie  hiessen  Pas— 
1  Akmon,  Hammer  und  Ambos  —  mit  den  Füssen  an  eine  Stange  tmd 
ort ;  doch  kamen  sie  durch  einen  Scherz  über  die  schwarze  Hialer- 
s  Stegers,  den  sie  dadurch  lachen  machten,  frei, 
nächste  Hetope  stellt  einen  ebenfalls  von  links  nach  rechts  schreitenden 
,  angethan  mit  kurzen  Stiefeln,  die  an  ihrem  oberen  Ende  durch  eine 
1  hinausgehende  Volute  geziert  sind ,  mit  einem  kurzen ,  durch  einen 


Mekopeo.  )73 

• 

GUrlel  zusammengehaltenen  Gewände  und  einem  runden  Hute,  unter  dem  sich 
kurze  Haare  zeigen.  Er  fnsst  mit  der  Linken  ein  rechts  neben  ibm  mit  einem 
Knie  auf  die  Erde  hingesunkenes  Wesen  bei  der  Kopfbedeckung  und  schneidet 
mit  der  Rechten  demselben  den  Kopf  ab.  Dies  Wesen  hat  einen  grossen  Kopf 
mit  regelmässigen ,  runden  Löckchen  über  der  Stirn  und  über  die  Schultern 
herabfallenden  Locken  oder  Bändern ;  es  fletscht  die  Zähne ,  un^er  denen  zwei 
besonders  weit  hervorragen,  und  streckt  die  Zung^  aus;  mit  der  Rechten 
drückt  es  ein  kleines  springendes  Pferd  fest  an  seine  Seite.  Auf  der  anderen 
Seite  des  Mannes  steht  gerade  ausblickend ,  wie  die  beiden  soeben  beschriebe- 
nen Figuren  eine  weibliche  Gestalt ,  in  ein  in  regelmässigen  Fallen  herunter- 
hängendes Gewand  gekleidet.  Das  Haai*  ist  über  der  Stirn  in  kurzen  Well^ 
geordnet  und  fällt  hinten  weit  über  den  Nacken  herab.  Hier  ist  Perseus  dar- 
gestellt, wie  er  mit  dem  Beistande  der  Athene  der  Medusa  den  Kopf  abschneidet. 
Hedusa's  Kind  ist  Pegasos,  das  Flügelpferd,  welches,  als  Perseus  sie  tödtet^  aus 
ihrem  Blute  hervorspringt.  Hier  ist  die  Sage  etwas  anders  gewandt;  denn 
noch  lebend  hält  sie  den  Pegasos  im  Arme ,  wenn  dies  nicht  etwa  nur  eine 
symbolische  Darstellung  der  gewöhnliche  Sage  ist. 

Die  dritte  Metope,  bei  der  der  grössere  Yorsprung  der  Platte ,  auf  weldier 
die  Figuren  stehen ,  —  4  4  Zoll  gegen  6  Zoll  bei  den  beiden  ersten  —  auffällt, 
zeigt  ein  gerade  nach  vorn  gerichtetes  Viergespann,  dessen  zwei  äussere  Pferde 
die  Köpfe  nach  aussen  biegen,  während  die  mittleren,  welche  etwas  niedrigere' 
Köpfe  haben,  gerade  ausblicken.  Zwischen  den  mittleren  zeigen  sich  Brust, 
Kopf  und  Arme  eines  Mannes  (nach  Göttiing  ein^  Frau) .  Hinter  dem  rechts 
vom  Zuschauer  befindlichen  Seitenpferde  ist  die  fast  ganz  erhaltene  Gestalt 
einer  Frau  mit  langem  Gewände  sichtbar ,  aus  dem  nur  ein  wenig  die  Füsse 
hervorschauen.  Ihr  rechter  Arm  ist  erhoben,  lieber  dem  Pferde  links  sind  von 
der  Frau,  die  hier  dargestellt  war,  ausser  dem  Gewände  nur  die  erhobene  linke 
Faust  und  eine  Locke  sichtbar.  Was  dargestellt  ist ,  vtrürde  selbst  dann  viel- 
leicht nicht  klar  sein,  wenn  die  Figuren  ganz  erhalten  wären;  es  ist  die  Abfahrt 
eines  Gespannes,  aber  welches  Helden?  Man  hat  an  die  verschiedensten  Mythen 
gedacht,  an  Phaethon,  an  Erichthonios,  endlich  an  den  Streit  zvrischen  Pelops 
und  Oinomaos.  Nun  fand  sich  in  der  Sammlung  der  Jesuitai  zu  Palermo  —  ob 
jetzt  noch,  kann  ich  nicht  sagen  —  eine  alterthümliche ,  übrigens  nachlässig 
gearbeitete  Terracotta ,  welche  ebenfalls  die  Abfahrt  eines  Viergespannes  dar- 
stellte, wo  jedoch  neben  den  beiden  äusseren  Pferden  zwei  Jünglingsfiguren  in 
Häntdn  stehen ,  welche  mit  der  einen  Hand  das  neben  ihnen  befindliche  Pferd 
am  Kopfe  fassen,  mit  der  andern  den  Zügel  halten.  Wenn  nun  auch  der  Cha- 
rakter der  Köpfe  der  beiden  Seitenfiguren,  welche  sich  im  Profil  zeigen,  ein 
ganz  anderer  ist,  als  der  der  Metope,  und  vielmehr  mit  dem  der  Köpfe  in  dem 
bekannten  Relief  von  Samothrake  Aehnlichkeit  hat,  so  ist  doch  sonst  so  manche 
Uebereinstimmung  mit  unserem  Relief  vorhanden ,  dass  die  von  Serra  di  Falco 
niitgetheilte  Vermuthung  einige  Wahrscheinlichkeit  hat,  es  habe  unter  den  Me- 
tern des  Tempels  zwei  einander  entsprechende  gegeben ,  von  denen  die  eine 
die  AMahrt  des  Pelops,  begleitet  von  zwei  Dienern,  vorstellte  ^  hiervon  hätten 
wir  eine  Nachbildung  in  der  Terracotta  — ,  die  andere  die  des  Oinomaos,  neben 
welchem  Frau  und  Tochter  ständen ,  und  die»  wäre  das  theil weise  erbalteae 


174  Zweites  Buch.    IV.  Literatur  und  Kunst  derselben  Zeit. 

Relief.  Natttrlieh  könnte  die  allzu  breite  Terracotta  nur  eine  unvoUkominene 
Nachbildung  der  Metope  sein. 

Im  Jahre  1865  ist  von  Cavallari  noch  ein  Viertel  der  letzten  Metope  der 
Nordost«cke  entdeckt  worden,  den  Kampf  des  Herakles  mit  der  Amazonen- 
königin darstellend. 

Endlich  sind  vier  einzelne  Köpfe  erhalten,  alle  wie  die  der  drei  erst- 
genannten Metopen  in  der  Vorderansicht. 

Der  Styl  dieser  im  Museum  zu  Palermo  aufgestellten  Bildwerke  ist  der 
einer  noch  mit  dem  Stoffe  ringenden  und  nicht  zur  Klarheit  über  ihren  Zweck, 
wie  über  ihre  Mittel  durchgedrungenen  Kunst.  Es  vereinigt  sich  Streben  nach 
Naturwahrheit  mit  entschiedener  Unnatur.  Jenes  zeigt  sich  in  der  Darstellung 
mancher  Einzelheiten.  Der  Künstler  bemühte  sich  z.  B.  die  Knie  und  die  Fuss- 
gelenke  möglichst  treu  darzustellen  und  in  der  Muskulatur  ein  Abbild  der 
Wirklichkeit  zu  geben.  Die  Unnatur  giebt  sich  in  den  falschen  Verhältnissen 
der  einzelnen  Körpertheile  zu  einander  und  in  der  gezwungenen  Haltung  der 
Figuren  kund.  Wahrend  die  Gesichter  alle  von  vorn  erscheinen,  sind  die  Füsse 
sHmmtlich  seitwärts  gerichtet  und  ruhen  platt  auf  dem  Boden.  Mit  einer  ge- 
wissen Geschicklichkeit  bildet  die  Haltung  der  Beine  eine  Art  von  Vermittlung 
zwischen  den  beiden  Gegensätzen,  und  so  ist  das  durchaus  Unnatürliche  eigent- 
lich nur  die  Haltung  des  rechten  Fusses,  der  bei  den  stets  mit  dem  linken  Fusse 
voran  nach  recht«  schreitenden  Figuren  nach  aussen  gewandt  sein  müsste.  Die 
Kerkopen  freilich  sind,  ganz  ohne  Rücksicht  auf  die  Natur,  der  Symmetrie 
wegen  so  dargestellt,  dass  der  Oberleib  ganz  von  vorn,  die  Beine  völlig  von  der 
Seite  erscheinen.  Es  zeigt  sich  somit  bei  diesen  Reliefs  eine  Abweichung  von 
dem  sonst  den  älteren  Reliefs  und  Malereien  eigenen  Gebrauche,  Kopf  und 
Füsse  im  Profil  und  nur  die  Brust  von  vom  zu  zeigen.  Der  Medusa  Beine  sind 
so  gebildet,  dass  das  knieende  bedeutend  länger  ist  als  das  andere;  selbst  die 
einzelnen  Zehen  desselben  sind  unnatürlich  verlängert.  Es  ist  Nichts  —  denn 
ein  kürzlich  in  Lakonien  gefundenes  Kunstwerk  scheint  doch  kaum  den  Ver- 
gleich mit  den  selinuntischen  Metopen  aushalten  zu  können  ^-  aus  dem  Bereiche 
der  griechischen  Skulptur  erhalten ,  was  an  Alter  zugleich  und  an  Bedeutung 
mit  den  geschilderten  Bildwerken  verglichen  werden  könnte.  Sie  sind  weit 
unvollkommener  als  die  Aegineten,  und  wir  werden  nicht  umhin  können,  sie 
eben  deswegen  für  weit  ält«r  zu  halten.  Man  könnte  zwar  an  die  Möglichkeit 
denken,  dass  die  hinter  der  übrigen  griechischen  Kunst  zurückgebliebene  seli- 
nuntische  Schule  unsere  Metopen  zu  einer  Zeit  hervorgebracht  hätte ,  wo  man 
im  eigentlichen  Hellas  schon  weit  Vollkommeneres  schuf;  aber  es  spricht  doch 
Nichts  dafür,  dass  man  im  westlichen  Sicilien  nicht  gleichen  Schritt  in  der  Kunst 
mit  den  übrigen  Hellenen  gehalten  hätte.  Die/ioch  in  den  Anfängen  begriffene 
Kunst  zeigt  sich  auch  in  dem  Schwanken  der  Proportionen  der  Figuren,  indem 
Herakles  5  Kopflängen,  Pallas  4^4,  Perseus  aber  nur  4V4  hodi  ist,  sowie  darin, 
dass  die  Figuren  auf  ihren  Vorderseiten  flächenartig  gehalten  und  gegen  den  Grund 
zu  nicht  abgerundet  sind,  wie  das  die  spätere  Reliefskulptur  thut.  In  der  Bildung 
der  Beine  und  besonders  der  kräftigen  Darstellung  der  Knie  ist  eine  Aehnlich- 
keit  unserer  Reliefs  mit  den  assyrischen  Bildwerken  unverkennbar.  Merkwürdig 
ist  endlich  noch,  dass  in  diesen  Metopen  je  drei  menschliche  Figuren  erscheinen, 


Tempefin  Selinus  und  auf  Ortygia.  175 

während  man  in  späterer  Zeit ,  wie  schon  die  übrigen  selinuntischen  Metopen 
beweisen ,  in  richtigerer  Einsicht  in  die  Bedingungen  der  Kunst  nur  zwei  Ge- 
stalten in  jede  Metope  aufnahm.  Wir  dürfen  schliesslich  wohl  in  unseren  Bild- 
werken Denkmäler  einer  acht  dorischen  Kunst  erkennen. 

Jetzt  ist  noch  von  den  Farbenspuren  zu  sprechen^  die  sich  an  diesem  älte- 
sten Tempel  von  Selinus  erhalten  haben ,  und  die  sich ,  mit  Ausnahme  einer 
schwarz  und  rolhen  architektonischen  Verzierung',  auf  die  Bemalung  der  Meto- 
pen beschränke^,  weshalb  wir  auch  die  Frage  von  der  Polychromie  der  Archi- 
tektur überhaupt  auf  einen  späteren  Abschnitt  versparen.  Der  oberste  Theil 
jeder  Metope  war  von  einem  rothen  Mäander  eingenommen ,  von  dem  jedoch 
bei  der  zweiten  nur  noch  wenig,  bei  der  dritten  Nichts  mehr  erhalten  ist ;  roth 
war  femer  der  Hintergrund  gemalt  und  endlich  einzelne  Details  der  Figuren  : 
auf  der  ersten  Metope  Schwert  und  Güiiel  des  Herakles ,  sowie  das  Riemen- 
werk, das  die  Kerkopen  umschnürt;  auf  der  zweiten  die  Augen  der  Medusa, 
der  Hut  des  Perseus  und  Verzierungen  am  Gewände  der  Athene,  deren  Augen 
und  Augbrauen  schwarz  bemalt  sind,  auf  der  dritten  endlich  ist  das  Roth  noch 
an  den  Riemen  der  Pferde  und  der  Deichsel  des  Wagens  zu  sehen.  Auch  diese 
Art  der  Bemalung  scheint  einen  tieferen  Stand  der  Kunst  zu  verrathen.  Später 
wurde  es ,  wie  wir.  an  anderen  selinunlischen  Tempeln  sehen ,  gebräuchlich, 
den  Grund  der  Metopen  blau  zu  bemalen ,  wobei  erst  die  rothen  Verzierungen 
der  Figuren  zur  Geltung  kommen,  die  bei  dem  rothen  Grunde  unserer  Metopen 
ihren  ganzer  Eindruck  verfehlen  mussten. 

Wir  werden  fast  in  dieselbe  Zeit  mit  dem  soeben  geschilderten  Tempel  den 
von  ihm  etwa  400  Palmen  weiter  nach  Norden  gelegenen,  mit  D  bezeichneten, 
setzen  müssen ,  einen  Tempel ,  der  in  manchen  Beziehungen  mit  dem  vorher- 
gehenden die  grösste  Aehnlichkeit  hat.  Es  ist  ein  Peripteros  mit  6  Säulen  in  der 
Front ,  aber  nur  4  3  an  den  Langseiten.    Auch  der  Pronaos  zeigt  sich  von  dem 
des  ältesten  Tempels  dadurch  verschieden ,  dass  er  auf  die  gewöhnliche  Weise 
in  der  Mitte  der  Vorderseite  von  Säulen  gestützt  ist ;  doch  hat  er  an  den  Ecken 
nicht  die  gebräuchlichen  Anten,  sondern  wiederum  Säulen.    Die  Säulengänge 
sind  dagegen,  wie  beim  vorigen  Tempel,  sehr  breit  und  die  Cella  unverhältniss- 
mässig  schmal;  ihr  Hinterraum  zeigt  die  Eigen thümlichkeit,  dass  sich  an  drei 
Seiten  eine  niedrige  Bank  um  denselben  herumzieht ,  die  offenbar  zur  Aufstel- 
lung von  geweihten  Gegenständen  bestimmt  war.    Die  Säulen  sind  von  gerin- 
gerem Durchmesser  als  die  des  vorigen  Tempels,  und  es  f^llt  auf,  dass  die 
Intercolumnien  beinahe  anderthalb  untere  Säulendurchmesser  betragen.     In 
der  starken  Verjüngung  der  Säulen,  der  Schwere  des  Gebälks  und  der  eigen- 
thUnilichen  Gestaltung  der  Dielenköpfe  stimmt  dieser  Tempel  mit  dem  vorigen 
durchaus  überein,  und  das  ist  es  eben ,  was  uns  bewegt ,  ihn  für  fast  ebenso 
alt  zu  halten. 

EbenfaHs  in  das  6.  Jahrhundert  vor  Chr.  scheint  endlich  noch  der  soge- 
nannte Artemistempel  auf  Ortygia  zu  gehören.  Jahrhunderte  hindurch  waren 
seine  Ueberreste ,  die  in  der  Erde  und  in  Privathäusem  steckten ,  nur  wenig 
sichtbar,  bis  sie  im  Jahre  4864,  wenngleich  unvollkommen  und  hauptsächlich 
nur  im  östlichen  Theile ,  aufgedeckt  wurden.  Der  Tempel  erwies  sich  als  ein 
dorischer  Peripteros  von  6  Säulen  Front  und  48  oder  49  Säulen  an  den  Lang- 


l«s  Bucb.    V.  Religion.  Pliilonphts.  PyLbagoras. 

d  noch  einer  Säulenreihe  vor  denselben.  Er  zeigte  mehrere 
htlmlichkeiten.  Der  Arcbitrav  ist  von  bedeutender  Höhe  — 
ulendurcbmesser  um  i/g  — ,  und  die  monolithen  Säulen, 
;nig  verjüngen  (nur  um  Y«  des  unteren  Durchmessers), 
i  ihre  Inlercolumnien  (p.  6,  4),  die  mittlere  der  Ostfront 
ler  sind  als  ihr  Durchmesser  (p.  7].  Hieraus  ist,  nie  es 
-theilung  der  Triglypfaen  der  Scbluss  zu  sieben-,  dass  sidi 
e  eine  derselben  befand,  und  w«in  dem  so  war,  muss 
sehr  alten ,  sonst  in  keinem  erhaltenen  Honunienle  ver- 
doi-iscben  Architektur  angohüren.  Mau  hat  an  den  oberen 
Ten  links  von  der  Aufgangstreppe  eine  leider  nur  unvoll- 
chrift  gefunden,  aus  der  hervorgehl,  dasseinHann,  dessen 
Igt,  die  3  Sttulen  dieses  Theils  der  Ostfronte  dem  Apollon 
)niit  als  die  Gottheit  des  Heiligtbums  herausstellt.  Der  Cha- 
9n  zeigt,  dass  die  Inschrift  alter  als  diejenige  des  spater  zu 
nischen  Helms  in  Olympia  war;  es  hindert  also  Nichts, 
t  vor  den  Beginn  des  a.  Jahrhunderts  vor  Chr.  zu  setzen. 
liier  hat  Sicilien  in  dieser  Zeit  keine  hervorgebracht;  nir 
len,  dass  der  Bheginer  Klearchos,  der  um  die  60.  Olympiade 
ien  gearbeitet  hat.  £s  wird  auch  berichtet,  dass  Polysiralos 
lU  sich  die  KUnsller  Dipoinos  und  Skyllis  eine  Zeit  lang  von 
«n)  eine  Bildsaule  des  Phalaris  macht«, 
■sprechen  in  ihrem  Kunstfharakter  der  tlbrigen  Eungl  der 
laben  die  Köpfe  einen  durchaus  altertbUmlichen  Typus,  der 
1,  dass  die  Augen  trotz  der  Profilsl«ilung  des  Gesichtes  von 
einen.  Dass  nun  die  hellenisohe  Bildung  Siciliens,  deren 
rvorbringungen  wir  zu  schildern  versucht  haben,  schon 
eben  Einfluss  auf  die  nichtgriechischen  Völkerschaften  der 
nzweifelhaft.  Aber  noch  entzieht  sich  dieser  EinQuss  den 
unkel  der  fernen  Vei^angenheit  umsonst  zu  durchdringen 
e  spatere  Epoche  entbtllU  uns  die  elymiscbe  Sudt  Segesl^ 
lellenischea  Monumente. 


Fünftes    Kapitel, 
leliglon.  Philosophie.  Pythagoras. 

jetzt  die  politischen  Verhnltnisse  und  die  geistige  Produc- 
Siciliens  in  den  ersten  beiden  Jahrhunderten  der  Eusleni 
lonien  auf  unserer  Insel  betrachtet.  Das  Gemälde  des  Zu- 
i'ürde  aber  unvoUsiandig  sein ,  wenn  wir  das  GeWel  der 
tphie  ganz  unberücksichtigt  liessen.  Es  kann  nun  unsere 
jetzt  ausführlich  über  die  Beligion  der  sicilischen  Griechen 
Sudie  zu  sprechen;  eine  Zusammenstellung. des  hierüber 


Gottheilc?n.  177 

Bekannten  wird  besser  bei  einer  späteren  Gelegenheit  gemacht  werden ;  wir 
müssen  uns  hier  auf  einige  kurze  Andeutungen  über  diesen  Gegenstand ,  auf 
die  Hervorhebung  des  Charakteristischen  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die 
älteste  Zeit  beschränken.     Und  hier  macht  sich  vor  Allem  eine  Eigenthümlich- 
keit  geltend.  Es  ist  die  Vorliebe,  mit  der  die  sicilischen  Griechen  die  Gottheiten 
der  Flüsse  und  Quellen  verehrten,  die  ihren  Wohnsitzen  nahe  waren,  eine 
Eigenthümlichkeit,  die  uns  besonders  in  den  Münzen  vor  Augen  Irilt.    So  ver- 
ehren Naxos  den  Assinos,  Katana  den  Amenanos,  Kamarina  den  Uipparis,  Himera, 
Gela  und  Akragas  die  gleichnamigen  Flüsse,  Selinus  den  Hypsas  und  den  Seli- 
nus ,  bald  unter  der  Gestalt  eines  mit  kleinen  Hörnern  versehenen  Jünglings, 
bald  unter  der  eines  Stieres,  der  dann  häufig  ein  Menschenanllitz  trägt.    Ka- 
marina verehrte  ausserdem  noch  die  Nymphe  des  gleichnamigen  Sees ,  die  ein 
Schwan  symbolisirt,  und  den  Syrakusanern  war  der  Anapos  und  die  Kyane, 
vor  allen  aber  die  Arethusa  heilig.     Was  war  aber  auch  natürlicher,  als  dass 
die  in  ein  fremdes  Land  gewanderten  Griechen  die  Gottheiten  besonders  ver- 
ehrten, die  ihnen  das  nothwendigste  Lebenselement,  das  süsse  Wasser,  spen- 
deten, und  deren  Verehrung,  wie  die  des  Porpax  und  Telmissos  in  Segesta, 
des  Ghrysas  in  Assoros  und  der  auf  den  Münzen  dargestellten  Flüsse  von  Alon- 
tion ,  Agyrion  (vielleiciu  Palankaios)   und  Entella  zeigt,  auch  unter  den  nicht 
hellenischen  Stämmen  der  Insel. heimisch  war.  Zu  diesen  an  Ort  und  Stelle  ge- 
fundenen göttlichen  Wesen  kommen  nun  die  aus  der  Heimat  mitgebrachten. 
Wir  sahen  allerdings,  dass  höchst  wahrscheinlich  manche  hellenische  Gottheiten 
schon  durch  zerstreute  Griechenschaaren ,  die  sich  unter  den  Sikelem  nieder- 
liessen ,  verbreitet  worden  sind ;  dieselben  sind  aber  auch  von  den  Hellenen, 
welche  Naxos,  Syrakus  und  die  anderen  Pflanzstädte  gründeten ,  mitgebracht 
worden ,  und  so  wurde  erst  jetzt  der  Kult  derselben  allgemein  auf  der  Insel. 
Hierher  gehört  vor  Allen  Apollon,  dessen  Verehrung,  von  mehreren  Punkten 
ausgehend,  bei  den  sicilischen  Griechen  eine  höchst  verbreitete  war.    Zuerst 
war  er  der  Archegetes ,  der  von  Delphi  mitgebrachte  Führer  der  ersten  An- 
siedler, dessen  Dienst  sich  von  Naxos  besonders  über  die  Pflanzstädte  des- 
selben, Katana  und  Leontini,  ausdehnt.    Einen  anderen  Apollon  haben  wir  uns 
in  Megara  Hyblaia  und  Selinus  zu  denken,  weil,  wie  die  Münzen  ausweisen,  im 
2S  is^lischen  Megara  Apollon  sich  als  Mauergründer  einer  ganz  besonderen  Vereh- 
rung erfreute.    Ein  dritter  Apollon  ist  der  Karneios ,  der  sich  bei  allen  Doriern 
fand,  und  den  insbesondere  die  Thebanischen  Aegiden  ehrten,  zu  welchen  auch 
die  Enämeniden,  die  Familie  Theron's,  zählten.  So  war  er  nach  Thera  gekommen, 
so  nach  Akragas.  In  Gela  und  Akragas  ist  endlich  noch  der  Kult  des  triopischen 
Apollon  eingeführt  worden,  der  mit  chthonischem  Götterdienst  verschmolzen  war. 
Welchen  Ursprung  der  syrakusanisehe  Kult  des  temetiitischen  Apollon  hatte, 
ist  nicht  sicher  zu  bestimmen ,  wahrscheinlich  stammte  derselbe  aus  Korinth 
selbst.     In  diese  neu  hinzugekommenen  ApoUokulte  fügte  sich  denn  auch  der 
schon  längere  Zeit  in  Hybia  bestandene  mit  Leichtigkeit  ein.  Mit  Apollon  konnte 
an  Allgemeinheit  der  Verehrung  in  Sicilien  Zeus  wetteifern.    Es  versteht  sich 
von  selbst,  dass  in  allen  hellenischen  Städten  der  oberste  Gott  verehrt  w  urde ; 
insbesondere  wissen  wir  es  von  Syrakus,  wo  wir  einen  Olympios,  einen  Urios, 
Spender  günstigen  Windes,  bald  auch  einen  Eleutberios,  endlich  einen  Hellanios 

Holm,  Gesch.  Sieiliens.  I.  42 


178  Zweites  Bach.    V.  Religioo.  Philosophie.  Pythagoras. 

finden;  von  Selinus,  wo  er  einen  Altar  auf  dem  Markte  hatte;  von  den  rhodi- 
sehen  Kolonien,  wo  der  Zeus,  welchen  die  Rhodier  auf  der  Burg  von  Lindioi 
verehrten,  eine  hervorragende  Stätte  finden  musste.  So  tritt  er  denn  als  Burg- 
schirmer  in  Gela ,  Akragas  und  Kamarina  (seit  dies  geloische  Kolonie  war)  auf, 
und  in  Akragas  kam  zu  dem  Zeus  Polieus  oder  Atabyrios,  der  aus  Rhodos  stam- 
mend ,  den  Akragantinern  vielleicht  noch  nicht  ganz  als  der  9cht  hellenische 
Gott  erscheinen  mochte,  noch  der  Olympios,  sowie  denn  überhaupt  diese  Stadt 
den  Zeus,  wie  ihre  Münzen  zeigen,  besonders  verehrte.  Ausserdem  beherrschte 
er  den  mächtigen  Berg  Aetna.  Als  dritte  Hauptgottheit  Siciliens  dürfte  A  thene 
zu  betrachten  sein.  In  Himera  war  sie  seit  uralter  Zeit  heimisch,  also  wohl 
schon  vor  der  Gründung  der  griechischen  Niederlassung ,  wenn  nicht  etwa  die 
warmen  Quellen  erst  später  auf  sie  zurückgeführt  wurden ;  in  Syrakus  kommt 
sie  vor  (vielleicht  als  Tritogeneia),  ohne  Zweifel  aus  Korinth  mitgebracht,  wo 
ja  besonders  die  Münzen  eine  weite  Verbreitung  ihres  Kultus  zeigen.  In  den 
rhodischen  Pflanzstädten  ist  Athene  vereint  mit  Zeus  die  Beherrscherin  der 
Burg,  so  besonders  in  Akragas  und  im  späteren  Kamarina.  Oder  sollen  wir 
annehmen,  dass  schon  in  älterer  Zeit,  wie  gewiss  später,  der  Kult  der  Athene 
in  Sicilien  an  Bedeutung  von  dem  der  Demeter  und  Persephone  über- 
troffen wurde,  der  in  Hellas  von  den  Sicilien  kolonisirenden  Städten  hauptsäch- 
lich nur  in  Megara  blühte,  und  der  durch  den  Anschluss  an  den  althergebrach- 
ten Gottesdienst  der  Sikeler  und  durch  die  Fruchtbarkeit  des  Landes  von 
besonderer  Wichtigkeit  wurde?  Wir  finden  ihn  vor  Allem  in  Syrakus,  wo 
Münzen  den  Namen  Köre  tragen  und  Manche  auch  den  von  uns  als  Arethusa 
gedeuteten  Kopf  der  ältesten  Münzen  mit  dem  Namen  Köre  belegen ;  in  Kaiana, 
in  Akrai,  in  Leontini,  wo  in  älterer  Zeit  das  Gerstenkorn,  später  ein  Demeter- 
kopf auf  Münzen  erscheint;  in  Akragas,  das  Zeus  der  Köre  als  Morgengabe 
schenkt.  Allmählich  galt  ganz  Sicilien  als  dieser  Gottheit  heilig,  und  ihre  Ver- 
ehrung, die  in  der  Römerzeit  besonders  in  Henna  gipfelte,  dem  Nabel  Siciliens, 
der  Stadt,  die  jedenfalls  schon  alten  Demeterkult  gehabt  hat,  zeigt  sich  auch 
darin,  dass  nicht  selten  gei'ade  in  diesem  Lande  Demeterbilder,  besonders  aus 
Terracotta  gearbeitet ,  gefunden  werden.  Die  chlhonischen  Gottheiten ,  deren 
Kult  in  Gela  im  Geschlechte  des  Telines ,  zu  dem  die  Deinomeniden  gehörten, 
blühte,  sind  offenbar  ebenfalls  vorzugsweise  Demeter  und  Persephone  gewesen  • 
auch  sie  scheinen,  wie  ApoUon,  vom  triopischen,  Vorgebirge  zu  stammen.  Von 
der  Verehrung  der  Artemis,  die  eine  der  ersten  nach  Sicilien  gekommenen 
hellenischen  Gottheiten  ist,  haben  wir  alte  Spuren  schon  in  der  Geschichte  des 
Orest  gefunden ;  die  Insel  Ortygia ,  »Dolos*  Schwestern,  war  ihr  heilig ,  spSiter 
erscheint  sie  als  Soteira  auf  syrakusaoischen  Münzen;  in  Selinus  tritt  sie,  wie 
Münzen  zeigen,  in  Verbindung  mit  ihrem  Bruder  Apollon  auf;  in  Akrai  endlich 
wird  inschriftlich  ein  Artemision  erwähnt.  Dionysos  ward  in  Naxos  verehrt, 
sodann  in  den  Kolonien  von  Naxos,  Katana  und  Leontini,  in  Lipara  und  v^ahr- 
scheinlich  in  Himera ;  in  Syrakus,  wo  vereinzelt  auch  eine  Traube  auf  Münzen 
erscheint  und  bei  Cicero  ein  Tempel  des  Liber  vorkommt,  in  welchem  eine 
Bildsäule  des  Aristai OS  stand,  wird  ein  besonderer  Dionysos  mit  dem  Bei- 
namen Morychos  erwähnt.  Hermes,  den  Pindar  als  Helfer  Hieron 's  beim  Siege 
im  Wettkampf  nennt,  zeigen  Münzen  von  Himera,  dessen  Bürger  Stesichoros  ja 


Kulte  der  Hellenen.  179 

zuerst  von  dem  Ho rmessohne  Daphnis  gesungen  hatte,  und  in  Akrai  sind  mehr- 
fach Hermesbronzen  gefunden  worden.  Der  Kultus  des  Poseidon  wird  in 
Messana  aus  den  Münzen  und  aus  den  Sagen  von  der  Peloris,  in  Akragas  und 
Lipara  aus  den  Münzen  geschlossen.  Syrakus  verehrte  ihn,  wie  dais  beständige 
Vorkommen  der  Delphine  auf  den  Münzen  beweist  und  die  Herkunft  der  Grün- 
der aus  Korintb  an  sich  wahrscheinlich  macht.  Die  Fürsten,  welche  Rosse  zum 
Wettrennen  zogen,  wie  Theron  und  Hieron,  müssen  ebenfalls  dem  Poseidon 
besondere  Verehrung  gezollt  haben.  Wenig  erfahren  wir  aus  älterer  Zeit  von 
Here ,  doch  ward  sie  sicher  in  Syrakus  und  in  Selinus,  wo  der  eine  der  Tempel 
des  östlichen  Stadttheils  ihr,  wie  es  scheint,  gewidmet  war,  verehrt.  Ares, 
dessen  Heiligthum  nach  Pindar  Syrakus  ist,  erscheint  übrigens  fast  nur  auf 
dem  Aetna  unter  der  Gestalt  des  Hadranos  imd  später  wie  dieser  in  Messana. 
Aphroditekultus  wird  uns  aus  Syrakus,  das  als  korinthische  Kolonie  ihn 
nicht  wohl  entbehren  konnte,  und  aus  Selinus,  aus  dem  akragantinischen  Ge- 
biete (tü:>er  dem  Grabe  des  Minos)  und  aus  der  Stadt  Akrai  (nach  Ausweis  der 
Inschriften)  bezeugt.  Ein  allerdings  erst  spät  erwähnter  Aphroditetempel  bei 
Naxos  mag  uralt  sein.  Der  Kult  des  A  s  k  1  e  p  i  o s  war  sehr  verbreitet  in  Sicilien. 
Wir  finden  ihn  in  Syrakus ,  wo  in  seinem  Tempel  eine  Statue  des  Paian  stand ; 
in  Akragas  (hier  vielleicht  aus  Rhodos  stammend)  und  Himera,  wo  der  Hahn 
auf  Münzen  ihn  bezeichnet,  in  Selinus,  in  Messana,  hier  zusammen  mit  der 
Hygieia  genannt.  Hephaistos  betete  man  auf  dem  Aetna  und  auf  der  Insel 
Lipara  an.  Hestia ,  deren  heiliges  Feuer  im  Prytaneion  jeder  Stadt  brannte, 
wird  wenigstens  in  Syrakus  erwähnt.  Pan's  Verehrung  zeigt  eine  Münze  von 
Messana.  Von  den  Heroen  erfreute  sich  besonders  Herakles  einer  ganz  all- 
gemeinen Verehrung ,  so  dass  man  ihn  fast  den  Nationalheros  Siciliens  nennen 
könnte.  Wir  finden  seinen  Kult  in  Syrakus  und  Akragas ,  in  Selinus  und  Hi- 
mera, den  beiden  Städten,  in  deren  Gebiet  die  berühmtesten  warmen  Quellen 
der  Insel  lagen ;  es  wird  überhaupt  wenig  Städte  der  Insel  geben,  deren  Mün- 
zen nicht  auch  das  Rild  oder  Symbole  dieses  Heros  nachwiesen.  Die  Dios- 
kuren,  die  nach  Euripides  auf  dem  sikelischen  Meere  die  Schiffe  beschützend 
walten,  werden  besonders  in  Akragas  erwähnt,  doch  zeigen  sie  auch  syraku- 
sanische  und  katanäische  Münzen,  und  in  späterer  Zeit  gewinnt  ihr  Kult  in  der 
Stadt  Tyndaris  besonderen  Aufschwung.  Zwei  einbeimische  Heroen,  Pherai- 
mon  und  Leukaspis,  waren  von  den  Bewohnern  von  Messana  und  Syrakus 
in  den  Kreis  ihrer  Kultusgottheiten  aufgenommen  worden.  Nach  einem  alten 
Heiligthum  der  Tyche  ward  ein  Stadttheil  von  Syrakus  benannt,  und  die  Ode 
Pindar*s  auf  Ergoteles  von  Himera  ruft  für  diese  Stadt  dieselbe  Gottheit  an.  Er 
nennt  sie  Soteira.  Sollte  nicht  die  Sosipolis  auf  geloischen  Münzen  auch  eine 
Tyche  sein?  Zu  oft  kommt  die  Nike  auf  den  Münzen  sicilischer  Städte  vor,  als 
dass  wir  nicht  annehmen  sollten,  sie  habe  in  ihnen  Opferstätten  gehabt.  Ein 
Heiligthum  der  Musen  wird  wenigstens  aus  Syrakus  erwähnt.  Endlich  finden 
wir  in  Leontini  einen  Altar  der  zwölf  Götter  bereits  zur  Zeit  der  Gründung 
der  hellenischen  Niederlassung  daselbst.  Der  Bedeutung  der  Gottheiten  entr- 
sprechend  gestalteten  sich  denn  auch  die  Feste ,  von  denen  uns  leider  verhält- 
nissmässig  wenig  überliefert  ist.  Die  Menge  der  Demeterfeste  erklärt  sich  durch 
die  soeben  ftlr  die  Verehrung  dieser  Göttin  angeführten  Gründe.     Besonders 


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180 


Zweites  Buch.    V.  Religion.  Philosophie.  Pylhagoras. 


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viele  derselben  kuUpften  sich  an  die  Sage  vom  Raube  der  Köre  durch  den  Galt 
der  Unterwelt,  die  ja  Sicilien  zum  Schauplatz  haben  sollte.  So  erinnerten  die 
Anlhosphorien,  ein  Frühlingsfest,  an  die  heiteren  Spiele  der  Blumen  lesenden 
Jungfrau,  die  Theogamien  und  die  Anakai ypterien  an  die  Hochzeit  der  Köre 
und  des  Hades ;  auch  Koreia,  die  also  der  Köre  insbesondere  gewidmet  waren, 
werden  erwähnt.  Besonders  wichtig  waren  aber  die  Thesmophorien,  in  denen 
Demeter  als  Geberin  der  Satzungen  und  Ordnungen  des  bürgerlichen  Lebens 
gefeiert  w urde ;  sie  kommen  in  Syrakus  sowohl  wie  in  Akragas  vor.  Feste  des 
ApoUon ,  der  Artemis  und  des  Dionysos  lehren  uns  die  in  Sicilien  gebräuch- 
lichen Monatsnamen  kennen.  So  erinnert  der  Karneios  an  das  Fest  des  Apollon 
dieses  Namens;  der  Artamitios  und  der  Eukleios  weisen  auf  Feste  der  Arteuvis 
hin,  deren  lange  dauernde  Hauptfeier  in  der  Geschichte  der  Belagerung  von 
Syrakus  durch  Marcellus  vorkommt;  der  Dionysios  hat  ein  Fest  des  Bakchos 
enthalten.  Wir  wissen  ausserdem  von  Festen  der  Artemis,  die  mit  ihrem  Jubel 
XU  der  Gestaltung  der  Komödie  in  Sicilien  beigetragen  haben,  und  dürfen  das- 
selbe von  den  Dionysosfesten  vermulhen,  die  ohne  Zweifel  in  grosser  Zahl  und 
mit  enthusiastischer  Begeisterung  des  Volkes  begangen  wurden.  Vom  Kult  der 
Aphrodite  legt  wenigstens  der  Name  des  Festes  Kotyttia  Zeugniss  ab.  Die  Theo- 
xenia,  in  welchen  die  übrigen  Götter  bei  einem  einzelnen  als  Gäste  erscheinen, 
wurden  in  Akragas  als  Dioskurenfest  begangen.  Die  genannten  Festcyklen,  in 
denen  Unterwelt  und  Fruchterde ,  die  Sonne  und  ihr  Einiluss ,  die  Gaben  des 
Weinberges  und  der  quellendurchrieselten  Fluren  und  Haine  gefeiert  wurden, 
umfassten  schon  die  Hauptrichtungen  des  der  Natur  zugewandten  und  von  ihr 
abhängigen  Menschenlebens.  Den  Heroen  waren  Frühlingsfesle  gewidmet.  In  den 
Häusern  pflegte  man  heitere  Nachtfeste  zu  Ehren  der  Nymphen  zu  begehen. 
Aller  genannten,  sowie  der  übrigen  Gx)ttheiten  fromme  Verehrung  ward 
den  grösslen  Theil  der  bisher  behandelten  Periode  hindurch  auch  bei  den  höher 
Gebildeten  durch  keine  philosophischen  Betrachtungen  gestört.  Aber  gegen  das 
Ende  derselben  trat  doch  auch  hier  der  Moment  ein ,  wo  den  Denkenden  die 
Aufschlüsse  nicht  mehr  genügten,  welche  die  Religion  und  ihre  Diener  über 
die  wichtigsten  Fragen,  die  Natur  der  Dinge,  das  Wesen  und  die  Pflichten  der 
Menschen  geben  konnten  j  wo  man  die  eigene  Geisteskraft  benutzt« ,  um  sich 
Aufklärung  über  diese  Gegenstände  zu  verschaffen.  Das  schlummernde  philo- 
sophische Bedürfniss  erwachte.  Aber  es  waren  nicht  einheimische  Denker, 
welche  zuerst  es  zu  befriedigen  suchten.  Die  westlichen  Kolonien  hal)en  ebenso 
w^enig  wie  das  eigentliche  Hellas  die  Philosophie  in  selbständiger  Weise  bei  sich 
entstehen  sehen ;  sie  ging  vielmehr  von  den  Griechen  Kleinasiens  aus,  welche, 
in  Berührung  mit  den  älteren  Kulturen  des  grossen  Festlandes,  an  dessen 
äusserstem  Saume  sie  wohnten ,  als  Vermittler  auch  der  philosophischen  For- 
schung den  übrigen  Griechen  zu  dienen  berufen  waren.  In  gewissem  Sinne 
freilich  haben  wir  schon  einen  Philosophen  in  Sicilien  gefunden,  denn  Charon- 
das  war  ebenso  sehr  Weiser,  wie  Staatsmann  ;  aber  er  war  einW'eiser,  welcher 
die  Menschen  zwang,  seine  Weisheit  anzunehmen.  Die  eigentliche  Philosophie 
wird  in  Sicilien  erst  gegen  das  Ende  des  6.  Jahrh.  vor  Chr.  durch  zwei  Männer 
eingeführt,  die  beide  aus  dem  asiatischen  Griechenland  stammten,  und  von 
denen  der  eine  nach  ausdrücklichen  Berichten  in  Sicilien  verweilt  hat,   der 


2^> 


I 


Xenophanes.  lg| 

andere  bei  seiner  eminenten  Wirksamkeit  in  Grossgriechenland  auch  auf 
unsere  Insel  den  grössten  Einfluss  ausgeübt  haben  muss :  durch  Xenophanes 
und  Pythagoras. 

Xenophanes  war  in  Kolophon  um  das  Jahr  570  geboren.  Als  Uarpagos, 
dftr  Feldherr  des  Ryros,  die  ionischen  Städte  unterjochte,  da  verliess  mit  vielen 
Anoeren  auch  er,  25  Jahre  alt,  seine  Ueimat.  Er  hat  seitdem  kaum  eine  blei- 
benae  Stätte  irgendwo  gefunden  und  sein  langes  Leben  in  verhältnissmässiger 
Armuth  auf  der  Wanderung  hinbringen,  müssen.  Wir  finden  ihn  unter  andern 
in  Athen,  besonders  aber  bei  den  Hellenen  des  Westens,  wo  Zankle  und  Katana 
ausdiücklich  als  seine  Wohnsitze  genannt  werden,  während  er  überdies  zu  der 
Phokäischen  Kolonie  Elea  in  mehrfachen  Beziehungen  stand.  Xenophanes  war 
ohne  Vermögen ;  er  erwartete,  für  seine  Wirksamkeit  Lebensunterhalt  und  Lohn 
zu  finden,  und  wir  vernehmen  ausdrücklich,  dass  er  als  Rhapsode  meiner  eigenen 
Gedichte  auftrat.  Denn  in  poetischer  Form,  in  einem  Lehrgedicht  nach  damaliger 
Sitte,  die  auch  nach  ihm  noch  galt,  hat  Xenophanes  seine  Ansichten  über  die 
Natur  ausgesprochen. 

In  seiner  Philosophie ,  die  uns  durch  Fragmente  seines  Werkes  und  durch 
Nachrichten  der  Allen  über  ihn  nur  höchst  unvollständig  überliefert  ist,  nimmt 
der  negative  Theil  eine  wichtige  Stellung  ein.  Seine  Negation  ist  aber  gegen 
nicfais  Geringeres  als  den  Volksglauben  selbst  gerichtet.  Die  Menschen ,  sagt 
Xenophanes,  bilden  sich  Gölter,  die  ihnen  selbst  ähnlich  sind,  und  die  v.er~ 
schiedenen  Nationen  folgen  darin  ihren  eigen thümlichen  Begriffen  vom  Schönen. 
Wenn  dieXhiere  malen  könnten  wie  die  Menschen,  so  würden  wir  Götter  sehen, 
die  Thiergestalt  hätten.  Ob  Xenophanes  damit  auf  die  ägyptische  Religion  an- 
spielt? Direkt  greift  er  aber,  wie  später  so  manche  Philosophen,  Homer  und 
Hesiod  an,  die  Alles  den  Göttern  beigelegt  haben,  was  nur  immer  für  Menschen 
schimpflich  ist : 

Stehlen  und  Ehebrechen  und  Sich  Einander  Betrügen. 
Seine  Ansichten  über  die  Volksreligion  verhehlte  er  auch  im  praktischen  Leben 
nicht.  Als  ihn  einst  die  Eleaten  fragten ,  ob  sie  der  Leukothea  göttliche  Ehren 
erweisen  und  ihren  Tod  mit  einem  Trauerdienste  feiern  sollten,  antwortete  er, 
wenn  sie  sie  für  ein  göttliches  Wesen  hielten ,  so  sollten  sie  ihren  Tod  nicht 
feiern,  wenn  aber  für  ein  menschliches,  sie  nicht  als  Gottheit  verehren.  Trotz- 
dem werden  in  seinem  Werke  die  Götter  erwähnt,  als  seien  sie  wirklich  vor- 
handen. In  der  eigenen  Lehre  des  Xenophanes  ging  der  Hauptsatz  dahin,  dass 
die  Gottheit  nur  Eine  sei.  Aber  diese  Eine  Gottheit  war  ihm  zugleich  das  All. 
Auf  den  ganzen  Himmel  blickend,  sagt  Aristoteles  von  ihm,  behauptete  er,  das 
Eine  sei  Gott.  Dennoch  legt  er  dieser  im  All  vertheilten  Gottheit  Geist  bei : 

Ganz  ist  er  sehend,  ganz  kommt  ihm  Gehör,  ganz  kommt  ihm  Verstand  zu, 
und: 

Sonder  Bemühn  mit  des  Sinnes  Verstand  regieret  er  Alles. 
Von  Weissagungen  wollte  er  Nichts  wissen. 

Mit  seiner  Lehre  von  der  Einheit  alles  Seienden  ist  Xenophanes  durch  sei- 
nen Sditiler  Parmenides  der  Gründer  der  Eleatischen  Schule  geworden. 

Xenophanes  hat  über  der  Theologie  keineswegs  die  Naturlehre  vernach- 
lässigt, in  welcher  von  den  ionischen  Philosophen  einarefiflicher  Anfang  gemacht 


1S2  .Zweites  Buch.    V.  Religion.  Philosophie.  Pythagores. 

worden  war.  Er  stimmte  mit  ihnen  darin  überein ,  dass  er  Erde  und  Wasser 
als  Urbestandtheiie  der  Welt  betrachtete. 

Denn  insgesammt  sind  wir  aus  Erde  und  Wasser  entstanden, 
sang  er.  Die  Erde  war  einst  in  Wasser  aufgelöst  und  bildete  einen  Brei  oder 
Schlamm.  Dass  dem  so  gewesen  sei,  bewies jer  durch  die  Muscheln,  die,  wie 
er  sagt,  inmitten  der  Erde  in  den  Gebirgen  gefunden  würden,  wobei  er  ins- 
besondere anführte ,  dass  Abdrücke  von  Fischen  und  anderen  Seethieren  zu 
Syrakus  in  den  Steinbrüchen  sich  zeigten,  andere  zu  Faros,  noch  andere  end- 
lich in  Melite.  Luft  und  Feuer  seien  es  dann  gewesen,  welche  die  Verdichtung 
des  Schlammes  bewirkten.  Diese  beiden  Elemente  scheint  er  besonders  in  der 
Thätigkeit  der  Vulkane  studirt  zu  haben,  wenigstens  sind  wir  Xenophanes  schon 
als  Beobachter  des  Vulkans  von  Lipara  begegnet.  Man  sieht  bei  ihm  nicht  zu 
verachtende  AnCinge  einer  wissenschaftlichen  Erdkunde ,  und  es  ist  für  uns 
Interessant,  dass  gerade  Siciiien  mit  seinen  Nachbarinseln  ihm  Stoff  für  seine 
Forschungen  dargeboten  hat.  Mit  geringerem  Geschick  und  Glück  als  die  Erde 
erforschte  Xenophanes  den  Himmel.  Die  Himmelskörper,  welcher  Art  sie  auch 
sein  mögen,  sind  ihm  nur  Verdichtungen  feuriger  Wolken.  Ihre  Bewegung 
dachte  er  sich  als  eine  In's  Unendliche  fortstrebende,  sie  selbst  als  abwechselnd 
sich  entzündend  und  wieder  verlöschend ,  was  uns  als  Auf-  und  Untergang 
derselben  erscheine.  So  verlischt  z.  B.  die  Sonne  alle  Tage  und  entzündet  sich 
von  Neuem.  Xenophanes  hatte  offenbar  von  der  mathematischen  Grundlage  der 
Astronomie  keinen  Begriff,  und  seine  sonstige  GenialiUlt  konnte  diese  Lüd^en 
seines  Wissens  nicht  ausfüllen.  Um  so  mehr  passte  denn  auch  auf  ihn  selbst, 
was  er  über  die  Unsicherheit  aller  menschlichen  Erkenntniss  sagte : 

Völlig  Sicheres  weiss  kein  Mensch,  und  wird  es  auch  Keiner 
Wissen,  sowohl  von  den  Göltern,  als  was  Ich  sage  vom  Weltall, 

WO  er  in  bemerkenswerther  W^eise  seine  eigenen  wissenschaftlichen  Lehren  mit 
den  populären  Ansichten  über  die  Götter  auf  eine  Linie  stellt.  Doch  machte 
ihn  seine  Ueberzeugung ,  dass  die  Wahrheit  nicht  gefunden  werden  könnte, 
keineswegs  gleichgültig  gegen  dieselbe;  er  glaubte  vielmehr,  die  Menschen 
fanden  »durch  Suchen  im  Laufe  der  Zeiten  das  Bessrea. 

Wir  werden  Xenophanes  in  seinen  letzten  Lebensjahren  noch  am  Hofe 
Hiei^^n's  von  Syrakus  wiederfinden ,  dürfen  aber  deswegen  nicht  etwa  anneh— 
men,  dass  seine  Wirksamkeit  in  Siciiien  erst  in  diese  späte  Zeit  falle.  Seine 
Studien  der  Vulkane  und  der  Sleinarten  Siciliens  hat  er  weit  früher  gemacht. 
Es  ist  eine  eigenthümliche  Erscheinung,  dieser  umherwandernde  Pantheist,  der 
die  Volksreligion  bekämpft  und  dabei  zugiebt,  dass  auch  seine  eigenen  Lehren 
nicht  absolut  sicher  seien.  Aber  eben  weil  er  in  dieser  Weise  auftrat,  konnte 
seine  Thätigkeit  keine  tief  eingreifende,  epochemachende  sein;  er  erlangte 
keinen  grossen  Einfluss  auf  die  Masse  seiner  Zeit-  und  Volksgenossen  und 
würde  nicht  einmal  Haupt  einer  philosophischen  Schule  geworden  sein ,  wenn 
er  nicht  in  Parmenides  einen  Schüler  gefunden  hätte ,  der  seinen  Bhapsodien 
ein  wissenschaftlicheres  Kleid  umzulegen  wusste.  Pythagoras  der  Systematiker 
ist  in  dieser  Beziehung  wie  in  manchen  andern  das  Gegenstück  zu  dem  Kritiker 
Xenophanes.  Uebrigens  scheint  sein  Angriff  auf  Homer  diesem  Vater  der  hel- 
lenischen Dichtkunst  einenVertheidiger  in  dem  Bheginer  Theagenes  erweckt  su 


"'■m?^^"' 


huhea ,  der  durch  die  Annahme  eines  allegorischen  Sinnes  der  Bo 
Poesie  ihr  AnsUissiges  zu  beseitigen  suc)ite. 

Wir  wenden  uns  jetzt  lu  Py  lhagoras.  Weniger  Hanner  Leb 
der  Sage  mit  wunderbarerem  Detail  ausgeschmückt  worden  als  das  st 
war  der  Sohn  des  Mnesarchos,  eines  Kaufmannes  auf  Samos,  aus  der 
der  tjrrhenischen  Pelasger.  In  seiner  Jugend  erhielt  er  den  Untei 
gelehrten  Pherekydes  von  Syros,  der  in  seinen  Schriften  tiefsinnii 
suchungen  vorgetragen  und  bereits  die  Lehre  von  der  Seelen  wandet 
gestellt  hatte.  SpHier  genoss  er  den  Umgang  der  ausgezeichn  eisten 
Philosophen,  des  Thaies  und  Anaxiniandros,  die  ihn  in  die  Naturp 
einführten,  und  machte  endlich,  um  seinen  Wissensdurst  an  den^C 
befriedigen,  grosse  Beisen,  auf  denen  er  nnch  A^ypt«n  kam,  wo  er 
Weisheit  der  Priester  des  Landes  eindrang.  Dass  er  auch  nach  Babyloi 
und  dort  von  den  Kenntnissen  3er  Cbaldüet*  und  Magier  Nutzen  zog 
Vielen  bezweifelt  worden ,  doch  leidet  die  Reise  dahin ,  welche  durch 
fangennahme  des  Philosophen  durch  die  Ae^ypten  erobernden  Perse 
wird,  an  keiner  inneren  llnwahrscheinlichkeit,  und  seine  Entdeckung 
Malfaematik  machen  sie  sogar  höchst  wahrscheinlich.  Nach  seiner 
von  diesen  Reisen  entschloss  er  sich,  vielleicht  durch  die  traurigen  Ve 
loniens,  das  unter  persischen  EinQuss  gekommen  war,  bewogen,  seil 
von  Neuem  zu  verlassen  und  nach  Westen  zu  wandern,  wo  schoi 
kleioasiatische  Griechen,  von  den  Persern  bedrängt,  Zuflucht  gefundf 
Ihn  zogen  die  blühenden  Studie  Grossgrieche nlands  an. 

Der  fruchtbare  Boden  und  das  milde  Klima  der  südlichen  Kits 

Italiens  am  Tyrrhenischen  wie  am  Ionischen  Meere  hatten  den  dortige 

lassongen  der  Hellenen  ein  schnelles  Gedeihen  geschaffen.     Unter  d 

griechischen  Stildten  stand  in  der  engsten  Verbindung  mit  Sicilien  da 

gel^ene  Rhegion,  von  dessen  Lage  und  Grtlndungszeit  wir  bereits  gi 

haben,  eine  chalkidische  Stadt  mit  angesehenen  messeniscltcn  Familtt 

nicht  unbedeutendes  Gebiet. von  dem  ihrer  feindlichen  Nachbarin  Lo 

den  üalesQuss  geschieden  war.    Die  älteste  vorhandene  Rfaeginisc 

zeigt  den  Stier  mit  HeDschenautiitz,  die  Person ilication  eines  von  den  1 

verehrten  Flussgottes;  bald  erscheint  auch  der  Apollokopf,  auf  die  ( 

der  Stadt  durdi  den  delphischen  Gott  hindeutend ;  von  den  in  den  Hl 

Anaxilas  ausgedrUcklen  Beziehungen  Rhegion's  wird  spater  die  Bede  : 

Lokroi,  dessen  geringfu^ge  Ueberresle  ä  Hillien  von  Gerace  bei 

Geraceam  dstlicben  Abhänge  des  Aspromonle  sichtbar  sind,  wurde 

ä  Sklaven  der  ozolischeo  Lokrer  in  ' 

Jungfrauen  des  Volkes  verbunden  b 

ungen  waren,  die  ersten  Gründer 

früher  gesehen,  wie  sie  auf  hinleriisl 

ehir^e  von  den  Sikelem  gewannen 

1  verlegten,  angeblich  mit  Hülfe  dei 

len  religiösen  Gebräuchen  der  Sikele 

l  jedoch ,  dass  ein  bei  jenen  von  vi 


Ig4  Zweites  Buch.    V.  Religion.  Philosophie.  Pythagoras. 

Jünglingen  bekleidetes  Amt  von  ihnen  einer  Jungfrau  aus  einem  der  hundert 
edlen  Hiiuser  überlrcigen  wurde. 

In  einem  eigenthümlichen,  doch  nicht  unerklärlichen  Gegensatz  zu  dieser 
Bevorzugung  des  weiblichen  Geschlechtes  steht  es ,  wenn  in  Lokri  in  alter  Zeit 
die  Keuschheit  der  Jungfrauen  der  Aphrodite  zum  Opfer  gebracht  wurde,  was 
Zustände  voraussetzt,  welche  die  Einführung  einer  strengeren  Sitte  sehr  wün- 
schenswerth  machten.  Diese  wurde  durch  die  Gesetzgebung  des  Zaleukos  her- 
beigeführt. Zaleukos  erhielt,  wie  man  behauptete,  seine  Weisheit  durch  die 
unmittelbare  Eingebung  der  Göttin  Athene,  und  dem  entsprechend  war  strenge 
Auf  rech  Ihaltung  eines  sittlichen  Lebens  das  Hauptziel  seiner  Gesetzgebung.  Zu 
diesem  Zwecke  wurden  selbst  Handel  und  Verkehr  wesentlich  beschränkt,  und 
die  GeseJ^ze  sollten,  wie  dies  auch  die  verwandte  Gesetzgebung  des  Charondas 
bezweckte,  stets  möglichst  unverändert  bleiben.  Die  Münzen  zeigen  erst  später 
den  Athenekopf,  anfangs  nur  den  Zeuskopf  und  auf  dem  Revers  den  Adler; 

doeb  sind  auch  diese  Münzen  nicht  sehr  alt.  Freundliche  Beziehungen  zu  Rhe- 

gion  verräth  nur  die  oben  erwähnte  Schlacht  am  Sagra ;  die  damals  von  den 
Dioskuren  gewährte  Hülfe  ward  noch  spät  von  beiden  Städten  durch  Abbüdung 
der  Köpfe  der  rettenden  Gottheiten  auf  ihren  Münzen  dankbar  anerkannt. 

In  Bezug  auf  ihren  Ursprung  war  eine  grosse  Aehnlichkeit  zwischen  Lokri 
und  der  östlichsten  der  grossgriechischen  Städte,  Taras  oder  Taren  tum,  vor- 
handen, das  unter  der  Anführung  des  Phalanthos  von  den  sogenannten  Par- 
theniai,  den  Kindern  von  Spartanerinnen  und  nicht  ebenbürtigen  Männern, 
welche  während  des  ersten  messenischen  Krieges  zu  Hause  geblieben  waren,  im 
innersten  Winkel  der  Meeresbucht,  die  die  beiden  südlichen  Ausläufer  Italiens 
trennt ,  gegründet  wurde.  Tarent ,  nach  einem  Poseidonsohne  Taras,  der  auf 
den  Münzen  auf  einem  Delphin  reitend  dargestellt  ist,  benannt,  lag  auf  einer 
Landzunge ,  die  sich  von  Osten  nach  Westen  erstreckte  und  das  Meer  von  dem 
weiten  Hafen  trennte,  der  1 2  Millien  im  Umfang  halte,  dem  jetzigen  Mare  pic- 
colo.  In  Tarent  wurde,  wie  in  Lokri,  der  Adel  von  den  Frauen  hergeleitet. 
Beide  Städte,  besonders  aber  Lokri,  dessen  ältere  Geschichte  unvei^leichlich 
interessanter  ist,  als  die  spätere,  zeigen  uns  somit  das  weibliche  Geschlecht  in 
der  ältesten  Zeit  in  einer  eigenthümlichen  Stellung ,  die ,  von  der  rechten  Mitte 
nach  beiden  Seiten  gleich  weit  entfernt,  demselben  äusseriich  mehr  Ehre  bietet, 
als  nöthig  ist,  und  dabei  es  in  sittlicher  Beziehung  schädigt.  Wenn  wir  nun 
noch  hinzunehmen ,  dass  sich  in  Unteritalien  neben  dieser  Heri*8chaft  des  He- 
tärismus  auch  Spuren  des  Amazonenthums  ßnden  —  eine  Amazone  Kleite  soll 
nach  dem  Tode  der  Penthesilea  nach  Italien  gegangen  sein  und  dort  eine  Stadt 
gegründet  haben,  welche  erst  von  den  Krotoniaten  erobert  wurde,  und  ein 
altes  Weihgeschenk  aus  Zankle  stellt  Herakles,  eine  Amazone  besiegend,  dar  — , 
so  haben  wir  für  dieses  Land  die  verschiedenen  Formen  der  Gynaikokratie  be- 
zeugt, einer  Gynaikokratie,  die  durch  das  gewichtige  Auftreten  der  Athene 
verschwindet. 

Sind  so  durch  ihre  Urgeschichte  Rhegion,  Lokri  und  Tarent,  das  auch 
später  noch  eine  Periode  ungemeinen  Glanzes  aufzuweisen  hatte,  merkwürdig, 
so  sind  es  durch  ihre  zwar  frühe,  aber  in  eine  durchaus  historische  Zeit  fallende 
Entwicklung  Sybaris  undKroton,  beides  achäische  Kolonien.    Die  Stadt Sy- 


Grossgrieohenland.  ]g5 

baris,  zwischen  zwei  Flüssen,  deniSybaris  und  dem  Rrathis,  den  die  Münzen 
der  Stadt  unter  der  Gestalt  eines  Stieres  zeigen,  den  jetzigen  Coscile  und  Crati, 
an  einer  Stelle  gelegen ,  wo  keine  Spur  mehr  die  alte  Stadt  verräth ,  erreichte 
eine  gewaltige  Höhe  des  Wohlstandes,  wozu  die  ausserordentliche  Fruchtbarkeit 
des  Landes  an  Wein ,  Korn  und  Oel  das  Meiste  beigetragen  haben  muss.  Aus 
dem  Wohlstande  entwickelte  sich  aber  ein  Luxus,  welcher  Alles,  was  sonst 
aus  dem  Alterthum  gemeldet  wird,  weit  tibertraf.  Die  Ueppigkeit  der  Sybariten 
ward  sprichwörtlich.  Dabei  waren  sie  übrigens  keineswegs  ohne  Geist;  es 
werden  eine  Menge  Witzwort«  von  ihnen  angeführt,  und  die  Stadt  gab  einer 
besondem  Galtung  der  Fabel  den  Namen.  Kroton,  das  wegen  der  Einwir- 
kung Apollon's  auf  seine  Gründung  zum  Haupttypus  seiner  Münzen  den  Drei- 
fuss  hat,  stand  an  der  Stelle  des  heutigen  Gotrone,  sechs  Millien  vom  lakinischen 
Vorgebirge,  auf  dem  noch  eine  einsame  Säule  die  Stätte  bezeichnet,  wo  der  in 
ganz  Grossgnechenland  hochgeehrte  Tempel  der  Lakinischen  Hera  sich  erhob. 
Es  muss  um  dieselbe  Zeit  wie  Syrakus  oder  ein  wenig  später  gegründet  sein, 
wenngleich  die  Sage  die  Stadt  schon  mit  Herakles  in  Verbindung  brachte.  Wie 
Sybaris  durch  seinen  Reichthum  und  seine  Weichlichkeit,  so  ward  Kroton 
durch  die  Kraft  seiner  Bürger  in  allen  hellenischen  Landen  berühmt. 

Zu  diesen  Städten,  den  bedeutendsten  Grossgriechenlands,  kamen  nun 
noch  mehrere  weniger  wichtige  hinzu.    Zwischen  Lokri  und  dem  lakinischen 
Vorgebirge  lagen  die  achäischen  Kolonien  Kaulonia,  nach  gewöhnlicher  An- 
nahme eine  Gründung  von  Kroton ,  wahrscheinlich  am  Sagra ,  dem  heutigen 
AlarO;  unfern  von  Castelvetere  gelegen,  dessen  Münzen  den  Hirsch  der  Artemis 
und  eine  Lustration  durch  Apollon  darstellen,   und  Skylletion,    das  der 
Athener  Menestheus  gegründet  haben  soll,  das  jetzige  SquiUace.    Nördlich  vom 
lakinischen  Vorgebirge  aber  finden  wir  Pete lia  und  Makalla,  die  aufPhi- 
loktet  ihren  Ursprung  zurückführten,   jenes  vielleicht  das  heutige  Strongoli, 
dieses,  das  \  20  Stadien  von  Kroton  entfernt  genannt  wird,  etwas  weiter  nörd- 
lich, etwa  am  Flusse  Lipuda.    Im  Norden  grenzte  an  das  Gebiet  von  Sybaris 
dasjenige  von  Siris,  dessen  Ursprung  einerseits  auf  die  Morgeten  zurückge- 
führt wurde  (des  Moi^eS  Tochter  soll  Siris  gewesen  sein) ,  andererseits  jedoch 
den  Trojanern  zugeschrieben  wird  wegen  der  in  Siris  verehrten  Athene  Ilia. 
Man  sucht  seine  Stätte  am  linken  Ufer  des  Sinno,  des  alten  Sirisflusses.    Es 
stand  in  enger  Beziehung  zu  dem  am  jenseitigen  Meerbusen  gelegenen  Pyxus 
(Policastro) ,  mit  dem  zusammen  es  vielleicht  die  Landenge  eine  Zeit  lang  be- 
herrschte.    Die  dies  beweisenden  Münzen  enthalten  das  Bild  eines  Stieres^ 
welches,  wie  bei  der  ältesten  rheginischen  Münze,  auf  der  einen  Seite  erhaben, 
auf  der  andern  vertieft  ist.     In  seiner  Nähe  wurde  später,  nachdem  es  von 
Metapont,  Sybaris  und  Kroton  zerstört  war,  von  den  Tarentinem  und  Thuriern 
zusammen  Uerakleia  gegründet,  das  wahrscheinlich  3  Millien  nördlich  vom 
Sinno  an  der  Stelle  des  heutigen  Policoro  lag,  und  dessen  Münzen  hauptsächlich 
Herakles  und  dessen  Helferin  Athene  aufweisen.  Zwischen  Herakleia  und  Tarent 
lag  femer  Metapontion,  dessen  Lage  noch  die  Ueberreste  eines  griechischen 
Tempels  nahe  dem  rechten  Ufer  des  heutigen  Bradano  kenntlich  machen,  — 
angeblich  schon  aus  den  Zeiten  des  trojanischen  Krieges  herstammend ,  später 
aber  von  den  Samnitem  zerstört  und  von  Adiäem  auf  Einladung  der  Bewohner 


]gg  Zweites  Buch.    V.  Religion.  Philosopbie.  Pylbtgorai. 

von  Sybaris'^als  Schutzmauer  gegen  das  dorische  Tarent  neu  angelegt.  Die 
Kornähre  auf  seinen  Münzen  deutet  auf  die  ungemeine  Fruchtbarkeit  des  Bodens 
hin.  Ich  übergehe  die  Östlich  von  Tarent  geleg^ien  Städte  lapygiens,  über  deren 
allere  Geschichte  wenig  l>ekanat  ist. 

Diese  am  Ionischen  Meere  gelegenen  Kolonien  waren  die  wichtigsten  unter 
den  grossgriechischen.  Sie  sind  es  auch  gewesen,  welche  selbst  wieder  Pflanz- 
Städte  ausgesaDdl  haben,  die  des  Tyrrbeoischen  Meeres  Küsten  besetzten,  süd- 
lich von  der  Gegend,  die  schon  in  alterer  Zeit  die  Chalkidier  kolonisirt  hatten. 
Die  Hauptlhatigkeit  entwickelten  in  dieser  Beziehung  Sybaris,  KrotoD  und 
Lokri,  deren  Bewohner  quer  über  das  schmale  Festland  vordrangen  und  sich 
da  niederi  Jessen,  wo  sie  das  jenseitige  Meer  erreichten.  Der  Theil  des  Tyrrbeni- 
sehen  Heeres,  welcher  hier  in  Betracht  kommt,  zeigt  vier  grossere  Busen  zwi- 
schen vorspringenden  Caps;  von  Norden  beginnend,  die  Golfe  von  Salemo, 
Policastro,  S.  Eufemia  und  Gioja,  von  denen  die  beiden  ersten  Sybaris,  der 
dritte  grüsstenlheils  Kroton ,  der  vierte  Lokri  zufielen ;  in  der  Geschidite  der 
Stadt  Siris  li^t  der  Beweis,  dass  dies  nicht  ohne  Beeinträchtigung  anderer 
Hellenensttidle  geschah.  Sybaris,  das  in  seiner  Blutezeit  99  SUidte  beherrscht 
haben  soll ,  gründete  am  snlernitanischen  Heerbusen  das  durch  seine  Rosen 
berühmte  Poseidonia  oder  Paestum,  dessen  Münzen  Poseidon,  sowie  den  in 
Gestalt  eines  Stieres  dargestellten  Flussgott  Silaros  enthalten,  und  das  mit 
seinen  gewalligen  Tempelruinen  noch  jetzt  den  Reisenden  in  Erstaunen  setzt, 
und  südlicher  um  Golfe  von  Policastro  Skidros,  wohl  das  heutige  Sapri,  so- 
wie Laos,  das  an  dem  gleichnamigen  Flusse,  der  auf  den  HUnzen  als  Stier 
mit  Mensch enantlitz  abgebildet  ist,  und  der  noch  heute  Lao  heisst,  gelegen  bat. 
Kroton  l^le  an  der  nördlichen  Seile  des  Golfes  von  S.  Eufemia  Terina,  dessen 
gleichnamige  Quellnymphe  auf  den  Mttnzen  erscheint,  und  wahrscheinlich 
weiter  südlich  Lametinoi  an.  Lxikri  endlich  wurde  die  Hutterstadt  von 
Hipponion,  jetzt  S.  Pielro  di  Vibona  bei  Honteleone  am  Golfe  von  5.  Eu- 
femia, von  Medma,  das  wohl  am  heutigen  MesimaQusse,  der  sich  in  den  Golf 
von  Gioja  ergiesst,  zu  suchen  ist,  und  von  Matauros,  welches  vielleicht  dem 
heutigen  Gioja  entspricht  und  schon  als  Heimatsort  der  Familie  des  Slesidioros 
genannt  worden  ist.  Weiter  im  Norden  leilelen  sich  von  Kyme  herDikai- 
archia,  das  spätere  Puteoli  (Pozzuoli),  und  Neapolis  —  eigentlich  eine 
doppelte  Anlage,  da  man  zur  Bümerzeit  Palaiopolis  und  Neapolis  unterschied  — 
dessen  anderer  Name  Parthenope  an  die  Sirene  Parthenope  erinnert ,  die  asch 
Lykophron  in  der  Burg  des  Phaieros  —  des  sicilischen  Tyrannen ,  wie  ein 
Scholion  sagt  — ,  d.  h.  eben  in  Neapel,  eine  Zuflucht  fand,  weshalb  auch  ibr 
Kopf  auf  HUnzen  der  Stadt  erscheint.  H  ye  1  e  oder  Elea  wurde  dagegen  erst  im 
6.  Jahrhundert  von  PhokSem  auf  einem  am  Alento  gelegenen  einsamen  HUgel, 
dem  jetzigen  Castellamare  della  Bnica ,  in  dem  Yorlande  zwischen  den  Golfen 
von  Salemo  und  Policastro  gegründet.  Der  Pallaskopf  auf  ihren  Mtlnien  zeigt, 
dass  die  in  Pbokaia  besonders  verehrte  Gottheit  auch  in  der  Kolonie  ibreD  Rang 
behauptete. 

Dies  sind  die  hellenischen  Städte  Grossgriechenlands,  dessen  BlUle  im 
6.  Jahrhundert  vor  Chr.  ihren  Höhepunkt  erreicht  hatte.  Damals  waren  noch 
die  Hellenen  entschieden  die  Herren  in  dem  von  den  genannten  Städten,   be- 


Grossgriechenland.  Pylhagoras.  187 

sonders  den  südlicheren,  eingefassten  Gebiele,  uod  die  italischen  Völker  droh- 
ten erst  von  Norden  her,  ohne  schon  eine  wirkliche  Uebermscht  fühlen  zu 
lassen.  Freilich  rUltelten  bereits  um  das  Jahr  5ii  die  Etrusker  an  der  Macht 
der  ältesten  und  nördlichsten  Griechenstadt ,  Kynie's ,  aber  in  die  sUdl 
Theile  der  Halbinsel ,  in  das  eigentliche  Ilalieo ,  drang  der  Strom  der  b 
sehen  Einwanderung  erst  spater.  Unter  den  grossgriechischea  Städten  ! 
aber  zu  jener  Zeit  Kroton  und  Sybaris  obenan.  Wenn  damals  die  Sybai 
stolz  auf  ihi-en  Reicbtfaum  waren ,  dass  sie  den  verwegenen  Gedanken  I 
durch  die  Uühe  der  auszusetzenden  Preise  die  Hellenen  zu  bewegen,  ihr 
fest  statt  an  den  Ufern  des  Alpheios  an  denen  des  Krathis  zu  feiern ,  so 
die  Kroloniaten  den  edleren. Rubtn,  verhaltnissmassig  unter  allen  Griecl 
meisten  olympischen  Sieger  zu  zühlen,  so  dass  sieb  unter  ihnen  da: 
Sprichwort  verbreitete :  Der  letzte  der  Krotoniaten  ist  der  erste  der  H( 
In  diese  durch  Keichlhum  und  Kraft  ausgezeichnete  Welt  kam  ein 
lender  geistiger  GährsloCT  durch  die  Uebersiedelung  und  Niederlassn 
Pythagoras. 

Er  begab  sich,  wie  es  scheint  —  denn  für  die  Details  der  nim  fol 
Geschichte,  die  im  Grossen  und  Ganzen  offenbar  ein  richtiges  Bild  der  Zi 
gewahrt,  kann  nicht  eingestanden  werden  — ,  zuerst  nach  Sybaris,  veri 
aber  bald  diesen  Aufenthalt  mit  dem  in  Rroton,  das  ihm  einen  bessere 
für  die  auszustreuende  Saat  darbot.  Kaum  war  er  hier  angekommen, 
schon  durch  seine  Reden  und  seine  ganze  Persönlichkeit  das  grOsste  Ai 
errate.  Der  Ralb  der  Stadt  beauftragte  ihn,  aus  dem  Schatze  seiner  \ 
dem  Volke  zu  spenden  und  besonders  die  Jünglinge  und  die  Frauen  zu  b« 
Pythagoras  erfüllte  dies  Verlangen  ,  indem  er  dagegen  den  Wunsch  aus 
dnss  den  Musen  ein  Tempel  errichtet  und  der  Eintracht  geopfert  würde, 
öffentlichen  Beden,  die  er  nun  für  die  verschiedenen  Alter  und^Gescl 
hielt,  wies  er  Alle  darauf  hin ,  wie  der  Einklang,  der  in  der  Natur  h( 
auch  im  menschlichen  Leben  herrschen  müsse ,  verlangte  von  den  Juii 
Ehrbarkeit,  Ehrfurcht  vor  dem  Alter  und  edle  Wissbegierde,  von  den' 
Frömmigkeit  und  eheliche  Treue,  von  den  Bürgern  endlich  Liebe  zur  Oi 
Heilighaliung  des  Eides  und  treue  Verwaltung  des  Staates.  Seine  Ermah 
trugen  schnell  Frucht.  Die  Ringscbulen,  welche  seit  einiger  Zeit  ang 
hatten  minder  besucht  zu  werden,  füllten  sich  wieder,  und  die  Frauen 
ten  ihre  Schmucksachen  der  Lakinischen  Hera  zum  Opfer.  Die  durch  1 
wirkte  Hebung  des  silllichen  Zustandes  der  Stadt  Kroton  machte  ihn  ad 
ganz  Grossgriechenland  berühmt,  und  aus  allen  Städten  strömte  man 
um  voD  ihm  zu  lernen.  Er  begann  einen  Bund  zu  errichten ,  in  welct 
diejenigen  aufgenommen  vrurden,  die  sich  besonders  empfänglich  ftt 
Lehren  zeigten  und  geeignet  erschienen,  das  von  ihm  voi^;e8cbriebeQe  L< 
fuhren. 

Zunächst  wurde  mit  denen,  welche  in  diesen  Bund  einzutreten  wUc 
eine  besondere  Prüfung  vorgenommen,  welche  sich  nicht  blos  auf  ihre  ge 
sondern  auch  auf  ihre  körperlichen  Eigenschaften  bezog,  und  wo  besoni 
Fähigkeit ,  lange  Zeit  zu  schweigen ,  verlangt  wurde.  Das  Leben  der  E 
glieder  selbst  war  ein  genteinscbaflliobes.  Einsame  Spaaiei^nge  zur  Sat 


iles  üuch.    V.  Religion.  Philosophie.   Pylhagoras. 

allungenzu  gegenseitiger  Belehrung,  endlich  Leibesübungen 
;ung  der  bllrgcrlichen  Angelegenheiten  bei  den  erwachsenen 
ides  nicht  aus.  Es  gab  eine  besondere  Tiscbordnung,  in  der 
iswahl  der  Speisen,  als  auch  Über  die  Zahl  der  Zusammen- 
iften  enthalten  waren.  300  Bundesglieder,  unter  denen 
lerrschte,  sollen  in  einem  grossen  Hause  gewohnt  haben, 
heim  gehaltene  Lehren  und   gewisse,   ihm  eigenihtHnliche 

mit  Recht  in  dör  Lehre  des  Pythagoras  ausser  dem  Einflüsse 
rneuerung  alter  Mysterien  gefunden  werden,  die  in  ihren 
den  Demelcrmyslerien  Übereinstimmen.  Wie  die  Hervor— 
:heii  Geschlechtes  ein  wesentlicher  Punkt  in  der  Demetri- 
so  war  sie  auch  in  der  Lehre  des  Pythagoras  eine  Hauptr 
sagte,  dass  das  weibliche  Geschlecht  vorzugsweise  zur 
Ten  sei.  Als  Vertreterin  der  Frauenwelt  erscheint  unter  den 
llcn  Theano ,  die  Gattin  des  Meisters ,  die  mit  dem  Ehren- 
der Pythagoreischen  Weisheit«  belegt  wurde  und  selbst  als 
■at.  Den  Pythagoreischen  Frauen  wird  auch  die  Aufbewah- 
Lcliren  des  Bundes  vorzugsweise  zugeschrieben.  Der  Meister 
er  Dnmo  übergeben  haben,  die  sie  wiederum  ihrer  Tochter 
Ueberhaupt  war  die  Anzahl  der  ausgezeichneten  Pytha- 

ftliche  Bedeutung  des  Pythagoras  ist  nicht  gering  gewesen, 
lathematiker:  einer  der  Hauplsiitze  der  elementaren  Geo- 
Nanien.  Aber  sein  ganzes  Wissenschaft  liebes  System  ist  von 
icipien  durchdiungen.  Er  belrachlete  die  Zahlen  und  ihre 
ander  als  das  eigentliche  Wesen  der  Dinge;  er  legte  ein 

die  Harmonie  sowohl  im  musikalischen  Sinne,  wie  im  bild- 
eordnete  Verhitltniss  der  Dinge  zu  einander  bezeichnet,  und 
dr  hoch  schützte,  so  fand  er  auch  in  dem  Zusammenwirken 
alls  eine  Harmonie  der  Sphären  wieder.  So  war  ihm  das 
Ganzes,  ein  Kosmos,  in  welchem  die  Erde  nicht  etwa  stille 
,  ebenso  wie  die  Sonne,  um  ein  Central fcuer  dreht.  Die 
nsterblich,  aber  er  dachte  sie  sich  stets  auf  der  Wanderung 
luem  Menschen  in  einen  andern ,  ja  sogar  in  Tbiere  tlber- 
luid  ihrer  Zusammensetzung  scheint  Pythagoras,  im  Gegen- 
s,  weniger  Aufmerksamkeit  zugewandt  zu  haben, 
war  sein  Ansehen  in  beslündigem  Steigen  begrilTen.  Seine 
)ton  fiel  zusammen  mit  einem  gewaltigen  politischen  Auf- 
dt,  welche  gerade  damals  die  alte,  stammverwandte  Neben- 
siegte und  vernichlete.  Diese  Katastrophe  wurde  auf  fol- 
?efuhrl. 

I  es  zu  heftigen  ParleikUmpfen.  Die  Demokratie,  oder  viel- 
ward Herrin  tlber  die  Aristokratie,   und  oOO  angesehene 

nach  Kroton.    Die  Krotoniatcn  schickten  e:ne  aus  iO  Man- 


Pythagorss.  189 

nem  bcslebcnde  Gcsandtstlinft  nach  Sybaris,  um  zu  Gunsten  dor  Vertriebenen 

lu  nirken :  niil  unerhörter  IleriilsverleUung  wurden  diese  Gesandt""  '"  ck^-:« 

^eliidkel  und  ihre  Leichen  Über  die  Stadimauer,  denThiercn  zum  Fr 

Ten.    Der  Tymnn  von  Sybaris,  Telys,  schickte  über  auch  selbst  e 

sclia[t  narh  Krolon ,  unter  der  sich  Miinoer  befanden ,  weiche  bei 

metzelung  der  Krol^nialen  belheiligl  gewesen  waren.    Sie  wurd 

ruhig  angehört,  aber  als  sie,  stall  Genugthuung  für  den  Frevel  zu 

UhcrmOthige  Reden  führten  und  sogar  den  allvcrchrten  Pythagoi 

UlHThüuflen ,   da  beschlossen  die  Krotonialen  Krieg  gegen  die  T 

Beide  Suidtc  rilcklen  mit  gewalligen  Heermassen  in's  Feld.  Die  Syh 

der  Zahl  nach  überlegen;  sie  konnten  1)00,000,  Krolon  nur  100 

stellen.    Dean<K-h  trugen  in  der  Entscheidungsschlacht  am  Fluss 

welcher  Telys  die  Sybi>riten,  dor  berühmte  Ringer  Hilon  die  Krator 

diese  den  Sieg  davon ,  wie  es  heissl ,  durch  eine  List  Milon's ,  dei 

seines  Heeres  die  Weisen  spielen  liess,  nach  denen  die  Sybarilei 

lanzen  gelehrt  halten.     So  hatte  recht  eigentlich  das  Cebermas 

den  Untergang  von  Sybaris  herbeigeführt.    Die  Stadt  wurde  zers 

Landgebiet  unter  die  Bürger  von  Kroton  und  die  sybariliscben 

welche  gegen  ihre  Vaterstadt  mttgekampfl  hatten ,  vertheilt ;  docl 

io  der  ersten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  Spuren  einer  selbst 

stenz  von  Sybaris. 

Bei  der  nun  ausserordentlich  gestiegenen  Macht  Kroton's  s( 

Einfluss  und  die  Bedeutung  des  Pythagoras  und  seines  Bundes  n 

lang.  Dieser  Bund  war  aber  nur  zu  leicht  Uissdeulungen  ausgesetzt 

sittlichen  Zwecken  geschlossen ,    schien   er  bald  vorzugsweise  p 

dienen  und   auf  die  Gründung  und  Aufrechlhaltung  einer  hOcbi 

Aristokratie  abzuzielen.    Die  Mitglieder   des  Bundes  schlössen  s 

gt^en  die  übrigen  BUi^er  ab,  und  bei  Hanchen  mochte  wohl  ei 

t'eberbebung  dadurch  erweckt  werden ;  jedenfalls  entstand  bei  vi 

den  Bund  Aufgenommenen  Neid  tlber  den  Vorzug,  den  Andere 

schienen.    Hierdurch  wurde  der  Sturz  des  Bundes  herbeigeführt 

das  Volk  gegen  ihn  auf,  und  als  er  gerade  das  Fest  seines  zwanzig 

Stehens  feierte ,  wurde  das  Haus  angegriffen,  in  welchem  die  Pyt 

versammelten.    Sie  flohen.    Hit  ihrer  Flucht  fiel  auch  das  aristokr 

ment  der  Stadt,  das  in  ihnen  seine  Hauptstütze  gefunden  halte ;  di 

setzte  freilich  den  Kampf  noch  eine  Zeit  lang  fort,  wurde  aber  i 

und  eine  neue  Vertheilung  der  Ländereien  nölhigle  alle  Gegner  dei 

sich  in  die  übrigen  unleritaliechen  Stftdte  lu  begeben.     Pythsgoraj 

'        '  ■       Uren  mit  ihrer  Gesetzgebung  ; 

-,  ging  nach  Tarenl,  und  nacl 

i  es  heisst ,    96  Jahre  all ,  na 

wnl  so  gut  wie  in  Kroton  selbs 

r  pythagoreischen  Schule  und  c 

nd  mehr  in  jener  Zeit  das  Uebi 

ich  in  Metapont  zu  einem  hefli| 

ngshaus  <icr  Pytbagoreer  Uber£ 


190  Zweites  Buch.    V.   Religion.  PbilO! 

alle.geUfdtet  wurden.  Pythagoras  selbst  sdi 
Seinen  einem  gewaltsamen  Tode  entgangen  lu 
Kummer  über  das  Scboiiern  seines  Lebenswei 
Pyihagoras  war  eine  jener  PersOnlichkei 
gläubigen  Menge  als  Führer  und  Lehrer  vorac 
den  Stempel  ihres  Geistes  aufzuprügen.    Im  0 

aster  oder  Buddha  ein  ßeligionsslifl«r  geworden ;  unter  Griechen  lebend,  mussle 
er  in  der  Rolle  eines  rein  menschlichen  Siltenlehrers  auftreten;  dort  wäre  er 
vielleicht  gcwalisam  umgekommen ,  aber  seine  Anhanger  hatten  sicherlich  elae 
mtlchtige  Sekte  gebildet ;  unter  den  Griechen  verschwanden  bald  seine  wenn- 
gleich bedeutttnden  Leistungen  in  der  Menge  der  grossen  Geister,  die  mit  udiI 
nach  ihm  auftraten.  Aber  wenn  ein  Mann,  wie  er  war,  als  Grieche  unter 
Griechen  lebend  es  auch  nicht  eu  einer  Stellung  von  so  weltgeschichtlicher 
Bedeutung  bringen  konnte,  wie  er  sie  im  Orient  erreicht  haben  würde,  so  war 
sein  Einfluss  dennoch  gross.  Noch  ein  Jahrhundert  nach  seinem  Tode  nahm 
ein  Pythagnreer  in  Tarent  eine  Stellung  ein,  deren  Bedeutung  sich  selbst  in 
Sicilien  fühlbar  machte. 

Wie  weit  unsere  Insel  von  der  ThütJgkeit  des -Pythagoras  unmittelbar  he- 
rtlhrt  worden  ist.  muss  dahingestellt  bleiben.  Den  späteren  Berichten,  dass  auf 
die  Kunde  von  seiner  Lehre  das  Volk  von  Himera,  Akragas,  Tauromenioa  seine 
Tyrannen  stürzte,  ist  schwerlich  zu  trauen,  und  wenn  wir  weiter  hUren ,  dass 
auf  dieselbe  Veranlassung  hin  Simichos,  der  Tyrann  von  Kenloripa,  seine 
Guter  zwischen  dem  Volke  der  Stadt  und  seiner  Schwester  getbeilt  habe,  so 
mOgen  wir  immerhin  annehmen,  dass  es  einen  Tyrannen  dieses  Namens  in  Ken- 
loripa  gegeben  hat,  dass  es  aber  pythagoreischer  Einfluss  war,  der  ihn  lur 
Niederlegung  seiner  Macht  bewog,  ist  um  so  weniger  wahrscheinlich,  da  man 
im  Altertbum  gern  die  Wirksamkeit  ordnender  Staai^mäDner  mit  Pythagoras  in 
Verbindung  brachte  und  z.  B.  Zaieukos  und  Charondas  für  seine  Schüler  er- 
klärte. Nach  einer  ganz  un beglaubigten  Nachricht  endlich  wäre  Pyihagoras  so- 
gar in  Sicilien  umgekommen,  auf  Seiten  der  Akragantiner  kämpfend,  in  einem 
Kriege  zwischen  Akragas  und  Syrakus. 

Wenn  aber  auch  Nichts  von  all  diesem  wahr  sein  sollte,  und  es  dllrflf 
insbesondere  als  Thatsache  zu  nehmen  sein,  dass  der  pylhag(H-eis(^e  Bund  sul 
Sicilien  keine  poUtische  Bedeutung  hatte,  —  was  zugleich  ein  charakteris  lisch  er 
Beleg  dafür  wäre,  dass  Sicilien  und  Grossgriechen land  doch  nicht  so  ganz 
dieselben  EigenlhUmlichkeiten  hatten  —  so  wird  man  doch  einen  mehr  oder 
weniger  grossen  Einfluss  der  pythagoreischen  Lehre  auch  auf  unsere  Insel  nicbi 
läugnen  können,  und  es  ist  nur  ein  Beweis  von  der  Dürfligkeil  unserer  Quellen 
über  die  ältere  Geschichte  Siciliens ,  dass  uns  davon  nur  wenig  Überliefert  isi. 
Wir  bOren  von  einem  Pylhagoreer  Ekphantos  aus  Syrakus,  der  einen  leeren 
Baum  und  körperliche  Monaden  annahm ,  und  der  Syrakusaner  Empedoli- 
mos,  der  über  Physik  geschrieben  hatte  und  die  Gabe  der  Weissagung  wie 
Pythagoras,  Epimenides,  Empedokles  und  Andere  besass,  konnte  auch  mit 
Pythagoras  in  Verbindung  gestanden  haben.  Patron  von  flimera,  der  Itt3 
Wellen  aanabro,   im  Dreieck  geordnet,  scheint  derselben  Zeit  anzugebtä^n; 


Pflhagoras. 

wenigstens  hat  ihn  schon  Hijipys  von  Rhegion,  der  zur  Zeit 
schrieb,  erwähnt.  Wir  werden  hald'  eine  indirekte  Einwlrkun) 
auf  Sicilien  durch  MHnner,  die  mit  grosserem  Rechte  als  Zaieuli 
das  unter  seine  St^Uier  zählen,  kennen  lernen,  und  können  so 
heit  behaupten,  dass,  wenn  er  aurb  in  politischer  Beziehung  a 
keinen  direkten  Einfluss  ausgeübt  haben  mag  —  mittelbar  Wi 
kratischen  und  anlityrannischen  Tendenzen  seines  Systems 
diese  sowohl  damals  wie  später  nicht  ohne  Bedeutung  —  jedenl 
des  Philosophen  und  Gelehrten  auf  unsere  Insel  ein  bedeutend« 


Drittes  Buch. 


Erstes    EapiteL 


Erleg  mit  den  Karthagern.  Gelon. 

h  mehr  als  zwei  Jahrhunderte  hindurch  die  griechische  Kultur 
Tcbönste  eDlwickelt,  und  sie  schieo  bestimmt  zu  sein,  bald  die 
ren  Bereich  zu  ziehen,  als  eine  gewaltige  Krisis  eintrat,  durch 
neothum  dei'selben  mit  dem  Untergange  bedroht  wurde.  Wir 
im  Anfange  des  5.  Jahrhunderts  vor  Chr.  aufSiciiien  vorgefal- 

Ereignisse  verstehen  zu  kennen,  einen  Augenblick  in  eine 
Ickliehrcn. 

!r  waren,  wie  wir  wissen,  anfangs  vor  den  Griechen  auf  der 
chen,  und  wührend"  diese  den  Osten  Sicüiens  beseliten,  liatt^n 
T  Westspitze  derselben  concentrirt.  Wir  haben  die  allniühlicbe 

Griechen  nach  dem  Westen  hin  verfolgt ;  wir  haben  gesehen, 
i  vor  Clir.  von  den  Rhodiern  Gela  noch  unweit  des  Vorgebirges  , 
det  wurde ;  wie  64U  die  Zankleer  sich  schon  bis  zur  Mtlnduni: 
imeraflusses  wagten,  und  6ä8  Mcgarer  sich  noch  weiter  west- 
Uste  niederliessen  und  die  Stadt  Selinus  gründeten.  Dies  war 
le  westliche  Punkt,  den  die  Griechen  erreichten,  und  das  nach 
^te  Akragas  lag  ßslüch  von  Jener  Sladt.  Die  Hellenen  waren  in 
nus  den  pbünicischen  Städten  Soloeis,  Panormos  und  Motye 
imcn  und  diese,  durch  die  Concentration  der  PhCnicier  daselbst 
Jchtig  geworden,  halten  ausserdem  in  einer  nord afrikanischen, 
in  Sladt   eine   starke   und  mächtige  Schutzherrin  gefunden. 

Karthago.  Sie  bat  eine  so  ausserordentliche  Bedeutung  für 
dass  es  nothwendig  erscheint,  von  ihren  inneren  und  Susseren 
lige  Worte  zu  sagen. 

t  wahrscheinlich,  dass  schon  in  der  ältesten  Periode  der  phttni- 
te,  als  Tyros  noch  nicht  bestand  und  Sidon  es  war,  das  Ko- 
,  in  der  Zeit  kurz  vor  dem  trojanischen  Kriege  —  um  eine  her— 
ologische  Bezeichnung  anzuwenden  —  da,  wo  spiller  Karthago 
aiciscbe  Niederlassung  gegründet  worden  isL    Die  sidoniscbe 


Karthago.  193 

Asiarte,  nicht  der  lyrische  Melkart,  war  die  Hauplgotlheit  von  Karthago,  das 
also  schon  bestanden  haben  niuss ,  bevor  sich  Tyrier  dort  niederliessen ,  und 
wahrscheinlich  die  Stelle  einnahm,  auf  der  sich  spjiter  die  Burg  Karthago's,  die 
sogenannte  Byrsa,  erhob.  Anfangs  war  die  Stadt,  vielleicht  durch  einheimische 
Fürsten  in  Abhängigkeit  gehalten,  wenig  mächtig;    erst  als  gegen  Ende  des 
9.  Jahrhunderts  vor  Chr.  (8<  4  oder  81 3)  Kolonisten  aus  Tyros  zu  den  frtiher 
aus  Sidon  herbeigekommenen  sich  gesellten ,  gewann  sie  grössere  Bedeutung. 
Sie  hiess  nun  Karthada ,  d.  h.  die  Neustadt.    Der  schnellere  Aufschwung  des 
lyrischen  Karthago  erklärt  sich  aus  den  eigenlhümlichen  politischen  Verhält- 
nissen der  Mutterstadt  zur  Zeit  der  Gründung  dieser  Kolonie.   Es  war  in  Tyros 
ein  Kampf  zwischen  der  Aristokratie  und  dem  Volke  ausgebrochen ,  und  das 
letzlere  erlangte  das  Uebergewichl.  Deshalb  verliess  ein  grosser  Theil  der  Vor- 
nehmen die  Heimat  und  siedelte   nach  Karthago  über,   das  auf  diese  Weise 
als  neuer  Wohnsitz  der  lyrischen  edlen  Geschlechter  wenigstens  für  die  West- 
gegenden an  die  Stelle  und  in  den  Rang  von  Tyros  selbst  treten  mussle.  Jetzt, 
da  die  gehörige  Zahl  angesehener  und  reicher  Familien  Karthago  bewohnte, 
konnte  denn  auch  die  ausgezeichnet  günstige  Lage  der  Stadt  ihre  volle  Wirkung 
ausüben.    An  der  engsten  Stelle  des  Mitlelmeeres ,  zur  Seite  eines  trefflichen 
Hafens,  der  guten  Ankergrund  und  vorzügliches  Quellwasser  darbietet ,  mitten 
in  einer  der  fruchtbarsten  Gegenden  Nordafrika^s  gelegen ,  war  sie  für  Acker- 
bau und  Handel  gleich  geeignet,  und  diese  Lage  hat  sich  als  eine  so  günstige 
erwiesen ,  dass  sie  nach  dem  phönicischen  Karthago  noch  die  römische  gleich- 
namige Stadt  und  jetzt  das  muhamedanische  Tunis  zu  den  grössten  Städten 
des  nordafrikanischen  Küstengebietes  gemacht  hat.  Es  finden  sich  Andeutungen, 
dass  einige  Zeit  nach  der  Gründung  des  lyrischen  Karthago  aus  den  umliegen- 
den Gegenden  viel  Volk  in  die  neue  Stadt  zusammengeströmt  ist,  so  dass  hier 
etwas  Aehnliches  geschehen  wäre ,  wie  in  dem  phönicischen  Theile  Siciliens, 
WTC,  freilich  aus  einem  anderen  Grunde,  die  Bevölkerung  sich  concentrirte 
Längere  Zeit  hindurch  \Michs  die  Macht  Karthagers  auf  dem  Meere  und  an  den 
von  Phöniciem  bewohnten  Küsten,  ohne  sich  über  das  Gebiet,  in  welchem  die 
Stadt  selbst  lag,  zu  erstrecken,  und  die  mächtigen  Kaufleute,  welche  überall 
im  westlichen  Becken  des  Mittelmeeres  gefür^chlet  waren ,  zahlten  für  den  Bo- 
den, auf  welchem  ihre  Stadt  sich  erhob,  einem  einheimischen  Volke,  den  Ma- 
ziken,  eine  Steuer,  von  der  sie  sich  erst  200  Jahre  nach  der  Gründung  Kar- 
thago's  durch  die  Vertreibung  dieses  Volkes  befreit  haben.  So  zeigt  sich  bereits 
im  Anfange  der  karthagischen  Geschichte  bei  den  Bürgern  dieser  Stadt  eine 
eigenthümliche  Mischung  von  politischer  Grösse  und  kaufmännischer  Klugheit, 
der  an  dem  Schein  der  Ehre  wenig  liegt,  wenn  nur  die  Wirklichkeit  der  Macht 
und  des  .Beichthums  gesichert  ist,  und  es  erklärt  sich  auf  dieselbe  Weise,  dass 
die  Karthager  später  den  Beherrscher  ihres  Mutlerlandes,  den  persischen  König, 
^veDigstens  dem  Namen  nach  als  ihren  Herrn  anerkannten. 

Die  Verfassung  der  Stadt,  eine  wesentlich  oligarchische,  eignete  sich  vor- 
trefflich dazu,  die  Ausbreitung  ihrer  Macht  zu  befördern.  Die  oberste  Behörde 
war  der  Balh  der  Alten,  welcher,  wie  in  Sparta,  aus  30  Mitgliedern  bestand, 
von  denen  zwei  die  Könige  waren ;  er  hatte  die  laufenden  Staatsgeschäfte  zu 
erledigen  und  die  Volksversammlungen  zu  leiten.     Die  beiden  Könige,    die 

Holm,  Gesell.  Siciliens.  I.  43' 


Drilles  Buch.    I.  Krieg  mit  den  Karlhagern.  Gelon. 

ie  die  übrigen  Mitglieder  des  Hathes  der  Allen  auf  ein  Jahr  erwühll 
hatten  geringen  Einfluss:  ihr  Name,  Schofeten,  deutet  auf  oberrichter- 
clionen  hin.  Neben  dem  Rathe  der  Alten  gab  es  noch  einen  grosseren 
r  vielleicht  aus  300  Mitgliedern  bestand.  Die  Oi^anisation  der  beiden 
Igt  aber  mit  der  Einthcilung  der  bevorrechtigten  Aristokratie  der  alten 
Her  zusammen,  die  zunächst  in  3  Slitmme,  sodann  in  30  Geschlechter 
lossenschaften  und  endlich  wahrscheinlich  anfangs  in  300  Familien 
Die  karthagische  Bürgerschaft  war  in  ihren  Versammlungen,  zu  denen 
rirbeiter  wohl  nur  in  beschranktem  Masse  Zutritt  hatten,  von  geringem 
auf  die  Staatsgeschäfte;  allmählich  kam  es  auf,  dass  einllussreirhe 
durch  Bestechung  alle  wichtigeren  Angelegenheiten,  besonders  die 
n  den  Rath  oder  zu  Feldherren  durchsetzten.  Diese  letzteren  waren 
er  Machtvollkommenheit  bekleidet,  aber,  nach  Hause  zuröckgekehrl, 
et,  Rechenschaft  abzulegen,  auch  wurden  ihnen  stets  einige  Mitglieder 
PS  der  Alten  als  Aufseher  zugesellt,  aus  denen  die  Unterbefehlshaber 
n  zu  werden  pflegten. 

e  Stadt  war  kaum  ein  Jahrhundert  nach  ihrer  Gründung  durch  die 
hon  so  machtig,  dass,  wenn  damals  die  Phönicier  sich  auf  dem  West- 
Sicilien  vereinigton,  sie  hierzu  nicht  zum  geringsten  Theile  durch  den 
1  bewogen  wurden,  dass  sie  so  Karthago  möglichst  nahe  wären.  Kar- 
inte  Überdies  seine  Macht  in  der  Mitte  des  7.  Jahrhunderts  vor  Chr. 
0  Eroberung  der  ßalearen  und  spater  durch  die  von  Sardinien  aus, 
a  man  bedenkt,  dass  zu  gleicher  Zeit  die  kleinen  Inseln  um  Sicilien, 
en ,  Melite ,  Gaulos ,  Kossura  im  Besitz  der  Phönicier  blieben ,  so  wiixl 
lieh,  dass  die  Semilen  Siciliens  gegen  den  Anfang  des  6.  Jahrhunderts 
den  weiteren  RUekzug  vor  den  Grieehen  aufgaben  und  ihre  gegen- 
Stcllungen  zu  halten  beschlossen,  wobei  sie  auf  die  Hülfe  der  halb- 
en Elymer  oder  Egestäer,  die  ebenfalls  die  Griechen  als  ihre  Feinde 
tcn,  rechnen  konnten. 

Kraft  zu  erpioben,  bot  sich  ihnen  um  die  50.  Olympiade,  580  v,  Chr. 
Gelegenheit  dar.  Es  kamen  damals,  wie  bereits  früher  kurz  mitgetheilt 
U ,  Kiiidier  und  Bhodicr  unter  der  Anftlbrung  des  Knidiers  Pentalbtos 
lien.  Hier  waren  gerade  die  Selinuntier  mit  den  EgosUlei-n  im  Kriege 
Sie  schlössen  sich  den  ersteren  an  und  versuchten  selbst  am  Vor— 
ilybaion  eine  Niederlassung  zu  gründen.  Eine  griechische  Kolonie  an 
unkte  wai-e  eine  gef.lhrliche  Nebenbuhlerin  des  nahen  Motye  gewesen 
Erfolg  der  Griechen  bei  diesem  Unlemehmen  der  Reginn  des  gänzlichen 
;es  der  phönicischen  Macht  auf  der  Insel.  Die  Phönicier  wandten  ihre 
ift  an,  um  das  Verderben  abzuwenden,  und  mit  Hülfe  der  Elymer  und 
Interslützung  herbeigerufenen  Karlhager  gelang  es  ihnen,  die  Knidier 
iier  zu  besiegen ,  welche  dann,  sei  es  unter  Pentalhlos  .selbst,  oder, 
ser  bereits  gefallen  war,  unter  dessen  Begleitern  Gorgos,  Thestor  und 
Jcs,  sich  auf  den  Liparischen  Inseln  niederliessen.  So  war  zum  ui-sten 
Griechen  der  Versuch  einer  Ansiedlung  auf  Sicilien  misslungen,  und 
ager,  durch  den  von  ihnen  und  ihren  Verbündeten  erreichten  Erfolg 
lacht,  behielten  nicht  nur  die  phönicischen  Siedle  Siciliens  unter  ihrem 


Mnlchus.  Doriens.  195 

Schulze,  sondern  machten  sich  auch  daran,  ihcerseiU  Eroberungen  auf  der 
Insel  zu  versuchen. 

L'm  das  Jahr  550  führte  der  karthagische  Feldherr  Malchus,  dei*  spiiler  in 
Sardinien  im  Kampfe  unterhig,  in  Siciüen  Krieg.  Leider  ist  über  seine  FeldzUgc 
auf  dieser  Insel  nichts  Näheres  bekannt,  und  wir  kOnnen  nur  die  Verinulhung 
aussprecben,  dass  das  Auftreten  dieses  Feldherm  es  war,  das  die  Versuche  des 
Phalaris,  eine  Vereinigung  der  Griechen  und  Sikaner  mit  List  und  Gewall  zu 
Slande  lu  bringen,  veranlasste,  —  falls  der  Ge^er,  den  Pbalaris  fürchtete, 
nicht  etwa  schon  ein  Vorgänger  des  Malchus  gewesen  ist.  Wenn  es  nun  auch 
wahrscheinlich  ist ,  dass  durch  diese  Feldzüge  die  Stellung  der  Karthager  auf 
Siciüen  nicht  wesentlich  geändert  wurde,  so  ist  es  doch  klar,  dass  es  seit  dem 
Jahre  550  vor  Chr. ,  wenn  nicht  schon  etwas  frUher,  eine  karthagische  Provinz 
nuf  unserer  Insel  gab,  £u  welcher  die  phdnicischen  Stildte  Panormos,  Soloeis  und 
Moiye  gehörten,  deren  Ostgrenze  wir  jedoch  nicht  genau  anzugeben  vermögen. 
])k  Karlhager  behandelten  ihre  sicilischen  Untorlhanen  nicht  mit  der  Härte, 
welche  sie  gegen  die  in  Afrikn  wohnüoden  in  Anwendung  brachten.  Dass  die 
erslercD  eine  grössere  Freiheit  genossen ,  zeigen  schon  die  Bedingungen  des 
mischen  Karthago  und  Born  im  Jahre  500  abgeschlossenen  Handelsvertrages, 
durch  welchen  den  ROmcin  uuter  den  karthagischen  Besitzungen  nur  Siciüen 
zum  Behufe  des  Handelsverkehres  geöffnet  wurde.  Nicht  ganz  so  sicher  ist  das 
den  sicilischen  Stadten~Karihago's  zugeschriebenePrivilegiuni  des  Gebrauches  des 
Melallgeldes,  da  es  nicht  unbedingt  fcsistehl,  dass  derselbe  in  Afrika  untersagt 
war.  Uebrigens  hatten  die  Karlhager  Veranlassung  genug,  den  Bewohnern  von 
Panormos,  Motye  und  Soloeis  etwas  mehr  Selbsliindigkeit  als  ihren  übrigen 
l'nterlbanen  zu  lassen.  Denn  die  Behauptung  der  Weslspilze  Siciliens  war  für 
die  Beherrscbting  des  Mitlelmeeres  von  so  grosser  Bedeutung,  dass,  wenn  Kar- 
thago die  iphOnicischen  Einwohner  jener  Stildle  durch  die  Gewahrung  einer 
lievorzugtcn  Stellung  fest  an  seine  Interessen  kettete,  es  damit  nur  einen  Act 
tluger  Politik  ausübte. 

Gegen  das  Ende  des  6.  Jabrhunderls  vor  Chr.  gab  den  Karthagern  das 
eljenfalls  schon  kurz  erwähnte  Unternehmen  des  Spartaners  Dorieus  eine  neue 
l!elei;enheil ,   sich  in  diesen  Gegenden  als  die  Mächtigsten  zu  zeigen.     Seine 
Auswanderung  hatte  folgende  Veranlassung.     Der  spartanische  KOnig  Ana\an- 
dridas,  der  mit  seiner  rechtmässigen  Gemahlin  keine  Söhne  hatte ,  wurde  von 
den  Ephoren  genölhigt,  noch  eine  zweite  Gattin  zu  nehmen.    Diese  gebar  ihm 
einen  Sohn ,   den  Kleomenes ;  bald  darauf  wurde  aber  auch  die  erste  Gemahlin 
Mutter  eines  Sohnes ,  des  Dorieus ,  und  sie  gebar  nachher  noch  zwei  andere, 
Lfonidas  und  Kleombrotos.    Als  nun  nach  dem  Tode  des  Anaxandridas  Kleo- 
menes als  der  älteste  Sohn  in  der  Regierung  folgte ,  konnte  Dorieus ,  der  an 
Tüchtigkeit  den  neuen  König  weit  übertraf,   die  Zurücksetzung  nicht  ertragen, 
und  er^beschtoss  auszuwandern.  Er  bat  die  Spartaner,  ihm  Gefährten  zu  geben, 
ihai  .ihcrAwip  Hcrodni  hprvni-hebt ,  sonst  nicht,  was  gebräuchlich  war,  und 
Delphische  Orakel  um  Rath,    wohin  er  gehen 
rika,  wohin  ihn  Leute  von  der  Insel  Thera  Uber- 
ing  der  Lage  des  Punktes ,  den  er  zu  besetzen 
;lbe,  wahrscheinlich  von  den  kundigen  Theräern, 


196  Drittes  Buch.    I.  Krieg  mit  den  Karthagern.  Gelon. 

trefflich  gewählt  war ,  und  dass  die  Wahl  selbst  dem  Delphischen  Orakel  keine 
Schande  gemacht  haben  würde.  Das  mittlere  Becken  des  Mittelmeeres  wird  be- 
kanntlich durch  Giiechenland,  Unteritalien,  Sicilien,  die  nordafrikanische  Küste 
und  Kreta  begrenzt.    Diese  Küsten  befanden  sich  damals  mit  Ausnahme  der 
nordafrikanischen  im  Besitze  der  Hellenen,    und  auch  auf  dieser  hatten  die 
Griechen  seit  dem  Ende  des  7.  Jahrh.  vor  Chr.  schon  einen  wichtigen  Punkt  in 
ihren  Händen,    das  vorspringende  Land  von  Kyrene.     Um  ganz  Herren  des 
mittleren  Beckens  zu  werden ,  blieb  den  Griechen  noch  der  übrige  Theil  der 
nordafrikanischen  Küste  zu  besetzen.    Es  war  aber  nicht  nothwendig,  sogleich 
die  beiden  tiefen  Buchten  der  Syrten  zu  kolonisiren ,  es  genügte  für's  erste, 
sich  des  sie  trennenden  Vorsprungs,  der  jetzt  die  Stadt  Tripolis  trägt,  zu  be- 
mächtigen.    Von  hier  aus  beherrschte  man  mit  Leichtigkeit  die  Syrten  und 
befand  sich  bereits  im  Meridian  von  Sicilien.    Es  war  dann  nur  noch  die  Küste 
südlich  vom  Cap  Bon  zu  erobern ,  und  wenn  auch  dies  gelang ,  so  waren  die 
Griechen  Herren  des  ganzen  Beckens.  Diesen  wichtigen  Schritt  zur  Ausbreitung 
der  hellenischen  Macht  versuchte  Dorieus,  indem  er  sich  am  Flusse  Kinyps  nie- 
derliess ,  der  östlich  vom  jetzigen  Tripolis  eine  sehr  fruchtbare  Gegend  durch- 
strömte.  Aber  der  Versuch  misslang.    Die  Karthager,  denen  die  Bedeutung  des 
bedrohten  Punktes  nicht  entgehen  konnte ,  zogen  die  Bewohner  des  Landes  am 
Kinyps,  die  Maker,  in  ihr  Interesse  und  besiegten  mit  ihrer  Hülfe  die  Spartaner. 
Dorieus  musste  nach  zweijährigem  Aufenthalte  in  Afrika  weichen  und  kehrte 
nach  demPeloponnes  zurück.  Hier  machte  ihn  Anticheres  aus  Eleon  in  Böotien  auf 
alte  Orakel  des  Laios  aufmerksam,  nach  denen  er  Herakleia  in  Sicilien  besetzea 
könne,  da  es  zu  den  Ländern  des  Eryx  gehöre  und  diese  alle  Herakles  erworben 
habe,  so  dass  sie  jetzt  der  Herakliden  rechtmässiges  Eigen thum  seien.    Nun 
begab  sich  Dorieus  nach  Delphi  und  fragte  das  Orakel ,  ob  er  das  Land  erobern 
würde,  nach  dem  er  jetzt  auszuziehen  im  Begriflf  wäre.    Die  Pythia  bejahte  die 
Frage.    So  fuhr  er  denn  mit  neuen  Hoflfhungen  ab ,  begleitet  vou  angesehenen 
Spartanern ,  unter  denen  Thessalos ,  Paraibates ,  Kelees  und  Euryleon  waren. 
Aber  ehe  die  Auswanderer  nach  Sicilien  kamen ,  landeten  sie  in  Unteritalien 
und  halfen  nach  der  Behauptung  der  Sybariten ,  der  freilich  die  Krotoniaten 
widersprachen ,  diesen  letzteren  bei  ihrem  Kampfe  gegen  Sybaris ,  was  dann 
als  Grund  angegeben  wurde,  weshalb  der  günstige  Orakelspruch  nicht  mehr  in 
Sicilien  in  Erfüllung  ging :  er  war  ja  schon  in  Italien  erfüllt  worden.  JedenfaUs 
hatte  Dorieus  in  Sicilien  ebenso  wenig  Glück  wie  in  Afrika.    Er  fand  dort  die 
Karthager  ebenso  wachsam ,  wie  er  sie  in  Libyen  gefunden  hatte.     Das  alte 
Bündniss  der  Phönicier  und  Egestäer  stellte  sich  ihm  gegenüber.    Mae  er  nun, 
wie  Diodor  sagt,  Herakleia  besetzt  haben  und  dann  erst  besiegt  worden  sein, 
oder  mag  er,  nach  Herodot^s  wahrscheinlicherem  Berichte,  gleich  im  Kampfe 
seinen  Untergang  gefunden  haben,  worauf  dann  Euryleon  die  selinuntiscbe 
Kolonie  Herakleia  besetzte,  —  sicher  ist,  dass  wiederum  ein  Versuch  der  Grie- 
chen, den  Phöniciem  in  Sicilien  ein  Stück  ihres  Gebietes  abzuringen,  misslang. 
Uebrigens  ist  die  Nachricht  des  Herodot  um  deswillen  wahrscheinlicher,  als  die 
Diodor's ,  weil  sie  die  Voraussetzung  gestattet ,  dass  Dorieus  anfangs  eine  Nie- 
derlassung in  wirklich  phönicischem  Gebiete  westlich  von  Selinus,  vielleicht  am 
Fusse  des  Eryx,  versuchte,  während  bei  der  Annahme,  dass  er  sogleicb  Hera— 


Dorieus.  Sicilien  um  500  vor  Chr.  ]  97 

Ueia  besetzt  habe ,  das  dann  von  den  Karthagern  zerstört  worden  sei ,  schwer 
zu  erklären  ist,  wie  die  östlich  von  Selinus  gelegene  Stadt  diesen  so  furchtbar 
erscheinen  und  von  ihnen  so  leicht  zerstört  werden  konnte.  Wir  müssen  noch 
hinzufügen,  was  Herodot  der  Mühe  werth  gehalten  hat  zu  berichten,  [dass  Do- 
rieus in  seinem  Unternehmen  auf  Sicilien  von  einem  angesehenen ,  aus  seiner 
Vaterstadt  geflohenen  Krotoniaten ,  Namens  Philippos ,  unterstützt  wurde ,  der 
ihn  mit  einer  eigenen  Triere  begleitete.  Er  war  ein  Olympionike  und  galt  als 
der  schönste  der  Hellenen.  Als  er  im  Kriege  gefallen  war,  erwiesen  ihm  die 
Egestäer  wegen  seiner  Schönheit  die  Ehre,  dass  sie  über  seinem  Grabe  ein 
Heroon  errichteten  und  ihm  dort  Opfer  darbrachten.  Herodot  berichtet  noch 
von  den  weiteren  Schicksalen  des  Euryleon,  dass  er  den  Selinuntiem  half,  sich 
von  ihrem  Tyrannen  Peithagoras  zu  befreien ,  dann  aber  selbst  sich  zum  Ty- 
rannen von  Selinus  machte  und  nach  kurzer  Herrschaft  von  dem  empörten 
Volke  am  Altar  des  Zeus  Agoraios,  wohin  er  sich  geflüchtet  hatte,  getödtet 
wurde. 

Der  gegen  Dorieus  errungene  Erfolg  machte  in  den  Karthagern  wiederum 
die  Hoffnung  rege,  durch  eigene  Angriffe  die  Griechen  allmählich  aus  ihren 
Stellungen  auf  Sicilien  zu  verdrängen.  Nun  war  aber  am  Anfang  des  5.  Jahr- 
hunderts vor  Chr.  die  Gelegenheit  zur  Ausführung  solcher  Pläne  sehr  günstig. 
Es  war  die  Zeit,  wo  die  Perser  ihre  ungeheuren  Züge  gegen  die  Griechen  des 
Mutterlandes  unternahmen ;  wenn  nun  die  Hellenen  von  zwei  Seiten  zu  gleicher' 
Zeit  angegriffen  wurden,  war  es  da  nicht  unmöglich,  dass  sie  d^m  Verderben 
entgingen  ?  Es  wird  berichtet,  dass  Xerxes  die  Karthager,  die  Kolonisten  seiner 
phönicischen  Unterthanen,  durch  persische  und  phönicische  Gesandte  habe  auf-- 
fordern  lassen,  seinen  Kampf  gegen  Hellas  durch  einen  gleichzeitigen  Ueberfail 
Siciliens  zu  unterstützen.  Eine  solche  Aufforderung  von  Seiten  des  persischen 
Königs  ist  eine  so  natürliche  Thatsache,  dass  sie  gegen  die  Zweifel,  welche  da- 
gegen erhoben  sind,  nicht  erst  vertheidigt  zu  werden  braucht,  und  ebenso 
natürlich  ist  es ,  dass  die  Karthager  auf  ein  Unternehmen  eingingen  ,  das  ihnen 
so  grossen  Vortheil  versprach.  Wenn  sie  eines  besonderen  Verwände s  bedurf- 
ten, um  die  Griechen  Siciliens  angreifen  zu  können,  so  wurde  er  ihnen  von  den 
Hellenen  selbst  gegeben. 

Um  das  Jahr  500  vor  Chr.  waren ,  mit  Ausnahme  von  Syrakus ,  die  be- 
deutenderen Igriechischen  Städte  der  Insel  unter  die  Herrschaft  von  Tyrannen 
gekommen.  Wir  sahen  oben,  dass  inGela  seit  505  (Ol.  68,  4}  Kleandros  regierte; 
er  schützte  sich  durch  Soldtruppen,  die  zum  Theil  aus  Sikelem  bestanden,  und 
als  er  nach  siebenjähriger  Herrschaft  durch  das  Schwert  desSabyllos,  eines  Ge- 
loers,  fiel,  wurde  die  Stadt  dennoch  nicht  frei.  Hippokrates  folgte  in  der  Allein- 
herrschaft seinem  Bruder  Kleandros  498  (Ol.  70,  3)  v.Chr.  Der  neue  Herrscher 
verfolgte  mit  vielem  Glück  das  Bestreben,  die  Griechen  und  Barbaren  der  Insel 
sich  mittelbar  oder  unmittelbar  unterthänig  zu  machen ,  und  er  wurde  darin 
durch  zwei  Männer  von  vornehmer  Herkunft,  die  ihm  dienten,  unterstützt,  den 
Ainesidemos,  den  Sohn  des  Pataikos,  und  besonders  durch  Gelon,  den  Sohn  des 
Deinomenes,  einen  Nachkommen  des  früher  in  der  Geschichte  von  Gela  erwähn- 
ten Telines,  einen  Mann,  der  sich  bald  zum  Anführer  der  Reiterei  des  Hippokrates 
aufschwang.  So  gelang  es  dem  Tyrannen  von  Gela,  Kallipolis,  Naxos,  Leontini 


Drilles  Buch.    I.  Krieg  mit  den  Kertbagern.  Gelon. 

1  unlerwerfon.  Es  scheint,  dass  er  diese  Städte  grössteotheils 
[ebene  Männer,  welche  sich  auch  T\Tannen  oder  Könige  nennen 
Tn  Hess.  Wenigstens  w  ird  Ainesidenios  als  Herrscher  von  Leontini 
i  Skylhes ,  der  um  dieselbe  Zeil  als  Tyrann  von  Zankle  auftritt, 
eni  Uippokrales  gegenüber  eine  untergeordnete  Stellung  ein. 
Lythes,  ein,  wie  es  scheint,  ziemlich  rechtschaffener  Haon ,  liess 
eitaussebendes  Unternehmen  ein,  von  dem  er  sich  viele  Vortheile 
s  ihm  aber  schliesslich  nur  Verderben  brachte,  da  ein  Schlauerer, 
ili  in  die  Sache  mischte.  Er  erliess  nach  der  Zerstttrung  von  Hilet 
ser  im  Jahre  494  vor  Chr.  eine  Aufforderung  an  die  lonier,  die 
ischen  Joche  nicht  beugen  wollten,  nach  Sicilien  zu  kommen,  wo 
leile  der  NordkUsle ,  welcher  die  schOne  Ktlste ,  Kaie  akte,  ge- 
,  mit  Leichtigkeit  unter  seiner  Beihulfe  eine  Niederlassung  grUn- 

Wenn  die  schöne  KUsle,  welche  Skylhes  im  Auge  hatte,  dieselbe 
1  halbes  Jahrhundert  späler  von  den  Sikelem  durch  die  Gründung 
ikle  kolonisirt  wurde,  so  ist  es  die  reizende  Gegend,  die  sich 

heultgen  Sladl  Caronia  am  Meere  hinzieht.  Es  darf  aber  nicht 
len ,  dass  ein  sicilischer  Fürst  'sich  mit  einem  solchen  Vorschlage 
:che  lonier  wenden  konnte;  bereits  seil  geraumer  Zeil  bestanden 
Igen  zwischen  den  Städten  Kleinasiens  und  den  westlichen  KU- 
fS  Milteltneeres.  Nach  Herodot  waren  asiatische  Phokaer  die  ersten 
esen,  die  weile  Seefahrten  unternommen  und  das  Adriatische 
tnien,  Iberien  und  Tartessus  ihren  Landsleuten  kund  gemacht 
In  der  Thal  zeigen  sich  die  Bürger  von  Phokaia  als  ein  redites 
das  von  seiner  felsigen  Heimat  unbefriedigt  und  die  nKheren  Kü- 
indend,  in  die  Feme  strebt  und  sich  dort  in  mühevollen  und 
ahnen  bereichert.  In  Sicilien  findet  sich  eine  eigenthUmltche  Spur 
n'esenheil  von  Pbokäem  in  dem  Namen  Phokaiai,  welchen  ein 
It  Leontini  führte.    Phokäer  waren  es,  welche  um  das  Jahr  600 

Massalia  gründeten ,  Phokser ,  die  um  das  Jahr  &6S  Älalia  auf 
!a)  anlegten,  wohin  94S,  als  die  Perser  ihre  Sladl  erobert  hatleu, 
T  sich  begaben ,  welche  aber  5  Jahre  spater  in  Folge  einer  uu- 

Seeschlacbt  g^en  die  Karthager  und  Tyrrhener  diesen  Ort  ver- 
eils  nach  Massalia ,  theils  nach  nhe^on  und  von  hier  zur  Grün- 
n  oben  erwähnten  Stadt  Hyele  oder  Elea  zogen.     Endlich  httren 

einem  phokaischen  SchifTsfUhrer ,  Namens  Dionysios,  der  sich 
nüht  halle,  dem  durch  die  Schlacht  bei  Lade  so  unglücklich  be- 
;e  der  lonier  gegen  die  Perser  eine  andere  Wendung  zu  gebeo, 
Ules  verloren  war,  mit  drei  eroberten  feindlichen  SchiSen  zuerst 
1  und  von  da  nach  Sicilien  fuhr,  von  wo  er  gegen  Karthager  und 
ckliche  Raubzuge  uolernahm.  Wir  können  sogar  vermuthen,  dass 
1  Zankle  gekommen  ist,  und  dass  durch  ihn  Skylhes  auf  den  Ge- 
hl wurde,  lonier,  die  sich  den  Persern  nicht  unterwerfen  wollten, 
!U  ziehen, 

i  war  es  natürlich,  dass  kleinasiatische  Griechen  dem  Bofe  des 
:amen.    Es  waren  Samier  und  einige  Milesier,  welche  der  Auf— 


AnaiilBE.   Snmler  in  Zanklr'.  .      199 

fordenjng  Folge  leisteten.    Als  sie  alwr  auf  ihrer  Fabrt  nach  Sicilien  im  epi- 
zephyrischen  Lokri  angekommen  waren  und  hier  eine  Zeit  lang  verweilten  -^ 
wie  es  scheint,  wegen  der  Abwesenheit  des  Skythes  von  Zankle  — ,  da  trat  mit 
ihnen  ein  Mann  in  Unterhandlung,  der  mit  seiner  Schlauheit  dem  ganEc 
nehmen  eine  andere  Richtung  zu  geben  wussle.    Es  war  Anaxilaa,  Ty 
Bhegion,  eine  der  merkwürdigsten  Persönlichkeiten  seiner  Zeit. 

Anaxilas,  Sohn  des  Kretines,  aus  vornehmer  messenischer  Faniil 
die  in  Rhegion  bestehende  Oligarchie  i9i  v.  Chr.  gestürzt  und  regierte 
ganz  kurze  Zeit,  als  die  Ankunft  der  Samier  seinem  Talent  für  politisc 
guen  freien  Spielraum  gewahrte.  Er  machte  die  Fremdlinge  darauf  aufn 
dass  eine  lange  schon  bestehende ,  schöne  Stadt  besetzen  besser  sei , 
neue  mllhsam  gründen,  und  dass  sie  die  beste  Gelegenheit  hätten,  das ! 
und  Angenehmere  statt  des  Schwereren  zu  ihun.  Skylhes  beftinde  siel 
Uehrzahl  der  wafTen&higen  Einwohner  von  Zankle  ausserhalb  der  St 
der  Belagerung  eines  sikelischen  Ortes  beschüftigl ;  es  würde  ihnen  a 
schwer  werden ,  wenn  sie  sich  erst  die  Thore  von  Zankle  hatten  öffne 
was  man  ihnen,  den  aue  der  Feme  Herbeigerufenen,  nicht  verweigeri 
sich  der  Stadt  zu  bemächtigen.  Die  lonier  gingen  auf  den  Vorschlag  ( 
der.Streich  gelang :  sie  wurden  die  Herren  von  Zankle  Ol.  71 ,  i  —  49: 
Als  Skythes  sah,  dass  er  auf  gtltlichem  Wege  seine  SHidl  nicht  wiedei 
wurde,  nahm  er  die  Hülfe  des  Hippokrates  in  Anspruch;  dieser  aber, 
beschwerlich  dünkte,  die  Samier  zu  vertreiben,  und  der  glauben  mocl 
«r,  abgesehen  ^on  dem  augenblicklichen  Gewinn,  den  ein  Vertrag  mit 
dringlingen  bringen  musste,  später  vielleicht  ebenso  viel  Autorität 
neue  Bevölkerung  von  Zankle  sich  erringen  kOnne,  wie  er  Über  die  all 
hatte ,  Hess  Skythes  im  Stiche  und  ging  auf  die  Seite  seiner  Ge^er  tll 
frtthere  HeiTscher  von  Zankle  und  dessen  Bruder  Pytht^enes,  die  nid 
ahnten,  wurden  ergriffen  und  als  Gefangene  nach  Inykon  geschickt; 
kleer,  welche  mit  Skythes  ausgezogen  waren,  wurden  ebenfalls  ge(a 
Domuien  und  von  Hippokrates  zu  Sklaven  gemacht;  300  der  anges 
unter  ihnen,  welche  er  aus  dem  Wege  zu  rtlumen  wUnschte,  gab  er,  d 
schitmte,  sie  selbst  hinrichten  zu  lassen,  den  Samiern,  damit  sie  sie  uml 
Als  vertragsmässigen  Lohn  fUr  seine  Verrittherei  erhielt  er  die  Hölfle  al 
ven  und  aller  beweglichen  Habe ,  die  die  alten  Zankleer  innerhalb  d< 
mauem ,  und  Alles ,  was  sie  ausserhalb  derselben  gehabt  hatten.  1 
war  das  Schicksal  der  Opfer  des  Verrathes  nicht  ganz  so  schlimm,  wi 
krates  gewollt  hatte ;  die  Samier  schenkten  den  Dreihundert  das  Leb 
Skylhes  eptkam  aus  Inykon.  Er  entfloh  nach  Himera  und  schiffte  sict 
nach  Persien  ein ,  wo  er  vom  Könige  Dareios  mit  grosser  Auszeichni 
genommen  wurde.  Dareios  erklärte  ihn,  wie  Herodol  sagt,  fUr  den  rei 
fensten  aller  Hellenen,  die  zu  ihm  geflohen  waren  —  und  es  gab  dei 
wenige  — ,  besonders  weil  er  von  einer  Reise  nach  Sicilien,  die  er  mil 
niss  des  Rttnigs  unternahm ,  wirklich  wieder  nach  Persien  zurltckkel 
er  hochbejahrt  im  grOssten  Wohlstande  starb. 

Hit  den  Samiem  kam  Kadmos  aus  Kos,  der  Sohn  des  Skythes  — 
«ines  andern  ah  des  eb«i  genannten  —  nach  Sicilien.  Kadmos  war  Tj 


illesBuch.    1.  Krieg  mit  den  Karthagern,  Gclon. 

^  aber,  ein  seltnes  Beispiel  vod  Müssigung ,  zumal  in  jener 
nenschlicben  Zeit,  die  Uerrscbaft  über  seine  Insel  freiwillig 
lachte  er  id  Zankle  zu  leben.  Aber  der  bald  hier  eintretende 
erhältnisse  gestattete  ihm  keinen  langen  Aufentball;  denn 
irze  Zeit  im  Besitze  der  Samier.  Anasilas  hatte  natUrlicb, 
ith  gab,  Zankle  für  sich  zu  nehmen,  nicht  etwa  blos  die 
se  Stadt  dem  Skytbes  zu  entreissen,  er  hatte  in  ihnen  Werk- 
enen  ehrgeizigen  Plüne  gesehen.  Und  er  hatte  sich  nicht 
jFzer  Zeit  war  Zankle  in  Seinen  Uänden.  Es  ist  uns  nicht 
eten ,  welche  Mittel  er  anwandte ,   um  zu  seinem  Ziele  zu 

W^,  den  er  einschlug,  ist  nicht  schwer  lu  errathen.  Der 
liäter  der  Snmier  konnte  Icidit  Bewaffnete,  die  ihm  dienten, 
1,  und  das  Uebrige  war  nur  eine  Frage  der  Zeit.  Es  kann 
Tst  nach  dem  Tode  des  Hippokiates ,  der  ja  den  Beschützer 

hotte,  in  die  Hände  des  Anaxiias  fiel,  dann  wäre  das  Er— 
^getreten.  Anaxiias  führte,  sobald  er  Zankle's  Gebieter  war, 
prschiedenen  Ursprunges  in  die  Stadt  und  nannte  sie  dann, 
viele  Bheginer,  messenischer  Herkunft  war,  Messana.  Dies 
richte  des  Tbukydides,  der  Ursprung  des  Namens,  den  die 
m  getragen  hat.  Nach  anderen  Nachrichten  wSre  schon  bei 
irch  die  Samier,  denen  sich  si^leich  Hessenier,  offenbar  aus 
issen  hallen ,  die  Stadt  Zankle  Messana  genannt  worden. 
'Sten  HUnzen,  auf  denen  sich  der  neue  Stadtname  findet, 
vie  samische  MUntea,  ein  LUwenbaupl  auf  der  einen,  ein 
anderen  Seile,  so  dass  es  unverkennbar  ist,  dass  der  Bin- 
der Stadt  überwog,  als  sie  diese  Münzen  prägte.  Wenn  nun 

samischen  Typen  der  Name  Messene  auftritt ,  so  ist  weoig- 
abrscheinlichkeit  vorhanden,  dass  wirklich  schon  bei  der 
tylbes  die  Stadt  ihren  neuen  Namen  empfing.  Dass  aber  die 
ISS  dieser  Name  Hessene  war,  bat  nichts  Auffallendes,  wenn 
Ichen  Antheil  Anasilas  an  ihrem  plötzlichen  Glücke  hatte. 

mag ,  Anaxilas  gewann  die  Hen-schaft  Über  Messene ,  wo 
le  Element  einen  immer  grosseren  Aufschwung  nahm,  wie 
en  zeigen ,  auf  denen  anfangs ,  noch  lur  Zeit  des  Anaxilas, 
senioi,  daim  bald  Messanioi  genannt  werden.  Die  noch  vor- 
von  Messana  und  Rhegion  lehren  noch  eine  andere  merk— 
;  Anaxilas  führte  einige  Zeit,  nachdem  er  in  Besitz  der  sici- 
)gt  war,  hier  wie  in  Rhegion  an  Stelle  des  jiginäischen 
is  dabin  in  diesen  SlUdten  herrschend  gewesen  war,  den 
cilischen  Städten,  wie  insbesondere  in  Syrakus  gebrSuf^i— 
.    Die  hierdurch  herbeigeführte  Veränderung  war  eine  dop- 

die  attische  Drachme  leichter  als  die  äginäische.  In  dieser 
die  Einfuhrung  des  neuen  Hünzfusses  den  Charakter  einer 
zielten  Massregel;  es  ist  eine  jener  Münzreductionen ,  die 
n  sind,  und  weldie  den  Vonbeil  bringen ,  dass  sie  die  Ab- 
len  erleichtern.    Sodann  aber  brachte  der  neue  HUnifuss  es 


AnaxUas.  Hippokrates  von  Gela.  201 

mit  sichy  dass  nun  statt  der  Drachme  die  Tetradrachme  das  gewöhnliche  Geld- 
stück wurde.  Dies  musste  von  günstigem  Einfluss  auf  die  Hebung  des  Verkehrs 
mit  den  Nachbarstädten  und  anderen  Handelsplätzen  sein,  wenn  es  nicht  schon 
als  Zeichen  eines  gehobenen  Verkehrs  betrachtet  werden  darf,  den  der  Fürst 
nur  noch  durch  die  Aufhebung  der  Schranke  begünstigen  woUte ,  welche  in 
einer  unbequemen  Münze  lag.  Jedenfalls  haben  hier,  wie  an  so  manchen  Orten, 
die  materiellen  Interessen  durch  den  Sturz  der  Aristokratie ,  welchen  Anaxilas 
in  Messene  wie  in  Rhegion  vollendet  hat ,  einen  wesentlichen  Aufschwung  ge- 
nommen. Während  nun  die  ersten  Münzen ,  welche  der  Fürst  in  den  von  ihm 
und  seinem  Sohne  Kleophron  beherrschten  Städten  schlagen  Hess,  noch  die 
samischen  Typen  zeigen,  welche  auch  Rhegion  führte,  tritt  nach  kurzer  Zeit  ein 
anderes  Gepräge  auf:  ein  Hase  auf  der  einen,  ein  Gespann  auf  der  anderen 
Seite.  Die  Erklärung  hierüber  ist  uns  durch  PoUux  überliefert.  Anaxilas  hatte 
in  Olympia  mit  einem  Maulthiergespann  gesiegt ,  und  er  war  es  gewesen ,  der 
die  Hasen  auf  Siciliehi  einheimisch  gemacht  hatte.  Dieselbe  Umwandlung  des 
äginäischen  Münzfusses  in  den  attischen  haben  sodann  auch  die  übrigen  chal- 
kidischen  Städte  der  Insel  vollzogen ,  so  dass  der  attische  nachsolonische  Fuss 
seitdem  auf  ganz  Sicilien  herrschend  war. 

Während  nun  so  Anaxilas  sich  zum  Herrscher  der  die  Meerenge  ein- 
schliessenden  Städte  machte  und  durch  die  Anlage  eines  Kriegsbafens  bei 
Skyllaion  die  Fahrt  durch  dieselbe  den  Tyrrhenischen  Seeräubern  versperrte 
—  eine  Tbat  von  nicht  geringer  Bedeutung  für  die  Entwickelung  des  sicilischen 
Handels  — ,  wandte  sich  Hippokrates  von  Gela ,  der  von  Messana  wenigstens 
reiche  Beute  davongetragen  hatte ,  zu  einer  noch  wichtigeren  Unternehmung : 
er  versuchte,  Syrakus  zu  unterwerfen.  Diese  Stadt  besass  seit  mehr  als  einem 
halben  Jahrhundert  ein  gerade  nach  Südwesten  hin  sehr  ausgedehntes  Gebiet. 
Es  war  nämlich  in  der  57.  Olympiade  (552  v.  Chr.)  ein  Krieg  zwischen  ihr  und 
Kamarina  ausgebrochen,  weil  —  wir  wissen  nicht,  bei  welcher  (relegenheit  — 
diese  Stadt  sich  von  ihrer  Metropole  losgesagt  hatte.  Auf  syrakusanischer  Seite 
standen  die  Megarer  und  Hennäer,  auf  der  der  Kamarinäer  ausser  andern  uns 
nicht  genannten  Bundesgenossen  die  Sikeler,  während  die  Geloer  sich  weigeiten, 
gegen  Syrakus  zu  kämpfen.  Es  kam  zur  Schlacht,  als  die  Kamarinäer  den  Fluss 
Hyrminos,  der  die  Ostgrenze  ihres  Gebietes  ausgemacht  zu  haben  scheint,  über- 
schritten. Sie  wurden  besiegt,  ihre  Stadt  erobert  und  sie  selbst  vertrieben. 
Die  Syrakusaner  nahmen  das  kamarinäische  Land  für  sich  in  Besitz.  So  waren 
sie  die  unmittelbaren  Nachbarn  des  Herrschers  von  Gela ,  der  mit  ihnen  Krieg 
begann.  Die  Syrakusaner  verloren  eine  Schlacht  am  Flusse  Heloros  —  in  Hip- 
pokrates' Heer  zeichnete  sich  Ghromios  aus  —  und  die  Geloer  trieben  die  Be- 
siegten in  ihre  Stadt  zurück.  Hippokrates  schlug  in  ihrer  unmittelbai*en  Nähe 
beim  Tempel  des  Olympischen  Zeus  sein  Lager  auf  und  fand,  als  er  den  Tempel 
betrat,  den  Priester  nebst  einigen  Syrakusanem  dabei  beschäftigt,  die  goldenen 
Weihgeschenke,  welche  den  Tempel  zierten,  und  den  sehr  werthvoUen  goldenen 
Mantel  des  Zeus  zu  entfernen.  Er  fuhr  sie  als  Tempelräuber  hart  an ,  Hess  ^ie 
aber  frei  in  die  Stadt  zurückkehren.  Er  selbst  berührte  die  Schätze  des  Heilig- 
thums  nicht,  indem  er  darauf  rechnete,  dass  eine  solche  Enthaltsamkeit  ihn  bei 
dem  Volke  von  Syrakus  in  ein  günstiges  Lidit  stellen  würde,    den  eigenen 


202  Drilles  Bucli.     t.  Krieg  mit  den  Kartliagern.  Gulon. 

BeaiDlen  gegenübei*,  die  den  Tempel  halten  plündern  wollen.  Man  sieht,  dasi^ 
Hippokrates  sich  der  syr<ikus.-ini sehen  Ärislokratie  als  Freund  des  Volkes  g^en- 
Uberst«llte.  Er  wHrde  wohl  seinen  Zweck  erreicht  huhco,  denn  der  Schlag  war 
schwer,  den  Syrakus  am  Heloros  erliLlen  hatte,  wenn  niclit  Korinth  und  Ker- 
kyra  sich  in's  Mittel  gele^it  hüllen.  So  mussle  Hippokrales  sich  mit  der  Ab- 
tretung von  Kamanna  als  Enlschüdigung  für  die  Auslieferung  der  \'on  ihn] 
)iefangen  genotninenen  Syrakusaner  begnügen.  Kr  führte  nach  Kamarina  nieder 
Einwohner.  Dann  wandle  dei-  unermüdliche  Krieger  sich  gegen  die  Sikeler, 
Die  Stadt  Ergelion  eroberte  er  durch  eine  List.  Er  lockte  durch  Bevorzu^ng 
der  Ergetinischen  Söldner  in  seinem  Heere  die  meisten  ihrer  Mitbürger  in  seinen 
Dienst  und  berauble  so  die  Stadt  ihrer  Ve rt heidi ger ;  während  eines  Marsches 
durch  die  Laistrygonisclien  Gefilde  übertielen  dann  seine  Reiter  dieselbe.  Kun 
M-urde  zum  Hohn  den  Ei^tinem  Krieg  angekündigt  und  sie  von  den  Geloem 
und  KamarinSem  niedergemacht.  Dann  grilTer  Hybla  an  und  fand  hier  seinen 
Tod,  nachdem  er  7  Jahre  regiert  halte. 

Bippokrales  hinterliess  zwei  Söhne,  Eukleides  und  Rleandros.  Aber  diese 
waren  noch  zu  jung,  um  seihst  zu  regieren,  und  Verwandle,  welche  die  vor- 
mundschaFtiiche  Regierung  hätten  führen  können,  scheinen  nicht  dagewesen  zu 
sein.  Unter  diesen  Umstanden  musst«  es  natürlich  ei-scheinen,  dass  Gelon,  der 
treüeste  Diener  des  Verstorbenen  und  jetzt  der  erste  Mann  des  Staates ,  einsl- 
weilen  an  die  Spitze  desselben  trat.  Er  gab  vor,  für  die  Söhne  des  Hippokrates 
die  Herrschaft  führen  zu  wollen;  als  er  aber  einen  Aufstand  derGeloer,  welche 
die  Gelegenheil  zur  Wiedererringung  der  Freiheit  gekommen  wühnten,  unter- 
drückt halle ,  waif  er  die  Maske  ab  und  machte  sich  selbst  zum  Tyrannen  von 
GelaOl.  72,  2;   491  v.  Chr. 

Wie  Hippokrales,  so  fühlte  auch  Gelon  das  Bedürfniss,  in  einem  grösseren 
Wirkungskreise,  als  Gela  hiet«n  konnte,  seine  Kräfte  geltend  zu  machen.  Er 
erkannte  mit  richtigem  Blicke,  dass  nur  an  der  OslkUste  Siciliens  eine  wahrhaft 
bedeutende  Macht  gegründet  werden  könnte,  und  dass  die  einzige  Stadt,  weiche 
sich  zum  Sitze  derselben  eignete,  Syrakus  würe,  dessen  Irefiliche  Lage  unver- 
gleichliche HUlfsmiltel  darbot.  Es  handeile  sich  also  darum,  Syrakus  zu  ge- 
winnen, auszufllhren,  was  Hippokrales  misslungen  war.  Offenbar  war  g^en 
das  mächtige  Gemeinwesen  mit  blosser  Gewall  Nichts  auszurichten;  es  galt. 
List  anzuwenden  und  vor  allen  Dingen  günstige  Umstünde  abzuwarten.  Diese 
traten  bald  ein.  Die  inneren  Verhaltnisse  von  Syrakus  erleichterten  Gelon's 
Bestrebungen.  Es  war  endlich  der  schon  lange  gührende  Hass  des  niederen 
Volkes  gegen  die  Gamoren  zum  Ausbruch  gekommen.  Das  Stadtvolk  hatte  sich 
mit  den  leibeigenen  Killikyriern  gegen  die  Aristokraten  verbunden,  und  der  Er- 
folg des  Aufstandes  war  die  Vertreibung  der  Adligen  gewesen,  Sie  waren  nach 
Kasmenai  gezogen  und  forderten  nun  Gelon  auf,  ihnen  Hülfe  zu  leisten.  Gelon 
nahm  sich  der  Vertriebenen  an ,  aber  in  einer  Weise ,  die  durchblicken  liess. 
dass  er  gegen  das  Volk  von  Syrakus  darum  nichts  Böses  beabsichtige ;  wenig- 
stens müssen  uir  dies  vermuLhen ,  um  das  nun  Folgende  zu  erklaren.  Denn 
das  syrakufianische  Volk,  das  sich  Überdies  vielleicht  nach  der  in  einem  ahn- 
licben  Falle  erdachten  Fabel  wie  die  Glieder  ohne  den  Magen  vorkommen  mocfale. 


Gelon  in  Syrakus.  203 

nahm  die  Gamoren  ohne  Widerstand  auf  und  Gelon  dazu.    Dies  geschah  in) 
Jahre  485  vor  Chr.  (Ol.  73,  4). 

So  halte  denn  auch  die  letzte  wichtige  Stadt  Siciliens,  welche  bis  dahin 
noch  frei  von  der  Tyrannis  geblieben  war,  sich  unter  ihr  Joch  gebeugt.  Seitdem 
ist  die  Geschichte  von  Svrakus  mehr  eine  Geschichte  der  Tvrannen  als  der 
freien  Bürger  desselben ;  abei-  es  ist  nicht  ohne  Bedeutung ,  dass  die  Verfas- 
sungsform ,  welche  die  Stadt  die  längste  Zeit  ihrer  Selbständigkeit  hindurch 
beibehalten  sollte,  ihr  zu  Anfang  nicht  aufgezwungen,  sondern  von  den  Bürgern 
freiwiUig  gewühlt  worden  ist.  Natürlich  ist  der  Adel,  als  er  mit  Gelon  zurück- 
kehrte ,  nicht  in  seine  früheren  Rechte  wieder  eingesetzt  worden ,  und  Gelon 
war  es ,  der  dem  Volke  dafür  bürgte ,  dass  dies  auch  spater  nicht  geschehen 
würde.  Gelon  ist  trotzdem,  dass  durch  ihn  die  Gamoren  nach  Syrakus  zurück- 
geführt sind,  auch  in  dieser  Beziehung  als  Fortsetzer  der  Politik  des  volks- 
freundlichen Hippokrates  zu  betrachten. 

Als  der  Fürst  seinen  nächsten  Zweck,  den  Besitz  der  besten  Stadt  der  Insel, 
erreicht  sah,  schritt  er  dazu,  ihr  die  Stellung  unter  den  Städten  Siciliens,  welche 
sie  einnehmen  konnte,  aber  noch  nicht  einnahm,  zu  verleihen.  Um  die  gün- 
stige Lage  von  Syrakus  vollständig  auszunutzen,  war  es  noth wendig,  dass  die 
Stadt  noch  volkreicher  wurde ,  als  bisher ;  erst  dann  war  es  möglich ,  eine  so 
imposante  Land-  und  Seemacht,  wie  Gelon  sie  wllnschte,  auf  die  Dauer  in  ihr 
zusammenzuhalten  und  stets  neu  zu  rekrutiren.  Der  neue  Herrscher  arbeitete 
deshalb  vor  allen  Dingen  auf  dieses  Ziel  hin ,  und  um  es  zu  eiTeichen ,  waren 
ihm  alle  Mittel  recht.  Das  einfachste  war  die  Verpflanzung  der  Bewohner  an- 
derer Städte  nach  Syrakus.  Das  Mittel  selbst  war  nicht  neu  in  Sicilien ,  denn 
schon  die  Phönicier  hatten  sich  seiner  bedient,  als  sie  sich  vor  den  Griechen 
nach  Panormos,  Motye  und  Soloeis  zurückzogen,  aber  die  Anwendung  des- 
selben war  es.  Denn  die  Phönicier  mussten  vor  einem  mächtigen  Feinde  zu- 
rückweichen, und  in  der  Concentrirung  lag  ihre  einzige  Rettung;  hier  drängte 
kein  Feind  dazu.  Wenn  also  Gelon  dies  Mittel  anwendete,  welches  ein  Gegen- 
bild zur  kolonisirenden  Thätigkeit  darstellte ,  die  in  Syrakus  so  lange  geblüht 
hatte,  so  müssen  wir  einerseits  seiner  Klugheit  unsere  Anerkennung  zollen,  und 
andererseits  verdient  die  Energie  hervorgehoben  zu  werden ,  welche  bei  dem 
natürlichen  Widerstände  der  Betrofifenen  dazu  gehörte,  das  Unternehmen  durch- 
zuführen. Uebrigens  ist  die  Strafe  für  das  Unnatürliche,  welches  die  Massregel 
in  ihrem  weiteren  Verlaufe  hatte,  nicht  ausgeblieben.  Zunächst  ward  der  Glanz 
und  die  Macht  Gela^s  dem  Gedeihen  von  Syrakus  aufgeopfert.  Gelon  nahm  seiner 
Heimat  die  Hälfte  ihrer  Bürger,  aber  er  liess  ihr  dafür  als  besonderen  Herrscher 
seinen  Bruder  Hieron,  gleich  als  sollte  die  Stadt,  die  seine  Grösse  begründet 
hatte,  nicht  ohne  Weiteres  zu  einer  Provinzialstadt  herabsinken.  Weniger 
Rücksicht  nahm  er  auf  Kamarina ,  das  Hippokrates  erst  vor  kurzer  Zeit  den 
Syrakusanem  zum  Trotz  mit  Geloem  bevölkert  hatte.  Es  wurde,  nachdem  es 
eine  Zeit  lang  unter  der  Herrschaft  eines  berühmten  Faustkfimpfers,  des  Glau- 
kos von  Karystos ,  den  Gelon  eingesetzt  hatte ,  gestanden ,  von  Gelon  wieder 
zerstört  und  die  Einwohner  nach  Syrakus  verpflanzt;  —  sie  mögen  bei  dem 
Tausch  eher  gewonnen  als  verloren  haben.  In  ganz  anderer  Weise  verfuhr  er 
mil  der  Bürgerschaft  der  Städte  Megara  und  Euboia.  Er  hatte  von  ihnen  Unter- 


es  Buch,    I.  Krieg  mit  den  Karthageni.  Geion. 

er  sie  batten  Widerstand  geleistet  uud  es  auf  eine  Belage- 
n,  und  es  waren  die  vornehmen  Geschlechter  dieser  Städte 
rstaudes  gewesen.  Offenbar  stand  Gelon  in  dem  durch  sein 
nicht  erschütterten  Rufe,  dass  er  ein  Feind  der  Aristokratie 
adle  sich  batlen  ergeben  müssen,  liess  er  die  Vornehmen, 
ieten,  nach  Syrakus  ziehen ,  wo  sie  sich  ansiedeln  muss- 
L  aber ,  das  sich  keiner  feindlichen  Gesinnung  gegen  ihn 
halb  nichts  Bdses  erwartete ,  brachte  er  zwar  auch .  nach 
>er  nur,  um  die  Menschen  dort  als  Sklaven  an  Solche  |zu 
!  Sicilien  fortzunehmen  versprachen.  Er  handelte  so,  sagt 
Qte ,  dass  das  niedere  Volk  ein  unbequemer  Mitbewohner 
;  er  wollle  es  also  nicht  in  Syrakus  aufnehmen ,  um  die 
e  Hasse  Aermerer  nicht  zu  vergrössern,  und  er  fürchtet«, 

sie  in  ihrer  Heimat  Hesse,  doch  spüter  seine  Feinde  wer— 
en  in  den  eroberten  Suidten  nur  leibeigene  Bauern,  deren 
I  sehr  zu  furchten  war,  und  der  Verkauf  der  Menschen 
beträchtliche  Geldsummen  ein.  Das  Kriegsrecbt  des  Aller— 
he  Grausamkeiten.  So  wurde  denn  Syrakus  auf  Kosten 
oss  und  volkreich ,  und  es  ist  anzunehmen,  dass  damals 

vergrössert  worden  ist.  Es  ist  jedoch  nicht  ausdrücklich 
rheil  hinzukam.  Wir  sahen ,  dass  ein  Stuck  wenigstens 
früher  bewohnt  sein  musste ;  durch  Gelon  ist  dann  dieser 
mit  Wohnhäusern  bedeckt  worden,  und  er  ist  es  vielleicht 

Westen  mit  der  früher  erwähnten  Hauer  umfasste.  So- 
r  seiner  Regierung  ein  dritter  Stadttheil  hinzu ,  das  nach 

Glücksgöttin  benannte  Tyche ,  das  sich  an  Achradina  im 
,  die  Nordhalfte  des  Plateau's  nahe  dem  Trc^Ioshafen  ein- 
ch  hat  auch  dieser  Theil  schon  eine  Hauer  gehabt.  End- 
lich von  Tyche ,  aber  von  demselben  durch  einen  freien 
en  Tempel  des  Apollon  eine  Vorstadt,  die  spSlereNeapolis. 
irbreitete  sich  der  Ruhm  des  klugen  und  mSchtigen  Hao- 

dabin  freie  Stadt  Syrakus  zum  Herrscher  gegeben  hatte, 
ad,  mit  dem  Sicilien  in  bestandiger  Verbindung  war,  und 
',  wie  Gelon  sie  sich  als  Rewohner  seiner  Hauptstadt 
ich  dort  niederzulassen.  Zu  diesen  gehörte  Pbormis  aus 
,  ein  tüchtiger  Kriegsmann ,   den  man ,  in  Erinnerung  an 

seiner  Stammgenossen,  nicht  übel  mit  einem  millelalter- 
'glicheii  bat,  und  in  seinen  Musseslunden  ein  Dichter,  von 
in  wird.  Er  verherrlichte  seine  neue  Heimat  durch  Weih- 
Olympia  stiftete ,  eine  Art ,  seine  Freigebigkeit  zu  betha- 
Ruhm  bei  allen  Hellenen  begierigen  Gelon  besonders  an- 
Dieser,  der  sich  zu  der  von  Hippokrales  überkommenen 
rrscher  von  Syrakus  auch  eine  Flotte  gescliaßen  hatte, 
len,  dass  er  als  der  erste  unter  den  Tyrannen  der  Inselgalt, 
en  war  der  beste  und  geachtetste  T  h  e  r  o  n  von  Akragas. 
iligen  Geschlecht«  der  Emmenlden  an ,  das  sich  der  Ab- 


Tberon.  Krieg  mit  Karlbsgo.  205 

Stammung  von  Kadmos,  dem  Sohne  Agenor's,  rUbmte,  und  das  auf  zwei  ver- 
schiedenen Wegen  von  diesem  GrUnder  Tbeben's  hei^eleilel  wurde.  Denn  Einige 
Hessen  die  Emmeniden  von  Uaimon,  dem  Sohne  des  Kadmiden  Polydoros,  ab- 
stammen, Andere,  wie  Pindar,  von  Theraander,  dem  Sobne  des  Polyneikes, 
der  sieb  mit  der  Tochter  des  Adraslos  vermählte ,  weshalb  Pindar  den  Tberon 
einen  Adrastiden  nennt,  und  dessen  Nachkommen  nach  der  Insel  Thera,  später 
nach  Sicilien  wanderten.  Emmenides,  nach  welchem  das  Geschlecht  den  Namen 
führte,  soll  der  Sohn  des  Telemachos  gewesen  sein,  der  zuerst  sich  in  Akragas 
niederliess ,  desselben  Telemachos ,  welcher  den  Tyrannen  Phalaris  stürzte, 
Tberon's  Vater  hiessAinesidemos;  es  ist  indess  nicht  wahrscheinlich,  dassesder 
oben  erwähnte  Feldherr  des  Hippokrates  war,  der  Sohn  des  Pataikos.  Theron, 
der  sich  ähnlich  wie  Phalaris  die  Herrschaft  durch  die  ihm  von  seinen  Mitbür- 
gern übertragene  Aufsicht  über  den  Bau  des  Athenelempels  verscbafne ,  aber 
sieb  dadurch  von  jenem  sehr  verschieden  zeigte,  dass  er  milde  und  gerecht  in 
Akragas  regierte ,  war  mit  Gelon  befreundet ,  dem  er  seine  Tochter  Damarete 
zur  Gattin  gab,  während  er  selbst  die  Tochter  des  Polyzelos,  eines  Bruders  des 
Gelon,  hciralbete.  Unter  Theron's  Herrschaft  war  das  Gebiet  von  Akr.igas  immer 
noch  sehr  ausgedehnt.  Wir  erfahren,  dass  nach  der  Schlacht  bei  Himera  viele 
karthagische  Soldaten  in  das  akragantinische  Gebiet  flohen  und  dort  ei^riffen 
wurden ;  die  Stadt  Akragas  beherrschte  also  offenbar  nach  Norden  zu  das  ganze 
Innere  der  Insel  bis  in  die  Ndhe  von  Himera  und  dem  Tyrrhenischen  Heere. 
So  war  es  natürlich,  dass  sich  ein  feindliches  Verhältniss  zwischen  Tberon  und 
dem  Beherrscher  von  Himera  bildete.  Diesei'  war  Terillos ,  der  Sohn  des  Kri- 
nippos,  und  durch  seine  Tochter  Kydippe  Schwiegervater  des  Ansxilas  von 
Rhegion.  Theron,  wahrscheinlich  von  einer  Partei  in  Himera  zu  HUlfe  gerufen,  ' 
vertrieb  den  Terillos,  und  dieser  wandte  sich,  da  er  seinen  Schwiegersohn  zu 
schwach  wusste ,  uro  allein  dem  mit  Gelon  verbundenen  Tberon  die  Spitze  zu 
bieten ,  mit  der  Bitte  um  Bulfe  an  die  Karlhager.  Anaxilas  selbst  scbloss  sich 
dem  Terillos  an  und  gab  als  Unterpfand  seiner  Treue  seine  beiden  Söhne  den 
Karthagern  als  Geiseln. 

Dies  war  die  Gelegenheit,  welche  die  Griechen  Siciliens  seilet  den  Kar- 
thagern boten,  sie  anzugreifen.  Es  war  eineSpaltung  der  wichtigsten  Griechen- 
slädte  der  Insel  in  zwei  Parteien,  in  zwei  Lager ;  auf  der  einen  Seile  die  mäch- 
tigeren Herrscher  des  Südens ,  Gelon  und  Theron ,  auf  der  andern  die  zwei 
Tyrannen  des  Nordens,  Terillos  und  Anaxilas;  hier  wie  dort  Schwiegervater 
und  Schwiegersohn,  diese  die  VcrrUlher,  jene  die  Vertheidiger  der  hellenischen 
Sache,  die  Vertheidiger  Siciliens  und  der  Civilisalion. 

Den  Karthagern  war  diese  Gelegenheit,  mit  den  Hellenen  Siciliens  Krieg 
zu  beginnen,  h&cbst  willkommen.  Die  Wucht  der  schon  seit  längerer  Zeit  be- 
gonnenen Ziuttstungen  erregle  in  ihnen  die  Hoffnung ,  die  Gegner  mit  einem 
Schlage  zu  vernichten.  Nach  dreijährigen  Vorbereitungen  standen  ein  grosses 
Heer  und  eine  grosse  Flotte  fertig  da.  Es  waren  300,000  Mann  Landtruppen, 
eine  bunt  zusammengesetzte  Masse ,  wie  die  Karthager  sie  zu  ihren  Kriegen  zu 
gebrauchen  pflegten,  in  welcher  ausser  karthagischen  Bürgern  und  Bewohnern 
der  andern  libyschen  Städte  Söldner  aus  Italien,  Ligurien,  Gallien,  Iberien,  aus 
Sardinien  und  Corsica,  endlich  aus  Afrika  sich  befanden.    Herodot  erwähnt 


Drittes  Buch.    I.  Krieg  mit  den  Kartbagern.  Gelon. 

(lers  Elisyker,  einen  liguriscfaen  Stamm,  den  Einige  mit  den  kelti- 
le  an  der  BhonemUndung  fUr  identisch  halten.  Die  Flotte  bestand 
Is  200  Kriegsschiffen  und  über  3000  Lastschiffen.  Zum  Oberfetdherm 
arthago  den  einen  seiner  Könige ,  Uamilkap,  Hanno's  Sohn,  einen 
sen  Familie  Jahrhunderte  hindurch  die  erste  und  angesehenste  io 
'ar,  dessen  Hutler  aber  aus  Syrakus  stammte.  Die  U eberfahrt  der 
Flotte  war  nicht  glücklich.  Ein  Sturm  vernichtete  die  Schiffe,  weiche 
und  die  Streitwagen  trugen.  Als  die  übrigen  aber  im  Hafen  von 
ingelangt  waren,  glaubten  sidi  die  Karthager  ihrer  Sache  volikommen 
meinten,  dass  nun  Nichts  mehr  die  Griechen  Siciliens  vor  dem  Un- 
nvahren  könne.  In  drei  Tagen  hatte  Hamilkar  die  durch  den  Sturm 
iffen  verursachten  Schäden  ausgebessert  und  rückte  nun  mit  seinem 
die  Stadt  Himera ,  das  erste  Ziel  der  Angriffe  Karthago's ,  wahrend 
lie  Küste  entlang  den  Zug  der  Landtruppen  begleitete.  Vor  Himera 
wei  Lager  auf,  das  eine  für  die  Flotte,  das  andere  fUr  das  Landheer, 
riegsschiffe  wurden  an's  Ufer  gezogen  und  mit  einem  liefen  Graben 
'alissadenreihe  geschützt;  dies  Lager  befand  sich  nördlich  unterhalb 
links  von  der  Mündung  des  gleichnamigen  Flusses.  Das  Lager  des 
i  schloss  sich  südwestlich  an  das  der  Schiffe  an  und  erstreckte  sich 
;anzen  Westseite  der  Stadt  über  die  hier  den  llfersaum  überragend*^ 
Fortsetzung  derjenigen,  auf  welcher  Himera  selbst  sich  erhebt.  Alle 
lie  auf  den  Lastschiffen  waren,  wurden  an's  Land  gebracht  und  diese 
h  Libyen  und  Sardinien  geschickt,  um  neuen  Proviant  zu  holen.  In 
and  sich  Theron ,  aber  der  Herrscher  Agrigent's  war  als  Soldat  und 
m  Karthagern  nicht  gewachsen.  Hamilkar  rückte  mit  seinen  besten 
;gen  die  Stadt,  schlug  die  Ausfölie  der  Belagerten  zurück  und  machte 
scheu,  dass  sie  sogar  die  nach  Westen  führenden  Tliore  vermauerten 
n  seinen  Verwandten  und  Bundesgenossen  Gelon  um  schleunigste 
:;bte.  Dieser,  der  schon  Alles  vorbereitet  halte,  kam  schnell  mit 
nn  Fusslruppen  und  5000  Reitern  und  schlug  neben  der  Stadt, 
liich  östlich  von  derselben  in  der  Ebene  des  Himera ,  ein  Lager  auf, 
ifalls  mit  Palissaden  und  einem  Graben  befestigte.  Mit  seiner  Ankunft 
ie  Dinge  ein  ganz  anderes  Aussehen.  Zunächst  liess  er  seine  Beiterei 
in  die  Umgegend  machen ,  auf  denen  die  schon  ganz  sicher  gewor- 
hager  überfallen  wurden.  GlUckliclier  Erfolg  befestigte  die  Zuver- 
oldaten ,  die  anfangs  vor  dem  fremdartigen  Aussehen  mancher  Afri— 
itzt  haben  mochten,  und  als  nach  kurzer  Zeit  bereits  mehr  als  1 0,000 
in  Himera  eingebracht  waren ,  da  änderte  sich  auch  die  Stimmung 
ler,  und  nun  wurden  nicht  blos  die  vermauerten  Thore  wieder  ge- 
iem  sogar  neue  gemacht.  Die  bisherigen  Erfolge  hatte  Gelon  beson- 
ch  erreichen  können ,  dass  die  Feinde  keine  Beiterei  besassen ;  das 
I  ündem,  und  Gelon  sann  deshalb  darauf,  den  Karthagern  bald  einen 
len  Schlag  beizubringen.  Der  Zufall  kam  ihm  zu  Hülfe,  und  der 
n  er  unternahm,  ftUirte  die  Entscheidung  des  ganzen  Krieges  herbei. 
•hiea  dem  Gelon  einen  Mann,  den  sie  gefangen  genommen  hatten,  als 
thagischen  Lager  wollte.    Es  war  ein  Bote  der  Selinuntler ,  die  sich 


Schlacht  bei  Himera.  207 

an  die  Karthager  —  wir  wissen  nicht,  ob  freiwillig  —  angeschlossen  hatten,  und 
seine  Briefe  enthielten  die  Zusage ,  dass  aus  Selinus  an  einem  näher  bezeich- 
neten Tage,  demselben,  den  Hamilkar  angegeben  hatte,  die  von  ihm  verlangten 
selinuntisehen  Reiter  im  karthagischen  Lager  eintreffen  wtlrden.    Es  war  der 
Tag,  an  dem,  wie  Gelon  erfuhr,  Hamilkar  im  Schiffslager  dem  Poseidon  ein 
grosses  Opfer  bringen  wollte.    Schnell  war  der  Plan  Gelon's  fertig.    Ah  dem 
bestimmten  Tage  erschien  eine  Abtheilung  seiner  eigenen  Reiterei,  sich  für  die 
ei'warteten  Selinuntier  ausgebend,  vor  den  Thoren  des  Schiffslagers.    Man  Hess 
sie  ein,  und  alsbald  begannen  sie,  die  Schiffe  anzuzünden.    Aufgestellte  Posten 
signalisirten  dem  Gelon  den  Augenblick,  in  welchem  die  Reiterei  in  das  Schiffs- 
lager einzog ;  sogleich  griff  er  —  es  war  eben  die  Sonne  aufgegangen  —  mit 
seinem  bereit  gehaltenen  Heere  das  andere  Lager  der  Feinde  an.  Die  Karthager 
kamen  hervor  und  kämpften  längere  Zeit  tapfer  gegen  die  Griechen ,  da  sehen 
sie  von  dem  Schiffslager  her  die  Flammen  aufschlagen,  und  nun  sinkt  ihr  Muth. 
Sie  unterliegen.    Ueber  Hamilkar's  Ende  stimmen  die  Berichte  nicht  überein. 
Nach  dem  einen  tödteten  ihn  sogleich  auf  Gelon's  Befehl  die  in's  Schiffslager 
gedrungenen  Reiter ;  nach  einem  andern  blieb  er  den  ganzen  Tag  hindurch, 
während  sein  Heer  kämpfte,  bei  dem  Opfer,  das  er  brachte,  stets  hoffend, 
endlieh  doch  noch  die  Gölter  besänftigen  zu  können ,  und  als  er  Alles  verloren 
sah,  stürzte  er  sich  selbst,  als  letztes  und  grösstes  Opfer^  in  die  Flammen;  noch 
Andere  wollten  endlich,  er  sei  spurlos  verschwunden,  und  umsonst  habe  Gelon 
seine  Leiche  gesucht.     Gelon  hatte  verboten,  in  der, Schlacht  Gefangene  zu 
machen;  so  wurden  denn  150,000  Karthager  getödtet.     Die  Uebrigen  zogen 
sich  kämpfend  auf  eine  feste  Höhe   (wahrscheinlich   den  Monte  S.  Calogero 
I  deutsche  Meile  westlich  von  Himera)  zurück ,  wo  sie  sich  eine  Zeit  lang  ver- 
theidigten,  bald  aber  durch  Wassermangel  genöthigt  wurden,  sich  zu  ergeben. 
20  Kriegsschiffe  waren  von  Hamilkar  nicht  an's  Land  gezogen  worden;  in  diese 
stürzte  sich  eine  grosse  Masse  von  Flüchtlingen  und  fuhr  mit  ihnen  ab ;  aber 
die  schwer  beladenen  Schiffe  sanken  im  ersten  Sturme ,  und  von  der  ganzen 
grossen  Armada  kam  nur  ein  kleines  Boot  nach  Karthago  zurück ,  das  melden 
konnte,  was  in  Sicilien  geschehen  w^ar.    Die  Karthager  waren  in  Verzweiflung 
über  die  schreckliche  Niederlage  und  fürchteten  im  ersten  Augenblick,  Gelon 
möchte  mit  dem  siegreichen  Hellenenheere  nach  Afrika  übersetzen  und  ihre 
Stadt  angreifen,  ehrten  aber  nichts  destoweniger  ihren  unglücklichen  Feldherrn 
durch  Monumente,  die  sie  ihm  in  Karthago  und  den  übrigen  Städten  errichteten, 
und  durch  eine  Todtenfeier,  die  alljährlich  wiederholt  wurde. 

.  Gelon  hielt  es  für  angemessen,  seinen  gewaltigen  Sieg  massig  zu  benutzen. 
Er  wusste  sehr  wohl,  dass  durch  die  Niederlage  bei  Himera  die  karthagische 
Macht  keinesw  egs  erschöpft  war ,  und  als  nun  Gesandte  des  Feindes  bei  ihm 
ankamen,  die  dringend  um  milde  Bedingungen  baten,  zeigte  er  sich  um  so 
mehr  dazu  bereit,  da  in  Griechenland  die  Entscheidung  im  Perserkriege  noch 
nicht  gefallen  war,  und  er  die  Hoffnung  hegen  konnte,  wenn  er  schnell  mit  den 
Karthagern  Frieden  schloss,  dort  noch  eine  grosse  Rolle  zu  spielen.  Er  bean- 
spruchte nicht,  was  den  Frieden  wahrscheinlich  vereitelt  haben  würde,  die 
Aufgabe  ihrer  sicilischen  Besitzungen ;  er  legte  ihnen,  abgesehen  von  der  nicht 
sicheren  Bedingung ,  dass  sie  sich  in  Zukunft  bei  ihrem  Gottesdienst  der  Men- 


Drilles  Bach.    1.  Krieg  mit  den  KaKhagera.  GeloD. 

halleo  solllen,  nur  die  Zahlung  voa  SOOO  Talenlen  als  Ersali  fUr 
ufgewandten  Kriegskosten  und  den  Bau  zweier  Tempel  auf,  in 
densurkunden  niedei^elegt  werden  sollten ,  von  denen  also  der 
;o.  der  andere  auf  Kosten  der  Karthager  in  Syrakus  errichtet  sein 
rthager,  erfreut  Über  so  billige  Bedingungen,  nahmen  sie  schnell 
len  noch  überdies  der  Gallin  Gelon's,  der  Damarete,  die  auf  ihre 
len  besonders  befürwortet  hall«,  einen  schweren  goldenen  Kranz 
I  4  00  Talenten ;  für  dieses  Gold  kaufte  sie  oder  Gelon  Silber  lur 
MUnze,  welche  i  0  attische  Drachmen,  ein  sicilisches  Penlekonta- 
tren  —  galt  und  den  Namen  Damaroteion  führte.  Es  ist  kaum  zu 
}ss  diese  Münze ,  die  übrigens  nach  einem  andern  Berichte  ihren 
[lalte ,  dass  Damarete  beim  Ausbruch  des  Krieges  ihren  Schmuck 
HUnzen  prijgen  zu  lassen,  noch  in  manchen  Exemplaren  auf  uns 
Es  sind  die  ältesten  syrakusanischcn  Dekadrachmen ,  die  nir 
le  auf  der  einen  Seite  ein  lorbeerbekrünztes  weibliches  Haupt  mil 
nd  Halskette  in  einer  Art  von  Iting ,  umgeben  von  4  DelphioeD 
hrifl  Syrakosion ,  auf  der  andern  ein  langsam  schreitendes  Drei- 
v'agenlenker  und  über  den  Pferden  schwebender  geflügelter  Sie- 
«n  aber  einen  laufenden  Löwen  zeigen.  Wer  die  Gottheit  der 
,  ob  Köre,  ob  Arethusa,  ist  nicht  klar.  Diese  Münzen  veiralhea 
'ch  den  Styl  des  weiblichen  Kopfes  ein  höheres  Aller,  als  die 
ijsanischen  Dekadrachmen,  auf  denen  Überdies  der  Lorbeerkranz 
ide  Lfiwe  nicht  wieder  vorkommen.  Man  bat  nicht  mit  Unrecht 
ISS  der  Löwe,  der  ein  Symbol  Afrika's  sein  kann,  darauf  hin- 
iber  \telches  Volk  der  dui-ch  den  Lorbeerkranz  im  Allgemeinen 
leg  erfochten  wurde. 

cht  bei  üimera  brachte  natürlich  den  Verbündeten  unermessliche 
theille  sie  so  ein,  dass  er  Einiges  den  Tempeln  in  Ilimera  weihte, 
:n  Bundesgenossen  überliess,  das  Meiste  endlich  mit  sich  nach 
I ,  um  es  fUr  die  Verschfinerung  der  Stadt  zu  verwenden.  Auch 
a  diese  Gelegenheit,  um  wiederum  Bürger  anderer  Städte  nach 
ansiedeln  und  so  seine  Stadt  von  Neuem  zu  vergrösscm.  Von  den 
imen  sehr  viele  in  den  Besitz  der  Aki'agantiner,  sowohl  weil  viele 
n  Akragas  am  Kampfe  Theil  genommen  halten,  als  auch  weil  äne 
karthagischer  Soldaten  nach  dem  nahen  akragantinischen  Gebiete 
dort  ergriffen  worden  war.  Es  gab  akragantinische  Bürger,  die 
efangenen  zu  Sklaven  hatten.  Auch  die  StJldle  selbst  erhielten 
nschaftlichen  Beute  ihren  Antbeil  an  den  Gefangenen ,  welche  sie 
tten  gefesselt,  zu  ößenllicben  Arbeiten  verwandten.  Die  Stadt 
durdi  die  ihr  zugefallenen  einige  der  grossen  Tempel  bauen,  von 
d  sprechen  werden ;  sie  liess  sie  femer  unterirdiscbe  Abtu^- 
s  überflüssige  Wasser  aushöhlen,  welche  nach  dem  Namen  des 
i  dieser  Arbeiten  Phdaken  genannt  wurden ;  sie  liess  endlich ,  da 
rossartigen  Werke  noch  nicht  hinreichten,  um  alle  Gefangenen  zu 
dicht  neben  der  Stadt  einen  grossen  Teich  von  7  Stadien  Umtan; 
Tiefe  graben ,  der  durch  seinen  Fischreichthum  und  die  auf  ihm 


GeloD  und  die  hellenischen  Gesandten.  209 

schwimmenden  Schwäne  den  Bürgern  Nutzen  und  Vergnügen  bereitete,  später 
aber ,  wie  Diodor  mittheilt ,  vei*nachlässigt  wurde  und  austrocknete ;  sie  liess 
endlich  die  Umgegend,  welche  guten  Boden  hatte,  mit  Weinstöcken  und  Frucht- 
bäumen bepflanzen,  die  bald  reichen  Ertrag  lieferten. 

Die  Schlacht  bei  Himera  soll  nach  einer  Behauptung  an  demselben  Tage 
mit  der  bei  Salamis ,  nach  einer  andern  an  dem  der  Schlacht  bei  Thermopylae 
geliefert  worden  sein ;  es  ist  indess  nicht  zu  bezweifeln,  dass  hier  die  Sage  zwei 
an  entfernten  Orten  vorgefallene ,  aber  in  ihrer  Bedeutung  wesentlich  gleiche 
Begebenheiten,  die  ungefähr  zu  derselben  Zeit  Statt  gefunden  halten,  in  poeti- 
scher Uebertreibung  ganz  gleichzeitig  gemacht  hat.  Es  lässt  sich  mit  ziemlicher 
Sicherheit  behaupten,  dass  die  Entscheidung  in  Siciiien  etwas  früher  jBel  als  in 
Griechenland ,  und  den  Beweis  hierfür  finden  wir  in  der  von  Herodot  aufbe- 
wahrten Erzählung  von  der  Gesandtschaft  der  Griechen  an  Gelon.    So  wie  die 
Perser  und  Phönicier  die  Karthager,  so  ersuchten  die  Hellenen  des  Mutterlandes 
die  sicüisehen  Griechen  um  ihre  Hülfe.    Als  nun  die  Gesandten ,  unter  denen 
besonders  die  spartanischen  und  athenischen  hervorragten,    dem  Gelon  ihre 
Bitte  vortrugen  und  darauf  aufmerksam  machten,  dass,  wenn  erst  Griechenland 
den  Persern  unterlegen  v^äre,  diese  auch  Siciiien  leicht  unterjochen  wüi*den, 
da  antwortete  Gelon:  »Jetzt  wollt  ihr  von  mir  Hülfe  haben,  als  ich  aber,  im 
Kriege  mit  den  Karthagern  begriffen ,  euch  um  Hülfe  gebeten  und  an  den  noch 
ungerechten  Tod  des  Dorieus  erinnert  habe,  da  seid  ihr  taub  gegen  meine  Bitten 
gewesen,  und  an  euch  hat  es  nicht  gelegen ,  dass,  nicht  ganz  Siciiien  jetzt  kar- 
thagisch ist.     Doch  will  ich  mit  200  Trieren,   20,000  Hopliten,   2000  Mann 
schwerer  und  2000  leichter  Reiterei ,  2000  Bogenschützen  und  2000  Schleu- 
deren! euch  zu  Hülfe  kommen ,  wenn  mir  der  Oberbefehl  gegen  Xerxes  über- 
tragen wird.a  Hierauf  antwortete  der  lakedämonische  Gesandte  Syagros,  Sparta 
könne  dies  nicht  zugeben ;  wenn  er  sich  nicht  fremdem  Oberbefehl  unterwerfen 
wolle ,  so  möge  er  überhaupt  nicht  kommen.    Nun  stellte  Gelon  eine  geringere 
Forderung :  er  wolle  mit  dem  Oberbefehl  über  einen  Theil  der  Streitmacht  zu- 
frieden sein;   wenn  die  Lakedämonier  zu  Lande  zu  befehlen  wünschten,  so 
"svolle  er  den  Oberbefehl  zur  See,  oder  umgekehrt;  sonst  müssten  sie  seine 
Hülfe  entbehren.  Jetzt  aber  nahm  der  Athener  das  Wort :  ((Nicht  Befehlshaber, 
sondern  Heere  zu  suchen  sind  wir*  gekommen ;  wollen  die  Lakedämonier  die 
Flotte  befehligen,    so  wird  Athen  dem  nicht  entgegen  sein;    einem  anderen 
Staate  als  Sparta  aber  werden  die  Athener  nicht  weichen,  sie,  das  älteste  Volk 
Griechenlands,  das  allein  niemals  seine  Wohnsitze  gewechselt  hat.«  Da  entliess 
sie  Gelon  mit  den  Worten :  »Feldherren  scheint  ihr  zu  haben,  Krieger  aber  nicht. 
So  gehet  denn  und  saget  den  Hellenen,  dass  ihrem  Jahre  der  Frühling  fehlt.«  In 
dieser  dramatisch  lebendigen  Erzählung  ist  die  zu  Grunde  liegende  Voraus- 
setzung bemerkenswerth,  dass  der  Kampf  bei  Himera  schon  Statt  gefunden  hat, 
—  denn  einerseits  ist  für  einen  andern  früheren  Krieg  gegen  die  Karthager  in 
Gelon^s  Gesdiichte  kein  Platz,  und  sodann  konnte  nur  jener  ihn  berechtigen,  so 
den  Griechen  gegenüber  aufzutreten,  wie  er  es  that  —  und  wir  hätten  hiernach 
diese  far  Siciiien  wie  für  alle  Hellenen  so  wichtige  Schlacht  etwa  schon  in  das 
Jahr  481  Tor  Chr.  zu  setzen.    Wenn  nun  Andere,  Sicilier,  behaupteten ,  Gelon 
habe ,  ohne  weiter  den  Oberbefehl  zu  beanspruchen ,  endlich  doch  schon  die 

fiolm,  Oe«ch.  Siciliens.  I.  44 


ich.    I.  Krieg  mit  den  Kartbagern.  Gelon. 

len  oacb  GriecheDlajid  vorgehabt,  als  er  dm'cb  den 
an  verhiDderl  wurde,  so  kann  dies  um  so  weniger- 
der  bei  einzelnen  Griechen ,  wie  i,  B,  Themisloklefi, 
die  Deinomeniden  als  VerrSther  Griecheolands  gar 
aneben  schien  übrigens  wenig  glaublich  ,  dass  Gelon 
tsicht  gehabt  haben  solle,  den  Hellenen  beizustehen, 
en  vertrauten  Mann,  den  oben  erwähnten  Koer  Kad- 
Q  auf  drei  fünfzigmd erigen  Schiffen  nach  Delphi  ge- 
,  wenn  Xerxes  siegreich  aus  dem  Kriege  hervorgebe, 
ticb  die  Unterwerfung  von  Syrakus  anzubieten ,  und 
m  Siege  der  Griechen  mit  seinen  Schätzen  wieder  zu 
B  es  aber  auch  mit  der  Bereitwilligkeil  des  Gelon,  den 
,  gestanden  haben  mag — und  wir  glauben,  dassersie, 
iz,  halte  — ,  gewiss  isl,  dass  er  sich  nicht  ohne  Erfolg 
eges  bei  Himer»  über  die  Karthager  auch  in  Griechen- 
lerkennung  zu  eilangen.  Er  sandte  aadi  Delphi  eiue 
:inen  goldenen  Dreifuss ,  auf  welchen  der  Dichter  Si— 
hrieb,  in  dem  Gelon  und  seine  Brüder  zusammen  mit 
und  Plataeae  als  die  Befreier  Griechenlands  von  den 
len.  Das  Epigramm  giebt  den  Werth  des  Dreifusses 
lente,  Diodor  auf  16  Talente  an.     In  Olympia  aber 

der  Karthager,  in  dem  Pausanias  eine  grosse  Statue 

Hämische  sah. 

ion's  Stellung  in  Syrakus  und  in  ganz  Sicilien  eine 
.  konnte  er  sich  daran  erinnern,  dass  er  in  manchen 

das  Volk  seiner  Hauptstadt  verjähren  war,  und  dess 

massenhafte  Einführung  neuer  BUi^er  —  über  1 0,000 
m-ecbt  —  den  allen  manche  Aussicht  auf  Ehrenämter 
'  beschloss ,  durch  eine  geschickte  Anerkennung  der 
eine  eigene  zu  befestigen.  Er  berief  eine  Volksver— 
yrakusaner  auffordern ,  sich  bewaffnet  in  ihr  einzu- 
n  ohne  Waffen ,  ja  sogar  ohne  Hanlei ,  und  legte  in 
ifl  über  Alles,  was  er  fUr  Syrakus  gethan,  ab.  Es 
'  einiges  Hulhes  bedurft,  um  ihn  zu  tödlen ;  aber  die 
jftrat,  imponirte  ihnen;  das  Vertrauen ,  das  er  dem 
dsamkeil  und  die  Ehrfurcht,  die  man  aligemein  vor 
1  empfand,  bewirkten  einen  Ausbruch  der  BegeisUv- 
1  als  Wohlthüter ,  Retter  und  König  ausrief,  und  so 

seinen  Zweck  vollkommen  erreicht.  Zum  Andenken 
de  im  Tempel  der  Hera  eine  Bildsäule  des  unbe^v'aff- 
eiche  später  die  Syrakusaner,  als  sie  ia  einer  Zeit  der 
luflen,  allein  verschonten.  Aebniich  wie  in  Syrakus 
in  ganz  Sicilien.  Die  Stüdte  und  Tyrannen,  die  ihm 
waren,  und  das  waien  besonders  Selinus  und  Anaxilas 
■esandtc  an  ihn  und  erboten  sich ,  ihm  zu  gehorchen, 
wohl  als  Beherrscher  von  Sicilien  beli'achten ,    da  ja 


Gelon'sTod.  211 

auch  Tberon  von  Akragas,  wenngleich  unabhängig  und  eng  mit  ihm  befreundet, 
sich  seinem  Einflüsse  beugen  musste.  Wir  haben  sogar  Spuren ,  dass  Gelon 
ausser  dem  grOssten  Theile  Sicih'ens  auch  einen  Theii  von  Italien  beherrschte. 
£s  wird  erzählt ,  dass  er  bei  Hipponion  einen  Park  besass  und  in  demselben 
einen  Lustort  anlegte,  den  er  das  Hom  der  Amaltheia  nannte. 

Gelon's  Charakter  war  brav  und  tüchtig ;  er  sorgte  dafür,  dass  die  Bürger 
von  Syrakus  auf  den  Ackeii>au ,  die  Grundlage  des  Wohlstandes  und  der  Kraft 
der  Staaten ,  die  nöthige  Sorgfalt  verwandten ;  aber  die  feine  Bildung ,  welche 
die  Zeit  mit  sich  brachte ,  blieb  ihm  fremd.    Als  einmal  bei  einem  Gastmahl 
die  Anwesenden  in  Leierspiel  und  Gesang  wetteiferten ,  liess  er  sich  sein  Pferd 
bringen  und  zeigte  den  Gästen ,  wie  ein  tüchtiger  Beitersmann  mit  demselben 
umgehen  müsse.    Dass  er  ganz  im  Gegensatz  gegen  spätere  Tyrannen  von  Sy- 
rakus mehr  nach  gutem  Ruf  als  nach  Reichthum  strebte,  beweist  die  Erzählung, 
wie  er  vor  dem  Kriege  mit  den  Karthagern  viel  Geld  von  den  Bürgern  forderte, 
und  als  diese  zu  murren  begannen ,  versprach ,  dass  sie  es  nach  dem  Kriege 
wieder  erhalten  sollten,  und  nach  geschlossenem  Frieden  sein  Wort  wirklich  hielt. 
Dionys  hätte  die  Anleihe  nicht  zurückgezahlt.     Gelon  lebte  jedoch  nicht  lange 
mehr  im  Genüsse  seiner  Macht  und  seines  Ansehens.    Er  hatte  zu  Syrakus  aus 
der  karthagischen  Beute  dem  Olympischen  Zeus  einen  goldenen  Mantel  geschenkt 
—  sollte  er  den  vorhandenen  zum  Kriege  verwandt  haben?  —  er  hatte  der  De- 
meter und  der  Köre,  deren  Dienst  ja  in  seiner  Familie  erblich  war,  prächtigeTem- 
pel  in  Syrakus  errichtet,  und  er  war  damit  beschäftigt,  der  Demeter  ein  anderes 
Heiligthum  auf  dem  Aetna  zu  erbauen,  da  raffte  ihn  der  Tod  hinweg.  Er  starb, 
nachdem  er  7  Jahre  über  Syrakus  geherrscht  hatte,  478  v.  Chr.  (Ol.  75,  3)  an  der 
Wassersucht.    Seine  Bestattung. gab  noch  einmal  dem  Volke  Gelegenheit,  seine 
Anhänglichkeit  an  den  berühmten  Herrscher  zu  beweisen.  Er  hatte  sich,  gemäss 
dem  syrakusanischen  Gesetze,  jedes  prachtvolle  Leichenbegängnis»  verbeten 
und  den  Wunsch  ausgesprochen ,  auf  dem  Landgute  seiner  Frau  begraben  zu 
werden.    Seme  Anordnungen  wurden  befolgt,  aber  das  Volk  von  Syrakus  ver- 
lieh dem  Leichenzuge  einen  Glanz ,  den  das  Gesetz  weder  verbieten  noch  ge- 
währen konnte ;  es  gab  der  Leiche  das  Geleit  bis  nach  dem ,  wie  es  scheint, 
4  2  Stadien  von  Syrakus  nach  Süden  hin  entfernten  Orte  des  Begräbnisses,  der 
nach  dem  Willen  des  Volkes  durch  ein  prächtiges  Denkmal  geziert  wurde  und 
überdies  noch  durch  neun  grosse  Thürme  von  massiver  Bauart  ausgezeichnet 
war,  nach  welchen  man  ihn  auch  zu  benennen  pflegte.  Das  Denkmal  zerstörten 
später  die  Karthager  auf  einem  ihrer  Züge  gegen  Syrakus,  und  die  neun  Thürme 
liess  Agathokles  aus  Neid  gegen  Gelon's  Ruhm  niederreissen,  aber  das  Andenken 
an  den  tapferen  und  freundlichen  Herrscher  blieb  lange  im  syrakusanischen 
Volke  lebendig,  welches  ihn  wie  emen  Heros,  wie  den  zweiten  Gründer  der 
Stadt  verehrte.    So  ist  es  denn  auch  natürlich ,  dass  man  später  wunderbare 
Geschichten  von  ihm  erzählte,  wie  z.  B.  dass,  als  er  als  Knabe  in  der  Schule 
gesessen,  ein  plötzlich  hereinspringender  Wolf  ihm  seine  Schreibtafel  entrissen 
habe;  er  sei  ihm  nachgelaufen  und  habe  kaum  die  Schule  verlassen,  da  sei 
das  Gebäude  zusammengestürzt  und  habe  den  Lehrer  und  über  hundert  Kinder 
erschlagen.    Der  Wolf  ist  aber  das  heilige  Thier  Apollon's ,  der  so  seinen ,  des 
triopischen  Gottes  Priester,  und  den  künftigen  Befreier  Siciliens  rettet.  Auch  zu 


Dritles  Buch.    II.  Hieron. 

le  er  in  BeziehuDg  gesetzt.  Bei  einer  Hungra^noth  im  Jahre 
aus  Rom  P.  Valerius  und  L.  Geganius  nach  s!™'!""  =»i<:nn„ 
lufen,  soll  er  den  Rdmern  25,000  Scheffel 
ere  25,000  zum  Gescbeske  gemacht  und 
iterjochte,  eine  grosse  Wobltbat  erwiesen  h. 
der  erste  gewaltige  Zusamensloss  Ewischei 
isten  der  ersteren  ausgefallen.  Der  Angriff 
r  die  Macht  derselben,  die  Nichts  von  ihret 
ermindert,  und  wenn  sie  auch  über  sieb* 
lor  sie  einen  zweiten  Sturm  auf  die  siciiiscl 
waren  doch  erst  wenige  Jahre  verflossen , 
en  Ode  sang : 

UOg«  der  Poeolscbeo  Speere  granser  Stnmi, 
Der  ergrimmt  auf  Leben  und  Tod  sieb  beranwälzt 
Weit  sich  hinaus  in  die  Ferne  zieben ! 


Zweites  Kapitel. 
Hieron. 

den  Kartbageni  befreit,  durch  Beute  bereu 
iml  geworden  und  von  einsichtsvollen  Mannt 
Ikes  auf  glänzende  Weise  zu  verwenden 
ihlacht  bei  Himera  aus  der  Periode  der  i 
:  der  vollendeten  Entwickelung  hintlber.  j 
ollte  die  Insel  sich  des  GlUckes  erfreuen,  vi 
igelegenheiten  selbst  ordnen  zu  können.  £ 
'it  ungestArlen  Friedens ;  tlber  die  Verfassui 
zu  einander,  .itber  ihr  Verbflltniss  zu  den  1 
'treiligkeiten  und  Kriegen,  aber  diese  Kri^ 
irk  der  siciliscben  Gemeinwesen  an,  sie  not 
npfen  um  ihre  Existenz  und  Hessen  den 
I  so  viel  Müsse ,  dass  sie  sich  in  Kunst  unc 
ten  Gattungen  der  Literatur  hervorlhun  konn 
hes  Leben  so  angenehm  und  glänzend  gesti 
^Ziehung  so  erfinderischen  Gnechenvolke 
Anfang  macht  hierin  die  sonst  nicht  tlbera 
ers  Gelon's,  des  KSnigs  Hieron  von  Syral 
wie  man  glauben  mochte,  mit  seinem  Brud 
ela's  gelassen  hatte,  nicht  immer  im  best« 
tte  gewünscht ,  dass  der  noch  unerwachsi 
lie  Herrschaft  über  Syrakus  tlberuehme,  un 
T  Hieron  und  den  jüngeren  Bruder  Polyzi 


HieroD.  Polyzelos.  213 

diesem  der  Oberbefehl  über  die  Truppen  und  die  Aufsicht  über  die  Erziehung 
des  jungen  Fürsten,  dessen  Vormünder,  wenn  Polyzelos  stürbe,  Gelon's  Schwä- 
ger Chromios  und  Aristonoos  werden  soUten ,  jenem  dagegen  die  Leitung  der 
Staatsangelegenheiten  zufiel.  Polyzelos  sollte  überdies  seine  Wiltwe  Damarete 
heirathen.  Diese  Anordnungen  erinnern  an  die  letztwilligen  Verfügungen  Lud- 
wig^ XIV.,  der  dem  nächstberechtigten  Prinzen,  dem  üerzc^  von  Orleans,  zwar 
den  Vorsitz  in  dem  Regentschaftsrath ,  seinem  Lieblinge,  dem  Herzoge  von 
Maine ,  dagegen  die  Leitung  der  Erziehung  des*  Dauphin's  und  das  Commando 
der  Garde  übertrug ;  und  in  beiden  Fällen  hat  sich  gezeigt,  dass  die  Macht  der 
unumschränkten  Herrscher  nicht  immer  über  ihre  Lebenszeit  hinausreicht. 
Wede^  Ludwig  XIV.,  noch  Gelon  haben  hindern  können,  dass  die  Personen, 
welche  sie  beschränken  wollten,  die  Schranken  gewaltsam  hinwegräumten. 
Kurze  Zeit  hindurch  wurden  Gelon's  Anordnungen  befolgt;  bald  aber  ward 
Polyzelos  dem  Hieron  lästig,  der  zunächst,  der  steigenden  Volksbeliebtheit  des 
jüngeren  Bruders  gegenüber,  in  fremden  Söldnerschaaren  seine  Stütze  suchte 
und  dann  auf  Mittel  sann ,  den  unbequemen  Theilhaber  der  Gewalt  ganz  aus 
dem  Wege  zu  räumen.  Die  Berichte ,  w  eiche  wir  bei  den  Alten  über  die  zu 
diesem  Zwecke  angewandten  Mittel  finden,  und  die  im  Einzelnen  auseinander- 
gehen, stimmen  doch  darin  überein,  dass  er  den  Polyzelos  zu  gefährlichen 
kriegerischen  Unternehmungen  aussandte ,  ohne  ihm  die  zu  ihrer  glücklichen 
Durchführung  nöthige  Truppenzahl  mitzugeben,  in  der  Erwartung ,  dass  Poly- 
zelos nicht  wieder  heimkehren  würde.  Nach  Einigen  wäre  das  Unternehmen 
eine  Unterstützung  der  Sybariten ,  deren  Stadt  die  Krotoniaten  belagert  hätten, 
nach  Anderen  ein  Krieg  gegen  sikelische  Ortschaften  gewesen.  Und  ebenso 
wenig  ist  Uebereinstimmung  in  Betreff  der  Art  und  Weise  vorhanden  ,  wie  der 
Bedrohte  sich  aus  der  Sache  zog.  Bald  heisst  es,  dass  er  das  ihm  aufgetragene 
Unternehmen  glücklich  durchführte  und  dadurch  den  Hass  Hieron's  noch  mehr 
reizte,  nach  Anderen  dagegen  hätte  er  es  gar  nicht  einmal  versucht.  Es  muss 
also  dahingestellt  bleiben,  was  von  Polyzelos  verlangt  wurde,  und  was  er  Ihat; 
gewiss  ist  aber,  dass  er,  um  den  Nachstellungen  seines  Bruders  zu  entgehen, 
sich  endlich  genöthigt  sah,  Syrakus  zu  meiden.  Er  floh  nach  Akragas  zu  seinem 
Schwiegervater  Theron ,  *der  ihn  aufnahm  und  sich  hierdurch  mit  Hieron  auf 
das  Entschiedenste  verfeindete.  Die  beiden  mächtigsten  Herrscher  Siciliens 
rüsteten  sich,  ihren  Streit  mit  den  Waffen  in  der  Hand  auszufechten.  Während 
aber  Theron  dem  Polyzelos  helfen  wollte,  sah  er  sich  selbst  von  verschiedenen 
Seiten  bedroht.  Zunächst  regte  es  sich  in  der  wichtigsten  Stadt,  die  ihm  ausser 
Akragas  gehorchte«.  Er  hatte  seinem  Sohn  Tfarasydaios  die  Regierung  von  Hi- 
mera  übertragen ,  und  der  Jüngling  bedrückte  die  Bürger  aufs  äussersle.  Da 
sie  es  für  nutzlos  hielten,  sich  bei  Theron  zu  beschweren,  so  wandten  sie  sich, 
die  Spannung  zwischen  Akragas  und  Syrakus  benutzend ,  heimlich  an  Hieron 
und  boten  ihm,  wenn  er  sie  von  ihrem  Tyrannen  befreien  wollte,  als  Preis  ihre 
Stadt  und  ihre  Hülfe  gegen  Theron  an ,  der  überdies  auch  in  seiner  eigenen 
Familie  Feinde  fand,  da  seine  Vettern  Hippokrates  undKapys,  Söhne  des  Xeno- 
dikos,  sich  gegen  ihn  empörten.  So  hätte  es  Hieron ,  wenn  er  den  Conflikt  mit 
dem  Herrscher  von  Akragas  auf  die  Spitze  treiben  wollte ,  nicht  an  Bundesge- 
nossen gefehlt;  es  scheint  aber,  dass  er  die  von  Gelon  mühsam  erworbene  Macht 


^14  Drittes  Buch.    II.  Hieron. 

nicht  als  Preis  eines  einzigen  Kampfes  aufs  Spiel  setzen  wollte,  sowie  anderer- 
seits Theron  es  doch  bedenklich  gefunden  haben  mag,  für  die  dem  Polyzelos 
nach  dem  Testamente  Gelenks  zukommenden  Rechte  das  Aeusserste  zu  wagen. 
Genug,  als  die  Heere  von  Akragas  und  Syrakus  sich  schon  am  Gelaflusse  gegen- 
überstanden ,  nahmen,  die  Fürsten  die  Vermittlung  des  beiden  befreundeten 
Dichters  Simonides  an ,  und  es  ward  ein  Friede  geschlossen ,  durch  weldien 
Polyzelos  einfach  die  Erlaubniss  erhielt,  nach  Syrakus  zurückzukehren,  sicher 
mit  allen  äusseren  Ehren,  wahrscheinlich  aber  unter  Verzicht  auf  einen  grosse- 
ren politischen  Einfluss.  Das  Opfer  der  Versöhnung  der  Fürsten  wurden  zu- 
meist die  Unschuldigsten,  die  Himeräer,  welche  Hieron  dem  Zorne  des  Gebieters 
von  Akragas  Preis  gab.  In  Himera  wurden  Alle,  die  an  der  Verschwörung  Theil 
genommen  hatten,  getödtet,  und  da  die  Bevölkerung  der  Stadt  auf  diese  Weise 
bedeutend  zusammenschmolz,  so  nahm  Theron  viele  Fremde,  nichtblos  dori- 
scher Herkunft,  in  Himera  als  Bürger  auf.  Natürlich  wurden  nun  auch  Hippo- 
krates  und  Rapys  genötbigt,  sich  Theron  zu  unterwerfen,  obwohl  uns  mit  Be- 
stimmtheit nur  überliefert  ist ,  dass  sie,  am  Himera  geschlagen,  nach  Ramikos 
flüchteten. 

Wenn  so  durch  den  Fiieden  Theron  seine  bedrohte  Stellung  neu  befestigt 
sah ,  konnte  Hieron ,  der  in  demselben ,  ohne  dazu  gezwungen  zu  sein ,  mehr 
gab  als  empfing ,  in  ihm  die  Anerkennung  des  Prinzipats  über  Sicilien  finden, 
das  er  beanspruchte.  Dem  glanzliebenden  Fürsten  genügten  jetzt  die  gewöhn- 
lichen, seinem  Range  zukommenden  Ehrenbezeugungen  nicht  mehr,  und  ihn 
fing  an,  nach  dem  Titel  zu  gelüsten,  den  sich  Gelon  bei  den  Syrakusanem  er- 
rungen hatte,  dem  eines  Heros  und  Stödtegründers.  Er  erwarb  sich  ihn  durch  ein 
nicht  zu  billigendes  Fortschreiten  auf  einer  schon  von  seinem  Vorgänger  be- 
tretenen, bedenklichen  Bahn.  Nachdem  er  die  Bewohner  vonNaxos  und  Katana 
aus  ihren  Wohnungen  vertrieben  und  nach  Leontini  verpflanzt  hatte,  das  seine 
früheren  Einwohner  behielt  und  so  bedeutend  volkreicher  wurde  als  zuvor,  be- 
setzte er  Katana,  dessen  Lage  und  fruchtbare  Umgegend  ihm  besonders  gefielen, 
mit  mehr  als  10,000  neuen  Büi^em,  die  er  theiis  aus  Syrakus  dahin  überzu- 
siedeln nöthigte,  theiis  aus  dem  Peloponnes  herbeizog  (Ol.  76, 4 ;  476  v.  Chr.). 
Katana  vertauschte  nun  seinen  Namen  mit  Aetna.  Den  Bürgern  von  Aetna  ward 
aber  nicht  blos  das  bis  dahin  den  Katanäem  gehörige  Landgebiet  zugetheilt,  sie 
erhielten  noch  vieles  von  dem  umliegenden  Lande,  worunter  manches,  das 
sikelisches  Eigenthum  war.  Feierlich  ward  verkündet ,  dass  die  Aetnäer  nach 
dorischen  Satzungen  leben  sollten;  Deinomenes,  Hieron's  Sohn,  erhielt  von 
seinem  Vater,  zusammen  mit  Chromios,  die  Verwaltung  der  Stadt,  und  Hieron 
selbst  sowie  Chromios  nannten  sich  fortan  gern  Aetnäer.  Wir  werden  bald 
hören,  wie  Pindar  den  Gründer  Aetna's  feiert,  und  wie  Aischylos  Hieron's  Unter- 
nehmen verherrlicht  hat.  Aber  aller  Preis  aus  Dichtermunde  kann  die  Geschichte 
nicht  verhindern  zu  urtheilen ,  dass  Hieron ,  der  allerdings  durch  die  Einwan- 
' derer  aus  dem  Peloponnes  das  dorische  Element  Siciliens  kräftigte,  im  Ganzen 
^urch  seine  willkürlichen  Verpflanzungen  der  Bürger  so  vieler  Sädte  nutzlose 
Verwirrung  über  die  Insel  gebracht  hat.  Sein  Werk  hat  keinen  Bestand  gehabt. 
'-  Uieron's  Einfluss  machte  sich  auch  über  die  Grenzen  Siciliens  hinaus 
**  ^''bar.  Anaxilas  von Rhegion  griff  seineNachbam,  die  epizephyrischen  Lokrer, 


.   HieroD  Lokri  reitend.  Steg  über  die  Etrusker  bei  Eyme.  215 

V 

an  and  schien  nahe  daran,  sie  zu  überwältigen.  Als  al>er  die  Bedrängten  sich 
an  Hieron  wandten  und  der  Beherrscher  von  Svrakus  Chroniios  als  Gesandten 
zu  Anaxilas  Schickte  mit  der  Drohung ,  er  werde  selbst  den  Lokrem  zu  Hülfe 
eilen,  wenii  Anaxilas  nicht  vom  Kriege  abstände,  da  gab  der  Tyrann^von  Bbe- 
gion  sein  Unternehmen  auf  (Ol.  75,  4  —  477  v.  Chr.)  Deshalb  mochten  wohl, 
wie  Pindar  in  der  zweiten  Pythischen  Ode  rühmt,  den  Schnödes  Deinomenes 

SiDgen,  in  Chöre  geschaart, 

Vor  dem  Hause  die  Lokrischen  Jungfraa*n,  die  von  des  Kriegs  schwerer  Noth  darch  sein 

Mächtiges  Wort  erlöst,  amherschauen  frei. 

Bald  darauf  starb  Anaxilas  (Ol.  76,  <  —  476  vor  Chr.)  nach  achtzehnjähriger 
Regierung.  Er  hinterliess  unmündige  Söhne  —  Kleophron,  der  früher  mit  dem 
Vater  die  Herrschaft  theilte,  muss  vor  ihm  geslorben  sein  — ,  für  welche  ein 
Vertrauter  des  Tyrannen ,.  der  Freigelassene  Mikythos ,  des  Choiros  Sohn ,  die 
Regierung  rechtschaffen  und  milde  fühlte. 

Aber  noch  weiter  nördlich  reichte  Hieron's  Macht.  Die  Tyrrhener,  die  alten 
Feinde  der  Griechen,  die,  wenn  auch  durch  Anaxilas  von  der  Fahrt  durch  den 
Sund  von  Messana  ausgeschlossen ,  doch  noch  immer  das  nach  ihnen  benannte 
Meer  beherrschten ,  bedrängten  mehr  upd  mehr  die  Hellenenstadt  K^yme.  Die 
Kymaer,  welche  um  524  vor  Chr.  einen  grossen  Angriff  der  Barbaren,  wenn- 
gleich mit  Mühe,  zurückgeschlagen  hatten,  empfanden  jetzt  das  Bedürfniss 
fremder  Hülfe  und  wandten  sich  an  Hieron ,  den  mächtigsten  unter  den  west- 
lichen Griechen.  Er  sandte  ihnen  eine  Anzahl  Trieren,  die,  mit  den  Kymöischen 
vereint,  die  Flotte  der  Tyrrhener  schlugen  und  Kyme  von  der  Furcht,  über- 
wältigt zu  werden,  befreiten  (Ol.  76,  3  —  474  vor  Chr.).  Pindar  singt  in  der 
ersten  Pythischen  Ode : 

Wie  vor  Kyme 

Durch  Syrakusens  Beherrscher  ihre  Macht  in  Trümmer  sank, 

Ais  er  die  tapfere  Jugend  aus  den  schnellen  Schiffen  hinab  in  das  Meer 

Stürzte»  Hellas  aus  der  Knechtschaft  Joch  erlösend. 

Es  scheint,  dass  dieser  Sieg  der  Griechen  eine  Schwächung  der  Etruski- 
schen  Macht  im  Aligemeinen  zur  Folge  hatte.  Bald  darauf  haben  die  Vejenter 
einen  Waffenstillstand  auf  40  Jahre  unter  ungünstigen  Bedingungen  mit  den 
Römern  geschlossen,  und  es  ist  nicht  mit  Unrecht  vermuthet  worden,  dass  das 
Sinken  von  Tarquinii  und  das  Aufblühen  des  benachbarten ,  in  neuerer  Zeit 
durch  seine  an  Vasen  reichen  Grabmäler  so  berühmt  gewordenen  Vulci  mit  der 
Schlacht  bei  Kyme  zusammenhängt.  Zum  Dank  für  seinen  Sieg  schickte  Hieron 
Weihgeschenke  aus  der  tyrrhenischen  Beute  nach  Olympia ,  und  man  hat  im 
Sande  des  Alpheios  einen  jetzt  im  Britischen  Museum  befindlichen  ehernen 
Helm  gefunden,  welcher  die  Inschrift  trägt :  Hieron ,  der  Sohn  des  Deinomenes 
und  die  Öyrakusaner  dem  Zeus,  Tyrrhenische  Beute  von  Kyme. 

Hieron  dachte  daran ,  sich  den  bei  den  Etruskern  und  den  chalkidischen 
Griechen  Italiens  durch  die  Schlacht  bei  Kyme  erlangten  Einfluss  auf  die  Dauer 
zu  sichern ,  und  schickte  zu  diesem  Zwecke  Kolonisten  nach  derselben  Insel, 
auf  der  anfangs  die  Stadt  Kyme  gelegen  hatte,  nach  Pithekusai  oder  Ischia.  Sie 
bauten  dort  ein  Kastell,  verliessen  alJer  später  die  Insel  wieder,  erschreckt  durch 
die  häufigen  Erdbeben  und  die  vulkanischen  Eruptionen,  welche  sie  verwüsteten. 


•■^^ 


"  '•        •   f 


216  Drittes  Buch.    H.  Hieron. 

So  sehen  wir  Hieron  aurdie  inannichfaltigsle  Weise  bemüht,  die  hohe  Stel- 
lung, welche  er  als  Nachfolger  Gelon's  einnahm,  mehr  und  mehr  zu  befestigen. 
Danehen  hatte  er  aber  noch  andere  Bestrebungen ,  denen  Gelon  stets  fremd 
geblieben  war.  Dieser,  ein  tapferer  Krieger  und  thatiger  Staatsmann,  hatte  nie 
etwas  Anderes  sein  wollen,  als  eben  das;  wenn  er  seine  Heere  zum  Siege 
führte ,  seine  Städte  gut  regierte  und  seinen  Bürgern  überdies  Lehren  in  der 
zweckmässigen  Bebauung  ihrer  Grundstücke  geben  konnte,  wenn  die  Syraku- 
saner  ihn  dafür  achteten  und  liebten,  so  war  sein  Ehrgeiz  vollkommen  befriedigt. 
Anders  Hieron,  der  eine  schon  gegründete  Herrschaft  übernahm.  Er  war  nicht 
so  sehr  wie  sein  Bruder  auf  unablässige  Arbeit  in  Krieg  und  Frieden  hingewie- 
sen, und  so  kam  er  von  selbst  dazu,  dem  Beispiele  berühmter  Herrscher,  wie 
des  Polykrates  und  der  Pisistratiden  zu  folgen  und  neben  dem  Nützlichen  auch 
das  Angenehme  und  Schöne  zu  schätzen.  Es  gereicht  ihm  zur  Ehre,  dass  es 
das  Schöne  mehr  als  das  bloss  Angenehme  war,  das  ihn  anzog.  Während  Gelon 
sich  nie  mit  Literatur  und  Kunst  beschäftigt  hatte,  sah  Hieron  die  Genüsse  und 
Vortheile,  welche  der  Verkehr  mit.Dichtern  und  Weisen  einem  Herrscher  bringen 
kann,  wohl  ein,  und  er  wandte  sich  unter  der  Anleitung  hei'vorragender  Frem- 
der der  Poesie  und  den  Wissenschaften  zu.  Er  schuf  sich  einen  Hof  aus  Män- 
nern ,  welche  durch  ihre  Bildung  geeignet  waren ,  sein  Leben  anmuthig  zu 
gestalten  und  seinen  Namen  in  ehrenvoller  Weise  auf  die  Nachwelt  zu  bringen. 
So  ist  denn  Hieron  durch  den  Kreis  von  Dichtem,  der  sich  um  ihn  schloss,  be- 
rühmt geworden ;  er  hat  aber  gerade  hierdurch  das  Loos  gehabt ,  dass  neben 
seinen  Vorzügen  auch  seine  Fehler  bekannter  geworden  sind ,  als  sonst  viel- 
leicht der  Fall  gewesen  wäre. 

Diese  Fehler  waren  die  nur  zu  vieler  Gewaltherrscher,  namentlich  solcher^ 
die  nicht,  wie  Gelon,  durch  imponirende  Bettungsthaten  sich  einer  unbedingten 
Hingebung  des  Volkes  erfreuen  und  sich  deshalb  durch  ein  künstliches  System 
von  Sicherheitsmassrcgeln  gegen  offene  oder  versteckte  Angriffe  schützen  zu 
müssen  glauben.  Die  Besorgniss  vor  Nachstellungen  verliess  ihn  nie.  Deshalb 
begünstigte  er  die  heimliche  Angeberei  und  hatte  eine  Bande  von  Spionen, 
Männern  und  Frauen ,  die  sogenannten  Otakusten  und  Potagogides  in  seinem 
Solde.  Wer  aber  bei  ihm  in  Verdacht  gerieth ,  dessen  Leben  war  in  Gefahr. 
Hierbei  muss  übrigens  berücksichtigt  werden,  dass  ihn  ein  unheilbares  Leiden, 
der  Stein,  quälte,  wodurch  er  nicht  selten  reizbarer  und  ungerechter  werden 
mochte,  als  er  ursprünglich  war.  Zu  einem  Manne,  bei  dem  das  Gute  nicht  das 
Böse  weit  überwog,  hätten  die  edelsten  Dichter  Griechenlands  nicht  in  so 
freundschaftlichen  Beziehungen  gestanden,  wie  wir  sie  zu  Hieron  finden. 
Hieron  war  vielleicht  noch  ebenso  viel  besser ,  als  der  feine  und  rücksichtslose 
Politiker,  welcher  der  erste  Kaiser  der  Bömer  wurde,  wie  die  Männer,  die  sich 
an  seinem  Hofe  aufhielten ,  die  Dichter  der  Augusteischen  Zeit  an  Bedeutung 
Übertrafen. 

Denn  es  waren  die  grössten  Dichter,  welche  die  Hellenen  damals  besassen, 
die  dem  reichen ,  glücklichen  Heerde  Hieron's  nahten  und  sich  mit  ihm  scher- 
zend beim  traulichen  Mahle  ergingen,  —  die  grössten  der  damaligen  Zeit,  und 
gross  für  alle  Zeiten.  Keiner  von  ihnen  wat  in  SiciUen  geboren,  aber  allen  war 
die  Insel  durch  einen  längeren  Aufenthalt  werth .  und  einem  vnirde  sie  eine 


Simonides.  217 

zweite  Heimat;  zwei  andere  haben  ihre  letzten  Lebenstage  auf  ihr  zugebracht. 
So  beschränkte  sich  denn  auch  der  Aufenthalt  dieser  Meisler  keineswegs  auf 
Syrakus  und  den  üof  Hieron 's ;  Theron  und  Akr.igas  waren  mehreren  unter 
ihnen  nicht  weniger  theuer,  und  auch  andere  Städte  der  Insel  haben  Theil  ge- 
nommen an  dem  Glänze,  welchen  sie  über  ganz  Sicilien  verbreiieten. 

Der  Dichterkreis  umfasste  Vertreter  der  beiden  Hauptgattungen  der  Poesie, 
welche  damals  gepflegt  wurden ,  der  lyrischen  und  der  dramatischen.  Unter 
den  Lyrikern  der  Zeit  stand  keiner  in  höherem  Ansehen  bei  allen  Griechen,  als 
Simonides  ausKeos,  geboren  Ol.  55,  3  —  üäSv.  Chr.,  gestorben,  fast  00  Jahre 
alt,  Ol.  78,  l  —  468  vor  Chr.  Noch  jung ,  irnt  er  *n  den  Kreis  der  Dichter, 
welche  Uipparchos  in  Athen  versammelte,  und  ward  niil  den  vornehmen  thes- 
saliscben  Familien  der  Skopaden  und  Alcuaden  bekannt,  denen  er  Gedichte 
widmete.  Den  glönzendsten  Aufschwung  aber  nahm  seine  Muse  durch  die 
Perserkriege,  dei-en  Heldenthaleu  der  in  höherem  Alter  siehende  Mann  auf  eine 
alle  Griechen  befriedigende  Weise  verherrlichte.  Er  hielt  sich  eine  Zeit  lang  in 
Athen  auf,  das  durch  seine  tapfere  Bekämpfung  der  fremden  Eroberer  in  neuem 
Ruhm  glänzte,  und  errang  hier,  80  Jahre  alt,  als  Führer  des  kyklischen  Chores 
einen  Sieg  über  seine  Mitbewerber.  Dann  ging  er  nach  Sicilien,  das  seinen 
Himerüiscben  Sieg  den  Tagen  von  Salamis  und  Plataeae  an  die  Seite  stellen 
durfte.  Dass  er  hier  Theron's  Gunst  nicht  weniger  als  die  Hieron's  erlangte, 
zeigt  der  Antheil,  den  er  bald  nach  seiner  Ankunft  an  der  Beilegung  der  zwi- 
schen ihnen  ausgebrochenen  Streiti^eiten  (Ol,  76,  I  —  476  vor  Chr.)  nahm. 
Doch  scheint  sein  Aufenthaltsort  vorzugsweise  Syrakus  gewesen  zu  sein,  zumal 
seit  Theron  geslorben  war.  Es  war  natürlich,  dass  Hieron  einen  Mann  schätzte,' 
der,  wie  Simonides ,  mit  der  unbedingten  Herrschaft  über  die  schwierigsten 
Gattungen  der  lyrischen  Poesie  die  feineu  Hanteren  des  Weltmannes  verband. 
SiiDonides  hatte  seine  Fehler ;  der  grösste  war ,  dass  er  den  Werth  des  Reich- 
ihums  KU  gut  kannte  und  diese  Kenntniss  nicht  verbarg.  Man  warf  ihm,  ohne 
darum  seine  Rechtschaßenheit  in  Zweifel  ziehen  zu  wollen,  vor,  dass  durch 
ihn  zuerst  die  Muse  der  Dichtkunst  käuflich  geworden  sei,  das  heisst,  dass  er 
der  erste  war,  der  den  Lohn  für  ein  bestelltes  Gedicht  nicht  dem  Ermessen  des 
Bestellers  Uberliess,  sondern  einen  bestimmten  Preis  für  solche  Arbeiten  for- 
derte. Wenn  man  der  Ueberlieferung  glauben  darf,  war  sein  Witz  nicht  in 
Verlegenheil,  den  Grossen,  die  Gedichte  wünschten^  den  neuen  Standpunkt, 
welchen  er  in  dieser  Beziehung  einnahm ,  deutlich  zu  machen.  Als  Anaxilas 
von  ßhegion  mit  Haultbieren  in  Olympia  gesiegt  hatte,  begehrte  er  von  Simoni- 
des ein  Epinikion.  Da  dem  Dichter  nun  der  in  Aussicht  gestellte  Lohn  zu  ge- 
ring schien,  eröffnete  er  dem  Herrscher,  er  finde  es  unter  seiner  Würde,  Haul- 
(hiere  zu  besingen.  Anaxilas  verstand  den  Grund  der  Weigerung  und  erhöhte 
den  gebotenen  Preis,  neugierig,  als  Simonides  nunmehr  den  Auftrag  annahm, 
wie  er  es  anfangen  würde,  gegen  den  von  ihm  aufgestellten  Grundsatz  nicht  zu 
Verstössen.  Der  kluge  Dichter  hatte  sein  Lied  auf  d^e  Haulthiere  so  begonnen : 
Seid  mir  gegrüsst,  windschneller  Roxse  Tächter! 
Simonides  wussle  seine  Liebe  zum  Golde  geistreich  zu  entschuldigen.  So 
sagte  er,  der  Lohn,  den  er  für  seine  Gedichte  empfange,  fulie  zwei  Kisten,  die 
eine  mit  Dank ,  die  andere  mit  Geld.    Wenn  er  aber  in  Nolh  sei  und  aus  den 


ry»-5ri-.'  «^. 


218  Drittes  Bach.    II.  Hieron. 

Kisten  schöpfen  wolle ,  so  sei  die  erste  stets  leer  und  nur  die  zweite  nütze  ibm 
wirklich.  Als  Hieron^s  Gattin  ihn  einmal  fragte ,  ob  es  besser  sei ,  sich  Reich- 
thum  zu  erwerben  oder  Weisheit ,  da  antwortete  Simonides :  »Es  wird  wohl 
besser  sein,  reich  zu  werden,  als  weise,  denn  ich  sehe  alle  Tage  Weise  an  die 
Thtlren  der  Reichen  kommen. cc  Man  fühlt  die  Ironie,  welche  in  dieser  Antwort 
liegt.  Es  scheint  sicher,  dass  Xenophanes  ihn  einen  Filz  und  Knauser  nannte. 
Sollen  wir  aber  glauben,  dass  er,  wie  erzählt  wird,  einen  Theil  von  dem,  was 
Hieron  ihm  täglich  zu  seinem  Unterhalt  schickte,  verkaufte  und  zur  Erklärung 
dieses  Benehmens  sagte,  er  thue  es,  um  des  Kdnigs  Grossmuth  und  seine  eigene 
Massigkeit  zu  zeigen?  äs  wird  ihm  gegangen  sein,  wie  allen  bedeutenden 
Männern,  deren  Fehler  die  Klatschsucht  übertreibt.  In  einem  besseren  Lichte 
zeigt  uns  Simonides  eine  andere  Erzählung.  Einst  fragte  ihn  Hieron  nach  dem 
Wesen  Gottes.  Simonides  bat  sich  zur  Beantwortung  einer  so  schwierigen  Frag6 
einen  Tag  Bedenkzeit  aus.  Am  nächsten  Tage,  als  der  Fürst  seine  Frage  wie- 
derholte, bat  er  um  zwei  Tage  Aufschub,  und  als  diese  verflossen  waren,  um 
eine  neue  Frist  von  vier  Tagen.  Endlich  wünschte  Hieron  den  Grund  dieser 
fortwährenden  Verzögerung  zu  wissen,  und  Simonides  erwiederfe :  »Je  mehr  ich 
über  die  Natur  Gottes  nachdenke,  desto  unbegreiflicher  wird  sie  mir.a  Simoni— 
des  verstand  mit  den  Grossen  umzugehen  und  sie  durch  seine  Unterhaltung 
zu  gleicher  Zeit  zu  ergötzen  und  zu  beiehren.  Man  erzählte  im  Aiterthum  man- 
cherlei von  den  Gesprächen,  die  er  mit  Hieron  geführt,  und  es  war  daher  nicht 
unpassend,  dass  Xenophon  einen  Dialog,  in  welchem  es  sich  um  die  Licht-  und 
Schattenseiten  der  Tyrannis  handelt ,  dem  Hieron  und  dem  Simonides  in  den 
Mund  legte.  Wenn  hier  der  Dichter  den  Fürsten,  welchem  die  Tyrannis  schon 
eine  Last  werden  will ,  belehrt,  auf  welche  Weise  er  sie  zu  seinem  und  seiner 
Unterthanen  Wohl  gebrauchen  könne,  so  mag  das  wohl  aus  dem  Sinne  des 
Simonides  gesprochen  sein,  der,  weit  entfernt  von  einer  unpraktischen  Vorliebe 
für  republikanische  Formen  gegen  die  guten  Seiten  einer  Tyrannenherrschaft 
keineswegs  unempfindlich  war. 

Seine  Werke  waren  von  mannichfaltigem  Charakter.  Er  hat  Hymnen,  Di- 
thyramben ,  Klagelieder  verfasst ,  welche  letztere  ihm  besonders  g;ut  gelangen, 
so  dass  Horaz  die  Keische  Nänie  preist,  ferner  Epinikien,  wie  wir  sie  bei  Pindar 
noch  besonders  kennen  lernen  werden,  endlich  Epigramme,  in  denen  er  durch 
Kürze  des  Ausdrucks  und  wahren  Tiefsinn  das  Trefflichste  geleistet  und  ins- 
besondere die  nationalen  Grossthaten  der  Hellenen  aufs  würdigste  verewigt 
hat.  Leider  ist  von  seinen  Gedichten  fast  Nichts  erhalten.  Von  dem  Vielen,  das 
sich  darin  auf  Sicilien  bezog,  haben  wir  fast  nur  das  oben  erwähnte  Epigramm 
auf  dem  von  den  Deinomeniden  dem  delphischen  Gotte  gewidmeten  goldenen 
Dreifuss ,  denn  seine  witzige  Benutzung  eines  Homerischen  Verses  an  Hieron's 
Tafel  kann  doch  hier  kaum  mitgezählt  werden. 

Simonides  konnte  sich  noch  im  hohen  Greisenalter  einer  Gedächtnisskraft 
rühmen,  wie  Wenige  sie  besassen,  und  die  er  so  systematisch  geübt  hatte,  dass 
er  als  Erfinder  der  Mnemonik  galt.  Er  verlebte  seine  letzten  Tage  in  Sicilien, 
und  als  er  ein  Jahr  vor  Hieron  starb,  ward  ihm  ein  prächtiges  Grabmal  errichtet. 
Es  heisst ,  dass  dies  später  zerstört  und  ein  Thurm  daraus  gebaut  worden  ist, 


Bakcbylides.  Pindaros.  219 

dessen  Einnahme  durch  Feinde  dann ,  als  Strafe  der  Götter  fttr  die  Schändung 
des  Grabes,  den  Fall  der  Stadt  nach  sich  gezogen  haben  soll. 

Mit  Simonides  hielt  sich  sein  Neffe  Bakchylides  aus  Keos  an  Hieron^s 
Hofe  auf.  In  seinen  Dichtungen  ahmte  er  seinem  bertlhmten  Oheim  nach,  des- 
sen Weltklugheit  er  sich  auch  in  der  Gestaltung  seines  Lebens  zum  Muster 
genommen  zu  haben  scheint.  Wenn  wir  den  Auslegungen,  die  das  Alterthum 
einigen  Steilen  noch  erhaltener  Pindarischer  Oden  gab,  Glouben  schenken  dür- 
fen, trat  Bakchylides  aus  Neid  über  Pindar's  grösseren  Ruhm  diesem  bei  Hieron 
feindlich  gegenüber,  in  dessen  Gunst  er  selbst  durch  übertriebene  Schmeichelei 
zu  gelangen  suchte.  Hieron  soll  wirklich  seine  Poesie  der  Pindarischen  vorge^ 
zogen  haben.  Von  den  Sicilien  betreffenden  Gedichten  des  Bakchylides  ist  nur 
eine  Zeile  aus  seinem  Epinikion  auf  denselben  Sieg  des  syrakusanischen  Herr- 
schers erhalten,  den  auch  Pindar's  erste  Olympische  Ode  preist.  Auch  er  nennt 
hier  den  Namen  des  siegreichen  Bosses  Pherenikos. 

Wir  kommen  nun  zu  dem  zweiten  grossen  Lyriker,  der  Hieron's  Hof  durch 
seine  Anwesenheit  verherrlicht  hat,  zu  Pindaros,  dessen  noch  erhaltene  Ge- 
didite  manchen  Aufschluss  über  den  König  und  sein  Haus ,  über  Syrakus  und 
die  Insel  Sicilien  Überhaupt  geben.  Pindaros,  ein  Sprössling  des  adeligen  the- 
banischen  Geschlechtes  der  Aegiden,  Ol.  64,  3  —  5S1  vor  Chr.  geboren,  trat 
frühzeitig  als  Dichter  auf  und  kam  bald  in  Verbindung  mit  vornehmen  und 
herrschenden  Familien.  Sein  erstes  Lied  verfasste  er  auf  den  Wunsch  der  thes- 
salischen  Aleuaden,  als  er  30  Jahre  alt  war,  sein  zweites  zeigt  ihn  schon  in 
Sidlien  bekannt  und  mit  der  Herrscherfamilie  von  Akragas  befreundet.  Es  ist 
die  sechste  Pythische  Ode,  die  der  28jahrige  Dichter  Ol.  71,  3  —  494  vor  Chr. 
—  für  Theron^s  Bruder  Xenokrates  verfasste.  Allmählich  verschaffte  er  sich 
eine  reiche  Kenntniss  alier  politischen  und  religiösen  Verhaltnisse  Griechen- 
lands und  seiner  Kolonien  und  wurde  so  in  hohem  Grade  befähigt,  zu  Festen 
jeglicher  Art  Ghorlieder  zu  schreiben,  die  durch  eine  eigenthttmliche  Erhaben- 
heit und  den  sittlichen  und  religiösen  Sinn ,  welcher  sie  durchdrang ,  die  Be- 
wunderung seiner  Zeitgenossen  so  sehr  erregten,  dass  z.  B.  die  Bhodier  die 
siebente  Olympische  Ode ,  die  den  berühmten  Faustkämpfer  Diagoras  und  bei 
dieser  Gelegenheit  die  mythische  Geschichte  der  Insel  Rhodos  verherrlichte,  mit 
goldenen  Buchstaben  in  eine  Tafel  graben  und  diese  im  Heiligthum  der  Athene 
zu  Lindos  aufstellen  Hessen.  Sein  Charakter  war  unabhängig,  und  wenn  er 
auch  Geld  für  seine  Gedichte  nahm,  so  wurde  er  doch  nie  zum  Schmeichler  der 
Grossen.  Ueberail  wünschte  man  von  ihm  Lieder  zur  Verherrlichung  religiöser 
Feste,  und  obwohl  dorische  Freistaaten,  wie  Rhodos  und  besonders  Aegina, 
seine  Muse  viel  in  Anspruch  nahmen,  war  er  doch  so  weit  entfernt  von  einsei- 
tiger Vorliebe  für  stammverwandte  Völkerschaften,  dass  er  sogar  wegen  seiner 
Anerkennung  der  Verdienste  Athens  um  Hellas  von  seinen  Landsleuten ,  den 
Thebanem,  gestraft  wurde.  Pindar  war  gleich  angesehen  in  Freistaaten ,  wie 
an  den  Höfen  von  Fürsten  und  Tyrannen.  Alexander  von  Macedonien,  Arke- 
siiaos  von  Kyrene  und  in  Sicilien  Hieron  und  Theron  schätzten  ihn  hoch ,  und 
Hieron  wünschte  schon  früh,  dass  er  nacj;i  Sicilien  kommen  möchte.  Er  zögerte, 
diesem  Verlangen  zu  entsprechen.  Man  fragte  ihn  einmal,  warum  er  nicht,  wie 
Simonides,  sich  nach  Sicilien  zu  den  Tyrannen  begebe,  und  er  antwortete: 


220  Dritles'Bncb.    U,  Hieron. 

»Weil  ich  mir  leben  will,  nicht  Ander*m.«  Erst  Ol.  76,  3  —  471- vor  Chr.  —  lei- 
stete er  den  wiederholten  Einlitdungen  Hieron's  Folge,  und  es  scheint,  dass  sein 
Aufenthalt  In  Syrakus  nur  kurze  Zeit  dauerte.  Vielleicht  wurde  er  ihm  durch 
die  Umtriebe  der  Schmeichler  Hieron's  und  die  Feindschaft  des  Bakchyüdes 
verleidet.  Pindar  starb  im  80.  Lebensjahre ,  Ol.  8i,  3  —  i*8  vor  Chr.  —  in 
Argos. 

Von  seinen  Gedichten ,  welche  die  verschiedensten  Gattungen  der  Lyrik 
amfassten,  sind  nur  die  Epinikien ,  aber  diese  auch  fast  vollständig,  erhalten, 
ein  glücklicher  Umstand  gerade  für  die  Kenntniss  der  sicilischen  Zustände ,  da 
von  den  4 i  Liedern  nicht  weniger  als  15  an  Sikelioten  gerichtet  sind.  Diese 
Lieder,  gedichtet  bei  Gelegenheit  von  Siegen,  welche  in  den  grossen  Wettspielen 
von  Hellas,  den  olympischen ,  pylhischen,  nemeischen  und  isthmiscbea,  er- 
rungen wurden ,  enthüllen  eine  der  eigenthtlai liebsten  Seiten  des  griechischen 
Wesens.  Der  Sieg  in  diesen  Spielen  ei-schien  den  Hellenen  als  ein  besonderes 
Zeichen  der  gottlichen  Huld  und  eiregte  daher  bei  allen  dem  Sieger  Verbun- 
denen die  grösste  Freude.  Der  Ruhm  fiel  nicht  demjenigen  allein  zu,  der  seine 
Nebenbuhler  Ubem'unden  hatte;  seine  ganze  Stadt,  deren  Name  ja  zusammen 
mit  dem  seinigen  ausgerufen  wurde,  halte  Theil  daran.  So  konnten  entfernte 
Städte  auf  die  ebrenvollste  Weise  in  alier  Hellenen  Mund  kommen,  und  es  war 
naturlich,  dass  der  durch  einen  ihm  angehdrigen  Sief^er  geehrte  Ort  seinem  Hit- 
bUi^er  zu  danken  suchte  und  ihn  auf  die  maunichfaltigste  Weise  wieder  ehrte. 
Von  den  Wettktimpfen  mussten  ein^e  persönlich  bestanden  werden ,  Während 
andere,  wie  das  Pferde-  und  Wagenrennen,  von  den  Bewerbern  um  den  Kranz 
nur  die  Ab.sendung  der  Wagen  und  Rosse  beanspruchten.  Die  Ehre  war  in 
beiden  Fallen  für  den  Sieger  dieselbe,  und  es  verband  sich  mit  dem  Si^e  im 
Weltfahren  vierspänniger  Wagen  um  so  mehr  ein  glänzender  Ruhm ,  da  «ur 
Ausbildung  geeigneter  Rosse  grosse  Mittel  erforderlich  waren  und  diesen  Sie^ 
also  nur  Männer  gewinnen  konnten,  die  schon  ohnedies  in  ihrer  Stadt  eine  her- 
vorragende Stellung  einnahmen.  Wie  viel  Gewicht  man  gerade  in  Sicilien  auf 
Siege  dieser  Art  legte,  zeigt  das  Vorkommen  von  Gespannen,  Bigen,  Trigen  und 
Quadrigen,  [sowie  von  einzelnen  Beitcm  auf  den  MUnzen  von  Messana,  Kaiana, 
Leontini,  Syrakus,  Akragas  —  dem  rossen ühren den  —  Kamarina,  Gela,  Selinus, 
Himera,  ja  sogar  auf  MUnzen  mit  punischen  Inschriften  und  solchen  von  Panor— 
mos.  Häufig  schwebt  eine  Nike  über  dem  Gespann ,  noch  deutlicher  den  Sieg 
im  Wettkampfe  anzeigend,  der  nicht  nothwendig  in  einem  der  grossen  helleni- 
schen Spiele  gewonnen  sein  musste.  Wir  haben  uns  ähnliche  in  Sicilien  selbst  zu 
denken,  und  es  ist  möglich,  dass  die  {irtJssteu  jenerMunzen,  auf  denen  nicht  selten 
die  Inschrift  athia  (Kampfpreise),  sowie  die  Darstellung  von  WaffenstUcken  sich 
befindet,  ebenso  wie  solche  WaffcnstUcke  den  Siegern  in  derartigen  Wellspielen 
als  Preise  gegeben  wurden.  Wie  aberder  Ruhm  derFeste  vonOlympia,  Delphi, 
vom  Islbmos  und  von  Nemea  alte  anderen  überstrahlte ,  so  ist  es  begreiflid>, 
dass  den  sicilischen  Fürsten  viel  daran  lag,  mit  ihren  Gespannen  in  diesen 
Festversammlungen ,  zumal  in  Olympia ,  zu  siegen ;  ihr  Name  wurde  dadurch 
überall,  wo  Hellenen  wohnten,  genannt,  und  sie  hatten  Gelegenheit,  zur  Feier 
ihrer  Siege  ihren  Freunden  und  Untcrtfaanen  neue  glUnzendeFeste  vorzufllhren. 
Und  zur  Verherrlichung  dieser  letzteren ,  mochte  nun  ein  Aufzug  oder  ein  Ge- 


Pindaros.  Zweite  Pythiscbe  Ode.  22t 

läge  ihren  Haupttbeil  bilden,  nabmen  sie,  dem  Herkommeii  gemäss,  die  Dienste 
der  Dichlor  und  Hasiker  in  Anspruch.  Bei  solchen  Festen  sind  auch  Pindar's 
Epinikien  von  Chören  zum  Klange  der  Eithara  gesungen  worden. 

Es  sind  nicht  alle  Siege  Uieron 's  durch  Pindariscbe  Lieder  gefeiert,  nicht  ' 
der  Hauptsieg  des  FUrslen  in  Olympia,  Ol.  78,  mit  dem  Viergespann,  nicht  ein 
viel  früherer ,  Ol.  73,  mit  dem  Rennpferde.  Von  den  vier  Oden  Pin.dar's ,  die 
sich  auf  Hieron  beziehen,  scheint  die  zweite  Pytbische  der  Zeil  nach  die 
erste  zu  sein.  Es  wird  darin  die  Rettung  der  Lokrer  aus  Anaxilas'  Hunden,  die 
Ol.  75,  4  —  477  V.  Chr.  —  geschehen  sein  muss,  als  eine  ganz  frische  Begeben- 
heit erwähnt.  Das  Gedicht  feiert  einen  Sieg,  den  Hieron  mit  einem  Viei^espann 
von  Füllen,  wahrscheinlich  in  Theben,  errungen  hat.  Es  ist  eines  der  schwie- 
rigsten Pindar's,  da  es  Mythen  und  besonders  Sentenzen  enthält,  von  denken 
nicht  mit, Sicherheit  zu  entscheiden  ist,  welche  Beziehung  sie  auf-Hieron's  Ver- 
hältnisse haben,  und  insbesondere  ob  sie,  wie  es  den  Anschein  hat,  als  War- 
nungen für  den  Herrscher  von  Syrakus  dienen  sollen.  Pindar  beginnt : 

O  Syrstusae,  grosso  Stadt,  des  Ares  Heiligthum, 

Der  im  Gewüble  der  Schlecht  wellt,  erzliebender  Mün Der  und  Rosse  gdilllche  POegerin, 
und  nennt  dann  Ortygia 

den  Siti. 

Wo  der  Leto  Tochter  am  Strom  weill, 
die  mit  Hermes  und  Poseidon  als  Helferin  Ilieron's  beim  Siege  im  Wettspiel  ge- 
nannt wird.  Dann  vei^leicht  er  Hieron  mit  dem  kyprischen  Könige  Kinyras, 
den  sein  Volk  pries,  wie  die  lokriscfaen  Jungfrauen  Hieron  fUr  die  Erretlung 
ihrer  Sladt  preisen,  geht  aber  bald  auf  IjlIou's,  des  UobermUthigen,  Geschichte 
llber,  der  für  seine  mannichfachen  Frevel  ein  schi'ccklichGs  Schicksal  erlitt,  er, 
der  zuerst  »das  Blut  des  eignen  Stammes  vergossu.  Musste  nicht  Hieron,  der 
um  diese  Zeit  seinen  Bruder  Potyzelos  verfolgte ,  dies  als  eine  ernstgemeinte 
Anspielung  auf  ihn  selbst  verstehen  ?  Man  hat  in  dieser  Erklärung  eine  dem 
Dichter  zi^emuihete  Plumpheit  gefunden,  aber  dabei  ganz  übersehen,  dass 
nicht  die  Absicht  des  Dichters  bei  einer  Anspielung,  sondern  die  Art,  wie  er 
sie  ausdrückt,  über  ihre  Plumpheil  oder  Feinheit  entscheidet,  und  dass  somit 
die  Anspielung,  die  in  der  Erwühnung  Ixion's  liegt,  wenn  auch  der  Dichter 
damit  auf  andere  Personen  zielte ,  doch  in  dem  Falle ,  dass  Hieron  sie  auf  sich 
selber  beliehen  konnte ,  ebenso  plump ,  ja  noch  plumper  ist ,  als  wenn  Pindar 
sie  wirklich  als  Mahnung  an  den  Herrscher  von  Syrakus  gemeint  hat.  Wir 
stellen  den  Dichter  hüher,  wenn  wir  ihn  ernstlich  dem  mächtigen  Hieron  den 
grossen  Frevler  Ixion  als  Warnung  vorhalten  lassen,  als  wenn  wir  annehmen, 
dass  Ixion's  Tbaten  ein  Gegenbild  der  Handlungsweise  des  Anaxilas  oder  ein 
von  Pindar  sich  .selber  vorgehaltener  Spiegel  sein  sollen.  Es  gezieme  ihm  selbst, 
fügt  Pindar  hinzu, 

zu  Oieh'n  der  Übeln  Rede  grimmeo  Riss, 
das  lehre  das  Schicksal  des  Archilocbos,  der  arm  war,  weil  er  lästerte.    Reich 
und  weise  sein,  ist  der  Lose  schönstes,  sagt  der  Dichter,  sieb  wieder  an  Hieron 
wendend ; 

Dir  wurde  das,  du  zeigst  es  frei  mit  kfiniglicbem  Sinn, 

Da,  der  gewaltige  Herrscher  des  Volkes  und  Ihnrmuinkranzter  StHdte.  So  Jemand  sagt. 


Drittes  Buch.    II.  Hieron. 

den  Frübergebornen  ein  Andrer  im  Volke 

Ibren  sich  mehr  und  SchHIcea  gewonneD,  aU  du  gewenott, 

iJem  Sino  Vergeblichem  nach. 

I  und  anderem  Lobe  rHlh  er  ihm  noch : 

aend,  ringe  dem  Schttnen  nach  I 

Lied  mit  dem  Tadel  der  Hinlerlist  und  des  Neides,  die  er  als 
itur  widerstrebend  bezeichnet,  und  mit  dem  Wunsche : 
llend  ironier  Im  Kreise  der  Edlen  weilen. 

ihende  Meinung  des  Alterthums,  dsss  unter  den  Verleumdem, 
er  Ode  brandmarkt,  ganz  besonders  Bakchylides  gemeint  sei. 
der  auf  Hieron  bezüglichen  Gedicht«  Pindar's  ist  die  dritte 
,  ein  Trosigedicht  fur  den  an  schwerer  Krankheit  leidenden 
mert  überdies  an  iwei  Trühere  Siege  des  Bosses  Hierenikos  in 
pielen,  Ol.  73,  3  und  7i,  3.  Nach  Ol.  76,  <  —  *76  v.  Chr.  — 
^rtassl,  weil  Hieron  schon  Aetna  gegründet  hat,  aber  vor  Ol. 
br.  — ,  weil  Hieron  in  diesem  Jahre,  in  den  39.  Pythien,  einen 
Iphi  errang,  von  dem  hier  noch  nicht  die  Bede  ist.     Einen 

Ode  nimmt  die  einleitende  Schilderung  der  Herkunft  und  des 
pios  in  Anspruch,  der  bei  dem  Kentauren  Cheiron  die  Heil- 
enn  Cheiron  noch  lebte,  fährt  Kndar  fort,  so  wtlrde  ich  ihn 

dasser  einen  Arzt 

m  auch  jetzt  für  beisse  Qualen  sendete 

Schiffe  die  Ionische  See  dnrcbschnetdeod,  eilt'  ich 
Lfelhusa,  zu  dem  Gasirreund,  Aelna's  Hort, 
lerrscht  in  der  Stadt  Syrakus, 

lie  neidisch  den  Edlen,  dem  Fremdling  wunderbar  voll  Valersino. 
sich  I^ndar  damit  begnügen,  die  Gßltermuller  und  Pan  für 
1,  der  sich  daran  erinnern  mag,  dass  nach  dem  allen  Glauben 
lute,  das  sie  den  Menschen  verleihen,  zwei  Uebc)  beizugeselten 
t  Hieron  glücklich  als  Herrscher;  Ij^nn  er  mehr  erwarten'? 
i  Kadmos ,  bei  deren  Hochzeiten  doch  die  Götter  Gaben  dar- 
viel  Leid  durch  das  Schicksal  ihrer  Kinder.  Hieron  mttge  be- 
m  auch  noch  das  seltene  GlUck  widerfährt,  im  Liede  gefeiert, 

zu  kommen. 

7ti,  3  Hieron  einen  Wagensieg  in  den  Pythischen  Spielen  er- 
lin  Pindar  mit  dem  Gedichte,  das  voran  unter  seinen  Pythischeu 
ron  halte  sich ,  um  seine  neugegrUndcte  Stadt  Aetna  «u  ehren, 
ifen  lassen ,  deshalb  hat  das  Gedicht  besondere  Beziehung  auf 
herrscht  von  dem  Gegensatze  zwischen  dem  Rohen,  Ungeord- 
ichttnen,  Harmonischen,  einem  Gegensätze ,  der  in  dem  Be- 
;hen  und  glU<^lichen  Stadigemeinde  am  Fusse  des  Unheil 
HS  einen  klaren  Ausdruck,  zumal  für  die  Bewohner  von  Aetna 
^sicht  des  rauchenden  Kegels  das  heilere  Fest  des  Wagensieges 
'S  feierten.  Das  Gedicht  beginnt  mit  einer  prächtigen  SchHde- 
er  Musik,  die  »auch  des  Blitzstrahls  Pfeil,  den  ewig  flammeQ- 
lie  die  Götter,  selbst  Ares,  bezwingt  und  erfreut.    Anders  die 


Erste  Pythische  Ode.  223 

Wesen,  »die  Zeus  nicht  liebia ;  sie  entsetzen  sich  vor  dem  Laut  der  Musen ;  so 

Typhoeus,  der  hundertkOpfige ,  den  einst  die  kilikische  Felskluft  umschloss, 

nun  aber . 

Driickt  die  meerumfriedete  Veste  von  Kyme, 

Drückt  Sikelia  des  Unthiers  zottige  Brust,  auch  4iaU  die  SUale,  tragend  den  Himmel, 

ihn  fest, 
Aetna,  der  auf  schneeigem  Haupt 
Scharfen  Frost  im  ganzen  Jahr  hegt ; 
Aus  den  Schlünden  speit  er  Bäche  lauteren  Feuers  empor. 

Das  unnahbar  Alles  verschlingt;  Tagsergiesst  sein  gl  übender  Strom  des  gerötheten  Rauchs 
Wogen,  und  in  dunkeln  Nächten  wälzt 
Wildprasselnd  die  purpurne  Glut  Felssleine  weit  auf  der  See  tiefgründigen  Spiegel  hinaus. 

Den  Typhoeus  hält  des  Aetna  »schwarzbelaubter  Gipfela  in  Banden.  Ihm  gegen^ 
über  wendet  sich  der  Dichter  an  Zeus, 

Der  dieses  Gebirge  beherrscht,  fruchtreicber  Au'n  schöne  Stirn,  nach  dem  die  benach- 
barte Stadt 

Ward  genannt  vom  Gründer,  der  ihr  Ruhm  verlieh. 

Denn  in  den  Bahnen  zu  Python  erscholl  ihr  Name  aus  Heroldes  Mund,  als  Hieron  herr- 
lichen Siegs  Lohn  im  schnellen 

Wagen  errang. 

Dieser  erste  schöne  Erfolg  der  Stadt  giebt  dem  Dichter  Hofihung,  dass  sie  auch 

in  Zukunft  prangen  werde  mit  Rossen  und  Kränzen,  und  er  spricht  den  Wunsch 

aus,    dass  die  kommei^de  Zeit  dem  Herrscher  Glfick  und  Schätze  verleihen 

mOge,  »und  des  Leids  hold  Vergessen«,  Erinnerung  aber  daran, 

wie  er  In  Schlachten  des  Kriegs, 
Festen  Maths  ausharrend,  gesiegt  I 

Jetzt  aber  ist  Hieron  dem  Philoktet  ähnlich ,  der  von  den  stolzen  Griechen  zu 
Hlllfe  gerufen  werden  musste;  so  rief  ihn,  den  Kranken,  gegen  die  Tyrrhener 
zu  Hülfe  die  Stadt  Kyme.  Dann  erinnert  sich  Pindar  an  Deinomenes,  des  Hieron 
Sohn,  welcher  der  Sl^dt  Aetna  vorsteht,  und 

Dem  mit  gottgescha0*ner  Freiheit  Hieron  nach  dem  Gesetz, 
Nach  des  Hyllos  strengem  Gebot  diese  Stadt  gegründet. 

Hinblickend  auf  die  Blüte  des  dorischen  Stammes  in  Lakonien ,  spricht  er  den 
Wunsch  aus : 

Lass,  o  Zeus,  Vollender,  solches  Glück  an  des  Amenas  Flut 

Bürgern  stets  und  Königen  blühn,  das  in  Wahrheit  rühmend  erhebe  der  Menschen 

Gerücht  I 

Mit  dir  möge  denn  des  Landes  Fürst, 

Berathend  und  lehrend  den  Sohn,  das  Volk  zur  Ruh  und  zur  Eintracht  lenken  und  krö- 
nen mit  Ruhm ! 

Gieb,  ich  flehe,  Sohn  des  Kronos,  dass  daheim 

Friedlich  verweile  derPöner,  daheim  tyrrhenisches  Schlachtengeschrei,  anblickend  den 

Jammer,  die  Schmach,  wie  vor  Kyme 

Ihre  Macht  in  Trümmer  sank. 

Aber  noch  herrlicher  als  der  Sieg  bei  Kyme  über  die  Tyrrhener  ist  der  unter 
Gelon's  Führung  über  die  Karthager  erfochtene.  Pindar  vergleicht  ihn  zweien 
der  grössten  Schlachten  der  Hellenen : 

Salamis, 
Ich  hole  von  dir  der  Athener  Preis  zum  Lohn, 
Singe  dann  in  Sparta  die  Schlacht  an  Kithaeron's  hohem  Fels, 


224  Drittes  Buch.    II.  Hieron. 

Wo  die  Meder  sanken,  die  bogenbe^ebrten ; 

Doch  am  quellenreichen  Ufer  Himera's  erschalle  noch  Deioomenes'  Söhnen  ein  Lied, 

Das  verdient  ihr  tapferer  Muth,  dem  das  Heer  erlag  der  Feinde. 

Das  Gedicht  schliesst  mit  Raihschlügen  an  Hieron  ^    der  gewarnt  wird   vor 

Dgleissenden  Listen«.  Nur  die  Nachwelt  urtheilt  richtig.  Das  zeigen  zwei  grosse 

Beispiele.  Nie 

Stirbt  des  Krösos  Üerzerfreuende  Huld, 

Doch  auf  ihm,  der  wilden  Sinnes  Menschen  briet  im  ehrnen  Stier, 

Auf  Phalaris  lastet  des  Absehens  ewiger  Fluch! 

Ihn  begrüsst  kein  Lautengesang  im  Gemache,  ruft  ihn  nicht 

Zum  Verein  beim  lieblichen  Spiele  der  Knaben. 

So  ist  hier  zum  Schluss  der  das  Gedicht  durchziehende  Gegensatz  zwischen 
dem  Milden  und  dem  Rohen ,  mit  dem  die  Musen  Nichts  zu  schaffen  haben, 
wiederum  ausgeführt. 

Bald  nach  diesem  Gedichte,  OL  77,  4  —  472  v.  Chr.  —  hat  Pindar  die 
te  Olympische  Ode  an  Hieron  gerichtet  wegen  des  ersten  Sieges,  den 
der  Fürst  als  Heri*scher  von  Syrakus  in  den  grössten  Spielen  von  Hellas  er- 
rungen hatte.  Es  war  kein  Sieg  der  glänzendsten  Art,  tiicht  mit  dem  Vier- 
gespann erfochten,  nur  mit  dem  Rennpferd  Pherenikos,  das  schon  in  den 
Pythischen  Spielen  seinem  Besitzer  Kränze  gewonnen  hatte.  Üeshalb  macht 
der  Dichter  die  Bedeutung  der  Olympischen  Spiele  und  ihren  Vorrang  vor  den 
übrigen  zum  Ausgangspunkt  seiner  Ode ,  die  sich  voKzugsweise  mit  der  Ge- 
schichte des  Pelops,  durch  den  jene  Spiele  gegründet  wurden,  beschäftigt.  Wie 
das  Wasser  unter  den  Elementen,  das  Gold  unter  den  Schätzen,  so  sind  unter 
den  Wettkämpfen,  sagt  Pindar,  die  herrlichsten  die  Olympia^s, 

Woher  von  sinnenden  Weisen  rings  mit  hellem  Schall 

Die  Festhymne  tönt,  wenn  sie  nah'n 

Dem  Herd  Hieron's,  dem  reichen,  glücklichen. 

Des  Kronos  Sohn  feiernd  im  Gesang. 

Herrschend  über  Sikelia's  lämmerreiche  Gefilde, 

Führt  er  des  Rechtes  Stab,  pflückt  er  von  jeglicher  Tugend  die  Krone. 

Leuchtend  thront  er  auch  im  Kranz 

Duftiger  Blumen  des  Liedes, 

Wenn  wir  Männer  scherzend  oft 

Uns  am  traulichen  Mahl  ergehen.    Doch  wohlan,  vom  Pflocke  herab  nimm  die  dorische 

Harfe,  wenn  der  Ruhm  von  Pisa,  wenn  dir  Pherenikos'  Ruhm 

Den  Geist  in  wonniges,  süsses  Sinnen  eingewiegt, 

Als  er  am  Alpheios  stolzen  Flugs 

Dabinbrausend  flog,  vom  Sporne  nicht  berührt. 

Und  seinen  Herrn  rasch  zum  Siege  trug, 

Syrakusae's  rosseliebenden  Gebieter. 

Nun  schildert  Pindar  das  Mahl ,  mit  dem  Tantalos  die  Götter  bewirthete ,  den 

Raub  des  Pelops  durch  Zeus,  den  Uebermuth  und  die  Strafe  des  Tantalos,  die 

Rückkehr  des  Pelops  zur  Erde,  sein  Flehen  zum  Poseidon,  er  möge  ihm  Sieg  in 

der  Wettfahrt  mit  Oinomaos  und  den  Besitz  der  Hippodameia  verleihen,  seinen 

Erfolg ,  endlich  sein  Grab  am  Alpheios ,  wo  jetzt  um  den  Preis  gekämpft  wird, 

und  »Mtthsalen  trotzt  die  stolze  Kraft«.    »Aber  der  Siegera,  fährt  Pindar  mit 

deutlicher  Beziehung  auf  Hieron  fort, 

wallt  sein  Leben  lang 
Im  süssen,  heitern  Sonnenglanz  des  Glücks. 


Oden  aur  Chromios.  Nein.  I.  225 

An  die  vier  Oden  auf  HieroD  scbliessen  sich  zwei  andere  Pindar's  auf  Hieron's 
Schwager  Chromios,  dessen  Namen  wir  schon  mehrfach  genannt  haben.  Chro- 
mios war  angesehen  unter  drei  Fürsten  nach  einander,  unter  Hippokrates ,  für 
den  er  tapfer  am  Hetoros  kämpfte,  unter  Geion,  der  ihn  für  den  Fall  des  Todes 
von  Polyzelos  zum  Vormund  seines  Sohnes  bestimmte,  unter  Hieron  endlich,  der 
ihm  neben  oder  nach  seinem  eigenen  Sohne  Deinomenes  die  Verwaltmig  der  Stadt 
Aetna  anverlraule  und  ihn  zu  Änaxilas  mit  jener  drohenden  Botschaft  schickte, 
welche  den  Lokrern  Rettung  brachte.  Die  Zeitbestimmung  der  beiden  Oden 
auf  Chromios ,  der  ersten  und  neunten  unter  den  Ncmeischen ,  ist  nicht  ganz 
klar,  auch  das  nicht,  welche  unter  ihnen  die  früher  gedichtete  ist.  Doch  mtlssen 
sie  nach  Ol.  76, 1  verfasst  sein,  nach  der  Gründung  Aetna 's,  das  in  der  neunten 
(v.  ?)  ausdrucklich  als  neugegründet  bezeichnet  wii-d,  und  auf  das  die  Erwäh- 
nung des  Aetnäischen  Zeus  in  der  ersten  unzweifelhaft  hindeutet. 

Die  erste  Nemeische  Ode,  gedichtet  auf  einen  Sieg,  den  Chromios  mit 
dem  Wagen  in  den  Nemeischen  Spielen  errang,  und  bei  welchem  er  sich  als 
einen  BUi^er  von  Aetna  soll  haben  ausrufen  lassen,  beginnt  dennoch  mit  dem 
Preis  von  Ortygia,  wo  Chromios  noch  in  seinem  alten  Hause  das  Siegesfest  feierte : 

AIpbeios'  heilige  Rulicstalt, 

OrtygJB,  stolzer  Zweig  syrakusisoher  Pracht, 

Wiege  der  Arlemis  eiosl, 

Aus  dir,  o  Delos  Schwester,  erhebt  sich  dos  Lieds 

Süsser  Laut,  mit  bobeiti  Preis 

Rosse,  vom  Sturme  beschwingt,  lu  verherrlich en,  Zeus,  dem  Aetoagotl,  Kam  Dankl 

Denn  es  ruft  uns  Chromios' Wagen,  esruftNemea,  dem  siegbekräDZIen  Werke  Fest- 
gesang zu  weih'n. 

Durph  Gtttler  ward  der  Grund  zugleich 

Mit  jenes  Mannes  göttlicher  Tugend  gelegt. 

Al>er  im  Kranze  des  Siegs 

Ruht  alles  Ruhioes  Gipfel,  und  gerne  vei'kifirt 

Rohen  Kampf  der  Muse  Lied. 

Lass  denn  in  wonnigem  Glänze  das  Eiland  leuchten,  das  Persephonen 

Zeus,  Olympos'  König,  verlieh,  und ,  des  Uauples  Locken  ihr  zuneigend ,  schwur .  die 
fette  Flur  Sikelia's 

Werde  mit  reicher  Städte  Häuptern  prangen,  das  tierrliche,  fruchtschwere  Land ; 

Und  der  Kronide  gewahrt  ihr  ein  Volk,  das  stets  des  erzumklirrten  Kriegs 

Eingedenk,  hoch  streitet  zu  Hoss,  von  olympischen  Oelzweigs  goldnea  Blattern  oft 
umkrfinzt. 
Nach  diesem  prachtigen  Lobe  der  Insel  wendet  er  sich  zum  Chromios  selbst. 
Ich  trat,  sagt  er,  vor  das  Thor 

Des  holdgesinnten  Wirtbes  mit  schönem  Gesang, 

Wo  mir  ein  glänzendes  Mabl 

Bereitet  Ist. 
Dies  passt  im  eigentlichen  Sinne  auf  das  Festmahl ,  das  den  Nemeischen  Sieg 
feiert;  es  ist  aber  auch  das  Mahl  gemeint,  das  dem  Geiste  des  Dichters  durch 
den  glanzenden  Stoff  bereitet  ist,  den  er  besingen  soll.  Er  verkimdet  den  Ruhm 
des  Chromios ,  der  stark  in  Thaten ,  wie  im  Ralhe  klug  ist.  Und  nun  füllt  er 
über  die  Hälfte  des  Gedichtes  bis  zum  Schlüsse  mit  dem  Preise  des  Herakles, 
dessen  erste  That,  die  Erwüf^ung  der  von  Hera  gesandten  Schlangen,  ausgemalt 
wird,  und  der  zuletzt  nach  allen  seinen  Grosslhaten  Ruhe  hinnahm  als  erles'nen 
Eolm,  ae»li.  BicilUn«.  1.  1B 


Drittes  Buch.    11.  Hieron. 

kbende  Hebe  zur  Gattin  erhielt  und  sein  Hochzeitsmahl  bei 
1  Hörer  wird  ttberlasseo ,  die  leichte  Anwendung  hiervon  auf 
en ,  der  nach  den  Htlhen  der  Jugend  und  des  Mannesalters 
le  erfreut  und  als  Gatte  der  Schwester  des  Ftlrsten  boch- 

iif  Chromios  bezügliche  Gedicht  Pindar's  gehört  nicht  eigent- 
leiscben  Oden,  unter  denen  es  die  neunte  Stelle  einnimmt, 
ngerer  Zeit  in  den  Pythien  zu  Sikyon  errungenen  Wagensieg 
tieging,  nachdem  die  Siadt  Aetna  gegründet  war,  seinen  Sieg 
il ,  an  welches  ein  Fcslzug  sich  anschloss ,  und  bei  welchem 
orgetragen  werden  sollte.  Pindar  will  mit  Gesang  von  Sikyon 
m  Sitze  sieben, 

wo  die  gastlichen  Pforleo  Keinem  sich  versclili essen,  zu 

eben  Spiele  sind  von  Adrastos  gestiftet  worden ,  als  er  aus 
jr ;  dies  führt  Pindar  auf  den  Krieg  der  Sieben  gegen  Theben, 
Los  an  der  Spitze  stand ,  und  seinen  unglücklichen  Ausgang. 
1,  und  um,  im  Gegensatze  zum  grausigen  Kriege,  auf  den 
IS  hinzuweisen ,  schliesst  der  Dichter  den  bereits  früher  be— 
:h,  dass  der  Poenerheere  Sturm  fem  bleiben  möge,  mit  dem 

gieb  aur  lange  Zeil 
05  des  Aetnavolifcs  Kindern, 

gewahr'  ihm,  und  Kampfe  nach  Weise  der  Ueimal  I 
entstehen,  dann  ist  wiederum  Chromios  am  Platze,  der  zu 

in  Seh ifTsgef echten  sich  ausgezeichnet  bat. 

Wolil,  sagt  man,  erblühte  dem  Hektor  an  des  Skeroandros  Ge- 
wässern ein  solcher  Kranz  des  Ruhmes  einst, 
IS  jüngst  am  steilen  Felageslade, 
!  des  Are»  fürt  die  Sterblichen  nennen, 
lOs'  Sohn  schon  in  beginnender  Jugend  dieser  Stern. 
i  geleistet  im  Krieg ,  will  der  Dichter  später  künden.    Aus 

nun  heit're  Tage  erblüht,  und  es  wird  das  Fest  gefeiert,  an 
les  Dichters  Lied  erklingt. 

'  wie  Chromios  stand  dem  Hieron  ein  anderer  Syrakusaner, 
te  Olympische  Ode  gerichtet  ist:  Agesias,  des  Sostratos 
eschlecbt  der  lamiden ,  das  in  Olympia  am  Altar  des  Zeus 
n  aber  ein  Nebenzweig  seit  der  Gründung  von  Syrakus  dieser 
Agesias  war  überdies  Bürger  von  St;  mphalos  in  Arkadien,  . 
as  Fest  begangen ,  das  den  von  ihm  mit  einem  MaulLhier— 
18,  wahrscheinlich  Ol.  78,  I,  errungenen  Sieg  feiern  sollte. 

scheint  in  dem  syrakusanischen  Hause  des  Agesias  beab— 
Üer  Dichter  preist  gleich  im  Anfang  der  Ode  seinen  Heide», 
i  Herkunft  des  Geschlechts,  dem  Agesias  angehört,  und  zu— 

umhin ,  auch  hier  wieder  Syrakusens  und  Hieron's  zu  ge— 
von  seinen  Triumphgesängen  sngt : 


An  Xenokrates.  Pyth,  Tl.  An  Theron.  Ol.  II. 

Sie  sollen  Syrakusa's  und  Ortygia'8  denken,  woselbst 

Bieron  beirscht  mit  gerechtem  Stabe,  der  Fürst 

Sinnigen  Ralhs,  und  der  purpurfÜBs'gon  Deo 

Und  der  Tocliter  Feste  schmückt,  der  Cbtiin  mit  weissem  Gespanne; 

lind  Zeus  vom  Aetna  feiert.  Das  festliche  Lied 

Gnd  meiner  Lyra  süsser  Klang  kennl  ihn.    Die  Zeit,  die  schleich 
Glück  nicht! 

Aber  Agesias'  Zng  emptang'  er  froh  mit  holden  Sinns  liebreicher  We 
In  ebenso  rreundiichen ,  vielleicht  noch  freuQcUicheren  Be 
lindar  zur  Familie  des  Herrschers  von  Akragas.  Au(  Tfaeron's 
krales,  verfassle  er  bereits  Ol.  71,  3  eine  Ode,  als  er  %S 
18  Jahre  bevor  er  das  erste  Gedicht  für  Hieron  schrieb.  Die  Oc 
Pythische,  bezieht  sich  auf  einen  in  Delphi  errungenen 
scheint,  dass  es  eigentlich  Thrasybulos,  des  Xenokrates  Sohn 
Sieg  davontrug,  und  dass  der  Jüngling  aus  kindlicher  Liebe 
Vaters  die  Ehre  liess,  durch  den  Herold  dem  Volke  verkündigt 
aus  sechs  gleichmässigen  Strophen  ohne  Epoden  bestehende 
sich  zuerst  nach  Delphi,  wo  den  reichen  Emmeniden 

Und  der  nmOuteten  Akragas  und  dem  Xenokrates  auch 
ein  stolzes  Schatzbaus  von  Hymnen  pythischer  Siege  erbaut  is 
den  Triumph  verkllodet,  der  für  den  Vater  Thrasybulos',  wel 
und  das  ganze  Geschlecht  in  Krisa's  Thal  errungen  wurde.  Nui 
an  die  von  Cheiron  dem  Peliden  gegebene  Lehre,  vor  Allen  die 
er  erzählt  die  That  des  Antilochos,  der  für  seinen  Vater  sein  Le 
rühmt,  dass  Thrasybulos  dem  Vorbild  des  Vaters  und  des  Ohe 
An  Theron  selbst,  der  Ol.  76  einen  Wagensieg  errang,  fiel 
Preise  desselben  zwei  Lieder,  die  zweite  und  die  dritte 
Ode,  Über  deren  Verhaltniss  zu  einander  verschiedene  Meini 
worden  sind.  Man  hat  bald  die  zweite,  bald  die  dritte  Ode  fü 
Siegeslied  erklärt;  die  zweite  ist  nach  Hinigen  im  Hause  ge 
nach  Anderen  Öffentlich ,  nie  die  dritte  gewiss ,  die  ftlr  den 
Theosenien ,  dem  Feste  der  Dioskuren ,  bestimmt  war.  In  jei 
Frage  an  die  Hymnen  beginnt,  welchen  Gott,  Heros  und  Sterbh 
solle,  preist  er  Theron, 

des  Gaetrechls  Hort,  ihn,  Akragas'  St 

Aus  hochgefeieHem  Geschlecht  die  Blume,  hebend  die  Stadt, 

Das,  duldead  vielfaches  Unheil, 

Sich  am  Strome  hier  die  heil'ge  Wohnung  gründete  und  das  Auge  v 

Sikelie's. 

Gieb ,   ruft  er  Zeus  an ,  das  heimische  Geßld  huldreich  dem  Sl 

Zeit.     Geschehenes  freilieb,  fährt  er  fort,  vermag  selbst  die  Ze 

den,  doch  bringt  ein  günstiges  Geschick  gltlckliches  Vergessen 

Hindeutung  sein  auf  die  vor  Kurzem  beendigten  Streitigkeiten 

und  Hieron,  welche  in  das  GlUck  der  Emmeniden  Bitterkeit  t 

ilie  des  Kadmos  abwechselnd 

ichter  von  Semele,  von  Ino,  \ 

hersandros  Theron  seinen  Uri 


Drittes  Buch.    II,  Hi«roD. 


gleich  erhabnen  Bruder  gab  hohes  Glück,  Beiden  hold, 
10  die  Siegesblume  des  Gespanns,  das  zwölf  Mal  die  Bahn 

Lim  und  Tugend  verbuodcQ ;  er  weiss,  dass  Strafe  in  der 
ein  seliges  Leben  aber  die  Guten  erwartet.    Und  nun 

iten  dreimal 

der  Erde,  sich  das  Herz  rein  von  Frevel  hielt, 

d  des  Zeus  zu  Kronos'  huher  Veste,  wo  lindathmeDd  rings 

>en,  wo  Huflig  Goldblumen  hier 

in  denHah'n  glänzender  Bäume,  dorldesQuells  Flut  entspriessen, 
ide  sie  sich  Arm  umOechten  und  Haupt, 
an  der  Seelenwanderung,  die  hier  dem  Theron,  offenbar 
orgetragen  wird.  Dies  gewührt  uns  einen  willkommenen 
Qsen  und  sittlichen  Zustand  Siciliens  in  jener  Zeit;    es 
hagoras  verbreiteten  Gedanken  auch  hier  auf  fruchtbaren 
wenn  nuch  die  Form,  in  welche  Pindar  sie  kleidet,  und 
ein  der  Seligen,  auf  denen  Kadmos,  PoieuB  und  Achilleus 
terische  ist  und  den  Liedern  Orphischer  Sanger  entlehnt 
verktlndet  er  noch  einmal  ein  glänzendes  Lob  Theron's : 
tscbwörend  aus,  spreche  trugfreien  Sinn's, 
idurch  keine  der  ätädte  je  gezeugt  solchen  Küinn,  so 
Freunden,  so  freigebig  spendender  Hand 

npische  Ode  war  nach  den  allen  Erklärern  fur  das 
das  von  den  Dioskuren  gestiftet  worden  war,  bestimmt, 
iiit  der  Feier  dieses  F^tes  beschäftigt,  die  Nachricht  von 
>ia  erhalten  hatte.  FUr  die  Festfeier,  bei  welcher  TheriHi 
rdllig  empfing,  konnte  die  Ode  Pindar's  unmöglich  im 
und  wir  nilrdcn  also  annehruen  müssen,  dass  sie,  als 
ten  Jahre  ^\iederkehrte ,  vorgetragen  worden  sei.  Es  ist 
ie  Nachricht,  Theron  habe  die  BoUcbafl  gerade  an  diesem 
linem  Irrthum  bemht.  Dadurch  wird  übrigens  der  Vor— 
i  am  Theoxenienfeste  nicht  unwahrscheinlich  gemacht. 
1er  Ode  weisen  deutlich  auf  die  Dioskuren  hin.    Pin— 

Ihne,  seid  mir  hold,  und  lockige  Helena,  du, 
ich  verkünde,  wenn  ich  jetzt 
iasiegerSj  Theron,  scballend  erlicbe  die  Hymne,  den  Schmuck 

Sohn  verherrlichen,  welchem 

hen  Stammes,  im  Kampf  von  Hellas  Richter,  hoch  herab 

e  Locken  den  bläulichen  Schmuck  der  Olive  wand. 

ivie  Herakles  einst  aus  Istrien  den  Oelbaum  geholt  und 

fer  des  Aipheios  angepflanzt,  und  wie  er,  in  den  Himmel 

-  die  Olympischen  Spiele  den  Dioskuren  übertragen  hat, 


Auf  Midas.  Pjth.  XII.  229 

welche  TheroQ  besonders  ehrt.  Mit  dem  Lob  des  Herrschers  von  Akragas,  der 
die  Säulen  des  Herakles  durch  die  seinem  Geschlecht«  eigenen  Tugenden  be- 
rührt, schliesst  das  Gedicht. 

Da  wir  ein  zweites,  an  Thrasybulos,  den  Sohn  des  Xenokrates,  gesandtes 
Gedicht  I^ndar's  erst  spater  erwähnen  werden,  weil  es  in  die  Zeil  nach  Theron's 
Tode  fällt,  und  ebenso  drei  andere,  nach  Uimera  und  Kamarina  gesandte,  so 
ist  hier  nur  noch  eine  an  einen  Äkragantiner  gerichtete  Ode  zu  besprechen.  Es 
ist  die  zwölfte  Pythische,  aufHidas,  der  in  der  vierundzwanzigsten  und 
ftlnfund zwanzigsten  Pylhias,  Ol.  7t,  3  und  72,  3  im  Fltitenspicl  gesiegt  hat.  Sie 
wird  aus  dem  frtlheren  der  beiden  Jahre  herstammen,  da  nii^ends  in  dem  Ge- 
dichte eine  Andeutung  vorkommt,  dass  Midas  nicht  zum  ersten  Haie  siegt.  Das 
Gedicht  l>eginnt  mit  einer  Anrufung  von  Akragas  : 

Ich  Helle  dir,  Freundin  der  Pracht,  du  schttostc  der  irdischen  Städte, 

Sil!  der  Persepbone,  dir,  am  heerdenge segneten  Strand 

DesAliragas  stattiich  umbaute  Höb'D  bewohnend,  Königin, 

Nimm,  von  den  Sterblichen  und  von  ewigen  Güllem  geehrt, 

Kaidreich  von  den  HHnden  des  Midas  diesen  Kranz  aus  Pylho  bin. 

Dann  erzählt  er  die  Erfindung  der  Weise ,  mit  welcher  Midas  siegte ,  durch 
Athene  und  schliesst  mit  kurzen  Betrachtungen  über  die  Unmöglichkeit,  die 
Zukunft  vorauszusehen ,  die  man  als  Anspielung  auf  folgende ,  dem  Hidas  zu- 
gestosseue  Begebenheit  nimmt.  Bei  einem  Weltspiele  zersprang  ihm,  wahrend 
er  blies ,  das  Mundstück  der  Flöte.  Dennoch  fuhr  er  so  gewandt  nur  auf  dem 
Bohre  blasend  fort,  dass  die  Hßrer  erstaunten  und  ihm  der  Sieg  zugesprochen 
wurde. 

Von  Pindar's  flbrigen  Gedichten  sind  nur  Fragmente  erhalten ,  von  denen 
sich  einige  auf  Sicilien  beziehen.  So  ist  unter  den  Hyporchemcn ,  Gedichten, 
die  zu  Ehren  ApoUon's  mit  Tänzen  um  den  Altar  und  Gestio ulationen  gesungen 
wurden,  ein  Fragment,  in  welchem  Hieron  als  Gründer  Aelna's  angeredet  und 
sein  Name  in  scherzhafter  Weise  mit  dem  Worte  hieros,  heilig,  in  Verbindung 
gebracht  wird,  und  ein  anderes,  in  welchem  unter  den  Dingen,  die  in  einzelnen 
Ländern  am  vorzü^ichsten  sind ,  auch  das  sicilische  Maultbiei^espann  seinen 
Platz  6ndet.  Unter  den  Enkomien,  bei  Trinkgelagen  gesungenen  Lobgedichten 
finden  sich  Verse  an  Theron,  und  unter  den  Skolien  an  Thrasybulos,  den  Sohn 
des  Xenokrates,  und  an  Hieron  gerichtete  Fragmente ,  auch  Bruchstücke  einer 
Schilderung  des  unter  dem  Aetna  liegenden  Typhoeus. 

Neben  die  Lyrik,  welche  in  Hieron 's  Zeit  bereits  eine  lange  Entwicklimg 
hinter  sich  hatte  und  auf  der  Höbe  ihrer  Ausbildung  stand ,  trat  damals  in  Si- 
cilien eine  andere  neu  entstandene  oder  vielmehr  in  der  Entstehung  begriffene 
Dichtungsart,  die  dramatische,  in  ihren  beiden  Zweien,  der  Tragtidie  und  der 
Komödie,  von  denen  jene  von  einem  atiischen  Meistei'  der  Kunst  den  sicilischen 
Griechen  voi^efUhrt,  diese  dagegen  von  einem  Hanne,  der  fast  selbst  ein  Sicilier 
genannt  werden  kann ,  in  echl  sicilischer  Weise  geschaffen  wurde.  Der  tra- 
gische Diditer  war  Aiscby  los,  der  seine  Kunsl  durch  den  sittlichen  Gehalt 
der  von  ihm  geschilderten  grossen  Charaktere,  durch  die  imposante  Verbindung 
von  je  drei  oft  zu  einander  in  einer  innerlichen  Beziehung  stehenden  Tragtklien, 
endlich  durch  die  Ausbildung  der  sceniscben  Mittet  und  die  Anwendimg  von 


230  Drittes  Buch.    II.  Hieron. 

Eindruck  machenden  BUbnenapparaten  aus  den  Vorstufen  der  Kindheit  auf  die 
Höhe  der  vollständigen  Entwickelung  geführt  halte.  Durch  ihn  war  die  tra- 
gische Bühne  Athens  eine  der  schausten  Zierden  dieser  Stadt  geworden ,  und 
Aischylos,  der  gegen  die  Perser  tapfer  milgefochlen  hatte  (er  war  525  geboren, 
und  auf  den  Namen  eines  Marathonkanipfei's  stolz  war ,  verstand  es  auch ,  die 
Freiheitskriege  der  Griechen  in  einfachen  und  erhabenen  Schilderungen  auf  die 
Buhne  zu  bringen.  Alles  dies  empfahl  ihn  dem  Herrscher  von  Syrakus,  der  auch 
in  seiner  Stadl  die  gllinzende  Aufführung  bedeutender  Tragödien  vom  Volke  be- 
^^'undem  lassen  wollte.  Die  Annahme  liegt  nahe ,  dass  Hieron  den  Aischylos 
aufforderte,  zu  ihm  nach  Sicilien  zu  kommen;  sicher  ist,  dass  der  grosse  tra- 
gische Dichter  sich  längere  Zeit  auf  dieser  Insel  aufhielt.  Man  hat  im  Aller- 
thum,  nicht  zufrieden  mit  der  bei  einem  Dichter  keineswegs  auffallenden  Thal- 
sache, dass  er  eine  Zeitlang  im  Auslande  bei  machtigen  Freunden  seiner  Kunst 
verweilte,  Unzufriedenheit  des  Aischylos  mit  Athen  als  Grund  seiner  Abreise 
betrachtet,  und  da  man  doch  UIkt  diese  Unzufriedenheil  nicht  genau  unter- 
richtet war,  durch  die  verschiedenartigsten  Vorralle  dieselbe  zu  erklären  ver- 
sucht. Bald  soll  er  sich  aus  Athen  enlfemt  haben ,  weil  bei  der  Auffuhmiig 
eines  von  ihm  verfassten  Stuckes  die  hölzernen  Gei-Uste,  welche  die  Zuschauer 
trugen,  einstürzten;  bald,  weil  er  in  dem  Weltstreite  um  den  für  das  best* 
Gedicht  auf  die  bei  Marathon  Gefallenen  ausgesetzten  Preis  von  Simonides  be- 
siegt wurde ;  nach  Andern  hat  ihn  der  Zorn  darüber,  dass  der  junge  Sophokles 
ihn  im  tragischen  Wettkampfe  über\\'unden,  aus  Athen  getrieben,  während  eine 
vierte,  ganz  abweichende  Nachricht  behauptet,  die  Büi-ger  seien  unwillig  tlber 
ihn  geworden ,  weil  er  durch  den  fürchterlichen  Chor  seiner  Euraeniden  die 
zuschauenden  Frauen  in  einen  gar  grossen  Schrecken  versetzt  habe,  und  die- 
sem Unwillen  habe  der  Dichter  weichen  müssen.  W'enn  jede  dieser  Angaben 
richtig  wöre,  so  hätte  sich  Aischylos  in  vier  ganz  verschiedenen  Jahren  mit 
ähnlichen  Gefühlen  des  Grolles  gegen  seine  Vaterstadt  aus  ihr  entfernt:  500, 
488,  469  und  459  vor  Chr. ,  und  wir  hätten  vier  Reisen  des  Dichters  nach 
Sicilien.  Es  isl  aber  klar ,  dass  jene  Versuche ,  für  die  vorausgesetzte  Unzu- 
friedenheit des  Aischylos  Moti\'e  aufzufinden ,  nichl  zu  Zeitbestimmungen  ge- 
braucht werden  dürfen ,  und  dass ,  falls  er  wirklich  aus  Missmuth  Athen  ver- 
lassen hat,  wir  luerst  aus  anderen  Quellen  wissen  müssten,  wann  er  in  Sicilien 
war ,  um  dann  einer  so  bereits  sicheren  Abreise  einen  Grund  zu  geben.  Nun 
können  wir  mit  Bestimmtheit  nur  einen  zweimaligen  Aufenthalt  des  Dich- 
ters auf  unserer  Jnse!  nachweisen,  das  erste  Mal,  als  Hicron  so  eben  Aetna  ge- 
gründet hatte,  das  zweite  Mal  lange  nach  Hieron's  Tode,  ein  Aufenthalt,  der 
drei  Jahi'e  dauerte  und  nur  mit  dem  Tode  des  Dichters  scbloss.  Da  nun  seine 
erste  Anwesenheit  in  Sicilien  sich  hinlänglich  durch  eine  Einladung  Hieron's 
erklären  würde ,  ohne  dass ,  um  ihr  zu  entsprechen ,  Aischylos  nöthig  gehabt 
hatte,  seiner  Vaterstadt  zu  zürnen,  so  wäre,  wenn  eine  solche  Unzufriedenheit 
angenommen  werden  soll  —  und  die  im  Einzelnen  abweichende  UeberlieferuDg 
scheint  hierüber  wenigstens  ein  ziemlich  kräftiges  Zeugniss  abzulegen  —  die- 
selbe eher  als  Grund  seiner  zweiten  und  letzten  Reise  wahrscheinLch ;  doch 
ist  es  möglich,  dass  andere  Veranlassungen  vorgelegen  haben ,  als  die  von  den 
Allen  augeführten :  vielleicht  der  allmähliche  Uebergang  zur  reinen  Demokratie, 


Aischylos.  231 

der  sich  damalä  in  Athen  vollzog.  Wie  dem  auch  sein  mag,  Aischylos  war  unter 
Hieron's  Regierung  längere  Zeit  in  Syrakus.    Er  erfreute  den  König ,  indem  er 
die  Gründung  Aetna's^  auf  die  derselbe  so  stolz  war,  durch  das  Drama  :  die 
Aetnäerinnen  verherrlichte.    Wir  wissen  von  seinem  Inhalte  leider  Nichts ,  als 
dass  von  den  Pauken  darin  die  Rede  war.  Ausserdem  ist  noch  überliefert,  dass 
die  Perser  des  Aischylos  auf  die  Veranstaltung  Hieron's  in  Syrakus  aufgeführt 
worden  sind ,  und  es  fragt  sich  nur ,  ob  dies  eine  erste  Aufführung  oder  eine 
Wiederholung  war,  eine  Frage,  die  für  die  Chronologie  der  Reisen  des  Aischylos 
nach  Sicilien  von  Bedeutung  ist.    Die  erst«  Aufführung  des  Stückes  fand  näm- 
lich sicher  Ol.  76,  4  —  473  vor  Chr.  —  Statt,  und  da  Aetna  76, 1  —  476  vor 
Chr.  gegründet  wurde,  so  hätten  wir,  wenn  Aischylos  die  Perser  zuerst  in  Sy- 
rakus aufführte,  einen  zusammenhängenden  Aufenthalt  des  Dichters  in  Sicilien 
von  476 — 473  oder  472,  während,  wenn  die  Perser  zufitrst  in  Athen  über  die 
Bühne  gingen,  wir  zur  Wiederaufführung  derselben  in  Syrakus  eine  neue  Reise 
des  Dichters,  etwa  Ol.  77,  1   annehmen  müssen.    Es  ist  nun  keineswegs  un- 
möglich ,  dass  das  Drama  zum  ersten  Male  in  Syrakus  aufgeführt  worden  ist. 
Die  Trilogie  bestand  aus  den  Stücken  Phineus ,  die  Perser,  Glaukos,  und  es  ist 
die  Vermuthung  geäussert  worden,  dass,  wie  das  zweite  Stück  die  Schlacht  bei 
Salamis  feierte,  so  in  dem  dritten  neben  der  Schlacht  bei  Plataeae  der  glänzende 
Sieg  der  sicilischen  Griechen  bei  Himera  verherrlicht  wurde.    Wie  lebhaft  den 
Dichter  Sicilien  interessirte,  zeigtauch  sein  Prometheus ,  der  die  Weissagung 
eines  Ausbruches  des  Aetna  enthält,  und  wir  dürfen  annehmen,  dass  diese 
Stelle,  die  auf  ein  athenisches  Publikum  weniger  Eindruck  machen  musste,  als 
auf  ein  sicilisches,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Darstellung  des  Stückes  in 
Syrakus  geschrieben  war.    Das  Alterthum  hat  bemerkt ,  dass  Aischylos  sich 
mancher  Ausdrücke  bediente,  die  Sicilien  eigenthümlich  seien;  die  Nach  Wei- 
sung derselben  ist  gegenwärtig  schwerlich  noch  möglich.    Macrobius  nennt  ihn 
einen  rechten  Sicilier.     Auch  Pythagoreische  Lehren   soll  sich  Aischylos  an- 
geeignet haben.    Im  Jahre  459  vor  Chr.  ist  er  nach  Sicilien  zurückgekehrt,  um 
es  nicht  wieder  zu  verlassen.  Er  wählte  diesmal  Gela  zu  seinem  Wohnsitz  und 
soll  in  der  Nähe  dieser  Stadt  im  Jahre  4  56  dadurch  umgekommen  sein ,  dass, 
als  er  sich  einmal  im  Freien  aufhielt,  ein  Adler  eine  geraubte  Schildkröte  auf 
seinen  kahlen  Scheitel,  den  er  für  einen  Felsen  halten  mochte,  fallen  Hess.    Es 
ist  bekannt  genug ,  dass  die  Griechen  es  liebten,  ihren  grossen  Männern  wun- 
derbare Todesarten  anzudichten ;  zu  dieser  Sage  kann  eine  bildliche  Darstel- 
lung Veranlassung  gegeben  haben ,  in  der  ein  Adler  eine  Schildkröte  —  aus 
deren  Schalen  Leiern  gemacht  wurden  —  als  Sinnbild  der  Apotheose  des  unten 
sitzenden  Dichters  gen  Himmel  trug.  Die  Geloer  errichteten  dem  grossen  Manne 
ein  Grabmal,  auf  das  sie  die  von  Aischylos  selbst  zu  diesem  Zwecke  gedichteten 
Verse  schrieben : 

Aischylos  birgt  dies  Grab,  Euphorion's  Sohn,  den  Athener, 

Gela's  Weizengefiid  hüllt  den  Entschlummerten  ein. 
Sein  Kampfrouth  ist  bezeugt  durch  Marathon's  heilige  Feldflur, 

Gleich  wie  der  Meder  ihn  kennt,  prangend  im  üppigen  Haar. 

Aber  in  noch  viel  höherem  Grade  als  Aischylos  gehörte  Sicilien  E  pich  ar- 
mes an,  der  Begründer  der  Komödie,  der  fast  sein  ganzes  Leben  auf  dieser 


232    "  Drittes  Buch.    11.  HIeron. 

Insel  zugebracht  und  für  die  Griechen  derselben  seine  Lustspiele  gedichtet  hat. 
Yon  seinen  Schicksalen  ist  wenig  bekannt.  Zunächst  ist,  obwohl  er  vielfach  von 
Spateren  als  Sikeler  bezeichnet  wird,  sicher,  dass  er  in  Kos  geboren  war,  und 
die  Angaben,  dass  er  aus  Samos,  Megara  in  Sicilien,  Syrakus ,  endlich  aus  der 
sikanischen  Stadt  Krastos  stamme,  beruhen  auf  Missverständnissen.    Der  Name 
seines  Vaters  war  Elothales ;  andere  Namen ,  die  seinen  Eltern  beigelegt  wer- 
den ,  sind  ungeschichtlich.    Epicharmos  selbst  soll  bereits  im  Alter  von  drei 
Monaten  mit  seinem  Vater  nach  Sicilien ,  und  zwar  nach  Megara ,  gekommen 
sein,  nach  Anderen  wäre  er  mit  dem  Koer  Kadmos,  der  sich  den  Zankle  occu- 
pirenden  Samiem  anschloss,  nach  unserer  Insel  gelangt,  also  im  Jahre  493 
vor  Chr. ,  eine  Nachricht,  mit  der  die  Angabe,  dass  er  ein  Samier  war,  zu- 
sammenhängt, die  jedoch  selbst  wenig  glaublich  ist,  da  sie  einen  zu  grossen 
Theil  seines  Lebens  ausserhalb  Siciliens  setzt.    Denn  Epicharmos  kommt  nach 
Hieron  nicht  mehr  vor  und  soll  doch  in  hohejn  Alter  gestorben  sein,   so  dass 
man  mit  Recht  sein  Leben  ungefähr  von  550 — 460  vor  Chr.  gesetzt  hat.    Dann 
passt  es  aber  nicht,  dass  er,  der  so  durch  und  durch  Sikelier  war,  erst  493 
nach  Sicilien  gekommen  sein  sollte.  Von  Megara  siedelte  er  nach  Syrakus  über, 
vielleicht  483 ,  als  Gelon  Megara  zerstörte ,  vielleicht  auch  schon  früher  frei- 
willig, wenn  die  Nachricht  begründet  ist,  dass  er  bereits  sechs  Jahre  vor  den 
Perserkriegen  Lustspiele  in  Syrakus  aufführen  Hess.  Epicharmos  stand  zu  Hieron 
fn  freundschaftlichen  Beziehungen,  wenn  auch  die  über  ihren  Umgang  auf  uns 
gekommenen  Erzählungen  beweisen,  dass  er  die  Vorrechte  eines  Lustspieldich- 
ters und  Philosophen  wohl  auszunutzen  wiisste.    So  soll  einmal  Hieron  es  für 
nothwendig  gehalten  haben ,  den  Dichter ,  der  in  Gegenwart  seiner  Gemahlin 
etwas  Unziemliches  sagte,  in  Strafe  zu  nehmen ,  und  ein  anderes  Mal ,  als  ihn 
der  König  zu  sich  einlud,  nachdem  er  gerade  einige  von  seinen  Vertrauten,  die 
ihm  verdächtig  geworden  waren ,  hatte  aus  dem  Wege  räumen  lassan ,  erwie- 
derte  er :  »Neulich  hast  du  mich  doch  zum  Opfer  der  Freunde  nicht  eingeladen.« 
Epicharmos  verlor ,  obwohl  er ,  wie  es  heisst ,  das  hohe  Alter  von  90  Jahren 
und  darüber  erreichte,   auch  in  den  letzten  Lebensjahren  nicht  seinen  hei- 
tern Sinn.     Er  war  mit  mehreren  anderen  Alten  zusammen,  und  als  diese 
einstimmig  den  Wunsch  aussprachen,  dass  ihnen  noch  länger  zu  leben  vergönnt 
sein  möchte ,  und  sie  nur  über  die  Frist  uneins  waren ,  indem  der  eine  ftlnf, 
der  andere  drei,  der  dritte  noch  vier  Jahre  begehrte,  sagte  Epicharmos :  »Warum 
streitet  ihr  um  ein  paar  Tage  ?    Wir  sind  Alle  am  Abend  unseres  Lebens  an- 
gekommen ,  und  es  ist  Zeit  für  uns ,  uns  so  bald  als  möglich  auf  die  Reise  zu 
begeben,  ehe  man  an  unserem  Verstände  schlimme  Erfahrungen  macht  und  uns 
als  schwachköpfige  Greise  behandelt.«  Die  Syrakusaner  haben  ihm  nach  seinem 
Tode  ein  ehernes  Standbild  gesetzt,  das  folgende  Inschrift  trug : 

Wie  die  erhabene  Sonne  den  Glanz  der  Gestirne  verdunkelt, 
Und  ^ie  die  Fülle  des  Meers  breiter  als  Ströme  verrauscht. 

Also  an  Weisheit  strahlt,  dem  ich  Zeugniss  künd',  Epicharmos, 
Bürger  der  Stadt  Syrakus,  welche  den  Kranz  ihm  verlieh. 

Epicharmos  ist  der  älteste  Lustspieldichter  der  Griechen,  aber  er  steht  fast  allein 
da  als  Vertreter  eines  besonderen  Zweiges  der  hellenischen  Komödie ,  da  die 
später  so  bedeutend  gewordene  attische ,  wenn  sie  gleich  einen  dorischen  Ur- 
sprung nicht  verläugnen  kann,  doch  nicht  von  ihm  abstammt. 


Epicharmos.  233 

Denn  das  gesammte  griechische  Lustspiel  ist  dorischer  Herkunft.  Es  ist 
aus  den  religiösen  Volksfesten  hervorgegangen,  die  gerade  bei  den  dorischen 
Stammen  vielfach  mit  Tünzen  und  mimischen  Darstellungen  verbunden  waren. 
Wenn  wir  von  denjenigen  Aufführungen,  die  mehr  den  Charakter  blosser  Tänze 
haben,  absehen,  so  linden  sich  im  Millolpunkte  dorischen  Wesens,  in  Sparta, 
die  Darstellungen  dei'  Deikelisten,  «eiche  die  scherzhafte  Nachahmung  gewöhn- 
licher Vorkommnisse  des  tjtglichen  Lebens  enüiielten,  z.  B.  ertapple  Obstdiebe, 
einen  auslandischen,  prahlensch  auftretenden  Arzt  und  dei^eichen  mehr.  In 
Sikyon  machten  bei  einer  Bakchosfeier  die  den  Festzug  Bildeuden  Jeden ,  der 
ihnen  gerade  vorkam,  zum  Gegenstande  des  Spottes.  Einen  wirklich  scenischen 
Charakter  nahmen  aber  diese  Darstellungen  ganz  besonders  im  nisüjschen  Me- 
gara  an.  Es  war  der  Megarer  Susarion,  der  zuerst  das  Lustspiel,  freilich  in  sehr 
roher  Form,  nach  Attika  verpflanzte  [um  Ol.  50  —  580  v.  Chr.) ,  und  sein 
Landsmann  Haison ,  dessen  Zeit  und  Persönlichkeit  freilich  sehr  unsicher  sind, 
wird  als  komischer  Schauspieler  und  Erfinder  mehrerer  Charakterrollen,  des 
Sklaven,  des  Koches,  des  Matrosen,  genannt.  Haison  soll  nach  Anderen  aus 
dem  sicilischen  Megara  gewesen  sein.  So  finden  wir  bei  den  Doriern  des  Mut- 
lerlandes die  Anfange  der  Charakterkomodie.  Aehnliches  kann  aber  bei  den 
Doriern  Grossgriechenlands  und  Siciliens  nicht  gefehlt  haben.  Die  Sikelioten 
wai'en  in  mehreren  Beziehungen  besonders  geeignet,  das  Lustspiel  bei  sich 
auszubilden.  Zunächst  durch  ihren  Charakter.  Sie  standen  allgemein  im  Rufe, 
scharfsinnig  und  scherzliebend  zu  sein ,  Und  lebhafte  Redseligkeit  war  ihnen, 
wie  noch  jetzt  ihren  Nachkommen,  eigen.  Sie  waren  durch  ihren  Witz,  der  sie 
auch  in  Übeln  Lagen  nicht  im  Stiche  Hess ,  berühmt.  Es  sind  eben  Hellenen 
gewesen,  die,  in  ein  Land  verpflanzt,  das  an  Reichthum  ihr  Mutterland  weit 
übertraf,  ihre  glücklichen  Naturanlagen  in  aller  Bequemlichkeit  hatten  entr- 
wickeln  können.  Dazu  kam,  dass  die  Religion  die  schon  ohnedies  auf  mimische 
Darstellungen  gerichteten  Neigungen  der  Sikelioten  begünstigte.  Landliche 
Feste  des  Bakchos ,  der  Demeter,  der  Artemis  beförderten  durch  die  bei  ihnen 
vorkommenden  Aufzüge  und  Chorliedei*  und  den  fröhlichen  Charakter,  der 
ihnen  im  Allgemeinen  eigen  war,  die  Ausbildung  des  Lustspiels,  und  gerade 
an  solchen  Festen  hatte  die  Insel  Siciüen  einen  grossen  Reichthum.  In  Syrakus 
werden  lambistenchöre  erwähnt,  die  mit  derartigen  Festen  zusammengehangen 
haben  müssen.  Daneben  findet  sich  bei  den  Sikelioten  eine  grosse  Neigung  zu 
J&niea  aller  Art,  und  es  wurde  behauptet,  dass  Ändron  aus  Katana  der  erste 
gewesen  sei ,  der  sich  selbst  auf  der  Flöte  im  Tanze  begleitet  habe.  Sicilische 
Mimen  reisten  zu  Sokrates'  Zeit  nach  Art  unserer  wandeiiiden  Künstlertruppen 
umher,  und  Xenophon  hat  am  Schlüsse  seines  Gastmahles  die  Schilderung 
einer  von  solchen  Leuten  bei  Flfllenbegieilung  aufgeführten  Zusammenkunft  des 
Dionysos  und  der  Ariadne  gerieben.  Der  zum  Spott  hinneigende  Charakter  des 
sicilischen  Volkes  fand  eine  Vertretung  in  der  Literatur  bereits  durch  den  oben 
erwähnten  selinuntischen  lambendichter  Aristoxenos,  der  erste  wirkliche  Lust- 
spieldichter war  aber  Epichnrmos,  zugleich  der  grösstc  von  allen,  die  das  Land 
hervoi^ebracht  hat. 

Epicharmos  unterscheidet  sich  noch  dadurch  von  den  übrigen  komischen 
Dichtem,  dass  er  zugleich  als  Philosoph  in  grossem  Rufe  stand.  Er  soll  ZubOrer 


234  Drittes  Buch.    II.  Hicron. 

des  Pythagoras  gewesen  sein ,  wie  schon  sein  Valer  Elothales ,  und  Laerlius 
Diogenes  hat  seine  Biographie  unler  die  der  Philosophen  aufgenommen.  Sein 
Ansehen  war  so  gross,  dass  er  dem  Plalon  als  Haupt  der  KomOdie  galt,  wie 
Homer  als  Vater  der  Tragödie.  Leider  sind  von  seinen  Lustspielen  nur  so  ge- 
ringfügige Fragmente  erhalten ,  dass  es  unmöglich  ist ,  sich  eine  klare  Vorstel- 
lung von  ihnen  zu  machen.  Es  sind  uns  ^6  Titel  derselben  Überliefert,  und 
von  anderer  Seite  wissen  wir ,  dass  gerade  so  viele  Stücke  ftlr  epicharmisch 
gehalten  wurden.  Etwas  mehr  als  die  Hülfte  —  19  —  sind  mythologischen 
Charakters.  Die  wenigen  von  ihnen  noch  übrigen  Bruchstücke  zeigen,  dass  sie 
mit  Schilderungen  des  gewöhnlichen  Lebens  des  siciiischen  Volkes  angefüllt 
waren,  und  so  dürfen  wir  annehmen,  dass  der  Hauptzweck,  den  Epicharmos 
verfolgte ,  indem  er  diese  mythologischen  Figuren  auf  die  BUhne  brachte ,  der 
war,  unter  ihrer  Maske  die  Fehler  und  Lächerlichkeiten  seiner  Landsleute  und 
Zeitgenossen  zu  verspotten.  Diese  mythologischen  Komödien  waren  also  Tra- 
vestien, wie  sie  in  späterer  Zeit  besonders  in  Unteritalien  behebt  waren ;  es 
wäre  möglich,  dass  sie  hier  auch  schon  vor  Epicharmos  gebräuchlich  gewesen, 
und  dass  der  siciUsche  Dichter  bei  dieser  Gattung  von  Stücken  nicht  als  Schö- 
pfer ,  sondern  nur  als  Nachahmer  zu  betrachten  wäre.  Bei  einigen  lasst  sich 
der  Inhalt  wenigstens  zum  Theil  errathen.  So  war  im  Busiris  dargestellt,  nie 
Herakles ,  nachdem  er  den  König  von  Äegypten ,  der  die  Fremden  zu  opfern 
pflegte  und  auch  ihn  lödten  lassen  wollte,  selbst  getödtet,  sich  für  die  ge- 
habte Mühe  durch  ein  reiches  Mahl  entschädigte ,  wo  also  der  Held  nach  der 
auch  in  den  Satyrspielen  beliebten  Weise  als  ein  gewalliger  Fresser  geschil- 
dert wurde.  Ein  paar  erhaltene  Verse  berichten ,  wie  bei  ihm ,  wenn  er  issl, 
das  ganze  Gesicht  mitarbeitet,  selbst  Nase  und  Ohren.  In  der  Hochzeit  der 
Hebe  war  die  Hauptsache  die  Schilderung  des  glänzenden  Mahles,  durch 
welche  dieses  Fest  im  Olymp  gefeiert  wurde.  Epicharmos  brachte,  wie  die 
erhaltenen  Fragmente  beweisen,  eine  sehr  grosse  Masse  von  Fischnamen  an, 
wobei  man  daran  denken  muss,  dass  den  Sikeliern,  die  einen  guten  Tisch 
liebten  ( besonders  der  syrakusanische  war  berühmt) ,  die  Meerfrüchte  eine 
ebenso  beliebte  wie  reichlich  vorhandene  Nahrung  waren.  Natürlich  zeichnete 
sich  wiederum  vor  Allen  der  Bräutigam  Herakles  durch  seine  Gefrässigkeit  aus, 
aber  auch  die  übrigen  himmtischen  GHste  wurden  vom  Dichter  nicht  verschont, 
denn  Zeus  nimmt  einen  der  kostbarsten  Fische  fttr  sich  und  seine  Frau  beson- 
ders in  Anspruch ;  Poseidon  muss  Massen  von  Fischen  in  phönicischen  Schiffen 
herbeischaffen ,  und  Athene  lässt  sich  herab ,  zum  Waßentanze  der  Dioskuren 
die  Flöte  zu  blasen,  die  sie  bekanntlich  zu  einer  anderen  Zeit  w^geworfen 
hatte,  da  sie  ihr  Gesicht  entslellte.  Dies  Stück  erfuhr  eine  Umarbeitung,  in  der 
es  den  Titel  die  Musen  erhielt.  Die  Göttinnen  der  Künste  und  Wissenschaften 
versahen  hier  das  Amt  von  Fischweibem ,  welche  mit  geläufiger  Zunge  ihre 
Waaren  anpriesen.  Ein  anderes  Stück  hiess  Herakles  beim  Pholos  und  be- 
handelte das  Abenteuer  des  Helden,  der,  vom  Kentauren  Pholos  aufgenom- 
men ,  durch  das  Trinken  aus  dem  allen  Kentauren  gemeinschaftlichen  Wein- 
schlauche die  wilden  Gesellen  erzürnt ,  auf  ähnliche  Weise  wie  der  Busiris. 
Aus  dem  Troischen  Sagenkreise  war  ausser  einem  Stücke  unbekannten  In- 
halts ,  das  die  Trojaner  betitelt  war,  Odysseus  als  UeberlSufer,  wo  dai^estellt 


Epicbannoa.  235 

war ,  wie  der  listige  KOnig  von  Ithaka  in  unscheinbarer  .Verkleidung  sich 
nach  Troja  zuoi  AuskundscbafteD  bineinschlich  und  vielleicht  mit  Helena  sich 
verabredete,  femer  der  Kyklop,  denn  es  ist  wahrscheinlicher,  dasa  dies 
Stack  die  Blendung  des  Polyphem  durch  Odysseus,  als  seine  Liebe  zur  Gala- 
teia  schilderte;  die  Sirenen,  in  denen  die  Beschreibui^  des  Wohllebens 
auf  der  Sireneninsel  eine  grosse  Bolle  gespielt  zu  haben  scheint;  endlich  der 
schiRbrllchige  Odysseus ,  von  dessen  Inhalt  wir  nichts  Genaueres  wissen.  Aus 
anderen  heroischen  Mythenkreisen  haben  wir  den  Amykos,  wo  die  Ueber- 
windung  und  Fesselung  des  Bebrykerkönigs  durch  Polydeukes  dargestellt 
wurde,  sowie  Pyrrba  und  Prometheus,  dessen  Inhalt  sich  nur  vermuthen 
lässt.  Der  Gattersäge  endlich  gehurt  das  Stück:  die  Komasten  oder  He- 
phaistos  an.  Hier  schilderte  Epicharm,  wie  Uephaistos  seine  Mutter  Hera 
durch  zauberische  Schmiedekunst  an  seinen  Sitz  fesselt  und  sie  erst  auf  vieles 
Bitten  wieder  befreit,  wie  ferner  Hepbaistos,  von  seinen  Eltern  übel  behandelt, 
den  Olymp  verlässt  und  ihn,  da  er  anders  nicht  zurückzuholen  ist,  Dionysos 
auf  ;schlaue  Weise  trunken  macht,  auf  einen  Esel  setzt  und  so  in  lustigem 
Zuge  in  den  Olymp  zurückfuhrt.  Wegen  dieses  Zuges  hatte  dieses  Stück  den 
Titel :  die  Komasten.  Diese  Scenen  ßnden  sich  mehrfach  auf  Vasenbildern  dar- 
gestellt; ob  mit  specielter  Rücksicht  auf  das  Epicfaannische  Sttlck,  vermögen 
nir  nicht  zu  sagen.  Unter  den  übrigen  Stücken ,  die  ihrem  Titel  nach  aus 
dem  täglichen  Leben  entlehnt  sein  durften,  haben  wir  einen  Laudmann,  femer 
die  Räubereien ,  wo,  wie  schon  in  den  Gedichten  des  Selinuntiers  Aristoxenos, 
betrügerische  Wahi^ager  verspottet  wurden,  und  von  Leiden,  die  Siciüen 
zu  erdulden  hatte ,  die  Rede  war;  Land  und  Meer,  ein  Stück,  aus  dem  wie- 
der manche  Namen  von  Speisen  angeführt  werden,  so  dass  man  vermuthet 
hat,  es  möchte  einen  Wettstreit  des  Landes  und  des  Heeres  über  die  Vor- 
trefllichkeit  ihrer  Produkte  enthalten  haben;  die  Hoffnung  oder  der  Reich- 
thum ,  worin  zum  ersten  Male  die  in  der  griechischen  Literatur  später  so  viel 
benutzte  Figur  des  Parasiten  vorkam;  femer  das  Fest  und  die  Inseln,  das 
eine  Anspielung  auf  den  Schutz  enlhielt,  welchen  Hieron  den  Lokrem  gegen 
Anaxilas  von  Rhegion  gewührt  hatte;  endlich  die  Festgesandten,  die  die  Weih- 
geschenke in  Delphi  musterten.  Der  Inhalt  der  übrigen  Stücke,  deren  Titel 
erballen  ist,  kann  kaum  noch  erralhen  werden.  In  allen  Werken  des  Epichar- 
mos  muss,  wahrend  die  Tagespolitik  ausgeschlossen  war,  dem  Possenhaften  ein 
grosser  Raum  gelassen  sein;  sie  enthielten  Scherze,  Wortspiele;  es  fehlt  sogar 
nicht  an  Spuren  von  Obscünitaten ;  daneben  fand  sich  aber  in  ihnen  eine  solche 
Menge  von  treffend  ausgedrückten  Regeln  der  Lebensklugheit,  dass  jambiichos 
sagen  konnte :  »Wer  Über  Verhältnisse  des  praktischen  Lebens  sich  in  einer 
Secttenz  Süssem  will,  benutzt  hierfür  die  Aussprüche  des  Epicharmos,  welche 
alle  Philosophen  im  Hunde  führen.«  Der  gnomische  Charakter  herrschte  in  un- 
serem Dichter  vor.  Vielleicht  übte  auf  diese  Richtung  seiner  Poesie  der  Umstand 
einigen  Einfluss  aus,  dass  Theognis  eine  Zeit  lang  im  sicilischen  Hegara  lebte. 
Einer  der  berUhmlesen  Spruche  Epicharm 's  war  folgender  .- 

Nüchtern  sein,  nicht  Jedes  glauben,  das  ist  aller  Weisheit  Graod. 
Epicharmos  erhob  sich  aber  in  seinen  SprUchen  noch  Über  diesen  Stand- 
punkt der  praktischen  Lebensweisheit ;  er  stellte  Lösungen  der  tiefsten  philo- 


Drittes  Bach.    II.  HieroD. 

en  Probleme  dem  Volke  in  kurzen  Sätzen  dar.  Da  indess  die  Sprüche 
lers ,  von  denen  ich  hier  rede ,  nicht  von  Allen  als  aus  seinen  Lusl- 
otlehnt  betrachtet  werden,  da  vielmehr  Manche  ihm  auch  philosophische 
ichte  zuschrcibeD,  so  wird  es  zweckmässig  sein,  zuerst  einige  Worle  von 
;emeinen  Charaktei'  seiner  Komtklie  zu  sagen.  Sie  hatte  offenbar  wenig 
imSssiger  Intrigue,  die  ja  auch  in  dem  attischen  Lustspiel  anfangs  nicht 
vortritt.  Kpicharm  gab  sicilische  Charakter-  und  Sitten gemälde,  dwen 
Scenen  vorzugsweise  durch  die  komisclieu  Schiiderungen,  die  sie  dar- 
iteressirten.  EineEigenthümlichkeit  seiner  Stücke,  welche  die  Frogmeole 
1  lassen,  bestand  in  der  häutigen  Anbringung  von  Beschreibungen  lur 
mg  der  Sonderbarkeiten,  über  welche  gelacht  werden  sollte.  Stau  den 
.  auf  der  Buhne  gierig  die  Speisen  hinunterschlingen  zu  lassen,  erzählt 

der  ihn  hat  essen  sehen ,  wie  er  es  macht,  und  wie  komisch  er  sein 
dabei  verzerrt;  Zeus  erscheint  nicht  selbst  und  befiehlt,  ibm  einen 
Fisch  zurückzulegen,  es  wird  nur  berichtet,  dass  er  es  gethan  hat. 
rwalten  der  Erzählung  Über  die  Handlung  zeigt  ebenfalls,  wie  weit 
n's  Stucke  von  dem  modernen  Charakter  des  Lustspiels  entfernt  waren. 
IUI  so  in  den  Ep  icharm  Ischen  Komödien  der  Schwerpunkt  nicht  sowohl 
tudlung  als  in  die  Reden  fiel,  so  kann  es  bei  gehöriger  BerUdisichiigung 
'akters  des  Dichters ,  der  sich  mit  den  schwierigsten  Fragen  der  Philo- 
«schäftigt  hatte,  nicht  auffallen,  wenn  er  auch  seine  Weisheit  dem 

seinen  Komödien  mitzutheilen  suchte ,  und  wir  haben  nicht  uölbig, 
men,  was  kein  aller  Schriftsteller  in  unzweideutiger  Weise  überliefert, 
tin  philosophisches  Lehrgedicht  geschrieben  habe.  Epichannos  galt  den 
;  Pythagoreer.  Wenn  nun  femer  Sokrates ,  Piaton  und  Aristoteles  ihn 
itzten  und  citirten,  so  folgt  daraus  allerdings  noch  nicht,  dass  viel 
tniliches  in  seinen  philosophischen  Ansichten  war,  da  seine  Aussprüche 
■er  glucklichen  Form  als  der  Neuheit  des  Inhalts  die  Ehre,  citirt  zu  wer- 
dauken  konnten.  Da  aber  ein  gewisser  Alkimos  nachzuweisen  suchte, 
on  manche  seiner  Lehrsätze  dem  Epicharmos  entlehnt  habe,  so  werden 
•un  wir  auch  diese  schlechtbegründete  Meinung  zurückweisen,  uns 
der  Ansicht  entschliessen  mtissen ,  dass  die  philosophischen  Anschau- 
^  sicilischen  Dichters  manches  Originelle  enthielten.  Dafür  legt  auch 
leugnissab,  der  ein  Lehrgedicht  über  Naturphilosophie ,  das  er  Epi- 

betileltej,  aus  Sätzen  des  syrakusanischen  Lustspieldichters  zusam- 
I«. 

I  muss  jedoch ,  wenn  man  aus  den  vorhandenen  Fragmenten  die  philo- 
en  Lehren  des  Epicharmos  zu  entnehmen  %'ersucht,  sich  wohl  hüten, 
a  nicht  den  Lustspieldichler  Über  dem  Philosophen  vei^ssl.  Man  ist 
es  Mal  sicher,  dass  die  ausgesprochenen  Ansichten  ernsthaft  gemeint 
'iililich  scheint  man  in  einem  Falle  wenigstens  den  Sehens  ftlr  Emsi 
m  zu  haben.  In  einem  der  durch  Alkimos  erhaltenen  Fragmente  Epi- 
wird  nach  Bemerkungen  über  das  ewige  Sich^eichbleiben  der  Götter 
Veränderlichkeit  der  Natur  des  Menschen  gesprochen.  Wie  Zahl  und 
hl  mehr  dieselben  sind,  wenn  Etwas  zugesetzt  oder  abgraommen  wird, 
ich  der  Mensch,  der  stets  sich  Verändernde,  heute  nicht  mehr  der, 


EpicharmoB.  237 

welcher  er  gest«m  war.  Es  kSiinte  scbeioen ,  als  ob  Epicharmos  ernstlich  die 
Heraklitische  Lehre  vom  Flusse  der  Dinge  vortrüge ;  es  ist  aber  höchst  wahr- 
scheinlich Nichts  weiter  als  eine  scherzhafte  ADwendung  einer  Schlussform,  die 
später  auch  von  den  Sophisten  gebraucht,  aber  auf  Epichann  als  auf  ihren 
ersten  Urheber  zurückgeführt  vturde,  und  welche  den  Namen  logos  ausano- 
menos,  die  Schlussfolgerung  aus  der  steten  Zunahme,  führte.  Diese  Schluss- 
folgeruRg  wird  von  Plutarch  durch  folgendes  Beispiel  erklart.  Wer  Geld  geliehen 
hat,  ist  Nichts  mehr  schuld^,  da  er  ein  Anderer  geworden  ist;  wer  gestern 
zur  Mahlzeit  geladen  ist,  kommt  heute  une inge laden .  denn  er  ist  nicht  mehr 
derselbe,  der  er  gestern  war.  Dies  sieht  aus,  wie  aus  einer  Komödie  genom- 
meQ,  und  Nichts  liegt  näher,  als  anzunehmen,  dass  bei  Epicbannos  dergleichen 
vorkam,  so  dass  jene  Betrachlungen  tiber  die  veränderliche  Natur  des  Menschen 
nur  die  Einleitung  ^fllr  einen  bösen  Schuldner  sein  würden ,  seinem  Gläubiger 
die  Zahlung  zu  verweigern.  Wir  dürfen  nicht  versäumen  zu  bemerken ,  dass 
Epicharmos  sich  in  der  Erfmdung  des  It^os  auxanomenos  als  einen  echten 
Sicilier  voll  Witz  und  Scharfsinn  gezeigt  bat.  Es  kommen  auch  andere  rheto- 
rische Figuren  in  seinen  Fragmenten  vor,  und  man  sieht,  dass  Alles  für  das 
Insleben treten  der  Bedekunst  in  Sicilien  vorbereitet  war.  Von  den  philosophi- 
schen Lehren  des  Epicharmos  sind  folgende  die  Hauptsätze.  Die  Gotter  sind 
Person ificationen  der  Naturkrafle.  Verschieden  davon  ist  die  Gottheit,  der  Nichts 
entgeht,  die  Alles  vermag.  Die  Menschen  nennt  Epicharmos  aufgeblasene 
Schlauche.  Bei  ihrem  Tode  kehrt  der  Leib  zur  Erde  zurtlck.  Staub  zum  Staidse ; 
die  Seele  entschwebt  nach  oben,  in  den  Aether,  aus  dem  sie  genommen  ist. 
Und  von  dem  Geiste  sagt  dann  Epicharmos  das  berühmte  Wort : 

Gelsl  isl  s«hend,  Geiat  ist  hjtrend,  alles  Andre  tsub  und  blind. 
Deshalb  ist  vor  Allem  die  Beinheit  der  Seele  zu  bewahren.  Wie  stimmt  nun 
eine  so  erhabene  Tendenz  des  Lustspieldichters  zu  Travestien ,  in  denen  Zeus 
Einkäufe  macht  und  die  Musen  Fischw.eiber  werden  ?  Sollte  der  Philosoph  nicht 
die  Absicht  gehabt  haben,  durch  den  Mund  des  Komikers  das  Volk  zum  Be- 
wusstsein  der  Lächerlichkeit  des  gewöhnlichen  Polytheismus  zu  bringen  und  so 
das  früher  von  Xenophanes  begonnene  Werk  fortzusetzen  ? 

Es  sind  dem  Epicharmos  von  späteren  Schriftstellern  des  Alterthums  noch 
andere  Werke  zugeschrieben,  deren  Authenlie  jedoch  sehr  zweifelhaft  ist.  Ins- 
besondere werden  ihm  medicinische  Schriften  beigelegt.  Man  hat  hiermit  die 
Thatsache  combinirl,  dass  er  aus  Kos  stammte,  wo  bekanntlich  eine  bertlhmle 
ärztliche  Schule  war,  und  eine  durchaus  unverständliche  Stelle  des  lamblichos, 
in  der  man  die  Erwähnung  eines  Bruders  des  Epicharmos ,  eines  Arztes ,  Na- 
mens Metrodoros,  finden  wollte,  damit  in  Verbindung  gebracht,  um  schliesslich 
zu  dem  Besultate  zu  gelangen,  dass  der  Dichter,  aus  einer  ärztlichen  Familie 
stammend,  selbst  in  der  Medicin  bewandert  gewesen  und  auch  hierin  durch 
das  Studium  der  Lehre  des  Pythagoras  gefördert  worden  sei.  Leider  ist  das 
Alles  recht  unsicher.  Uebrigens  citirt  Plinius  den  Epicharmos  in  Betreff  der 
Arzaeimittellehre ;  nach  Columella  hätte  er  tlber  Thierheilkuudc  geschrieben; 
auch  in  Bezug  auf  Landbau,  Physiologe  des  menschlichen  Körpers,  Traumdeu- 
tung wird  der  syrakusanische  Lustspieldichter  citirt.  Man  kann  annehmen, 
dass  lange  nach  dem  Tode  des  Epicharmos  von  diesen  Gegenständen  handelnde 


238  Drittes  Bach.    II.  Hieron. 

Schriften  ihm  zugeschrieben  wurden,  und  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass 
dies  mit  Unrecht  geschah.  Man  wird  in  seinen  Komödien  viele  Sprüche  gefun- 
den haben ,  die  sich  auf  die  genannten  Wissenschaften  bezogen ;  man  madite 
vielleicht  eine  Zusammenstellung  des  Verwandten ,  und  so  entstanden  Bücher, 
die  zuletzt  dem  Epicharm  selbst  beigelegt  wurden.  Mit  den  ärztlichen  Auf- 
zeichnungen des  Epicharmos  stehen  bei  Diogenes  gnomische  und  physische  zu- 
sammen, die  natürlich  ebenfalls  nur  aus  seinen  Komödien  genommen  sind. 

Noch  in  anderer  Weise  ist  der  Name  Epicharm's  berühmt  geworden.  Er 
theilt  mit  Simonides  den  Ruhm,  mehrere  Buchstaben  zuerst  dem  Alphabet  ein- 
gefügt zu  haben.  Es  handelt  sich  um  die  Einführung  der  langen  Yocale  H  und 
Q,  sowie  der  Gonsonanten  Z ,  6,  E,  X,  W,  die  bald  dem  einen,  bald  dem  an- 
deren zugeschrieben  wird.  Es  scheint,  dass  die  Attiker  in  den  Werken  dieser 
beiden  Dichter  einige  der  genannten  Zeichen  zuerst  fanden,  während  dieselben 
bei  den  loniem  und  Doriem  schon  im.  Gebrauche  und  also  nicht  etwa  von  jenen 
Männern  erfunden  waren. 

Epicharmos  war  nicht  der  einzige,  der  damals  in  Sicilien  Lustspiele  dich- 
tete. Mehrfach  wird  von  den  Alten  mit  ihm  zusammen  genannt  Phormis  oder 
Phormos.  Er  war  Freund  des  Gelon  und  Erzieher  seiner  Kinder,  und  es  ist 
ziemlich  wahrscheinlich,  dass  es  derselbe  Phormis  war,  den  wir  als  Feldherm 
der  Deinomeniden  kennen  gelernt  haben ,  und  der  Gaben  nach  Olympia  und 
Delphi  schickte ;  dann  wäre  also  auch  dieser  Lustpieldichter  ein  Fremder  von 
Gebmt  gewesen.  Als  Titel  seiner  Stücke  werden  angeführt :  Admetos,  Alkinoos, 
Halkyones  (?),  Ilion's  Zerstörung,  das  Boss  (natürlich  das  trojanische),  Kepheus, 
Kephalaia  (?],  Perseus.  Sie  scheinen  sämmtlich  mythologische  Travestien  ge- 
wesen zu  sein.  Es  werden  dem  Phormis  Neuerungen  in  der  scenischen  Aus- 
stattung der  Stücke  beigelegt.  Ausserdem  wird  Deinolochos  angeführt,  der 
bald  Sohn ,  bald  Schüler ,  bald  Nebenbuhler  des  Epicharmos  heisst.  Ais  Titel 
seiner  Stücke  finden  wir  genannt :  Telephos.  die  Amazonen,  Medea,  Aithaia, 
endlich  den  eigenthümlichen  Titel  Komodotragodia. 

Die  äusseren  Bühnenverhältnisse  in  Syrakus  zu  Hieron's  Zeit  haben  wir 
uns  nach  athenischem  Muster  geregelt  zu  denken.  Denn  während  in  Syra- 
kus die  Bühne  erst  gegründet  wurde ,  war  in  Athen  bereits  eine  bedeutende 
Höhe  erreicht,  und  Aischylos,  der  nach  Syrakus  kam,  musste  Alles,  was  man 
in  seiner  Heimat  in  scenischer  Beziehung  besass,  auch  in  Sicilien  heimisch 
machen.  Ob  es  zu  Hieron's  Zeit  in  Syrakus  bereits  ein  festes  Theater  gab,  oder 
ob  die  Komödien  und  Tragödien  auf  provisorischen  hölzernen  Gerüsten  auf- 
geführt wurden  ,  lässt  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  entscheiden.  Sophron ,  der 
30 — 40  Jahre  später  lebte,  ervv'ähnte  den  Baumeister  des  syrakusanischen 
Theaters,  einen  gei^issen  Demokopos,  der,  weil  er  später  mit  Salben  han- 
delte (?),  den  Beinamen  Myrilla  erhielt.  Es  ist  nun  sehr  wohl  möglich,  erstens, 
dass  das  doch  wohl  steinerne  Gebäude,  das  Demokopos  errichtet  hatte,  schon 
zu  Hieron's  Zeit  in  Gebrauch  war,  und  zweitens,  dass  es  eben  das  Theater  ist, 
dessen  Ueberreste  noch  jetzt  in  Syrakus  sich  finden.  Freilich  wäre  im  letzteren 
Falle  eine  spätere  Ei^iveiterung  und  Verschönerung  des  Bauwerkes  anzunehmen, 
dessen  Inschriften  vielmehr  auf  die  Zeit  des  zweiten  Hieron  und  das  dritte 
Jahrhundert  vor^Chr.  hinweisen.    Ich  werde  deshalb  auch  erst  später  von  dem 


Sicilische  Bühne.  Xenophanes.  239 

syrakusanischen  Theater  sprechen  und  bemerke  hier  nur,  dass  es  immer  nur 
eins  gegeben  zu  haben  scheint.  Während  nun  die  äusseren  Verhältnisse  der 
Tragödie,  die  Aufführung,  die  Bühne  und  ihre  Ausschmückung  u.  s.  w.  im 
Wesentlichen  in  Syrakus  dieselben  gewesen  sein  müssen  wie  in  Athen ,  sind 
für  die  Komödie ,  die  ja  von  der  attischen  in  manchen  Beziehungen  abwich, 
mancherlei  verschiedene  Einrichtungen  denkbar.  Leider  ist  darüber  nur  wenig 
bekannt.  Es  gab  fünf  Richter ,  welche  die  Lustspiele  beurtheilten ,  also  einen 
dramatischen  Wettkampf  wie  in  Athen,  und  von  Phormis  wird  berichtet,  dass 
er  den  Schauspielern  lange,  bis  auf  die  Füsse  reichende  Gewänder  gab  und  die 
Scene  mit  purpurroth  gefärbten  Fellen  ausschmücken  Hess.  Aber  wir  wissen 
nicht,  bei  welchen  Festen  die  theatralischen  Aufführungen  Statt  fanden ,  und 
wie  viele  Schauspieler  in  den  Stücken  des  Epicharmos  und  der  anderen  Ko- 
miker auftraten.  Dass  ein  Chor  auf  der  Bühne  erschien ,  ist  deshalb  wahr- 
scheinUch ,  da  Gesang ,  Tanz  und  lärmende  Aufzüge  in  vielen  Lustspielen  des 
Epicharmos  vorkommen  mussten.  Nur  mag  er  mehr  als  in  der  attischen  Ko- 
mödie der  Fall  war,  in  die  Handlung  eingegriffen  haben.  In  der  Sphinx  des 
Epicharmos. fordert  Jemand,  dass  das  Lied  der  Artemis  Ghitonea  gespielt  werde, 
deren  Fest  mit  besondem  Tänzen  gefeiert  wurde;  in  einem  andern  Stücke, 
dass  man  Hirtenlieder  auf  der  Flöte  blasen  solle ;  von  dem  Waffentanz,  zu  dem 
Athene  die  Flöte  spielte,  und  von  dem  bakchischen  Aufzuge  in  den  Komasten 
ist  schon  die  Rede  gewesen.  Während  sonst  trochäische  und  iambische  Vers- 
masse bei  Epicharm  vorherrschten,  waren  einige  Stücke,  wie  z.  B.  die  Gho- 
reuontes,  durchweg  in  Anapästen  geschrieben,  was  ebenfalls  vermuthen  lässt, 
dass  viel  Tanzbewegung  in  ihnen  vorkam. 

Die  sicilische  Komödie  hat  nach  Hieron  keine  besonders  inhaltreiche  Ge- 
schichte mehr ;  wir  werden  nur  noch  von  Sophron  zu  sprechen  haben. 

Zu  den  bisher  genannten  Dichtem  uöd  Weisen ,  die  Hieron's  Hof  verherr- 
lichten ,  kommt  endlich  noch  ein  Mann ,  von  dem  schon  früher  die  Rede  war : 
der  Philosoph  Xenophanes.  Wir  wissen,  dass  er  ein  Gegner  der  Volksreligion 
und  ihrer  Bibel ,  des  Homer ,  war.  Er  zog  sich  dadurch  von  Hieron  eine  zu- 
rechtweisende Antwort  zu,  welche  zeigt,  dass  es  dem  Tyrannen  nicht  an  Witz 
fehlte.  Als  Xenophanes  sich  bei  ihm  beklagte,  dass  er  zu  arm  sei,  um  auch 
nur  zwei  Diener  halten  können,  antwortete  ihm  Hieron:  »Und  Homer,  den  du 
fortwährend  schmähst,  hat,  obwohl  er  schon  lange  todt  ist,  noch  immer  deren 
unzählige  U  womit  er  auf  die  vielen  Rhapsoden  anspielte,  die  sich  vom  Vortrage 
der  Homerischen  Gedichte  nährten.  Aus  dieser  letzten  Zeit  des  langen  Lebens 
des  Xenophanes  stammen  seine  Gedichte  in  elegischem  Versmass,  von  denen 
einige  Bruchstücke  erhalten  sind.  Eins  zeigt  uns  den  Dichter  im  Alter  von 
9S  Jahren,  ein  anderes  spricht  eine  Gesinnung  aus,  welche,  edel  wie  sie  ist, 
doch  zu  der  an  Hieron*s  Hofe  und  überhaupt  unter  den  Griechen  herrschenden 

Richtung  in  schroffem  Gegensatze  steht.  Xenophanes  sagt: 

Denn  wenn  im  Wettlauf  sich  den  Kampfpreis  Einer  erränge, 

Oder  im  Fünfkampf  auch,  dort  in  dem  Haine  des  Zeus, 
Nahe  beim  Pisastrom  in  Olympia,  oder  als  Ringer, 

Oder  als  Held  in  des  schmerzbringenden  Faustkampfs  Kunst, 
Ja,  im  Pankration  selbst,  in  dem  Grau'n  einflössenden  Kampfe, 

Und  von  den  Bürgern  der  Stadt  ehrend  nun  würde  bestaunt, 


Drittes  Buch.    11.  Hieran. 

'ind  vor  Aller  Augen  den  Vorsitz  erhielte  beim  Wellspiel, 

Und  auf  Kosten  der  Stadl  würde  genährt  and  gespeist, 
ind  ein  Ehrengeschenk  empGngc  zu  küstlichem  Kleinod, 

Wenn  or  mit  Rossen  sogar  alle  die  Ehron  gewann',  — 
Well  niclit  war'  er  so  wüixlig  wie  ich.  Dean  mehr  als  die  SlSrke 

Mannes  wie  Rosseg,  ist  doch  unsere  Weisheit  von  Werlb; 
Ind  ganz  nichtig  und  leer  ist  der  Wahn,  der  höchlich  mit  Unrecht 

Ziehet  die  leibliche  Kraft  trefflicher  Weisheit  vor. 
als  ob  der  arme  Philosoph  dem  reichen  Olympiasieger,  dem  Herr- 
idt  zeigen  wollt« ,  wie  nichtig  alle  die  Dinge  sind ,  wegen  deren 
lakchylides  ihn  mit  hohen  Worten  zu  preisen  pflegten  ?  Man  kann 
irst«]len,  dass  Xenophanes  nicht  in  grosser  Gunst  bei  Ilieron  stand, 
sei-  seine  sonstige  Freigebigkeit  gegen  ihn  nicht  sonderlich  bewies, 
denn ,  dass  er  zuletzt ,  nachdem  er  zwei  seiner  Söhne  begraben, 
ie  Hildthatigkeil  iweier  Pjthagoreer  sein  Loben  gefiistet  habe. 
II  er  noch  das  Aufkommen  des  Empedokles  erlebt  haben ,  und  es 
,  als  einst  der  junge  Äkragantiner  die  Bemerkung  machte :  »Ein 
hwer  zu  finden,«  er  treffend  genug  darduf  erwiderte  :  »Sehr  wahr, 
Lcn  Weisen  erkennen  will,  der  niuss  selbst  ein  Weiser  sein.« 
Inner,  Simonides,  Bakchylides,  Pindar,  Aischylos,  Epicharmos  und 

zu  denen  vielleicht  noch  der  bald  zu  erwähnende  Kontx  zu  rech- 
ii\e ,  haben  über  den  Hof  Uieron's  einen  grossen  Glanz  verbreitet, 
e  Künstler  sich  an  demselben  aufgehalten  hätten ,  ist  nicht  Uber- 
0  aber  die  Vermuthung  nicht  gestattet  seia,  dass  der  BhegiDer 
Ir  Hieron  gearbeitet  hat?  Dieser  Bildner  wirkte  um  Ol.  73 — 80 ; 
Esonders  in  der  Darstellung  von  Athleten liguren  ausgezeicboet.  So 
stylos  gebildet,  von  dem  alsbald  die  Bede  sein  wird ;  den  Eulhy- 
L  Lande  der  Epizeph yrischen  Lokrer,  der  Ol.  7i,  76,  77  im  Fausl- 
.ympia  siegle;  den  Leontiskos  aus  Messana  und  Andere.  Auch 
i  schuf  er ;  voriugsweise  berühmt  war  aber  sein  in  Syrakus  be- 
ikender,  wie  ihn  Plinius  nennt  (oßenbar  ist  Philoktet  gemeint) ,  der 
largeslellt  war,  dass  die  Beschuuer  den  Schmerz-mit  zu  empfinden 
s  wäre  nicht  unmöglich ,  dass  diese  Statue  sich  seit  aller  Zeil  in 
inden  hätle  und  auf  Veranlassung  Hieron's  gearbeitet  wäre.  Ob 
idere  ausgezeichnete  Griechen  auf  kurze  Zeit  nach  Syrakus  kamen, 
hl  überliefert ;  denn  es  ist  nicht  wahrscheinlich ,  was  Einige  im 
baupleten,   ohne  freilich  rechten  Glauben  dafür  zu  finden,  dass 

,  als  er  aus  Athen  flüchten  musste,  zu  Hieron  gegangen  s^.    Er 

es ,  den  Herrscher  von  Syrakus  um  die  Hand  seiner  Tochter  — 
jt  Nichts  bekannt  ist  —  gebeten  und  ihm  als  Gegendienst  \er- 
n  die  Griechen  zu  unterwerfen,  und  erst  als  Hieron  sich  geweigert, 
des  Themistokles  zu  erfüllen,  sei  der  Verbannte  nach  Persien  ge— 
)  Erzählung  scheint  nur  zti  dem  Zwecke  erfunden  zu  sein,  um  die 

des  berühmten  Atheners  recht  lebhaft  vor  Augen  zu  fühi-en.  Es 
dahin  gekommen,  dass  er  bei  seinen  Feinden  Hülfe  und  Beistand 
«.  Deshalb  musste  er,  bevor  er  zu  seinem  Hauptfeind,  dem  per— 
;,  ging,  es  bei  einem  anderen,  weniger  machtigen  Feinde  ver— 


Hieron  und  die  Hellenen.  241 

suchen.  Es  war  nämlich  Themistokles  selbst  gewesen,  der  sich  in  einer  Hieroo 
besonders  empfindlich  treffenden  Weise  als  Gegner  des  syraknsanischen  Ftii^ten 
hingestellt  hatte.  Wir  wissen ,  wie  viel  Gewicht  Hieron  auf  Siege  in  den  grie- 
chischen Spielen,  zumal  in  den  olympischen,  legte.  Als  er  nim,  wahrscheinlich 
Ol.  77,  seine  Rosse  nach  Olympia  geschickt ,  trat  Themistokles ,  der  sich  dort 
eingefunden  hatte,  um  sich  von  den  versammelten  Griechen  als  Sieger  von 
Salamis  bestaunen  zu  lassen,  auf  das  heftigste  gegen  ihn  auf;  er  verlangte, 
das6  sein  Zelt  niedergerissen,  seine  Rennpferde  vom  Wettkampf  ausgeschlossen 
werden  sollten ;  Hieron  sei  nicht  wUrdig,  unter  den  Hellenen  der  Ehre  sich  zu 
erfreuen,  da  sein  Geschlecht  ihnen  seinen  mächtigen  Beistand  gegen  die  Perser 
versagt  habe.  Des  Themistokles  Heftigkeit  war  freilich  erfolglos;  man  Hess 
Hieron's  Rosse  beim  W^ettkampfe  zu,  und  der  Fürst  siegte,  wie  wir  wissen,  mit 
dem  Rennpferde.  Wie  hatte  man  auch  einen  der  Sieger  von  Himera  aus  der 
Festversammlung  von  Olympia  fortweisen  dürfen  ?  üeberdies  musste  das  deut- 
liche Bestreben  Hieron's,  unter  den  Griechen  des  Mutterlandes  Glanz  zu  entfalten 
und  Ehren  zu  gewinnen,  ihrem  Stolze  schmeicheln.  Hieron  hatte  schon  Ol.  73 
einen  Sieg  mit  dem  Rennpferde  in  Olympia  gewonnen;  Ol.  78  hat  er  endlich 
daselbst  den  langersehnten  grössten  Sieg  errungen,  den  mit  dem  Viergespann. 
Seine  übrigen  Siege,  von  denen  man  weiss,  waren :  in  Delphi  Py  Ih.  26  und  27  mit 
dem  Rennpferd,  Pyth.  29  (Ol.  76,  3)  mit  dem  Viergespann  und  noch  einmal  in 
unbestimmter  Zeit  mit  Mauleseln ;  endlich  nach  wahrscheinlicher  Vermuthung 
in  Theben  mit  einem  Viergespann  junger  Pferde.  Bei  seinen  drei  olympischen 
Siegen  hat  er  drei  verschiedene  Städte  als  seine  Heimat  angegeben  :  das  erste 
Mal  Gela,  das  zweite  Mal  Syrakus,  das  dritte  Mal  Aetna.  Hieron  suchte  das 
Andenken  seiner  Siege  dadurch  zu  verewigen ,  dass  er  s^in  Viergespann  und 
seine  Rennpferde  in  Erzgruppen  von  den  berühmten  Künstlern  Kaiamis  und 
Onatas  in  Olympia  aufstellen  liess.  Ueberhaupt  legten  die  sicilischen  Fürsten 
und  Städte  grossen  Werth  darauf,  in  Griechenland  durch  glänzende  Geschenke 
an  die  Heiligthümer  sich  bekannt  und  beliebt  zu  machen.  Schon  Gelon ,  der 
Ol.  73  mit  dem  Viergespann  in  Olympia  gesiegt  hatte,  hatte  dafür  einen  Wagen 
und  eine  Statue,  Werke  desGlaukias,  geweiht.  Dass  Phormis  Tempelgaben 
nach  Hellas  schickte,  haben  wir  schon  oben  erwähnt;  ähnlich  machte  es  der 
Syrakusaner  Lykortas,  der  eine  ihn  selbst  im  Kampfe  mit  mehreren  Feinden 
darstellende  Gruppe  nach  Olympia  stiftete.  Die  Stadt  Gela  hatte  an  den  Ufern 
des  Alpheios  ihr  eigenes  Schatzhaus,  in  welchem  auch  die  Weihgeschenke  der 
Familie  Gelon's  aufbewahrt  wurden,  und  als  der. Sieg  bei  Himera  gewonnen 
war,  da  ward  in  Olympia  ein  besonderes  Schatzhaus  errichtet  für  die  aus  dieser 
Veranlassung  dahin  gesandten  Weihgeschenke  und  Beutestücke ,  welches  den 
Namen  des  Schatzhauses  der  Karthager  erhielt.  Wie  Gelon  dem  delphischen 
Gotle  seine  Verehrung  bezeugte,  haben  wir  schon  gesehen;  dieselben  Ge- 
schenke eines  goldenen  Dreifusses  und  einer  Siegesgöttin  wurden  auch  von 
Hieron  nach  Delphi  geschickt.  Hier  trug  die  Mühe,  welche  sich  der  Fürst  geben 
musste,  die  nöthige  Masse  Goldes,  das  selten  war,  herbeizuschaffen,  dazu  bei, 
den  Werth  des  Geschenkes  zu  erhöhen.  Das  kostbare  Metall  wurde  endlich  in 
Korinth,  dem  Mittelpunkte  des  Grosshandels,  von  den  Bevollmächtigten  Hieron^s 

flolm,  GMch.  BieUiens.  I.  4  8 


242  Drittes  Buch.    11.  Hieron. 

bei  Ai-chiteles  gekauft.   Der  Kaufmann  gab  noch  eine  Hand  vollGoldes-xu,  wo- 
für ihm  Uieron  ein  SclutT  niil  Getreide  und  andere  Geschenke  übersandte. 

Von  demselben  Wunsche ,  Sicilien  zu  verherrlichen,  geleilel,  halt«  einst 
HieroQ  den  Kroloniaten  Astylos,  der  Ol.  73  im  Lauf  zu  Olympia  gesiegt  hatte, 
bewogen,  sich,  als  er  zum  zweiten  und  dritten  Male  Ol.  7i  und  7ä  siegle,  einen 
Syrakusaner  zu  nennen ,  wofllr  die  Krotoniaten  ihn  dadurch  straften ,  dass  sie 
sein  Haus  zum  öffentlichen  Gelängnisse  machten  und  seine  im  Tempel  der  laki- 
nischcn  Hera  stehende  Bildsüule  fortnahmen.  Eine  andere  ihn  darstellende 
Statue,  von  der  Hand  des  Pythagoras  verfertigt,  stand  in  Olympia. 

Wir  kehren  jetzt  zu  den  letzten  Begentenbandluogen  des  Tyrannen  zurück. 
Ihm  war  noch  ein  grosser  Triumph  in  seiner  kurzen,  aber  an  Erfrig  reichen 
Horrscherlaufbohn  beschieden.  Nach  sechszehnjahriger  Regierung  starb  Ol.  77, ) 
oder  richtiger  wohl  76,  4  (473  vor  Chr.)  Theron  von  Akragas ,  wegen  seines 
IrefHichen  Charakters  und  seiner  milden  Gesinnung  nach  seinem  Tode  von  den 
Bewohnern  der  SUidt  als  Heros  verehrt.  Ihm  folgt«  sein  ihm  unähnlicher  Sohn 
Thrasydaios ,  dessen  Grausamkeit  schon  früher  einmal  cUe  Himeräer  zur  Ver^ 
zweiflung  getrieben  hatte.  Dieser  Mann,  von  den  Akragantinem  und  den  Hime- 
rtiem,  die  er  beherrschte,  gebasst,  aber  im  Besitz  einer  grossen  Söldnerschaar, 
glaubte  seine  unsichere  Herrschaft  durch  auswärtige  Kriege  befestigen  zu  mtls- 
s.in  und  sammelte  mehr  als  S0,000  Mann,  um  gegen  Spakus  zu  ziehen. 
Ilieron  kam  ihm  jedoch  mit  seinem  Angriff  zuvor.  In  der  Schlacht,  die  am 
Flusse  Akragas  geliefert  zu  sein  scheint,  und  in  der  auf  syrakusantscber  Seite 
gegen  SOOÖ,  auf  akragantinischer  mehr  als  iOOO  Mann  fielen  —  meistens  Hel- 
lenen, wie  Diodor  bemerkt  —  siegte  Hieron.  Diese  Niederlage  ihres  Tyrannen 
halte  einen  erfolgreichen  Aufstand  der  Akragantiner  und  Himeräer  lur  Folge. 
Thrasydaios  floh  nach  dem  nisUischen  M^ara ,  wo  er  jedoch ,  slatl  freundliche 
Aufnahme  zu  finden,  zum  Tode  verurtheill  und  hingerichtet  wurde.  Die  Akra- 
gantiner ordneten  ihre  Verfassung  —  es  wurde  eine  unvollkommene  Demo- 
kratie —  und  vortrugen  sich  mit  Hieron ,  der  keine  direkte  Herrschaft  über  sie 
beanspruchte.  Auch  die  Himeräer  scheinen  ziemlich  selbständig  geworden 
zu  sein. 

Auf  die  Zustande  in  diesen  beiden  Städten  nach  ihrer  Befreiung  vom  Joche 
■  des  Thrasydaios  beziehen  sich  zwei  Oden  Pindar's,  die  zwölfte  Olympische  und 
die  zweite  Isthmische.  Jene  feiert  den  Sieg,  welchen  iu  der  77.  Olympiade  Er- 
{^fttcles  von  Himera  im  Laufe  errungen  halt«,  der,  aus  Knossos  in  Kreta  gebürtig, 
bereits  vor  einiger  Zeit  nach  Sicilien  tlbei^esiedelt  war,  Sie  beginnt  mit  einem 
Gebet  an  die  Tyche,  welche  der  Dichter  das  Kind  dos  Zeus  Eleutherios  nennt 
—  damit  auf  die  Befreiung  der  Stadt  von  der  Tyrannei  anspielend  —  ,  die  die 
Schiffe  auf  der  See  steuert,  den  Krieg  und  die  Versammlungen  lenkt,  dass  sie 
das  mUcbtige  Himera  umschweben  mOge.  Dann  spricht  Pindar  von  der  Unmt^- 
lichkeit,  die  Zukunft  zu  ermessen ,  und  den  unerwarteten  Wechself^illen ,  die 
liüufig  im  Menschenleben  eintreten,  und  macht  zuletzt  die  Anwendung  davon 
auf  Ergoteles : 

Wahrlich,  o  Sohn  des  Phiionor,  wie  dem  Halme, 

Welcher  im  Hofe  daheim  kümpfl,  wäre  dir  der  Küsse  Ruhm 

Uogekrtjnt  om  heimischen  Heerd  in  die  LUrie  verwebt. 


Pindar's  zweite  Islhm.  Ode.  Mikythna.  243 

Wenn  müDnerempörender  Streit  dir  Dicht  die  Heimat  Knossoa  raubte. 
Aber  nun,  bekrSnzt  In  Olympia,  zu 
Pytho  uweimal,  und  am  Isthmos,  preisest  du  wohl 

Deiner  Nymphe  warmen  Born,  Ergoteles,  wandcNid  aot  den  eig'nen  Floren. 
Die  Bewohner  von  Himora,  des  »warmen  Borns  der  Njmphena,  musst«n  auch 
das  als  eine  besondere  Anspielung  des  Dichters  nehmen,  dass  er  ihren  Mitbürger 
mit  dem  Hnhn  verglich,  der  das  auf  den  Mllnzen  dai^esteüle  Abiieicheu  der 
Stadt  bildete,  die  in  demselben  Jahrhunderte  noch  einen  ihrer  Bürger,  Krison, 
dreimal  als  Sieger  im  Lauf  zu  Olympia  gekrönt  sah  [Ol.  83—85)  und  bereits 
Ol,  6fi  dem  Himeräer  Ischyros  dieselbe  Ehre  hatte  zu  Theil  werden  sehen. 

Wührend  in  dieser  Ode  l^ndar  durch  die  Erwähnung  des  Zeus  Eieutherios 
sich  entschieden  auf  die  Seit«  der  Gegner  des  Emmenidcnhauses  in  Himera 
stellt,  vermeidet  er  eine  jede  Parteinahme  in  der  zweiten  Isthmischen  Ode, 
welche,  wie  schon  die  sechste  Pjlhische,  theron's  Bruder  Xenokrates  feiert, 
abei'  zu  einer  Zeit,  als  er  schon  todt  war,  und  wie  diese  an  den  Sohn  des  Xeno- 
krates, Thrasjbulos ,  gerichtet  ist.  Es  ist  ein  webmUthiger  Rückblick  auf  die 
Thütigkeit  und  die  Verdienste  des  Xenokrates  bei  Gelegenheit  der  wiederkeh- 
renden Feier  eines  von  ihm,  der  auch  Oi.  71 ,  3  einen  Pythischen  und  ausserdem 
einen  Panathenai sehen  Sieg  errungen  hatte,  bereits  vor  Ol.  76  gewonnenen 
Islhmischen  Sieges: 

Im  Verketir  der  Bürger  war  er  grossgeacbtet, 
Und  nach  dem  Gebrauch  der  Helleneo  vielgewandt  in  Rossezucht; 
Alle  GOttermahle  pflegt'  er  mit  Andacht,  und  an  dem  gastlichen  Tisch 
Liess  der  Wind  ihn  nie  mit  Stunneshauche  daii  Segel  lurückzieh'n.  — 
Darum  fordert  der  Dichter  den  Thrasybulos  auf,  dass  er  nimmer  von  der  Tu- 
gend seines  Vaters  schweigen  solle,  noch  von  diesem  Lied;  nich  habe  es,«  sagt 
er,  »nicht  verfasst,  auf  dass  es  slumm  hier  ruhe  bei  mir.u    Wenn  Pindar,  wie 
man  annimmt,  diese  beiden  Oden  unter  dem  Einflnss  Hieron's  dichtete,  so 
würde  dessen  Einwirkung  auf  Akragas  und  Himera  sich  im  Allgemeinen  als 
eine  milde  ei'weisen. 

Doch  mussten  einige  Akragantiner  und  Himerüer  in  die  Verbannimg  gehen, 
wob)  nicht  blos  solche,  die  einer  republikanischen  Verfassung  dieser  Städte 
widerstrebten ,  sondeni  vor  allen  Dingen  die ,  welche  Hieron  als  seine  Feinde 
betrachtete.  Denn  in  Wirklichkeil  war  der  Tyranö  von  Syrakus  der  Gebieter 
von  ganz  Sicilien.  Er  genoss  seine  Macht  noch  einige  Jahre.  Die  letzte  poli- 
tische Thütigkeit,  die  uns  von  ihm  berichtet  wird,  bezog  sich  auf  fihegion. 
Diese  Stadt  hatte  vor  kurzer  Zeit  —  um  *73  —  ein  grosses  Unglück  betroffen, 
Sie  halte  den  Tarentinem  gegen  die  lapygier  beigestanden,  welche,  ungeföhr 
30, OüO  Mann  stark  ,  sie  bedrohten ;  aber  die  lapygier  hatten  sie  besiegt,  und 
von  den  Bheginem  waren  etwa  3000  gefallen.  Die  lapygier  sollen  sogar  bei 
der  Verfolgung  der  Hüchligen  Bhegincr  mit  diesen  zugleich  in  Bhegion  ein- 
gedrungen sein.  Dennoch  finden  wir  hier  nach  der  Niederlage  der  lapygiei'  wie 
vor  derselben  die  Herrschaft  in  den  Hunden  des  Mikythos,  des  Vormundes  der 
Söhne  des  Anaxüas.  Dieser  mochte  nun  wohl  dem  Hieron ,  der  natUr|^b  auch 
in  Hessana  und  Bhegion  den  Herrn  spielen  wollte,  sich  nicht  gefügig  genug 
erweisen;  wie  dem  auch  sein  mag,  Hieron,  der  eine  Tochter  des  AnaKÜas  zur 
Frau  gehabt  hatte,  Hess  seine  Schwäger  nach  Syrakus  kommen  und  trieb  sie 


244  Drittes  Buch.    II.  Hieron. 

an ,  von  ihrem  Vormunde  Rechenschafi  zu  verlangen  und  selbst  die  Herrschaft 
über  Rhegion  und  Messana  zu  übernehmen.  Mikythos  versammelte  die  Freunde 
der  Herrscherfamilie  und  legte  vor  ihnent  Rechenschaft  über  seiAe  Verwaltung 
ab.  In  allen  Stücken  wies  die  Prüfung  seine  Ehrlichkeit  und  Tüchtigkeit  nach, 
so  dass  die  Söhne  des  Anaxilas,  t^ereuend,  dem  ihnen  eingeflössten  Vei*dachte 
Worte  geliehen  zu  haben,  ihn  ersuchten,  die  Regentschaft  noch  länger  zu  führen. 
Er  aber  weigerte  sich  dessen,  übergab  das  ihm  Anvertraute  den  Prinzen, 
brachte  seine  eigene  Habe  zu  Schiff  und  verliess,  von  den  Segenswünschen  des 
Volkes  begleitet,  die  von  ihm  treu  verwaltete  Stadt,  deren  Macht  er  noch  durch 
die  Gründung  einer  Kolonie  in  der  Stadt  P^'xus  ausgebreitet  hatte.  Er  ging 
nach  Tegea  in  Arkadien,  wo  er  seine  letzten  Jahre  verlebte.  Dies  geschah 
Ol.  78,  2  —  467  vor  Chr.  —  Noch  in  demselben  Jahre  starb  Hieron  in  seiner 
Stadt  Aetnä  nach  einer  Regierung  von  nur  i  i  Jahren ,  und  es  wurden  ihm  die 
Ehren  eines  Heros,  nach  denen  er  getrachtet  hatte,  zu  Theil. 

Von  Hieron's  Privatleben  ist  ausser  dem ,  was  schon  durch  die  Dichter  zu 
unserer  Kenntniss  gekommen  ist.  Nichts  überliefert.  Er  hat  drei  Gemahlinnen 
gehabt.  Die  erste  war  die  Tochter  des  Syrakusaners  Nikokles,  die  Mutter  des 
Deinomenes,  die  zweite  die  Tochter  des  Anaxilas  von  Rhegion,  die  dritte  end- 
lich eine  Brudertochter  Theron's. 

Wir  haben  in  der  Schilderung  der  culturhistorischen  Seite  der  Hieroniscben 
Zeit  nur  der  Literatur  gedacht,  die  in  der  engsten  Beziehung  zum  Leben  der 
Fürsten  wie  des  Volkes  stand ,  und  müssen  nun  noch  von  der  bildenden  Kunst 
reden ,  in  der  der  Einfluss  eines  Einzelnen  nicht  so  deutlich  hervortritt  und 
Syrakus ,  das  in  der  Literatur  die  andern  sicilischen  Städte  fast  ganz  in  den 
Schatten  drängte,  für  uns  wenigstens  nicht  einmal  mehr  den  ersten  Rang  ein- 
nimmt. Es  war  der  glückliche  Ausgang  des  Krieges  mit  den  Karthagern,  wel- 
cher der  bildenden  Kunst  in  Sicilien  einen  mächtigen  Anstoss  zu  herrlichen 
Schöpfungen  gab.  In  jenen  Zeiten  hatten  alle  Kunstwerke  eine  mehr  oder  we- 
niger enge  Beziehimg  zur  Religion.  Nun  hatte  man  einerseits  alle  Ursache,  den 
Göttern  für  die  Rettung  aus  grosser  Gefahr  zu  danken;  und  andererseits  lieferten 
das  Beutegeld  und  die  Kriegsgefangenen  die  Mittel ,  die  von  den  Künstlern  in 
patriotischer  Begeisterung  entworfenen  Werke  wtlrdig  auszuführen.  So  kam  es, 
dass  damals  in  den  hellenischen  Städten  der  Insel  eine  Menge  neuer  Tempel 
erstanden,  von  denen  einige  erst  später  ausgebaut  und  vollendet  sein  mögen. 

Wir  haben  schon  der  Gründung  mehrerer  Heiligthümer,  besonders  in  Sy- 
rakus, gedacht,  von  denen  jedoch  keine  Ueberreste  vorhanden  sind.  Dagegen 
giebt  es  in  und  bei  dieser  Stadt  die  Reste  von  zwei  Tempeln,  deren  Anlage  der 
gegenwärtigen  Zeit  angehören  wird.  Es  ist  zunächst  derjenige,  aus  welchem 
das  christliche  Syrakus  seine  Kathedrale  gemacht,  und  den  es  der  S.  Maria  deile 
colonne  gewidmet  hat,  wegen  der  antiken  Säulen,  die  in  die  modernen  Mauern 
aufgenommen  sind.  Der  Tempel  war  ein  Peripteros  mit  6  Säulen  in  der  Front 
und  14  an  den  Langseiten,  im  Ganzen  also  mit  36.  Er  erhebt  sich  auf  drei 
Stufen  ,#von  denen  die  unterste  in  der  Erde  begraben  und  die  oberste  so  zuge- 
schnitten ist,  dass  viereckige  Basen  unter  den  dorischen  Säulen  entstehen.  Er  ist 
aus  Kalkstein  erbaut,  einem  festeren,  als  der  zu  den  akragantinischen  Tempeln 
verwandte.   Der  Durchmesser  der  Säulen  ist  unten  p.  7,  9  oben  p.  5,  9,  6,  so 


Tempel  von  Syrekus.  245 

dass  die  Verjüngung  etwa  Y4  beiragt.  Sie  haben  20  Kanäle  und  eine  Höhe  von 
p.  33,  3  d.  h.  von  kaum  4  Y4  Durchmessern.    Die  Intercolumnien  sind  durch- 
schnittlich p.  5,  8,  3  breit,  die  den  Ecken  zunächst  befindlichen,  wie  gewöhn- 
lich, etwas  schmäler,  um  die  Triglyphen  an  die  Ecken  bringen  zu  können.  Das 
eigentliche  Tempelgebäude  hatte  vom  und  hinten  Anten  mit  je  zwei  Säulen 
dazwischen,  von  etwas  geringerem  Durchmesser  (p.  6,  9).  Die  Form  der  Kapi- 
tale gleicht  derjenigen  der  Tempel  A  und  G  der  Akropolis  von  Selinus ,  sowie 
der  Tempel  der  Hera  und  des  Kastor  und  Pollux  zu  Akragas.  An  der  Nordseite 
tragen  die  Säulen  noch  den  alten  Architrav  und  Fries  mit  seinen  Triglyphen, 
das  antike  Gesims  aber  ist  durch  mittelalterliche  Zinnen  ersetzt.    Als  man  den 
Tempel  in  eine  christliche  Kirche  verwandelte ,  machte  man  die  Peristyle  zu 
Seitenschiffen ,  die  man  durch  in  die  Cellamauem  gebrochene  Oeffhungen  mit 
dem  Mittelschiffe  verband.    Von  den  Säulen  des  Umgangs  stehen  noch  22,  von 
denen  9  der  Südseite  angehören.  Welcher  Gottheit  war  nun  dieser  Tempel  ge- 
weiht?   Die  syrakusanische  Ueberlleferung  sagt:  der  Athene,  deren  Tempel, 
nebst  dem  der  Artemis  in  Ortygia  vorzüglich  berühmt  war.    Aber  die  Lage  auf 
dem  höchsten  Punkte  der  Insel  und  in  grösserer  Nähe  der  Arethusa ,  als  das 
der  Artemis  gewöhnlich  zugeschriebene  Heiligthum,  hat  die  Yermuthung  er- 
weckt, dass  er  dieser  Göttin,  der  Hauptgottheit  der  Insel,  der  eigentlichen  Gott- 
heit der  heiligen  Quelle,  gewidmet  war,  und  wir  würden  ihr  unbedingt  zu- 
stimmen, wenn  nicht  Eines  dagegen  zu  sprechen  schiene.  Es  war  der  Gebrauch 
in  Sjrakus ,  dass  abfahrende  Schiffer  von  dem  Altar  der  Hera  einen  thönemen 
Becher  mitnahmen,  gefüllt  mit  Blumen  und  Weihrauch,    und  ihn  in's  Meer 
warfen,  sobald  der  auf  dem  Tempel  der  Athene  angebrachte  weithin  leuchtende 
Schild  ihren  Blicken  entschwunden  war.    Hiemach  hätte  man  anzunehmen, 
dass  dieser  das  Letzte  war,  was  man  von  Syrakus  sah,  dass  er  also  auf  dem 
höchsten  Gebäude  der  Insel  prangte ;  und  wenn,  was  doch  wahrscheinlich  ist, 
herrschende  Lage  und  Höhe  des  Baues  zusammentrafen,  so  war  die  jetzige 
Kathedrale  der  Tempel  der  Athene,  dessen  Pracht  Cicero  rühmt. 

Der  zweite  Tempel  von  Syrakus,  der  in  diese  Zeit  zu  gehören  scheint,  ist 
der  vor  der  Stadt,  südlich  vom  Anapos,  auf  einer  kleinen,  den  Hafen  beherr- 
schenden Anhöhe  gelegene  Tempel  des  Olympischen  Zeus ,  des  Zeus  Urios  — 
der  günstigen  Wind  spendet  —  ,   vne  der  Gott  auch  genannt  wurde.    Dass  an 
diesem  Orte,  dessen  Lage  wir  bereits  finher  geschildert  haben ,  schon  in  seiir 
alter  Zeit  Zeus  verehrt  wurde,  wissen  wir;  nichtsdestoweniger  ist  nach  den 
Ueberresten,  die  dort  sichtbar  sind,  anzunehmen,  dass  der  Tempel  in  der  ersten 
Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  vor  Chr.  erneuert  worden  ist.     Im  Anfange  des 
17.  Jahrhunderts  n.  Chr.  standen  noch  sieben  Säulen;  jetzt  sind  nur  noch  zwei 
Obrig,  von  denen  die  eine  der  Vordereeite ,  die  andere  der  Südseite  angehört. 
Es  sind  Monolithen,  die  eine  Höhe  von  p.  24,  9  haben.  Sie  haben  46  Kanäle  und 
einen  Durchmesser  von  p.  6,  40,  also  mit  den  Kapitalen  eine  Höhe  von  etwa 
*V2  Durchmessern.  Man  hat  deshalb  nicht  nöthig,  anzunehmen,  dass  die  Säu^ 
ienschäfte  nicht  in  ihrer  ganzen  Höhe  erhalten  seien,  zumal  da  schon  Mirabella 
dieselbe  auf  p.  55  angiebt.    Die  Intercolumnien  betragen  p.  8,  2.    Der  Tempel 
war  ein  Peripteros  mit  6  Säulen  Front ;  die  Zahl  der  Säulen  an  den  Langseiten 
ist  nicht  mehr  zu  bestimmen. 


;  Di'itt«s  Buch.    II.  Hieron. 

Aus  dieser  Zeit  slamml  in  Syrakus  endlich  nocli  ein  ^osser  Theil  der 
-'—"--'-gen  Kanäle,  welche  die  Stadt  mit  Trinkwasser  versoi%l«n,  und  deren 
t  vor  Kurzem  durch  Schubring  genauer  bekannt  geworden  ist.  Es 
i  grosse,  voneinander  unabhängige  Strömungen.  Die  eine,  not^h 
Indig  erhalten  und  benutzt ,  nimmt  Wasser  aus  dem  Anapos  in  der 
lortino  und  führt  es,  Iheilweise  unterirdist^h ,  theilweise  in  einem 
n ,  mit  Steinplatten  bedeckten  Kanäle  am  Anapos  entlang  nach  Bcl- 
cstlich  vom  alten  Syrakus ,  und  dann  auf  den  sttdiichen  Theil  der 
sehen  Epipolae  und  weiter  nach  dem  Theater  der  grossen  Stadt.  Die 
imt  vom  Crimilibei^e,  dem  alten  Thymbris,  wo  die  eigentliche  Quelle 
Ldeckt  ist.  Diese  Leitung  ist  durchweg  unteiirdiscb ;  als  Zeichen 
viereckigen,  lief  in  den  Fels  gehauenen  Luftlöcher,  die  20,  30,  ja 
nter  die  Erde  führen,  wo  der  Kanal  Mannshöhe  hat.  Sie  fuhrt,  sich 
in  der  anderen  ballend,  ebenfalls  nach  Belvedere  und  von  da  weiter 
lolac  nach  Tyche,  wo  sie  in  der  Bucht  von  Bonagia  ihr  Ende  findet, 
ie  fünf  Zweige  nach  Süden  geschickt  hat,  den  von  Tremiglia ,  den 
haeum,  den  bei  den  Hsusem  Stampatore  und  Pizzula  vorbeiftlhren- 
ich  bald  mit  dem  vorigen  vereinigt,  den  der  Lalomie  des  Paradieses, 
1  der  Latotnie  Novanlieri.  Von  diesen  Zweigen  werden  besonders  die 
itcß  dadurch  als  ziemlich  alt  erkannt,  dass  sie,  als  man  vielleicht  im 
derl  vor  Chr.  die  Latomien  Casale  und  del  Paradiso  anlegte,  zerstfirt 
andere  Kanüle  ersetzt  werden  mussten.  Da  nun  während  des 
Q  Krieges  bereits  grosse  Wasserleitungen  cxistirlen ,  so  ist  es  noth- 
izunehmen,  dass  wenigstens  zur  Zeit  Gelon's  und  Hieron's  die  widi- 
selben  ausgeführt  wurden.  Wir  dürfen  hier  daran  erinnern ,  dass 
,  dessen  Tyrann  Polykralcs  in  manchen  Beziehungen,  wie  z.  B.  auch 
B  Liebe  zur  Literatur,  Hieron  ahnlich  ist,  eine  grosse  und  berühmte 
ung  bestand ,  mit  der  der  siciliscbe  Tyrann  vielleicht  um  so  eher 
wollte,  da  vor  Kunem  Samier  nach  SiciUen  gekommen  waren,  die 
ehlet  haben  mochten.  Die  Samische  Wasserleitung  war  von  einem 
isgefUhrt  worden.  Vielleicht  waren  auch  unter  den  slcilischen  Mega- 
^asserbaues  kundige  Leute.  Der  Zusammenhang  der  syrakusanischen 
iingen  mit  der  Arcthusa  ist  noch  nicht  klar  nachgewiesen, 
■e  Ucberresle  aus  dieser  Zeit  finden  sich  in  Selinus.  Wenn  wir  die 
r  beiden  Tempelgruppen  dieser  Stadt  betrachten,  diejenige,  deren 
Trümmer  von  den  Bewohnern  der  Gegend  t  pilieri  dei  Giganti  ge- 
den ,  so  sehen  wir  in  der  Mitte  die  geringfügigen  Ruinen  eines  Tem- 
'on  dem  eine  Anzahl  Saulenslumpfe  sich  10—12  Fuss  hoch  erhebt. 
:l  war ,  wie  die  Uhrigen  sei  in  uniischen  und  die  meisten  sicllisc^en, 
^ros,  mit  6  Sauion  in  der  Fronf  und  1 4  an  den  Langseiten.  Wie  bei 
en  Tempel  derselben  Stadt  ist  die  Vorhalle  doppelt,  indem  eine  zweitr 
Säulen  hinter  der  ersten  parallel  mit  derselben  eingefügt  ist.  Gleich 
ser  zweiten  Säulenreihe  beginnen  Stufen,  welche  in  den  Pronaos 
r,  wie  beim  ältesten  Tempel,  nicht  von  Säulen  vorne  eingeschlossen 
rn  nur  eine  ThUrOffnung  in  der  Hauer  hat.  Ualbkrcisförmigc  Spuren 
>erfläche  der  Schwelle  zeigen,  dass  eine  Bronzcthür  sich  hier  befand. 


Tempel  F  in  Sellnos.  Seine  Melopen.  247 

die  sich  nach  aussen  öffnete.  Auch  bei  diesem  Tempel  ist,  wie  bei  den  älteren 
der  Stadt,  der  Abstand  des  Sdulenumganges  von  den  Cellamauern  ziemlich 
beträchtlich.  Die  Säulen,  deren  Durchmesser  p.  7,  4  beträgt,  haben  eine  Höhe 
von  35,  9,  also  iy^  Durchmesser.  Das  Gebälk  ist  ziemlich  schwer;  seine  Höhe 
beträgt  mehr  als  die  Hälfte  derjenigen  der  Säulen.  Das  Gesims  war  mit  Mäan- 
dern und  darüber  mit  Blättern  geschmückt,  die  sich  in  nur  sehr  geringem  Relief 
erheben ,  so  dass  sie  der  Hand  des  Malers  bedurften ,  um  von  unten  deutlich 
gesehen  zu  werden.  Wirklich  zeigen  Spuren  von  Roth,  Gelb  und  Grün,  die 
man  hier  gefunden  hat,  dass  das  Gesims  mit  diesen  Farben  bemalt  war. 

Wir  würden  nach  dem  soeben  Bemerkten  diesen  Tempel  für  ebenso  alt  zu 
halten  haben,  wie  die  beiden  früher  besprochenen  selinuutischen  Heiligthümer, 
wenn  nicht  die  von  Harris  und  Angell  1823  gefundenen,  diesem  Tempel  an- 
gehörigen  zwei  halben  Metopen  in  dem  Charakter  ihrer  Sculpturen  einen  be- 
deutenden Fortschritt  gegen  die  des  ältesten  Tempels  der  Burg  kund  thäten. 

Die  Metopenpldtten,  deren  untere,  einst  durch  metallene  Klammem  an  die 

oberen  befestigten  Hälften  allein  noch  erhalten  sind ,  gehörten  der  östlichen, 

also  der  Vorderseite  des  Tempels  an  und  füllen  die  zweite  und  dritte  Metopc, 

von  links  nach  rechts  vom  Beschauer  gerechnet.    Der  Tempel  hat  in  seinem 

Sturze  eine  solche  Regelmässigkeit  der  Lage  seiner  Tbeile  bewahrt ,  dass  man 

den  ursprünglichen- Ort  der  Platten  mit  Leichtigkeit  hat  erkennen  können.  Beicio 

Fragmente^ stellen  den  Kampf  einer  männlichen  und  einer  weiblichen  Figur  dar. 

Auf  der  ersten  ist  diese  bekleidet  mit  einem  langen  und  weiten  Chiton ,  über 

dem  ein  zweites  Gewand  liegt,  das  bis  zu  den  Knien  herabgeht,  aber  über  den 

Htiften  aufgeschürzt  scheint ,  und  ausserdem  noch  mit  einem  Mantel ,  der  in 

regelmässig  angeordneten  Zipfeln  über  die  beiden  Schultern  nach  vorn  hin- 

uDterfällf  und  nach  hinten  ausgebauscht  ist.  Sie  ist  im  Yorschreiten  gegen  ihren 

Feind  begriffen,  der  schon  umgesunken  ist,  und  dessen  rechtes  Knie  den  Boden 

berührt ;  während  er  seine  linke  Hand  auf  die  Erde  stützt ,  sucht  er  mit  der 

rechten  sich  gegen  die  Kriegerin  zu  vertheidigen.   Er  trägt  ein  kurzes  Gewand, 

ddtuber  einen  Panzer ;  eine  Schwertscheide  hängt  ihm  an  einem  Riemen  unter 

deni  linken  Arm ;  die  linke  Seite  der  Brust  bedeckt  Etwas ,  das  einem  Thier- 

felle  ähnlich  sieht;  hinter  ihm  ist  sein  Schild.    Die  zweite  Metope  stellt  einen 

ganz  ähnlichen  Kampf  dar.    Auch  hier  sieht  man  links  eine  weibliche  Gestall, 

ähnlich  wie  die  vorhin  geschilderte,   bekleidet  —  nur« geht  das  Obergewand 

niohi  bis  zu  den  Knien  — ,   welche  triumphirend  den  linken  Fuss  auf  den 

Schenkel  des  vor  ihr  niedergesunkenen  Kriegers  setzt,  der,  mit  Panzer  und 

kurzem  Gewand  bekleidet,  sich  mit  dem  linken  Ellenbogen  auf  den  am  Boden 

liegenden  Schild  stützt  und  den  rechten  Arm  abwehrend  in  die  Höhe  streckt. 

Doch  ist -er  schon  tödtlich  getroffen.    Sein  mit  einem  grossen  Helm  bedecktes 

Haupt  sinkt  zurück;    die  nur  noch  wenig  geöffneten  Augen,   der  mühsam 

athmeiide  Mund,  in  dem  man  die  Zähne  und  die  Zungenspitze  erblickt,  zeigen, 

dass  der  Tod  nahe  ist. 

In  diesen  Reliefs  ist  fast  die  Kunststufe  erreicht,  auf  der  die  beitihmlen 
aeginetischen  Bildwerke  stehen.  Wenn  sie  in  der  Darstellung  der  Körper  noch 
hinter  diesen  zurückbleiben ,  so  übertreffen  sie  sie  dagegen  durch  die  Auffas- 
sung des  Kopfes  des  sterbenden  Kriegers,  in  dem  der  Uebcrgang  vom  Leben 


DritteB  Buch.   II.   Hie: 

eschicke  angedeutel  ie 
tubuDg  vorgeschritten« 
^as  den  Inhalt  der  D; 

il  Giganten  unverkennbar  ;■  in  aer  ersien  wini  wanr- 
r  Athene  mit  Pallas ,  in  der  zweiten  vielleicht  der  der 
•geführt,  wenn  nicht  auch  hier  wieder  die  Siegerin 
!r  Besiegte  diesmal  Enkelados,  der  denn  Überwunden 
kannte  das  Heiligthum  für  einen  Athenetempel  halten, 
^eifeln ,  dass  auch  von  den  Ueberresten  der  akragan- 
ches  noch'  in  unsere  Epoche  gebtlrt ,  da  gerade  die 
vielen  ihnen  lugefallenen  Kriegsgefangenen  nach  der 
iser  anderen  Arbeiten  auch  Tempelbauten  ausfuhren 

Wahrscheinlichkeit  I<ls6t  sich  ausser  dem  Tempel  des 
;nes  dieser  Zeit  zuweisen;  der  architektonische  Cha- 
sichlbaren  Reste  deutet  eher  auf  eine  spatere  Zeit  hin. 
it  Begonnene  erst  in  der  nächsten  Periode  seine  Voll- 
Wir  werden  deshalb  die  Tempel  von  Akragas  erst 
lenhang  besprechen  und  mllssen  uns  hier  darauf  be- 
1  erwähnen ,  das  allerdings  nicht  im  hervorragenden 
unst  zugerechnet  werden  kann :  die  unterirdischen 
trst  neuerdings  durch  Schubring  entdeckt  worden  ist, 
'  ihre  Mündungen  bekannt  waren,  in  einer  Schlucht, 
nd  an  ihren  rCthlichen  Felswänden  mit  Bäumen  und 
ich  zwischen  den  Ruinen  der  Tempel  des  Kastor  und 
nzieht  und  wohl  mK  Recht  als  die  Stülto  des  berühmten 
tiner  gilt,  der  offenbar  der  Stadt  nicht  nur  znr  Zierde, 
n  gereichen  sollte,  und  dessen  eigentlicher  Zweck  wohl 
er  Stadt  zu  sammeln ,  ehe  es  in  den  Hypsas  abfloss, 
nde  in  Folge  der  oben  erwähnten  Bodeagestahung  der 
vo  als  an  ihrer  südwestlichen  Ecke  befinde  konnte, 
ziehende  Leitungen  frischen  Wassers ,  die  sich,  Iheiis 
efe  unter  dem  Felsplateau  von  Akragas  erstrecken,  hie 
n  verseben,  von  denen  einer,  die  Fonlana  Bonamoi^ 
?wohnem  von  Girgenti  als  einzige  Trinkwasserquellr 
i'asser  aufgefangen  wurde,  ist  noch  nicht  nachgewiesen. 
s  jetzt  bekannt  war,  mit  den  oben  genannten  PhSaken 

nun  die  hierüber  von  Diodor  gegebene  ErklSroog  ün 
wären  die  PhSaken  Ahzugskanäle,  und  als  soldie  haben 
entdeckten  Leitungen  nicht  gezeigt ;  aber  Diodor  spridit 
1  von  Leitungen  frischen  Fluss-  und  Quellwasscrs  in 
diese  sind  es  dann  eben,  welche  die  neueste  Forschung; 


Tbrasybnios.  249 


Drittes  Kapitel. 
Stnrz  der  Tyrannen. 

Nach  Hieron's  Tode  wäre  es  wohl  Zeit  gewesen ,  dass  der  Sohn  Gelon's, 
für  den  ja  eigentlich  Hieron  selbst  nur  als  Stellvertreter  regiert  hatte ,  persön- 
lich die  Herrschaft  anträte.  Es  scheint  wirklich ,  dass  er  dem  Namen  nach  als 
Haupt  der  Familie  betrachtet  zu  werden  anfing,,  doch  war  er  jedenfalls  seiner 
Jugend  wegen  immer  noch  nicht  recht  geeignet,  die  Functionen  des  Herrschers 
auszuüben.  Unter  diesen  Umständen  kam  es  dem  ältesten  Mitgliede  des  Hauses 
—  und  dies  war  nach  dem ,  wie  wir  annehmen  müssen ,  bereits  eingetretenen 
Tode  desPolyzelos  der  jüngste  der  Söhne  des  Deinomenes,  Thrasybulos  —  zu, 
die  von  Hieron  bis  dahin  eingenommene  Stellung  wenigstens  insofern  zu  über- 
nehmen, dass  er  seinem  jungen  Neffen  als  erster  Bathgeber  an  die  Seite  trat. 
Der  ehrgeizige  Mann  war  jedoch  hiermit  nicht  zufrieden.  Er  wollte  nicht  — 
worauf  er  sich  doch  gefasst  mächen  musste  —  dem  Jüngling  später  die  Herr- 
schaft übergeben ;  er  wünschte  sie  seihst  zu  behalten,  und  das  Mittel,  welches 
er  dazu  anwandte,  bestand  darin,  dass  er  den  jungen  Prinzen  zu  Ausschwei- 
fungen verleitete,  die  ihn  zur  Regierung  unfähig  machen  und  einem  frühen  Tode 
entgegenführen  sollten.  Unter  den  Anhängern  der  Familie  gab  es  aber  Manche, 
denen  die  Rechte  des  Sohnes  Gelon's  am  Herzen  lagen,  und  die  deshalb  Thra- 
sybulos entgegenarbeiteten.  Diese  Zwietracht  im  Schoosse  des  Herrscherhauses 
erschtUterte  die  Stellung  Thrasybul's.  Dazu  kam  noch,  dass  er  keineswegs  die 
geeignete  Persönlichkeit  war,  eine  Tyrannis  unter  schwierigen  Umständen  auf- 
recht zu  halten.  Er  stand  hinter  seinen  Brüdern  an  geistiger  Begabung  weit 
zurück.  Gelon  hatte  sich  durch  seinen  glänzenden  Sieg  über  den  Nationalfeind 
einen  grossen  Namen  gemacht  und  durch  Milde  und  ernste  Sorge  für  das  Wohl 
des  Volkes  seine  Beliebtheit  erhalten.  Hieron  gab  man  zwar  Habsucht  und 
Grausamkeit  Schuld,  aber  er  war  von  entschiedenem,  kräftigem  Charakter,  und 
wenn  er  nicht  geliebt  war,  wie  sein  Bruder,  so  wurde  er  wenigstens  gefürchtet. 
Nun  kam  aber  ein  Mann  zur  Herrschaft,  der,  wie  es  in  Tyrannenfamilien  mit 
dem  jüngeren ,  schon  in  Weichlichkeit  aufgewachsenen  Geschlechte  zu  gehen 
pflegt,  weder  die  Tugenden  noch  die  Kraft  seiner  Vorgänger  be^ass  und  nur 
ihre  Fehler  nachzuahmen  verstand.  Der  Druck,  den  er  ausübte,  war  noch 
stärker  als  der,  welchen  man  unter  Hieron  erlitten  hatte,  und  er  wurde  durch 
keinen  Glanz  auswärtiger  Unternehmungen,  durch  keine  blendende  Hofhaltung 
vergessen  gemacht.^  Gegen  einen  solchen  Fürsten,  dem  nicht  einmal  die  Freunde 
der  Familie  treu]anhingen,  fand  auch  das  Volk  von  Syrakus  Kraft.  Es  organisirte 
sidi  und  trat  gegen  den  Tyrannen  in  Waffen.  Die  Empörung  war  zu  stark,  um 
mit  den  gewöhnlichen  Polizeimitteln  unterdrückt  werden  zu  können.  So  ver- 
suchte denn  Thrasybul  zuerst,  die  Aufgestandenen  durch  gute  Worte  zum  Ge- 
horsam zurückzubringen,  und  erst  als  er  sah,  dass  er  hiermit  Nichts  ausrichtete, 
nahm  er  den  Kampf  an.  Seine  Stellung  war  insoweit  gut,  als  die  zwei  Haupt- 
theile  von  Syrakus,  Ortygia  und  Achradina ,  die  durch  feste  Mauern  geschützt 


250  Drittes  Buch.    111.  Sturz  der  Tyrannen. 

waren ,  sich  vollständig  in  seiner  Hand  befanden.  Hier  sammelte  er  alle  seine 
Söldner  und  die  Freunde  und  Diener  seiner  Familie,  zu  denen  vor  Allen 
die  von  Hieron  in  Katana  angesiedelten  Fremden  gehörten,  und  brachte  auf 
diese  Weise  ein  Heer  von  ungefähr  15,000  Mann  zusammen.  Seine  Gegner,  aus 

*der  eigentlichen  ummauerten  Stadt  Syrakus  ausgeschlossen,  waren  auf  die  Be- 
setzung Tyche's  und  der  Vorstadt  Neapolis  angewiesen.  Sie  sahen  bald  ein, 
dass  sie  ohne  Hülfe  von  aussen  gegen  die  kriegsgettbten ,  hinter  festen  Mauern 
sicher  aufgestellten  Schaaren  des  Thrasybulos  Nicht-s  ausrichten  würden ,  und 
entschlossen  sich  deshalb  dazu ,  sich  diese  Hülfe  selbst  um  den  Preis  der  von  * 

•  den  Tyrannen  fest  begründeten  Hegemonie  der  Stadt  Syrakus  über  die  helleni- 
schen und  barbarischen  Gemeinwesen  der  Insel  zu  verschaffen.  Es  war  ein 
Glück  für  die  Syrakusaner ,  dass  die  Tyrannis  in  Akragas  bereits  im  Kampfe 
iiiit  den  Deinomeniden  zu  Grunde  gegangen  war,  sonst  würde  wohl  Thrasy- 
bulos jetzt  nicht  ohne  kräftigen  Beistand  geblieben  sein.  So  aber  hatten  die 
Bemühungen  des  Tyrannen,  sich  Bundesgenossen  zu  erwerben,  keinen  Erfolg, 
wahrend  den  Syrakusanem ,  sobald  sie  einmal  durch  die  Bitte  um  Hülfe  zu 
erkennen  gegeben  hatten,  dass  sie  aufhörten,  die  Suprematie  in  Sicilien  zu 
beanspruchen ,  alle  bedeutenderen  Städte  der  Insel  zufielen.  Gela ,  Akragas, 
Selinus,  Himera  erklärten  sich  für  sie,  und  die  Tyrannen  von  Messana  und 
Rbegion  blieben  aus  Furcht  vor  dem  gährenden  Volksgeiste  wenigstens  neutral. 
Und  nicht  blos  Griechen  traten  auf  ihre  Seite ;  auch  die  Sikeler ,  welche  ein- 
sahen ,  dass  ein  demokratisches  Syrakus  ihnen  weniger  gefährlich  sein  würde, 
als  ein  von  einem  Einzelnen  regiertes,  schickten  Mannschaft,  um  gegen  Thra- 
sybulos mitzukämpfen.  Von  besonderem  Werthe  waren  aber  die  ihnen  zu  Hülfe 
gesandten  Kriegsschiffe,  da  bei  der  Unmöglichkeit,  die, festen  Mauern  von  Sy- 
rakus zu  erstürmen ,  der  Tyrann  nur  dadurch  zu  besiegen  war,  dass  man  ihai 
den  Verkehr  mit  der  See  abschnitt.  Thrasybulos  griff  in  richtiger  Würdigung 
der  Gefahr  zuerst  die  feindliche  Flotte  an,  unterlag  aber  und  verlor  einen  Theil 
seiner  Schiffe.  Dann  unternahm  er  mit  den  Landtruppen  Ausfälle  aus  Achra— 
dina;  aber  auch  diese  wurden  zurückgeschlagen,  und,  nunmehr  von  allen 
Seiten  hoffnungslos  eingeschlossen ,  gab  er  seine  Sache  verloren  und  bat  seine 
Gegner  um  freien  Abzug.  Er  erhielt  ihn  und  ging  nach  Lokri ,  wo  er  seine 
übrige  Zeit  als  Privatmann  zubrachte.  So  gewannen  die  Syrakusaner  die  Frei- 
heit wieder,  die  sie  60  Jahre,  bis  zum  Auftreten  des  altern  Dionys,  behaupteten. 
Was  für  Syrakus  geschehen  war,  das  geschah  jetzt  auch  unter  Mitwirkung 
der  Syrakusaner  in  den  übrigen  Städten  der  Insel ,  die  sich  in  ähnlicher  Lage 
befanden.  Wo  noch  Tyrannen  oder  von  ihnen  eingesetzte  Statthalter  die  Stadt 
drückten,  da  wurden  sie  vertrieben,  und  dieses  Schicksal  traf  insbesondere 
auch  die  Söhne  des  Anaxiias  in  Rhegion  und  Messana.  Die  neuen  Verfassungen 
trugen  überall  einen  mehr  oder  weniger  demokratischen  Charakter. 

Anfangs  machte  sich  in  allen  befreiten  Städten  nur  ein  Gefühl  geltend : 
das  der  Freude  über  den  Sieg  und  der  Dankbarkeit  gegen  die  Götter.  Beson- 
ders in  Syrakus  äusserte  sich  dies  in  grossartiger  Weise.  Man  errichtete  Zeus, 
dem  Befreier,  eine  kolossale  Bildsäule,  und  man  beschloss,  dass  alljährlich  an 
dem  Tage,  an  welchem  der  Tyrann  vertrieben  worden  war,  ein  Befreiungsfest. 
Eieutheria,  verbunden  mit  öffentlichen  Spielen  gefeiert  werden  sollte;  dabei 


A. 


Besiegung  der  Söldner.  251 

sollte  jedes  Mal  eine  gewaltige  Hekatombe  von  4ö0  Ochsen*  fallen »  niit  deren 
Fleische  man  sodann  dem  gesammten  Volke  einen  öffentlichen  Schmaus  berei- 
tete. Für  diese  Hekatombe  wird  der  gewaltige,  im  Jahre  1839  wieder  entdeckte 
Altar  neben  dem  Theater  zuerst  angelegt  worden  sein,  dessen  Bau  Diodor 
allerdin^  erst  Hieron  II.  zuschreibt.  Aber  die  Freude  hörte  zugleich  mit  der 
Einigkeit  bald  auf.  Man  musste  daran  denken,  die  Verhältnisse  neu  zu  ordnen, 
und  da  bei  diesem  Werke  der  Hass  gegen  Alles ,  was  mit  dem  verjagten  Ty- 
rannen zusammenhing ,  das  treibende  Element  bildete ,  so  wurden  in  die  neue 
Verfassung  Bestimmungen  aufgenommen,  welche  einen  Theil  der  Bewohner  von 
Syrakus  auf  das  schwerste  verletzten.  Das  eigentliche  und  volle  Bürgerrecht, 
welches  insbesondere  den  Zutritt  zu  den  Ehrenstellen  umfasste,  wurde  den 
alten  syrakusanischen  Bürgern  vorbehalten  und  alle  Fremden,  welche  unter 
Gelon's  Regierung  Büi^er  geworden  waren,  von  diesem  Vorzuge  ausgeschlossen. 
Nun  hatte  aber  Gelon  über  10,000  Söldner  zu  syrakusanischen  Bürgem  ge- 
macht ,  und  von  diesen  waren  nach  der  Vertreibung  des  Thrasybulos  immer 
noch  mehr  als  7000  übrig.  Diese ,  unwillig  über  die  ihnen  widerfahrene  Zu- 
rücksetzung, empörten  sich  und  bemächtigten  sich  derselben  beiden  Stadttheile, 
in  denen  sich  Thrasybulos  eine  Zeit  lang  gehalten  hatte ,  Ortygia's  und  Achra- 
dina^s.  Die  übrigen  Theile  der  Stadt  blieben  auch  dies  Mal  in  den  Hunden  der 
Altbürger,  welche,  da  Achradina  und  Ortygia  sehr  fest  waren,  ihrerseits  übei- 
den  weiter  westlich  gelegenen  Theil  des  Plateau's  Befestigungswerke  zogen,  um 
so  die  Söldner  von  der  Verbindung  mit  dem  Innern  der  Insel  auszuschliessen. 
Hierbei  wird  zuerst  von  Diodor  der  Name  des  Stadttheiles  Epipolai  erwähnt.  In 
den  nun  folgenden  Kämpfen  hatten  die  in  der  Kriegführung  geübteren  Fremden 
längere  Zeit  hindurch  das  Uebergewicht,  doch  waren  sie  nicht  stark  genug,  die 
Einschliessung  zu  durchbrechen.  Allmählich  aber  gewöhnten  sich  auch  die  Sy- 
rakusaner,  die  übei*dies  wohl  wiederum  Zuzug  aus  anderen  Städten  erhielten, 
an  den  Krieg  und  brachten  ihren  Gegnern  zu  Wasser  und  zu  Lande  Niederlagen 
bei,  in  Folge  deren  sie  den  Besitz  ihrer  Stadt  wiedererlangten.  Ein  auserlesener 
Heerhaufen  von  600  —  wir  werden  dieser  Zahl  bei  ähnlicher  Geles^enheit  in 
Syrakus  wieder  begegnen  —  hatte  sich  bei  der  letzten  entscheidenden  Land- 
schlacht besonders  ausgezeichnet ,  und  diese  wurden  nach  dem  Siege  von  der 
Bürgerschaft  durch  eine  jedem  einzelnen  gegebene  Belohnung  von  einer  Mine 
Silbers  (25  Thaler,  aber  natürlich  von  grösserem  relativen  Werthe)  geehrt.  So 
endigte  ein  Kampf  j  den  man  als  den  zweiten  Akt  des  grossen  Drama's  der  Be- 
freiung Siciliens  von  der  Tyrannenherrschaft  bezeichnen  kann. 

Das  Werk  war  noch  nicht  vollendet,  und  sein  vollständiger  Abschluss  hätte 
vielleicht  noch  etwas  auf  sich  warten  lassen,  wenn  nicht  die  sikelischen  Stämme 
den  Anstoss  zu  weiteren  Veränderungen  gegeben  hätten.  Die  Sikeler  hatten  bei 
der  Befreiung  von  Syrakus  mitgewirkt;  der  Erfolg  dieser  Unternehmung  machte 
ihnen  Muth ,  für  ein  ihnen  erst  kürzlich  angethanes  Unrecht  Rache  zu  nehmen 
und  so  ihrerseits  selbständig  in  die  Geschicke  der  Insel  einzugreifen.  AlsHieroii 
in  Katana,  seinem  Aetna ,  neue  Bürger  nach  Vertreibung  der  alten  angesiedelt 
hatt€ ,  da  waren  denselben  auch  Ländereien  gegeben  worden ,  welche  sikeli- 
schen Städten  gehörten.  Nun  war  jetzt  Führer  der  Sikeler  der  König  Duketios, 
ein  Mann  von  grossem  Untomohmungsgeist,  der  mit  richtigem  Blicke  einsah. 


Drittes  Bncb.    111.  Sturz  der  Tyrannen 

der  befreiten  Büi^er  gegen  die  ihnen  aufgedrungenen  Fremden 
it  g^en  die  Schöpfung  Uieron's ,  Aetna ,  und  ihre  Iheilweise  aus 
SS  herübei^ekommenen  Einwohner  lenken  hesse,  und  dass  die 
lit  Bewilligung  des  syrakusanischen  Volkes  die  ihnen  entrissenen 
ieder  erhalten  könnten.  Er  fing  deshalb  gegen  Aetna  einen  Krieg 
m  die  Syrakusaner  Theil  nahmen ,  und  der,  da  die  Äeloyer  sich 
lalb  ihrer  Hauern  hielten ,  gleichdamil  begann ,  dass  das  Land- 
theilt  wurde  und  die  Slkeler  das  ihrige  wiedererhielten.  Endlich 
I  Hiemnischen  Kolonisten  ernstlichen  Widerstand;  aber  sie  wur- 
id  mussten-sich  entschliessen ,  Kaiana  zu  i^umen.  Es  wurde 
l,  sich  in  der  Stadt  Inessa  niederzulassen,  welche  die  Sikeler 
d  die  nun  den  Namen  Aetna  erhielt.  So  konnten  denn  jettl  die 
]  Bewohner  von  Katana,  welche  Hieron  nach  Leontini  verpflanzt 
in  ihre  Vaterstadt  zurückkehren. 

so  der  Ansloss  gegeben  war,  wurde  die  Vertreibung  der  Frem- 
Izte  Akt  des  Drama's  —  auch  in  den  übrigen  Städten  der  Insel 
:lzt.  Zuerst  kamen  die  Vertriebenen,  besonders  Geloer,  Akragan- 
BTäer,  in  ihre  heimatlichen  Slädle  zurück,  um  den  an  ihre  Stelle 
■  Eigenthum  zu  entreissen.  Die  Folge  der  sich  vielfach  kreuzen- 
j,  des  Hin-  und  Herwandems  von  Büi^em  verschiedener  Städte, 
se  Ver^virrung  der  Verhallnisse  in  den  meisten  derselben ,  die, 
einsah,  nur  auf  dem  Wege  der  Verständigung  zwischen  sämmt- 
len  Republiken  gehoben  werden  konnte.  Es  trat  deshalb  ein 
abgeordneten  derselben  zusammen,  auf  welchem  als  allgemeiner 
liimdsatz  hingestellt  wurde,  dass  überall  die  bürgerlichen  Hechle 
heimischen  kommen,  alle  Fremden  dagegen,  mochten  sie  nun 
lischen  Städten  der  Insel  angehört  haben  oder  sonst  hellenischen 
hen  Stammes  sein,  die  mit  oder  gegen  ihren  Willen  usurpinen 
n  sollten.  Indem  man  so  für  diejenigen  Sorge  trug,  welche  durch 
'alzende  Politik  der  Deinomeniden  geschikligt  waren ,  vernach- 
och  auch  die  Intoiessen  derer  nicht  ganz ,  die  sich  eine  Zeit  lang 
mnen  in  glänzenden  Verhältnissen  befunden  hatten  und  nun  den 
igten  weichen  mussten.  Denjenigen  unter  ihnen,  die  auf  Sicilien 
!  wart'u  und  doch  daselbst  zu  bleiben  wUnschlen,  wurden  Wohn— 
le  von  Messana  angewiesen ;  es  gab  aber  auch  manche  Sikelioten, 
ischer  Herkunft,  welchen  die  Einsetzung  in  die  früheren,  viel- 
en glänzenden  Verhältnisse ,  aus  denen,  der  Wille  der  Tyrannen 
litte,  nicht  zusagte,  und  diesen  schufen  die  Geloer  eine  neue 
teilten  eine  dorische  Stadt  wieder  her,  die  schon  die  wechsel- 
Lsale  durchgemacht  halte  :  Kamarina,  das  von  den  Syrakusanem 
wieder  zerstört,  dann  durch  Uippokrales  wiederhergestellt  und 
rmals  seiner  Einwohner  beraubt  worden  war.  Diese  Stadt  wurde 
6<  vor  Chr.  —  als  Kolonie  der  Geloer  neu  angelegt  und  schon 
in  ganz  Griechenland  berühmt,  dass  ihr  Bürger  Psaumis  Ol,  82 
.  dem  Maulthtergespann  in  Olympia  errang.  Pindar  hat  ihn  in 
herrlicht,  der  vierten  und  fünften  Olympischen  —  wenn  nan- 


Pindar'8  IV.  und  V.  Ol.  Ode.  Münzen.  253 

lieh  auch  die  fünfte  Ode,  was  von  Manchen  bezweifelt  wird,  von  ihm  her- 
rührt. 

Jene  ist  nach  der  gewöhnlichen  Annahme  für  den  Vortrag  in  Olympia  be- 
stimmt gewesen.  Der  Dichter  ruft  Zeus  an, 

der  hoch  herrscht  auf  Berg  Aetna's  Haupt, 
Typhon*s  stürmender  Bürde,  des  gewaltigen  Hunderthaupts, 

dass  er  den  Festzug  des  olympischen  Siegei-s  gnädig  annehmen  möge,  der 

Mit  pisattschem  Oelzweige  bekränzt,  eilet,  Ruhm  zu  gewinnen  seiner 
Heimat  Kamarina. 

Der  Dichter  preist  ihn, 

welcher  bewährt 
Die  Zucht  der  Rosse  hütet, 
Der  Gastlichkeit,  Allen  hold,  freudig  übt, 
Und  zur  Ruhe  sich  wendete,  die  friedliche  Städte  schirmt,  mit  lauterem  Sinn. 

Zuletzt  vei^leicht  er  ihn  anmuthig  mit  dem  Argonauten  Erginos,  der  wider  Er- 
warten in  Lemnos  im  Laufe  siegte  und  die  Königin  Hippolyte  daran  erinnerte, 
dass  nicht  immer  dem  Schein  zu  trauen  ist  und  bis^weilen  auch  junge  Männer 
graues  Haar  haben.  Man  hatte  also  nicht  erwartet,  dass  Psaumis  siegen  würde. 
Die  fünfte  Ode  war  sicher  für  den  Vortrag  in  Kamarina  selbst  bestimmt, 
und  zwar  vor  drei  Altaren  nach  einander,  indem  die  erste  Strophe  an  die 
Nymphe  Kamarina,  die  zweite  an  Pallas,  die  auf  kamarinäischen  Münzen  dieser 
Zeit  erscheint,  die  dritte  endlich  an  Zeus  gerichtet  ist.  Psaumis  feiert  als  Sieger 

den  Strom  des  Oanis,  preist  hoch  den  See 
Seines  Heimatlandes, 

Preist  des  heiligen  Stromes  Arme,  womit  das  Volk  Hipparis 
Tränkt,  und  fügt  sofort  eilig  der  festen  Paläst'  hohen  Wald  zusammen, 
Von  Unthätigkeit  auf  zum  Licht  schwingend  dies  rege  Volk  der  Städter. 

Zeus  soll  die  Stadt  mit  des  Mannerruhmes  Herrlichkeit  schmücken  und  dem 
Psaumis,  dessen  Beichthum  gepriesen  wird,  ein  behagliches  Alter  bereiten. 
Von  seinem  Reichthum  hatte  Psaumis  allerdings ,  wenn  die  Anspielungen  der 
fünften  Ode  richtig  gedeutet  werden,  einen  hohen  Begriff  gegeben,  indem  er 
in  Olympia  auf  drei  Weisen  zugleich  um  den  Kranz  gerungen  hatte :  mit  dem 
Viergespann,  mit  dem  Rennpferde  und  mit  den  Maulthieren,  die  ihn  zum  Sieger 
machten. 

Wir  dürfen  als  eine  Folge  der  engeren  Verbindung  Kamarina's  mit  Gela 
den  Umstand  betrachten,  dass  eine  Beihe  von  Münzen  dieser  Städte,  die  bereits 
der  zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  angehören  können,  eine  grosse 
Aehnlichkeit,  ja  einen  gewissen  Parallelismus  zeigt.  Es  giebt  zunächst  Münzen 
von  beiden  Städten,  die  auf  der  einen  Seite  den  Kopf  eines  Flussgottes  —  Gelas 
und  Hipparis  —  auf  der  anderen  eine  Riga  oder  Quadriga  tragen ;  eine  andere 
Serie  hat  auf  der  einen  Seite  entweder  den  Kopf  eines  Flussgottes  oder  einen 
weiblichen  Kopf  und  auf  dem  Bevers :  für  Gela  das  Vordertheil  eines  Stieres 
mit  menschlichem  Gesicht  —  den  geloischen  Typus  — ,  für  Kamarina :  die  auf 
einem  Schwan  sitzende  Frau  —  das  charakteristische  Zeichen  Kamarina's  — ; 
noch  andere  endlich  haben  den  Herakleskopf,  während  der  Bevers  für  die  bei- 
den Städte  verschieden  ist. 


Buch.    IV.  BUi^erliche  Verhaltnisse  bis  zum  Kriege  mit  Athen. 

?  ZpH  mag  ein  iibnlicher  Pamllelismus ,  der  jedoch  nicht  so  weit 
il ,  zwiscbcD  den  Münzen  der  stammverwandten  Stüdte  Katana 
;ehtsren.  Er  zeigjt  sich  bauplsUchlich  in  der  Anwendung  des 
>eiden  Orten  bodivcrehrlen  Äpollon  auf  der  einen  Seite,  wührend 
iveder  ein  Gespann  oder  die  cbarakteristischen  Typen  der  beiden 
itana  den  Stier  mit  Uenschenbaupt,  für  Lcontioi  den  LOwen- 

denn  so  viel  als  möglich  die  Spuren  der  Tyrannenherrschaft  in 
:ht.  Ganz  jedoch  halle  dies  nicht  geschehen  Vonnen ,  dazu  war 
;  der  Tyrannen  eine  zu  müchlige  gewesen.  Es  zeigt  sich  s(^r, 
resullat  derselben  durch  den  Sturz  der  Deinomeniden  nur  wenig 
rde:  das  Uebergewicht,  welches  dem  dorischen  Elemente  über 
1  Theil  geworden  war.  In  der  Tyrannenzeit  war  Uimera ,  die 
adt,  unter  die  Herrschaft  von  Akragas  gekommen,  Zankle  hallo 
Einwohnern  den  dorischen  Namen  Hessaaa  erbalten,  Euboia  war 
LOS  von  Hieron  vernichtet ;  Kalana's  Einwohner  hatten  die  Vat«r- 
mUssen ;  es-  waren  von  den  chalkidiscben  Stadien  nur  LeonUni 
mutende  Kallipolis  übrig  geblieben.  Dagegen  hatte  sich  die  Macht 
esonders  aber  die  von  Syrakus,  bedeutend  gehoben,  und  es  war 
ttna  eine  neue  dorische,  mit  peloponaesischer  Hülfe  gebildete 
cilien  erwachsen.  Nun  waren  allerdings  in  der  dem  Sturze  der 
öden  Reaction  Naxos  und  Katana  wiederhergestellt  und  Himera 
vorden,  dafür  aber  in  Inessa  ein  neues  dorisches  Aetna  gegrtln- 
Qwobner  den  Hero^nkult  llieron's  bei  sich  fortsetzten,  nachdem 
-len  Eatantter  das  Grabmal  des  verhassten  Tyrannen  zerstört 
Hessana  behauplele  das  dorische  Element  entschieden  die  Ober— 
il.so  durch  die  Einfuhrung  der  Demokratie  das  von  den  Tyrannen 
ci^ewicht  des  dorischen  Stammes  über  den  ionischen  keineswegs 
es  standen  immer  noch  Syrakus,  Akragas,  Gela ,  Selinus ,  Ka— 
gegen  Kalana ,  Leonlini  und  Naxos  —  es  war  nur  das  Üeber- 
mSchligen  Studie,  besonders  aber  das  von  Syrakus,  gebrochen. 


■Viertes    Kapitel. 

;erliche  YerhältDiNse  bis  zum  Kriege  mit  Atheo. ' 

^schichte  Siciliens  in  der  nun  folgenden  Epoche  bis  zum  Beginne 
.  Athen  ist  iiusserst  wenig  bekannt.  Es  war  im  Ganzen  genoni— 
ruhigen  Gedeihens  und  friedlicher  Entwicklung ,  wenig  durch 
lege  unterbrochen.  Die  einzelnen  Suidle  kümmerten  sich  um 
igelegenheilen  mehr,  al.s  um  die  ihrer  Nachbarn ;  der  Land  bau 
;n  bei  der  ungemeinen  Fruchtbarkeit  des  Bodens  einen  grossen 
landel  und  Gewerbe  blühten ,  und  Kunsle  und  Wissmscbsften 


Syrakus.  Korax.  Tyndarion,  Petaliamos,  255 

erfreuten  und  belehrlen  die  Boiler,  unter  denen  Keiner  sich  erhob,  der  Tdhig 
gewesen  wKre,  als  ein  glücklicher  Zerstörer  der  Freifaeil  seiner  Volksgenossen 
die  Aogen  von  ganz  Griechenland  auf  sich  zu  ziehen.  Was  in  Hessana  und 
Hiinera ,  in  Katana  und  Leontini ,  was  in  manchen  andern  Stadien  der  Insel  in 
dieser  Zeil  vorfiel ,  ist  uns  durchaus  unbekannt;  wir  wissen  nur  wenig  von 
dem,  was  in  Syrakus  und  Akragas  geschah. 

In  Syrakus  erhielt  in  der  ersten  Zeil  nach  der  Gründung  der  Demokratie 
ein  Mann  bedeutenden  Eiofluss ,  welcher  schon  bei  Hieron,  und  schwerlich  als 
Freund  der  Freiheit,  in  Ansehen  gestanden  hatte:  Korax,  der  durch  seine  Be- 
redsamkeit sich  beim  Volke  so  beliebt  machte ,  dass  er  eine  Zeil  lang  einer  der 
■nichtigsten  Htinner  der  Stadt  war.  Wir  werden  ihn  als  einen  der  Begründer 
der  Sophistik  und  Rhetorik  wiederfinden.  Da  die  Gewaltsamkeit  der  letzten 
Staatsveründening ,  in  welcher  SjTakus  um  viele  Btlrgcr  armer  geworden  war 
und  alle  Besitzveriillltnisse  eine  vollständige  Ilmw.llzung  erfahren  hatten ,  gar 
Manchem  Anlass  zur  Unzufriedenheit  bot,  so  fehlte  es  nicht  an  Streitigkeiten 
privater  und  öffentlicher  Natur,  zu  deren  Entscheidung  oder  Schlichtung  eine 
beredte  Stimme  wie  die  des  Korax  viel  beitraget»  mussle.  Die  bei  Manchen, 
deren  Ansprüche  nicht  befriedigt  wurden,  sich  geltend  machende  Unzufrieden- 
iieit  mit  dem  Bestehenden  liess  sogar  einem  untei-nehmenden  Manne  es  mOglich 
erscheinen,  die  kaum  abgeschaffte  Tyrannis  wieder  einzuführen.  Ein  gewisser 
Tyndarion  machte  sich*durch  seine  Beden  und  auch  wohl  durch  seine  Wohl- 
thaten  bei  den  Urmeren  Syrakusanern  beliebt  und  brachte  es  bald  dahin ,  dass 
ihn  eine  Anzahl  ders^rben  wie  die  Leibwache  einen  Tyrannen  überall  hin  be- 
gleitete. Man  klagte  ihn  an,  dass  er  nach  der  Alleinherrschaft  strebe ,  und  das 
Volksgerichl,  vor  das  er  gestellt  wurde,  verurtheille  ihn  zum  Tode.  Als  er  in's 
Geföngniss  geführt  werden  sollte,  versuchten  seine  Anhänger,  ihn  zu  befreien, 
und  es  bedurfte  des  Daiwischenlretens  der  angeseheneren  Bürger,  um  die  Be- 
wegung zu  unterdrflcken.  Der  empörte  Haufe  wurde  gebändigt  und  mit  den 
meisten  derer,  die  ihn  hatten  befreien  wollen,  Tyndarion  selbst  gettkJtet.  Aber 
der  Versuch  eine  Tyrannis  zu  gründen,  wiederholte  sich  noch  mehrfach,  und 
so  kam  das  syrakusanische  Volk  auf  den  Gedanken,  die  Athener  nachzuahmen, 
welche  in  ihrem  Oslracismus  ein  lungere  Zeit  hindurch  angewandtes  Mittel 
hesassen,  solche  Versuche  zu  vereiteln.  Es  wurde  beschlossen  (Ol.  81,  3  — 
45i  vor  Chr.],  dass  von  Zeit  zu  Zeit  darüber  abgestimmt  werden  sollte,  ob  ein 
ßUi^er  wegen  seiner  allzu  gross  und  allzu  furchtbar  gewordenen  Macht  die 
Stadt  zu  meiden  habe ;  auf  wen  die  meisten  Stimmen  fielen,  der  musste  sich 
auf  fllnf  Jahre  entfernen.  Dies  Verfahren  hicss  Petalismos ,  weil  man  statt  der 
in  Athen  gebräuchlichen  Scherben  Oelbldtter  —  petala  —  anwandle,  um  die 
Namen  darauf  einzuritzen.  Aber  dieses  Volksgerichl,  das  in  Athen  zur  Zeil  der 
ungebundensten  Demokratie  als  seinem  Zwecke  nicht  mehr  entsprechend  ab- 
geschafft werden  musste,  bestand  in  Syrakus  überhaupt  nicht  lange.  Es  wurde 
;^teich  zuerst  missbraucht,  und  bald  waren  die  mächtigsten  und  angesehensten 
Bürger  als  Opfer  des  Petalismos  in  die  Verbannung  getrieben.  Die  nothwendige 
Folge  davon  war,  dass  die  ausgezeichnetsten  unter  den  übrigen  aus  Furcht  vor 
einem  ilhnlichen  Schicksal  sich  aller  Betheiligung  an  den  Staatsgeschüften  ent^ 
hielten ,  und  diese  geriethen  dadurch  in  die  KSnde  schlechter  und  verwegener 


Drittes  Buch.    IV.  Bürgerliche  Verhältnisse  bis  zum  Kriege  tnit  Athen. 

1,  welche  wenig  oder  Nichts  zu  verlierea  halten.  Wahrend  so  die 
leo  AngelegeDheilen  schlecht  geleitet  wurdeo,  nahm  überdies  ein  ver- 
ir  Luxus  llberhaDd,  eine  natürliche  Folge  der  UmhäLigkeit,  zu  welcher 
wohlhabenderen  Bürger  verdatnoilen.  Allmählich  ward  der  Zustand 
Uch,  und  man  entschloss  sich  endlich  dazu,  den  Pelalismos,  der  nur 
gebracht  hatte,  wieder  abzuschaOeu. 

h  aussen  stand  Syrakus  immer  noch  krüflig  and  angesehen  da.  Es  war 
ner  noch  die  erste  und  mächtigste  Stadt  der  Insel  und  äusserte  seine 
einer  für  ganz  Sicilien  wohllhätigeu  Weise.  Die  Euiisker  hatten  sich 
:b  von  der  durch  Hieron  erhaltenen  Niederlage  erholt  und  nahmen  ihr 
irduberhandwerlc  wieder  auf.  Da  rüsteten  die  Syrakusaner  eine  Flotte 
schickten  sie  unter  der  Anführung  des  Phayllos  nach  Elrurien.  Phayllos 
ite  zwar  die  Insel  Aethalia  —  Elba  — ,  that  aber  sonst  Nichts,  und  als 
Syrakus  zurückgekehrt  war,  musste  er  von  dem  unwilligen  Volke  die 
l^ung  httren,  dass  er  sich  von  den  Feinden  habe  bestechen  lassen,  und 
le  in  die  Verbannung  geschickt.  An  seiner  Statt  ging  Apelles  mit  60 
niffen  in  See.  Dieser  verheerte  zuerst  die  Küsten  Etruriens,  dann  Kor- 
is  eine  Besitzung  der  Etrusker  war,  uud  kehrte  endlich,  nachdem  er 
ihalia  unterworfen  hatte,  mit  einer  Menge  von  Gefangenen  und  man- 
nderer  Beute  nach  Hause  zurück  (01.81,4  — 453  vorChr.)  Vielleicht 
igar  eine  Niederlassung  auf  Korsika  gegründet,  wenigstens  findet  sich 
ul  dieser  Insel  ein  syrakusanischer  Hafen  angegeben,  und  es  ist  nicht 
,  dass  zu  einer  anderen  Zeit  Syrakus  dort  Krieg  ^fUhrt  tuilte. 
^.kragas  war  nach  dem  Sturze  dos  Tbrasydaios  eine  unvollkommene 
ilie  emgerichtet  worden,  deren  Leiter  nicht  mit  allzu  grosser  Härte 
ie  Familie  und  das  Andenken  ihres  früheren  Tyrannen  Theron  ver~ 
denn  abgesehen  davon ,  dass  sie  sein  prachtvolles  Grabmal  nicht  ver- 
liessen  sie,  wie  wir  wissen ,  Tbrasybulos,  den  NeCTen  Theron's  und 
s  Xenokrates,  unangefochten  in  ihrer  Mitte  leben.  Unvollkommen  war 
;  Demokratie,  da  ein  Collegium  von  1000  Hünnern  die  Regierung  der 
Hüoden  hatte.  Die  Tausend  —  eine  Anzahl ,  die  auch  in  anderen 
,.  B.  in  Bhegion,  sich  als  die  Zahl  der  Regierenden  vorfindet  — ,  wur- 
den Wohlhabendsten  gewühlt,  und  zwar  immer  auf  drei  Jahre.  Es  ist 
,  dass  in  Akragas  die  Reichsten  damals  noch  die  Grundbesitzer,  also 
iieder  alter  und  angesehener  Familien  waren.  Einen  grossen  Einßuss 
inen  Mitbürgern  erwarb  sich  Empedokles,  den  wir  bald  als  Philosophtm 
lernen  werden.  Er  war  der  Sohn  des  Itielon,  eines  angesehenen  Akra— 
s,  welcher  ein  eifriger  Gegner  der  Tyrannis  gewesen  war.  Als  nach 
ie  desselben  die  ersten  Versuche  gemacht  wurden,  eine  neue  Tyraunis 
reiten,  war  es  Empedokles,  der  sie  an's  Licht  zog  und  vereitelte  und 
sem  seiner  Vaterstadt  geleisteten  Dienst«  eine  lauge  und  ehrenvolle 
n  begann.  Er  glaubte  bei  einem,  von  einem  vornehmen  Bürger  ge- 
Gastmahle zu  l>eiiicrken,  dass  eine  Verschwörung  zum  Umsturz  der 
mg  bestjiode;  die  beiden  Männer,  welche  er  als  verdächtig  bezeichnete, 
wirkhch  UberfUlirt  und  hingerichtet.  Nun  bewog  er  seine  Mitbürger, 
assung,  weiche  nicht  genug  Garantien  der  Sicherheit  darbot,  abzu- 


Akragas.  Sikeler.  257 

ändern.  Der  Rath  der  Tausend  wurde  abgeschafft,  und  Alle  ohne  Unterschied 
des  Vermögens  konnten  hinfort  an  der  Regierung  Theil  nehmen.  Empedokles 
ward  wegen  seiner  eifrigen  Sorge  für  das  Wohl  des  Volkes  in  Akragas  so  be- 
liebt ,  dass  man  ihm  sogar  die  Königswürde  antrug.  Er  schlug  sie  aus.  Wir 
dürfen  annehmen,  dass  die  durch  ihn  gegründete,  nun  wirklich  demokratische 
Verfassung  lange  Zeit  in  Akragas  bestand. 

Sonst  ist  aus  dieser  Zeit  nur  die  Nachricht  von  einem  Ol.  84,3  —  454 
vor  Chr.  — '  geführten  Kriege  angeblich  zwischen  den  Egestäem  und  Lilybäem 
erhalten.  Diodor  sagt,  dass  er  über  das  Land  am  Flusse  Mazaras  geführt  wurde, 
und  dass  selbst  nach  einer  grossen  Schlacht ,  in  der  auf  beiden  Seiten  Viele 
umkamen,  die  Feindschaft  zwischen  den  beiden  Städten  nicht  aufhörte.  Mit 
Lilybaion  ist  o£fenbar  Motye  gemeint,  statt  Segesta^s  aber,  das  den  Phöniciem 
befreundet  war,  ^kann  als  Gegnerin  von  Motye  schon  des  streitigen  Landes 
wegen  nur  Selinus  betrachtet  werden.  Auf  einen  ähnlichen  Krieg  zwischen 
Hellenen  und  Barbaren  in  denselben  Gegenden  lässt  die  Nachricht  des  Pau- 
sanias  schliessen ,  dass  die  Akragantiner  in  Folge  eines  Sieges  über  Motye  von 
Kaiamis  gearbeitete  betende  Knaben  aus  Erz  in  Olympia  aufgestellt  hätten.  Es 
ist  freilich  nicht  überliefert,  wann  dieser  Krieg  Statt  fand,  aber  da  die  Blütezeit 
des  Künstlers  in  die  80.  Olympiade  fällt,  so  dürfen  wir  ihn  in  diese  Zeit  setzen. 
Im  Anschluss  hieran  ist  es  sodann  nicht  unwahrscheinlich,  dass  noch  vorhan- 
dene Münzen  akragantinischen  Gepräges ,  aber  mit  der  Inschrift  Motye  in  phö- 
nicischen  Buchstaben ,  Zeugniss  von  dem  Uebergewicht ,  das  durch  diesen  Sieg 
Akragas  "über  die  phönicische  Inselstadt  gewann,  ablegen. 

W^oin  so  nicht  gar  lange  Zeit  nach  der  Niederlage  der  Karthager  durch 
Geion  das  semitische  Element  auf  Sicilien  sich  wieder  zu  rühren  begann ,  so 
geschah  dasselbe  in  noch  viel  höherem  Grade  von  der  Urbevölkerung.  Die 
Sikeler,  welche  vor  den  Griechen  aus  den  Küstengegenden  gewichen  waren, 
hatten  sich  in  den  nicht  leicht  anzugreifenden  Bergvesten  im  Innern  in  einer 
gewissen  Unabhängigkeit  zu  halten  gewusst.  Sie  hatten  die  Fremden ,  die  sie 
als  gewandter,  thätiger,  gebildeter  anerkennen  mussten ,  in  ihren  Unterneh- 
mungen gewähren  lassen ;  sie  hatten  den  Einfluss  derselben  an  sich  erfahren 
und  Manches  von  ihnen  gelernt ;  ihr  schon  so  lange  friedfertiger  Sinn  war  so- 
gar in  der  Tyrannenzeit ,  wo  die  mächtigen  Herrscher  der  Hellenen  Söldner  [in 
Menge  brauchten,  auf  das  Kriegshandwerk  wiederum  hingewiesen  worden,  und 
es  gab  viele  unter  ihnen,  die  in  der  Führung  der  Waffen  und  vielleicht  sogar  in 
der  Leitung  von  Truppen  mit  manchen  Hellenen  wetteifern  konnten.  Sie  hatten 
sich  die  Gewaltthätigkeiten  Hieron's  ruhig  gefallen  lassen  müssen,  aber  ihr 
Freiheitsgefühl  war  nicht  gebrochen,  und  wenn  nur  der  rechte  Führer  auftrat, 
waren  sie  fähig ,  es  mit  den  Griechen  aufzunehmen,  die  ja  nicht  mehr  die  im- 
posante Machtstellung  einnahmen,  wie  unter  der  Herrschaft  der  Deinomeniden. 
Wir  haben  gesehen,  wie  sie  schon  beim  Sturze  der  Tyrannen  eine  thätige  Rolle 
spielten:  anfangs  erbetene  Bundesgenossen  im  Kriege  gegen  Thrasybulos, 
hatten  sie  bald  darauf  den  Anstoss  zur  Wiederherstellung  Katana's  zu  geben 
gewagt,  und  das  Unternehmen  war  glücklich  abgelaufen.  Dies  war  das  Ver- 
dienst des  Duketios  gewesen ,  des  einzigen  unter  den  Sikelem ,  der  sich  den 
Hellenen  furchtbar  gemacht  hat. 

Holm,  OmcIi.  SicilMAi.  I.  47 


Buch.    IV.  BQrgertiche  VerhallDisse  bis  zum  Kriege  mit  Alben. 

rar  voD  vornehmer  Herkunft.  Leider  sind  wir  Über  den  Beginn 
n  nicht  unierrichtet;  sein  Angriff  auf  das  Hieronische  Katan* 
1  vor  Chr.  —  ist  seine  erste  geschichtliche  Tbat.  Er  kam  airf 
die  günstigen  Zeilumsttinde  dahin  aussubeuten,  dass  dem  sike— 
irame  auf  seiner  heimatlichen  Insel  des  Uebergewicht  über  die 
I  Griechen  wieder  zu  Theil  wUrde.  Sein  Zweck  war  eine  Er— 
beimischen  Elements ,  wie  sie  in  Italien  selbst  ein  Vierteljahr— 
durch  die  allerdings  ungleich  kraftigeren  Samniten  den  helleni- 
gegenUber  gelang.  Es  werden  schwerlich  direkte  Beziehungen 
tewohnem  des  bergigen  Samnium  und  den  slammverwandlen 
den  haben :  es  sind  die  ähnlichen  Verhaltnisse  gewesen,  welche 
erzeugten.  We  Schwierigkeiten  waren  aber  für  ihre  Durchfüh- 
nicht  gering.  Zunächst  war  es  unumgänglich  uothweQdtg,  dass 
fesigescblossenrs  Ganzes ,  gewissermnssen  einen  einzigen  Slaat 
theils  durch  die  feindselige  Einwirkung  der  Griecbeu,  Iheils 
1  Einigkeit  unter  den  Stkelem  verhindert  werden  konnte.  Das 
i  war  damals  nach  dem  Sturze  der  Tyrannen  nicht  vorbanden ; 
ite  nur  durch  das  Auftreten  eines  bedeutenden  Hannes  gehoben 
tios  zeigte  sich  der  Aufgabe ,  die  er  sich  selbst  gestellt  hatte, 
irch  die  Gründung  der  Stadt  Uenai  und  durdi  die  Eroberung 
—  Ol.  80,  2  (tS9  vor  Chr.)  —  gab  er  den  Sikelern  einen  Beweis 
als  Staatsmann  und  Feldherr  zu  leisten  vermocht«,  und  einige 
Ol.  81,  4  (453  vor  Chr.)  —  vereinigte  er  wirklich  sSmmtlicbe 
3  mit  einziger  Ausnahme  von  Hybia  —  wohl  dem  ainSischen  — 
m  Bunde,  dessen  Leiter  im  Krieg  tmd  Frieden  er  wojrde,  und 
Stadt  in  Palike  hatte ,  das  er  in  demselben  Jahre  am  Palikense« 
is  scheint,  mit  den  Einwohnern  seiner  Vaterstadt  Neai.  Es  ist 
dfeln,  dass  die  unmittelbare  Nachbarschaft  des  Nstiona I heilig— 
de  sowie  seiner  Autorität  eine  fatihere  Weibe  gebe«  sollte, 
r  so  die  ihm  nothig  scheinenden  Vorbereitungen  beendigt  hatte, 
2, 1  —  458  vor  Chr.  —  den  Angriff  auf  die  Griechen  mit  einem 
adt  Aetna ,  <ye  erst  vor  Eureem  von  den  durch  Dukelios  selbst 
riebenen  Hieronischen  Kolonisten  an  der  Stelle  der  Sikelerstadt 
t  war.  Duketios  fühlte  sich  also  jetzt  stark  genug,  um  das,  was 
n  als  Bundesgenosse  der  Syrakusaner  hatte  zugeben  nllsseB, 
gig  zu  machen,  und  die  damals  seinem  Volke  entrissene,  durch 
I  Kolonisten  offenbar  aus  einem  unbedeutenden  Orte  mächtig 
t  wieder  in  die  Gewalt  der  Sikeler  zu  bringen.  D»s  Untemeh- 
i(^dem  der  Anführer  der  Aetnäer  aus  dem  Wege  gerüumt  war, 
\.  genommen.  Dies  war,  wenn  auch  die  Aetniier  keine  Freunde 
icfaen  Syrakusaner  gewe^n  waren,  dennoch  eine  DemtUltigung 
s  dw  ersten  Hellenensifldt  im  Östlichen  Sioilien.  Jetzt  wandte 
chnell  nach  Westen ,  uro  hin*  durch  einen  recht  unerwarteten 
griechischen  Plarlzes  desto  sicbeier  zu  siegen.  ^Er  warf  sich  aof 
iche  Kastell  Hotyon ,  eineo  Ort  von  unbekannter  Lage.  Iscwi- 
ter  die  Syrakusaner  sich  rasch  zur  fiekämpfiang  des  pkttztidi 


Daketios.  259 

aui^gelaucbten  NationalfeiBdes  entscUossea  und  bereits  ein  Heer  unter  Bolkon 
gegen  ihn  ausgesandt,  welches  sich  nunmehr  mit  den  Akragantinem  vereinigte. 
Aber  Akragantiner  und  Syrakusaner  wurden  vom  Könige  der  Sikeler  geschlagen, 
und  den  Fall  von  Molyon  verhinderte  nur  das  Eintreten  des  winterlichen  Regen- 
wetters. Die  Syrakusaner  waren  so  erbittert  über  ihre  Niederlage,  dass  sie  Bolkon 
als  Verräther  hinrichten  Hessen.  Im  nächsten  Frühjahr  —  454  v.  Chr.  —  nahm 
Duketios  Motyon.  Aber  nun  schickten  die  Syrakusaner  einen  neuen  Feldherm 
mit  zahhreichen  Truppen  gegen  ihn  aus.  Die  Beere  stiessen  bei  Nomai  auf  ein- 
ander, dessen  Lage  unbekannt  ist.  Nach  heissem  Kampfe  siegten  die  Griechen. 
Von  den  Säelem  fiel  eine  grosse  Zahl ,  und  die  Ueberlebenden  blieben  nicht 
alle  ihrem  Führer  treu;  viele  zogen  sidi,  am  Erfolge  des  Unternehmens  ver- 
zweifelnd, in  ihre  festen  Städte  zurück.  Die  auf  diese  Weise  bedenklich  gewor- 
dene Steliong  des  Duketios  ward  noch  unsicherer,  als  nun  auch  die  Akragan- 
tiser,  durch  das  Beispiel  von  Syrakus  ermuthigt,  ausrückten,  Motyon  wieder 
einnahmen  und  jetzt  zum  zweiten  Mal  ihr  Heer  mit  dem  syrakuaanischen  ver- 
einigten. Die  Lage  des  Duketios  ward  bald  eine  ganz  verzweifelte.  Nur  wenige 
Bewaffnete,  auf  deren  Treue  er  nicht  mit  völliger  Sicherheit  i*echnen  konnte, 
faielteo  noch  bei  ihm  aus.  Sollte  er  sich  in  eine  feste  Stadt  werfen?  Vielleicht 
nahm  man  ihn  nicht  einmal  auf;  sicherlich  unterlag  er  dort  früher  oder  später, 
wens  es  den  Syrakusanem  Ernst  war,  ihn  zu  bezwingen.  Er  beschloss,  einen 
letzten  kühnen  Versuch  zu  machen,  um  womöglich  sein  Leben  zu  retten,  sonst 
aber  einen  schnellen  Tod  zu  finden.  Er  war  nicht  weit  von  Syrakus  entfernt. 
In  der  Dunkelheit  des  Abends  warf  er  sich  auf  ein  Pferd  und  ritt  schnell  nach 
d^  feindliehen  Stadt.  Als  die  Bürger  am  Morgen  auf  dem  Markte  erschienen, 
da  sass  Duketios  als  Schutzflehender  auf  dem  Altar  und  rief,  dass  er  sich  und 
sein  Land  den  Syrakusanem  überliefere.  Es  entstand  ein  gewaltiger  Zusam- 
menlauf, und  das  schnell  zur  Versammlung  von  den  Behörden  berufene  Volk 
verhandelte  mit  Eifer  über  die  schwierige  Frage,  was  mit  dem  besiegten  Gegner 
zu  machen  sei.  Einige  der  gewöhnlichen  sonst  einflussreichen  Volksredner 
riethen,  ihn  als  Feind  zu  behandeln ;  angesehene  und  ältere  Männer  empfahlen, 
sein  Leben  zu  schon^oi.  Nicht  darnach  müsse  man  fragen ,  was  er  verdient 
habe,  sondern  was  sich  für  Syrakus  zu  thun  gezieme,  und  da  gebiete  die 
Pflicht,  die  Götter,  denen  er  sich  anvertraut,  zu  ehren  und  den  Schutzflehenden 
nicht  zu  verderben.  Dieser  Aufruf  an  die  Frömmigkeit  und  das  Ehrgefühl  des 
Volkes  von  Syrakus  war  von  Erfolg  begleitet.  Alle  riefen  einstimmig,  der 
Schutzflehende  solle  am  Leben  bleiben,  und  so  war  Duketios  gerettet.  Die 
Syrakusaner ,  welche  den  Feind  verschonen  und  doch  nicht  in  Sicilien  lassen 
wollten,  schickten  ihn  nach  Korinth.  Natürlich  versprach  Duketios,  der  sich  ja 
auf  Gnade  und  Ungnade  ergeben  hatte ,  sich  nicht  ohne  Erlaubniss  der  Syra- 
kusaner aus  jener  Stadt  zu  entfernen,  wogegen  diese  es  übernahmen,  reichlich 
für  seinen  Unterhalt  zu  sorgen.  Aber  nach  kurzer  Zeit  war  der  Sikeler  schon 
wieder  in  seiner  Heimat.  Hat  er  sein  Wort  gebrochen  und  den  Syrakusanem 
ihre  Güte  mit  Undank  gelohnt?  Die  näheren  Umstände  seiner  Rückkehr  sind 
so  eigenüiümlichep  Art ,  dass  man  auf  den  Gedanken  kommen  muss ,  sie  habe 
nicht  ganz  gegen  den  V^iüen  des  Volkes  von  Syrakus  stattgefunden.  Er  gab 
vor,  einen  Orakelspruch  empfangen  zu  haben,  welcher  ihm  gebiete,  in  Sicilien 


260  Drilles  Buch.    IV.  Büi^erliche  Verhältnisse  bis  mm  Kriege  mit  Atlien. 

auf  der  sogenannten  schönen  KUsle  eine  Kolonie  aniulegen,  in  jener  Gegend, 
in  der  sich  einst  die  Samier  und  Milesier  hatten  ansiedeln  wollen.  Auf  Grund 
dieses  Orakels  sammelte  er  viele  Kolonisten  luid  fuhr  mit  ihnen  nach  Sicilien. 
Wir  dürfen  als  sicher  annehmen,  dass  er  wirklich  einen  Orakelspruch  erhalten 
orinlher,  in  deren  Gewalt  er  sich  befand,  als  Freunde  der  Syra- 
erlich  einen  Betrug  in  dieser  Sache  geduldet  haben  würden.  An- 
■ingl  es  aber  in  die  Augen,  dass  er,  der  Fremde  und  Gefangene, 
;pruch  in  Griechenland  nicht  anders  als  auf  Betrieb  von  einfluss- 
nen  erhalten  konnte,  die  gewiss  Nichts  für  einen  Barbaren  gethan 
n ,  wenn  es  nicht  zugleich  einem  griechischen  Interesse  gegolten 
lommt  noch,  dass  Duketios  nicht  mit  Bewaffneten  ans  Korinth  ab- 
i,  wie  er  doch  offenbar  that,  wenn  die  Korintfaer  es  nicht  billigten, 
also  möglich  gewesen  ist,  nicht  nur  das  Orakel,  sondern  auch  die 
ir  Ausfuhrung  desselben  von  den  Hellenen  zu  erlangen,  so  müssen 
;hlie$sen,  dass  die  Syrakusaner,  in  deren  Interesse  er  in  Korinth 
"Oten  wurde,  sein  Unternehmen  unter  der  Hand  begünstigten,  und 
ftlr  lässt  sich  unschwer  nachweisen.  Sie  konnten  den  gedemüthig- 
ih  immer  kräftigen  und  die  ünthätigkeit  sicheflich  nur  mit  ausser- 
^reben  ertragenden  Mann  gebrauchen  wollen,  um  sich  in  ihm  und 
;igem  Bundesgenossen  gegen  die  aufstrebenden  Akragantiner  m 
che  über  das  GlUck  der  Syrakusaner  neidisch  waren  und  die  ein- 
ihrle  Begnadigung  eines  gemeinschaftlichen  Feindes  als  eine  ihnen 
lane  Beleidigung  betiachtelen.  Es  ist  auch  nicht  zu  tiberseben, 
i  aus  Griechenland  Theilnehmer  für  seine  neu  zu  gründende  Stadt 
lat.  Dies  konnten  nur  Griechen  sein ;  so  erhalten  wir  denn  das 
le,  wohl  einzig  dastehende  Schauspiel  eines  Barbaren,  der  an  der 
riechen  Hellas  verlasst,  um  eine  Kolonie  zu  gründen.  Als  er  auf 
tlichen  Insel  angekommen  war ,  fand  er  auch  bei  seinen  Lands- 
UnterstUtzung ,  und  besonders  gewährte  ihm  Arcfaonides ,  der 
n  Herbita,  einer  mächtigen  und  volkreichen  Stadt,  Hülfe.  Duketios 
neue  Stadt  Kaieakte,  kürzer  Kalakle,  die  schüne  Ktlsto.  Gering- 
Ueberresle ,  besonders  Thonscherben ,  welche  sich  unterhalb  des 
irfes  Caronia  finden,  das  dem  grossen  Walde  von  Caronia  den 
«n  hat,  zeigen ,  dass  hier  eine  alte  Stadt  lag,  und  die  Angaben 
3  von  Kaiakte,  die  man  aus  dem  späteren  Allertbum  besitzt,  lassen 
SS  diese  Stadt  Kaiakte  war.  Der  Ort  hielt  sich,  durdi  den  Reich- 
jend  begünstigt,  bis  in  die  späteren  Zeiten  des  Alterlhums.  Leider 
i  über  seine  inneren  Verhaltnisse  überliefert ,  welche  doch  bei  der 
'  Einwohnerschaft  aus  Griechen  und  Sikelem  eigenthUmlich  genug 
müssen,  —  wenn  wir  nicht  hierin  schon  einen  Beleg  von  der  als- 
iderem   Wege   nachzuweisenden   Grflcisirung   der  Sikeler  sehen 

I  Syrakusaner  erwartet  hatten,  trat  ein.  Die  Akragantiner,  schon 
ir  die  Begnadigung  des  Duketios ,  wurden  über  seine  Rückkehr, 
neu  hinterlistigen  Streich  der  Syrakusaner  betrachteten,  vollends 
fingen  Kri^  mit  ihnen  an.  Die  Spaltung  verbreitete  sich  über  die 


Ende  des  Dukettos.  Hellenisirung  der  Insel.  261 

anderen  griechischen  Städte  der  Insel.  Von  beiden  Seiten  wurden  grosse  Streit- 
kräfte gesammelt,  und  es  kam  zu  einer  Schiacht  am  Himeraflusse  —  wahr- 
scheinlich dem  südlichen  — ,  in  welcher  die  Akragantiner  den  Kürzeren  zogen 
und  mehr  als  Tausend  der  Ihrigen  verloren.  Jetzt  wünschten  sie  wieder  Frie- 
den, der  denn  auch  schnell  abgeschlossen  wurde,  Ol.  83,  3  —  446  vor  Chr. 
Duketios,  von  dessen  Betheiligung  bei  diesem  Kriege  wir  Nichts  hören,  herrschte 
noch  mehrere  Jahre  in  Kaiakte.  Er  versuchte  noch  einmal ,  einen  sikelischen 
Bund  unter  seiner  Leitung  zu  Stande  zu  bringen ,  aber  eine  Krankheit  raffte 
ihn  hinweg,  bevor  seine  Pläne  zur  Reife  gediehen  waren.  Er  starb  Ol.  85,  2  — 
439  vor  Chr.  —  nach  einer  politischen  Laufbahn  von  23  Jahren.  Als  dauernde 
Erinnerung  an  seine  Wirksamkeit  blieben  die  drei  von  ihm  gegründeten  Städte 
zurück :  Menai,  Palike  und  Kaiakte,  von  denen  die  erste  als  Mineo  noch  besteht, 
die  letzte  wenigstens  das  ganze  Alterthum  hindurch  bestanden  hat ,  Palike  da- 
gegen zu  Diodor^s  Zeit  bereits  zerstört  war,  ohne  dass  wir  sagen  können,  wann 
und  von  wem.  Die  Einwirkung  des  Duketios  auf  sein  Land  ist  eine  nachhal- 
tigere gewesen,  als  die  des  mächtigen  Hieron,  dessen  Schöpfungen  seinen  Tod 
kaum  überdauerten. 

Nach  dem  Ende  des  Duketios  geschah  das ,  worauf  die  Syrakusaner  viel- 
leicht gerechnet  hatten ,  als  sie  ihm  wieder  nach  Sicilien  zurückzukehren  er- 
laubten :  sie  bemächtigten  sich  mit  Leichtigkeit  der  Herrschaft  in  allen  sikeli- 
schen Städten  —  wie  Diodor  vielleicht  mit  einiger  Uebertreibung  sagt  —  mit 
einziger  Ausnahme  der  Stadt  Trinakia,  die  einen  ausserordentlich  tapferen 
Widerstand  leistete.  Als  die  kampffähigen  Männer  gefallen  waren,  tödteten  sich 
die  meisten  der  älteren,  um  nicht  in  die  Hände  der  Feinde  zu  fallen.  So  wur- 
den endlich  die  Syrakusaner,  welche  mit  Aufgebot  ihrer  ganzen  Bundesgenos- 
senschaft Trinakia  bekämpft  hatten,  Herren  der  Stadt.  Sie  zerstörten  sie, 
verkauften  die  noch  übrigen  Einwohner  als  Sklaven  und  sandten  die  besten 
Beutestücke  nach  Delphi  als  Geschenke  an  den  Gott. 

Diesen  Ausgang  hatte  das  Unternehmen  der  Sikeler ,  die  Uebermacht  der 
Hellenen  abzuschüttein.  Es  verschaffte  den  Syrakusanem  die  Gelegenheit,  die 
Stellung,  welche  sie  unter  den  Tyrannen  auf  der  Insel  eingenommen  hatten,  als 
freie  Bürger  wieder  zu  erringen.  Nachdem  sie  kurze  Zeit  nach  dem  Sturze  der 
Tyrannen  den  Akragantinem  und  sogar  den  Sikelern  für  die  ihnen  geleistete 
Hülfe  hatten  danken  müssen,  waren  sie  in  einem  Vierteljahrhundert  wieder  da- 
hin gelangt,  dass  sie  die  Sikeler  beherrschten  imd  die  Akragantiner  ihren  Vor- 
rang anerkannten. 

Sie  verstärkten  nach  ihren  letzten  Erfolgen  ihre  Streitkräfte.  Es  wurden 
1 00  Trieren  gezimmert,  die  Zahl  der  Reiter  verdoppelt,  das  Fussvolk  vermehrt 
und  den  unterworfenen  sikelischen  Städten  höhere  Tribute  auferlegt  als  zuvor. 
Wir  werden  bald  sehen ,  wohin  sie  zuerst  ihre  Hände  ausstreckten ;  aber  die 
Unternehmung ,  von  der  ich  sprechen  will ,  und  die  die  grössten  Folgen  nach 
sich  zog,  fand  erst  einige  Jahre  später  Statt;  zunächst  herrschte  noch  eine 
kurze  Zeit  Friede  auf  der  Insel,  über  die  sich  der  Einfluss  des  Hellenenthums 
Doehr  und  mehr  verbreitete.  Das  beweisen  ausser  dem  Umstand,  dass  der 
Sophist  Hippias  in  der  sikanischen  Stadt  Inykon  viel  Geld  durch  seinen  Unter- 
richt verdiente,  besonders  die  Münzen.  Unter  den  sikelischen  Städten  scheinen 


^62  Drittes  Buch.    V.  Literatur  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

nur  Henna,  Abakainon,  Horgantion  und  Galaria,  vielleicht  auch  Aetna  und  Ser- 
gention bereits  im  5.  Jahf h.  Vor  Chr.  eigei^  Mtmten  geprägt  zu  haben ,  und 
diese  Monzen  haben  griechische  Inschriften  und  griechischen  Charakter.  Henna 
führt  eine  fackeltragende  opfernde  Frau,  im  Revers  eine  Frau  in  einem  Wagen : 
Hindeutung  auf  den  Kult  der  Demeter ;  Abakainon  einen*  bartigen ,  lorbeer-^ 
bekränzten  Kopf  Und  im  Revers  eine  Sau ,  ein  Symbol  ebenfalls  der  Demeter 
(ähnlich  auf  Münzen  von  Eleusis) ;  Morgantion  einen  bärtigen  Kopf  mit  Binde, 
im  Revers  eine  Aehre ;  Galaria  einen  sitzenden  Zeus,  im  Revers  einen  stehen-- 
den  Bakchos  (Galaria  war  von  Morges  gegründet,  und  die  Morgantinische  Traube 
war  berühmt}  ;  Aetna  einen  Silenkopf  (man  denkt  an  den  Weinbau  des  Ber- 
ges] ;  Sergention  endlich,  wenn  anders  die  Inschrift  richtig  gedeutet  wird,  den 
bärtigen  Bakchoskopf,  im  Revers  eine  Traube.  Man  sieht  die  grosse  Verbreitung 
des  Bakchoskultus  über  das  Innere  der  Insel.  Von  den  Elymerstädten  hat  Se— 
gesta  eine  bedeutende  Münzgeschichte ;  man  erkennt  in  der  Inschrift  Segesta— 
zibemi  eine  in  griechischen  Buchstaben  wiedergegebene ,  offenbar  fremdartige 
Sprache.  Die  Typen :  der  Frauenkopf  (Aphrodite  oder  Segesta)  und  der  Hund, 
das  Symbol  des  Flussgottes  Krimisos,  haben  griechischen  Charakter,  wobei'in 
jenem  ein  eigenthümliches  Festhalten  am  alterthümlichen  Gepräge  bemerkbar 
wird.  Auch  von  Entella  und  Eryx  gehören  Münzen  mit  griechischer  Inschrift 
offenbar  in  unsere  Zeit.  Entella  zeigt  auf  der  einen  Seite  einen  Stier  mit  Men— 
schenantlitz,  auf  der  andern  eine  opfernde  Frau ;  Eryx  die  sitzende  Aphrodite, 
eine  Taube  auf  der  Hand,  auf  dem  Revers  einen  Hund.  Von  den  phönicischen 
Städten  hat  Motye  am  meisten  den  Einfluss  der  Griechen  erfahren.  Es  giebt 
Mtmzen  dieser  Stadt,  die  mit  dem  weiblichen  Kopf  und  dem  Hund  Aehnlichkeii 
mit  den  segestanischen  haben.  Dass  andere  auf  herrschenden  Einfluss  von 
Akragas  hinweisen,  sahen  wir  schon.  Akragas  hat  aber  auch  über  Eryx.  seine 
gewaltige  Hand  ausgestreckt;  das  zeigen  alte  Münzen  von  Eryx,  auf  denen  die 
Typen  akragantinisch  sind,  und  nur  die  Umschrift  lehrt,  dass  sie  für  Eryx  be- 
stimmt waren.  Am  schwächsten  war  der  Einfluss  der  Griechen  vielleicht  auf 
der  Nordküste.  Doch  giebt  es  auch  von  Panormos  Münzen,  die  den  hellenisdien 
Einfluss  des  fünften  Jahrhunderts  vor  Chr.  zu  verrathen  scheinen. 


Fünftes    Kapitel. 
Literatur  und  geistiges  leben  derselben  Zelt. 

In  der  von  dem  Sturze  der  Tyrannen  bis  zur  grossen  Athenischen  Expe- 
dition verfliessenden  Zeit  schritt  die  Rildung  auf  der  Insel  bedeutend  vorwärts, 
und  Sicilien  hatte  auch  jetzt  wieder,  wie  schon  früher,  den  Ruhm,  der  geistigen 
Thätigkeit  der  Griechen  einige  neue  Bahnen  erofihet  zu  haben.  Die  Epoche  der 
Tyrannen  war  besonders  der  Poesie  günstig  gewesen,  die  der  Freiheit  war  es 
vorzugsweise  den  Wissenschaften  und  der  Ausbildung  der  Prosa;    zugiddi 


EmpedoUes.  263 

Hiacbte  aber  auoh  die  bildeode  Kunsl ,  für  welche  allen  Hellenen  eine  ausser^ 
ordentliche  Begabung  eigen  war,  die  entsobiedensten  Fortschritte  in  Sicilien. 

Zunächst  war'es  von  grosser  Bedeutung,  dass  die  bereits  in  Kleinasien  und 
in  Unteritalien  heimisch  gewordene  Philosophie  jetzt  auch  auf  unserer  Insel 
Wurzel  schlug.  Der  Anstoss  hierzu,  der  natürlich  vor  Alleoi  von  Italien  aus^ 
gmg,  war  nach  dem  Charakter  der  beiden  dort  blühenden  Philosopheoschulen 
ein  dof^lter.  Vor  allen  Dingen  konnte  die  pythagoreische  Lehre  nicht  ver- 
fehlen ,  auch  in  Sicilien  Anhänger  zu  enTS'erben.  Der  grossartige  Inhalt  dieses 
Systems,  das  Gewicht,  welches  Pythagoras  auf  die  Harmonie  im  Kosmos  legte, 
die  Lehre  vom  himmlischen  Ursprünge  und  der  Wanderung  der  Seelen,  endlich 
der  strenge  Lebenswandel  der  Pythagoreer,  dies  Alles  musste  auch  auf  die 
Sikelioten  grossen  Eindruck  machen,  und  wir  haben  bereits  gesehen,  dass 
Epicbarmos  nicht  ohne  einige  Kenntniss  dieser  Philosophie  war.  Andererseits 
konnte  es  der  Eieatischen  Sdiule  nicht  schwer  werden ,  in  Sicilien  Freunde  siu 
gewinnen,  um  so  mehr,  da  Xenophanes,  ihr  Gründer,  sich  hier  an  verschie-" 
denen  Orten  und  zuletzt  auch  am  Hofe  Hieron^s  aufgehalten  hatte.  Der  a]3 
speculativer  Philosoph  seinen  Meister  noch  UbertrelSende  Schüler  des  Xeno- 
phanes ,  Parmenides ,  ist  wohl ,  wie  er  nach  Athen  reiste ,  so  auch  in  den  be- 
rühmten und  reichen  Städten  Siciliens,  die  seiner  Vaterstadt  Eiea  so  nahe  lagen, 
gewesen,  obwohl  allerdings  keine  ausdillcklichen  Nachrichten  hierüber  vor- 
liegen. Seine  Lehre  von  dem  einzigen  und  ungetheilten  Sein,  das  die  Wahrheit 
ist,  während  die  Vielheit  und  Veränderlichkeit  des  Seienden  nur  auf  sinnlicher, 
das  heisst  irrthümlicher  Wahrnehmung  beruht,  konnte  den  Sikelioten,  die  schon 
in  den  Lustspielen  des  Epicharmos  auf  den  Unterschied  des  sinnlichen  und 
geistigen  Gebietes  aufmerksam  gemacht  waren,  nicht  fremd  vorkommen.  Ausser 
diesen  Lehren  italischen  Ursprungs  musste  aber  auch  die  Philosophie  der  asia- 
tischen lonier,  die  nach  dem  UrstofFe  forschten,  als  eine  äusserst  beachtens-^ 
werthe  Art  der  philosophischen  Untersuchung  erseheinen,  und  endlich  der 
Versuch  des  Anaxagoras,  der  zuerst  mit  Entschiedenheit  das  ideale  Princip  des 
Geistes  an  die  Spitze  stellte,  zum  Nachdenken  auffordern. 

Alle  diese  Einflüsse,  und  vorzugsweise  die  erstgenannten,  vereinigten  sich, 
um  eine  Philosophie  von  grossartigem  Charakter  und  einen  Philosophen ,  der 
eine  der  merkwürdigsten  Erscheinungen  des  Alterthums  ist,  hervorzubringen, 
Empedokies,  Heton's  Sohn,  der  um  OL  72-— 74  aa  499-— 84  vor  Chr.  ge-<- 
boren  wurde.  Sein  gleichnamiger  Grossvater  hatte  mit  Rennpferden  in  Olympia 
gesiegt  und  als  strenger  Pythagoreer,  der  sich  der  Fleischspeisen  enthalten 
musste ,  auch  die  Festgesandtschaften  statt  mit  einem  Ochsen  mit  einem  aus 
Mehl  und  Honig  gebackenen  Kuchen ,  der  die  Gestalt  eines  Ochsen  hatte ,  be- 
vrirthet.  Fast  alle  Häupter  der  oben  genannten  philosophischen  Schulen  werden 
als  Lehrer  des  Empedokies  genannt,  so  Xenophanes  und  Parmenides,  Anaxa-^ 
goras  und  besonders  Pythagoras ,  mit  dessen  Sohn  Telauges  er  befreundet  ge- 
wesen sein  soll.  Empedokies  galt  selbst  als  Pythagoreer ,  und  es  wurde  die 
Behauptung  aufgestellt,  dass  er  wegen  unerlaubter  VerölBEentlichung  der  Ge- 
heimlehren des  Meisters  aus  dem  Bunde  der  Freunde  ausgestossen  worden  sei. 
Ob  er  wirklich  einen  von  jenen  Männern  gehlkt  hat ,  vermiigen  wir  nicht  zu 
entßcheidHi ;  sicher  ist  nur,  dass  ihre  Lehren  einen  mächtigen  Einfluss  auf  ihn 


^..  11^^ 


264  Drittes  Buch.    V.  Literatur  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

ausübten.  Es  ist  nicht  einmal  bekannt ,  wo  er  seine  Bildung  empfing ,  wahr- 
scheinlich aber  geschah  es  nicht  blos  in  Sicilien.  Ihm  wurden  im  Alterthum 
ebenso  wie  Pythagoras,  Piaton  und  anderen  berühmten  Philosophen  grosse 
Reisen  zugeschrieben ,  die  er  über's  Meer  gemacht  habe ,  um  die  Weisheit  des 
Orients  kennen  zu  lernen.  Nun  ist  es  allerdings  wahr,  dass  er,  um  die  specu- 
lativen  Hauptsätze  seiner  Philosophie  zu  finden ,  nicht  nOthig  hatte,  den  Orient 
zu  besuchen ;  das  Studium  der  Natur  und  der  grossen  hellenischen  Philosophen 
vor  ihm  reichte  dazu  vollkommen  aus.  Ein  Anderes  ist  es  aber  mit  der  Stel- 
lung, welche  Empedokies  überhaupt  im  Leben  einnahm.  Es  muss  zweifelhaft 
erscheinen ,  ob  ein  Mann ,  wie  begabt  er  auch  sein  mochte ,  der  sein  Vaterland 
nie  verlassen  hatte,  sie  erreichen  konnte.  Ich  meine  natürlich  nicht  vorzugs- 
weise seine  oben  besprochene  politische  Thätigkeit;  Empedokies  war  nicht  blos 
Philosoph  und  Staatsmann.  Er  wollte  seinen  Landsleuten  in  allen  Stücken 
nützen.  Das  am  wenigsten  Auffallende  und  Ausserordentliche  in  seiner  Wirk- 
samkeit war  noch  der  Gebrauch,  den  er  von  seinem  grossen  Vermögen  machte, 
das  er  zur  Unterstützung  der  Aermeren  —  insbesondere  wird  die  Ausstattung 
unbemittelter  Bürgerstöchter  erwähnt  —  verwandte.  Sodann  war  er  Arzt,  aber 
nicht  oder  wenigstens  nicht  blos  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes.  Er  wollte 
als  Wundertbäter  angesehen  werden.  Er  hat  selbst  von  sich  gesagt : 

euch  waodl'  ich,  ein  seliger  Gott,  auf  der  Erde, 
Nicht  mehr  sterblich,  von  Allen  geehrt,  denn  also  geziemt  sich's ; 
Rings  mit  heiligen  Binden  umlcrftnzt,  und  grünenden  Zweigen. 
Zieh  ich  nun  also  einher  durch  die  Schaai*  reichblühender  Städte, 
Werd'  ich  von  Männern  verehrt  und  von  Weibern.  Tausende  strömen 
Hinter  mir  her,  zu  erfragen  die  Wege  des  Heils  und  der  Rettung, 
Einige  wollen  Orakel  von  mir,  die  Andern  begehren 
Wirksam  heilende  Mittel  zu  hören  für  allerlei  Krankheit. 

Sein  Anzug  war,  wie  er  selbst  andeutet,  seiner  Rolle  entsprechend.  Mit  einem 
Purpurgewande  bekleidet,  das  lang  herabwallende  Haar  mit  Binden  geschmückt, 
in  der  Hand  die  Ej^nze  des  delphischen  Gottes,  mit  ehernen,  klingenden  Sohlen 
unter  den  Füssen ,  so  zog  er  durch  die  Städte  der  Insel.  Dass  er  Beifall  fand 
und  Erfolg  hatte ,  wissen  wir  nicht  blos  aus  seinen  eigenen  Worten.  Es  war 
eine  berühmte  That  von  ihm ,  dass  er  eine  von  allen  anderen  Aerzten  auf- 
gegebene Akragantinerin  Pantheia ,  die ,  wie  es  hiess ,  längere  Zeit  leblos  da- 
gelegen hatte,  wieder  in's  Bewusstsein  zurückrief.  Heraklides  Pontikos  hatte 
ein  besonderes  Buch  über  diese  Geschichte  geschrieben.  Er  benutzte  die  Musik 
als  Heilmittel  bei  Affectionen  des  Gemüthes.  Durch  sie  soll  er  in  allerdings 
schwer  begreiflicher  Weise  einen  Jüngling,  der  schon  das  Schwert  gezückt 
hatte,  seinen  Gastfreund  zu  ermorden,  von  der  Ausführung  der  That  abgehalten 
haben.  Einen  grossen  Namen  machte  er  sich  femer  als  BeheiTscher  der  Ele- 
mente und  als  WindbeschwOrer.  Timaios  erzählte,  dass  er,  als  einmal  die  heftig 
wehenden  Etesien  die  Feldfrüchte  beschädigten,  Schläuche  von  Eselshäutea 
auf  den  Bergen  aufstellen  Hess,  welche  den  Wind  unschädlich  maditen,  und 
Plutarch  meint,  dass  er  mit  diesen  Eselshäuten  Bergspalten,  welche  den  schäd- 
lichen Südwind  zuliessen ,  verstopft  und  so  seinen  Zweck  erreicht  habe ,  eine 
Darstellungsweise,  welche  offenbar  bestimmt  ist,  das  Wunder  auf  natürlichem 
Wege  zu  erklären ,  freilich  mit  wenig  Glück.    Was  er  zur  Verbesserung  des 


Empedokles.  265 

r 

Gesundheitszustandes  von  Selinus  that,  trägt  weniger  den  Charakter  des  Ueber- 
natttrlichen.  Die  Ausdünstungen  eines  Gewässers,  das  Laertios  Diogenes  einen 
Fluss  nennt ,  riefen  eine  so  schlimme  Seuche  in  der  Stadt  hervor ,  dass  Viele 
starben  und  die  Weiber  nicht  gebären  konnten.  Da  Hess  Empedokles  auf  seine 
Kosten  das  Wasser  zweier  benachbarten  Flüsse  in  den  Sumpf  leiten  und  machte 
so  den  Ausdünstungen  und  damit  der  Epidemie  ein  Ende.  Als  nun  später  die 
Selinuntier  am  Flusse  ein  Gelage  hielten,  da  erschien  Empedokles  unter  ihnen, 
und  Alle  warfen  sich  vor  ihm  nieder  und  beteten  ihn  an  wie  einen  Gott.  Es 
scheint  sogar,  dass  das  Volk  der  Stadt  das  Andenken  an  diese  Begebenheit  durch 
Münzen  verewigte,  auf  deren  einer  Seite  der  Flussgott  Sellnu»  oder  Uypsas  auf 
einem  Altare  eine  Spende  darbringt,  während  die  andere  Apoll  und  Diana  auf 
einer  Biga,  jenen  einen  Pfeil  abschiessend,  diese  die  Zügel  haltend,  zeigt.  Kön- 
nen wir  nun  annehmen,  dass  Empedokles  die  Stellung  eines  Wunderthäters, 
die  wir  ihn  unter  allgemeinem  Beifall  einnehmen  sehen ,  so  glänzend  auszu- 
füllen vermochte ,  wenn  er  nur  in  Sicilien  unter  den  Augen  seiner  Landsleute 
seine  Bildung  empfangen  hatte '?  Die  ungewöhnliche  Roll6 ,  welche  er  spielte, 
wird  gewiss  erklärlicher,  wenn  wir  voraussetzen,  dass  er  eine  Zeit  lang  im 
Oriente,  vielleicht  in  Aegypten,  verweilte.  Nach  uralter  Erfahrung  gilt  der 
Prophet  Nichts  in  seinem  Vaterlande.  Empedokles  macht  eine  Ausnahme  davon. 
Aber  wir  dürfen,  was  wir  zur  Erklärung  der  seltenen  Thatsache  herbeizuziehen 
vermögen,  nicht  verschmähen. 

Ziemlich  sicher  ist,  dass  er  die  Stadt  Thurii  bald  nach  ihrer  Gründung 
(443  v.  Chr.)  besuchte,  und  dass  er  im  höheren  Alter  eine  Reise  nach  dem 
Peloponnes  machte ,  wo  er  bei  den  olympischen  Spielen  die  allgemeine  Auf- 
merksamkeit erregte.  Nach  einer  vereinzelten  Nachricht  hätte  er  an  dem  Kriege 
der  Syrakusaner  gegen  die  Athener  Theil  genommen ,  und  man  hat  die  Ver- 
muthung  aufgestellt,  es  möchte  dies  der  erste  Krieg  427  vor  Chr.  gewesen  sein, 
und  die  Akragantiner,  denen  Syrakus  stets  im  Lichte  einer  lästigen  Neben- 
buhlerin erschien ,  deswegen  den  Entschluss  gefasst  haben ,  ihm  die  Rückkehr 
in  seine  Vaterstadt  zu  versagen.  Nun  wird  uns  zwar  nicht  ausdrücklich  über- 
liefert, dass  Akragas  sich  beim  ersten  Kriege  der  Athener  in  Sicilien  so  miss- 
gttnstig  gegen  Syrakus  zeigte,  wie  beim  zweiten,  aber  unwahrscheinlich  ist  es 
nicht,  und  das  wurde  allerdings  im  Alterthum  behauptet,  dass  die  Nachkom- 
men der  Feinde  des  Empedokles  seine  Rückkehr  nach  Akragas  zu  verhindern 
gewusst  hätten,  so  dass  er  in  der  Fremde  sein  Leben  beschlossen  habe,  und 
zwar  im  Peloponnes.  Nach  der  wahrscheinlichsten  Angabe,  der  des  Aristoteles, 
brachte  er  es  nur  auf  60  Jahre,  so  dass  er  um  Ol.  89  —  424  vor  Chr.  ge- 
storben wäre.  An  seinen  Tod  heften  sich  die  manuichfaltigsten  Sagen,  die  das 
Mass  des  sonst  bei  berühmten  griechischen  Schriftstellern  gebräuchlichen 
Wunderbaren  ebenso  weit  überschreiten,  wie  sein  Leben  an  Wundem  reicher 
war ,  als  das  der  andern.  Einige  knüpften  sein  Ende  an  eine  seiner  ausser- 
ordentlichen Thaten.  Er  veranstaltete  nach  der  Wiederbelebung  der  Pantheia 
ein  grosses  Opferfest  auf  dem  Landgute  des  Peisianax.  Nach  der  Mahlzeit,  als  die 
Dunkelheit  anbrach,  entfernten  sich  Alle,  um  zu  ruhen;  nur  Empedokles  blieb 
zurück.  Am  andern  Morgen  aber,  da  man  ihn  suchte ,  war  er  verschwunden. 
Man  fragte  die  Sklaven ;  sie  wussten  von  Nichts.    Nur  Einer  sagte,  er  habe  in 


Drittes  Bach.  V.  Literatur  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

Naoien  Empedokles  iiifen  hören,  da  s«i  er  autgestanden  und  habe 
limmel  gesehen  uod  FackeUcfaein.  Sein  Freund  Pauaaoias  lies» 
iim  (örschen,  bald  aber  hörte  er  damit  auf  und  sagte,  Empedokles 
Eworden,  und  opferte  ihm  wie  einem  GoU«.  Das  war  der  Bericht 
e ;  seine  Feinde  und  Neider  verbreiteten  dagegen ,  er  habe  eich 
^estUrzt,  damit  jede  Spur  von  ihm  verschwände  nnd  man  ihn 
er  verseilt  glaube;  aber,  setzten  sie  boshaft  hinzu,  seine  Absicht 
cht  worden ,  denn  der  Vulkan  habe  eine  seiner  ehernen  Sandalen 
vorfen  und  so  den  Betrug  offenbart.  Die  zum  Spott  erfundene 
t  bald  als  historische  Thatsacbe,  selbst  für  Anhänger  des  Empe- 
liese,  die  den  verehrten  Mann  von  dem  Vorwurfe  des  Betrugs 
sn,  behaupteten  nun,  er  sei  allerdings  im  Aetna  umgekommen, 

eines  Ungltlcksfalles ,  der  ihn  beim  Beobachten  der  Phänomene 
nden  Berges  betroffen  habe.  So  ist  es  denn  gekommen,  dass  man 

hat,  den  Aetna  mit  dem  Namen  des  Empedokles  in  Verbindung 
ind  dass  die  antiken  Ueberreste,  die  sich,  wie  wir  wissen,  in 
a  mehr  als  9000  Fuss  auf  ihm  erhallen  haben ,  vom  Vtrike  der 
lilosophen  genannt  werden.  Uebrigens  war  man  nicht  damit  xu— 
'od  des  Empedokles  dem  Feuer  ziuuschreiben,  man  brachte  auch 
iemente,  die  dem  Philoso^dien  ihren  Buhra  verdankten,  damit  in 
Einige  lassen  ihn  durch  Erhangen  —  also  in  der  Luft  — -,  Andere 
lurz  auf  dem  Lande ,  noch  Andere  endlich  durch  Ertrinken  um- 
>  vereinzelte  Nachridit ,  in  H^^ra  werde  sein  Grab  gexeigt,  fand 
rthum  keinen  rechten  Glauben.  Die  Akragantiner  errichteten  ihm 
'ode  eine  Bildsäule,  die  ihn  mit  verhülltem  Antlitz ,  wahrschein— 
r  verborgenen  Tiefe  seiner  Weisheit ,  darstellte ,  imd  die  später 
(1,  wo  sie  vor  der  Curie  aufgestellt  wurde. 

iften  des  Empedokles ,  von  denen  wir  nur  Bruchstücke  haben, 
en  abgefssst.    Es  ist  didaktische  Poesie ,  wie  sie  seit  Besiod  bei 

gebrauchlich  war.  Sein  Hauptwei^  wird  unter  dem  Titel  >Voa 
igefubrt;  es  enthielt  2000  Verse.  Von  den  drei  Theiien,  aus 
md ,  scheint  der  erste  nach  einem  allegorisirenden  Eingange  die 
esetze  des  Seins  und  die  Lehre  vom  All ,  der  zweite  das  Werden 

Wesen,  der  dritte  endlich  die  Bildung  des  Henschen  und  die 

Seele  dargestellt  lu  haben.  Das  zweite  bedeutende  Gedidtt  des 
iess  die  SUhnungen.  Es  war  asketisch-ethischen  Charakters  nnd 
Verse.  Bisweilen  wurde  es  mit  dem  Vorhergehenden  zu  einem 
inel.  Sodann  gab  es  noch  von  ihm  ein  ärztliches  Lehi^edicht  von 
Ausserdem  hat  Empedokles  politische  Gedichte  verfasst ,  ferner 
auf  Apollon  und  ein  unvollendet  gebliebenes  Gedicht  auf  den 
rkrieg ,  welche  aber  beide  von  seiner  Schwester  oder  von  seiner 
unnt  wurden.  Endlich  haben  wir  noch  zwei  Epigramme  von  ihm 
a  ihm  befreundeten  Aerzte  Akron  imd  Pausaoias.  Wenn  ihm 
^esdirieben  werden,  so  wird  dies  auf  einer  Verwechselung  mit 
lamigen  Enkel  beruhen ,  der  ein  fruchtbarer  Trauerspieldkhter 
i  Suidas  i8  Tragödien  beilegt.  Die  Allen  bewunderten  am  Empe- 


Empedokles.  267 

dokles  den  gewaltigen,  an  Metaphern  reichen  Ausdruck,  der  sich,  in  den  ktthn- 
sten,  jedoch  immer  die  Sache  treffenden  Wortbildungen  ergeht,  und  fanden  in 
dieser  Beziehung  etwas  Homerisches  in  ihm ,  während  andererseits  Aristoteles 
tnit  Hecht  bemerkte ,  dass  Empedokles  mehr  Physiolog  als  Dichter  sei.  Wegen 
der  Härte  des  Ausdrucks  stellt  ihn  Dionys  von  Halikamass  dem  Aischylos  und 
Pindar  zur  Seite.  Sein  ionischer  Dialekt  ist  nidit  durchweg  rein.  Er  fand  schon 
früh  Erklärer ,  wie  denn  der  Eleat  Zenon  eine  Auslegung  des  Empedokles  ge- 
schrieben haben  soll.  Ein  Vorbild  wurde  er  dem  römischen  Dichter  Lucretius, 
der  ihm  im  ersten  Buche  seines  Werkes  über  die  Natur  der  Dinge  ein  glänzen- 
des Denkmal  gesetzt  hat,  indem  er  von  Sidlien  sagt,  dass  es,  aus  vielen  Grün- 
den bewundemswerth ,  doch  nichts  Herrlicheres ,  Heiligeres ,  Wunderbareres 
und  Theureres  jemals  besessen  habe,  als  Empedokles,  der  kaum  von  Menschen 
abzustammen  scheine.  Von  den  Schriften  des  Empedokles  sind  uns  etwa  400 
Yerse  erhalten,  aus  denen  wir  mit  Benutzung  des  sonst  von  den  Alten  über  ihn 
Berichteten  uns  ein  freilich  bisweilen  etwas  imklares  Bild  seiner  Lehre  machen 
können.  Jedoch  ist  nicht  zu  vergessen ,  dass  eine  in  epischen  Versen  und  Ho- 
merischer Sprache  abgefasste  Darstellung  philosophischer  Lehren,  die  man  als 
eine  letzte  Hesiodeische  Theogonie  bezeichnet  hat,  überhaupt  nicht  die  Klarheit 
besitzen  kann,  die  wir  von  einer  Philosophie  verlangen ,  und  etwas  Aehnliches 
scheint  schon  Aristoteles  gefühlt  zu  haben ,  der  einmal  Empedokles  mit  einem 
Stammelnden  vergleicht. 

Von  dem  Grundsatze  ausgehend,  dass  Nichts  aus  dem  Nichts  hervorgehen 
und  darin  zurücktreten  könne,  schloss  sich  Empedokles  an  die  Lehre  des  Ana- 
ximandros  an,  dass  Alles  auf  der  W^elt  durch  Mischung  entstehe  und  durch 
Aufhebung  der  Mischung  wieder  verschwinde.  Es  giebt  im  eigentlichen  Sinne 
weder  Werden  nodbi  Vergehen,  weder  Geburt  noch  Tod,  sondern  nur  Mischung 
des  Getrennten  und  Sonderung  des  (jemischten.  So  erschien  es  ihm  denn  auch 
unpassend,  mit  den  ionischen  Philosophen  einen  einzigen  Grundstoff  anzuneh«- 
men,  aus  welchem  die  mannichfaltige  Welt  geworden  wäre.  Das  kam  ihm,  wie 
sch<m  Parmenides,  auch  nur  wie  ein  Werden  aus  Nichts  vor,  und  er  hielt  eine 
ursprüngliche  Mehrheit  von  Grundstoffen  für  noth wendig,  damit  eine  Mischung 
überhaupt  mißlich  seL  Während  vor  ihm  schon  Wasser,  Luft,  Feuer  einzeln 
für  Elemente  erklärt  worden  waren,  nahm  er,  zu  jenen  die  Erde  hinzufügend, 
alle  vier  zusammen  als  Elemente  an  und  stellte  so  einen  Satz  auf,  der  die 
Naturwissenschaft  über  2000  Jahre  beherrscht  hat.  In  seiner  dichterischen 
Sprache  nannte  er  die  vier  Elemente  die  Wurzeln  des  Alls  und  bezeichnete  mit 
mythischen,  theilweise  eigenthümlich  gewählten  Namen  das  Feuer  als  Zeus, 
die  Erde  als  Aidoneus,  die  Luft  als  Here,  das  Wasser  als  Nestis.  Diese  Ele- 
mente sind  ihm  ungeworden  und  unvergänglich,  gleich  an  Würde  und  Ge- 
schlecht, aber  völlig  verschieden  ihrem  Wesen  nach.  Aus  der  Verbindung  und 
Scheidung  derselben  entsteht  Alles.  Als  Ergänzung  hiervon  ist  die  ihm  von 
spateren  Schriftstellern  beigelegte  Lehre  anzusehen,  dass  die  vier  Elemente  jedes 
in  kleine  Theilchen ,  gewissermassen  Atome  zerfallen ,  die  sich  mit  einander 
veri^inden  und  von  einander  trennen.  Es  ist  auch  nicht  abzusehen,  vsde  Empe- 
d<^es  sich  einer  solchen  Voraussetzung  hätte  entziehen  k<tonen ;  d^in  wenn 
aus  vier  Elementen  die  Mannichfaltigk^t  der  bestehend^!  Schöpfung,  die  Masse 


268  Drittes  Buch.    V.  Literatur  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

der  verschiedenen  Einzelwesen  werden  soll ,  so  muss  jedes  Element  aus  einer 
Anzahl  kleiner  Theile  bestehen,  die  mit  Theilen  der  anderen  Elemente  Verbin- 
dungen eingehen.    Wie  entsteht  nun  aber  die  fortwährende  Mischung  der  Ele- 
mente?  In  ihrer  Natur  an  sich  kann  der  Grund  dazu  nicht  liegen.  Empedokles 
fand  ihn  in  zwei  Kräften,  die  abwechselnd  auf  die  Grundstoffe  wirken,  und  die  er 
mit  poetischen  Namen  als  Freundschaft  und  Hass,  mit  mythischen  als  Aphrodite 
und  Ares  bezeichnete.  Sie  heissen  in  rein  wissenschaftliche  Sprache  übertragen 
Anziehung  und  Abstossung.    Wir  finden  somit  bei  dem  alten  akragantinischen  ^ 
Philosophen  zum  ersten  Male  die  Grundlagen  der  Naturanschauung,  welche  seit- 
dem im  Wesentlichen  herrschend  geblieben  ist:  einerseits  die  Materie,  zerfal- 
lend in  vier  Elemente ,  andererseits  die  Bewegung,  welche  in  doppelter  Weise, 
als  Anziehung  und  Abstossung  sich  äussert ,  also  den  Gegensatz  von  Kraft  und 
Stoff,  deutlich  genug  ausgeprägt.  Er  ging  aber  noch  einen  Schritt  weiter.  Er  sah 
ein,  dass  man  nach  den  Gesetzen  forschen  könne,  welche  die  Thätigkeit  der 
Freundschaft  und  des  Hasses  regierten ,  und  er  verwies  hierfür  auf  den  Begriff 
der  Nothwendigkeit,  des  Schicksals.  Wenn  er  nun  an  anderen  Stellen  dem  Zufall 
die  Bolle  des  ordnenden  Geistes  der  Welt  anzuweisen  scheint,  so  kann  man  sich 
kaum  der  Annahme  entziehen,  dass  er  zwischen  den  scheinbar  sich  wider- 
sprechenden Begriffen  der  Nothwendigkeit  und  des  Zufalls  keinen  Unterschied 
gesehen  hat,  eine  Auffassung,  die,  wenn  einmal  der  Gedanke  eines  personlichen 
Gottes  bei  Seite  gelassen  wird,  auch  nichts  Befremdendes  haben  kann.    Wenn 
wir  endlich  fragen,  wie  bei  den  Einzelwesen  die  fortwährende  Mischung  mit  ein- 
ander, die  ihr  Leben  wie  ihren  Tod  ausmacht.  Statt  findet,  so  antwortet  Em- 
pedokles darauf  durch  die  Annahme  von  beständigen  Ausflüssen,  die  von  dem 
einen  Wesen  sich  in  entsprechende  Oeffnungen,  Poren,  des  anderen  ei^iessen. 
Alles  aber  dachte  er  sich  von  Anfang  an  vereinigt  in  einem  grossen  Ganzen, 
das  er  Sphairos,  die  Kugel,  nannte,  wie  schon  Parmenides  in  demselben  Sinne 
Sphaira  gesagt  hatte.  Diese  Weltkugel  bezeichnete  er  auch  als  Gott  und  die  Ele- 
mente als  seine  Glieder.   In  dem  Sphairos  herrscht  anfangs  Harmonie,  d.  h.  die 
Liebe  oder  Freundschaft  und  in  Folge  davon  vollständige  Buhe.    Dann  begann 
allmählich  das  entgegengesetzte  Prinzip  des  Hasses  sich  zu  regen,    und  die 
Folge  davon  war  eine  gewaltige  Erschütterung  des  Ganzen.  Es  bildete  sich  ein 
Wirbel ,  in  welchem  die  Elemente  sich  mischten  und  so  die  einzelnen  Natur— 
Wesen  hervorbrachten.  Die  Bestimmung  der  Liebe  war,  den  Mittelpunkt  dieses 
Wirbels  einzunehmen ;  von  dem  Hasse  wird  nicht  so  klar  gesprochen ,  er  be- 
findet sich  bald,  an  seinem  Ziele  angekommen,  am  äussersten  Bande  der  Kugel, 
bald  in  der  untersten  Tiefe ,  über  deren  nothwendigen  Gegensatz ,  die  Höhe, 
jedoch  Nichts  bekannt  ist.    So  vereinigt  der  Sphairos  alle  Gegensätze  in  sidi. 
Es  wird  fortwährend  Eins  aus  Vielem  und  «Vieles  aus  Einem ,  und  insofern 
herrscht  die  Vergänglicheit;  insofern  aber  dieser  fortwährende  Uebergang  nie- 
mals aufhört ,  ist  es  doch  wieder  die  Ruhe  und  Beständigkeit ,  die  das  Scepter 
führt.     Das  Prinzip  des  Hasses  nahm  allmählich  an  Kraft  ab  und  liess  der 
Freundschaft  mehr  und  mehr  das  Uebergewicht.    Die  Bildung  der  einzelnen 
Naturwesen  ging  vorzugsweise  durch  die  Liebe  vor  sich ;  in  der  ersten  Zeit 
ihrer  Herrschaft  blieb  deshalb  auch  noch  Manches  von  den  Elementen  unge- 
mischt, so  viel  die  Zwietracht,  welche  noch  nicht  an  die  äussersten  Grenzen  des 


Lehren  des  Empedokies.  269 

Kreises  gewichen  war,  von  der  Verbindung  zurückhielt.  Eine  andere  Wirkung 
des  anfänglichen  Uebergewichts  des  Hasses  bestand  darin ,  dass  die  sich  bil- 
denden Einzelwesen  zuerst  hiSsslich  und  ungesialt  waren.  Bei  der  Bildung  der 
gegenwärtig  vorhandenen  Welt  ordneten  sich  anfangs  die  Elemente  so,  dass 
die  Erde  den  untersten  Raum  einnahm ,  worauf  nach  oben  hin  Wasser ,  Luft 
und  Feuer  folgten.  Die  wirbelnde  Drehung  des  Ganzen  mischte  sie  aber  der- 
gestalt durch  einander,  dass,  wie  sich  an  den  wannen  Quellen  zeigte,  das  Feuer 
auch  unterhalb  der  Erde  sich  fand ,  und  nun  neue  Wesen  entstehen  konnten, 
deren  Bildung  Empedokies  mit  dem  Verfahren  des  Malers  verglich,  der  die 
Farben  durch  einander  mischt.  Der  Himmel  ist  ihm  eine  feste,  eisähnliche  Masse, 
aus  Luft  bestehend,  welche  durch  Feuer  verdichtet  worden  ist.  Er  unterschied 
zwei  Hemisphären,  in  deren  einer  das  feurige,  der  andern  das  luftige  Element 
vorherrschte.  Die  Sonne  ist  eine  grosse  Anhäufung  von  Feuer,  aber  nicht  aus 
dem  reinen  Element  gebildet ;  sie  wird  deshalb  auch  als  ein  Abglanz  desselben 
bezeichnet.  Anfangs  hatte  sie  sich  langsamer  bewegt  als  jetzt,  so  dass  ein  Tag 
gleich  zehn,  sodann  gleich  sieben  der  jetzigen  Monate  gewesen  war.  Sie  ist  etwa 
so  gross  wie  die  Erde  selbst  und  dreimal  so  weit  von  ihr  entfernt  als  der  Mond. 
Dieser  ist  ihm  eine  hagelartige  Verdichtung  der  Luft,  sein  Licht  eine  Abspiege- 
lung des  Sonnenlichtes.  Er  schreibt  ihm  ein  funkelndes  Auge  zu,  mit  demselben 
Worte,  das  Homer  von  der  Athene  gebraucht.  Der  Mond  verursacht  die  Sonnen- 
finsternisse, wenn  er  auf  seiner  Bahn  um  die  Erde  zwischen  sie  und  die  Sonne 
tritt.  Die  Sterne  sind  feurige  Massen,  welche  die  Luft  aus  sich  herausgestossen 
hat ,  und  zwar  sind  die  Fixsterne  am  Himmelsgewölbe  befestigt ,  während  die 
Planeten  sich  bewegen.  Den  Blitz  hielt  Empedokies  für  einen  Sonnenstrahl,  der 
sich  durch  eine  Wolke  Bahn  machen  muss ,  wobei  das  Erlöschen  des  Feuers 
das  Geräusch  des  Donners  hervorbringt.  Regen  entsteht  durch  das  Heraus- 
pressen des  Wassers  aus  der  Luft ,'  Hagel  ist  eine  Verdichtung  der  kalten  Luft 
durch  das  Feuer.  Die  Winde  werden  durch  die  Einwirkung  der  zwei  Himmels- 
hemisphären hervorgebracht;  den  kalten  Nordwind  erzeugt  die  Lufthemisphäre, 
den  warmen  Südwind  die  feurige  Halbkugel,  und  auf  diese  beiden  Winde  müssen 
die  übrigen  zurückgeführt  werden.  Die  Kraft  der  Sonne  bewirkte ,  dass  die 
Luft  ihr  wich  und  in  Folge  davon  der  Norden  der  Erde  sich  hob  und  der  Süden 
sich  senkte.  Jener  galt  ihm  als  die  rechte ,  dieser  als  die  linke  Seite  der  Welt. 
Auf  der  Erde,  die  er  sich  im  Mittelpunkte  befindlich  und  durch  die  Gewalt  der 
um  sie  kreisenden  Körper  in  Ruhe  gehalten  dachte,  bildete  sich  das  Meer  als 
eine  Ausschwitzung  durch  die  Kraft  des  Feuers.  Das  Feurige  fand  er  auch  in 
den  Metallspiegeln ,  aus  denen  es  ausströmend  in  der  davor  befindlichen  Luft 
Bilder  der  Gegenstände  hervorbringt.  In  der  Anziehungskraft  des  Magneten  sah 
Empedokies  eine  besondere  Bestätigung  seiner  oben  erwähnten  Theorie  von 
den  Aus-  und  Einströmungen  der  Körper. 

Die  Pflanzen  entstanden  aus  der  Erde,  ehe  ihre  Bildung  noch  vollendet, 
ehe  Tag  und  Nacht  geschieden  waren.  Sie  galten  ihm  als  lebende  Wesen  so  gut 
wie  die  Thiere,  nur  dass  sie  an  der  Erde  hafteten  wie  die  Embryonen  am  Mut- 
terieibe.  Er  verglich  das  Laub  der  Pflanzen  mit  den  Haaren,  Federn  und 
Schuppen  der  Thiere  und  nahm  bei  ihnen  wie  bei  den  Thieren  eine  Hervor- 
bringung durch  Zeugung  an,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  bei  den  Pflanzen 


270  Drittes  Bacb.  V.  Literatur  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

die  Geschlechter  in  demselben  Individuum  vereinigt  sind.  Mit  den  Wurseln 
gebi^ren  die  Pflanzen  der  Erde  an  und  ziehen  aus  ihr  ihre  Nahrung,  mit  ietk 
Zweigen^der  Luft,  die  sie  von  oben  ernährt.  Da  in  den  Einzelwesen  die  Eie^ 
mente  gemischt  sind  und  Gleichartiges  immer  durch  Gleichartiges  genährt  wird, 
Erde  durch  Erde,  Luft  durch  Luft  und  Wasser  durch  Wasser,  so  nähren  sieh 
auch  die  Pflanzen  auf  diese  Weise,  durch  Einströmen  des  gleichartigen  Grund- 
stoffes in  die  Poren  derselben ,  welche  je  nach  den  Elementen  verschieden  ge« 
staltet  sind.  In  der  Beschaffenheit  der  Poren  fand  Empedokles  auch  einen  der 
Gründe,gweshalb  einige  Bäume  ihr  Laub  im  Winter  behalten,  während  anden» 
es  abwerfen.  Bei  diesen  letzteren  sind  die  Poren  der  unteren  Theile  enger,  der 
oberen  weiter,  daher  die  Ausströmungen  grösser  als  die  fortwährend  wieder 
aufgenommene  Nahrung.  Ein  anderer  Grund  des  Nichtabfallans  der  Blätter  der 
Palme ,  des  Lorbeers ,  des  Oelbanms  und  anderer  Bäume  liegt  in  der  grösseren 
Gleichmässigkeit  der  Mischung  der  Säfte,  welche  diese  Pflanzen  vor  den  übrigen 
auszeichnet.  Diese  Bäume,  den  Oelbaum  und  vor  allen  den  Lorbeer  hielt 
Empedokles  besonders  werth.  Nach  der  Theorie  der  Aufnahme  des  Gleich- 
artigen in  die  Pflanzen  erklärt  er  den  Wein  für  das  im  Holz  der  Bebe  gegohrene 
Wasser.  Die  Frucht  bezeichnet  er  als  das  Ueberfliessen  des  in  der  Pflanze  be- 
findlichen Wässrigen  und  Feurigen.  Das  späte  Reifen  des  Granatapfels  komme, 
meint  er,  von  seinem  Ueberflusse  an  Säften  her. 

Bei  den  Thieren  war  Empedokles  der  Ansicht ,  dass  im  Laufe  der  Zeit  ein 
allmähliches  Aufsteigen  von  unvollkommeneren  zu  vollkommeneren  Bildungen 
Statt  gefunden  habe.  Anfangs  hatte  der  Hass  noch  das  Uebei^ewicbt ,  und  so 
kam  es,  dass  zuerst,  als  Glieder  entstanden,  diese  sich  noch  nicht  zu  ganv^i 
Körpern  zusammenfanden.  Er  denkt  sich  höchst  seltsam : 

Zahlreich  sprossten  die  Köpfe  empor,  des  Nackens  entbehrend, 
Aroae  auch  schweiften  umher,  von  den  trägenden  Schultern  verlassen, 
Einsam  irrten  die  Augen,  noch  nicht  io  der  Stirne  befestigt. 

Dann  kamen  die  Glieder  zusammen,  aber  zu  monströsen  Gestalten : 

Leiber  von  Stieren  mit  menschlichem  Haupt,  stierhäuptige  Menschen, 
Gingen  dann  wieder  hervor,  auch  Mischungen  doppelten  Wesens, 
Männlich  zugleich  und  weiblich,  die  riesigen  Schreckengestalten. 

Endlich  fanden  sich  durch  die  Kraft  der  Freundschaft  die  Glieder  zu  harmoni-* 
sehen  Bildungen  zusammen,  und  die  Ungeheuer  und  Missgeburten  verschv^an— 
den.  Die  letzte  Stufe  der  Entwicklung  bestand  endlich  darin ,  dass  diese  Ein- 
zelwesen nicht  mehr  aus  den  Elementen  zusammengesetzt  wurden,  sondern 
sich  selber  fortpflanzten.  Empedokles  hat  offenbar  die  monströsen  Gestalten 
der  Sage  wissenschaftlich  rechtfertigen  wollen.  Bei  den  ausgebildeten  Thieren 
ist  die  Verschiedenheit  der  Mischung  die  Ursache  der  Mannichfaltigkeit  der  Gat- 
tungen. Dasjenige  Element,  welches  in  einem  Thiere  vorherrscht,  dient  dem- 
selben auch  als  Wohnsitz,  wobei  Empedokles,  da  im  Feuer  keine  Thiere  leben, 
auf  den  sonderbaren  Gedanken  kam,  die  feurige  Natur  den  Fischen  zuzuweisen, 
welche  im  Wasser  leben  mttssten ,  damit  so  das  ihnen  eigene  Uebermass  der 
Warme  gemildert  würde.  In  den  einzelnen  Thieren  ist  die  Mischung  der  Ele- 
mente wieder  in  der  Weise  vortianden ,  dass  z.  B.  die  Füsse  der  Erde ,  die 
Atbmungsorgane  der  Luft  angehören.  Ausserdem  sind  aber  noch  die  einzelnen 


Lehren  des  Empedokles.  271 

Kdrperbestandtheile  aus  den  filemenien  zusammengesetzt.  So  die  Knochen  aus 
vier  Theilen  Feuer,  zwei  Theilen  Erde  und  je  einem  Tfaeile  Luft  und, Wasser; 
die  Sehnen  aus  je  einem  Theil  Feuer  und  Erde  und  doppelt  so  viel  Wasser. 
Am  gleichmässigslen  ist  die  Mischung  der  Elemente  im  Fleische  und  im  Blute. 
Empedokles  beschäftigte  sich  sehr  eingehend  mit  der  Zeugung  und  Entstehung 
der  Thiere  und  Menschen.  Der  Unterschied  der  Geschlechter  schien  ihm  in  der 
verschiedenen  Wärme  begründet,  deren  grösseres  Maass  er  dem  Manne  zu« 
schrieb.  So  glaubte  er  denn  auch,  dass  die  ersten  MHnner  im  heissen  Süden, 
die  ersten  Frauen  im  kalten  Norden  entstanden  seien.  Die  Wttrme  und  Kälte 
spielt  auch  in  dem  Leben  jedes  einzelnen  Wesens  eine  grosse  Rolle.  Der  Schlaf 
ist  ein  augenblickliches,  der  Tod  ein  dauerndes  ZurOckti^ten  der  Wttrme.  Wenn 
dias  Wesen  d^  Jugend  in  das  Ueberwiegen  der  Freundsdiaft  gesetzt  v^ird ,  so 
scheint  sich ,  da  unzweifelhaft  auch  hier  ein  Vorherrschen  der  Wärme  ange- 
nommen werden  musste,  eine  engere  Beziehung  zwischen  Freundschaft  und 
Wärme  lu  ergeben.  Aus  den  Sehnen  werden ,  wenn  sie  mit  der  Luft  in  Be- 
rtduHing  kommen,  die  Nägel.  Thränen  und  Schweiss  presst  das  Blut  bei  ge- 
steigerter Bewegung  hervor ;  Empedokles  vergleicht  diese  Aussonderungen  mit 
der  der  Molken  aus  der  Milch.  Von  der  gi^ssten  Wichtigkeit  für  den  KOrper 
sind  auch  hier  wieder  die  Poren,  durch  welche  besonders  die  Aufeahme  der 
Luft  Statt  findet ,  so  dass  eigentlich  der  ganze  Körper  athmet ,  nicht  blos  die 
Longen.  Wenn  nämlich  das  Blut  aus  den  feinen  Rohren ,  welche  in  die  Poren 
münden ,  in  das  Innere  des  K(^rpers  zurücktritt ,  so  dringt  die  Luft  nach  und 
erfüllt  einen  Theil  des  Kl^rpers.  Alsbald  aber  strömt  das  Blut  wieder  nach  der 
Oberfläche  zurück  und  treibt  die  Luft  hinaus.  Empedokles  vergleicht  in  sehr 
ausführlicher  Schilderung  diesen  Vorgang  mit  dem  Spiel ,  das  ein  Mädchen  mit 
der  Klepsydra  treibt,  einem  ehernen  Gefösse  mit  langem  Halse  und  vielfach 
durchbohrtem  Boden,  durch  welchen  nur,  wenn  die  Halsöfihung  unverschlossen 
ist,  Wasser  aus-  und  eindringti 

Viel  hat  Empedokles  sich  mit  den  Sinnesthätigkeiten  beschäftigt,  welche 
ebenfalls  auf  dem  allgemeinen  Grundsatze  seiner  Philosophie  beruhen.  Die 
Elemente  in  uns  erkennen  die  entsprechenden  Elemente  der  Aussenwelt. 
Er  sagt : 

Erde  ja  schauen  mit  Erde  wir  an,  mit  Wasser  das  Wasser, 
Göttlichen  Aether  mit  Aether,  mit  Feuer  das  fressende  Feuer, 

Liebe  mit  Liebe  alleio,  und  den  Hass  mit  grimmigem  Hasse. 

• 

in  den  einzelnen  Sinnen  herrschen  besondet^e  Elemente  vor.  Das  Auge  ist  vor- 
zugsweise feuriger  Natur.  Es  gleicht  einer  Laterne ;  wie  bei  dieser  schützen 
die  äusseren  Häute  das  innere  Feuer,  und  zwar  gegen  das  Wasser,  das  eben- 
falls zum  Wesen  des  Auges  gehört.  Die  verschiedene  Farbe  der  Augen  rührt 
davon  her,  ob  das  feurige  oder  das  wässerige  Element  überwiegt;  die  dunkeln 
Augen  enthalten  mehr  Feuchtigkeit ,  die  hellen  mehr  Feuer,  daher  sehen  diese 
bei  Nacht  besser  als  jene,  denn  das  grössere  innere  Feuer  ist  im  Stande,  einen 
Mangel  an  äusserer  Beleuchtung  zu  ersetzen.  Die  Möglichkeit  des  Sehens  be- 
ruht auf  dem  Zusammenkommen  der  Ausströmungen  der  Objecto  und  der- 
jenigen des  Auges ;  dieses  hat  besondere  Poren  für  die  wasserigen,  andere  für 
(be  feurigen  Theilchen ,  von  denen  jene  die  dunkeln ,  diese  die  hellen  Körper 


272  Drilles  Buch.    V.  Literatur  nod  geUiiges  Leben  derselben  Zeit. 

IreSen  und  wahrnehmen.  Das  Bild  liegt  a)so  ausserhalb  des  Änges,  bei  dessen 
Bildung  Enipedolües  der  Freundschaft  eine  besondere  Thytigkeit  zuschrieb. 
Das  Gehör  entspricht  dem  Elemente  der  Luft.  Dos  Ohr  nennt  er  dichterisch 
einen  Spross  von  Fleisch ;  in  demselben  sei  ein  schneclLenfOrmigerKöi-per,  an 
den  die  bewegte  Luft  wie  an  eine  Glocke  schlage.  Der  Geschmack  ist  haupt- 
sächlich im  Wasser  begründet.  Ob  er  den  Geruch  mit  der  Erde  in  Verbindung 
gebracht  hat,  ist  nicht  so  deutlich  zu  erkennen ;  zunächst  steht  er  ihm  mit  dem 
AthmungsproEess ,  also  wieder  mit  der  Luft,  in  Verbindung.  Die  Farben  ent- 
stehen naturlich  aus  der  Mischung  der  Elemente,  doch  ist  emem  jeden  eine  be- 
sondere Farbe  eigen,  dem  Feuer  weiss,  dem  Wasser  schwarz,  der  Luft  rath,  der 
Erde  endlich  gelblich.  Die  Begierden  sind  ihm  das  Verlangen  nach  dem  Gleich- 
artigen, dessen  Aufnahme  im  EOrper,  stets  das  Geftlbl  des  Wohlb^agens  erregt. 
Selbst  das  Denken  knüpft  Empedokles  an  einen  bestimmten  Stoff,  wenn  er  sagt, 
dass  das  um  das  Ben  strömende  Blut  bei  den  Menschen  der  Gedanke  sei.  In 
dem  Blute  fand  er  nSmbch  die  vollkommenste  und  bannonischsle  Mischung  der 
Elemente.  Von  der  Art  und  Weise  der  Mischung  hängt  auch  die  geistige  Be- 
gabung und  das  Temperament  des  Menseben  ab :  spärliche  Elemententheile  er- 
zeugen iryige  Menschen ;  je  dichter  jene  sind,  desto  lebhafter  und  rascher  ist  der 
Geist.  Wo  eine  richtige  und  harmonische  Mischung  einem  besonderen  Körper- 
theile  vorzugsweise  zu  Theil  geworden  ist,  da  eignet  sich  der  Mensch  vorzüglich 
fUr  die  Th<!tigkeiten,  welche  sich  dieses  Theiles  bedienen.  Durch  solche  Mischui^ 
zeichnet  sich  z.  B.  die  Hand  des  bildenden  Künstlers  und  die  Zunge  des  Redners 
aus.  Da  so  der  Geist  dem  Empedokles  nichts  Anderes  war,  als  die  zusammen- 
gefasste  Thatigkeit  des  Körpers,  so  konnte  er  von  der  Einsicht,  die  den  Hen- 
<   sehen  erreichbar  ist,  keinen  hohen  Begriff  haben.  Er  sagt  von  ihnen  : 

Freudlos  dilrrtigeD  Lebens  ein  winziges  Tbeil  nur'geDJesseDd, 

Rafll  sie  ein  frühes  Geschick,  gleich  wirt>elndem  Raucb  sie  zerstreuend. 

Das  nur  glaubt  ein  Jeder,  was  ibm  auf  dem  Wege  sieb  aufdrang. 

HierhiH  und  dorthin  getrieben,  begehrt  er,  ein  Ganzes  zu  finden; 

Eillcr  Wahn !  Nicht  siebt  er,  nicht  hört  er  ein  solches  im  Leben, 

Nicht  euch  im  Geiste  tiegreifl  er's. 
Empedokles  forderte ,  dass  man  in  dem  Vertrauen  auf  die  Richtigkeit  des  von 
den  Sinnen  Geoffenbarlen  nicht  zu  weit  gehen  solle. 

Hemme  den  Glauben  der  Sinne,  und  denke  das  Klare  der  Dinge  I 
ruft  er  aus.    Leider  ist  uns  aus  seiner  Denklehre ,  wenn  er  eine  solche  über- 
haupt aufgestellt  hat,  NicJits  erhalten.   Von  seinen  eigenen  Lehren  sagt  er,  dass 
er  gewiss  wisse ,  sie  seien  wahr ;  aber  er  klagt  zugleich ,  dass  der  Glaube  nur 
schwer  beim  Menschen  Eingang  finde. 

Den  Menschen  sind  Dämonen  beigeordnet,  die  in  ihrem  Wesen  abstrakten 
Begriffen  entsprechen :  Streit  und  Eintracht ,  Schönheit  und  Hasslichkeit, 
Schnelligkeit  und  Langsamkeit,  Entstehen  und  Untergang,  Schlaf  und  Wachen, 
Bew^ung  und  Buhe  und  andere,  paarweise  in  Gegensätzen  zusammengestellt. 
Ausserdem  nimmt  Empedokles  noch  Götter  an ,  die  ebenso  wie  die  Menschen 
Produkte  der  Elementenmischung  sind.  Sie  sind  vergänglich  wie  diese ,  und 
Menschen  können  zu  Göttern,  Götter  zu  Menschen  werden.  Das  geschieht  durch 
die  Seelenwanderung,  welche  dem  Empedokles  eine  Folge  von  Vergehen  ist, 


Lehren  des  Empedokles.  273 

die  die  Seelen  sich  haben  zu  Schulden  kommen  lassen.  Sein  Werk  begann  mit 
dieser  Lehre  : 

Ewig  waltet  ein  Göttergesetz  mit  heiliger  Ordnung ; 
Wenn  durch  fravelnde  That  und  Gewalt  ein  seliger  Geist  sich 
Selber  befleckt  (denn  lang  ist  allen  Geistern  das  Leben), 
Drei  Myriaden  von  Zeiten  dann  lebt  er  in  ferner  Verbannung. 

Und  er  fflgt  hinzu : 

So  bin  auch  ich  ein  Verbannter  auf  Erden,  ein  irrender  Flüchtling. 
Die  Seelen  können  die  verschiedensten  Leiber  anziehen :  er  selber  behauptet, 
schon  Vogel ,  Strauch,  Fisch,  Knabe  und  Mädchen  gewesen  zu  sein.    Gewisse 
böse  Geister  werden  ruhelos  durch  alle  Elemente  getrieben: 

Erst  in  das  Meer  treibt  jene  der  ^om  des  wehenden  Aethers, 
Wieder  an's  Land  dann  speit  sie  das  Meer;  zu  den  Flammen  der  Sonne 
Stösst  sie  die  Erde  hinauf,  und  diese  zum  wirbelnden  Aether ; 
So  fängt  Einer  vom  Andern  sie  auf,  doch  hasst  sie  ein  Jeder. 

Die  Guten  dagegen  werden  endlich 

zu  Propheten,  zu  heiligen  Sängern, 
Auch  zu  Aerzten,  zu  Führern  des  Volks  bei  den  sterblichen  Menschen ; 
Künftig  entstehen  sie  wieder  als  angebetete  Götter, 
Sitzend  am  Tisch  mit  den  andern  Unsterblichen,  selig  geniessend 
Göttlicher  Freuden,  befreit  von  der  Sterblichen  Noth  und  Bedrftngniss. 

Ueber  den  menschenähnlidien  Göttern  aber  stehen  noch  andere.    Zunächst  die 

Elemente,  welche  ja  Göttemamen  tragen,   dann  das  All  selber,  der  grosse 

Sphairos.   Von  diesem  muss  Empedokles  sprechen,  wenn  er  das  Wesen  Gottes 

im  Gegensatz  zu  den  Vorstellungen  des  Volkes  so  schildert : 

Nicht  ragt  Jenem  ein  menschliches  Haupt  stolz  über  die  Glieder, 
Nicht  läuft  Doppelgezweig  ihm  hinab  vom  menschlichen  Rumpfe, 
Nein,  ganz  ist  er  ein  Geist,  ein  reiner  und  heiliger  Wille, 
Rasch  durchwaltend  die  Welt,  im  raschen  Flug  des  Gedankens. 

Wir  finden  hier  Empedokles  in  derselben  Richtung  thätig,  die  wir  bereits  Xeno- 
phanes  verfolgen  sahen.  Wie  dieser,  sucht  er  dem  in  den  herkömmlichen  An- 
schauungen der  Mythologie  befangenen  Volke  den  grossen  Gedanken,  dass  Gott 
ein  Geist  ist,  in  die  Seele  zu  pflanzen ;  wie  dieser,  giebt  er  dabei  die  Existenz 
der  Götter  des  hellenischen  Olymps  zu ,  indem  er  sie  entweder  als  vollkom- 
menere Menschen  betrachtet  oder  ihnen  auch  einen  allegorischen  Sinn  beilegt. 
In  wiefern  freilich  der  l^öchste  Gott  des  Empedokles  in  das  System  passt,  in 
welchem  nur  die  Elemente  und  ihre  Verbindungen  Leben  und  Geist  zu  haben 
scheinen,  ist  eine  schwer  zu  entscheidende  Frage.  Das  Empedokleische  System 
ist  ein  pantheistisches,  und  der  Gott,  den  er  in  den  angeführten  Stellen  schildert, 
gleicht  dem  Gott  des  Monotheismus. 

Die  Anwendung  der  metaphysischen  und  physikalischen  Lehren  des  Em- 
pedokles auf  die  Gestaltung  des  Lebens  der  Menschen  scheint  vorzugsweise  in 
dem  Gedichte  von  den  SUhnungen  enthalten  gewesen  zu  sein.  Die  Ethik  trat 
im  Gewände  der  Asketik  auf,  und  Empedokles  mag,  wenn  er  auch  nicht,  wie 
Pytbagoras,  zu  einem  Kreise  von  Auserwählten  sprach,  dennoch  in  pythago- 
reischer Weise  manche  dusserliche  Handlungen  als  fUr  das  Heil  des  Menschen 
nothwendig  empfohlen  haben.    Seine  Physik  gab  ihm  ohne  Schwierigkeit  ein 

Holm,  OeBeh.  Siciliens.  L  48 


274  Drittes  Buch.    V.  Literatur  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

ethisches  Princip.  Er  brauchte  nur  die  Feindschaft  als  das  Böse ,  die  Freund- 
schaft als  das  Gute  zu  betrachten ,  eine  Deutung ,  die  schon  Aristoteles  dem 
£mpedokleiscben  System  entsprechend  findet.  Dann  ergab  sich  das  Weitere 
von  selbst.  Es  ist  die  Aufgabe  des  Menschen,  das  Reich  des  Ares  zu  beschrän- 
ken, das  der  Kypris  auszubreiten.  Empedokles  hielt  es  für  zweckmassig,  den 
Menschen  hierbei  das  Ideal  eines  früher  vorhandenen  seligen  Zustandes  vorzu— 
malen,  womit  er  sich  mehr  an  die  populären  Vorstellungen  vom  goldenen  Zeit- 
alter als  an  seine  eigene  Philosophie  anschloss.  Er  schildert  die  Menschen  dieser 
Zeit  voll  Begeisterung : 

Jene  verehrten  den  Ares  noch  nicht,  den  grimmigen  Kriegsgott, 

Nicht  auch  den  herrschenden  Zeus,  noch  Kronos  oder  Poseidon, 

Sondern  die  Königin  Kypris  allein. 

Dieser  huldigten  Alle  mit  frommen  und  kindlichen  Gaben, 

Farbige  Bilder  ihr  bringend  und  köstlich  duftende  Salben, 

Lautere  Myrrhen  zugleich  und  die  liebliche  Wolke  des  Weihrauchs, 

Häufig  zur  Erde  auch  spendend  die  Werke  der  gelblichen  Bienen. 

Stierblut  netzte  noch  nicht,  unheiliges,  ihre  Altäre, 

Sondern  verflucht  war  dieses  bei  allen  Geschlechtern  der  Menschen, 

Opfernd  ein  lebendes  Wesen,  vom  eigenen  Fleische  zu  essen. 

Alle  Thiere  waren  damals  freundlich  gegen  die  Menschen ,  alle  Bäume  hatten 
das  ganze  Jahr  hindurch  Blätter  und  trugen  stets  Früchte.  Wie  die  Schlechtig- 
keit in  die  Welt  gekommen  ist,  die  diesen  seligen  Zustand  aufhob,  erfahren  wir 
nicht,  und  gering  ist  die  Zahl  der  Gebbte  und  Vorschriften,  die,  auf  die  Besserung 
der  Menschen  abzielend ,  noch  von  Empedokles  erhalten  sind.  Er  prägt  ein, 
dass  es  ein  allgemeines  und  ewiges,  durch  Himmel  und  Erde  verbreitetes 
Sittengesetz  giebt,  dem  Alle  unterworfen  sind. .  Er  warnt  vor  dem  Verbrechen 
des  Mordes.  Aber  Mord  ist  nicht  blos  die  Tödtung  von  Menschen ,  auch  der 
Thiere  Leben  muss  uns  heilig  sein.  Denn  in  Folge  der  Seelenwanderung  gehen 
die  menschlichen  Seelen  auch  in  Thiere  über,  und  der  Mensch  könnte  auf  diese 
Weise  dazu  kommen ,  seine  eigenen  nächsten  Verwandten  zu  verzehren.  Die 
naheliegende  Gonsequenz,  aus  demselben  Grunde  auch  der  vegetabilischen  Nah- 
rung —  denn  auch  zu  Pflanzen  werden  die  Menschen  —  sich  zu  enthalten,  hat 
Empedokles  natürlich  nicht  gezogen.  Es  müssen  also,  wenn  er  seinen  Anhän- 
gern den  Genuss  einzelner  Pflanzen  verwehrte,  ihm  dabei  andere  Gründe  vor- 
geschwebt haben.  Er  verbot,  sich  der  Lorbeerblätter  zu  bedienen  und  Bohnen 
zu  gemessen;  jenes  offenbar,  weil  ihm  der  Lorbeerbaum  der  heiligste  schien, 
dieses  entweder  im  Anschluss  an  Pythagoras  oder  direkt  an  die  Aegypter ,  und 
im  letzten  Grunde,  weil  die  Bohne  eine  der  Unterwelt  und  den  Todten  geweihte 
Pflanze  war.  Das  Leben  auf  der  Erde  ist  dem  Empedokles  ein  Leben  in  der 
Verbannung,  wie  ein  oben  angeführter  Vers  zeigt.  Er  sagt  von  sich  selbst : 
0,  aus  was  für  Ehr'  und  aus  was  für  Höhe  des  Glückes 
Sank  ich  herab  und  verkehre  nun  hier  mit  den  sterblichen  Wesen. 

Er  vergleicht  die  Erde  mit  einer  dunkeln  Grotte  und  nennt  sie  einen  unheim- 
lichen Wohnsitz.  Den  Bösen  verkündigt  er,  dass  sie  niemals  von  Kümmernissen 
frei  sein  werden. 

In  der  engsten  Beziehung  zu  seiner  physischen  und  ethischen  Lehre  steht 
seine  eigene  Thütigkeit  als  Arzt  und  Zauberer.  Welche  Kräfte  er  sich  selbst 
zuschrieb,  sehen  wir  aus  folgenden  Versen  : 


if 


Empedokles  als  Arzt  und  Zauberer.  275 

Welcherlei  Mittel  geworden  ein  Schirm  vor  Cebeln  und  Aller, 
Wirst  du  erfahren,  dieweil  ich  nur  dir  dies  Alles  verkünde. 
Hemmen  auch  wirst  du  der  Winde  Gewalt,  die  mit  giftigem  Anhauch 
Weit  und  breit  die  Gefilde,  die  blühenden,  sengend  verwüsten ; 
Wieder  zurück  nach  Belieben  dann  führst  du  die  wehenden  Winde ; 
Auch  aus  schaurigem  Regenerguss  willkommene  Trockniss 
Bringst  du  den  Menschen ;  verschmachtet  sodann  in  Dürre  das  Erdreich, 
Güsse  dann  zauberst  du  wieder  herbei  des  befruchtenden  Regens ; 
Ja,  auch  dem  Hades  entführst  du  die  Kraft  des  gestorbenen  Mannes. 

Die  Arzneiwissenschaft  nahm  gerade  damals  einen  grossen  Aufschwung ; 
Hippokrates  ist  ein  jüngerer  Zeitgenosse  des  Empedokles.  Aber  neben  der  Ost- 
lichen Schule,  welcher  dieser  berühmteste  der  Aerzte  des  Alterthums  angehörte, 
gab  es  auch  eine  westliche ,  in  Italien  und  Sicilien  heimische.  Gegen  das  Jahr 
500  waren  besonders  die  krotoniatischen  Aerzte  berühmt,  vor  Allen  Demo- 
kedes,  der  Freund  des  Pythagoras.  Die  enge  Verbindung  zwischen  Medicin  und 
Philosophie  zeigte  sich  sodann  in  den  etwas  dunkelen  Beziehungen  des  Epi- 
charmos  zur  Heilkunde.  In  Empedokles  haben  wir  endlich  einen  Philosophen, 
der  selber  ein  grosser  Arzt  ist.  Aber  auch  seine  nächsten  Freunde  waren  Aerzte : 
Akren,  Sohn  des  Xenon,  und  Pausanias.  Als  der  erstere  vom  Bathe  von  Akra- 
gas  einen  Platz  erbat,  um  sich  dort  ein  Familiengrab  errichten  zu  lassen, 
widersetzte  sich  Empedokles  der  Gewährung  des  Wunsches  als  der  bürger- 
lichen Gleichheit  widersprechend  und  fragte ,  wie  denn  die  Aufschiift  lauten 
sollte,  etwa  so  —  und  nun  trug  er  ein  Distichon  vor,  in  welchem  er  mit  den 
Namen  Akren ,  Akragas  und  dem  Worte  akros ,  das  sowohl  hoch  gelegen  (von 
der  Stadt},  wie  geschickt  (vom  Arzte),  bedeutet,  spielt.  Wenn  er  da  von 
dem  steilen  Rande  von  Akragas  spricht ,  der  den  Körper  Akren ^s  berge ,  so  ist 
der  südliche ,  mit  Tempeln  gezierte  Saum  der  Stadt  nicht  zu  verkennen ,  und 
wir  werden  bald  sehen,  dass  dort  wirklich  Griiber  gefunden  worden  sind.  Der 
zweite,  Pausanias,  war  des  Anchitos  Sohn  aus  Gela.  Beide  galten  mit  Empe- 
dokles noch  den  Späteren  als  trefifliche  Aerzte ,  und  Plinius  bezeichnet  sie  als 
Begründer  einer  neuen  medicinischen  Schule,  der  empirischen.  Endlich  haben 
wir  Empedokles  noch  als  Zauberer  zu  betrachten.  Dass  nicht  blos  Spätere  ihn 
dafür  hielten ,  dass  er  selbst  als  solcher  gelten  wollte ,  beweist  die  Nachricht 
des  Gorgias ,  dass  er  einer  Zauberei  des  Empedokles  beigewohnt  habe ,  und 
natürlich  ist  die  Hemmung  der  Winde  nebst  den  sonstigen  Einwirkungen  auf 
die  atmosphärischen  Erscheinungen ,  die  Empedokles  zugeschrieben  wurden, 
unter  keinem  anderen  Gesichtspunkte  als  dem  der  Zauberei  zu  betrachten.  In 
der  That  blieb  für  die  spätere  Zeit  der  akragantinische  Philosoph  eine  der 
HaupLautoritäten  in  dieser  Beziehung ;  es  wurde  sogar  auf  ihn  der  Unterschied 
zurückgeführt ,  auf  welchen  die  Zauberei  sich  hauptsächlich  stützte ,  der  zwi- 
schen guten  und  bösen  Dämonen ,  welche  letztere  vor  ihm  Niemand  mit  Ent- 
schiedenheit anzunehmen  gewagt  hatte.  Die  Grundlage  aber,  auf  welcher  sich 
dem  Empedokles  die  Möglichkeit  der  Zauberei  aufbaute,  war  keine  andere  als 
seine  Lehre  von  dem  Hass  und  der  Liebe,  die  Alles  durchziehen,  von  der  Ver- 
wandtschaft und  der  Verschiedenheit,  welche  unter  den  irdischen  Dingen  durch 
die  sie  bildenden  Elemente  obwalten.  Wenn  ihn  seine  Wissenschaft  gelehrt 
hatte,  welche  Steine  und  Kräuter  mit  diesem  oder  jenem  Dämon,  sei  es  ein 


276  Drittes  Buch.   V.  Literatur  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

guter  oder  böser ,  verwandt  sind ,  so  war  es  ihm  auch  möglich ,  durch  diese 
Dinge  eine  Herrschaft  über  die  Dämonen  auszuüben.  Und  so  konnten  denn 
spätere  Philosophen  den  Satz  aufstellen ,  die  wahre  Zauberei ,  welche  in  der 
Welt  obwalte,  sei  der  Hass  und  die  Liebe  und  die  Anwendung  dieser  Kräfte  im 
menschlichen  Leben. 

So  haben  wir  die  Züge  gesammelt ,  welche  das  Alterthum  in  seinen  ab- 
gerissenen Berichten  zu  dem  Bilde  dieses  merkwürdigen  Mannes  liefert.  £m- 
pedokles  wollte,  das  ist  klar,  mehr  sein  als  blosser  Gelehrter,  Arzt,  Staatsmann 
und  Philosoph.  Er  wollte  Alles  umfassen ;  er  wollte  wie  ein  Gottesbote  den 
Menschen  in  allen  Stücken  eine  bessere  Einsicht  mittheilen ;  er  wollte  Leben, 
Wissenschaft,  Religion  umgestalten.  Und  hierbei  ist  zweierlei  merkwürdig. 
Einmal,  dass  er  nicht,  wie  Pythagoras,  eine  geschlossene  Schule  oder  Sekte  zu 
gründen  versuchte,  und  zweitens ,  dass  er  keine  heftigeren  Verfolgungen  aus- 
zustehen hatte  als  gewöhnliche  Staatsmänner.  Jenes  pflegt  das  Verfahren, 
dieses  das  Loos  der  Neuerer  zu  sein.  Aber  vielleicht  hat  seine  Wirksamkeit 
durch  uns  unbekannte  Ursachen  ein  plötzliches  und  frühzeitiges  Ende  gefun- 
den; wir  glauben  wenigstens  in  seiner  Laufbahn  etwas  Unfertiges ,  in  seiner 
Thätigkeit  grossartige  Anläufe  ohne  entsprechende  Resultate  zu  erblicken.  Oder 
sollen  wir  annehmen,  dass  dem  sicilischen  Volksgeist,  dem  Empedokles  offen— 
bar  entsprach,  in  seiner  mehr  praktischen  Richtung  der  Sinn  für  religiöses 
Sektenwesen  schon  damals  zu  sehr  mangelte ,  als  dass  Empedokles  ihn  hätte 
wachrufen  können  —  auch  Pythagoras  scheint  ja  auf  Sicilien  wenig  Theilnehmer 
für  seinen  Geheimbund  gefunden  zu  haben  — ,  während  andererseits  die  sici- 
lischen Gemeinden  vielleicht  von  jeher  bei  aller  in  den  Parteikämpfen  sich 
zeigenden  Leidenschaftlichkeit  des  Charakters  von  dem  Fehler  der  Verfolgungs- 
sucht ausgezeichneter  Mitbürger  verhältnissmässig  frei  gewesen  sind.  Genug, 
wenn  auch  von  seiner  Lehre  Manches ,  wie  die  vier  Elemente ,  langen  Bestand 
gehabt  hat,  das  Ganze  derselben  ist  von  keiner  Philosophenschule  aufgenommen 
und  fortgepflanzt  worden,  und  Empedokles  hat  ausser  Pausanias,  der  die  Rolle 
eines  treuen  Jüngers  spielt,  keinen  Schüler  gehabt,  von  dem  wir  wüssten. 

Aber  wenn  sich  Niemand  zu  seiner  Erbschaft  bekannt  hat,  so  ist  noch  gar 
nicht  so  sicher ,  ob  nicht  Empedokles  selbst  in  viel  höherem  Grade ,  als  man 
gewöhnlich  annimmt,  blos  der  Erbe  Anderer  gewesen  ist.  Er  konnte  allerdings, 
wie  wir  sahen,  die  Grundlagen  seiner  philosophischen  Lehre  aus  dem  Studium 
der  Natur  und  seiner  hellenischen  Vorgänger  gewinnen ;  wie  aber ,  wenn  er 
Vieles  fertig  aus  einem  Lande  entnahm ,  das  des  Merkwürdigen  geni^  bot,  aus 
Acgypten?  In  der  That  ist  eine  grosse  Uebereinstimmung  zwischen  Empedokles 
und  den  Aegyptem  nachgewiesen  worden.  Den  Aegyptem  ist  das  Urwesen  imd 
die  höchste  Gottheit  eins  mit  dem  All ,  und  wenn  in  diesem  Punkte  die  Ueber- 
einstimmung noch  ebenso  sehr  mit  den  Eleaten  wie  mit  Empedokles  Statt  fin- 
det ,  so  kommen  sie  dagegen  nur  mit  dem  letzteren  in  der  wichtigen  Lehre  von 
den  vier  Elementen  überein ,  und  es  ist  nicht  nachweisbar,  dass  sie  dieselben 
erst  in  späterer  Zeit  und  etwa  vom  Empedokles  angenommen  hätten.  Wie 
dieser  lehrten  auch  sie,  dass  aus  der  verschiedenartigen  Mischung  der  Elemente 
die  Einzelwesen  entstanden,  und  es  sind  trotz  der  Geringfügigkeit  der  über  die 
Details  der  Schöpfung  nach  Empedokleischer  Ansicht  vorhandenen  Nachrichten 


Empedokles  und  AegypteQ.  Rhetorik.  Korax.  Tisias.  277 

sogar  hierbei  einige  Uebereinstimmungen  mit  der  Lehre  der  Aegypter  nach- 
weisbar. So  wissen  wir^  dass  diese  wie  Empedokles  im  Auge  das  Sonnenlicht 
eingeschlossen  glaubten,  und  dass  ihnen  wie  dem  akragantinischen  Philosophen 
das  Herzblut  der  Sitz  der  Seele  war.  Ganz  besonders  tritt  aber  die  Ueberein- 
stimmung  zwischen  Beiden  in  dem  ethischen  Theile  der  Philosophie  und  in 
dem,  was  wir  bei  Empedokles  als  Nebenwerk,  wenngleich  charakteristisches, 
kennen  gelernt  haben ,  hervor.  Die  Seelenwanderung ,  wie  die  Aegypler  sie 
lehrten,  ist  ganz  die  Empedokleische ;  auch  ihnen  ist  die  Erde  ein  finsterer  Ort, 
den  die  Seele  mit  Weinen  und  Jammern  betritt;  auch  ihnen  wie  dem  Empe- 
dokles gilt  der  LOwe  als  eine  besonders  günstige  Verkörperung ;  auch  ihnen 
werden  die  guten  Seelen  Seher  und  Aerzte  und  F(li*sten  und  endlich  den  Göt- 
tern gleich.  Daran  schliesst  sich  dann  weiter,  dass  Aegypten  das  eigentliche 
Heimatland  der  Zauberei  war.  Aegyptische  Zauberer  waren  die  berühmtesten 
im  Aherthum,  und  sie  haben  dieselben  Wunderthaten  verrichtet,  die  wir  von 
Empedokles  hören;  sie  haben  Wetter  gemacht  und  Todte  belebt.  Endlich  ist 
auch  die  Heilkunde  besonders  in  Aegypten  geübt  worden. 

Es  ist  nun  nicht  leicht  zu  entscheiden ,  wie  viel  Empedokles  wirklich  den 
aegyptischen  Weisen  entlehnt  hat,  und  was  er  eigenen  Studien  oder  hellenischen 
Vorgängern  verdankt.  Doch  scheint  es,  dass,  wenn  er  in  allen  Dingen,  die  mit 
dem  praktischen  Leben  zusammenhangen,  den  Aegyptem  viel  verdankte,  er 
doch  in  der  theoretischen  Philosophie,  in  der  Physik  und  Metaphysik  noch  mehr 
Eigenes  hatte.  Für  einen  blossen  Uebersetzer  fremder  Weisheit  steht  er  zu 
gewallig  da. 

Und  überdies  giebt  es  noch  einen  Punkt,  in  welchem  dem  Empedokles  von 
den  Alten  Ruhm  gespendet  wird,  und  wo  er  sicherlich  als  echter  Sicilier,  nicht 
als  Verbreiter  fremder  Künste  gewirkt  hat.  Er  galt  als  gross  in  einer  damals 
aufkeimenden  Kunst,  deren  Erfindung  ihm  sogar  von  Aristoteles  zugeschrieben 
wurde :  in  der  Rhetorik.  Wenn  diese  nun  auch  nach  der  gewöhnlichen  An- 
nahme nicht  von  ihm  erfunden  ward,  sondern  schon  etwas  älteren  Ursprungs 
war,  so  herrscht  doch  darüber  kein  Zweifel  bei  den  Alten,  dass  sie  auf  der 
Insel  Sicilien  entstapden  ist.  Denn  als  Erfinder  der  Redekimst  pflegt  angeschen 
zu  werden  der  Syrakusaner  Korax,  von  dessen  Einfluss  auf  die  öffentlichen 
Angelegenheiten  seiner  Stadt  besonders  nach  der  Vertreibung  der  Tyrannen 
bereits  die  Rede  gewesen  ist.  Er  scheint  sowohl  die  politische  Beredsamkeit 
wie  auch  die  gerichtliche ,  welche  beide  durch  die  wiederhergestellte  Freiheit 
begünstigt  werden  mussten,  geübt  zu  haben,  und  entschloss  sich  dazu  —  was 
neu  und  wichtig  war  — ,  die  von  ihm  systematisch  ausgearbeitete  Kunstlehre 
Anderen  mitzutheilen,  und  zwar  gegen  angemessene  Entschädigung.  Sein  vor- 
züglichster Schüler  war  Tisias,  der  nach  dem  Schlüsse  des  Unterrichts  nach 
einer  im  Alterthum  verbreiteten,  natürlich  wenig  sicheren  Erzählung  die  neu- 
gelernte  Kunst  gegen  den  Meister  wandte.  Er  hatte  sich  verpflichtet,  nach  ge- 
wonnenem ersten  Processe  das  bedungene  Honorar  zu  zahlen,  und  als  er 
zögerte,  einen  Process  anzunehmen,  verklagte  ihn  sein  behrer,  indem  er  sagte, 
er  müsse  jedenfalls  zahlen ;  wenn  er  verliere,  nach  dem  Spruche  des  Gerichtes, 
wenn  er  aber  gewinne ,  nadi  dem  Gontracte.'  Tisias  wandte  mit  Leichtigkeit 
das  Dilemma  gegen  Korax,  und  die  Richter  des  Streites  begnügten  sich,  ein 


278  Drittes  Buch.   V.  Literatur  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

altes  Sprichwort,  das  von  schlechten  Eiern  eines  schlechten  Raben  (korax) 
redet,  auf  die  Beiden  anzuwenden.  Tisias  beschäftigte  sich  in  Syrakus  beson— 
ders  damit,  gerichtliche  Reden  für  Ändere  zu  schreiben,  machte  aber  auch 
Reisen  in^s  Ausland ,  wo  er  ebenfalls  Gelegenheit  fand ,  seine  Kunst  zu  Üben. 
Er  war  in  Thurii  und  unterrichtete  dort  den  Athener  Lysias;  er  war  aber  auch 
in  Athen,  und  hier  hatte  Isokrates  Gelegenheit,  ihn  zu  hOren.  Während  so 
durch  Korax  und  Tisias  Syrakus  den  Ruhm  beansprucht,  die  Rhetorik  hervor- 
gebracht zu  haben,  kann  Akragas  dieselbe  Ehre  wegen  des  Empedokles  sich 
aneignen,  der  allgemein  im  Alterlhum  als  sehr  erfahren  in  der  Redekunst  galt, 
und  den  man  doch  niemals  als  einen  Schüler  des  Korax  oder  Tisias  bezeichnet 
hat.  Es  hat  bei  Empedokles  der  grossere  Ruhm  des  Philosophen  und  Wunder- 
thäters  den  geringeren  des  Rhetors  in  Schatten  gestellt. 

Die  beiden  im  Anfang  getrennten  Quellen  der  sicilischen  Rhetorik,  die 
syrakusanische  und  die  akragantinische,  vereinigen  sich  indessen  bald,  um  den 
grössten  und  berühmtesten  Rhetor  Siciliens  und  vielleicht  des  gesammten  Grie- 
chenlands hervorzubringen:  Gorgias  aus  Leontini,  der  zu  gleicher  Zeit  als 
Rhetor  und  als  Sophist  unter  seinen  Zeitgenossen  das  gewaltigste  Aufsehen  machte. 
Wir  müssen,  um  seine  Stellung  zu  begreifen,  einen  Blick  auf  die  Wii*ksamkeit 
werfen ,  welche  die  Sophisten  und  Rhetoren  überhaupt  damals  in  Hellas  aus- 
übten ,  und  uns  die  Ursachen  vergegenwärtigen ,  die  eine  solche  Wirksamkeit 
ermöglichten.  ' 

Das  griechische  Volk  hatte  bereits  die  glänzendsten  Kriegsthaten  vollführt; 
es  hatte  in  der  epischen  und  lyrischen  Dichtung  das  Höchste  geleistet  und  im 
Drama  den  Anfang  einer  grossen  und  schonen  Laufbahn  gemacht,  als  es  in 
Bezug  auf  Sitten  und  Gebräuche ,  in  Bezug  auf  allgemeine  Bildung,  vor  Allem 
aber  in  Bezug  auf  den  religiösen  Glauben  in  seiner  grossen  Masse  immer  noch 
das  alte  einfache  Volk  war ,  dem  das  Herkömmliche  und  Gewohnte  den  Cha- 
rakter des  Heiligen  und  Unantastbaren  ti*ug.  Anregungen,  wie  die  durch  Pytha- 
goras  gegebene ,  waren  einerseits  kaum  in  alle  griechischen  Gaue  gedrungen 
und  hatten  andererseits,  den  traditioneilen  Religionsformen  sich  anbequemend, 
sich  zugleich  mehr  an  eine  geistige  Elite  des  Volkes  als  an  das  ganze  Volk  ge- 
wandt. Nun  liegt  aber  im  menschlichen  Geiste  ein  nie  ganz  zu  unterdrückender 
Trieb  nach  dem  Neuen,  es  liegt  im  menschlichen  Herzen  die  unvertilgbare  Nei- 
gung, sich  allen  Schranken  zum  Trotz  durch  die  Verfolgung  dessen,  was  seine 
Liebe  zu  gewinnen  weiss ,  Befriedigung  zu  verschaffen ,  und  je  länger  dieser 
Trieb  zurückgedrängt  wird ,  um  so  ungestümer  macht  er  sich  Bahn ,  sobald  er 
einmal  erregt  worden  ist.  Die  erste  Erweckung  desselben  gelingt  freilich  nicht 
immer.  Die  Geister  eines  Volkes  müssen  schon  in  einer  gewissen  Bewegung 
sein ,  wenn  die  Keime  neuer  Ideen ,  die  unter  sie  gestreut  werden ,  nicht  auf 
einen  unfruchtbaren  Boden  fallen  sollen.  Eine  solche  Bewegung  wird  aber 
durch  jede  kräftige  geistige  Thätigkeit  hervorgerufen ,  an  welcher  das  ganze 
Volk  Antheil  nimmt,  mag  dieselbe  politische  oder  literarische  oder  sonst  welche 
Zwecke  verfolgen.  Sind  einmal  die  Geister  erregt,  so  ist  ihnen  jeder  neue  Sporn 
zur  Thätigkeit  willkommen.  Dies  war  gerade  die  Lage ,  in  welcher  sich  die 
Griechen  seit  dem  zweiten  Viertel  des  5.  Jahrh.  vor  Chr.  befanden.  Die  Perser- 
kriege sowohl  wie  der  gleichzeitige  Aufschwung  der  Literatur  hatten  den  Geist 


Rhetorik  and  SophisUk.  279 

des  Volkes  in  eine  gewaltige  Gahrung  versetzt;  er  war  fähig,  Neues  aufzu- 
nehmen und  begierig  darnach,  es  sich  anzueignen,  sobald  er  es  einmal  gekostet 
hatte.  Nun  ist  Nichts  verführerischer  für  einen  begabten  und  strebsamen,  aber 
noch  wenig  ausgebildeten  Geist,  als  die  Ankündigung,  dass  ihm  Fähigkeiten, 
die  er  als  das  Resultat  einer  durch  Uebung  gesteigerten  Naturgabe  zu  betrachten 
gewohnt  war,  durch  ein  besonderes  Studium  zu  Theil  werden  können.  Diese 
Ankündigung  aber  war  es  gerade,  welche  in  einer  geistig  lebhaft  angeregten 
Zeit  die  Rhetoren  und  Sophisten  dem  griechischen  Volke  machten.  War  es  zu 
verwundem,  dass  es  mit  dem  grössten  Eifer  darauf  einging? 

Die  beiden  Künste,  um  die  es  sich  hier  handelt,  die  Rhetoiik  und  die  Sophi- 
stik,  stehen  in  der  engsten  Beziehung  zu  einander,  wie  denn  auch  die  meisten 
Männer,  welche  eine  derselben  übten,  zugleich  auch  die  andere  betrieben.  Ge- 
meinschaftlich war  beiden  das  Princip,  dass  lehrbar  sei,  was  man  bis  dahin  nicht 
für  lehrbar  gehallen  hatte ,  verschieden  der  Gegenstand :  bei  der  Rhetorik  die 
Worte,  bei  der  Sophistik  die  Thaten.  Jene  lehrte,  zweckmässig  zu  reden,  diese, 
zweckmässig  zu  handeln,  und  der  Zweck  war  in  beiden  Fällen  nur  der  Erfolg,  das 
Gelingen  der  Pläne.  Also  wie  Reden  und  Handluiigen  der  Menschen,  so  hängen 
auch  Rhetorik  und  Sophistik  zusammen,  wobei  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass 
der  einen  mehr  Wahrheit  und  Berechtigung  innewohnt  als  der  andern.  Die  Ver- 
heissungen  der  Rhetorik  sind  einfach  und  verständlich.  Es  hat  auch  vor  der  Er- 
findung derselben  nicht  an  ausgezeichneten  Rednern  gefehlt ,  aber  die  Natur 
und  eigene  Ueberlegung  hatten  sie  dazu  gemacht;  jetzt  kann  Jeder  lernen,  wie 
er  sprechen  muss,  um  zu  überzeugen  oder  wenigstens  zu  überreden.  Das  nicht 
so  einfache  Ziel  der  Sophistik  lernen  wir  am  deutlichsten  kennen ,  wenn  wir 
hören,  was  Xenophon  von  dem  Feldherrn  Proxenos  erzählt:  »Proxenos  der 
Böoter  wünschte  schon  als  Knabe  ein  Mann  zu  werden ,  der  im  Stande  wäre, 
grosse  Dinge  auszuführen ,  und  deswegen  gab  .er  Gorgias  dem  Leontiner  Geld. 
Als  er  den  Umgang  desselben  genossen  hatte,  hielt  er  sich  für  fähig,  zu  ge- 
bieten.a  Der  Sophist  verheisst  also,  durch  seinen  Unterricht  dem  Jünglinge 
dieselbe  Befähigung  für  jegliche  Lebensstellung  zu  verschaffen ,  die  bis  dahin 
nur  das  praktische  Leben  selbst  geben  zu  können  schien.  Nachdem  lange  Zeit 
hindurch  bei  den  Griechen  Dichter  und  Philosophen  Schätze  der  Weisheit  an's 
Licht  gefördert  hatten,  aber  nur  im  Dienste  der  grossen  Mächte  des  Lebens,  der 
Religion,  Kunst  und  Wissenschaft,  machten  die  Rhetoren  und  Sophisten  es  sich 
zum  Berufe,  aus  jenen  Schätzen  kleine  Münzen  zu  prägen.  Ist  es  zu  ver wun- 
dem, wenn  nicht  alle  diese  Münzen  vollwichtig  waren  ?  Ist  es  nicht  sehr  natür- 
lich, dass  es  unter  diesen  Männern  manche  gab,  die  den  selbstgewählten  Beruf 
nur  als  ein  Gewerbe  betrachteten,  das  möglichst  viel  Geld  einbringen  muss? 

Dennoch  würde  man  in  einen  grossen  Irrthum  verfallen,  wenn  man  den 
Rhetoren  und  Sophisten ,  durch  deren  Bekämpfung  die  Sokratische  Schule  sich 
so  grossen  Ruhm  erworben  hat ,  einen  durchweg  schädlichen  Einfluss  auf  das 
hellenische  Volk  zuschreiben  wollte.  Allerdings  war,  was  sie ,  und  besonders 
die  Sophisten,  zu  lehren  versprachen,  nicht  in  dem  Sinne  lehrbar,  wie  sie  es 
vorgaben,  aber  daraus  folgt  weder,  dass  sie  selbst  Betrüger  waren,  noch  auch, 
dass  ihre  Lehren  Nichts  nützen  konnten.  Ein  Beispiel  eines  durchaus  ehren- 
werthen  und  fruchtbaren  Strebens  giebt  unter  diesen  Männern  vor  Allen  Pro- 


2gO  Drittes  Bach.  Y.  Literatur  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

dikos  von  Keos ,  dessen  schone  Dichtung  vom  Herakles ,  der  am  Scheidewege 
der  Tugend  und  dem  Lasier  begegnet,  auf  jugendliche  Gemttther  nur  die  heil- 
samste Wirkung  ausüben  konnte.  Im  Wesentlichen  war  der  Beruf  der  Rhetoren 
und  Sophisten  ein  durchaus  praktischer ,  wie  das  besonders  deutlidi  das  Auf- 
treten eines  ihrer  Häupter,  des  Hippias  aus  Elis,  zeigt.  Dieser  Mann  behauptete 
im  Stande  zu  sein,  in  allen  Zweigen  menschlicher  Thätigkeit  Unterricht  zu  er- 
theilen,  und  hatte,  um  seine  Meisterschaft  in  allen  auch  dem  blödesten  Auge 
darzuthun,  sich  zu  einem  wirklichen  Universalgenie  ausgebildet.  Er  war  nicht 
nur  Redner,  Dichter,  Maler,  er  konnte  sich  auch  rühmen ,  Nichts  an  seineoi 
Körper  zu  tragen,  das  er  nicht  selbst  verfertigt  hätte,  Ringe,  Kleider^  Schuhe. 
Es  zeigt  sich  aber  die  Rücksicht  auf  das  praktische  Leben  noch  dadurch  als  das 
bei  den  Sophisten  überwiegende  Interesse ,  dass  sie  für  ihre  Belehrung  Geld 
nahmen ,  das  ihnen  nicht  etwa  für  die  Mittheilung  rein  theoretischer  Weisheit, 
sondern  gerade  dafür  gezahlt  wurde,  dass  sie  die  Sdiüler  tüchtig  machten,  ini 
praktischen  Leben  Ehre  und  Geld  zu  erwerben.  Ihnen  einen  Vorwurf  daraus 
zu  machen ,  dass  sie  sich  ihren  Unterricht  bezahlen  liessen ,  würde  selbst  vom 
antiken  Standpunkt  aus ,  den  wir  uns  auch  nicht  allzu  ideal  denken  dürfen, 
eine  Ungerechtigkeit  sein ;  wenn  die  Rhapsoden  und  Dichter  von  ihrer  Kunsi 
lebten,  warum  sollten  die  Sophisten  es  nicht  von  ihrer  Weisheit? 

Nach  dem  bisher  Bemerkten  gehören  Rhetoren  und  Sophisten  mehr  in  die 
politische  und  Kulturgesdiichte  des  griechischen  Volkes ,  als  in  die  Geschichte 
der  griechischen  Philosophie.  Die  Sophistik  ist  kein  philosophisches  Prinzip, 
höchstens  ein  philosophischer  Irrthum.  Das  hindert  jedoch  nicht,  dass  nicht 
einzelne  unter  den  Sophisten  auch  als  Philosophen  von  Bedeutung  waren.  In 
der  That  musste  ein  Mann,  der  die  Griechen  zu  belehren  dachte,  sich  in  irgend 
einer  Weise  als  einen  hervorragenden  Geist  zeigen ,  und  so  kam  es,  dass  ein- 
zelne und  gerade  die  grOssten  unter  den  Rhetoren  und  Sophisten  auch  philo- 
sophische Sätze  aufgestellt  haben,  die  dem  von  ihnen  gefühlten  Bedürfniss,  für 
ihre  Wirksamkeit  eine  tiefere  Grundlage  zu  suchen,  entsprangen.  Es  ist  aber 
auch  leicht  begreiflich,  dass  die  Philosophie  der  Sophisten  eine  fast  ausschliess— 
lieh  kritische  war.  Männer  von  einer  so  umfassenden  praktischen  Wirksamkeit, 
wie  sie,  hatten  nicht  Müsse  genug,  um  in  ruhiger  Sammlung  des  Geistes  über 
die  Gestaltung  eines  grossartigen  Systemes,  das  nur  das  Resultat  eines  ganzen, 
einzig  hierauf  verwandten  Lebens  sein  kann,  nachzudenken;  ihre  Zeit  erlaubte 
ihnen  nur ,  sich  über  einzelne  Hauptfragen  Klarheit  zu  verschaffen  und  durch 
einige  glänzende  Argumentationen ,  bei  denen  gegen  die  Verneinung  die  Be- 
jahung vollkommen  zurücktritt,  sich  und  Anderen  eine  gewisse  Befriedigung 
zu  gewähren. 

Das  Ueberwiegen  der  praktischen  Gesichtspunkte  bei  den  Sophisten  hatte 
aber  noch  eine  andere  bedenklichere  Folge.  Der  Erfolg  im  praktischen  Leben, 
der  Gegenstand  des  Unterrichts  der  Sophisten ,  kann  nicht  immer  auf  geradem 
und  rechtlichem  Wege  erreicht  werden.  Der  Mensch,  welcher  darnach  trachtet, 
muss  häufig,  wenn  auch  nicht  selbst  schlecht  sein,  so  doch  sich  der  Schlechtig- 
keit Anderer  anbequemen  und  sie  zu  billigen  scheinen.  Dem  entsprechend 
mussten  die  Sophisten  nothwendig  in  ihrem  Unterrichte,  einen  ebenso  grossen, 
ja  grosseren  Werth  auf  den  Schein  als  auf  das  Wesen  legen.  Wollte  ein  Sophist 


Rhetorik  und  Sophistik.  Gorgias.  281 

einen  Jüngling  zum  Staatsmann  ausbilden ,  so  konnte  er  ihm  nicht  verhehlen, 
dass  im  politischen  Leben  Fälle  denkbar  sind ,  wo  das  offene  Aussprechen  der 
Wahrheit  die  Plane  scheitern  macht  und  kein  anderer  Weg  als  der  der  Verstel- 
lung und  Täuschung  zum  gewünschten  Ziele  führt.  Wollte  er  Jemand  zu  einem 
tüchtigen  Advokaten  machen ,  so  musste  er  ihm  anempfehlen ,  vor  Allem  die 
guten  Seiten  seiner  dienten  hervorzuheben ,  und  wenn  keine  vorhanden  sein 
soUten  y  sie  zum  Behufe  seiner  Sache  zu  erfinden.  Auf  diesQ  Weise  konnte  es 
nicht  fehlen,  dass  Rhetoren  und  Sophisten  bald  als  Lehrer  des  Scheins  dastan- 
den, und  noch  dazu  des  Scheines  fUr  Geld.  So  geneth  denn  auch  bald,  beson- 
ders durch  die  Bestrebungen  der  Sokratischen  Schule,  die  Thätigkeit  der  Sophi- 
sten in  Verruf,  und  die  anfänglich  ihnen  so  günstige  Volksstimmung  schlug  in 
ihr  Gegentheil  um.  Man  begann  einzusehen ,  was  man  im  ersten  Rausche  der 
Begeisterung  über  den  Glanz  der  neuen  Lehre  ganz  verkannt  hatte ,  dass  der 
praktische  Staatsmann  nicht  durch  den  Unterricht  einzelner,  wenn  auch  noch 
so  weiser  Menschen ,  sondern  nur  durch  die  eigene ,  allerdings  viel  schwerer 
zu  erlangende  Erfahrung  gebildet  werden  kann,  und  dass  der  Beruf  eines 
Lehrers  für  Alles,  wie  ihn  die  Sophisten  als  ihr  Ideal  aufstellten,  ein  widersin- 
niger und  unmöglicher  sei.  Nun  trennte  man  die  anfangs  eng  verbundenen  und 
stets  in  denselben  Persönlichkeiten  vereinigten  Künste  der  Rhetorik  und  Sophi- 
stik, warf  die  letztere  als  nichtig  bei  Seite  und  bildete  die  Rhetorik,  die  eine 
Zukunft  hatte,  weiter  aus. 

Es  scheint  fast,  als  ob  der  Mann,  zu  dem  wir  uns  nach  diesen  allgemeinen 
Bemerkungen  über  die  Natur  der  Rhetorik  und  Sophistik  zurückwenden,  bereits 
eine  Ahnung  von  dem  wahren  Werthe  der  beiden  Künste  hatte,  denn  er  wollte 
nie  anders  als  Rhetor  genannt  sein.  Gorgias,  der  Sohn  des  Karmantidas  oder 
Charmantidas,  war  in  Leontini  um  die  73.  Olympiade  (488  vor  Chr.)  geboren. 
Von  seiner  Familie  ist  Nichts  weiter  bekannt,  als  dass  er  einen  Bruder  Namens 
Herodikos  hatte,  welcher  Arzt  war,  und  eine  Schwester,  die  mit  einem 
gewissen  Deikrates  verheirathet  war.  Zu  Lehrern  hatte  er  einerseits ,  wie  es 
heisst,  Tisias,  andererseits  Empedokles,  von  dem  er  nicht  blos  in  der  Rhetorik, 
sondern  auch  in  der  Philosophie  Unterricht  empfangen  zu  haben  scheint.  Uebri- 
gens  schloss  er  sich,  was  den  speculativen  Theil  derselben  betrifft,  in  den 
Hauptsachen  an  die  Eleaten  an,  mit  denen  ja  auch  Empedokles  im  engsten  Zu- 
sammenhang steht.  Alle  diese  Lehren  vervyerthete  er  aber  in  selbständiger 
Weise  für  eine  Wirksamkeit,  welche  weder  derjenigen  des  Empedokles,  noch 
auch ,  wenn  er  gleich  dem  Namen  nach  sich  ihnen  gleichstellte,  derjenigen  des 
Korax.  und  Tisias  entsprach.  Denn  diese  hatten  sich  nur  mit  der  Rhetorik  im 
engeren  Sinne  des  Wortes,  der  eigentlichen  Redekunst,  beschäftigt;  fürGoi^gias 
war  diese  Wissenschaft  die  umfassende ,  die  wir  oben  zu  schildern  versucht 
haben ,  und  er  war  sowohl  Sophist  wie  Rhetor.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  er  beim  Einschlagen  dieser  Richtung  durch  den  Einfluss  eines  andern  be- 
rühmten Sophisten  mitbestimmt  wurde,  des  Protagoras,  der  sich  in  Sicilien 
aufgehalten  hat,  offenbar  um  die  Redekunst  zu  lernen,  und  von  dem  man  an- 
nehmen kann,  dass  er  mit  Gorgias  zusammentraf.  Der  grössere  Theil  des  Lebens 
des  berühmten  Leontiners  verfloss  in  der  heimatlidien  Insel  ohne  besondere, 
der  Nachwelt  aufbewahrte  Begebenheiten.  Gorgias  beschäftigte  sich  hauptsäch- 


Drittes  Buch.    V.  Literatur  und  geistiges  Leb^n  derselben  Zeit. 

Qlerricht  in  dem ,  was  er  Redekunst  niinnte ,  zu  enheilen :  viel— 
r  seiner  Vat^sUidt  auch  schon  in  oiazelnen  Fitllen  als  Gesandter. 
Vahrscheiolichkeit  nach  über  60  Jahre  alt,  als  eine  Sendung,  die 
uen  seiner  Mitbürger  verdankte,  ;Seinen  Buhm  auf  einem  grOsse- 
te  verbreitete.  Die  Leonliner  schickten  ihn  im  Jahre  427  nach 
Ife  gegen  Syrakus  lu  erbitten.  Von  den  Fitlchten  dieser  Gesandt- 
en und  Siciiien  kann  hier  nicht  die  Rede  sein :  fUr  Gorgias  selbst 
die  Folge,  dass  er,  der  bisher  nur  in  seiaeni  Vaterlande  berttbmt 

jetzt  durch  das  Aufsehen ,  das  er  in  dem  gcisligen  Mittelpunkte 

machte,  überall,  wo  Hellenen  wohnten,  als  ein  berühmter  Mann 
1  war  das  Interesse,  das  er  in  Athen  durch  die  neue  Art  seiner 

sein  reiches  und  stets  bereites  Wissen  und  durch  das  Imponirende 
nung  erregte,  ein  gewaltiges.  Gorgias  scheint,  nachdem  er  seine 
It  hatte,  zunächst  wiederum  nach  Leontini  zurückgekehrt  zu  sein, 
nicht  lange  in  seiner  Vaterstadt ;  Hellas  üble  eine  unwidersleh- 
igskraCt  auf  ihn  aus,  und  er  brachte  den  Rest  seines  Lebens  dort 
nit  Ausnahme  einer  abermaligen  Reise  nach  Siciiien,  auf  welcher 
5em  des  Pythagoras  Nachrichten  von  dem  aus  Tarent  gefluchteten 
,  den  er  in  Theben  gctroßen  hatte.  Er  hielt  sich  gern  in  Athen 
niger  aber  machte  ihm  wie  allen  Sophisten  das  Umherziehen  von 
L  Freude,  das  ihm  die  beste  Gelegenheit  darbot,  stets  Anderen 
unst  EU  imponiren.  Sein  öffentliches  Auftreten  war  dem  Ge- 
ophislen  entsprechend  ein  glänzendes  und  erinuerte  an  das  seines 
idokles.  Er  war  mit  einem  Purpui^ewande  bekleidet  und  von 
lernbegieriger  Schüler  umgeben.  Lungere  Zeit  verweilte  er  im 
Larissa,  wo  ihn  die  angesehensten  Männer  aufsuchten  und  seinen 
lossen ;  unter  seinen  Schülern  wird  Arislippos  aus  der  vomehmen 
leuaden  genannt.  Er  erwarb  sich  einen  grossen  Einfluss  auf  ganz 
tessen  Bewohner  seit  seiner  Anwesenheit  Geistesbildung  hoher 
vordem,  und  wo  das  Wort  goi'giazein,  das  eigentlich  bedeutete 
rgias«,  für  schttn  reden  überhaupt  gebraucht  wurde.  Gothas  galt 
war  es  auch  wohl ;  man  behauptete,  dass  er  von  jedem  seiner 
nenLohn  (£000  Thaler)  für  den  Unterricht  genommen  habe.  Wie  er 
faUnger  halte,  so  fehlte  es  ihm  naturlich  auch  nicht  an  Gegnern  und 
vobi  die  Angriffe  ira  Ganzen  genommen  müssig  genug  gewesen  zu 

Er  hatte  wie  die  übrigen  Sophisten  die  Gewohnheil,  zu  erklüren, 
sei,  öffentlich  jede  ihm  gestellte  Frage  zu  beantworten.  Als  ihm 
ler  Chaerephon  die  höhnische  Frage  vorlegte,  wober  es  komme, 
len  Bauch  aufblähten ,  das  Feuer  aber  nicht,  erwiederle  er,  für 
wüchsen  Euthen  im  Walde.  Aristopfaancs  hat  mehrfach  auf  ihn 
id  den  Platonischen  Dialog  Gorgias  nahm  er  selbst  als  eine  Spött- 
le von  seinen  wirklichen  Lehren  keinen  Begriff  gebe.  Er  nannte 
leuen  Archilochos.  Gorgias  erreichte  ein  sehr  hohes  All^r,  lOö — 
re,  was  er  selbst  seiner  Massigkeit  zuschrieb.  Er  habe  nie  Etwas 
ai^Ugens  wegen  gethan,  sagte  er.  107  Jahre  all,  äusserte  er,  er 
irund ,  mit  seinem  Greisenaller  unzufrieden  zu  sein.    In  seiner 


Gorgias.  283 

letzten  Lebenszeit  schlief  er  viel  und  antwortete,  als  ihn  ein  Freund  fragte,  wie 
er  sich  befinde :  )>Schon  beginnt  der  Schlaf,  mieh  seinem  Bruder  zu  Ubergebeh.« 
So  war  sein  Geist  bis  zu  Ende  thätig  und  seines  grossen  Ruhmes  würdig.  Wo 
Gorgias  gestorben  ist,  wissen  wir  nicht.  Sein  Andenken  bewahrten  zwei  Bild- 
säulen, eine  vergoldete  in  Delphi,  die  er  selbst  dorthin  gestiftet  hatte,  und  eine 
andere  in  Olympia ,  gewidmet  von  £umolpos ,  dem  Urenkel  des  Deikrates,  des 
Schwagers  des  Gorgias.  Olympia  war  Zeuge  eines  der  glänzendsten  Triumphe 
gewesen,  die  Gorgias  durch  seine  Redekunst  gefeiert  hatte. 

Gorgias  wollte,  wie  wir  horten,  nicht  Sophist,  sondern  nur  Rhetor  sein. 
Er  spottete  über  Protagoras,  der  die  Menschen  besser  zu  machen  verhiess,  und 
fiber  Prodikos,  der  zu  demselben  Zwecke  seine  Geschichte  vom  Herakles  am 
Scheidewege  aller  Orten  vortrug.  Dass  er  dennoch  kein  blosser  Rhetor  war, 
zeigt  am  besten  das  oben  vom  Böoter  Proxenos  Erzählte.  Sein  höchstes  Ziel 
war,  Staatsmänner  heranzubilden ,  und  eines  der  vorzüglichsten  Mittel  zu  die- 
sem Zwecke ,  die  Unterweisung  seiner  Schüler  in  der  Beredsamkeit.  Um  die 
Ausbildung  dieser  Kunst  hat  sich  Gorgias  grosse  Verdienste  erworben.  Die 
ältere  und  insbesondere  die  ältere  attische  Beredsamkeit  zeichnete  sich  mehr 
durch  Reichthum  an  Gedanken  als  durch  Wortfüile  aus.  Es  w*ar  die  Beredsam- 
keit von  Männern,  die  von  ihrem  Gegenstande  erfüllt  sind,  und  denen  eine 
gründliche  Kenntniss  der  Sache  die  zweckmässigen  Ausdrücke  eingiebt.  So 
haben  wir  uns  z.  B.  die  Beredsamkeit  des  Perikies  zu  denken.  Seit  dem  Auf- 
treten des  Gorgias  in  Griechenland  ward  die  Rhetorik  als  eine  besondere  Kunst 
studirt.  Hierbei  legte  nun  Gorgias  selbst  einen  ganz  besondem  Nachdruck  auf 
die  Form,  und  wir  dürfen  behaupten,  dass  gerade  hierin  eins  seiner  Haupt- 
verdienste  besteht,  wenn  auch  seine  Lehre  im  Einzelnen  vielfach  einseitig  war. 
Es  war  damals  die  Prosa  bei  den  Griechen  überhaupt  erst  in  der  Ausbildung 
begriffen  und  das  Ohr  des  Volkes  noch  an  den  regelmässigen  Klang  der  Verse 
gewöhnt,  deren  verschiedene  Arten  man  bei  allen  öffentlichen  Feierlichkeiten 
und  grösseren  Versammlungen  zu  hören  pflegte.  So  entsprach  Gorgias  gewisser- 
massen  einem  vom  Volke  empfundenen  Bedürfhisse ,  wenn  er  den  Reden  eine 
Form  gab ,  die ,  ohne  metrisch  zu  sein ,  im  Uebrigen  an  die  Poesie  erinnerte. 
Seine  Reden  waren  rtiythmische  Kunstwerke ;  die  Perioden  waren  genau  ab- 
gemessen, und  ihre  Theiie  entsprachen  sich  gegenseitig.  Der  einzelnen  hier  in 
Betracht  kommenden  Kunstformen  gab  es  viele..  Bald  waren  die  Sätze  von 
gleicher  Länge,  bald  waren  sie  auf  dieselbe  Weise  gebaut,  bald  endlich  liefen 
sie  in  gleicher  Weise  aus.  Auf  die  Gegensätze  verwandte  er  eine  besondere 
Sorgfalt.  Nicht  nur  die  Gedanken  im  Allgemeinen  mussten  sich  gegenüber- 
stehen, es  musste  auch  ein  Gegensatz  zwischen  allen  einzelnen  Punkten^ 
welche  hervorgehoben  waren ,  Statt  finden.  Auch  durch  die  einzelnen  Wörter 
wurden  ähnliche  Wirkungen  erzielt.  Aehnlich  klingende  und  nur  wenig  von 
einander  verschiedene  wurden  an  hervorragenden  Stellen  der  Perioden  ange- 
bracht und  durch  gleichmässig  endigende  Wörter  die  Aufmerksamkeit  rege 
erhalten.  Ausser  dem  rhythmischen  Bau  der  Rede  war  es  das  Auffallende, 
Spielende  und  Witzige  im  Ausdruck ,  das  Gorgias  liebte ,  und  endlich  wandte 
er  gern  poetische  Wörter  an ,  namentlich  solche ,  die  sich  durch  seltene  oder 
neue  Zusammensetzungen  auszeichneten.  In  dieser  Beziehung  scheint  er  seinem 


284  Drittes  Buch.   V.  LHeratar  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

Lehrer  Empedokles  nachgeeifert  zu  haben,  der  mit  grosser  Kühnheit  und  Sicher- 
heit poetische  Zusammensetzungen  bildete.  Von  verkehrter  Vorliebe  für  blossen 
Wortschwall  war  Gorgias  übrigens  so  weit  entfernt,  dass  er  einen  besonderen 
Ruhm  darin  setzte ,  in  Genauigkeit  und  Kürze  des  Ausdrucks  von  Niemandem 
übertroffen  zu  werden.  Neben  der  Rücksicht  auf  die  Form  scheint  die  auf  den 
Inhalt  bei  ihm  nicht  zurückgetreten  zu  sein.  Nun  läuft  bei  einer  Rede  Alles  auf 
ein  doppeltes  Verfahren  hinaus,  auf  Angriff  und  Vertheidigung.  Das  Wesen  jenes 
besteht  im  Tadel,  das  Wesen  dieser  im  Lobe.  Dies  fasste  Gorgias  lebhaft  auf  und 
sah  eine  Hauptaufgabe  der  Redekunst  darin,  die  erforderliche  Gewandtheit  in  der 
Anwendung  von  Lob  und  Tadel  bei  den  Lernenden  hervorzubringen.  Zu  diesem 
Zwecke  wurden  die  Schüler  in  der  Behandlung  allgemeiner  Themata ,  die  Lob 
oder  Tadel  enthielten ,  geübt ;  es  wurden  Lob-  und  Tadelreden  auf  Tugenden 
und  Laster,  Vertheidigungsreden  für  Tugendhafte  und  Angriffsreden  auf  Laster- 
hafte geschrieben  und  vorgetragen ;  man  nannte  dies  die  Behandlung  von  Ge- 
meinplätzen —  loci  communes  — ,  ein  Ausdruck ,  der  seitdem  die  Bedeutung 
von  abgedroschenen  Dingen  erhalten  hat.  Den  Werth ,  welchen  Gorgias  auf 
diese  Uebungen,  auf  die  geschickte  Anwendung  von  Lob  und  Tadel  legte,  be- 
wies er  dadurch,  dass  er  selbst  Abhandlungen,  welche  Lob  oder  Tadel  bestimmter 
Gegenstände  oder  historischer  Persönlichkeiten  enthielten ,  verfasste.  Endlich 
scheint  er  es  auch  nicht  versäumt  zu  haben ,  die  Gedankenschärfe  bei  seinen 
Schülern  auszubilden.  Er  hatte  in  dieser  Beziehung  selbst  von  den  Eleaten 
gelernt,  und  seine  eigene  Gewandtheit  zeigt  sich  in  seiner  Abhandlung  über  das 
Sein  und  das  Erkennen.  Sein  Unterricht  mag  überdies  an  manchen  einzelnen 
guten  Winken  reich  gewesen  sein,  von  denen  leider  nur  einer  erhalten  ist.  Er 
rieth  nämlich,  den  Scherz  des  Gegners  durch  Ernst  zu  bekämpfen,  den  Ernst 
aber  durch  Scherz,  ein  Rath,  der  uns  Gorgias  als  feinen  Beobachter  der  mensch- 
lichen Natur  zeigt. 

Die  Redekunst  musste  nach  der  Behauptung  der  Sophisten  und  Rhetoren 
im  Stande  sein,  die  schwächere  Sache  zur  stärkeren  zu  machen,  das  heisst  das 
Gute  als  schlecht,  das  Schlechte  als  gut  darzustellen ,  ein  Grundsatz ,  der  we- 
sentlich dazu  beitrug,  Rhetorik  und  Sophistik  in  Verruf  zu  bringen.  Gorgias 
selbst  war  indessen,  wenn  er  auch  die  grösste  Redegewandtheit  bei  seinen 
Schülern  erstrebte,  weit  davon  entfernt,  die  Anwendung  der  von  ihm  gelehrten 
Kunst  zu  unsittlichen  Zwecken  zu  billigen.  Welchen  Werth  ein  solcher  Protest 
gegen  die  natürliche  Gonsequenz  des  Systemes  hatte,  ist  eine  andere  Frage. 

Sein  Unterricht  zielte  offenbar  vor  allen  Dingen  dahin  ab,  seinen  Schülern 
den  Gebrauch  schöner  und  effectvoller  Rede  beizubringen;  er  hat,  wie  es 
scheint ,  jedes  Eingehen  auf  den  speciellen  Inhalt  im  praktischen  Leben  vor- 
kommender Reden,  wie  das  gerade  das  Verfahren  des  Tisias  war,  durchaus 
vermieden. 

Seine  schriftstellerische  Thätigkeit  stand ,  wie  nicht  anders  zu  erwarten 
ist,  in  engster  Beziehung  zu  seiner  Wirksamkeit  als  Lehrer  der  Redekunst.  Er 
unterschied  sich  zunächst  dadurch  von  Tisias,  dass  er  weder  Reden  für  solche, 
die  in  Streitsachen  verwickelt  waren,  schrieb,  noch  auch  Muster  für  solche 
Reden  aufstellte.  Er  hat  auch  nicht  etwa  ein  vollständiges  Lehrbuch  der  Rhe- 
torik geschrieben ,  wie  später  Aristoteles  und  seitdem  Viele ;  es  mochte  ihm 


Gorgias.  J85 

schwerlich  passend  dünken,  an  die  Stelle  des  gewinnbringenden  Unterridits  der 
Einzelnen  eine  Unterweisung  des  gesammten  Publikums  durch  ein  leicht  zu  ver- 
vielfältigendes Werk  zu  setzen.  Das  schliesst  nicht  theoretische  Schriften  über 
einzelne  Zweige  der  Redekunst  aus,  zu  denen  eine  Abhandlung  über  »die  rechte 
Zeit«  gehört  haben  mag.  Die  grosse  Mehrzahl  der  Schriften  des  Gorgias  war  da- 
gegen in  der  Absicht  verfasst  worden,  an  bestimmten  Beispielen  zu  zeigen ,  wie 
der  vollkommene  Meister  der  Rede  denken  und  sprechen  müsse,  also  Muster 
scharfsinnigen  Denkens  und  schönen  Stils  überhaupt  zu  geben.  Zu  ersterem 
Zwecke  diente  seine  soeben  erwähnte  Abhandlimg  »über  das  Nichtseiende  oder 
die  Natura,  deren  Inhalt  vollkommen  bekannt  ist,  eine  der  besten  Proben  scharf- 
sinniger Skepsis,  die  wir  aus  dem  Alterthum  besitzen.  Gorgias  versucht  in 
Anlehnung  an  die  Eleatische  Philosophie  dreierlei  zu  beweisen ;  erstens :  dass 
Nichts  ist;  zweitens :  dass,  wenn  Etwas  wäre,  es  doch  nicht  erkannt  werden 
könnte;  drittens:  dass,  wenn  Etwas  wäre  und  erkannt  werden  könnte,  es 
doch  unmöglich  wäre ,  es  mitzutheilen.  Wenn  Gorgias  mit  dieser  Schrift ,  auf 
deren  specielien  Inhalt  hier  nicht  weiter  eingegangen  werden  kann ,  aus  der 
wir  aber  hervorheben  dürfen,  dass  auch  das  Ai^ment  darin  vorkam,  dass  der 
Mensch  heute  nicht  mehr  derselbe  ist  wie  gestern,  ein  Argument,  das  den  Sici- 
liem  aus  der  Epicharmischen  Komödie  bekannt  war ,  —  wenn  Gorgias  hiemit 
zeigen  wollte,  mit  welchem  Scharfsinn  der  wahre  Rhetor  denken  muss,  so  hatte 
er  natürlich  auch  den  weitern  Zweck,  zu  beweisen,  dass,  da  kein  menschlicher 
Gedanke  die  Wahrheit  treffen  kann,  die  Rhetorik  nicht  so  sehr  Unrecht  begeht, 
wenn  sie  vor  Allem  dem  Scheine  folgt. 

Um  zu  zeigen,  wie  der  vollkommene  Rhetor  sprechen  müsse,  verfasste  er 
eine  Anzahl  von  Musterreden,  von  denen  er  einige  auch  öffentlich  vorgetragen 
hat.  Zwei  derselben  hiessen  Olympiakos  und  Pythikos,  weil  sie  in  den  Fest- 
versammlungen zu  Olympia  und  Delphi  gehalten  waren.  Der  in  der  letzteren 
behandelte  Gegenstand  ist  unbekannt;  in  der  olympischen  Rede  ermahnt  er 
während  des  peloponnesischen  Krieges  die  Hellenen  zur  Eintracht  den  Persem 
gegenüber.  Man  hätte  fragen  können ,  warum  er  dann  selbst  bewirkt  habe, 
dass  die  Athener  in  Sicilien  Krieg  führten;  ein  Lustspieldichter,  Melanthios, 
hielt  es  für  zweckmässiger,  die  Frage  aufiEUwerfen,  warum  Gorgias  nicht  lieber 
zuerst  in  seinem  eigenen  Hause  Frieden  stifte,  zwischen  ihm  selbst,  seiner 
Frau  und  seiner  Sklavin ,  die  dpch  nur  drei  Personen  wären.  Eine  dritte  Rede 
des  Gorgias  war  eine  Lobrede  auf  die  Eleer,  von  der  wir  den  Inhalt  nicht  ken- 
nen. Die  vierte  endlich  ftihrte  den  Namen  Epitaphios ,  die  Leichenrede ;  sie 
verherrlichte  die  Athener,  welche  in  den  Kämpfen  gegen  die  Perser  gefallen 
und  auf  öffentliche  Kosten  begraben  waren.  Der  Geist,  welcher  sie  durchdrang, 
war  derselbe,  von  dem  auch  die  olympische  Rede  beseelt  war;  er  hob  die 
Herrlichkeit  der  Siege  über  die  Barbaren ,  den  Jammer  der  über  HeUenen  er- 
fochtenen  hervor.  Von  dieser  Rede  ist  etwa  eine  Seite  erhalten.  Ausserdem 
scheint  er  noch  eine  Lobrede  des  Achilleus  und  eine  Rede  über  die  Tapferkeit 
geschrieben  zu  haben.  Wenn  nun  sonst  noch  von  seinen  Ansichten  über  das 
Wesen  der  Tugenden  und  der  Freundschaft  die  Rede  ist,  so  darf  man  ver- 
niuthen ,  dass  diese  verschiedenen  ethischen  Themata  in  besonderen  Reden  als 
Probestücke  seiner  Kunst  behandelt  waren.     Von  einem  allgemeinen  Begriff 


286  Drittes  Buch.    V.  Literatur  und  geistiges  Leben  derselben  Zeit. 

der  Ti^end  überhaupt  wollte  Gorgias  Nichts  wissen;  er  iiess  nur  Tugendeo 
oder  vielmehr  Tüchtigkeiten  der  verschiedenen  Berufe,  der  einzehien  Alter  und 
Geschlechter  gelten.  Auoh  mit  Naturwissenschaft  beschäftigte  er  sich,  wobei 
er  vielleicht  im  Ganzen  dem  £mpedokJes  folgte,  wen^^tens  hat  er  dessen  Far- 
benlehre vorgetragen.  Die  zwei  Beden,  welche  noch  unter  dem  Namen  des 
Gorgias  erhalten  sind,  die  Apologie  des  Palaoiedes  und  die  Lobrede  der  Helena, 
sind  wahrscheinlich  von  späteren  Hhetoren  untergeschoben. 

Von  grosser  Bedeutung  ist  noch,  dass  Gorgias  im  attischen  Dialekte  schrieb. 
Er  brachte  damit  der  universalen  Bildung  Athens  eine  gerecht«  Huldigung  dar; 
er  hat  aber  auch  viel  dazu  beigetragen,  dass  die  athenische  Hundart  die  Sprache 
des  gebildeten  Hellas  wurde. 

Gorgias,  der,  wie  sich  aus  dem  Vorbeigehenden  ergiebl,  im  Vergleich  mit 
Tisias  mehr  Theoretiker  ist,  hat  durch  die  von  ihm  begründete  und  auf  seinem 
Vorbilde  fussende  Gattung  der  epideiktischeu  oder  Pi-unkreden  einen  bedeu- 
tenden Einfluss  auf  die  Entwickelung  der  attischen  Beredsamkeit  ausgeübt,  die 
datm  allerdings  durch  die  Rhetorik  des  Tisias  und  die  nüchternere  Redewelse 
des  Antiphon  AnstOsse  anderer  Art  erhielt,  welche  sie  vor  Einseitigkeit  be- 
wahrten. Nicht  Alles  freilich ,  was  man  im  Alterthum  über  Gorgias'  Einfluss 
zu  wissen  behauptete,  kann  wahr  sein,  denn  Perikles  wenigstens,  den  man  filr 
seinen  Schiller  au^b,  kann  von  ihm  nicht  gelernt  haben,  wenn  er  nicht,  wo- 
ftlr  jedoch  Nichts  spricht ,  schon  vor  seiner  bertlbmten  Gesandtschaftsreise  in 
Athen  gewesen  ist.  Eher  wSre  es  möglich,  dass  er  auf  den  Historiker  Thuky- 
dldes  einigen  Einfluss  ausgeübt  hatte,  dessen  Stil  eine  gewisse  Vorliebe  für 
Parallelismus  verraih,  wie  sie  Gorgias  eigen  war.  Sicher  dagegen  ist,  dass  Iso- 
krates  ihn  horte  und  sich  nach  ihm  bildete ;  sein  Panegyrlkos  und  seine  Lob- 
rede der  Helena  sind  im  Geiste  des  Gorgias  geschrieben.  Unter  den  Ubr^en 
Schülern  des  Gorgias  werden  genannt :  der  grosse  Uippokrates,  den  vielleicht 
auch  die  naturwissenschaftlichen  Kenntnisse  des  berühmten  Leontiners  an- 
zogen, IMtias,  der  Tragiker  Agathon ,  der  Rhetor  Alkidamas ,  der  In  kühnen 
Zusammensetzungen  seinen  Lehrer  noch  Übertraf,  endlich  der  Akragantiner 
Polos,  dem  wir  als  einem  Sikelioten  einige  Worte  mehr  als  den  übrigen  wid- 
men mtlssen.  Er  war  Rhetor  und  Sophist  und  ahmte  seinem  Heister  besonders 
in  der  Sorgfalt,  die  er  auf  den  Schmuck  der  Rede  verwandte ,  und  die  er  bis 
zum  Aeussersten  trieb,  nach.  Er  schrieb  ein  rhetorisches  Lehrbuch ;  eine  von 
ihm  angeführte  Schrift  über  den  Ausdruck  wird  für  dasselbe  Werk  gehalten. 
Ein  paar  Werke,  die  sich  auf  die  Erklärung  Homer's  bezc^en,  gehören  ihm 
vielleicht  nicht  an.  Er  deklamirle  wie  sein  Heister  zu  Olympia  vor  der  Fest- 
veraammlung. 

Wenn,  was  nicht  zu  bezweifeln  ist,  Gothas  und  seine  Schule  von  grossem 
Einflüsse  auf  die  Bildung  Sicitiens  gewesen  sind,  so  hat  dieselbe  durch  sie  eine 
wesentlich  rationalistische  Richtung  angenommen.  Der  Glaube  an  das  Ueber- 
lieferte  in  der  Religion  musste  erschüttert,  das  Festhalten  am  Alten  in  der  Sitte 
erschwert  werden.  Indirekt  wurde  so  —  denn  direkte  Entscheidung  für  eine 
oder  die  andere  Verlassungsform  blieb  natürlich  den  ßhetoren  und  Sophisten 
als  solchen  fem  —  der  Geist  der  Gleichheit  und  die  Demokratie  gefördert.  In 
eigenthUmlichem  Gegensatze  dazu  steht  der  Zulauf,  den  Empedokles  als  Wun- 


'4/1 


Sophron.  Mimos.  287 

derthäter  fand.  Aber  es  kommt  nicht  selten  vor,  dass  in  Perioden  der  Geschichte, 
wo  der  alte  Glaube  aufgehört  hat,  die  Geister  zu  beherrschen ,  Wunderthater 
und  Rationalisten  sich  in  den  Beifall  des  Publikums  theilen.  Das  achtzehnte 
Jahrhundert  hat,  zumal  in  Frankreich,  ähnliche  Erscheinungen  hervorgebracht. 
Ein  Zeitgenosse  des  Gorgias  war  der  Mann,  auf  den  ich  schon  oben  als  auf 
den  einzigen  Erben  des  Epicharmos  hingewiesen  habe,  der  Syrakusaner  So- 
phron, der  Sohn  des  Agathokles  und  der  Damnasyllis.  Aber  Sophron  heisst 
nicht  Lustspieldichter,  sondern  Mimendichter,  er  hat  also  nicht  die  ganze  Erb- 
schaft des  Koers  angetreten.  Die  Mimen  sind,  was  ihr  Name  sagt,  Nachahmungen 
des  wirklichen  Lebens,  Darstellungen  scherzhafter  Scenen,  nicht  immer  in  den 
Grenzen  der  Sittlichkeit  gehalten.  Mimen  als  Darsteller  solcher  Scenen  pflegten 
mit  Possenreissem  und  Zauberktlnstlem  zusammengestellt  zu  werden.  Das 
leichte  Blut  der  Sikelioten  machte  sie  dieser  Art  der  Unterhaltung  sehr  geneigt. 
Es  war  so  gewohnlich  in  Sicilien,  dass  Possenreisser  lächerliche  Persönlichkeiten 
öffentlich  nachahmten,  dass  selbst  Agathokles,  der  bei  aller  seiner  Grausamkeit 
sich  gern  mit  dem  niedrigen  Volke  zu  schaffen  machte  und  auf  seine  Launen 
einging,  ganze  Volksversammlungen  zum  lauten  Gelächter  brachte ,  indem  er 
bekannte  Leute  aufs  täuschendste  nachahmte.  Solche  Darstellungen  kamen 
besonders  bei  ländlichen  Festen  vor.  Diese  landestlblichen  Spässe  waren  es, 
welche  Sophron  in  eine  Kunstgattung  verwandelte ,  die  somit  ein  schwächerer 
Nebenast  der  eigentlichen  Komödie  war.  Wie  kam  es  aber,  dass  nicht  vielmehr 
die  Epicharmische  Komödie  selbst  Bearbeiter  fand?  Der  Grund  des  Abbrechens 
der  Entwickelung  einer  mit  so  vielem  Glanz  begonnenen  Kunstgattung  kann  in 
Folgendem  gesucht  werden.  Zu  den  Eigenthümlichkeiten  der  Epicharmischen 
Komödie  gehörte  Üas  Fembleiben  von  der  Politik  und  die  Durchdringung  mit 
philosophischen  Ideen.  Für  das  Letztere  fand  sich  nicht  leicht  wieder  ein  ebenso 
geeigneter  Kopf,  und  das  Erstere  wurde  unnöthig,  seit  Syrakus  seine  Freiheit 
wieder  erlangt  hatte.  Femer  kam  bald  die  attische  Komödie  auf,  die  sich  so 
glänzend  entwickelte,  dass  sich  neben  ihr  unmöglich  eine  andere  entfalten 
konnte.  Das  Zusammentreffen  dieser  Umstände  vemichiete  das  Epicharmische 
Lustspiel  bald  nach  seinem  Entstehen ,  aber  es  machte  sich  eine  Lücke  in  den 
Unlerhaltungsmitteln  des  Publikums  bemerklich,  und  diese  war  es,  welche 
Sophron  ausfüllte.  Seine  Mimen  wurden  in  männliche  und  weibliche  eingetheilt; 
offenbar  spielten  in  jenen  Männer,  in  diesen  Frauen  die  Hauptrollen.  Zu  jenen 
gehörten  :  Der  Thunfischer ,  der  Landmann ,  zu  diesen :  die  Schwiegermutter, 
die  Brautjungfer,  die  Schneiderinnen,  die  Frauen,  welche  die  Isthmischen  Spiele 
sehen.  Ausserdem  wird  ein  mythologischer  Titel  erwähnt:  Prometheus.  Sophron 
zeichnete  sich  einerseits  durch  treue  Darstellung  des  Lebens  aus ,  indem  er  die 
Denk-  und  Redeweise  der  niederen  Slände  auf  das  natürlichste  wiedergab  und 
eine  Menge  von  Volksspässen  anbrachte,  andererseits  aber  auch  durch  die  feine 
Durchführung  der  Charaktere  und  die  Lebhaftigkeit  der  Gonversation,  sowie  durch 
die  Masse  von  Sprichwörtern,  die  er  einzuflechten  wusste.  Er  schrieb  im  dori- 
schen Dialekt,  so  wie  man  ihn  in  Syrakus  sprach.  Sehr  merkwürdig  ist,  dass 
die  Sophrcmischen  Mimen  in  Prosa  abgefasst  waren,  wenngleich  in  einer  Prosa, 
die  durch  die  Regelmässigkeit  und  das  Rhythmische  der  Satzglieder  an  Poesie 
erinnerte.  Man  hat  daraus  geschlossen ,  dass  sie  nicht  zur  eigentlichen  sceni- 


■j_ 


288  Drittes  Buch.    VI.  Bildende  Kunst. . 

sehen  Aufführung  bestimmt  gewesen  sein  könnten ,  da  ein  Btthnenstttck  nicht 
anders  als  in  poetischer  Form  bei  den  Alten  zu  denken  sei ;  dann  hätte  ein 
einzelner  Possenreisser  sie  mit  geschickt  abwechselnder  Deklamation  dem  Volke 
vorgefahrt.  Jedenfalls  erkennen  wir  in  der  Thatsache  selbst  den  Einfluss  der 
in  erster  Blüte  stehenden  sicilischen  Rhetorenschule  und  vor  Allen  des  Gorgias, 
der  in  ähnlicher  Weise  eine  rhythmische  Prosa  ausbildete.  Die  Sophronischen 
Mimen  fanden  viel  Beifall  im  Alterthum.  Piaton,  der  ja  auch  auf  Epicharmos 
grosse  Stücke  gegeben  haben  soll,  las  sie  häufig,  und  man  behauptete,  dass  er 
für  die  lebhafte  Gestaltung  seiner  Dialoge  viel  von  ihnen  gelernt  habe.  Unmit- 
telbarer schloss  sich  an  Sophron  sein  berühmter  Landsmann  Theokrit  in  meh- 
reren seiner  Idyllen ,  besonders  in  der  zweiten  und  der  fünfzehnten ,  an ,  der 
Thestylis  und  den  Adoniazusen.  Dieses  Idyll,  das  Syrakusanerinnen  darstellt, 
welche  in  Alexandria  das  Adonisfest  zu  sehen  ausgehen ,  wird  ausdrücklich  als 
eine  Nachahmung  des  Sophronischen  Mimos :  die  Weiber,  welche  die  Isthmien 
schauen,  bezeichnet.  Endlich  soll  Persius  für  seine  Satiren  den  Sophron 
eifrig  studirt  haben.  Der  Mann  kann  nicht  unbedeutend  gewesen  sein ,  den 
drei  Meister  versdiiedener  Gattungen ,  des  philosophischen  Dialogs,  des  Idylls 
und  der  Satire,  als  Muster  benutzten.  Als  Nachfolger  Sophron^s  hat  später,  zur 
Zeit  des  ältei-en  Dionys,  sein  Sohn  Xenarchos  gewirk).. 

In  dieselbe  Zeit  f^llt  endlich  noch  der  erste  Geschichtschreiber,  den  Sicilien 
hervorgebracht  hat,  der  Syrakusaner  Antiochos,  des  Xenophanes  Sohn.  Seine 
Geschichte  Italiens  —  d.  h.  des  jetzigen  Calabriens  —  und  Siciliens ,  die  von 
den  ältesten  Zeiten  bis  zur  89.  Olympiade  ging,  war  im  ionischen  Dialekte,  der 
Sprache  der  Logographen  und  des  Herodot,  abgefasst. 


Sechstes    Kapitel. 
Bildende  Kunst. 

Sicilien  vergass  über  Philosophie  und  Rhetorik  die  bildenden  Künste  nicht. 
Es  pflegte  in  der  Zeit,  die  vom  Sturze  der  Tyrannen  bis  zum  zweiten  Einbrüche 
der  Karthager  verging  —  denn  in  der  Kunst  wie  in  der  Literatur  müssen  wir 
diese  Zeit  zusammenfassen  — ,  vor  Allem  die  Architektur.  Man  fuhr  in  den 
Tempelbauten  fort,  die  unter  den  Tyrannen  mit  grossem  Eifer  begonnen  waren, 
und  leistete,  der  vorgeschritteneren  Kunstbildung  entsprechend,  noch  Gross- 
artigeres und  Schöneres. 

Wir  sprechen  zuerst  von  Seli  n  u  s ,  von  dessen  sechs  Haupttempeln  die  drei 
noch  nicht  besdiriebenen  aus  dieser  Zeit  stammen  müssen.  Es  ist  zunächst  der 
südliche  Tempel  der  Burg  (A),  welcher  hierher  gehört.  Er  ist,  wie  die  meisten, 
ein  Peripteros  von  6  Säulen  in  der  Front  und  4  4  an  den  Langseiten,  im  Ganzen 
von  36  Säulen.  Es  ist  das  kleinste  der  selinuntischen  Heiligthtlmer,  wenn  man 
von  dem  Tempelchen  absieht,  das  sich  nördlich  von  ihm  erhebt.  Das  eigent- 
liche Tempelhaus  zerfällt  auffallenderweise  in  vier  Theile,   indem  vom  und 


Teropel  A  und  E  in  Selinus.  289 

hinten  sich  kleine  Hallen  mit  Säulen  zwischen  Anten  beßnden  und  ausserdem 
noch  zwei  Bäume,  ein  grosserer  und  hinter  ihm  ein  kleinerer,  vorhanden  sind. 
E^enlhUmlich  ist  auch ,  dass  die  beiden  Sttulen  des  Pronaos  durch  äne  Mauer 
von  4  Palmen  Hohe  verbunden  waren,  welche  zu  einem  uns  unbekannten 
Zwecke  beim  Gottesdienste  benutzt  werden  mochte.  Der  Tempel  erhob  sich 
auf  vier  Stufen,  von  denen  die  letzte  höher  war  als  die  übrigen.  Die  Verhalt- 
nisse des  Baues  sind  im  Allgemeinen  den  attischen  ähnlich.  Zu  bemerken  ist 
noch,  dass  sich  Vechls  vom  Eingange  in  die  Cella  eine  Wendeltreppe  befand. 
Dieser  Tempel  ist  schon  sehr  unkenntlich  geworden,  da  man  von  ihm,  der  dem 
Meere  am  nächsten  ist,  am  meisten  Steine  weggenommen  hat.  Nicht  ein  ein- 
ziger Sciulenschaft  hat  sich  voMsUindig  erhalten. 

Auch  der  südliche  Tempel  des  Ostlichen  Stadttheiles  [E)  ist  ein  Uexaslylos 
peripteros.  Doch  hat  er  je  15  Säulen  an  den  Langseiten.  Seine  Ueberreste  bil- 
den die  schönste  Gruppe  unter  den  sei  i  nun  tischen  Trümmerhaufen.  An  der 
südostlichen  Ecke  stehen  noch  drei  Säulen  theilrfeise  aufrecht;  alle  Übrigen 
sind  gilnzlich  umgesttlrzt.  Die  Vorder-  und  Rückseite  sind  nach  aussen  gefallen, 
die  der  Nordseite  ebenfalls,  und  ihre  Blocke  liegen  so  regelmässig  neben  ein- 
ander, als  waren  sie  erst  h erbeige schaffl  zum  Bau  des  Tempels.  Dagegen  sind 
die  der  Südseite  nach  innen  Ulicr  die  Tempelmauer  gestürzt,  mit  deren  Ueber- 
reslen  sie  in  dem  malerischsten  Durcheinander  liegen.  Es  zcrfitllt  sein  Tempel- 
haus ganz  50  wie  das  so  eben  besprochene  Heiligthum  in  vier  Al)theilungen, 
von  denen  die  beiden  äusseren  Säulen  zwischen  Anten  haben.  Zur  Seile  des 
Eingangs  der  Cella  befanden  sich  zwei  Treppen.  Hieraus  zu  schliessen,  dass 
der  Tempel  eine  innere  Säulensteltung  hatte  und  ein  sogenannter  Hypäthral- 
lempel  war ,  würde  ungerechtfertigt  sein.  Der  Stylobat  besteht  aus  4  Stufen, 
die  rings  um  das  Gebilude  laufen;  nur  an  der  Vorderseile  von  der  Mitte  der 
zweiten  bis  zur  Mitte  der  fünften  Säule  ist  eine  bequeme  Treppe  von  1 1  Stufen 
angebracht.  Die  Säulen  sind  wenig  mehr  als  4',;j  Durchmesser  hoch,  ilire  Ver- 
jüngung beträgt  '/j  des  unteren  Durchmessers.  Die  Kapitale  ragen  weniger 
über  als  bei  den  alteren  Tempeln ,  und  das  Profil  des  Echinus  gleicht  schon 
mehr  dem  Huster  des  Parthenon.  Das  Gebalk  hat  eine  Hohe  von  nicht  ganz 
2  Durchmessern ;  es  ist  also  viel  leichler  als  das  der  attei-en  Tempel.  Auf  dem 
obei^ten  Gesims  sind  in  sehr  schwachem  Relief  ein  Mäander  und  darum  Blatter 
ausgemeisselt ;  es  sind  noch  Ueberrestederauf  den  StuckUberzug  aufgetragenen 
Bemalung  vorhanden,  welche  auch  notbwendig  war,  um  dii'sen  Schmuck  dem 
Auge  der  Untensieh  landen  bemerkbar  zu  machen. 

Sehr  merkwürdig  sind  die  sonstigen  Spuren  von  Beinalung,  die  sich  an 
den  Trümmern  dieses  Tempels  gefunden  haben.  Es  sind  viele  Säulentrommeln 
desselben  mit  feinem  weissem  Stuck  überzogen ;  eine  derselben  aber  ist  in 
drei  horizontale  Streifen  getheilt,  welche  roth,  weiss  und  blau  bemalt  sind. 
Man  hat  diese  aus  einer  ausdrücklichen  Angabe  Serra  di  Falco's  hervorgehende 
Thatsache  bisher  nicht  genug  beachtet.  Wir  haben  hier  einen  Tempel,  welcher, 
wie  seine  Metopen  b-weisen,  nicht  etwa  der  ältesten  rohen  Zeit  angehört,  einen 
Tempel ,  der  aus  der  zweiten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  vor  Chr.  herstammt, 
aus  der  Zeit  des  Perikles  und  des  Phidias.  Und  an  diesem  Tempel  waren  nicht 
nur  einzelne  Veraieningen  der  Gesimse  bunt  bemall,  in  einer  Weise,  die  auch 

Holm,  OeKh.  BicUlBu,  I.  19 


Drilles  Buch.    \1.  Bildende  Knnsl. 

ingt  als  ein  angenehmer  Schmuck  erscheinen  niusste;  es  waren  die 
Uberzogeoen  Silulen  mit  horiionlalen  Streifen  von  rolher ,  weisser 
r  Farbe  bedeckt.  Bevor  Serra  di  Faleo's  Werk  erschien ,  war  diese 
schon  durcU  einige  von  Hitlorff  mitgelheilte  Worte  Dufourny's  be- 
denen  hervorging,  doss  in  Selinus  sich  grau,  roth  und  blau  bemalte 
unden  hatten.  Da  aber  diese  Bemerkung  nur  eine  gelegentliche  war, 
BS  den  Runsthislorikern  freistehen ,  die  Thatsache  als  eine  unei-w  ie- 
eite  zu  schieben ,  und  dies  ist  denn  auch  meistens  geschehen.  Nach 
mthchung  von  Serra  di  Faleo's  W>rk  hatte  dagegen  die  merkwUi-dige 
von  denjenigen  wenigstens,  denen  dieses  Werk  bekannt  wurde,  nicht 
demselben  Stillschweigen  übergangen  werden  dürfen.  Dennoch  hal>en 
einer  durchgangigen  Bemiilung  der  hellenischen  Tempel  es  theilwcise 
1,  ein  Factum  nicht  zu  erwllhncn,  das  ihren  Ansichten  einen  schweren 
3tHe,  und  von  dem  nur  zweifelhaft  ist,  ob  es  vereinzelt  dasteht  oder 
Analogien  hatte.  Wir  haben  in  dieser  Beziehung  keine  anderen  Knch- 
lIs  eine  Versicheruns  desselben  Dufoumy,  ihm  sei  von  Dodwell  er- 
Jen,  dass  sich  in  Griechenland  Aehnliches  finde.  Wo,  ist  unbe- 
e  Vertheidiger  einer  nur  miissigen  Bemalung  laugnen  die  Richtigkeit 
;abe  und  meinen,  Dufourny  möge  seinen  Gewährsmann  wohl  falsch 
1  haben.  Wir  mtfchlen  dem  gegenüber  die  sehr  besonnene  Bemerkung 
•e  de  Quincy's  wiederholen ,  dass  Spuren  der  Bemalung  griechischer 
)ch  viel  häufiger  gefunden  sein  würden ,  wenn  nicht  das  lange  Zeit 
le  Vorurtheil  dagegen  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher  davon  ab- 
ilt«.  Bei  dem  Mangel  an  ausdrücklichen  Nachrichten,  dass  es  anderswo 
wesen  sei,  wird  es  Jedem  freistehen,  eine  solche  Bemalung  der  Silulen 
■Itcn  vorkommend  zu  denken;  so  viel  ist  jedoch  klar,  dass  viel  mehr 
iechischcn  Tempeln  bemalt  war,  als  man  lange  Zeit  hindurch  mit  den 
der  hellenischen  Kunst  vertraglich  glaubte. 

i  auch  sonst  sind  zahlreiche  Farbenspuren  an  unserem  Tempel  er- 
toth  ist  der  Astragal  der  Kapitale,  rolh  das  Band  des  Architravs,  die 
n  sind  blau  mit  schwarzen  Schlitzen  und  blau  der  Grund  der  Meto- 
'on,  wenn  diese  Angabe  nicht  auf  einem  Irrthum  beruht,  eine  reihe 
ml  dem  Arme  einer  weiblichen  Figur  —  An«mis  —  abstach,  nofjegen 
brucbslUck  vom  Posticum  desselben  Tempels  deullich  die  blaue  Farbe 
ni  war  femer  das  Bierachen  über  den  Tropfen.  Das  Kapital  einer  der 
n  zeigt  die  Sonderbarkeit,  dass  der  Stein  anfangs  roth  bemalt,  dann 
getragen  und  dieser  wiederum  roth  gefdrbt  war.  Sodann  sind  von 
n  Teni[>el  schwarze  und  rolhe  Hüander  auf  gelbem  Grunde  und  andere 
und  gelbe  Verzierungen  aus  Terracotta  erhalten  ,  welche  dem  Posli— 
hörten.  Wenn  wir  nun  noch  hinzunehmen,  dass  nach  neueren  For— 
bei  den  dorischen  Tempeln  der  Echinus  des  Kapitjils  mit  einem  Uber- 
Blätterkranze,  der  Abacus  mit  einem  Mtiander  bemalt  war,  so  erscheint 
;h,  da  auch  die  Gesimse  farbig  waren,  fast  der  ganze  Tempel  bemaii. 
diesem  Tempel  haben  sich  meikwürdige  Skulplurüberresle  erhalten. 
Unf  Metopen,  welche  von  Serra  di  Faico  in  Verbindung  mit  Ca\'allari, 
hauer  Villareale  und  dem  Fürsten  Trabia  im  Jahre  183)  ans  Licht  ge- 


Metopen  des  Tempels  E  in  Selinas.  291 

zogen  sind.  Die  ersten  Angaben  über  ihr  Vorhandensein  verdankte  man  den- 
selben englischen  Architekten  Harris  und  Angell ,  welche  die  älteren  Metopen 
von  Selinus  entdeckt  hatten.  Sie  sahen  zwei  der  Metopen  unseres  Tempels, 
diejenigen ,  welche  dem  Posticum  angehörten ,  konnten  sie  aber  nicht  mehr  aus 
den  gewaltigen  Trümmerhaufen  hervorziehen  und  mussten  sich  damit  be- 
gnügen ,  die  sicilianischen  Forscher  auf  sie  aufmerksam  zu  machen.  Als  man 
sie  aufgefunden  und  ausgegraben  hatte,  dehnte  man  seine  Nachforschungen 
auch  auf  die  Gegend  des  Pronaos  aus,  da  man  überzeugt  war,  dass,  wenn  die 
Rückseite  des  Tempels  Skulpturen  enthielt,  sie  der  Vorderseite  noch  weniger 
gefehlt  haben  konnten,  und  diese  Vermuthung  wurde  durch  die  Aufßndung 
drei  anderer,  noch  besser  erhaltener  Metopen  bestätigt. 

Von  den  beiden  erstgenannten  ist  die  eine  ausserordentlich  beschädigt. 
Sie  stellt  die  Verfolgung  einer  Frau  durch  einen  Mann  dar,  nach  Serra  di  Falco* 
Apoll  und  Daphne.  Auf  der  anderen  sieht  man  einen  Kampf  zwischen  einem 
Mann  und  einer  Frau ,  welche  sich  durch  die  Aegis  als  Athene  kundgiebt.  Sie 
ist  unter  derselben  mit  einem  Chiton  und  einem  faltigen  Gewände  bekleidet. 
Der  Mann  hat  nur  Helm  und  Beinschienen.  Obgleich  er  seinen  Fuss  auf  den 
der  Göttin  gesetzt  hat ,  ist  er  dennoch  besiegt  und  im  Umsinken  begriffen ;  sie 
fasst  ihn  mit  der  Linken  an  seinem  Helm,  den  sie  ihm  abzureissen  scheint.  Es 
ist,  nach  dem  langen  Bart  und  den  ziemlich  groben  Zügen  zu  urtheilen,  einer 
der  von  Athene  besiegten  Giganten. 

Viel  besser  sind  die  drei  letzten  Mel^pen  erhallen ,  die  zu  den  merkwür- 
digsten unter  den  älteren  griechischen  Skulpturen  gehören.  Auf  der  ersten  er- 
blicken wir  einen  Jüngling ,  nur  mit  Sandalen  und  einem  Hirschfell  bekleidet, 
dessen  mit  dem  Geweih  versehener  Kopf  über  seine  Schuller  hervorragt,  und 
welcher  mit  gehobenem  Schwert  sich  gegen  drei  ihn  von  vorn  und  von  hinten 
angreifende  Hunde  vertheidigl.  Eine  Frau  steht  links  ihm  gegenüber,  in  einen 
langen,  von  einem  Peplon  bedeckten  Aermelchilon  gekleidet;  die  Aermel  haben 
wellenförmige  Falten,  wie  solche  häufig  auf  älteren  griechischen  Bildwerken 
vorkommen.  Hinter  ihrem  Rücken  ist  ein  Köcher  sichtbar;  auf  dem  Kopfe  trägt 
sie  eine  runde  Mütze  mit  nach  Art  eines  Diadems  aufgebogenen  Rändeiii.  Sie 
blickt  auf  die  Hunde  und  hält  beide  Hände  vorgestreckt,  als  hielte  sie  mit  ihnen 
die  Stricke ,  an  denen  diese  befestigt  sind.  Offenbar  ist  hier  das  Schicksal  des 
Aktaeon  dargestellt,  den  auf  Befehl  des  Artemis  die  Hunde  zerreissen.  Serra  di 
Falco  hat  bemerkt,  dass  der  Bildhauer  nicht  der  gewöhnlichen  Tradition,  wonach 
er  in  einen  Hirsch  verwandelt  wurde ,  sondern  der  Auffassung  des  Stesichoros 
gefolgt  sei ,  wonach  er ,  mit  einem  Hirschfelle  bedeckt ,  zerrissen  wurde.  An 
dieser  Metope  ist  fast  Alles  vortrefflich;  nur  der  rechte  Fuss  der  Göttin  hat  noch 
die  früher  bemerkte  steife  Stellung. 

Die  zweite  Metope  zeigt  rechts  einen  sitzenden  bärtigen  Mann  mit  einer 
Binde  in  dem  Haar;  der  Oberleib  ist  unbekleidet;  um  den  unteren  Theil  des 
Körpers  ist  ein  Gewand  geschlungen ;  unter  den  Füssen  hat  er  Sandalen.  Er 
stutzt  die  linke  Hand  auf  den  Sitz  und  fasst  mit  der  rechten  den  emporgehobe- 
nen Arm  einer  vor  ihm  stehenden  weiblichen  Gestalt,  die  er  anblickt,  und 
weiche  sich  so  eben  entschleiert  hat.  Sie  trägt  einen  langen  Aermelchilon,  der 
auf  der  Brust  und  den  Armen  die  kleinen  oben  erwähnten  Falten  zeigt,  und 

49* 


Drittes  Buch.    V[.  Bildende  Kunst. 

len  sehr  langen  Hantel,  der  an  beiden  Seilen  regelmässig  herunter— 
h  den  Kopf  bedeckt  und  mit  der  linken,  von  dem  MnBne  erfassen 

vom  Gesichte  entfernt  wurde.  Es  ist  Zeus  dargestellt ,  der  Here 
Auch  hier  ist  Alles  einfach  und  schCn. 

ilte  Hetope  stellt  Herakles  dar,  nackt,  nur  mit  der  über  der  Brust 
;eknoteten  Löwenhaut  bekleide! ,  die  hinter  ihm  flattert,  und  deren 
I  um  den  linken  Arm  geschlungen  ist,  so  dass  er  ihn  wie  ein  Schild 
lit  der  linken  Hand  fassl  er  eine  Kriegerin  am  Helme  und  holt  mit 
Q  zu  einem  Streiche  gegen  sie  aus.  Seinen  linken  Fuss  hat  er  auf 
Gegnerin  gesetzt.  Sie  ist  bekleidet  mit  einem  kurzen ,  doppelt  auf— 
1  Gewände  und  einem  Panier,  der  an  den  Seiten  geschntlrt  ist  [oder 
er  von  kleinen  Platten  mit  einer  grossen  Brustplatte  darüber)  sowie 
nden  Bei.kleidem ;  ein  Schwert  hüngt  an  ihrer  Seite;  der  linke  Arm 
angen  Schild;  der  rechte  schwingt  ein  Beil.  Es  ist  eine  Amazone, 
rakles  Überwunden  wird.  Auch  hier  sind  alle  Details  schOn,  der 
ler  Gesichter  einfach,  aber  kraftig. 

liese  fUnfMetopen  haben  die  Eigenthumlichkeit ,  dass  die  nackten 
weiblichen  Figuren ,  KOpfe ,  Arme ,  Hände  und  FUsse ,  aus  weissem 
d,  wahrend  alles  L'ebrigc  aus  dem  weissUcben  Kalkstein  von  Hemfiici 
!t.  Diese  Art  der  Skulptur  erinnert  einerseits  an  die  Bildwerke  aus 
Ifenbcin  undandieAkrolithen,  andererseits  aber  an  die  ältere  Vascn- 
elche  die  nackten  Thcile  von  Frauengestalten  weiss  färbt.  Wenn  wir 
denken,  dass  auch  an  den  Figuren  dieser  Metopen  sich  Farbenspuren 
ben,  so  werden  wir  zu  dem  Schlüsse  geführt,  dass  der  Bildhauer 
eise  eine  malerische  Wirkung  erzielen  wollte. 

mdere  Eigenthtlmlichkeilen  dieser  ftlnf  Skulptui'en  betreffen  die  Art 
der  Darstellung  der  Kümpfe.  Zweimal  kommt  es  vor,  dass  der  sieg- 
pfer  seinen  Gegner  am  Helme  fasst ;  so  er^eift  Herakles  die  Ama- 
Ühene  den  Giganten ;  in  einer  der  ältesten  Metopen  ei^riff  Perseus 

ebenfalls  am  Haupte.  Zweimal  ßndet  sich  endlich ,  dass  der  eine 
iden  seinen  Fuss  auf  den  seines  Gegners  setzt.  Herakles  tritt  mit 
.en  Fuss  auf  den  rechten  der  Amazone,  und  der  besiegle  Gigant  tritt 
SS  der  Athene.  Letzteres  Beispiel  zeigt,  dass  diese  Bewegung  nicht 
m  des  Sieges ,  sondern  ein  Kunstgriff  des  Kampfes  ist.  Wenn  da- 
veibliche  Gestalt  in  der  einen  nur  halb  ei'haltenen  Hetope  dem  ster- 
ijner  auf  den  Schenkel  tritt ,  so  können  wir  dies  als  ein  Zeichen  des 

ansehen.  Nach  einer  im  Jahre  4  865  von  Cavallari  im  Innern  des 
fundenen  Inschrift  kann  man  annehmen ,  dass  er  der  Hera  gewid- 

ommen  nun  zu  dem  grOssten  der  sciinuntischen  Tempel,  demjenigen, 
ssale,  wild  durch  einander  geworfene  Trümmer  sich  am  weitesten 
:n  im  tistlichen  Theile  der  Stadt  erheben.  Dieser  Tempel  (G)  stand 
e  von  dem  früher  besprochenen  Tempel  F  entfernt.  Er  war  einer 
n  des  Alterthums.  Seine  Lange  war  betrachtlicher  als  die  des  ge- 
tuslempcls  von  Akragas ,  und  es  scheint ,  als  ob  sie  nur  hinter  der 
Is  der  Ephcsischen  Artemis  zurückstand.    Er  halte  S  Säulen  in  der 


Tompcl  des  Zeus  Olympios  (Gj  in  Seiinas. 

Pronl  und  je  17  an  den  LangseiteD,  im  Ganzen  also  46.  In  gleicher  ' 
der  dntten  Säule  der  Langseilen  erhoben  sich  hinter  den  vier  mitu 
Vorderseil«  i  andere  Silulen  und  hinter  den  8  EcksüuieD  dieser  i  v/u 
eine  Säule,  hinter  denen  sich  endlich  die  Anten  des  Pronaos  befani 
Hinlerraum  des  Tempels  hatte  nur  Süulen  zwischen  Anten.  Von  diesi 
und  den  Tempclwänden  ist  die  äussere  Säulenreihe  überall  um  zvt 
coluoinien  enlfemt ,  weshalb  der  Tempel  die  Bezeichnung  Pseudodif 
hillt.  Die  Siiulen  des  Umganges,  von  denen  eine  noch  aufrecht  an  dei 
sieht,  sind  von  ausserordentlicher  Milchligkeit  —  12,10  palin.  — ; 
betrug  5^7  Durchmesser,  ihre  Verjüngung  mehr  als  ein  Viertel ;  doch 
Schwellung  bemerkbar.  Sie  sind  aus  sehr  grossen  Blöcken  zusamrai 
wodurch  dieser  Tempel  sich  vor  dem  Jupilertempel  in  Akragas  aui 
dessen  allerdings  noch  dickere  Säulen  aus  kleineren  Stücken  bestehen 
nera  des  Gebäudes  haben  sich  Ueberresle  von  Spulen  viel  geringere 
messei-s  gefunden,  sowie  KapiUÜo,  die  weder  zu  den  äusseren  S.H 
zu  den  so  eben  erwähnten  inneren  passtcn.  Für  diese  waren  sie 
für  Jene  dagegen  zu  klein,  weniger  durch  den  Abacus,  der  sehr  be 
ist,  als  durch  den  nur  schmalen  Saulenhais.  Wir  werden  hierdurch  i 
wendigkeit  auf  die  Annahme  geführt,  diiss  der  Tempel  einer  derjen: 
die  von  den  Alten  selbst  als  Hypilthraltempel  bezeichnet  wurden ,  u 
charakl^ris tische  EigenthUmlichkeit  darin  bestand,  dass  sie  im  Innern 
in  einiger  Entfernung  von  den  Seitenwünden  eine  Säulenreihe  hatten 
einen  oberen,  ebenfalls  von  Säulen  eingeCasslen  Gang  stützte;  dei 
Raum  war  unbedeckt,  daher  der  Name  Hypathrallempel.  Es  gehörtei 
epiVähnten  Kapitale  der  unteren  Säulenreihe,  die  ebendaselbst  ge 
Säulen  der  oberen  an,  Dass  das  Götterbild  nicht  unter  freiem  Himmel, 
gunst  der  Witterung  ausgesetzt  stand,  istnattlriich.  Da  wir  in  unserei 
im  Hintergrunde  der  Cella  Spuren  einer  kleinen  Ummauerung  finden, 
wir  vermuthen,  dass  dies  ein  kleines  Tempetchen  war,  welches  das  ( 
schützte.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  Gallerten  von  beiden  Seilen 
Tempelchen  stiesscn.  Bei  der  idealen  Beconstruklion  unseres  Tempel 
Beispiel  des  HypSthraltempels  zu  Pilstum  vorzüglich  massgebend 
dessen  Dimensionen  jedoch  um  ein  Bedeutendes  hinter  denen  des  uns 
rUckstehen. 

Der  Tempel  ist  nien^als  vollendet  worden.  Von  den  Säulen  sind 
vollstündig  canelirt;  bei  einigen  anderen  ist  die  Canelirung  dadurc 
leitet,  dass  der  cylindrische  Schaft  in  ein  Polygon  von  90  Facetten  vt 
ist ;  die  übrigen  sind  noch  ganz  glatt.  Die  Architekten  pflegten  die  Si 
nach  dem  Aufbau  der  Trommeln  zu  caneliren,  damit  nicht  beim  I 
dersetzen  der  Blöcke  die  feine  Arbeit  der  Canelirung  Beschädigur 
Aber  die  Säulen  des  grossen  sei inun tischen  Tempels  waren  nicht  cii 
vollständig  aufgebaut.  6  Millien  westlich  von  Selinus  sind  die  Sleinbi 
Campobello,  aus  denen  die  Selinuntier  das  Material  zum  Bau  ihrei 
nahmen.  Hier  sind  die  Arbeiten  vor  fast  2300  Jahren  abgebrochen  uni 
nicht  wieder  aufgenommen  worden.  Der  Anblick  ist  höchst  merkwUr 
siebt  die  verschiedenen  Stadien  der  Arbeit.    Hier  ist  nur  erst  ein  krei 


Drittes  Bucli.    \7.  Bildende  Kunst. 

»cht,  dort  ist  er  zu  einem  eine  Elle  breiten  Kanäle  geworden, 
lit  dem  Fels  zusammenhangende  Saulentrommel  umschliesst; 

das  Werk  vollendet  und  der  Platz  der  Süulentrommel  leer.  Eine 
leren  liegen  zum  Transporte  fertig  in  der  Tiefe  der  Schlucht, 
abrUcbe  enlbult ;  einige  sind  schon  eine  Strecke  weiter  auf  der 
ob  Selinus  führenden  Strasse  geschafft,  die  noch  hie  und  da  die 
n  schweren  Fuhrwerken  der  Alten  berrUhrenden  Einschnitte 
Q  Sil ulen trommeln,  deren  Länge  8 — tO,  und  deren  Durchmesser 
s  betrügt ,  sind  einzelne ,  die  voUkoiamen  zu  den  Massen  des 
tischen  Tempels  passen ,  so  dass  kein  Zweifel  obwalten  kann, 
iselben  bestimmt  waren.    Es  war  die  Eroberung  der  Stadt  Se- 

Kartbager,  welche  dem  schon  weit  vorgeschrittenen  Bau  des 
s  plötzlich  ein  Ende  machte;  wenn  auch  die  Stadt  später  wie- 
.nirde,  niemals  war  zur  Forlführung  des  riesenhaften  Werkes  der 
I.  Und  allerdings  war  schon  das  ein  gewalliges  Unternehmen, 
'eisstücke  von  Campobello  nach  der  Stadt  zu  schaffen,  Ober  einen 

Boden  und  durch  den  Fluss  Selinus.  Es  ist  vermuihet  worden, 
ssle  der  selinuntischen  Tempel  dem  olympischen  Zeus  gewid- 

.  UD3  aus  Selinus  noch  das  kleine  Tempelchen  (Bj  zu  erwähnen, 
it  der  Akropolis  SO  Palmen  nCrdlich  von  dem  dem  Heere  zu- 
n  Tempel  (A)  erhob.  Es  haben  sich  von  ihm  noch  die  Funda- 
eren  Theile  der  westlichen  Rllckmauer  und  nicht  unbedeutende 
Seitenmauem  erhalten ;  nur  von  der  Vorderseite  ist  Nichts  mehr 
kel  der  Gella  hatten  Pilaster,  von  denen  im  Nordwesten  nur  der 
illich  ist,  wahrend  im  Südwesten  ein  Theil  der  Pfeiler  selbst, 
i  Gebillk  und  der  Anfang  des  Giebels  erhalten  sind;  ferner  sind 
lUberresle  und  dorische  Kapitalstücke  vorhanden.  Darnach  hat 
as  Tempelchen  fUr  ein  dorisches  Gebäude  in  Anlis  erklärt.  Eine 
ide  fieslanration  gab  vor  ihm  Hittorff.  Er  fand  bei  diesem  Tempel 
eines  ionischen  Kapitells  und  stellte  nun  die  kühne  Behauptung 
Heiligthum  als  Prostylos  vor  der  Cella  4  ionische  Säulen  und 
les  Gebälk  gehabt  habe,  eine  Behauptung,  bei  der  er  auch  ver- 
an  eine  solche  Hischimg  der  Stilgattungen  wirklich  bei  diesem 
den  war,  so  stammte  er  sicherlich  aus  einer  späteren  Zeit  als 
welcher  wir  jetzt  stehen,  was  freilich  HitlorfT  nicht  zugicbl,  der 
[tige  Gründe  einen  dem  Empedokles  als  Heros  geweihten  Tem- 

,  sind  noch  die  Farbenspuren  dieses  Tempels.  Damach  waren 
Jas  Gebalk  mit  blassgelb  bemaltem  Stuck  bedeckt;  roth  bemalt 
les  Kranzgesimses,  der  Dielenkhpfe  und  des  Architravs,  blau  die 
e  Triglyphen  und  das  Band  der  Tropfen,  schwarz  die  Kanäle 
und  weiss  die  Tropfen.  Es  ist  noch  einer  der  LowenkSpfe  des 
sowie  das  mit  einem  Loche  versehene  Gesimsstuck  erhaltou, 
wenkopf  aufnahm, 
tn  uns  nun  zu  Akragas,  dessen  bedeutendste  Tempelrumen 


Sogen.  Tempel  der  Juno  in  Akragas.  295 

dem  fünften  Jahrhundert  v.  Chr.  angehöiTn.  Was  davon  schon  gleich  nach,  der 
Schlacht  bei  Himera  unter  Theron,  was  erst  zur  Zeit  der  Freiheit  der  Stadt  er- 
baut wurde,  vermögen  wir  nicht  mehr  zu  unterscheiden.  Es  liegen  diese  Tem- 
pel grösstentheils  nahe  dem  südlichen  Abhänge  des  Hügels,  unter  welchem  die 
beiden  Flüsse  von  Akragas  sich  vereinigen,  in  einer  Reihe  von  Osten  nach 
Westen.  Der  steile  Felsrand,  an  welchem  sie  stehen,  ist  hie  und  da  eingestürzt 
und  hat  die  Stadtmauer,  die  er  trug,  mit  in  die  Tiefe  gerissen.  In  dieser  Stadt- 
mauer finden  sich  noch  viele  GraböfFnungen ,  und  es  ist  eigenthümlich  genug, 
dass  man  durch  solche  Nischen  die  Festigkeit  der  Mauer  schwächte. 

Der  östlichste,  am  höchsten  gelegene  unter  diesen  Tempeln  ist  derjenige, 
den  Fazell  wegen  des  volksthtimlichen  Namens  Torre  delle  pulselle  für  einen 
Tempel  der  Pudicitia  hielt.  Spätere  für  einen  Tempel  der  Juno  Lacinia  erklar- 
ten. Diese  Benennung  beruht  auf  folgender  von  Phnius  mitgetheilten  Geschichte. 
Zeuxis  sollte  den  Akragantinern  ein  Gemälde  verfertigen,  welches  sie  im  Tempel 
der  Juno  Lacinia  aufstellen  wollten.  Er  wählte  unter  den  Jungfrauen  der  Stadt 
die  fünf  schönsten  und  bildete  aus  dem ,  was  an  jeder  von  ihnen  am  vollkom- 
mensten war,  die  Gestalt,  welche  er  darzustellen  hatte.  Man  hat  nun  geglaubt, 
der  Tempel,  für  den  die  Akragantiner  das  Bild  bestimmt  hatten,  müsse  in 
Akragas  gewesen  sein,  wo  es  dann,  da  Torre  delle  pulselle  Thurm  der  Mädchen 
bedeutet ,  leicht  dieser  Tempel  sein  konnte.  Die  Voraussetzung  ist  aber  mehr 
als  unsicher ;  Juno  Lacinia  hiess  zunächst  nur  die  am  lacinischen  Vorgebirge  in 
einem  berühmten  Tempel  verehrte  Göttin.  Warum  sollte  nicht  hierher  die  Stadt 
Akragas  ein  Bild  des  Zeuxis  gestiftet  haben?  Es  scheint  jedoch  die  ganze  Ge- 
schichte vielmehr  auf  die  Krotoniatcn  bezogen  werden  zu  müssen,  von  denen 
Cicero  sie  erzählt ,  und  in  deren  unmittelbarer  Nähe  der  Tempel  der  Juno  La- 
cinia lag.  Die  Verwechslung  mit  Akragas  würde  sich  dann  dadurch  erklären, 
dass  Zeuxis  ein  anderes  Gemälde,  von  dem  unten  die  Rode  sein  wird,  für  diese 
Stadt  angefertigt  hat. 

Der  Tempel  ist  an  der  südöstlichen  Ecke  der  Stadt  auf  einem  unebenen 
Boden  errichtet,  den  ein  Unterbau  von  ungleicher  Höhe  —  im  Norden  und 
Westen  am  bedeutendsten  {\  0  Palmen)  —  ausgeglichen  hat.  lieber  diesem 
Unterbau  erheben  sich  vier  Stufen ,  welche  in  der  östlichen ,  der  Vorderseite, 
durch  eine  förmliche  Treppe  noch  bequemer  zu  ersteigen  gemacht  sind.  Auf 
der  obersten  Stufe  ruhen  die  Säulen  des  Peristyls.  Der  Tempel  ist  ein  Peri- 
pteros  Hexastylos  mit  je  6  und  je  13  Säulen,  im  Ganzen  also  mit  34.  Die  Gella 
zerfällt  in  drei  Theile,  von  denen  Pronaos  und  Posticum  je  zwei  Säulen  zwi- 
schen Anten  haben.  Sie  ist  um  zwei  Stufen  über  das  Peristyl  erhöht.  Zu  bei- 
den Seiten  des  Eingangs  des  Pronaos  in  die  eigentliche  Cella  sind  in  viereckigen 
Gebäuden  Treppen  angebracht.  Im  Hintergrunde  dieses  mittleren  Raumes  ist 
ein  besonders  abgegrenzter,  um  vier  Stufen  erhöhter  Platz  sichtbar,  offenbar 
der  Ort,  wo  die  Bildsäule  der  Gottheit  stand.  Die  Cellamauem  tragen  noch 
Spuren  des  Feuers,  das  den  Tempel  einst  zerstörte.  Im  Peristyl  ist  der  antike 
Fussboden,  aus  grossen  viereckigen  Platten  zusammengesetzt ,  erhalten ;  unter 
ihm  beßndet  sich  ein  Abzugscanal.  Die  Säulen  des  Peristyls  haben  eine  Höhe 
von  24,  10,  6  Palmen,  d.  h.  von  nicht  ganz  5  Durchmessern;  sie  bestehen  aus 
4  Stücken  und  verjüngen  sich  um  ^9  Durchmesser.  Zwei  Einschnitte  am  oberen 


296  Drittes  Buch.    VI.  Bildende  Kunst. 

Ende  der  Säulen  unter  dem  Wulst  machen  einen  dem  Auge  wohlgefälligen 
Schmuck  aus.  Der  Archilrav  ist  um  ein  Fünftel  höher  als  der  Fries. 

Von  diesem  nicht  grossen,  aber  schönen  Tempel  ist  noch  viel  erhalten. 
Von  den  Säulen  des  Peristyls  fehlen  nur  vier,  eine  an  der  Vorderseite,  die  drei 
anderen  an  der  südlichen  Langseite.  4  6  derselben  haben  noch  ihre  Kapitale, 
nämlich  alle  der  nördlichen ,  zwei  der  Vorder-  und  zwei  der  Hinterseite.  Die 
Nordseile  hat  auch  noch  den  ganzen  Architrav  nebst  drei  Blöcken  des  Frieses  ; 
im  Ucbrigen  ist  vom  Gebälke  nur  ein  einziger  Architravblock  von  der  südöst- 
lichen Ecke  des  Tempels  vorhanden.  Dass  die  Südseite  am  meisten  gelitten 
hat,  erklärt  sich  durch  die  Einwirkung  der  Seeluft  auf  den  gelblichen  Baustein, 
der  weniger  compact  ist  als  derjenige,  den  die  Selinuntier  zu  ihrer  Verfügung 
hatten.  Zu  FazelFs  Zeit  stand  der  Tempel  noch  vollständig;  doch  klagt  er,  dass 
einige  gespaltene  Säulen  dem  Ganzen  Gefahr  di*ohten.  Nach  ihm  ging  der  Ver- 
fall weiter ;  den  gegenwärtigen  Zustand  verdankt  man  hauptsächlich  der  Sorge 
.  Torremuzza's  im  Jahre  \  787. 

Vor  der  Front  dieses  Tempels  sind  Ueberreste  von  Mauerwerk,  die  einer 
mit  Sitzen  versehenen,  vielleicht  offenen  Halle  angehört  zu  haben  scheinen. 
Wohl  musste  es  schön  sein ,  sich  von  hier  aus  des  Anblickes  des  Meeres ,  der 
Tempel ,  der  Festzüge  der  Akragantiner  zu  erireuen.  Dürfen  wir  nun  nicht 
vermuthen,  dass  dieser  Tempel  dem  Dienst  des  Poseidon  gewidmet  w^ar,  dessen 
Kultus  den  Akragantinem ,  wie  die  Münzen  mit  ihren  zahlreichen  Symbolen 
(Krebs,  Delphin,  Polyp,  Skylla)  zeigen,  so  sehr  am  Herzen  lag?  Ein  schönerer 
Platz  für  einen  Poseidontempel  hätte  in  Akragas  schwerlich  gefunden  werden 
können. 

Ebenfalls  in  der  Nähe  dieses  Tempels  ist  ein  antiker  Behälter  zur  Auf- 
bewahrung des  Getreides.  Tief  in  die  Erde  gehauen ,  spitzt  er  sich  nach  oben 
pyramidalisch  zu ;  auf  der  Oberfläche  läuft  ein  Einschnitt  ringsherum,  in  wel- 
chem wohl  ein  Deckel  befestigt  wurde. 

Weiter  nach  Westen  hin  beginnen  die  im  Zustande  des  malerischsten  Ver- 
falls befindlichen  Stadtmauern  den  Blick  auf  sich  zu  ziehen ,  mit  ihren  eigen- 
thümlichen  Gräbemischen,  von  denen  oben  die  Rede  war,  und  bei  denen  man 
an  die  Geschichte  von  Akren  und  Empedokles  erinnert  wird. 

Dann  folgt  in  einsamer  Majestät  auf  einer  kleinen  Anhöhe  der  sogenannte 
Tempel  der  Goncordia,  der  besterhaitene  griechisch-dorische  Tempel  nach  dem 
des  Theseus  in  Athen.  Seinen  Namen  hat  er  von  Fazell  wegen  einer  in  der 
Nähe  gefundenen  römischen  Inschrift  empfangen,  in  welcher  irgend  ein  Heilig- 
thum  der^Eintracht  zwischen  den  Agrigentinern  und  den  Lilybaetanem  geweiht 
wird.  Natürlich  kann  diese  Inschrift  Nichts  mit  einem  Tempel  zu  schaffen 
haben,  der  aus  der  besten  griechischen  Zeit  stammt,  und  überdies  kommen  bei 
den  Griechen  wohl  Altäre  der  Eintracht,  aber  keine  Tempel  derselben  wie  bei 
den  Römern  vor.  Seine  Erhaltung  verdankt  er  theilweise  dem  Umstände,  dass 
er  im  ^  5.  Jahrhundert  zu  einer  Kirche  des  heil.  Gregorius  von  den  Rüben  (delle 
rape)  eingerichtet  worden  ist.  Doch  entstellte  man  bei  dieser  Gelegenheit  auch 
das  Gebäude ,  indem  man  die  Scheidewand  zwischen  Gella  und  Posticum  ent- 
fernte und  in  die  Seitenmauem  der  Cella  zwölf  rundbogige  Oeffnungen  brach. 


Tempel  des  Herakles  in  Akragas.  297 

um  dem  Innern  mehr  Lieht  zu  verschaffen.  Der  Tempel ,  dessen  Verh^lltnisse 
im  Wesentlichen  denen  des  Junotempels  entsprechen,  erhebt  sich  auf  einer 
UnterInge  von  4  Stufen.  Die  Süulen  haben  wie  die  jenes  Tempels  eine  Höbe  von 
fast  5  Durchmessern  und  verjüngen  sich  um  etwas  mehr  als  ^j-^ ;  sie  bestehen 
aus  5  Stücken.  Dagegen  ist  das  Gehalk  viel  schwerer  als  bei  dem  vorigen 
Tempel ;  es  erreicht  fast  die  Hälfte  der  SiSulenhdhe.  Die  Cella  liegt  ein  wenig 
höher  als  das  Peristyl.  Ihre  Mauern  sind  aus  so  trefflich  an  einander  passenden 
Werkstücken  zusammengefügt,  dass  man  glauben  möchte,  der  Bau  sei  so  eben 
erst  vollendet  worden.  Zu  beiden  Seiten  des  Eingangs  der  Cella  führen  Treppen 
auf  den  Dachboden ,  der  durch  zwei  rundbogige ,  aus  alter  Zeit  herstammende 
Oeffniingen  Licht  erhält.  Auch  dieser  Tempel  ist,  wie  eine  jetzt  entfernte  In- 
schrift besagte,  im  Jahre  1 788  restaurirt  worden. 

Falls  der  gegenwärtig  nach  Ceres  und  Proserpina  benannte  akragantinische 
Tempel  diesen  Namen  aufgeben  müsste,  würde  ich  vorschlagen,  dem  Concor- 
diatempel  den  Namen  jener  beiden  in  Akragas  so  hoch  verehrten  Gottheiten 
zuzuschreiben. 

Wenn  wir  von  hier  am  Felsrande  weiter  nach  Westen  gehen ,  so  kommen 
wir,  an  manchen  Gräbern  in  der  Stadtmauer  vorbei,  zu  einem  gewaltigen  Ruinen- 
häufen ,  aus  dem  sich  eine  einsame  verstümmelte  Säule  erhebt.  Es  sind  die 
Ueberreste  des  sogenannten  Heraklestempels,  die  erst  vor  wenigen  Jahrzehnten 
auf  Veranstaltung  der  sicilischen  AUerthumscommission  durch  Villareaie  und 
die  Brüder  Cavallari  genauer  untersucht  worden  sind,  wobei  einige  sehr  inter- 
essante Resultate  sich  ergeben  haben.  Y^er  Tempel  war  bedeutend  grösser  als 
die  beiden  vorigen.  Er  war  wie  sie  ein  Hexastylos  Peripteros,  aber  mit  1 5  Säu- 
len an  den  langen  Seiten,  also  im  Ganzen  mit  88.  Er  ruhte  auf  4  Stufen,  dioch 
war  der  Zugang  von  Osten  durch  eine  bequeme  Treppe  von  8  Stufen  erleichtert. 
Im  Peristyl  ist  das  antike ,  aus  grossen  viereckigen  Stücken  zusammengesetzte 
Pflaster  noch  theilweisd  sichtbar.  Die  Säulen  haben  eine  Höhe  von  etwas  mehr 
als  4Y2  Durchmessern;  ihre  Verjüngung  beträgt  etwas  mehr  als  Y4.  Die  Ka- 
pitale sind  denen  des  Tempels  F  in  Selinus  ähnlich  und  laden  weit  aus.  Bei- 
des, sowie  die  grosse  Länge  des  Tempels  im  Verhältniss  zu  seiner  Breite,  giebt 
ihm  einen  ziemlich  alterthümlichen  Charakter.  Am  merkwürdigsten  sind  aber 
die  Ueberreste  des  Gebälkes  wegen  der  an  demselben  gefundenen  farbigen  Be- 
malung.  Der  Fries  ist  unten  von  einem  rothen  Bande  eingefasst ,  unter  dem 
sich,  jeder  Triglyphe  entsprechend ,  noch  ein  blaues  Plättchen  befindet.  Das 
ganze  Kranzgesimse  ist  aufs  schönste  mit  Blätterwellen  an  den  gebogenen,  mit 
Mäandern  an  den  schmalen,  flachen  Gliedern  und  mit  Palmettenreihen  zwischen 
den  Löwenköpfen,  welche  das  Wasser  ausspeien,  geschmückt.  Alle  diese  Ver- 
zierungen sind  in  leichtem  Relief  angedeutet  und  treten  durch  die  rothe  und 
blaue  Färbung  lebhaft  hervor.  Der  Rinnleisten  ist  hoch ,  aber  schön  gebildet. 
Man  hat  auch  einige  Firstziegel  des  Daches  gefunden.  Im  Innern  des  Tempels 
sind  Gesimsstücke  entdeckt  worden,  deren  kleinere  Verhältnisse  deutlich  zeigen, 
dass  sie  nicht  dem  äusseren  Gesimse  angehörten,  und  da  sich  ausser  Triglyphen 
auch  Dieienköpfe  hier  gefunden  haben .  so  kann  dies  Gebälk  nur  ein  ganz  im 
Innern  der  Cella  befindliches  gewesen  sein,  woraus  sich  ergiebt,  dass  der 
Tempel  ein  Hypäthros  war.    Von  den  Säulen  des  hypäthralen  Raumes  hat  sich 


298  Drittes  Buch.    VI.  Bildende  Kunst. 

jedoch  keine  Spur  erhalten.  Es  ist  auffallend,  dass  der  hintere  Theil  der  eigent— 
liehen  Cella  in  drei  neben  einander  befindliche  Räume  zerfällt.  £ine  solche 
Einrichtung  ist  vielmehr  römisch  als  giiechisch ;  da  nun  tlberdies  die  Mauern 
dieses  Theils  in  anderer  Weise  und  aus  anderen  Steinen  als  die  übrigen  Tem- 
peimauern  gebaut  sind,  so  wird  es  wahrscheinlich,  dass  man  in  römischer  Zeit 
eine  Yerilnderung  mit  dem  griechischen  Tempel  vornahm.  In  der  linken  dieser 
Seitencellen  fand  sich  die  leider  kopflose  Statue  eines  in  einen  Mantel  gehüllten 
Mannes,  der  sich  auf  einen  Stab  stützt.  Wenn  hierin,  wie  man  vermuthet  hat, 
ein  Asklepios  zu  sehen  ist ,  so  würde  dies  der  von  Fazell  aufgestellten  und  von 
d^Orville  gebilligten  Annahme  nicht  widersprechen,  dass  dieser  Tempel  der  des 
Herakles  gewesen  sei,  den  Yerres  plündern  wollte,  und  wo  sich  wahrscheinlich 
das  berühmte  Bild  der  Alkmene  von  Zeuxis  befand ,  das  der  Künstler  als  un- 
bezahlbar den  Akragantinem  zum  Geschenk  gemacht  hatte.  Denn  so  gut  wie 
anderswo,  z.  B.  in  Messene,  die  Bildsäule  des  Herakles  in  einem  Asklepios- 
tempel  stand,  so  gut  konnte  auch  das  Umgekehrte  Statt  finden.  Ueberdies  sagt 
Cicero,  dass  der  Heraklestempel  dem  Forum  nahe  gewesen  sei,  und  der  Markt, 
den  man  in  Seestädten  dem  Meere  möglichst  nahe  anzulegen  pflegte,  kann  um 
so  mehr  in  der  Nähe  dieses  Tempels  gesucht  werden ,  da  unmittelbar  westlich 
von  seinen  Ruinen  in  einer  Vertiefung  des  Bodens  das  Thor  war,  durch  welches 
der  Weg  zum  Meere  ftlhrte. 

Jenseits  dieser  Strasse  lag  unfern  des  Heraklestempels  der  berühmte  Tempel 
des  Olympischen  Zeus,  der  riesigste,  jedenfalls  massenhafteste  Siciliens,  und 
einer  der  gewaltigsten ,  die  überhaupt  errichtet  worden  sind.  Er  wurde  nie 
vollendet.  Die  Zerstörung  der  Stadt  durch  die  Karthager  im  3.  Jahre  der 
93.  Olympiade  veiiiinderte  seinen  Ausbau ,  und  als  später  die  Stadt  Akragas 
wieder  aufblühte,  war  sie  doch  nie.  so  reich,  dass  sie  den  gewaltigen  Bau  hätte 
zu  Ende  bringen  können.  Diodor  hat  eine  ausführliche  Beschreibung  des  Ge- 
bäudes gegeben.  Es  hat  nach  ihm  eine  Länge  von  340,  eine  Breite  von  60  (soll 
heissen  160)  Fuss;  die  Höhe  beträgt  ISO  Fuss,  ungerechnet  den  Unterbau. 
Während,  sagt  Diodor  weiter,  die  Tempel  sonst  entweder  von  Mauern  oder  von 
einer  Säulenreihe  umschlossen  sind,  findet  bei  diesem  Tempel  eine  Verbindung 
beider  Systeme  Statt ;  denn  die  Mauern  sind  mit  den  Säulen  zusammengebaut, 
welche  letztere  nur  nach  aussen  rund ,  im  Innern  aber  viereckig  erscheinen. 
Sie  haben  aussen  einen  Umfang  von  20  Fuss,  und  die  Kanäle  sind  so  gross, 
dass  ein  Mann  sich  darin  verbergen  kann;  im  Innern  beträgt  ihr  Umfang 
1  i  Fuss.  Von  den  Hallen,  die  von  ungewöhnlicher  Grösse  und  Höhe  sind^  trägt 
die  östliche  eine  ausgezeichnete  plastische  Darstellung  der  Gigantomachie,  die 
westliche  die  der  Einnahme  von  Troja.  —  Allmählich  verfiel  der  unvollendete 
Tempel.  Der  weiche,  leicht  verwitternde  Stein,  aus  dem  das  Gebäude  errichtet 
war,  und  der  die  Vet*anlassung  gegeben  hatte,  die  riesigen  Säulen  durch  Mauern 
zu  verbinden,  beschleunigte  seinen  Untergang.  Am  9.  December  des  Jahres 
4  404  stürzte  das  letzte  noch  aufrecht  stehende  Stück  desselben,  das  sich,  wie 
Fazell  nach  alten  etwas  unklaren  Berichten  erzählt ,  auf  3  Gigantenfiguren  und 
(mehrere?)  Säulen  stützte,  zusammen.  Seitdem  ist  der  gewaltige  Trümmer- 
haufen, der  Palast  der  Riesen,  wie  das  Volk  ihn  nannte,  lange  Zeit  hindurch 
eine  Fundgrube  für  Bausteine  gewesen,  und  noch  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahr- 


t 


Tempel  des  Zeus  Olympios  io  Akragas.  299 

hunderte  ward  der  Molo  von  Girgenti  aus  den  Blöcken  dieses  Tempels  erbaut. 
Dann  kam  die  Zeit,  wo  das  Interesse  auch  für  die  ardiitektonischen  Ue))er- 
bleibsel  des  Alterthums  rege  wurde,  und  man  begann,  dieses  grossartige  Werk 
"wenigstens  im  Geiste  wieder  aufzubauen.  Bei  den  Versuchen,  seinen  Plan 
herzusteüen ,  konnte  man  anfangs  mannichfachen  IrrthUmem  nicht  [entgehen, 
da  die  ungeheure  Trttmmermasse ,  welche  die  Stätte  des  Tempels  bedeckte, 
eine  genaue  Erforschung  fast  unmöglich  machte.  Richtigere  Ansichten  über 
seine  Gestalt  brachen  sich  Bahn ,  seit  im  Jahre  i  802  auf  die  Veranstaltung  des 
M archese  Haus  eine  Aufräumung  der  Ruinen  Statt  gefunden  hatte ,  welche  zur 
Feststellung  des  Grundplans  führte.  Seitdem  haben  Forscher,  die  der  Stadt 
Girgenti  selbst  angehörten,  die  Alterthumscommission  der  Insel,  endlich  fremde 
Besucher  Siciliens  um  die  Wette  unsere  Kenntniss  des  gewaltigen  Bauwerks 
gefördert. 

Vom  Centrum  der  Ecksäule  aus  gerechnet,  beträgt  die  Länge  des  Tempels 
403,3  Palmen,  die  Breite  189,9.  Der  Boden,  auf  dem  er  stand,  war  ungleich; 
im  Westen,  wo  er  bedeutend  niedriger  war,  sind  grosse  Substructionen  nöthig 
gewesen,  von  denen  jetzt  aber  nur  wenig  mehr  vorhanden  ist.  Auf  den  Fun- 
damenten ruhten  5  Stufen ,  von  denen  die  fünfte  vollständig  von  einer  in  zwei 
Streifen  getheilten  Plinthe  bedeckt  ist.  Hierüber  befindet  sich  noch  eine  in  ver- 
schiedene Glieder  zerfallende,  mit  den  Säulen  hervortretende,  mit  den  Wand- 
stücken zurückweichende  Basis ;  es  ist  so  viel  Ungewöhnliches  an  diesem  Tem- 
pel ,  dass  eine  Basis  bei  dorischer  Säulenordnung  nicht  weiter  auffallen  kann. 
Der  sich  über  diesen  Unterlagen  erhebende  Tempelbau  ist  aus  kleineren  Werk- 
stücken so  zusammengesetzt ,  dass  die  Säulen  mit  den  Mauern  durch  Stücke, 
M^elche  beiden  zugleich  angehören,  in  engster  Verbindung  stehen.  Auf  den 
langen  Seiten  ragten  je  14  Säulen  über  die  Hälfte  aus  dem  Mauerverbande  her- 
vor, an  der  Ostseite  7.  Von  der  Westseite  sind  nur  Spuren  der  nach  Norden 
zu  stehenden  Ecksäule  vorhanden.  Wie  war  nun  diese  Seite ,  die  unzweifel- 
haft, abweichend  von  dem  sonstigen  Gebrauche  der  Griechen,  die  Vorderseite 
des  Gebäudes  war,  angeordnet?  Wo  war  insbesondere  der  Eingang?  Wäre 
diese  Seite  ganz  der  Ostseite  ähnlich  gewesen,  so  würden  wir,  da  das  Gentrum 
von  einer  Säule  eingenommen  wird,  zwei  Eingangsthüren  statt  einer,  etwa  in 
den  beiden  äussersten  Intercolumnien  annehmen  müssen.  Aber  die  Annahme 
eines  grossen  hellenischen  Tempels,  der  auf  allen  Seiten  von  Mauern  ein- 
geschlossen ist  und  nicht  einmal  eine  imposante  Hauptthür  besitzt,  hat  doch  zu 
viel  Ungefälliges,  ja  Abstossendes ,  als  dass  wir  uns  dabei  beruhigen  dürften. 
Wir  werden  also  zur  Annahme  geführt,  dass  die  Westseite  statt  7  nur  6  Säulen 
hatte  und  sich  an  der  Stelle  der  Mittelsäule  der  Haupteingang  befand.  Es  ent- 
steht durch  die  Weglassung  der  Mittelsäule  und  der  an  beiden  Seiten  an  sie 
stossenden  Wände  ein  freier  Raum  von  über  49  Palmen  Breite.  Da  derselbe 
unmöglich  durch  einen  einzigen  Architravbalken  bedeckt  gedacht  werden  kann, 
so  darf  auch  keine  Thüröflnung  von  dieser  Breite  angenommen  werden ;  wir 
haben  sie  uns  vielmehr  durch  seitliche  Einfassungen  auf  ein  geringeres ,  indess 
immer  noch  der  Würde  des  Gebäudes  entsprechendes  Mass  beschi^nkt  zu 
denken.  Der  Durchmesser  der  äusseren  Säulen,  deren  14  Kanäle  vollkommen 
der  Diodorischen  Schilderung  entsprechen,  beträgt  unten  4  3,6,  oben  1 1 , 4,6  Pal- 


..  j 


Drilles  Buch.    VI.  Bildende  Kunst. 

;  im  iDnem  den  Süulen  entsprecheDdec  Pfeiler,  welche  nur  an  den 
ilen,  haben  einen  Durchmesser  von  1 3,3  Palmen.  Es  isl  merkwürdig, 
letzteren ,  welche  mit  deu  Säulen  gerade  so  durch  gemeinschaftliche 
;ke  zusammenhüngen  ,  wie  diese  mit  den  Mauern,  dieselben  um  7,0,  i 
n  Hohe  überlreiren.     Natürlich  hatten  die  Pilaster  des  Mittelschiffs  die 

seitlichen  Pfeiler.  Es  ist  das  Bestreben  des  Baumeisters  unverkenn— 
1  Innern  des  gewalLi}{en  Tempels  die  grOsstmögliche  Ifdhe  zu  geben, 
ieses  durch  zwei  Heihen  von  Pfeilern ,  welche  durch  Mauern  mit  ein— 
'bunden  waren ,  der  Lunge  nach  in  drei  Schiffe  gelheill ,  die ,  da  die 
ben  sich  hinler  der  dritten  und  vierten  Säule  der  Westseite  (vorau»- 
dass  diese  nur  sechs  besass)  hinzogen ,  fast  dieselbe  Breite  besassen; 
ischiffe,  je  43,8,6  Palmen,  das  Mittelschiff  49,9  zwischen  den  Pfeilern, 
ing  der  einzelnen  Pfeiler  entsprach  im  Allgemeinen  derjenigen  der  die 
and  tragenden;  nur  waren  die  Zwischenräume  schmäler  und  die 
Ibsl breiter  (die  äusserslen  18,^0  Palmen,  die  übrigen  lli,ä;.  An  dem 
»feiler  von  Westen  ging  eine  Mauer  quer  hindurch,  welche  die  gegen- 
tnden  PfeUer  verband  und,  mit  einer  Thtlr  versehen,  den  Abschluss 
los  nach  der  Cella  zu  bildete.  Vielleicht  war  eben  so  im  Osten  eine 
la  gebildet,  von  deren  Hauer  jedoch  keine  Spur  mehr  esisiirt.  Da  die 
pel  umsch liessenden  Wände  zwischen  den  Säulen  schwerlich  Fenster 
1 ,  was  gegen  den  griechischen  Gebrauch  gewesen  witre ,  so  kann  das 
ssselben  nur  von  oben  sein  Licht  empfangen  haben ,  und  or  niuss  ein 
s  gewesen  sein.  Natürlich  war  die  Dacfaoffnung  nur  über  dem  Mittel— 
jamit  die  Seilenschiffe  ebenfalls  Licht  erhielten ,  durften  die  blinde, 
ie  inneren  Pfeiler  verbanden,  nicht  sehr  hoch  sein. 
:  den  von  Diodor  erwähnten  bildlichen  Schmuck  des  Gebäudes  betrifft, 
unmöglich ,  den  Gigantenkampf  und  die  Einnahme  von  Troja ,  welche 
er  östlichen  und  westlichen  Halle  befinden  sollten,  anderswo  als  an 
en  Giebelfeldern  angebi-acht  zu  denken ,  denn  in  den  inneren  Hallen 
ibar  für  solche  Werke  kein  zweckmassig  beleuchteter  Raum ,  und 
onnten  sie  nur  die  Giebel  zieren.  Von  diesen  Skulpturen  sind  noch 
ige  Ueberreste  erhalten. 

egen  bestand,  was  Diodor  zu  erwähnen  unterlassen  hat,  die  L'eber— 
en  aus  dem  Hittelalter  jedoch  undderAnblickderBuinen  selbst  zeigen, 
tschmuck  des  Innern  in  einer  Anzahl  von  Gigantenßguren,  welche  mit 
fe  und  den  neben  dem  Kopfe  zuillckgebeugten  Armen  gewaltige  Lasten 
largestellt  waren.  Aber  wo  erhoben  sich  diese  mächtigen  Träger,  die 
ch  die  Bändigung  der  rohen  Nalurki^fle  durch  Zeus  darstellten  i  Pazelt 

nur  von  drei  Giganten,  weshalb  Politi  anfangs  den  später  von  ihm 
eder  aufgegebenen  Gedanken  aussprach,  es  möchten  diese  drei,  zu 
ippe  vereinigt,  den  Architrav  der  Thür  gestutzt  haben;  seitdem  sind 
e  Ueberreste  von  1 1  Giganten  entdeckt  worden,  und  so  muss  man  sie 
iderer  Weise  vertheilt  denken.  Den  meisten  Beifall  hat  in  neuerer  Zeit 
Inung  Cookereirs  und  Klenze's  gefunden,  welche  die  Giganten  als  die 
■eter  der  zweiten,  obem  Süulenreihe  des  Innern,  die  bei  einem  Hyi^- 

anzunehmen  ist,    betrachteten.     Diese  an  sich  gefällige  Anordnung 


Tem|>e1  des  Zeus  Olympios  in  AkmgHS. 

wurde  noch  durch  zwei  Beispiele  aus  Saloniehi  und  Bordeaux  belegl.  ] 
erheben  sich  bei  unserem  Tempel  ernstliche  Bedenken  dagegen.  Die  ( 
haben  eine  Höhe  von  20,9  Palmen.  Vm  nun  so  hohe  Gestallen  über  d 
lern  des  HittelschiCTs  anbringen  zu  können ,  nahm  Cockerell  an ,  d»ss  (3 
tO  Palmen  niedriger  waren  als  die  Sltulen.  Wir  sahen  aber,  dass  ioJVi 
keit  die  üusseren  Pfeiler  der  Seilenschific  um  T  Palmen  höher  waren , 
Säulen,  und  es  ist  klur,  dass  die  inneren  Pfeilerreihen  nicht  niedrii 
konnten  als  die  ilusseren.  Wenn  dem  so  war,  mussten  tlber  ihnen  angi 
Gigantenßguren  \  7  Palmen  höher  reichen  als  Cockerell  annahm,  d.  h.  si 
ragten  das  Dach  I  Polili  hat  zwar  in  einer  der  Tafeln  seines  Viaggiatorc 
genli  dieser  Schwierigkeit  dadurch  zu  begegnen  gesucht ,  dass  er  das 
über  den  Pfeilern  kleiner  macht,  und  das  über  den  Giganten  fast  versehe 
klein;  aber  wer  möchte  Giganten  von  35  Fuss  Höhe  angewendet  denk 
ein  Gebtflk  von  3  Fuss  Höhe  zu  tragen  ?  Und  wer  wird  ferner  glauben , 
so  gewaltiger  Höhe  frei  aufgestellte  Figuren  sich  so  lange  halten  konul 
sie  nach  Fazell's  Bericht  sich  gehalten  hüben?  Das  Gebilude  war  unvc 
als  die  Karthager  die  Suidt  eroberten ,  und  es  ist  nie  vollendet  wordei 
den  Hittelpfeilem  angebrachte  Giganten  Italien  also,  durch  kein  Dach  im 
gestutzt,  vollkommen  frei  oder  doch  nur  an  einfache  selbst  nicht  g 
Pfeiler  gelehnt  da  gestanden ;  ist  es  denkbar,  dass  drei  von  ihnen  in  ein 
von  elwa  100  Fuss  Über  dem  Boden  achtzehn  Jahrhunderle  Uberdauer 
sollten?  Wenn  man  die  mittelalterliche  Angabe,  dass  im  Jahre  1 101  m 
GiganteD  standen ,  nicht  verwerfen  will ,  so  darf  man  diese  Figuren  s 
tiefer  unten  stehend  denken ,  und  dann  bleibt  kaum  etwas  Anderes  üb 
vorauszusetzen,  dass  sie  sich  an  die  grossen  Pfeiler  des  Mittelschiffes  I 
Man  findet  die  Skizze  einer  auf  diesen  Gedanken  gegrUndclen  Beslaural 
Innern  des  Tempels  auf  Tafel  27  Nr.  '.i  des  drillen  Bandes  des  Serra  di 
sehen  Werkes  nach  den  Angilben  Haggiorc's  ausgeführt.  Hier  ist  es  ' 
eine  schwere  Last ,  die  getragen  werden  soll ,  und  der  Baumeister  du 
ganten  dazu  wählen.  Es  muss  noch  erwähnt  werden ,  dass  wahrsc 
Diännliche  und  weibliche  Figuren  abwechselnd  an  den  Pfeilern  slandei 
nigslens  hat  sich  auch  ein  weiblicher  Gigantenkopf  gefunden,  und  das  ^ 
von  Girgenti  —  di^i  Giganten,  drei  Thürme  tragend  —  zeigt  bei  Serra  i 
wo  es  als  Vignette,  nach  einem  bei  dei'  Villa  Panitteri  (Kapelle  des  I%ala 
fundenen  Relief,  steht,  eine  Frau  zwischen  zwei  Uannera.  Die  mulhm 
Höhe  des  Tempels  lasst  sich  folgendermassen  festslellen.  Der  gesammle 
bau  bis  zum  Beginn  der  Kanüle  an  den  Säulen  hat  nachweislich  eine  H 
p.  13,7;  femer  sind  bekannt  die  Höhe  des  Frieses,  1S,ü,6  und  die  des 
gesimses  5,H,b.  Rechnen  wir  nun  die  verlorene  Itinnleisle  zu  8,4,  die 
nach  einer  angenommenen  Höhe  von  4*8  Durchmesser  zu  65,3,  den  A 
(um  '/b  niedriger  als  den  Fries  angenommen]  zu  10,4,7,  endlich  dei 
nach  Analogie  anderer  Tempel  zu  ?6,t<,  so  erhallen  wir  als  Totalhöhe  p. 
—  ohne  die  Grundlage  —  der  von  Diodor  angegebenen  Höhe  von  1 S 
ziemlich  gut  entsprechend. 

In  geringer  Entfernung  vom  Tempel  des  Olympischen  Zeus  nach 
sind  die  durch  die  sicilische  Alterthumscommission  gründlich  durchft 


302  Drittes  Bach.    VI.  BiMeade  Kanst. 

und  erst  seitdem  genauer  bekannten  Ueberreste  des  gewöhnlich  den  Dioskureo 
Kastor  und  Pollux  zugeschriebenen  Tempels.  Dieses  Heiligthum,  von  dem  die 
a  Theile  si(;h  in  einzelnen  Stücken  si>  gut  erhallen  haben ,  dass  es 
on  int^licb  gewesen  ist,  aus  antikem  Material  die  drei  Säulen  der 
a  Ecke  mit  dem  dazu  gehörigen  GebUlk  und  dem  enlsprecheoden 
wieder  aufzurichlea ,  ist  ein  Hexastylos  Peripteros  mit  1 3  Säulen 
1  Seilen ,  welcher  sich  auf  drei  Stufen  erhob.  Seine  Verhaltnisse 
kleiner  als  die  des  Junotempels.  Die  Säulen  haben  eine  Höhe  von 
nessem.  Es  sind  Ueberreste  eines  doppelten  Gesimses  gefunden, 
mit  Löwenköpfen  versehen,  das  eine  überdies  mit  rothen  und 
lern  und  Palmetten  bemalt.  Man  kann  deswegen  den  Tempel  für 
iros  halten,  dessen  innerer  Säulenstellung  die  bemalten  Stücke 
Es  ist  merkwürdig,  dass  der  obere  Tbeil  des  Hauptgebalkes  vod 
■  horizontal  durchschnittenen  Metopen  und  Triglyphen  an,  von 
inbar  römischer  Arbeit  ist.  Der  Tempel  muss  theilweise  verfallen 
erzeil  in  dem  damaligen  Geschmacke  wiederhergestellt  sein.  Es 
tn  ihm  noch  Firslziegelpalmelten  aus  gebrannter  Erde  und  einige 
nente  erhalten. 

von  ihm  befand  sich,  wie  die  Ausgrabungen  der  Alterlbumscom- 
gt  haben,  ein  Gebäude  von  (54  p.  Länge  und  105  p.  Breite,  das 
sahl  von  Säulenreihen  bestand.  Ihre  Ueberreste  zeigen  dorisdie 
len  griechischen  Charakters.    Es  kann  nur  eine  Sloa,  eine  Halle, 

wir  uns  nun  nach  Nordosten  zur  Anhöhe  nördlich  vom  st^enaon- 
el,  so  fuhrt  uns  eine  antike  Strasse  zu  der  in  eine  Kirche  des 
ins  (S.  Biagio)  verbauten  Rume  des  sogenannten  Ceres-  und 
npels],  der  sich  am  Bande  des  Abhanges  über  dem  Thale  des 
s  erhob.  Er  stand  auf  einer  eigens  für  ihn  abgeglätteten  Fläche: 
1  Anten,  eine  emfache  Cella  mit  einer  Vorhalle,  in  der  zwischen 
vei  Säulen  standen.  Die  Substructionen  sind  fast  vollständig  er- 
lellamauer,  die  auf  drei  Stufen  ruht ,  ist  bis  zur  Höhe  von  etwa 
itik.  Vom  Gesims  und  den  Säulen  existirt  Nichts  mehr.  Die  Osl- 
t  zui'  Apsis  der  Kirche  geworden,  die  Westseile  zum  Eingang. 
in  diesem,  wahrscheinlich  noch  dem  fünften  Jahrhundert  vor  Chr, 
Tempel,  der  für  einen  Ceres-  o<ier  Proserpin atempel  zu  klein  er- 
Heiligthum  des  Flussgottes  Akragas,  auf  dessen  Gewässer  er  her- 
;rmutben? 

Jichem  Charakter,  nur  noch  kleiner,  war  der  wohl  mit  Becht  dem 
geschriebene  Tempel,  der  über  eine  halbe  Millie  sUdlich  von  der 
Ebene  über  einem  Stylobat  von  vier  Stufen  sich  erhebt.  Er  war 
ilen,  denn  auch  das  Posticum  endigte  in  dieser  Weise.  Hienon 
j  zwei  Syulen,  mit  dem  Pilaster  der  Nordecke  durch  Mauern  ver- 
tu einer  Höhe  von  1 6  Fuss  erhalten.  Von  den  beiden  Cellnmauern 
18  Meiste,  von  der  Fa^ade  die  südliche  Ante.  Zu  beiden  Seilen  des 
ad  Spuren  von  Treppen.    Von  den  Kapitalen  und  dem  Gesims  ist 


Tempel  in  Girgenti  und  in  Segesta.  303 

In  dem  heutigen  Girgenti  ist  die  Kirche  S.  Maria  de^  Greci  unfern  der 
Kathedrale  auf  den  Trümmern  eines  alten  griechischen  Tempels  erbaut.  Man 
sieht  darin  den  Tempel  des  Zeus  Polieus,  den  die  Geschichte  des  Phaiaris  be- 
rühmt gemacht  hat.  Die  Ueberreste  bestehen  aus  Stufen  an  der  Nordseite,  auf 
denen  sich  die  Hälften  von  acht  dorischen  Säulen  erheben,  deren  Durchmesser 
4,10,6  Palmen,  deren  Intercolumnien  6,0,4  p.  betragen,  aus  einem  Theil  des 
südlichen  Unterbaues  und  wenigen  Bruchstücken  vom  Gebälk.  Es  ist  wenig- 
stens so  viel  ersichtlich,  dass  der  Tempel  ein  Hexastylos  Peripteros  war,  und 
dass  er  aus  ziemlich  alter  Zeit  herstammt.  Ausserdem  steht  aber  auch  fest, 
dass  die  Kathedrale  selbst  sich  an  der  Stätte  eines  antiken  Tempels  erhebt. 
Wir  sind  daher  geneigt,  diesen  der  Hauptgottheit,  dem  Zeus  Polieus,  zuzuweisen; 
dann  wäre  S.  Maria  de^  Greci  der  Athenetempel  der  Burg. 

Endlich  wird  noch  der  berühmte  Tempel ,  der  die  Reisenden  nach  der 
Stätte  des  alten  Segesta  hinzieht,  herkömmlich  in  die  Periode  gesetzt,  mit 
der  wir  uns  jetzt  beschäftigen.  Er  erhebt  sich  auf  einem  circa  358  Gannen 
westlich  von  der  eigentlichen  Stadt  gelegenen  Hügel ,  am  Rande  einer  tiefen 
Schlucht,  die  von  dem  Bache  Pispisa  durchströmt  wird.  Da  der  Tempel  nach 
dem  griechischen  Gebrauche  von  Osten  nach  Westen  gerichtet  ist,  so  lag  sein 
Eingang  der  Stadt  gegenüber.  Auf  vier  hohen  Stufen  ruht  der  Peristyl  von 
36  dorischen  Säulen ,  von  denen  die  schmalen  Seiten  je  6 ,  die  Langseiten  je 
1  i  haben.  Länge  und  Breite  dieses  Tempels  übertreffen  die  des  Junotempels 
von  Akragas  um  die  Hälfte.  Die  Säulen  haben  eine  Höhe  von  fast  5  Durch- 
messern ,  das  Gebälk  ist  leicht ;  es  hat  etwa  ^5  der  Säulenhöhe.  Während 
die  Säulen  aus  ungewöhnlich  vielen  (10  — 13]  Trommeln  bestehen  (z.  B. 
im  Vergleich  mit  den  selinyntischen  Tempeln) ,  sind  dagegen  die  Architrav- 
stücke  von  gewaltiger  Länge,  denn  sie  überspannen  jedesmal  zwei  Inter- 
columnien. Der  Stein,  aus  welchem  der  Tempel  gebaut  ist,  der  Kalkstein  der 
Gegend,  hat  im  Laufe  der  Zeit  eine  prächtige  braune  Färbung  angenommen,  im 
Uebrigen  aber  dem  Einflüsse  der  Witterung  kräftigen  Widerstand  entgegen- 
gesetzt, und  so  kommt  es,  dass,  was  von  ihm  überhaupt  vollendet  wurde, 
Peristyl  mit  Gebälk  und  Giebelfeldern,  auch  jetzt  noch  ziemlich  w^ohl  erhalten 
dasteht. 

Denn  es  ist  eine  allerdings  erst  gegen  das  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
erkannte  Thatsache,  dass  der  Tempel  von  Segesta  niemals  fertig  wurde.  Dies 
geht  hervor  zunächst  aus  den  zapfenartigen  Erhöhungen  von  rauher  Oberfläche, 
welche  die  Steine  des  Grund baues  der  Tempelstufen  zeigen.  Diese  Zapfen 
konnten  ihrer  rohen  Form  wegen  nicht  als  Zierrath  dienen  sollen ;  der  Stein- 
hauer hatte  sie  zum  Behufe  der  Erleichterung  des  Transportes  der  Blöcke  aus- 
gespart, und  sie  sollten  nach  der  Zusammenfügung  derselben  entfernt  werden, 
wie  dies  an  der  untersten  Stufe  auch  bereits  geschehen  ist.  Es  ist  zweitens  die 
oberste  Stufe,  auf  der  sich  die  Säulen  erheben,  noch  nicht  überall  vollendet; 
nur  an  der  Nordseite  ist  sie  fertig;  an  den  übrigen  fehlt  sie  grösstentheils  in 
den  Zwischenräumen  der  Säulen.  So  kommt  es ,  dass  diese  Basen  zu  haben 
scheinen,  was  bekanntlich  dem  dorischen  Stile  nicht  eigen  ist,  und  was  über- 
dies durch  den  Zustand  der  Nordseite  als  nicht  beabsichtigt  nachgewiesen 
wird.     Sodann  sind  die  Säulen  glatt ,  uncanelirt ;  es  sind  nur  die  beiden  Ein- 


304  Drittes  Buch.    VI.  Bildende  Kunst. 

kehlungen,  ausgearbeitet,  aber  weder  die  Canelirung  oben  und  uDteu  be- 
gonnen, noch  auch,  wie  wir  dies  in  Selinos  fanden,  die  runde  Oberflache 
■r,,  Hai^iian  umgewandelt.  Femer  fehlen  in  dem  Gebalk  alle  Löcher,  welche 
fs  Daches  hatten  aufnehmen  sollen.  Endlich  ist  das  Innere  ein 
eerer  Bnum.  Keine  Spur  einer  Cella  ist  zu  entdecken,  kein 
ler  POasterung  des  Bodens ;  denn  einige  Steine ,  die  man  dort 
,  scheinen  weder  zu  dem  einen,  noch  zu  dem  andern  dieser 
Qt  haben  zu  können. 

angenommen,  dass  es  entweder  der  von  den  Segeslanem  veran— 
athenische  Krieg  oder  der  Einbruch  der  Karthager  im  Jahre  409 
,  welcher  mit  dem  Wohlstande  der  Segestaner  auch  ihrer  Bau— 
Ende  machte.  Ein  viel  wichtigerer  Abschnitt  in  der  Geschichte 
i  jene  Begebenheiten  ist  jedoch  die  Zerstörung  von  Segesta  durch 
Jahre  307  v,  Chr.  Nun  finde  ich  nicht,  dass  der  Tempel  sitdiere 
Entstehens  im  fllnften  Jahrhundert  an  sich  trägt,  und  ich  glaube 
>  man  ihn  mii  demselben  Rechte  in  das  Jahrhundert  versetzen 
;ner  Katastrophe  voraufging. 

Gottheit  er  geweiht  war,  isl  nicht  mehr  zu  entscheiden.  Man  hat 
:h  an  alle  in  der  Geschichte  von  Segesta  vorkommenden  Kulte 
i  für  einen  derselben  beslitnnUe  Anknüpfungspunkte  ßnden  zu 
verlieh  wird  auch  ein  unvollendeter  Tempel  in  der  Geschichte  der 
leulung  sein.  Er  beweist,  dass  die  Segestaner,  als  sie  ihn  bauten, 
tnische  Bildung  angenonmien  halten. 

;  ausser  dem  Tempel  von  Gela,  von  des,sen  allein  noch  übriger 
lie  Bede  gewesen  ist,  noch  des  Tempels  Erwühnung  geschehen, 
ene  westlich  vom  Himeraflusse  im  Norden  der  Stadt  Himera  nahe 
noch  wenig  aufgedeckten  Ueberrosten  vorhanden  ist.  Es  ist  ein 
werk,  dessen  Säulen  etwa  die  Masse  derjenigen  des  Juno-  und 
npels  in  Akragas  hoben,  und  wovon  prächtige  Bruchstücke,  z.  B. 
köpfe,  gegenwilrtig  im  Museum  zu  Palermo  sind. 
Zeil  dtirfen  wir  auch  die  zwei  merkwürdigen  Marmorsarkophage 
UÖ  und  i  7SS  in  Cannita  bei  Palermo  gefunden  sind  und  sich  jetzt 
luseum  zu  Palenno  befinden.  Ihre  Umrisse  entsprechen  der  Ge- 
schlichen Körpers  mit  fest  angelegten  Armen  und  geschlossenen 
eckel  sind  zu  weiblichen  Gestalten  ausgearbeitet.  Auf  dem  zuerst 
nd  nur  der  Kopf  mit  den  welligen,  über  die  Brust  herunterfallen- 
die  fast  ganz  enibidssten,  gerade  herunterhängenden  Arme  und 
ibar;  das  üebrige  bedeckt  das  nicht  mehr  deutlich  hervortretende 
r  zweite  zeigt  eine  mit  lang  herabhängendem  Gewände  and  dar- 
m  kurzen  Mantel  bekleidete  Figur,  deren  rechter  Arm  gestreckt 
der  etwas  gebogene  linke  ein  kleines  Flöschchen  halt;  den  Kopf 
n  Tuch  ein,  unter  welchem  welliges  Haar  Über  die  Brust  fällt, 
über  der  Stirn  und  neben  den  Schlafen  befindliche  stark  hervor- 
e  dieser  Figur  sind  roher  als  die  der  ersten ;  die  Gestalt  hat  etwa 
n,  während  bei  jener  das  VerhaUniss  S'/i  beträgt.  Die  Form  der 
innert  an  die  ägyptischen  Humieokasten,  doch  sind  ganz  ahnliche 


Künstler,  Thonarbeifen.  305 

Hannorsarkophage  mit  Figurendeckeln  in  Phönicien  gefunden  worden.  Die  in 
Cnnnita  entdeckten  verrathcn  jedoch  durch  den  Chnrakter  der  Skulpturen  den 
Einfluss  der  hellenischen  Kunst  und  kQnnen  deshalb  kelnenfalls  vor  die  Epoche 
der  karthagischen  Herrschaft  in  Sicilien  gesetzt  werden. 

Von  sicilischen  Künstlern  wird  in  dieser  Zeit  nur  einer  genannt ,  der  von 
Piinius  erwähnte  HimerSer  Demophilus,  Lehrer  des  Zeuxts.  Nun  erzählt  Plinius 
weiterhin,  dass  Damophilus  und  Gor^asus,  Bildner  und  Maler,  den  Tempel  der 
Ceres  am  Circus  Maximus  in  Honi  mit  Werken  scfamtlckten ,  welche  beiden  ge- 
nannten Rtlnsten  angehörten.  Der  Tempel  wurde  493  vor  Chr.  eingeweiht, 
nachdem  er  drei  Jahre  vorher  vom  Dictalor  A.  Posthumius  gelobt  worden  war. 
Wenn  nun  die  Werke  des  Damophilus  und  des  Goi^asus  im  Jahre  493  bereits 
fertig  waren,  so  konnte  das  sonst  Wahrscheinliche  nicht  angenommen  werden, 
dass  nämlich  dieser  Damophilus  mit  dem  Lehrer  des  Zeuxis  eine  und  dieselbe 
Person  war.  Vielleicht  wurde  aber  der  Schmuck  erst  spüter  dem  Tempel  hin- 
zugeftlgt.  War  Übrigens  der  Genosse  des  Gor^sus  von  dem  Lehrer  des  Zeuxis 
verschieden ,  so  ist  es  dennoch  nicht  unwahrscheinlich ,  dass  er  aus  Sicilien 
stammle,  das,  wie  wir  sahen,  zur  Zeit  der  DeincHneniden  bereit«  in  Verlnndung 
mit  Rom  stand. 

Hier  wäre  noch  von  den  dem  fünften  Jahrhundert  angehCrigen  sicilischen 
Münzen  zu  sprechen,  von  denen  manche,  wie  wir  sahen,  mil  ziemlicher  Sicher- 
heit dieser  Zeit  zugeschrieben  werden  können.  Aber  das  hiesse  mitten  in  eine 
Zeit  der  Entwicklung,  des  Uebergangs  hineingreifen  und  unm(%liche  Grenzlinien 
ziehen  wollen.  Wir  werden  im  vierten  Jahrhundert  die  Kunst  in  der  Verferti- 
gung der  MUnzslempel  ihre  schönsten  Triumphe  feiern  sehen ;  die  Betrachtung 
der  nächsten  Vorstufen,  welche  zu  dieser  Höhe  führten,  wird  am  besten  eben- 
falls dann  Stau  finden. 

Ebenso  wenig  kann  ich  hier  eingehend  von  den  bemalten  Vasen  reden,  in 
denen  die  Kunst  um  das  Jahr  iSO  schon  den  Gipfel  erreicht  hatte.  Es  ist  nicht 
nachweisbar,  dass,  wie  viele  auch  in  Sicilien  gefunden  sein  mi^en,  sie  auf 
dieser  Insel  selbst  verfertigt  zu  werden  pflegten.  Sie  haben  ofienbar  einen  sehr 
beliebten  Handelsartikel  ausgemacht.  Wenn  nun  angenommen  wird,  dass  die 
ältesten  Vasen  —  schwUrzliche  Figuren  auf  blassgelbem  Grunde,  häufig  Thier- 
gestalleu  darstellend,  —  einer  KunstUbung  angehören,  welche  einen  durch  die 
Phfinicier  vermittelten  asiatischen  Einfluss  verrath,  und  dass  die  Inseln  Kypros 
und  Thera  Stationen  dieser  Vermittlung  waren,  so  tä\ll  bei  den  vielfachen  Be- 
ziehungen zwischen  Thera  und  Sicilien  —  man  denke  nur  an  die  Emmeniden  — 
die  Erklärung  ihres  Vorkommens  gerade  auf  unserer  Insel  nicht  schwer.  Später 
scheinen  die  bemalten  Gef^sse  hauptsächlich  an  zwei  Orten,  anfangs  in  Korinth 
und  sodann  in  Athen,  fabricirt  worden  zu  sein,  und  mit  diesen  beiden  Städten 
standen  die  sicilischen  Kolonien  in  lebhaftestem  Verkehr.  Vasen  der  nächsten 
Klasse  —  schwarze  Figuren  auf  rothem  Grunde  —  schliessen  sich  mit  der  bei 
ihnen  beobachteten  Eigen thUml ich kelt ,  Details  mit  dunklerem  Roth  oder  Weiss 
—  dies  besondei-s  ftlr  die  nackten  Theile  der  Frauen  —  auszuzeichnen ,  der 
gleichzeitigen  polychromen  Skulptur  an;  ein  vollkommenes  SeitenstUck  bilden 
die  sei  in  un  tischen  Metopen  des  Tempels  E  mit  ihrer  Anwendung  des  Marmors. 
Die  dritte  Klasse  —  rothe  Figuren  auf  glänzend  schwarzem  Grunde  —  kommt 


306  Drittes  Buch.    VI.  Bildende  Kunst. 

ebenfalls  schon  um  den  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  —  Ol.  74  —  vor. 
Vielleicht  gdiört  deren  zweite  Unterabtheilung ,  die  Vasen  schönen  Stils  um- 
fassend, v/o  auf  zierlichen  Gef^ssen  weniger  als  früher  bekleidete  Figuren  mit 
naturgemäss  angeordnetem  Haar  dargestellt  werden ,  ebenfalls  schon  unserer 
Zeit  an. 

Dagegen  hat  SicUien ,  wie  untrügliche  Spuren  beweisen ,  die  auf  seinem 
Boden  gefundenen  Thonarbeiten  anderer  Art,  Ziegel ,  Lampen,  architektonische 
Verzierungen,  Reliefs,  Figuren,  durch  eigene  Künstler  und  Handwerker  in 
eigenen  Fabriken  hervorgebracht. 

Wir  sind  jetzt  am  Ende  eines  Abschnittes  reicher,  friedlicher  Entwicklung 
angekommen :  nun  brechen  furchtbare  Kriege  über  die  Insel  herein ,  die  von 
fremden  Feinden  und  einheimischen  Tyrannen  gleich  sehr  geschadigt  und  ge- 
quält wird.  Sind  doch  von  den  so  eben  geschilderten  Tempeln  gerade  die 
grössten  niemals  vollendet  worden  I  Von  jetzt  an  bekommt  die  Geschichte  Sici- 
liens,  das  mehr  und  mehr  der  Schauplatz  welthistorischer  Begebenheiten  wird, 
selbst  den  Charakter  der  Weltgeschichte,  in  der  Krieg  und  Schlachten  nur  ku 
viel  Raum  in  Anspruch  nehmen. 


Anhang. 


I. 

Uebersicht  der  uitiken  nnd  modernen  Bearbeitungen  der 
Geschichte  des  alten  Siciliens  oder  einzelner  TheUe  derselben  in 

historischer  Folge. 

1. 

Alterthnm  (Quellen). 

Vergl.  im  Allgem.  Brunst  de  Presle,  Eecherches  sur  les  Etablissements  des  Grecs  en 
Sicile.  Par.  1845.  8.  p.  1—58  (cit.  Br.  de  Fr.)  und  J.  F.  Böttcher,  Praefationes  lib.  de 
rebus  Syracns.  apud  Livium  et  Plutarchum.  Dresd.  1838.  8.  •—  Wichtige  Sammlungen: 
Fragmenta  Historicorum  Graecorum.  coli.  C.  Müller.  IVyoU.  gr.  8.  Par.  Didot  1841— 
51  (ich  cit.  M)  und  Geographi  Graeci  minores,  rec.  C.  Müller,  bis  jetzt  II  voll,  mit  Atlas. 
Par.  Did.  1855.  61  (cit.  M  G). 

Die  Sammlung  und  Bearbeitung  des  urkundlichen  Geschichtsmaterials  durch  die  Ge- 
Bchichtschreiber  begann  ftir  Sicilien  wie  fUr  Griechenland  überhaupt  erst  mehr  als  zwei 
Jahrhunderte  nach  der  Gründung  der  griechischen  Kolonien  auf  der  Insel.  Von  den 
Logographen  hat  bereits  einer  der  ältesten  sich  speciell  mit  Sicilieu  beschäftigt .-  Hippys 
aus  Rhegion,  der  zur  Zeit  der  Perserkriege  lebte,  nach  Suidas  nQ&jog  fy^aipe  tag  ^ixelt- 
xäg  TTQaids,  und  YOQ  dem  ^ixfXixtav  ßtßlla  i  erwähnt  werden,  woraus  Myes  einen  Auszug 
machte.  Vgl.  M  ü,  13  - 15. 

Hekataios  nnd  Hellanikos,  über  welche  M  I,  IX-XVI  und  1—31,  sowie  XXIII 
— XXXm  und  45—69,  bieten  nur  geringe  Ausbeute ;  von  grosserer  Wichtigkeit  ist  He- 
rodotos,  der  vielleicht  Sicilien  selbst  besuchte  (er  sagt  VII,  165:  Uy^xai  d\  xai  rade 
iVto  Ti»y  h  ^ixeUfj  olxmAivfov)  und  in  lebendiger  Weise  einzelne  Theile  der  Sicilischen 
Geschichte  behandelt  hat.  Die  Hauptstellen  sind:  V,  43-47;  VI,  17.  22—25;  Vn,  153 
—170. 

Herodot's  Zeitgenosse  Antiochos  von  Syrakus  ist  unter  den  Einheimischen  der 
erste  Schriftsteller,  der  die  2f jr«Acft»T«(Ta  avyyQKipr^v  (Paus.  X,  11«  2)  zum  Gegenstande 
eines  besonderen  Werkes  gemacht  hat,  das  von  Späteren  viel  benutzt  ist.  £s  ging  in 
9  Büchern  von  der  Zeit  des  Kokalos  bis  zur  89.  Ol.  Vgl.  M  I,  XLV  und  181—84.  In  fr.  1 
(D.  Hai.  I,  22)  würde  ich  für  arQaxtiv  vorschlagen  2i.xtl6v,  Vgl.  unten  Pausanias. 

Die  nächste  und  eine  der  werthvollsten  Quellen  für  die  Sicilische  Geschichte  bildet 
Thttkydides.  Seine  Klarheiti  Lebendigkeit,  Unparteilichkeit  geben,  wie  dem  ganzen 
Werke,  so  dem  vielleicht  glänzendsten  Theile  desselben,  dem  6.  und  7.  Buche,  welche 
den  grossen  Feldzug  der  Athener  nach  Syrakus  schildern,  einen  unschätzbaren  Werth. 

«0* 


308  Anhang.  I.   1 .  Antike  Bearbeitungen  der  Geschichte  Slciliens. 

Ob  er  selbst  in  Sicilien  war,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Sehr  wichtig  sind  seine  Nachrich- 
ten über  die  Kolonisation  Siciliens,  die  K.  W.  Krüger  in  seinen  Analekten,  Berl.  s.  a. 
S.  48  als  auf  persönlicher  Erkundigung  an  Ort  und  Stelle  beruhend  ansieht.  Seine  Be- 
merkungen über  die  Liparischen  Inseln  (m,  88)  stimmen  genau  mit  den  von  Päusanias 
(X,  11,  4),  wahrscheinlich  Antiochos  entnommenen  überein ;  seine  Erwähnung  von  Pho- 
kiem  in  Sicilien  (VI,  2)  lässt  sich  mit  Paus.  V,  25,  6  vergleichen,  wo  auch  vielleicht  An- 
tiochos benutzt  ist,  so  dass  man  seinen  Bericht  über  die  Kolonisation  Siciliens  mit  Nie- 
buhr  als  aus  Antiochos  entlehnt  ansehen  könnte ;  vgl.  dagegen  unten  über  die  Gründung 
von  Zankle  und  die  Nachricht  über  die  Herkunft  der  Sikaner  bei  Thuk.  VI,  2  mit  Paus. 
V,  25,  6. 

In  den  Hellenicis  des  Xenophon  wird  bei  mehreren  (jelegenheiten  des  Antheiles 
der  sicilischen  Griechen  an  den  Vorfallen  des  letzten  Theiles  des  Peloponnesischen  Krie- 
ges und  an  den  späteren  Ereignissen  gedacht.  Aber  die  betreffenden  Stellen  sind  theils 
späterer  Zusatz,  theils  entstellt ;  sie  beweisen  nicht  für  die  Zeitbestimmung,  in  der  sie 
von  Diodor  abweichen.  Vgl.  E.  Völkerling  de  rebus  Siculis  ab  Athen,  exped.  usque  ad 
prior,  belli  Punici  finem  gestis.  Berol.  1868.  8.  p.  10—15,  wo  die  einschlägigen  For- 
schungen zusammengefasst  sind. 

Sehr  wenig  wissen  wir  von  Hermeias  ans  Methymna,  deBaen  XixeXueiav  avvra^ig 
(Diod.  XV,  37)  10,  nach  anderer  Eintheilung  12  Bücher  enthielt,  und  bis  Ol.  101  (376 
V.  Chr.)  ging.  Ueber  ihn  M  II,  80.  81.  Die  Meinung  Br.  de  Pr.  S.  13,  der  von  Diodor 
nicht  erwähnte  Anfang  der  Geschichte  des  H.  möchte  in  eine  Zeit  fallen,  aus  der  die  Dar- 
stellung Diodor's  verloren  ist,  lässt  sich  nur  dann  mit  der  Thatsache  vereinigen,  dass 
(nach  fr.  1)  eine  Begebenheit  des  J.  404  im  dritten  Buche  stand,  wenn  wir  annehmen, 
dass  die  ersten  zwei  Bücher  ganz  kurz  die  ältere  Zeit,  die  übrigen  ausführlich  die  Ge- 
schichte des  älteren  Dionys  behandelten,  die  H.  freilich  nicht  bis  zum  Tode  des  Tyrannen 
verfolgte. 

Dies  blieb  dem  Phi  listos  vorbehalten,  der  als  naher  Verwandter  des  Dionys  Gele- 
genheit hatte,  Materialien  für  eine  Geschichte  Siciliens  zu  sammeln.  Seine  JSixdixa  um- 
fassten  in  tl  Büchern  einen  Zeitraum  von  mehr  als  8  Jahrhunderten,  von  der  Zeit  vor 
dem  Trojanischen  Kriege  bis  zum  Tode  des  älteren  Dionys.  In  2  weiteren  Büchern  hatte 
Ph.  noch  die  5  ersten  Jahre  der  Regierung  des  jüngeren  Dionys  behandelt.  Das  Werk 
blieb  unvollendet.  Die  sämmtlichen  13  Bücher  werden  bei  den  Alten  mit  fortlaufenden 
Zahlen  angeführt,  und  Suidas  legt  ihm  ireQl  .iiowaiov  rov  rvoavrov  ßißUa  g  bei,  d.  h.  die 
4  letzten  des  Hauptwerkes  nebst  den  2  über  den  jüngeren  Dionys.  Nach  Massgabe  der 
Fragmente  handelte  Ph.  im  ersten  Buche  von  den  Ureinwohnern  der  Insel;  im  2.  von 
der  Urgeschichte  der  griechischen  Kolonien  daselbst;  im  3.  erzählte  er  die  Geschichte 
Grelon's  (die  nach  Schubring,  Umwander.  des  Megar.  Meerbusens  in  Ztschr.  f.  allg.  Erd- 
kunde. N.  F.  XVII,  S.  455  auch  noch  in  das  4.  Buch  Übergriff,  wegen  der  Erwähnung 
von  Megara  in  fr.  22) ;  im  4.  die  des  Hieron  und  Thrasybulos;  das  5.  umfasste  die  Schick- 
sale Siciliens  bis  zum  Kriege  mit  Athen;  das  6.  diesen  Krieg  selbst,  und  das  7.  die  nun 
folgenden  Begebenheiten  bis  zum  Untergange  von  Akragas  durch  die  Karthager.  Ich 
bemerke  noch,  dass  in  fr.  28  bei  M  (der  I,  XLV— XLIX  und  185— -192  von  Phil,  handelt) 
das  Wort  7iBQiaTQ(ofi€na  als  ein  selteneres  ans  dem  6.  Buche  des  Phil,  von  Poll.  X,  42 
citirt  wird.  Da  es  nun  bei  Diod.  XIII,  84  in  der  Schilderung  des  Luxus  der  Akragan- 
tiner  vorkommt,  so  könnte  man  diese  als  aus  Phil,  entlehnt  betrachten ;  doch  wäre  ^vhvl 
allerdings  bei  Pollux  iß^o/uri  statt  ^xrj  zu  lesen.—  Ueber  den  Werth  des  Philist.  Werkes 
als  Geschichtsquelle  ist  nur  das  allgemeine  Urtheil  möglich,  dass,  wenn  Ph.  immerhin 
für  die  älteren  Zeiten  rechtschaffen  geforscht  haben  mag,  er  doch  für  die  Geschichte  sei- 
nes Verwandten  nur  ein  einseitiger  Zeuge  war.  Nach  Paus.  I,  13,  9  hat  er  rt3v  ^Itow^ 
aCov  rä  avoönurara  verschwiegen.  Auf  die  Gestaltung  der  Geschichte  des  Dionys  kann 
dies  jedoch  gegenwärtig  keinen  Einfloss  mehr  haben,  da  die  Tradition  Über  den  Tyrannen 


Thukydides  —  Athanas.  309 

durch  spätere  Schriftsteller,  besonders  durch  Timaios,  in  eine  ganz  verschiedene  Bahn 
geleitet  worden  ist.  Dagegen  ist  er  wahrscheinlich  für  die  Kriegsthaten  des  Dionys  ein 
guter,  v(m  Späteren,  wie  von  Timaios  und  vielleicht  von  Diodor,  benutzter  Gewährs- 
mann. 

Des  Philistos  Fortsetzer  war  der  Syrakusaner  Athanas ,  der  in  13  Büchern  2<x€Zi- 
xtüv  hauptsächlich  die  Thaten  Dion's  erzählte.  Das  erste  Buch  umfasste  als  Einleitung 
die  Zeit,  welche  von  dem  Schlüsse  des  Philist.  Werkes  (362)  bis  zur  bewaffneten  Rück- 
kehr des  verbannten  Dion  nach  Sicilien  (357)  verflossen  war.  Dies  ergiebt  sich  aus  Diod. 
XV,  94:  tiov  <f^  avyyQtKf^tov  *uid^avas  6  ^vQaxovaiog  TfSv  neQl  ^liovn  7r(>d^«ov  ivxkv&tv 
(Ol.  104,  3  =  362  v.Chr.)  n^lof^ivo;,  fyQail/e  fikv  ßißXlovg  jQt^gxnCdtxa,  TtQogav^laße  «f^  xol 
Tov  ttyfHtfpor  ;|f^o3/oy  irdiv  (nra  an6  rrjg  4>iUatov  awra^ftos  iy  fni^  ßlßlip  xal  ^ifX&atv  rag 
7i^u^€ts  iv  xiif€daiots  ovi'exff  rrjv  loroQCav  ino^riaer.  Hier  ^atte  Heyne  de  fontt.  Diod. 
p.  LXXXVIed.  Bip.  gememt,  der  Haupttheil  der  Geschichte  des  Ath.,  der  von  Dion 
handelnde,  habe  mit  dem  J.  362  begonnen,  die  7  in  der  Einleitung  geschilderten  Jahre 
müssten  früher  fallen  und  wären  die  vom  Tode  des  älteren  Dionys  368—362.  Hiergegen 
erheben  sich  jedoch  zwei  Bedenken.  Erstens  fällt  der  Tod  des  älteren  Dionys  wahr- 
scheinlich in  die  erste  Hälfte  des  J.  367,  sodass  von  da  bis  362  keine  7  Jahre  mehr  übrig 
bleiben;  und  zweitens  war  diese  Zeit  nach  Diodor's  eigenem  Zeugniss  (XV,  89]  nicht 
(tyQMfost  da  Philistos  die  5  ersten  Jahre  der  Regierung  des  jüngeren  Dionys  in  2  Bü- 
chern behandelt  hatte.  Deswegen  hat  Böttcher  de  reb.  Syrac.  Dresd.  1838.  8.  p.  14.  15 
die  Meinung  aufgestellt,  es  möchte  das  Hauptwerk  des  Philistos  unvollendet  geblieben 
sein,  sodass  eine  Lücke  von  7  Jahren  zwischen  dem  Ausgange  dieses  Werkes  und  dem 
Anfange  desjenigen  über  den  jüngeren  Dionys  entstanden  wäre ;  diese  Lücke  habe  dann 
Athanas  durch  sein  erstes  Buch  ausgefüllt.  Hiergegen  hat  dann  J.  F.  J.  Arnoldt  de 
Athana  rerum  Sicuhirum  scriptore.  Gumb.  1846.  4.  geltend  gemacht  (p.  11),  dass  sich 
keine  Spur  einer  solchen  Unvollständigkeit  dos  Philist.  Hauptwerkes  nachweisen  lasse ; 
im  Gegentheil  aus  dem  Umstände,  dass  nach  Theon  Progymn.  2,  11  (fr.  42  M.)  Phil,  das 
Leichenbegängniss  des  älteren  Dionys  beschrieben  hat,  zu  schliessen  sei,  dass  sein  Haupt- 
werk den  Tod  des  Tyrannen  behandelte,  mithin  nicht  unvollendet  blieb.  So  kommt  denn 
Am.  zu  dem  berechtigten  Schlüsse,  dass  Ath.  auch  in  seiner  Einleitung  nicht  hinter  das 
J.  362  zurückgegangen  ist,  sondern  bei  diesem  begonnen  und  im  1 .  Buche  mehrere  Jahre 
zusammengefasst ,  vom  2.  an  die  Begebenheiten  ausführlicher  dargestellt  hat,  was  da- 
durch noch  wahrscheinlicher  wird,  dass  eben  mit  dem  J.  362  das  Werk  des  Philistos  auf- 
hörte. Wenn  nun  Amoldt,  dem  citirten  Diodorischen  Texte  entsprechend,  weiter  an- 
nimmt, dass  das  erste  einleitende  Buch  des  Athanas,  7  Jahre  umfassend,  sich  bis  zum 
J.  355  erstreckt  habe,  so  wird  das  aus  folgendem  Grunde  nicht  möglich  sein.  Das  Wei'k 
des  Ath.  behandelte  die  Geschichte  Dion's;  wie  kann  da  die  ausführliche  Erzählung  erst 
355  beginnen,  da  doch  schon  357  Dion  als  Sieger  in  Syrakus  einzieht?  Amoldt  hat  das 
Gewicht  dieses  Einwurfes  selbst  erkannt,  aber  ihm  durch  die  Bemerkung  begegnen  zu 
können  geglaubt,  dass  ja  Diodor  selbst  (XV,  73)  die  Herrschaft  des  jüngeren  Dionys  bis 
zu  seiner  Vertreibung  im  J.  355  rechne,  also  auch  wohl  Athanas  Dion's  ausführliche  Ge- 
schichte erst  355  habe  beginnen  können.  Es  kommt  jedoch  hier  nicht  darauf  an,  wie 
weit  man  die  Regierangszeit  des  Dionys  rechnen  dürfe.  Wenn  Jemand  sich  vornahm, 
die  Thaten  Dion's  ausführlich  zu  schildem,  so  konnte  er  nicht  das,  was  Dion  vor  dem 
Abzüge  des  Dionys  that,  und  was  viel  wichtiger  war  als  das,  was  er  nach  demselben 
ausführte,  in  die  Einleitung  verweisen,  um  dann  im  Hauptwerke  Nichts  weiter  als  den 
kläglichen  Ausgang  des  Helden  zu  erzählen.  Wir  werden  somit  offenbar,  unter  Bei- 
behaltung der  von  Arnoldt  vertheidigten  Erklärung  der  Stelle  Diodor's  XV.  94,  daselbst 
für  inra  l{  oder  n^vn  lesen  müssen.  Dann  geht  das  einleitende  Buch  des  Athanas,  wie 
oben  angegeben,  von  362—57  ;  es  erstreckt  sich  nur  über  die  Vorbereitungen  zum  Auf- 
treten Dion's  in  Sicifien ;  und  mit  diesem  selbst  beginnt  der  eigentliche  Haupttheil  des 


310  Anhang.  I.   1 .  Antike  Bearbeitungen  der  Geschichte  Siciliens. 

Werkes.  —  Vgl.  M  ü,  81—83  nnd  IV,  625,  hier  nach  der  angeführten  Schrift  von 
Amoldt. 

Jetzt  beginnt  die  Zahl  der  Historiker,  die  Aber  Siciiien  geschrieben  haben,  sich  zu 
häufen.  Wenn  nun  alle  Geschichtswerke  entweder  solche  Begebenheiten  erzählen,  von 
denen  ihre  VerfHsser  aus  eigener  Wahrnehmung  Kenntniss  gewonnen  haben,  oder  Bear- 
beitungen bereits  vorhandener  Quellen  werke  sind,  so  dürfen  wir  bei  unserer  Uebersieht 
der  sicilischen  Geschichtsqnellen  hier  wenigstens  diesen  Unterschied  zu  Grunde  legen,  und 
zuerst  kurz  diejenigen  historischen  Quellen  des  vierten  und  dritten  Jahriiunderts  v.  Chr. 
erwähnen,  die  mit  Wahrscheinlichkeit  zur  ersten  der  genannten  Glassen  zu  rechnen  sind. 

Zwei  Schriften  erläuterten  die  Geschichte  Dion's ;  das  an  Speusippos,  den  Schüler 
Platon's  gerichtete  Werk  eines  Begleiters  des  Dion,  des  Timonides  ans  Leukas,  und 
die  noch  vorhandenen,  mit  Vorsicht  zu  benutzenden  Platonischen  Briefe,  welche 
bekanntlich ,  obschon  sie  von  Plutarch  und  Anderen  für  Seht  gehalten  worden  sind, 
schwerlich  von  Piaton  selbst,  sondern  eher  von  einem  der  Verhältnisse  kundigen  Schüler 
desselben  herrühren.  —  üeber  Timonides  Bf  II,  83.  84 ;  ttber  PI.  Briefe  Salomon  de  Pia- 
tonis quae  vulgo  feruntur  epistolis.  Berl.  1835.  4. 

Die  Geschichte  des  Agathokles  fand  einen  Bearbeiter  an  dem  eigenen  Bruder  des 
Tyrannen  Autandros,  sowie  an  dem  S3rrakusaner  K a  1 1 1  a s ,  der  in  demselben  Geiste 
seine  22  Bücher  nsQl  ^Aya&oxUtt  schrieb,  lieber  Kaliias  und  Antandros  M  II,'  382.  83  ; 
bes.  Diod.  XXI.  15.  17. 

Die  Geschichte  des  Pyrrhos  behandelte  in  seinem  Werke  über  die  Diadochen  Hie- 
r  0 n  ym  0 s  von  Kardia,  der  Freund  seines  berühmten  Landsmannes  Eumenes,  und  ausser- 
dem der  auch  für  einen  Zeitgenossen  des  Epirotischen  Königs  zu  haltende  Proxenos, 
der  tlberdies  noch  ein  speciell  Siciiien  betreffendes  Werk  nt^l  noQ9-/it$v  (Hdschr.  no^tor) 
2:ixiXixiSv  verfasste.  Üeber  Hier,  von  K.  M  11,  450  —  61;  tlber  seine  wahrscheinliche 
Benutzung  durch  Diodor  das.  460.    üeber  Proxenos  Bf  II,  461.  62. 

Üeber  den  ersten  Punischen  Krieg  schrieb  vom  Karthagischen  Standpunkte  aus  der 
Akragantiner  P  h  i  1  i  n  o  s  (M III,  17—19);  den  zweiten  behandelte  S  i  1  e  n  o  s  (auch  Ttiltfvog, 
2:tXav6s)  aus  Kallatia,  oder  richtiger  vielleicht  aus  dem  sicilischen  Kaiakte  (nach  Emend. 
bei  Ath.  XII,  542),  der  auch  Sikelika  verfasst  hat.  üeber  ihn  M  HI,  100.  1.  Ein  an- 
derer Darsteller  der  Thaten  HannibaFs  und  der  gleichzeitigen  sicilischen  Ereignisse  war 
der  Neapolitaner  Eumachos  [M III,  1 02) . 

Sehr  unbestimmt  in  Bezug  auf  Zeit  und  Namen  ist  die  Persönlichkeit  des  Po  ly  klei- 
tos, den  Diodor  XHI,  83  als  Zeugen  für  einen  charakteristischen  Zug  aus  der  Cultör- 
geschichte  von  Akragas  anführt.  Da  sonst  mehrfach  ein  Historiker  Polykritos  aua 
Menda  vorkommt,  von  dem  eine  Geschichte  des  Dionys  (LDH,  63)  und  £»tfltxa  iv 
ensaiv  citirt  werden  (Ar.  Mir.  112),  so  hat  man  gemeint,  dies  möchte  Jener  Polykleitos 
gewesen  sein.   Vgl.  0.  Müller  in  den  Didot'schen  Scriptt.  rer.  AI.  M.  p.  129. 

Die  zweite  Classe  der  Historiker,  diejenigen,  welche  selbst  aus  anderweitigen  Quellen 
schöpfen,  zerfällt  in  der  Zeit,  um  welche  es  sich  hier  handelt,  selbst  wieder  in  zwei 
Hauptabtheilungen  von  durchaus  verschiedenem  Ursprung.  Ein  Theil  derselben  ist  ans 
den  Rhetorenschulen  hervorg^gaagen  und  zeigt  demgemSss  überwiegend  formelle  Ten- 
denzen, während  andere  als  Schüler  eined  grossen  Philosophen,  der  zugleich  der  grösste 
Gelehrte  des  Alterthmns  war,  ein  vorzugsweise  sachliches  Interesse  verrathen.  Jene 
gehören  mittelbar  oder  unmittelbar  der  Schule  des  Isokrates  an.  Die  zwei  bedeutendsten 
Schüler  dieses  berühmten  Redekünstlers,  Ephoros  und  Theopompos,  wandten  sich  der 
Geschichtschreibung  zu,  und  es  ist  natürlich,  dass  ihr  ursprüngliches  Studium  von  we- 
sentlichem Einüuss  auf  den  Charakter  ihrer  historischen  Ari>eiten  war. 

Ephoros  aus  Kyme  behandelte  vorzugsweise  die  Klteren  Zeiten.  Sein  Werk  begann 
mit  der  Rückkehr  der  fierakiiden  und  ging  bis  zur  Einnahme  des  Delphischen  Tempels 
im  heiligen  Kriege,  Ol.  105,  1.    Es  wurde  von  seinem  Sohne  Demophiios  bis  zur  Ein- 


Tiraonidei  ~  Tim&ttM. 

lubme  von  Perintb  durch  Philipp,  Ol.  I  lO,  1,  fortgasetit.  Die  eraMn  Bücher  hatten  ci 
vorwif^nd  geognphisolieD  Charakter;  E.  enShlte  duiit  tod  den  HerkwHrd 
der  eiaaelnen  Lbider  nnd  berichtete  die  DrgeBchldite  der  in  ihnen  g^rrUndeteu 
So  bandelte  er  im  4.  Buche  von  Sicilieo,  wu  Ps.-Skjmnos,  sowie  Strabon  ben 
beo.  Natürlich  kam  auch  in  des  spüteren  Theileo  des  Werkes  manche«  WertfaTi 
unare  loael  vor,  wobei  £.  vielfach  dem  PhlEiHtos  gefolgt  sein  mag  (Völkerl.  p.  6 
Bhetarenachule  verrieth  bei  B.  aumer  dem  Stile  auch  der  Charakter  der  Redet 
den  handetiideD  Perawen  in  den  Hund  legte.    Vgl.  M  I,  LVIl  -  LXV  und  234- 

Theoponipoa  au»  Cfaioe  besehritekte  aeine  Oeschiehtsentihinng  auf  die 
Zeit.  Er  echrieb  i  Werke :  die  Hellenika,  welche,  ühulich  dem  gleichnamigei 
Xeaophon'B,  eich  an  ThukydidoB  anechloHeD,  aber  nur  bis  inr  Schlacht  bei  Ktrii 
r.  Chr.  gingen,  und  das  grOasere  Werk ,  die  Philippika ,  eine  Gleechichte  des 
Philipp  von  Haoedoulen,  in  die  jedoch  in  fakufigeti  Episoden  die  Übrige  Zeitge 
eiagescboben  war.  So  enthielten  von  den  6S  Bilehem  dieses  Werkes  3  die  s 
Geschiclite,  von  der  Tyrannia  dea  älteren  Dionys  bis  lUf  VeHreiMmg  des  jUnge 
Zeitraum  von  50  Jahren,  wie  Diod.  XVI,  7 1  sagt.  Vgl.  Amoldt,  Ttmoleon.  Gut) 
^.  S.  5,  der  in  der  Zahl  iO  einen  Fehler  des  Autors  annimmt,  w&breiid  Br.  de  Pr 
Aaiuig  dieser  50  Jahre  in  das  J.  394  aatit,  wo  ja  die  Hellenika  aufhörten.  Die 
Behaiqttung  Diodor'g  I.  1.,  daaa  die  3  Sicllien  betreffei>dea  BUcher,  das  41.  bis  4^ 
wideraprioht  den  Citate*.  Vgl.  über  Th.  H  1,  LXV— LXXVII  und  278—333. 

Rbetoriaobeo  Charakter  trugen  femer  die  Schriften  fblgeDder  Historiker,  I 
Manches  aber  Siel  Heu  vorkam:  des  Anaxlmenea  von  Lampeakoa,  dea  xag 
Lehren  Alexander'a  dea  Qt.  in  der  Ehelorik  iVgl.  Panly  B.  E.  1 ,  1 ,  96« — i 
Kalliathenea,  des  bekannten  Begleiters  des  groesen  En4)erera  (nach  Gie.  d 
57  hat  er  rfaetorico  paene  mcwe  geachrieben] ;  des  Athenera  Demoohares.  Kc 
Draioathenea  (Cic.  Brut.  2SS:  oratorio  genare;  vgl.  H  II.  445—49);  des  Athen 
ylloB  und  des  Platttera  Psaon,  von  denen  jener  die  Begebenheiten  in  Griec 
and  Sicilien  von  3^7—336  in  27  BUohem  eraühlte  (bis  357  hatten  sich  die  Werke  d( 
ros  und  KaUisthenes  eratreoktl,  dieser  In  30  Bttehem  die  Arbeit  des  Diyllos 
Anfai^  dea  3.  Jahrb.  v.  Chr.  fortsetcte.  ~  Vgl.  Über  Paaon  Dioays.  de  Dinarel 
den  rfaetoriaohen  Charakter  dea  DiyiloB  fehlt  es  an  einem  Zeugidss.  Beider  Fn 
H  II,  360.  61,  nndin,  198. 

Jelst  ist  noch  einer  der  bedeuteodatcn  ana  der  Rhetorenachule  hervorgeg 
Historiker  an  erwühnen,  ein  Mann,  der  durch  Herkunft,  w^e  duoh  den  Oegenstan 
Werkea  Sioilien  angehOrt:  Timaios  aua  Tauromenion,  der  seine  Bildung  dnrt 
skoa,  einem  Schüler  des  leokrates,  erhalten  hat.  Geboren  um  356,  verlebte  er  dii 
50  Jahre  aeinea  Lebens,  das  er  anf  96  Jahre  gebracht  haben  soll.  In  Athen.  Vgl. 
gem.  MI, XLIX—LVU und  193—233.  AnadcrHUIler'aehenAbhamllunggfebtWes 
in  Panlf'a  R.  E.  einen  Anasng.  —  Tita,  bdast  bei  Diod.  XXI,  12  (Hoeach.)  Zv^ 
Das  groase  Werk  seiBea  Lebens  war  eine  Geschichte  Sicilleaa,  vob  <ler  ülteaten 
zum  Beginn  dea  eraten  Puniachen  Krieges.  Buidaa  sagt,  das«  T,  Itiülka  und  Sil 
S  BUchero,  und  ansserdeui  Hellenika  und  Sikeltka  geschrieben  habe.  Beidei 
offenbar  Theile  aeinea  grossen  Werkes ,  das  Imner  nur  als  •Geschichte'  citirt  wi 
das  zulelztgenannte  sicher  der  Hanpttheil ,  ob  aber  der  Titel  Italika  nnd  Sikel 
ersten  oder  den  letaten  Büchern  ankam ,  läaat  sich  nicht  bestimmen.  Die  Geachi' 
Pyrrhoa  bildete  ein  besonderes  Gaues  nach  Cic.  ad  dlv.  V,  12  und  Dion.  Hi 
woiu  das  Citat  Pol.  Xu,  4 :  tv  roi(  n«^!  jov  fli^^ov ,  (da  sonst  limQlai  citirt 
den  pflegen)  pasat.    Ferner  passt  daau,  dassDiod.  XXI  (virtt.  et  vitt.)  sagt  [ir. 

TBS  iaxüias  T%!  tSvvjäftiS  ntvrt  ßißhovf,  xa»'  a(  nifinllimi  iaSJlya9exli«vt7ie<i 

also  das  Werk  Über  Fjrrhos  nicht  mitgesShIt  ist.  Wenn  dagegen  Pol.  I,  6  das  ? 
Timaios  bis  enm  J.  264  reichen  lässt,  so  zählt  er  ea  mit.  —  Was  die  Zahl  der  Btl 


312  Anhang.  I.   1 .  Antike  Bearbeitungen  der  Geschichte  Siciliena. 

trifft,  so  ist  Müüer's  Annahme  von  68  yon  Amoldt,  de  historiis  Timaei  opinionum  ab  edi- 
tore  Parisino  conceptarüm  refutatio.  Gumb.  1S51.  4.  mit  gewichtigen  Gründen  bekämpft 
worden.  Die  einigermassen  räthselhaflbe  Vertheilnng  des  Stoffes  anlangend ,  so  kommt 
man  in  Versuchung ,  abweichend  von  den  bisherigen  Annahmen ,  für  gewisse  Theile  des 
Werkes  ein  geographisches  Prinzip  als  zu  Grunde  liegend  anzunehmen ;  wo  dann  Buch 
10—14  Gela ,  15^18  Akragas  zuzutheilen  wären.  —  Ueber  den  Werth  des  T.  als  Histo- 
rikers ist  viel  gestritten  worden.  Von  den  Alten  hat  ihn  mit  besonderer  Heftigkeit  Poly- 
bios  angegriffen,  nicht  ohne  manche  Nachfolger  zu  finden.  Doch  sind  die  gegen  ihn  aus- 
gesprochenen Beschuldigungen  theilweise  stark  übertrieben.  Wenn  er  50  Jahre  in  Athen 
gelebt  hat ,  ohne  diese  Stadt  zu  verlassen ,  so  hat  er  doch  bis  zu  seinem  40.  Lebensjahre 
viele  der  Gregenden ,  deren  G^chichte  er  schreiben  wollte ,  mit  eigenen  Augen  gesehen. 
Vgl.  Pol.  Xn,  9  (fr.  68  M)  wo  T.   sich  als  imßalwv  eis  rovs  »ara  rifv  'EXUda  Aoxgovg 
bezeichnet  nnd  D.  Hai.  I,  67  (fr.  20  M)  wo  von  den  Penaten  in  Lavinium  die  Rede  iat 
und  T.  versichert,  nvd-ia&ai  avrog  ravja  nccQci  imp  InixtoQlmv,  Einzelne  angebliche  Unrich- 
tigkeiten des  T.  beruhen  vielleicht  nur  auf  Missverständniss  des  Polybios.  Wenn  ihm 
dieser  z.  B.  vorwirft  (Xu,  3 ;  fr.  24  M.)  dass  er,  alten  Irrthümem  folgend,  ganz  Afrika 
als  unfruchtbar  und  sandig  darstelle,  so  hat  man  sich  nur  daran  zu  erinnern,  dass  T.  den 
Zug  des  Agathokles  dnrch  die  üppigen  Fluren  Nordafrika's  (vgl.  Diod.  XX,  S)  geschil- 
dert haben  muss,  um  es  geradezu  unbegreiflich  zu  finden,  dass  derselbe  Schriftsteller 
anderswo  die  Existenz  solcher  Strecken  in  Afrika  geläugnet  haben  sollte.  Wenn  T.  aber 
vielleicht  sagte ,  dass  Afrika  im  Allgemeinen  durch  Sandwüsten  charakterisirt  sei ,  wer 
mochte  das  tadeln?  —  Man  hat  dem  T.  den  Namen  YQaoovkXixtQia  beigel^  (Suid.  s.  y. 
Tlfi.)  weil  er  eine  Menge  albern  scheinender  Fabeln  in  sein  Werk  aufnahm;  wir  können 
nur  bedauern,  dass  wir  diese  Fabeln ,  die  jedenfalls  schätzbare  Beitrilge  zum  Volksaber- 
glauben enthalten  würden,  nicht  mehr  besitzen.  —  Er  ist  ^Emtifiaiog  —  der  Tadler 
Timaios  —  genannt  worden  von  Ister,  dem  Schüler  des  Kallimachos,  nach  Ath.  VI,  272. 
Mag  sein,  dass  er  oft  mit  unbilliger  Schärfe  geurtheilt  hat ;  für  uns  hat  das  keine  Bedeu- 
tung mehr.    In  seiner  Darstellungsweise  verräth  er  freilich  nur  zu  sehr  den  Rhetoren- 
schüler ,  doch  wird  man  seinem  Eifer  für  Sammlung  des  Materials  (vgl.  Pol.  XII,  28 ;  fr. 
55  M)  und  seinen  Verdiensten  um  die  geographische  Seite  der  Geschichte  (T.  neben  Lykos 
als  Quelle  für  die  Kunde  des  Westens  bei  Agatharch.  de  mari  rubre  bei  M  G  I,  156) 
Gerechtigkeit  widerfahren   lassen  müssen.    Seine  Soigfalt  in  der  Chronologie  rühmt 
Diod.  V,  1 ;  sogar  Pol.  XII,  11.  Von  Kritik  hat  er  manche  Proben  gegeben  (Zaleukos, 
Phalaris);  seine  Zahlangaben  sind  bisweilen  niedriger  als  die  des  Ephoros  (Diod.  XIII, 
54.  60.  80.  XIV,  54.)  —  Ch.  A.  Volquardsen,  Untersuch,  über  die  Quellen  der  Griech. 
und  Sicil.  Geschichten  bei  Diodor.  Buch  XI— XVI.  Kiel  1868.  8.  hat  T.  als  ausschliess- 
liche Quelle  Diodor's  für  die  Sicilischen  Angelegenheiten  nachzuweisen  gesucht,  mit 
Ansnahme  von  XII,  9-21 ;  XE,  53.  54  ;  XIH,  1—33 ;  XV,  6.  7  ;  XV,  13.  14  (theilweise); 
XVI,  5.  6;  XVI,  9—1 1  (wo  er  Ephoros  als  Quelle  Diodor's  annimmt) ;  XVI,  65;  ders.  nimmt 
S.  106.  7  an,  dass  die  vielfach  hervortretende  Objectivität  Diodor's  auf  die  Benutzung  des 
Philistos  durch  Timaios  hinweise.  S.  unten  Diodor. 

Während  bei  diesen  aus  der  Rhetorenschule  hervorgegangenen  Schriftstellem  ein 
Hauptstreben  dahin  gerichtet  ist ,  aus  einem  Geschichtswerk  ein  Kunstwerk  in  Gompo- 
sition  und  Stil  zu  machen ,  wandte  eine  andere  Glasse  von  Historikern  ihr  Augenmerk 
durchaus  auf  den  Inhalt.  Der  Begründer  dieser  Schule  ist  Aristoteles,  dessen  gewal- 
tiger Geist  das  Gesammtgebiet  des  Wissens  umfasste.  Er  hat  auch  der  Geschichte  seine 
Kraft  zugewandt,  aber  mehr  als  Sammler ,  denn  als  Erzähler ,  und  in  seinem  Sinne  haben 
nach  ihm  Manche  seiner  Schüler  gewirkt,  denen  in  dieser  Beziehung  auch  die  Alexandri- 
nischen  Gelehrten  beigezählt  werden  müssen.  Das  rein  stoffliche  Interesse  dieser  histo- 
rischen Schule  beweist  schon  ein  flüchtiger  Blick  auf  die  Titel  der  aus  ihr  hervorgegange- 
nen Werke. 


Timaios  —  Nymphodoros.  313. 

Aristoteles  selbst  gehört  durch  seine  noliutai  —  Staatsverfassungen  —  hierher, 
unter  denen  sich  auch  die  der  Sicilischen  Städte  befanden.  Ihr  Verlust  —  es  sind  nur 
wenige  Fragmente  erhalten  -~  wird  durch  das ,  was  Ar.  in  seiner  Politik  über  Sicilien 
mittheilt,  nicht  ersetzt.  Den  rein  wissenschaftlichen  Standpunkt  der  nur  dem  Gregenstande 
zugewandten  Aristotelischen  Forschung  zeigt  am  besten  der  lebhafte  Eifer,,  mit  dem  er 
das  Verfahren  der  Tyrannen  studirt.  —  Die  Fragm.  der  Politien  des  Ar.  sind  zusam- 
mengestellt von  M  II,  105—77 ;  der  Sicilischen  insbesondere  169—73.  Eine  Vertheidi- 
gung  der  Aristotelischen  historischen  Schule  gegen  neuere  Angriffe  findet  man  in  F.  D 
Gerlach,  Zaleukos.  Oharondas.  Fythagoras.  Basel  1858.  8.  S.  127  ff. 

Von  seinen  Schülern  hatHerakleidesPontikos,  ausser  einer  Empedokles  betref* 
fenden  Schrift,  ebenfiüls  Politien  verfiisst.  Aus  ihnen  ist  ein  sehr  unvollkommener  Aus- 
zug erhalten,  der  von  den  Sicilischen  Städten  nur  Akragas  bertthrt.  Vgl.  H  n,  197—224. 

Peripatetiker  waren  femer :  Phanias  aus  Eresos,  der  ein  Werk  ntQi  jiSv  kv  2Vx£- 
A/^  rvQawmv  schrieb  (M  II,  293—301)  und  Klearchos  aus  Soli,  in  dessen  j8/bic  (über 
Lebensweisen)  der  Bewohner  Siciliens  ihres  üppigen  Lebenswandels  wegen  mehrfach 
Erwähnung  geschah.  Vgl.  M II,  302 — 27,  sowie  über  Kl y  tos  von  Milet,  einen  anderen 
hierher  gehörigen  Peripatetiker  M II,  333. 

.  Mittelbar  wenigstens ,  durch  seinen  Lehrer  Theophrastos,  den  Nachfolger  des 
Aristoteles,  hängt  mit  diesem  zusammen  der  fruchtbare  Schriftsteller  Dur  is  aus  Samos, 
der  sich  ein  Nachkomme  des  Alkibiades  zu  sein  rühmte,  und  der  ausser  mancherlei 
Sammelwerken  auch  zusammenhängende  geschichtliche  Werke  verfasste ,  unter  denen 
das  ntQi  *Jya&oxUa  höchst  wichtig  fUr  die  Geschichte  des  Westens  war.  Er  scheint  sich 
mit  Vorliebe  auf  Geographisches  eingekissen  zu  haben.  Vgl.  M II,  466—88.  Besonders 
fr.  46  ist  viel  citirt  worden. 

Ausdrücklich  als  Peripatetiker  wird  auch  der  später  —  vielleicht  um  200  v.  Chr.  — 
lebende  Satyros  bezeichnet,  der  unter  anderen  Lebensbeschreibungen  von  Staats- 
männern und  Gelehrten  auch  die  des  Empedokles  und  des  jüngeren  Dionys  verfasste ; 
aus  seinen  Werken  machte  ein  Herakleides  Auszüge.  —  Vgl.  M  III,  159—66. 

InNeanthes  aus  Kyzikos,  der  wie  Timaios  ein  Schüler  des  Rhetors  Philiskos  war, 
sehen  wir  ein  Beispiel  der  Macht,  welche  die  durch  Aristoteles  gegründete  Schule  histo- 
rischer Forschung  auch  über  Solche  ausübte ,  die  selbst  aus  Rhetorenschulen  hervorge- 
gangen waren.  Er  verfasste  ausser  einem  grösseren  Geschichtswerke,  Hellenika  betitelt, 
Sammelwerke  negl  Mo^tov  av^QiSy  und  über  Pythagoreer ,  wobei  er  Sicilien  namentlich 
in  den  Biographien  des  Epicharmos  und  des  Empedokles  berührte.  Vgl.  M  III,  2 — 11. 

Als  Fortsetzerin  der  Aristotelischen  Schule  der  Geschichtsforschung  erscheint  die 

•  

Alexandrinische.  Während  Athen ,  das  dem  Namen  nach  freie ,  der  Hauptsitz  der  for- 
mellen Bildung  blieb,  machten  die  durch  die  Sorgfalt  derPtolemäer  angehäuften  Bücher- 
schätze Alexandria  zum  Mittelpunkt  der  Grelehrsamkeit  das  dritte  und  zweite  Jahrhun- 
dert V.  Chr.  hindurch.  Es  ist  in  mancher  Hinsicht  bezeichnend  für  die  Zeiten  wie  für  die 
Menschen,  dass  während  der  verbannte  Timaios  sein  Leben  in  Athen  beschloss,  die  sici- 
lischen Alleinherrscher ,  besonders  Agathokles  und  Hieron ,  in  den  freundschaftlichsten 
Beziehungen  zu  Aegypten  standen.  So  ist  es  denn  auch  nicht  zu  verwundem ,  dass  die 
Alexandrinische  Gelehrsamkeit  sich  vielfach  mit  Sicilien  beschäftigte. 

Hierher  dürfen  wir  zunächst  Lykos  aus  Rhegion  rechnen,  den  Vater  des  Tragikers 
Lykophron,  der  selbst  in  seiner  dunkeln  Alexandra  Sicilien  berührt  hat.  Lykos  scheint 
um  290  v.  Chr.  in  Alexandrien  gelebt  zu'h»ben.  Er  schrieb  ZixfXtna,  deren  Fragmente 
vorwiegend  geograj^ischen  Charakter  haben.  Vgl.  über  Lykos  M  II,  370—74  und  über 
Lykophron  G.  F.  Grotefend  zur  Geogr.  u.  Gesch.  von  Alt-Italien  Hann.  1840  ff.  Heft  II, 
S.  28 — 38,  welchem  Hefte  eine  Karte  von  Italien  nach  Lyk.  beigegeben  ist.  —  Ebenso 
deutlich  trägt  die  Alexandrinische  Bildung  zur  Schau  der  Syrakusaner  Nymphodoros, 
der  wahrscheinlich  ein  jüngerer  Zeitgenosse  des  Theokritos  war,  also  um  260  v.  Chr. 


314  Anhang.  I.   1.  Antike  Bearbeitungen  der  Geschichte  Siciliens. 

lebte.  Er  verfasste  einen  jifQtnXovs,  wahrscheinlich  des  gesammten  Mittehneeres,  ausser- 
dem aber  noch,  wenn  das  Werk  nicht  etwa  einen  Theil  des  vorigen  ausmacht,  ein  Bach 
nf^l  T»v  iv  ZtuMq  ^avfiaCofiivotv.  Vgl.  M  II,  375—81  und  J.  F.  Ebert,  Dissertationea 
Siculae,  Königsb.  1865.  8.  p.  154 — 222.  -—Ein  anderer  Periplos  ist  noch  erhalten ,  der 
den  Namen  des  Skylax  Ton  Karyanda  trägt.  Das  Originalwerk  scheint  dem  4.  Jahrh. 
V.  Ohr.  anzugehören ;  wir  haben  jedoch  nur  einen  kümmerlichen  Auszug.  Vgl.  MGI, 
XXXin— LI.  Oap.  13  enthält  Sicilien.  Eine  Karte  y<m  Italien  nach  Sk.  ist  dem  1.  Heft 
der  genannten  Grotefend'schen  Schrift  angehängt,  wo  S.  47->49  von  Skylax  gehandelt 
wird. 

In  den  Werken  zweier  Schüler  des  Alexandrinischen  Gelehrten  und  Dichters  Kalli- 
machoft,  des  Philostephanos  und  Herrn ipp ob  kam  Mancherlei  über  Sicilien  vor. 
Jener  berührte  es  in  seinem  Buche  mgl  vijaw ,  dieser  in  den  LebensbesohreibungeB  des 
Pythagoras  und  Empedokles.  -  lieber  Philost.  M  III ,  28  -  34 ;  über  Herrn.  M  III, 
35—54. 

Ohne  Zweifel  verdankte  auch  Siciliens  Geographie  manche  Aufklärung  dem  berühm- 
ten Geographen  Eratosthenes,  der  seit  etwa  236  y.  Ohr.  der  Nachfolger  des  Kalli- 
machos  in  der  Verwaltung  der  Alexandrinischen  .Bibliothek  war.  YgL  über  ihn  Pauly 
R.  E.  III,  724. 

Die  noch  im  Auszuge  vorhandene  Sammlnug  sonderbarer  Geschichten  vcm  Anti- 
genes von  Karystos,  der  gegen  das  Ende  des  3.  Jahrh.  v.  Chr.  lebte,  enthält  Einigoa 
über  Sicilien ;  ebenso  die  ähnliche  Pseudoaristotelische.  Ueber  Ant.  vgl.  Pauly  B.  E.  I, 
t,  1116.  17.  Er  citirt  oft  Lykos.  Vgl.  Grotef.  H,  45—47.  Ueber  die  Pseudoarist.  »av- 
fAdaut  ttxovafiara  Pauly  B.  E.  I,  2,  1^5,  Grotef.  II,  38—45  und  H.  Schrader  in  Jahn*» 
Jahrb.  1868.  Heft  4. 

Etwas  jünger  als  die  genannten  SchriftsteUer  war  der  zur  Zeit  des  Ptolemaios  Epi- 
phanes,  um  200  v.  Chr.,  lebende  Polemon  aus  Ilion,  genannt  Periegetes,  ein  Uterarisefa 
sehr  thätiger  Mann,  der  sich  in  mehreren  Wwken  mit  Sicilien  beschäftigte.  Er  schrieb 
n€Ql  rdSv  kv  SixtXlq  nöta/nSv,  xtians^IjaXwiSv  xal  StxfXixtSv  noltwVf  tüqI  rot)  Mo^vx^u 
(ein  Dionysos  in  Syrakus)  und  in  seinem  Buche  ^i^l  rc5v  ir  KaQx^^^'^  nink(ov^  sowie 
in  seiner  Schrift  ngog  TCfiaicv  kam  Manches  über  Sicilien  vor.  Vgl.  M  III,  108 — 48. 

Von  dem  um  die  Mitte  des  2.  Jahrh.  t.  Chr.  lebenden  Alexandrinischen  Dichter  Ni  ~ 
k andres  aus  Kolophon  wird  auch  ein  Gedicht  Sikelia  angeführt;  Schol.  Kic.  Ther.  v. 
382  u.  Steph.  Byz.  s.  v.  ZayxXri, 

Vielfach  berührten  Sicilien  die  Schriften  des  Alexandrinischen  Grammatikers  Apol- 
lodoros  aus  Athen  (um  140  v.  Chr.),  von  denen  leider  nur  die  mythologische  Bibliotiiek 
erhalten  ist.  Es  würden  seine  Chronik,  seine  Erdbeschreibung,  sein  Werk  über  die  Gdt- 
ter,  endlich  seine  Commentare  zu  Sophron  und  Epicharmos,  von  denen  allen  wir  nur  ge- 
ringfügige Fragmente  haben,  von  unschätzbarem  Werthe  ftlr  die  Kenntniss  des  alten 
SicHiens  sein.  Vgl.  Pauly  B.  E.  I,  2,  1300  C  M I,  XXXVIQ— XLV  und  S.  104-80  (die 
Bibliothek),  sowie  428—69  (die  Fragmente). 

Indem  wir  nun  zum  ersten  Male  eines  römischen  Schriftstellers  als  einer  leider  ver- 
lorenen Quelle  für  die  Kunde  Siciliens  zu  gedenken  haben ,  des  griechisch  sohreibenden 
Q.  Fabius  Pictor,  welcher  in  seinen  Jahrbüchern  Boms  auch  die  Geschichte  des 
ersten  Punischen  Krieges  vortrug  (vgl.  M  III,  80—92)  sind  wir  zugleich  an  einem  Punkte 
angekommen ,  wo  Born ,  das  die  Welt  zu  erobern  anfing ,  auch  für  die  Kulturgeschichte 
des  Mittelmeers  eine  überwiegende  Bedeutung  gewinnt :  eine  Bedeutung  eigenthümlidier 
Art.  Einst  war  Athen  der  Mittelpunkt  der  gebildeten  Welt  einfach  dadurch  gewesen, 
dass  es  selbst  die  gebildetste  Stadt  war.  Als  dann  Alexandrien  in  mancher  Beziehung 
Athens  Stelle  eingenommen  hatte,  war  dies  allerdings  in  Folge  der  Macht  der  Ptolemäer 
geschehen;  aber  die  Ptolemäer  hatten  doch  ausdrücklich  und  in  kräftigster  Weise  die  Be- 
förderung der  Wissenschaften  zu  einer  ihrer  Aufgaben  gemacht.   Nicht  so  Born.   B<Na 


Skylax  —  Cornelius  KepoB.  315 

« 

wurde  das  Centmm  der  gebildeten  Welt  nur ,  weil  es  sieh  lum  Oentmm  der  politischen 
Welt  SU  machen  wusste.  Rom  entschied  schliesslich  Alles ,  und  deshalb  blickte  Alles 
was  auch  auf  listigem  Gebiete  von  einiger  Bedeutung  war,  suletEt  doch  immer  nur  auf 
Rom. 

Die  Lehre  Ton  Rom  als  dem  Mittelpunkte  der  Welt ,  wird  gleich  von  dem  ersten 
Schriftsteller  verktlndigt ,  den  wir  hier  sn  erwähnen  haben ,  von  Polybios  aus Megalo- 
poiis,  der  aus  einem  Gegner  der  ROmer  ihr  warmer  AnhSnger  wurde.  Seine  pragmatische 
Geschichtsohreibung  kann  allerdings  dadurch  als  ein  besserer  Ersatz  der  rhetorischen 
Schule  der  Historik  gelten,  dass  sie  in  der  Entwickelung  des  politischen  Gedankens  einer 
Epoche  eine  Art  ron  innerlicher  Kunstform  an  die  Stelle  derblos  äusserliohen,  welche 
jene  Schule  erstrebte,  treten  Hess.  Dennoch  ist  die  Unklarheit,  in  der  sich  Polybios  ttber 
die  Forderungen  befindet ,  die  man  von  Seiten  der  Kunst  an  ein  grosses  C^eschichtswerk 
machen  darf,  und  die  ihn  dasu  gebracht  hat,  hst  ein  ganses  Buch  mit  einer  breiten  Pole- 
mik gegen  Timaios  lu  füllen ,  allau  gross,  als  dass  wir  ihn  zu  den  Historikern  ersten 
Ranges  rechnen  dürften.  Dazu  fehlt  es  ihm  auch  zu  sehr  an  Sinn  für  Sehte  menschliche 
Grosse;  das  hat  er  durch  sein  Urtheil  über  Timoleon  (XII,  23)  gezeigt.  Dagegen  besitzt 
er  Tiele  Eigenschaften  einer  guten  Geschichtsquelle,  sodass  er  ftbr  die  Geschichte  des 
enten  Punischen  Krieges  unser  Hauptgewährsmann  ist  und  die  Siollien  betreffenden 
Fragmente  aus  der  Geschichte  des  zweiten  hodist  werthvoU  sind.  —Vgl.  über  Pol.  Panly 
R.  £.  y,  1808—30,  wo  die  zahlreichen  älteren  Schriften  benutzt  sind. 

Den  Polybios  setzte  fort  der  um  100  t.  Chr.  lebende  Stoiker  Poseidonios  aus 
Apamea,  in  seinen  52  Büchern  Geschichte  fura  iToXvfltw,  in  denen,  wie  es  seheint,  auch 
viel  Geographisches  enthalten  war.  Doch  kann,  was  sich  z.  B.  bei  Strabon  in  dieser  Be- 
ziehung aus  Pos.  findet,  auch  in  seinem  Werke  ntgl  tjxfuvov  gestanden  haben.  Pos. 
scheint  auch  nach  Sicilien  gekommen  zu  sein  (M  III,  246);  die  Rbodier  schickten  ihn  im 
J.  86  als  Gesandten  nach  Rom.    Vgl.  M  HI,  245  -96. 

In  derselben  Eigenschaft  kam  nach  Rom  der  zu  derselben  Zeit  lebende  Artemido- 
rosaus  Ephesos,  aus  dessen  auch  Sicilien  umfassenden /cw^^acfou/u^va  Einiges  durch 
Strabon  erhalten  ist. 

In  dieselbe  Zeit,  etwa  90  v.  Chr.  scheint  auch  das  geographische  Gedicht  zu  fallen, 
das  gewöhnlich  mit  Unrecht  Skymnos  von  Chios  beigelegt  wird.  Vgl.  MGI,  LXXIV 
— LXXIX.  Es  wurde  früher  Marcian  von  Heraklea  zugeschrieben.  Siciliens  griechische 
Kolonien,  in  deren  Chronologie  es  Ephoros  folgt  (vgl.  die  Priorität  der  Gründung  von 
Megara  vor  Syrakus  mit  Str.  VI,  2,  2)  sind  v.  254—300  behandelt.  Unter  den  Quellen 
wird  Y.  117  genannt:  JfifinTQw^  KaXlaTi€cv6g ,  über  den  vgl.  M  IV,  380.  81  und  v.  118 
KUwv  Zuuloe,  über  den  M IV,  365.  —  Ueber  den  Pseudosk.  spricht  auch  Grotef.  I,  50  ff. 

Jetzt  werden  auch  lateinisch  schreibende  Riemer  Quellen  für  unsere  Kenntniss  des 
sieiliBchen  Alterthums.  Da  in  der  römischen  Provinz  die  allgemeinen  Interessen  vor  den 
localen,  die  öffentlichen  vor  den  privaten  zurücktreten  mussten,  so  sind  C  i  oe  r  o's  Verrini- 
sche  Reden  von  unschätzbarem  Werthe  für  uns.  Man  darf  nicht  vergessen ,  dass  Cicero 
als  Advoeat,  wenngleich  einer  gerechten  Sache,  spricht. 

Der  erste  Versuch  der  Römer  in  ausländischer  Geschichte  war  biographischer  Natur ; 
das  Vorherrsehen  der  Persönlichkeit  in  den  letzten  Zeiten  der  Republik  mochte  die  For- 
scher auf  diese  Art  der  Darstellung  hinweisen.  CorneliusNepos  liat  nun  allerdings 
nicht  die  20  Biographien  geschrieben,  die  seinen  Namen  tragen,  aber  sie  werden  auf 
seinen  Arbeiten  beruhen,  wenn  sie  auch  durch  ihre  Form  einen  späteren  Epitomator  ver- 
rathen.  Die  Biognphien  von  Dion  und  Timoleon  scheinen  sich  theilweise  auf  Timaios  zu 
stützen. 

In  der  Zeit ,  wo  das  römische  Reich  dadurch ,  dass  es  sieh  der  Herrschaft  eines  Ein- 
zigen unterwarf,  an  Gleichförmigkeit  und  Ordnung  gewann,  unternahm  es  ein  sicilischer 


316  Anhang.   I.   1.  Antike  Bearbeitungen  der  Geschichte  Siciliens. 

Grieche ,  zum  ersten  Male  die  Geschichte  der  gesammten  Welt  in  ihrem  Uebergange  zur 
politischen  Einheit  in  einem  grossen  Werke  zusammenzufassen ,  das  dadurch  auch  fUr 
uns  unschätzbar  ist,  dass  es  allein  wichtige  Stücke  der  sicilischen  Geschichte  tiberliefert 
hat.  Es  ist  Diodoros,  genannt  derSiculer,  aus  Agyrion  gebürtig,  der,  ein  Zeitgenosse 
Caesar's ,  seine  ßtßUod^^xti  laroQixii  in  Rom  selbst  schrieb.  Sicilien  behandeln  zunächst 
das  Ende  des  4.  und  der  Anfang  des  5.  Buches,  wo  werthvolle,  theilweise  euhemeristisch 
gefärbte,  vielleicht  in  dieser  Beziehung  auf  Dionysios  vonMitylene  (M II,  5  ff.)  beruhende 
Nachrichten  über  die  Insel  gegeben  werden.  Da  die  5  Bücher  vom  6.  bis  zum  10.  fehlen, 
so  ist  uns  weder  die  im  8.  erzählte  Gründung  der  hellenischen  Kolonien  auf  Sicilien, 
noch  ihre  älteste  Geschichte  bis  zum  Anfange  des  5.  Jahrh.  v.  Chr.  aus  Diodor's  Feder 
erhalten.  Dagegen  haben  wir  seine  2.  Dekade,  die  Zeit  von  480—302  v.  Chr.  umfiissend. 
Hier  ist  die  republikanische  Zeit  Siciliens  verhältnissmässig  kurz  behandelt,  ausführli- 
cher die  Zeit  der  Tyrannen,  von  der  wir  sonst  keine  detaillirte  Ueberlieferung  besitzen. 
Die  späteren  Bücher  sind  nui'  in  fragmentarischen  Auszügen  erhalten ,  die  viel  Interes- 
santes über  Sicilien  (l.Punisoher  Krieg;  Sklaven-Krieg)  bieten.  Was  denWerthDiodor's 
uls  Geschichtsquelle  betrifft,  so  hat  er  die  selbstgestellte  Aufgabe,  Alles  in  einem  Jahre 
Vorgefallene  nach  einander  zu  berichten,  nicht  zu  lösen  verstanden.  Der  Zusammenhang 
der  Begebenheiten  wäre  durch  ein  strenges  Anschliessen  an  die  Wahrheit  oft  zu  sehr 
durchschnitten  worden.  Er  half  sich,  indem  er,  wie  Amoldt,  Timoleon  S.  27  ausfährt, 
die  einleitenden  Begebenheiten  einer  Thatsache ,  auch  wenn  sie  längere  Zeit  vorausge- 
gangen sind ,  erst  in  dem  Jahre  bespricht ,  in  welchem  ein  Abschnitt  oder  Wendepunkt 
eintritt.  Ferner  begannt  er  jedes  Jahr  mit  dem  doppelten,  nicht  zusammenfallenden  Datum 
eines  attischen  Archen  und  der  römischen  Consuln ,  sodass  die  Archonten  um  ein 
halbes  Jahr  zu  früh  kommen.  Vgl.  auch  Koutorga,  Recherches  sur  l'histoire  de  la  Gröce 
pendant  la  Periode  des  guerres  mMiques.  Par.  1861.  4.  p.  8  u.  9.  Plass,  die  Tyrannis 
der  Griechen.  Brem.  1852.  II,  S  213  und  219  (Anm.)  u.  S.  347— 50,  sowie  E.  Völkerling 
De  rebus  Siculis  etc.  p.  9.  10.  lieber  die  Quellen  Diodor's  im  AUgem.  Heyne  de  fontibus 
et  auctoribus  bist.  Diodori  in  der  Ed.  Bipont.  sowie  in  den  Dindorf  sehen  Ausgaben,  und 
vorzüglich  die  oben  bei  Timaios  cit.  werthvolle  Schrift  von  Volquardsen.  Es  steht  hier- 
nach fest ,  dass  Diodor ,  wie  überhaupt  die  antiken  Schriftsteller ,  welche  umfassendere 
Geschichtswerke  schrieben ,  in  den  einzelnen  Theilen  derselben  jedes  Mal  einen  Queli- 
schriftsteller  zu  Grunde  legten  und  andere  nur  gelegentlich  dabei  benutzten.  Dem  Diodor 
liegt  nun  für  die  allgemeine  Oekonomie  des  Werkes  sowie  für  die  griechischen  Angele- 
genheiton Ephoros  zu  Grunde  (vgl.  Diod.  V,,l);  für  die  sicilischen  Timaios  (s.  o.  über 
diesen) ;  doch  geht  Volqu.  wahrscheinlich  in  der  Ausschliessung  Anderer  als  Quellen  für 
die  sicilischen  Angelegenheiten  der  betreffenden  Epochen  zu  weit ;  er  selbst  nimmt  S.  106 
für  Diod.  XVI,  9 — 11  Ephoros  als  directe  Quelle  Diodor's  an  und  kann  sonach  nicht  wohl 
widersprechen,  wenn  man  dasselbe  auch  anderswo  thut.  Wenn  Volqu.  femer  hervorhebt, 
dass  Diodor  nicht  gern  alten  speciellen  Quellen ,  wie  Herodot  und  Thukydides,  fo^,  so 
ist  die  bei  der  Greschichte  der  Athenischen  Expedition  nach  Sicilien  ersichtliche  Be- 
nutzung des  Letzteren  (die  freilich  auch  G.  CoUmann,  de  Diod.  Sic.  fontt.  Lips.  1869. 
8.  läugnet)  doch  nicht  zu  übersehen.  Endlich  zeigt  die  Polemik  gegen  Timaios  XIII, 
00,  dass  Diodor  weit  entfernt  war,  Tim.  unbedingt  zu  folgen.  Auch  das  von  Volqu. 
S.  77  ausgesprochene  Lob  der  Diodorischen  Genauigkeit  der  Zeiteintheilung  in  den  sici- 
lischen Geschichten  ist  zu  unbedingt.  Vgl.  unten  über  die  Zeit  nach  dem  Sturze  der 
Deinomeniden.  Endlich  sind  freilich  die  Erwähnungen  von  Historikern  bei  Diodor,  in 
Betreff  des  Anfangs  oder  Schlosses  ihrer  Werke  nicht  eigentlich  Beweise ,  dass  Diodor 
diese  Schriftsteller  wirklich  gelesen  und  benutzt  hat ;  wenn  er  aber  z.  B.  XIII,  103  sogar 
das  Ende  eines  Theiles  des  Philistischen  Werkes  notirt,  so  will  er  sicher  damit  andeuten, 
dass  er  diesem  Schriftsteller  eine  besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet  hat,  und  Diod. 
Xin,  184  hat  sich,  wie  wir  sahen,  eine  Spur  directer  Benutzung  des  Philistos  erhalten. 


Diodoros  —  Livius.  317 

Diodor,  der  nicht  selten  auch  später  guten  Quellen  gefolgt  ist  (Hieronymos  von  Kardia, 
Polybios)  hat  doch  bei  seiner  Arbeit  den  Vorwurf  der  Unwissenheit  und  Leichtfertigkeit 
verdient.   Vgl.  Volqu.  S.  1 . 

In  derselben  Zeit,  in  welcher  Diodor  seine  Universalgeschichte  schrieb,  machte  auch 
die  Geographie  wesentliche  Fortschritte.  Die  Verhältnisse  waren  dieser  Wissenschaft 
besonders  günstig.  Die  Zusammengehörigkeit  aller  Küstenländer  des  Mittelmeeres  er- 
leichterte das  Studium  ihrer  Eigenthümlichkeiten  und  Überdies  lag  es  im  Interesse  der 
neuen  Herrscher,  eine  genaue  Kenntniss  ihres  grossen  Reiches  zu  besitzen.  So  hatte  denn 
bereits  Caesar  eine  Vermessung  Italiens  und  der  Provinzen  angeordnet ,  aber  das  Werk 
ward  erst  unter  Augustus  vollendet ;  wie  es  scheint,  unter  der  Leitung  Agrippa's,  der  die 
Resultate  des  Unternehmens  nicht  blos  inCommentarien  niederlegte,  sondern  sie  auch  zur 
Entwerfung  einer  grossen  Weltkarte  benutzte ,  die  das  Publikum  in  seinem  Porticus  zu 
Rom  betrachten  konnte.  In  einer  so  fllr  das  Studium  der  Greographie  angeregten  Zeit 
schrieb  Strabon  aus  Amasea  sein  grosses  geographisches  Werk,  in  dessen  6.  Buche 
auch  Sicilien  behandelt  ist.  Sein  Augenmerk  ist  hier,  wie  überall,  nur  auf  übersichtliche 
Darstellung  des  Wichtigsten  gerichtet ,  wobei  Geschichte  und  Sage  berücksichtigt  wer- 
den. Er  citirt  mehrfach  seine  Quellen,  für  das  Historische  Timaios,  Ephoros  (für  die 
Gründung  der  Kolonien) ,  Polybios ;  fttr  die  Entfernungen  Artemidoros,  Poseidonios,  und 
einen  ungenannten  x^^Qoyeaffos ,  über  den  vgl.  Ukert,  Geogr.  d.  Gr.  u.  R.  I,  1,  S.  200. 
Nach  De  la  Porte  du  Theil  halten  ihn  Manche  für  Agrippa,  da  seine  Masse  in  Millien 
ausgedrückt  sind.  Dieselben  stimmen  jedoch  nicht  mit  den  bei  Plinius  ausdrücklich 
Agrippa  zugeschriebenen  Überein. 

In  dieser  Zeit  gab  auch  ein  Römer  in  lateinischer  Sprache  eine  Uebersicht  des  vor- 
römischen Theiles  der  Weltgeschichte  iTrogusPompejus,  der  unter  Augustus  lebte. 
Den  Kern  seiner  44  Bücher  Philippischer  Greschichte  bildeten  die  Macedonier  und  ihre 
Reiche.  Sicilien  berührte  er  im  4.  Buche  (Athenische  Expedition),  und  im  18.— 23.,  wo  T. 
bei  Gelegenheit  des  Pyrrhos  auf  die  Geschichte  der  Karthager  kam,  aus  der  er  besonders 
ihre  auf  Sicilien  geführten  Kriege  hervorhob ,  worauf  sodann  die  Geschichte  der  Sicili- 
schen  Tyrannen  folgte.  Obschon  wir  ans  dem  Werke  des  T.  nur  den  dürftigen,  von 
Justinus  gemachten  Auszug  besitzen,  so  ist  doch  ersichtlich,  dass  T.  im  Wesentlichen 
denselben  Quellen  folgte,  wie  Diodor.  Wie  schlecht  Justin  seinen  Auszug  machte ,  zeigt 
eine  Vergleichung  desselben  mit  den  kurzen ,  vom  Originalwerk  des  Trogus  erhaltenen 
Inhaltsangaben.  Im  19.  Buch  verwechselt  Justin  einen  Imilco  vom  Anfang  des  4.  Jahrh. 
V.  Chr.  mit  einem  gleichnamigen  Feldherm  vom  Anfang  des  vorigen  (XLX,  2  sind  wir  bei 
den  Worten :  interea  Amilcar  belle  Siciliensi  interficitur ,  reHctis  tribus  fiiiis  Imilcone, 
Annone ,  Gisgone,  im  J.  480 ;  bei  den  Worten :  in  Sicilia  in  locum  Amilcaris  Imperator 
Imilco  succedit,  plötzlich  im  J.  396);  wodurch  wir  denn  auch  um  den  Anfang  der  Ge- 
schichte des  älteren  Dionys  •kommen;  und  im  21.  Buche  hält  er  es  fttr  überflüssig, 
Dion's  und  Timoleon's  Thaten  zu  erwähnen. 

Indem  wir  beim  Mangel  an  näheren  Nachrichten  darüber  nur  flüchtig  erwähnen,  dass 
Augustus  selbst  ein  Epos  Sicilia  schrieb  (Suet.  Aug.  85),  und  dass  der  unter  ihm 
lebende  Rhetor  Gaecilius  aus  Kaiakte  die  sicilischen  Sclavenkriege  behandelte  (M  HI, 
330—33),  haben  wir  das  grosse  Werk  über  Rdmische  Geschichte  zu  nennen,  das  T.  Li- 
vius aus  Patavium  zum  Verfasser  hat.  Natürlich  hat  er  darin  auch  mehrere  Perioden 
der  sicilischen  Geschichte  behandelt ;  uns  ist  leider  nur  das  den  zweiten  Punischen  Krieg 
betreffende  Stück  erhalten.  Die  Livianische  Darstellung  beruht  hier  im  Wesentlichen  auf 
Polybios.  Die  Syrakus  beriihrenden  Stellen  sind  besonders  herausgegeben  in  der  Schrift : 
T.  Livii  de  rebus  Syrac.  emend.  etc.  J.  F.  Boettchero.  Dresd.  1839.  8.  —  Auch  er  hat, 
wie  Diodor,  Begebenheiten  verschiedener  Jahre  in  eines  zusammengezogen;  vgl.  Weissenb. 
zu  Livius  XXIV,  39  und  XXV,  6. 

Im  Vergleiche  mit  der  soeben  berührten  Periode  bietet  die  nächste  Epoche  der  rOmi- 


318  Anhang.  I.   1.  Antike  Bearbeitungen  der  Gesohichte  Siciliena. 

sehen  Kaiseneeit  weniger  Anabeote.  £a  Bind  zu  nennan :  Yalerins  Maximua  unter 
Tiberiua;  Pomponiua  Mela  unter  ClaudiuB  (hierher  geh.  II,  7,  14-~18);  Luciliua» 
Seneca*»  Freund  und  Statthalter  Siciliens,  wenn  dieser,  wie  man  vermuthet ,  der  Ver- 
fasser des  Lehrgedichtes  Aetna  ist;  der  Hltere  Plinius,  dessen  alphabetische  Aufzilh- 
Inng  der  sicilischen  Ortschaften  im  3.  Buche  in  ihrer  Kürze  fast  nur  zu  Fragen,  auf  welche 
die  Antwort  fehlt,  Veranlassung  giebt;  Silius  Italiens,  zur  Zeit  der  Flavier,  der 
durch  sein  Fpos  über  den  2.  Punisohen  Krieg  fast  eine  Geschichtsquelle  für  diese  Zeit 
geworden  ist  (vgl.  bes.  XIV,  1—78  und  192—286;  über  die  Herkunft  der  Sikaner  und 
Sikeler  folgt  er,  XIV,  35  ff.,  dem  Philistos);  endlich  der  Perieget  Dionysios,  wenn 
derselbe  nicht ,  wie  man  gewöhnlich  nach  Bemhardy  annimmt ,  dem  4.  Jahrh.  nach  Chr. 
angehört.  Vgl.  M  G II,  XV-XL  und  104-76.  Hierher  v.  461—76. 

Einen  neuen  Aufschwung  nahmen  die  Studien  gegen  das  Ende  des  ersten  Jahrhun- 
derts ,  als  eine  Reihe  besserer  Kaiser  zu  herrschen  begann.  Hier  tritt  uns  zuerst  der 
philosophische  Historiker  Plutarchos  von  Chaeronea  entgegen,  der  in  seinen  parallelen 
Biographien  die  Schicksale  auch  einiger  von  den  Männern  geschildert  hat ,  welche  für 
Sicilien  von  Bedeutung  sind :  Alkibiades,  Nlkias,  Dion,  Timoleon  (wo  er  vielfach  Ti- 
maiOB  gefolgt  ist) ,  Pyrrhos,  Marcellus.  Vgl.  A.  H.  L.  Heeren  de  fontt.  et  auctt.  vitar.  parall. 
Gott.  1820,  8.  Hang,  die  Quellen  Plutarch's  in  den  Lebensbeschr.  der  Griechen.  Tüb. 
1854.  8.  und  H.  Peter,  die  Quellen  Plutarch's  in  den  Lebensbeschr.  der  Römer.  Halle 
1865.  8.  —  Manches  enthalten  auch  Plutarch's  moralische  Schriften. 

In  derselben  Zeit  der  Ruhe  schrieb  Appianos  seine  geographisch  geordnete  Ge- 
schichte der  Kriege,  durch  welche  das  römische  Reich  seine  Grösse  erlangte.  Leider  ist 
von  seinen  Bikelika,  d.  h.  von  der  Geschichte  des  ersten  Punischen  Krieges  fast  Nichts 
übrig.  Seine  Geschichte  der  Bürgerkriege  ist  dagegen  die  Hauptquelle  für  den  auf  und 
bei  Sicilien  geführten  Krieg  zwischen  Augustus  und  S.  Pompejus.  —  Vgl.  J.  A.  WUnne 
de  fide  et  auctor.  App.  in  beUis  Romanor.  civil,  enarrandis.  Gron  1855. 

Von  Arrianos  aus  Nikomedien,  dem  bekannten  Historiker  Alexanders  des  Gr.,  gab 
es  eine,  gänzlich  verlorne ,  Geschichte  Dion's  und  Timoleon's.  Vgl.  M  III,  586—601.  — 
Ph legen  aus  Tralles,  ein  Freigelassner  Hadrian's,  verfasste  eine  Ix^'^aai^  ZVx^il/af ; 
über  ihn  M  IH,  602. 

Pausanias,  der  berühmte  Perieget Griechenkinds,  erwähnt  gelegentlich  auch  sici- 
Usche  Dinge.  Er  citirt  Antiochos  X,  11,  3 ;  Philistos ,  I,  13,  9 ;  V,  23,  6.  Schlecht  un- 
terrichtet zeigt  er  sich  über  Sicilien  IV,  23,  6  (AnaxiUis),  V,  25,  5  und  X,  11,  3  (Ver- 
wechslung von  Lilybaion  und  Pachynos  noch  dazu  unter  Anführung  des  Antiochos); 
VI,  9,  5  (doppelter  Gelon}.  Merkwürdig  ist  inunerhin  die  von  ihm  V,  25,  6  gegebene 
Uebersicht  der  Kolonisation  Siciliens.  Sollte  sie  aus  Antiochos  entlehnt  sein?  Man  musa 
beachten,  dass  darin  das  seit  Ol.  96  nicht  mehr  bestehende  Motye  als  bestehend  erwähnt 
wird ;  so  bleibt  kaum  eine  andere  Quelle  als  der  von  Paus,  anderswo  citirte  Antiochos. 

In  die  zweite  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  werden  wir  versetzt  mit  dem  Sophisten 
Claudius  Aelianus,  dessen  Thiergeschichte  wie  die  Varia  historia  (cit.  H  A  und 
V  H)  Manches  über  Sicilien  enthalten,  letzteren  theilweise  aus  Theopomp. 

Unter  den  Antoninen  ward  auch  die  Erdbeschreibung  des  OlaudiusPtolemaeuB 
verfasst,  die  die  Lage  der  Orte  nach  Länge  und  Breite  angiebt.  Für  Sicilien  ist  mit  Ana- 
nähme  der  Küsten  wenig  daraus  zu  lernen.  Pt.  musste  vielfach  irren ;  ausserdem  sind  man- 
che Fehler  in  den  Text  gekommen.  Von  letzteren  lassen  sich  einige  verbessern,  aber  es 
bleibt  noch  viel  Falsches  zurück  und  eine  Ptolemäische  Angabe  als  Anhaltspunkt  zur 
Fixirung  eines  sonst  wenig  bekannten  Ortes  zu  benutzen ,  ist  unmöglich.  Vgl.  die  Ausg. 
von  F.  G.  Wilberg  (U.  VI)  Essen  1835—45.  Das  3.  Buch,  zus.  mit  0.  H.  F.  Grashof 
Essen  1842  herausgegeben,  enthält  in  Cap.  4  Sicilien.  Folgende  Fehler  hätten  daseibat 
schon  nach  Cluver  verbessert  werden  können.  dQinavov  und  ^Efiitoqiov  ^^tyiaxavmr 
müssen  den  Platz  wechseln,  sodass  dies  mit  370,  jenes  mit  360  15'  bezeichnet  wird  (Ol. 


Valeriiis  Maximns  —  Stephanos  von  Byzanz.  319 

323);  die  Mündung  des  Mazaraa  und  Selinus  sind  umzustellen  (Cl.  283).  Ich  füge  hinzu, 
dass '^je^ix/avr.  i/nno^iov  und  *lfA4Qn  nor.  ixßoXai  nm  20'  westlicher  gesetzt  werden 
müssen ,  damit  jenes  unter  Akragas ,  dies  unter  üithintia  kommt.  Das  Prinzip ,  nach 
weichem  Pt.  die  Orte  des  Innern  aufzählt,  und  das  Ol.  403  und  d'Orv.  161  verkannt 
haben ,  ist  folgendes.  Pt.  schreitet ,  im  Norden  anfangend ,  immer  von  W.  nach  0.  fort. 
Die  Ck>nfusion,  die  eine  nach  seinen  Angaben  entworfene  Karte  zeigt,  ist  entsetzlich ;  sie 
wird  grOsstentheiis  von  Pt.  selbst  herrtthren.  Doch  kOnnen  die  Abschreiber  die  8chuld 
haben  in  Betreff  Enna's.  £s  folgen  nach  einander :  Assoros,  Enna,  Megara.  Offenbar  ist 
£.,  dem  die  Breite  370  5'  zugeschrieben  wird ,  ebenso  wie  Ass.  und  M.  mit  370 15'  zu  be- 
zeichnen ;  00  kommt  es  seiner  wirklichen  Lage  doch  etwas  nSher. 

Um  dieselbe  Zeit  schrieb  Polyainos  sein  Buch  über  die  Kriegslisten,  das  manches 
Merkwürdige  über  Slcilien  enth&lt,  leider  ohne  Angabe  der  Quellen.  Vgl.  über  s.  Be- 
deutung Niebuhr,  Kl.  Sehr.  I,  454 ;  über  die  Schwierigkeit  seiner  Benutzung  Droysen, 
Gesch.  d.  Hellenism.  I,  685.  —  Nicht  soviel  Ausbeute  giebt  die  denselben  Gegenstand 
behandelnde  Schrift  des  unter  Tnjan  lebenden  S.  Julius  Frontinus. 

Von  Laertios  Diogenes  (eit.  L  D)  kommt  besonders  das  8.  Buch  in  Betracht; 
Athenaios  (um  200  n.  Chr.)  ist  eine  wichtige  Fundgrube  auch  fHr  Sioilien. 

Am  Schlüsse  dieser  Periode  mögen  die  Namen  von  Schriftstellern  über  Sicilien  an- 
geführt werden,  deren  Zeit  unbekannt  ist:  Alki mos  aus  Sicilien,  der  Sikelika  schrieb 
(M IV,  296--e8);  Andreas  von  Panormos,  Sikelika  (M IV,  302);  der  Milesier  Arlstei- 
des,  Sikelika  (M  IV,  320—27);  Artemon  aus  Pergamos,  Oommentar  über  Pindar  (M 
IV,  340—42);  Baten  aus  Sinope,  nt^l  r£v  iv  Sv^mtovaais  rvQavvwv  (M  IV,  347—50); 
Kriton  ausPieria,  über  Syrakus  (M IV,  373.  74);  Hippostratbs,  Y^vBaloytttiZixtXntui 
(M  IV,  432.  33);  Theophilos,  ntQ^^y^ms  ZwXias  (MIV,  515—17). 

Von  den  späteren  ScfariftsteUem  nenne  ich  nur  Einige  besonders  wichtige:  Eusc 
bios  (ed.  A.  Schoene.  Vol.  II.  Berol.  1866.  4.;  besonders  wichtig  durch  die  von  H.  Pe^ 
termann  besorgte  lateinische  Uebersetzung  der  Versio  Armenia);  Solinus  (ed.  Th. 
Mommsen.  Berol.  1864.  8.);  Vibius  Sequester  (ed.  J.  J.  Oberiin.  Argent.  1778.  8.), 
der  Sicilien  einigermassen  bevorzugt;  Stephanos  von  Byzanz  (ed.  A.  Meineke.  Berol. 
1849.  8.,  dt.  St  B);  die  lünerare  (ed.  Parthey  und  Pinder.  Berol.  1848.  8.j. 

Gtar  nicht  kann  ich  hier  von  den  anderen  Quellen  fKr  die  Kunde  des  alten  Siciiiens 
sprechen,  den  Inschriften,  Münzen  und  sonstigen  Ueberresten  des  Alterthums.  Die  Werke, 
in  denen  sie  gesammelt  sind,  werden  im  folgenden  Abschnitte  genannt  werden. 


2. 
Neuzeit  (Hülfsmittel) . 

Die  Beihe  der  Forscher  über  Sicilisches  Aiterthum  eröffiaet  der  Grieche  Oonst. 
Laskaris,  der  gegen  das  Ende  des  15.  Jahrh.  in  Messina  starb.  Seine  kleinen  Ab- 
handlungen de  Calabris  et  Sfeulis  illustribus  findet  man  in  Mauroly^us  Sic.  Bist.  I  (Thes. 
IV) .  M.  nennt  ihn  p.  22  Bembi  et  multorum  Messanensium  praeceptor. 

Sobald  sieh  nun  in  SieiMen  selbst  die  Kenntniss  der  alten  Schriftsteller  verbreitete» 
musste  bei  den  Gelehrten  der  Insel  der  Wunsch  rege  werden,  die  alte  Geschichte  des 
Vaterlands  aus  der  Verborgenheit  zu  ziehen.  Den  ersten,  an  die  Oeffentlichkeit  gelangten 
Versuch  in  dieser  Richtung  machte  der  Syrakusaner  Mario  Arezzo,  Historiograph 
Karis  V.,  in:  Gl.  Marii  Aretii  SidHae  ch<»ographia  accuratissima.  Pan.  1527.  8.  und 
öfter,  auch  in  Graev.  Thes.  I. 

Unendlich  viel  mehr  leistete  Tomm.  Fazello,  ein  Dominicaner ,  geb.  zu  Sciacca 
1490,  gestorben  zu  Palermo  1570.    Von  P.  Jovlus  veranhisst,  arbeitete  er  in  seinen 


320      Anhang.  I.  2.  Moderne  Bearbeitungen  der  Geschichte  des  alt«n  Siciliens. 

Mussestunden  an  der  grossen  Beschreibung  nnd  Geschichte  Siciliens»  die  unter  dem  Titel 
Thom.  Fazelli  de  rebus  Siculis  decades  duae.  Pan.  1558.  fol.  herauskam.  Das  Werk 
erschien  italienisch  Venez.  1574.  4.;  ist  lateinisch  abgedruckt  in  Graev.  Thes.  lY  (wonach 
ich  citire);  neu  herausgegeben  und  fortgesetzt  inTh.  F.  de  reb.  Sic.  dec.II  crit.  animadv. 
atque  auctt.  ab  V.  M.  Amico  et  Stateila  iUustr.  III  voll.  fol.  Cat.  1749—53.  Dieses  italie- 
nisch Pal.  1830—33.  VII  voll,  in  8.  Von  den  2  Dekaden  ist  die  erste  geographisch ,  die 
zweite  historisch.  Fazell's  Leistungen  sind  in  geographischer  Beziehung  vorzHglich ; 
seine  erste  Dekade  ist  noch  immer  unentbehrlich.  Vgl.  Ad.  Holm,  Beitriige  zur  Bericht!- 
tigung  der  Karte  des  alten  Siciliens.   Lttb.  1866.  4.  —  Die  zweite  Dekade  ist  antiquirt. 

Keinen  wesentlichen  Fortschritt  machte  die  Kenntniss  des  alten  Siciliens  durch  die 
Werke  von  Fr.  Maurolico  und  Gius.  Buonfiglio:  Sicaniearum  rerum  eompendium 
Maurolyco  Abb.  Sic.  authore.  Hess.  1562.  4.,.  vollständiger  in  Graev.  Thes.  IV,  und 
Gius.  Buonfiglio  Gostanzo  Parte  Prima  (e  sec.)  dell*  historia  Sic.  Venez.  1604.  4.  (Mess. 
1613.  4.).  Parte  III.  Mess.  1613.  4. 

Nach  Fazell  war  die  Aufgabe  der  sioilischen  Alterthnmsforschung  zunächst  eine 
doppelte.  Es  galt  einerseits  in  den  einzelnen  Städten  der  Insel  durch  Detailforschungen 
das  grosse  geographische  Gremälde  zu  ergänzen ,  eine  Aufgabe ,  an  deren  Lösung  sich 
vorzugsweise  die  Sicilianer  selbst  betheiligen  mussten ;  andererseits  einzelne  Disciplinen 
der  Alterthumswissenschaft  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Sicilien  auszubauen,  was  eben- 
sowohl durch  Fremde  geschehen  konnte.  Ich  spreche  zunächst  von  den  Arbeiten  letzte- 
rer Art. 

Zur  Numismatik  des  alten  Siciliens  ward  der  Grund  gelegt  in  dem  leider  nicht  immer 
zuverlässigen  Werke :  Hub.  Goltz,  Sicilia  et  magna  Graecia.  Brug.  1576.  fol.  Wieder- 
holt öfter ,  auch  in  s.  Opp.  T.  IV.  Derselben  Aufgabe  unterzog  sich  in  umfassenderer 
Weise  Fil.  Paruta  in  seiner  Sicilia  descritta  con  medaglie.  Pal.  1612.  fol.  Dasselbe  in 
miglior  ordine  disp.  da  M.  Maier.  Lione  1697.  fol.  Zuletzt  von  S.  Haverkamp  in  Gktiev. 
Thes.  VI— Vin. 

Ein  grosser  Gewinn  erwuchs  der  Wissenschaft  dadurch,  dass  ein  aus  der  holländischen 
Schule  der  Philologie  hervorgegangener  Gelehrter  seine  gründliche  Kenntniss  der  alten 
Sprachen  zu  einer  Sammlung  und  Erläuterung  aller  Stellen  der  Alten  verwerthete,  auf 
denen  die  Geographie  des  alten  Siciliens  beruht.  Phil.  Cluver,  der  bedeutendste  Geo- 
graph seinerzeit,  1580  in  Danzig  geboren,  1623  in  Leiden  gestorben,  gab  seine  Sicilia 
antiqua  1619  in  fol.  in  Leiden  heraus.  Ich  citire  (Gl.)  nach  der  Ausgabe  in  Graev.  Thes.  I. 
Ueber  seine  Arbeit  an  diesem  Werke,  das  sich  auf  Topographie  nicht  einlässt,  vgl.  s. 
beiden  Vorreden;  Über  ihn  überhaupt  s.  Leichenrede  durch  Dan.  Heinsius  in  dessen 
Orationes.  Amst.  1657.  S.  105—17;  über  seine  Bedeutung  für  die  sicilische  Geographie 
Ad.  Holm,  Beiträge  u.  s.  w.  S.  6. 

Die  sicilische  Epigraphik  begründete  ein  anderer  Deutscher  Georg  Walther, 
dessen  gprosse  Inschriftensammlung  leider  mit  ihm  selbst  in  den  Fluten  des  Faro  von 
Messina  zu  Grunde  ging.  Doch  hatte  er' die  sicilischen  Inschriften  bereits  herausgegeben 
in  dem  Werke :  G.  Gualtherus,  Siciliae,  objac.  insularum  et  Bmtiorum  antiquae  tabulae. 
Mess.  1625.  4.,  das  auch  eingefügt  ist  in  den  Haverkamp'schen  Paruta,  Thes.  VI— VIII. 
Nachrichten  Über  den  wenig  bekannten ,  jung  verstorbenen  Mann  giebt  Burmann's  Praef . 
zu  T.  VI  des  Thesaurus,  sowie  Oarrera  Oatana  III,  1.  Seine  Verdienste  würdigt  Th. 
Mommsen  im  Bull.  d.  Inst  1846.  S.  149. 

Eine  nützliche  Zusammenstellung  anderer  Art  unternahm  Ottav.  Gaetani,  ein 
Jesuit  aus  Syrakus  (1566—1620),  indem  er  eine  Uebersicht  der  gottesdienstlichen  Alter- 
thttmer  der  Insel  in  einem  Werke  von  grossem  Stoffreichthnm  gab ,  das  jedodi  erst  unter 
dem  Titel  Oct.  Cajetani  Isagoge  ad  historiam  sacram  Siculam.  Pan.  1707.  4.  erschien;  es 
steht  auch  in  Graev.  Thes.  II. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrh.  eröffnete  ein  genaueres  Studium  der  semitischen 


Haurolico  —  Ventfmiglta.  321 

Sprachen  einen  Einblick  in  die  Beziehung«!  des  alten  Siciliena  zum  Oriente.  Die  In  dieser 
Riasiebt  auf  der  Insel  herrschenden  Vorstellungen  sind  S.  9 1  mitgetbeitt.  Da  w 
die  von  Sam.  Boohart  gegebene  Anregung  von  hohem  Werthe  ,  der  im  üweitei 
seiner 'grossen  Qeographia  sacra  ^e  Spuren  der  PhCnicier  auch  nach  Siciliea  vi 
Sein  Buch  :  Sam.  Bocharti  Greographia  sacra.  Cadomi  1646.  fol.  n.  öfter ,  z.  B.  ] 
1674.  4.,  ist  ein  werthvoller  Vorläufer  der  im  gegenwärtigen  Jahrhundert  mit  1 
Kethode  von  Mosers  wieder  aufgenommenen  Untersuchungen  dieser  Art.  Pars  p 
lOianaan)  entbült  in  Üb.  1  cap.  26—30  Sioitleu,  Hidta,  und  die  andermomlii 

Iniwieohen  wurden  von  geborenen  Sicilianem  localhistoriscbe  und  topogra 
Arbeiten  TerOffentlicht ,  von  denen  die  bemerkenswerthesten  bis  zum  Anfange 
Jabrb.  folgende  sind. 

Palermo.  P,  Banzani  (lebte  im  ib.  Jahrb.)  opusc.  de  auctore,  piimo 
progreun  urbis  Panormi.  Pan.  1737.  4.  auch  in  der  Raocolta  di  opusc.  d.  aut.  t 
sowiePal.  1864, herausg.  von  Di  HafEO.  —  D.  Mar.  V sign arnera,  Discorso  dell' 
ed  antichiti  di  Pal.  Pal.  1614.  4.  Lat.  in  Graev.  Thee.  XIII.  —  Ag.  Inveges,  1 
«ntico.  Pal,  164»,  Lat.  in  Graev.  Thes.  XIV, 

SyrakuB.  Vinc,  Mirabella,  Dichiarazione  della  pianta  dell'  antloa  S 
Nap.  1613.  fol.  Lat.  in  Graev.  Tbes.  Ueber  Mir.  vgl.  Fr.  di  P.  Avolio  Hemori« 
Cav,  Hirabella.  Pal.  1839.  8.  ~  Seine  IrrthUmer  suchte  zu  berichtigen  Gia 
oanni  eColonna  duca  di  Hontalbano,  La  Siracusa  illuetrata.  Hess.  1624.  4. 
sbgedmi^t  im  I.Bande  Delle  anticbeSiracuse.  Pal.  1717.  fbl.  Lat.  in  Sraev.  Tl 

Catania.  P.  Carrera,  Memorie  storlche  della  citt4  di  Catania.  Cat.  1639 
voll.  fol.  Lat,  in  Graev,  Thes,  X.  Vgl.  Über  Carr,  V,  Natale.  Discorso  eugli  si 
P.  Carrer».  Nap.  1B3T. 

Hessina.  G,  Buonflglio,  Hessina.  Ven.  1606.  4.  Znsammen  mit  der  si 
echicbte  desselben  Verf.  Hess,  1738. fol.  Plac.  Reyna,  Notin.  stör,  della  cittidil 
T.  I  Hees,  165S.  T.  H  166S.  4,  Lat.  in  Graev.  Thee.  IX.  Plac.  Caraffa,  Della 
Uessina.  Ven.  1670. 

EbeuBO  giebt  es  von  den  minderwichtigen  Städten  LocalgeschichteD ,  meist  n 
LocalpatriotiBmuB  als  Kritik  geschrieben,  von  denen  man  viele  in  Graev.  Thes.  la 

Am  Ende  des  IT,  Jahrb.  wurde  ein  wichtiger  Fortschritt  in  der  Kunde  des  alt 
AI tertbums  durch  die  Abhandlungen  Rieb.  Bentley'a  Über  die  Briefe  des  l^ialt 
beigeführt.  So  lange  mau  im  attiscben  Dialekt  der  späteren  Zeit  geschriebene, 
sttischen  Bildung  beruhende  Briefe  flir  das  Werk  eines  Sicillers  des  6.  Jahrh.  ^ 
halten  konnte,  hatte  man  von  der  älteren  Geschichte  Sicillens  eine  sehr  wenig 
Vorstellung.  Indem  aber  Bentley  in  dieser  Beziehung  die  herrschenden  Ansebi 
berichtigte ,  gab  er  ingleich  In  Ezcnrsen  werthvolle  Aufklärungen  Ober  Detaitfh 
Die  Titel  der  Schriften  s.  u,  bei  Pbalaris. 

Einige  Zeit  darauf  legte  der  Palermitaniscbe  Canonicus  Ant.  Mongltore 
1713]  den  Grund  zur  sicillschen  Literaturgeschichte  durch  s.  Bjbliotheca  Sicu 
scHptoribns  Si'cnlis.  Pan.  ITOS— 14.  II  voll,  fol.  Dera,  schrieb  eine  SIcilia  rioerci 
cose  piü  meraorabili  Pal.  1742.43.  II  voll.  4.  Giov.  Ventimiglia,  De"  poeti ; 
libro  primo,  Nap.  1663.  4.  umfasst  nur  die  poeti  bncolici. 

Da  von  dem,  was  bis  zum  Anfange  des  18.  Jahrb.  über  Siciüens  Alterthti 
schrieben  war,  Hftucbes  keine  hinreichende  Verbreitung  gefunden  hatte,  war  es  d 
«erth,  dass  zu  einer  Zeit,  wo  die  griechlscbeoi  und  römischen  Antiquitäten  in  Tl 
gesammelt  worden,  auch  Sicilien  dieselbe  Sorg&lt  gewidmet  wunle.  Als  Fori 
des  Graevins' sehen  Thesaums  der  Italischen  AltertbUmer  erschien :  Thesaums  j 
tatum  et  HiBtoriamm  Sicillae,  Sardlniae  et  Corsieae,  digeri  coeptus  cura  ei 

Halm,  a«(Oh.  SldUBU.  I.  21 


322        Anhang.  I.  3.  Moderne  Bearbeitnngen  der  Geschichte  des  alten  Siciliens. 

J.  Q.  GiaflTÜ,  com  praefott.  P.  Barmsnni,  L.  B.  1713— 25.  XV  vc^.  infol.  Hu 
findet  darin  Fftiell,  Cluver,  Paruta,  die  Locslschriften  u.  s.  w.  in  lateinisdier  Sprache. 
Seit  dem  Ende  dea  IT.  Jahrh.  traWn  zu  dea  streng  wisaetiachAftlicheti  Werken  tlber 
Jium  Bücher  einer  neuen  Gattung :  BeiBebeacbreibnngen.  Bedeutende  Gelahrte 
len  Anfang  mit  grändlicheo  Uitthellungeo  dieser  Art  über  Alterthümsr,  Museen 
itheken ;  später  folgten  Weltmänner  nach ,  welche  dieaelben  Gegesstände  in 
iteren  Weiae  behandelten.  Die  erste  Sicilien  betreffende  Beisebeschreibung  iat 
lie  gelehrteste  von  allen.    Ihr  Ver&sser  war  derProfeiiBor  Jac.  Phil.  d'Or- 

Amsterdam  (1696—1751],  der  1727  Sicilien  besuchte.  Sein  Werk  erschien  erat 
im  Tode:  J.  Fb.  d'Orville,  Sicula,  quibiis  Sioiliae  veteria  indera,  additis  anti- 
UtbuUs,  illttstrantur,  ed.  et  oomm.  ad  numism.  Stculaetc.  adjecit  P.  Burmanaas 

Amst.  1764,  II  voll,  fol.    Von  den  34  grossen  Kupfern,  die  daa  Werk  (abge- 

den  Miinubbildungen]  enthült,  betreffen  30  die  AlterÜiUmer  Sicüiena ;  sie  sind 
inalige  Zeit  vortrefflich. 

etine  sogleich  die  Übrigen  wichtigeren  Reieen  dirch  Sicilien  bia  znm  Ende  des 
inderta.  [v.  Riedesel)  Reise  durch  Sicilien  und  Grossgriechenland.  Zur.  1771. 
B.  Laus.  1773  und  Par.  tS02.  H.  Der  Verfasser,  Fi^nnd  Winckelmann'i,  hat  ein 
B  latwesse  für  Archäologie.  H.  Swinburne,  Travel«  in  ttaa  two  Sieiliea. 
3—85.  nvoll.  i.  Deutsch  von  J.  E.  Forster.  Hamb.  1T85.  2Bdja.  B.  Für  die 
ik  war  nach  Ullnter,  Vorr.  3.  12  Dutena  Hitarbeiter  Swinbume's.  —  [Jnbe- 
;  P.  Brydone,  A  tonr  through  Sicily.  Lond.  1771.  Dtsch.  Lpz.  1771;  und 
)oroh ,  LeUres  aur  la  SIcile.  Tur.  1783,  DUch.  Bern  1796.  —  Von  grtJeeerem 
ad  zwei  reich  illnstriite  französische  Reiaewerke  von  bedentendem  Umfang, 
on,  Voyago  pittoresque  de  Naplea  et  deSicile.  Par.  1781—80.  Vvoll.  in  fol. 
g.  von  J.  P.  Charrin.  Par.  ISIS  ff.  IV  voll.  8  nnd  Atlaa  in  fol.  Deutsch  (von 
I]  Ne^Kil  und  Sicilien,  Gi>tha]789  ff.  in  12Bden.  8.,  yon  deneadie  swei  letzten 
nschriften  und  Münzen  nach  Torremnzza  in  ungenUgender  Weiae  inaammon- 
er  Text  iat  ungleich,  dae  Werk  verschiedener  Hitarbeiter;  ron  beaonderem 
e  Beiträge  Dolomiens'  Über  die  vulkanischen  Gegenden  dee  Val  di  Noto.  Ein 
itubeiter,  der  bekannte  Denon,  hat  ein  beeonderes Buch:  Voyage  en  Sloile. 

8.  TerSffentltcbt.  Die  Kupfer  dea  Saiot-Nou'aahen  Werkes  nennt  Bartels  II 
inig  Creui.  Von  weit  grosserem  Werthe  ist  fUr  die  Eenntnias  der  AlterthilmM- 
T.  Houel,  Voyage  pittoresque  des  lies  de  Sicile ,  de  Halte  et  de  Lipari.    Par. 

IV  voll,  in  fol.  Deutsch  von  Keerl.  Gotha  1787  ff.  6  Thle.  in  8.  Bartels  U, 
III  und  Grass  I,  141  rühmen  die  Treue  der  264  Kupfer,  die  Alles,  was  H.  an 
m  des  Alterthums  von  Bedeutung  schien,  darstellen. 

I  qäter  als  Houel'B  Reise  fallen  die  in  folgend«!  zwei  brauchbaren  Werken 
loen:  Fr.  Hünter,Ef[erretningerom  begge  Sicilieme.  KjOb.  1788.8. Deutsch 
«  von  Neapel  und  Sicilien.  Kopenh.  1790.  8.  J.  H.  Bartels  [starb  1850  »ia 
sterinHambuvg),  Briefe  über Kalabrien  nnd  Sieilien.  Otttt.  1787—92.  3 Bde.  8. 
re  Beisebesehroibungen  sind :  GOthes  Sicilien  in  Bd.  28  s.  Sämmtl.  Werke ; 
MBden;  Tagebuch  von  H.  Knight  in  GOthe's  Haokert,  Bd.  37  s.  Werke 
S.321  GOthe'a  Urtbeil  über  die  sioilischen  Reisebeschreibungen  des  18.  Jahrh.); 

Stollberg,  Reise  in  Deutachland  u.  i.  w.  KUnigsb.  1704.  4  Bde.  8.  J.  G. 
Spaziergang  nach  Syrak US.  BraunBchw.  t8U3.  8. 

n  systematischen  Werken  über  Sicilien  hat  im  18.  Jahrhundert  das  Ausland 
geringen  Bai  trag  geliefert:  (J.  Lävesque)  deBurigny,  Histoire  gänärale 
AlaHayel74G.  II  voll.  4.,  eine  gefällige,  nicht  immer  grüudlicheDaratellunfr- 
mehr  thaten  die  Italiener  und  speciell  die  Siollianer  selbst.  Zuerst  mnss  Jedoch 
aennOnch  aus  Cortona  genannt  werden  :  Gins-  Har.  Pancrasi,  dessen  Anti- 
ane  spiegate.  Nap.  1751.  52.  Ilvoll.firi.  ausführlich  dieUeberiMte  vonAkngaa 


D-OrvUle  —  Logotet».  $28 

betutndehi.    So  wu  denn  eadtieh  Buch  dieser  bisher  von  den  LocalUstorikem  Ternsoh- 
läaHigten  Stadt  eine  ■usfUlirliche  Bearbeitung  zu  Theil  geworden. 

Weit  BedeotendereB  aber  haben  die  Sicilianer  «elbet  geleittet.  Die  zweite  Hälfte  des 
tS.  Jahrh.  war  ftlr  die  lusel  eine  Periode  frischen  Lebeng,  namentlich  in  wissp"'"*'*'^- 
Hcher  Beziehung.  An  der  Spitze  der  Städte  der  Insel  stand  Catania,  das  sieh  ät 
erwarb,  die  gebildetate  Stadt  Sioiliens  zu  sein.  Hier  weckte  zuerst  V.  H.  Ami 
— Ilfi2),  Prior  des  Benediktinerklostera  daselbet ,  Interesse  ftlr  Alterthamgwfse 
Von  ihm  sind  aneser  der  otien  erwähnten  Bearbeitung  Fazell's :  Catania  illnatra 
1740— 4e.IV  voll.  fol.  L^icon  topographicum  Siculnm.  Pau.  etCat.  1757—59.  11 
bearbeitet  in  Qioach.  di  Harao,  Diiionario  t(q)ogra6co  della  Sic.  di  V.  Amico, 
iat.  ed.  anaot.  Pal.  IBäS.  U  voll.  4.  Durch  Ami  cos  Lei  icon  ward  gewissenoau 
fiOatig  das  na voUatäudig  g^li ebene  Werk:  (G.  A.  Hassa)  La  Sicilia  in  pro 
Parte  1  e  IL  Pal.  1709.  4.  Amieo  hat  das  Huseum  der  Benediktiner  in  Catania 
det.  —  Koch  berühmter  als  er  ist  der  FUrst  vonfiisoari  geworden  (1719- 
veranstaltete  Ausgrabungen  in  Catania  und  sorgte  fUr  Erhaltung  des  Auogeg 
er  vereinigte  seine  Saaunlnugeu  in  eiaem  noch  vorhandenen  H useain ;  er  rsrÄiaat 
■elbat  eine  Ueberaicht  der  AlterthUmer  Siciliens  in  Form  einer  Keise :  Tg».  Pai 
Btello,  Princ,  di  Bfscari,  Viaggio  per  tutte  le  aoUcbit&  di  Sicilia.  Nap.  1T81.  4. 
Zu  eiuem  von  ihm  projeclirten  Werke  Über  das  alte  Eatana  sind  ca.  50  Eupfer  g 
worden,  die  1623  aoehTorhanden  waren:  Sctnäll,  17S. 

Diesen  MBuBrematellta  sich,  den  Ruhm  Palermo' s  wahrend,  an  die  Seite  Gabi 
Castelli,  FUrst  von  Torremuizs  (1-727—93),  der  ausser  durch  kleinere  Sehr I 
sUglich  dnrcfa  die  Sammlung  der  Inschriften  und  UUnzen  das  alten  Siciliens  sich 
gemaebt  hat.  Von  ihm  ist :  Siciliae  et  objac.  insularum  veterum  insoriptionnm  t 
lectio.  Pau.  1769.  fol.  Dass.  iterum  cniB  emendation.  et  auotariia  ernigatum.  P 
fei.  Desselben  SlcU.  p<^ulor.  et  urbium ,  rcgum  quoque  et  tyranaornn  vetwei 
Pau.  1761.  ioi.  D»u  aactarium  I.  Pau.  1789.  fol.,  auet.  11.  Pau.  1791.  fei.  Nac 
Pfaino  hätten  sechs  andere  Werke  die  übrigen  Atterthflmer  der  Insel  nnfatse] 
vf^.  B.  Idea  d'uB  tesoro  che  contenga  nna  generale  raccolta  di  totlc  le  «utiohil 
Ojxiec.  diaut  Sicil.  VIII,  ISl.  Pal.  176^.  —  Neben  Torienuiza  kaDoen  noch  in 
als  Befitrderer  der  Alterthnrnsstudien  genannt  werden:  Dom.  Sehiavo  (1719- 
Salv.  dlBlasi,  der  der  HauptgrüBder  des  Uuseums  des  Elostera  S.  Hartino 
reale  geweseu  ist  ISeluä  n,  136).  1T3«  gründete  Ign.  Saluitro  das  nach  Uum 
Museum  der  Jesuiten  in  Palermo. 

Der  in  Siellien  herracbende  Elier  fflr  die  Altea^hmusknude  bewog  auch  i\ 
ruDg  (1779),  sich  thätig  der  Sache  anzimehDien ;  sie  enuunte  Biecari  nnd  Toit« 
Conservatoren  der  Alterlhtimer  der  Insel  und  stellte  Ihnen  eine  freilich  Dicht  be 
Summe  jShrlich  eor  Veriilgnug.  So  fcombe  manche*  Denkmai  dem  Untei^ange 
werden.  Vgl.  Scina  H,  179  und  UUnter  g.  383.  B4. 

In  eine  etwas  spätere  Zeit  fallt  die  Thätigkeit  eines  Hannes,  der  fllr  Synikn 
lieber  Weise  wirkte,  wie  Biseui  fUr  Catania,  des  Bittars  Saverio  Laudolini 
)RI3).  Er  veranstaltete  Ausgrabnugeu,  In  denen  manch  werthvollee  Stück  gefi 
(1803  der  Aeskutap,  1B04  die  Venus;  Scin&  II,  244)  und  schützte  die  antiken  He 
nach  Kräften.  Veröffentlicht  hat  er  nur  Unbedeutendes;  dagegen  stand  er  in  1 
Briefwechsel  mit  auswärtigen  Gelehrten  {deewegen  getadelt  von  Soiui  II,  342). 
ward  seine  Entdeckung  des  VerMtrens ,  Papier  ans  Fapyrns  zu  bereiten.  Vgl. 
Avolio,  Lette«elüt.  agli  stndii  delCav.  Sav,  Landolina.  Sirac.  1S36.  8.  —  S 
kennen  fllrSyrakusder  Graf  Ces.  Gaetanl  (Abhandlungen  in  den  von  diBlaa 
deten  Sammelwerken:  Opnsooli  di  autori  Sidliani  T.  I— XX.  Pal.  1758—78 
Nnova  Sacc<^ta  di  opusc.  di  aut.  Sic.  T.  I— IX.  Pal  17SS— 96.  4.]  Qins.  L< 
(AUi.  zum  Theil  ebendaselbat,  ausserdem  Gli  antichi  monumeoü  di  Siracusa  : 

21* 


324        Anbaog  I.  3.  Moderne  Bearbeitungen  der  (Üeschichte  des  alten  Siclliens. 

Kap.  1786.  S.   undCat.  17SS.  8.)  nnd  Giua.  Mar.  Capodieci  (Antichi  monnm.  di  Si- 
raciua.  Sir.  1816.  U  voll.  4.,  vgl.  Eepbal.  II,  10—12)  genannt  werden. 

Die  grossen  Umwälzungen,  welche  du  contineotale  Europa  in  Folge  der  Bevolution 

—  i-of.  t„fgn_  berührten  bekanntlich  Sicilien  nicht. direkt ,  da  es  durch  die  Wachsam- 

Inglllnder  vor  der  framÜBischen  Eroberung  geschlitzt  wurde.    Bei  der  groasen 

jenes  Volkes  fiir  Alterthumsstudien  wären  nun  Werke  Über  Siciliena  Aiter- 

)  Früchte  des  langen  Aufenthaltes  der  Engländer  auf  dieser  Insel  eu  erwarten 

doch  erschienen  solche  nicht.  Dagegen  ist  als  eine  Folge  der  englischen  Ocon- 
t  Werk  des  Capit.  W.  H,  Smy  th  (geb.  nS8,  starb  als  Adairal  1S6&1  :  Sicily 
ands.  Lond.  1824.  4.  mit  Enpfem  nnd  einem  hydrographischen  Atlas  von  32 

gr.  fol.,  eine  genaue  Schildemug,  besonders  derKUsten  und  Heere,  zu  betrach- 
m.) .  Auf  seinen  Arbeiten  beruht  (llr  die  EUsten  auch  die  Carta  generale  della 
icilia ,  comp,  nell'  officio  topografico  di  Napoli ,  1826  in  4  Blättern ,  die  (Ur  das 
:bt  genügt.  Eine  Wiederholung  dieser  Earte  mit  einigen  Znsätzen  ist  die  Cart* 
lellaSiciliavonFr.  Badalamenti.  Pal.  1663. 

igenwärtigen  Jahrhundert  wurde  die  Zahl  der  antiken  Städte  der  Insel ,  welche 
id  genauerer  Untersuchung  waren ,  um  eine  vermehrt  durch  die  Forschungen 
ludica,  der  Nachgrabungen  nach  den  Ueberresten  der  alten  oberhalb  Palazzolo'a 

Stadt  anstellte.  Er  legte  die  Ruinen  mehrerer  antiken  Ciebäude  frei,  brachte 
nlung  von  Alterthtlmern  zusammen  und  stellte  fest,  dass  die  Stadt  das  alte 
r.  Seine  Forschungen  sind  veröffentlicht  in  G.  Jndica,  Le  antichitä  di  Acre. 
9.  fol.;  doch  hat  er  sie  ancb  noch  nach  dieser  Zeit  fortgesetzt, 
camauch  die  Zelt  heran,  wo  die  so  oft  geschilderten  nnd  malerisch  abgebildeten 
onumente  der  Insel  in  genaueren  Werken  publicirt  wurden.  Zuerst  sind  hier 
i:  W.  Wilkins,  The  Antiqnitiesof  Magna  Graecia.  Cambr.  I80T.  fol.  mit  B& 

aus  anderen  Werken  entlehnten  Eupfem ,  sowie  F.  Gärtner,  Ansichten  der 
»1  erhaltenen  griechischen  Monumente  Sioiliens.  Hünchen  1819.  fol.  Von 
wen  ferner  die  Arbeiten  fremder  Architekten  Über  einzelne  Monumente ,  von 
onders  zu  nennen  sind  die  bei  Gelegenheit  des  Zeustempels  von  Akragas  anzu- 

Schriften  vonCh.  Bob.  Cockerell  (1TS&-1863;  und  Leo  v.  Elenze[17S4 
nd  die  von  der  wichtigen,  durch  die  Engländer  Harris  (starb  als  Opfer  des  kli- 

Fiebers)  und  Angell  im  J.  1823  gemachten  Entdeckung  der  selmnutiachen 
liandelnde  Schriftr  Angell  and  Evans,  Sculptnred  Metopes  discovered  at 
'  W.  Harris  and  S.  Angell.  Lond.  IS26.  fol. 

umfassende  und  zugleich  genaue  Publikation  der  sicilianischen  Monumente  ver- 
lann  Jac.  Ign.  Hittorff  (geb.  in  Edln  1793,  gestorben  als  Architekt  in  Paris 
.  Hittorff  et  L.  Zanth,  Architecture  antique  de  la  Sicile.  Paris  1826  ff.  fol.  Von 
issenen  30  Lief.  Planohes  sind  jedoch  nur  8  erschienen.  Vgl.  die  anerkennende 
[es  Werkes  von  GUthe  (Werke  Bd.  44.  S.  173).  Hittorff  hat  der  Polyohromie  in 
in  Architektur  eine  besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet  und  seine  eine  mtlg- 
ständige  Bemalung  der  Tempel  vertretende  Ansicht  noch  in  folgenden  Schriften 
t:  De  1' architecture  polychrome  chez  les  Qrecs,  in  den  Ann.  de  l'Inst.  1830 
und  Restitution  du  temple  d'Emp^docIe  s  Silinonte ,  on  l'archit.  polychrome 
rrecs.  Par.  1851.  4.  mit  Atlas  in  fol. 

umfassender  und  deshalb  noch  wichtiger ,  als  Hittorff'g  Werk ,  ist  Jedoch : 

LoFasoDuca  di  Serra  di  Faico,  Le  antichiti  di  Sicilia  esposte  ed  lllu- 
J.  1832—42.    Vvoll.  in  fol.  mit  174  Tafeln.    Der  Verfasser  (geb.  ITSl,  gest. 

Mitglied  der  Alterthumscommission,  die  in  den  dreissiger  Jahren  manche  Aus- 
I,  hauptsächlich  durch  den  Architekten  Saverio  Cavallari  veranstaltet  hat. 
n  Gewinn  flir  die  Wissenschaft,  das«  der  Herzog  dieBesultate  dieser  Forschnn- 
em  Piachtwerke  publicirte,  daa  sich  vielfach  auf  Hittorff  stUtst,  und  bei  dessen 


1 


Capodieci  —  von  Hoyer. 

AbfaMiuig  ihm  der  Prof.  Haggiore  in  Palermo  an  die  Hand  ging  (AobImi 
Bd.  1.  enthSlt  Segesta ,  Bd.  2.  Selinus,  Bd.  3.  Akragas,  Bd.  4.  STraknii  i 
Bd.  5.  Katana,  Tauromenion,  Tyndaria  und  SoluDt. 

Wenn  Werke,  wie  das  von  HiCtorff  und  Serra  di  Faico  exiatiren,  bleib 
Beiaeudea  —  und  das  sind  nothwendigerweise  die  meisten  Ausländer  —  i 
liclikeit,  die  WiBsenaohaft  durch  Mittbeilung  tud  Neuem  zu  bereicbern.  So 
oeneren  Reisebesebrei bnugen  täi  Siciliens  alte  Geschichte  von  geringerem^ 
wo  sie  die  Stätt«D  der  alten  Kultur  achildern,  wo  denn  zu  bedauern  ist,  da 
sich  snf  dieselben  wicbtigaten  Punkte  beschränken  und  den  grOsateD  Theil 
beschrieben  laaaen.  FolgendeWerkemSgen  die  wicbtigaten  sein:  Deutsch 
Sicilische  Beise.  Stuttg.  u.  Ttib.  ISIS.  2  Bde.  8.  mit  Kupfern.  K.  W.  E 
Heise  durch  Italien  u.  SiciUen.  2  Bde.  Lpz.  181B.  S.  J.  Tommasini.  B 
lien.  Berl.  1825.  S.  Der  Verf.  istH.  Westpbai,  der  mit  einem  Werke 
alte  Geographie  beachäftigt,  den  21.  Aug.  1831  zwiachen  Cefalü  und  Termi 
1B31,S.  176j.  (G.  Parthey)  Wanderungen  durchSicilien  und  die  Levante.  1 
Berlin  1834.  8.  J.  C.  Fehr,  die  Insel  Sicilien.  St.  Gallen  1835.  8.  J.  Bau 
reise  durch  Italien  q.  SiciUen.  Luz.  1S3».  2  Bde.  8.  L.  Goldhann,  Aei 
mngen  in  Sicilien.  Lpz.  1S55.  8.  A.  G.  Garns,  Sicilien  und  Neapel.  Wi 
Sein  Begleiter  iat  eine  Zeit  lang  Cavallari.  F.  Oregoroviua,  Siciliana. 
0.  Speyer,  Bilder  itaJ.  Landes  undLebens.  Bd.  n.  Berlin  IS59.  8.  F.Li 
undNeapeL  Bd.L  Heben  1364.  8.  0.  Hartwig,  Ana  Sicilien.  Casa.u.G 
2Bde.  8.  —  FraDzdsla'ohe;  A.deSayve,  Voyage  en  Sieile.  Par.  182! 
oft Honel  folgend,  ohne  ihn  zu  nennen,  Comte  d e F o rb i n, Souvenira  deSi< 
8.  nebet  dem  Kupferwerke:  Oaterwald,  Voyage  pittor.  en  Sieile.  Par.  18 
NerTo.UntourenSicile.  Par.  1834.n  voll.  8.  Tb.  Renouardde  Busal 
enSioile.  Par.1837.  8.  E.Ri^clua,  La  Sieile,  inTonr  duHonde  1S66.  p.3E 
Mache:  C.  Hoare,  Clasaical  tourtbrongh  Italy  and  Siciiy.  1818.  II  roll,  i 
Picturee  fromSicily.Lond.  1859.  8.  mitAbbild.  (Geo.  Dennis)AHandfaoi 
lers  in  Sicily.  Lond.  Muiray  1S64.  12.  (Ich  citire  D.),  wo  die  ganze  Insel  j 
und  mehr  nützliche  Notizen  gegeben  werden  als  in  irgend  einem  anderen  R 

Die  noch  in  erwähnenden  atreng  wlasenachaftlicben  Werke  Über  dai 
ordne  ich  ebenfalls  nach  der  Nationalität  der  Foracber, 

Ich  beginne  mit  Deutachland,  daa  im  19,  Jahrb.  der  Bauptaitz  de 
wiasenacbaften  geworden  ist.  Waa  hier  für  die  politische  ttnd  Literatnrg 
daa  Studium  der  Kunat  und  Philosophie  des  Alterthuma  geleistet  worden 
für  Sicilien  grosse  Bedeutung.  Ich  nenne  nur  Boeckh  iPindar,  Corpua  Insi 
Sicilien  betreffender  Abschnitt  von  Franz  bearbeitet  ist ;  die  Herausgabe  d< 
Inacbriften  der  Insel  wird  vorbereitet);  0.  HüUer  (Dorier)  ;  Welcker 
Uommsen  (Gesch.  dea  rSm.  MUnzweaens! ;  endlich  die  Arbeiten  von  Moi 
Phtfnioier,  vor  Allem  Bd.  2,  Abth.  2,  wo  unter  den  Kolonien  auch  Sicil 
wird.  Dagegen  sind  Specialgeschichte  und  Geographie  der  Inael  weniger  b 
den.  Hier  Bind  zn  nennen :  GßUer,  de  situ  et  origiue  Syracusamm.  Lipa. 
Mannen,  Geographievonltalia.  2.  Abth.  Lpz.1823,  8.  G.Parthey.Sic 
tab.  emend.  Berol.  1834.  Schriften  J.  F.  Efaert's  inKUnigsberg  :  Diasertal 
T.  I.  Regim.  1825.  8.  und  £tx$litiv  a.  commentar.  de  Sic.  veteris  geographi 
Vol.  1.  P.  I.  Regim.  1830.  8.;  Schriften  J.F.Büttcher's  inDresden,  Re 
Siefert's,  J.  Arnoldt's,  endlich  J.  Schnbring's,  der  besonders  186 
lien  bereiste  (vgl.  Honataber.  der  Berl.  Akad.  1866  S.  754—57)  und  zahlrc 
liehe  Uonographien  verfiffentlicht  hat,  die,  wie  die  Schriften  der  andern  gens 
an  ihren  Orten  citirt  werden.  —  Unbrauchbar  istJ.von  Hoyer,  Geschlc 
Quedlinb.  u.  Leipz.  1838.  8. 


326        Anhang.  I.  2.  Hodeme  Bearbeltnngen~]der  Oesehicbt«  dea  alten  Siciliens. 

AusFrkDkreich  mna«  anewr  dem  wicbtigen MUnz werke  Hionnet'a:  Deacription 
de  MMaiUea  antiqoea,  wo  in  T.  1.  Par.  1806.  8,  Sicllien  enthalten  ist  (cit.  Mi.)  nud  dem 
SoppiSineDt  dazu  (ebenf.  T.  I.  Fftris  1819.  S.  cit.  Hi.  S. )  genannt  werden:  A.  Le- 
tronne,  Eaaai  arlt.  snr  la  topographie  de  Syracnse  an  commeDcem.  du  cinq.  siöcie  avant 
liTB' Tolgalro.  Par.  1813.  S. ;  sodann  Manches  TonRaoul-Roehette.sowoIilinaelner 
aisttrire  crit.  de  rdtaUi».  de»  colooie«  grecqnes.  Par.et  Strasb.  1S1&.  4 Voll.  S.  als  neh- 
me Artikel  in  Jonmal  dea  Saranta  1829—17.  Als  die  Akademie  der  Insohrißen  für  das 
Jahr  18-12  eine  amfasiende  Arbeit  ül>er  die  griechis^en  Kolonien  in  Sicilien  znm  Oegen- 
atand  der  Preisbewerbnng  gemacht  hatte,  tmg  Wlad.  firunet  de  Preale  denPreie 
davon,  dessen  schätzbare  Hecherebee  aar  les  Stabil  Meinen  tB  des  Gfocb  en  Sicile.  Par. 
1846.  S.  ereoliieDen.  Endlich  sind  des  Hersogs  deLnfDes  Abhandltingea  Über ridllsche 
Namlsnatik  in  der  Revue  Numismatique  von  Bedeutung. 

Aus  England  ist  zu  nennen  das  grosse  und  wichtige  Werk:  G.  Grote,  Hlstory  of 
Orcec«.  Lond.  1851—56.  12  voll,  in  8.  Dentsoh  in  6  Bünden  (von  mir  citirt) ;  daneben 
■nmisHiatiBche  und  topographische  Arbeiten  von  Leake:  Numlsmata  HeUenioa.  Lond. 
18S4.  4.  nebst  Supplem.  Lond.  1859.  4.,  and  über  Syrakns  Transaotions  oftbe  Royal  Sog. 
of  Liter.  III,  23S  ff. 

HollXndisehe  Gelehrte  haben  einzelne  Punkte  des  sIciUBcben  Alterthums  be~ 
handelt. 

In  Sioilien  finden  wir  eine  Menge  von  Porscfaeni  mit  dem  Alterthum  der  Insel 
besehäftigt.  Allgemeineren  Inhalts  sind  N.  Falmeri,  SommadellastoriaSiciliana.  Pal. 
1834— 40.  Vvolt.  8..  auch  1850  Ivol.  gr.  8.  A.F.Ferrara,  Storia  geneialedella  Siciiia. 
IXtoH.  Pal.  1830  —  38.  8.  und  das  tüchtige  Buch  Vino.  Natale.  Sulla  storia  antica 
della  Sieilia  discorsi.  Yol.  I.  Nap.  1843.  8.  Sodann  hatte  In  einer  jetzt  schon  hinter  nne 
liegenden  Zelt  Jede  der  grosseren  Städte  Stcilieos  wenigstens  einen  Alterthumsforschei' 
von  Ruf.  6o  wirkten  In  Palermo  Dom.  Scinä,  dessen  Prospetto  della  storia  tett«r»ri« 
dl  Slcilla  nel  see.  XVIII.  Pal.  t8!4~2T.  Ill  voll.  8.  schon  mehrfach  citirt  ist,  und  dr- 
oben erahnte  Haggiore;  InSyraknsderPrleldent  Avolio;  in  Catania  der  Canoni- 
cuQius.  Alessi,  der  eine  Storia  crit.  di  Sieilia  dai  tempi  (avolosi  insino  alla  cadute 
dell'  impero  Romano.  Vol.  I.  Cat.  1834.  4.  (ich  finde  4  Bände  citirt)  verfasst  bat;  in 
Oirgenti  endlich  Raff  Pollti,  Verfasser  Eshlreieher kleiner  Schriften ,  besonders  über 
Vasen.  Von  jüngeren  Forschem  ist  besonder«  A.  Sallnas  durch  mehrere  Vorarbeiten 
an  einem  von  ihm  beabsichtigten  Werke  über  die  antike  Numismatik  Siciliens  bekannt 
geworden. 

Die  neuesten  politischen  UmwSlzungen  haben  auch  auf  die  Alterthumsstudlen  In 
Sicilien  einen  günstigen  Einfluss  ausgeübt.  Die  Regierung  hat  der  sicilischen  Alterthnins- 
comraisiion  namhafte  Geldmittel  zur  Verfügung  gestellt,  und  Sav.  Cavallari  ist  mit 
der  Leitnng  der  Arbeiten  —  Ausgrabungen  n.  s.  w,  —  beauftragt  worden.  Man  hOrt  von 
erfreulichen  Resultaten  In  Syrakus,  Akragas,  Sellnus  nnd  S<rfns,  R^ultate,  die  hoffenlJich 
bald  noch  ansfUfariicber  pnblicirt  werden,  als  bis  jetzt  dorch  das  nur  begonnene  Bollettiao 
delltt  commiss.  di  antichitA  e  belle  arti  in  Sieilia.  Pal.  1864.  nebst  der  Relaztone  von  F. 
di  Giovanni,  1S6S,  geschehen  ist. 

Ein  höchst  wichtiges  Werk  ist  die  viHlreffliche  Karte  Siciliens  im  Haeestabe  von 
1 :50,0l>D,  41  Blätter  von  71  Cent.  Breite  und  51  C.  HUhe.  das  Resultat  der  vom  italieni- 
sehen  Generalstab  unter  Leitung  des  Obersten E.  de'Vecchl  in  den  Jahren  1B61 — 64 
auBgef&hrten  Vermessnng  der  Insel. 


Anhang  II.  Bel^;«  nnd  ErianteruDsen  hu  Bucb  I,  Kap.  I,  Seite  1—3. 
II. 

Belege  und  Erlänternngen. 

Erstes  Bach. 

Erstes  Kapitel. 

S.  I.    Theile  des  Uittelmeeres.    Die  EDtfernung  von  C.  Bon  in  Afti 

C.  doir  Armi  sOdlich  von  Beggio  in  Calabrien  beträgt  etwa  54  geogr.  Meilen , 
Bu  el  Hlllal  In  Barks  nacb  dem  Pelopoone  ei  sehen  C.  Matapan  etwa  52.  Die  grtia 
dehnong  Kretas  beträgt  etwa  35  Meilen,  die  SicUienB  38.  So  iat  es  also  nur  die  i 
dene  Lage  der  beiden  Inaein,  welcbe  den  Unterectaied  in  Abschlüsse  der  beidei 
des  Hittelmeeres  bervorbrlugt.  Ursprtlngllch  scheint  die  grosse  OsthSlfte  dei 
meerea,  die  Jetzt  in  der  kleinen  Syrte  ihr  Westende  findet,  sich  westlich  aufgleicj 
dnrdi  einen  Thell  der  Sahara  fortgesetzt  zu  haben ,  so  dass  der  Atlas  mit  sei 
bSngen  eine  Insel  bildete.  Eine  Spur  davon  finden  wir  In  der  Existenz  des  Mi 
der  nur  durch  eine  schmale  Landenge  vom  Golfe  von  Eabes ,  der  kleinen  S; 
trennt  ist. 

S.  I.  Siciliens  geringste  Entfernung  von  Afrika  giebt  Humb.  E 
152  2u  12  geogr.  Meilen  an.    Ich  bin  der  neuesten  Karte  von  Petennann  gefolgt. 

S.  2.  Siciliens  GrOsse  ward  frllber  nach  anbestimmten  Schätzungen  i 
5E8  D Meilen  angegeben,  dann  ist  man  auf  497  herabgestiegen;  die  10556  sqns 
bei  D.  VII  machen  ebenfalls  497  DMeilen.  Neuerdings  endlich  (Gotb.  Hofkat. 
nach  ital.  Statist.  Kachrichten)  werden  29239  D  Kilom,  angegeben ,  d.  h.  53 
D  Heilen. 

S.  2.  lieber  die  Geologie  Siciliens,  die  besonders  von  C.  Gemmellaro,  f 
les  Lyell  und  Fr.  Hoffinann  bearbeitet  ist,  vgl.  F.  Ferrara,  I  campi  flegrei  delli 
Mess.  1810.  4. ;  C.  Gemmellaro  sopra  la  fislonomia  delle  montagne  di  Sicll.  in 
deU'  Äcad.  Gloeola  von  Catania  V,  73-93  ,  Auaiand  1842.  S.  1 121 .  22  und  D.  I 

S.  2.  Ueber  den  Charakter  der  slcillanlschen  Landschaften  des 
Tgl.D.  an  verschiedenen  Stelleu.  3.  147  wird  die  Auseicht  von  CalataGmi  bezeii 
of  truly  SIcilian  aspect,  bare,  green  and  treeloss,  a  sucoession  of  low  swells  In  th 
dlstanoe,  and  ranges  of  wild  mountains  od  the  horizon.  S,  225  wird  ein  Anssp 
Marqu.  of  Ormondecltlrt:  Tbere  are  many  countries  where  the  mountains  are  mnc 
ihan  those  of  Sicily,  but  tbere  is  not  perhape  any  part  of  the  globe  of  similar  ( 
uniformly  mi^d.  Vgl.  femer  S.  241.  246.  290  u.  Öfter. 

S.S.  Als  Bädlichsteu  Punkt  Siciliens  giebt  Smyth  Append.  p.  38  an: 
Island  beiC.  Passaro:  36«  3S'  10";  als  nördlichsten:  C.  Rasaculmo :  36» 
(p.  37). 

S,  3.  Eine  Ueberei cht  der  Vertbeilung  derFeldarbeiten  inSicilien 
einzelnen  Monate  giebt  J.  F.  Neigebaur,  Sicilien.  Lpz.  1848.  S-  55 — 58. 

8.  3,    Die  Eistheilung  des  sicilischen  Bodens   nach  den  K« 

D.  XV.  XVI. 

S.3.  Die  Produkte  der  Insel:  Smyth  1—25  und C.  A.  Jacob,  Heuere  Nao 
Über  Sioilien.  Bann.  1823.  8.  S.  30—49. 


;g  Anhang  ü.  Belege  und  Erlünternngen. 

Zur  Erläaterang  spüter  Torkommender  Hasw  bemerke  ich ,  daas  das  frilher  in  Sici- 
n  imhriiacbliche  ÜDgenmasa  war ; 

1  csana  za  S  p&lmi,  zu  12  once,  zu  12  linee. 

1  Heter  =  3,87  p&lm. 

I  Yard  -  3,54    . 

1  Palm  ist  0,8  Bheinl.  Fnss  oder  9,7  ZoU  (Neigeb.  169  ff.). 

Zweites  Kapitel. 

Trennung  Slciliens  von  Italien  Str.  VI,  1,6.  Diod.  IV,  85  schreibt  die 
ennaJtaiol  /lu^y^rf-ot  Ea  nndBagt,Heeiod habe aie nicht getheilt.  Häufig  beson- 
len  Späteren.  luat.  IV,  1 ;  impetu  Bnperi  maria.  Vergl.  Aen.  III,  414—19.   Ov. 

290—92  u.  a.  m. ;  besonders  aaBfUhrlich  noch  Engt,  zu  Dion.  Per.  476.  —  An- 
silt  über  den  Kamen  Ehegion  nach  ApoIIod.  II,  5,  10  Grotefend,  Zur  Geogr.  u. 
on  Alt-IMIien.  Hann.  1S40.  4.  I,  9  (ärTo^(%ruff>  htilöi,  d.  h.  der  Stier  des 
.  —  Ueberdie  Aneichteu  der  Alten  in  Betreff  der  Bildung  der  Insel  vgl. 
bes.  19)  und  VI,  1 ,  G ,  sowie  Humb.  KoBm.  IV,  534 ,  der  dem  Geographen  von 
lierbei  ivielen  geologischen  Scharfsinni  zuschreibt.  —  Ueber  die  Qleichheit 
teine  an  beiden  Seiten  der  Heerenge  vgl.  Brocchi  Osserraz.  geolog.  sui  con- 
teggio,  e  salla  aponda  opposta  della  Sic.  Bibl.  Ital.  XIX  p.  69  (cit.  von  Parthef 
—  D.  510  nennt  den  general  aspect  der  beiden  Küsten  »ery  different.  —  Ge- 

iefe  der  Meerenge  schon  von  Faz.  bemerkt,  der  SO  passns  als  Maximum 
ivas  natürlich  nur  von  einzelnen  Strecken  gilt.  —  Str.  I,  3.  10  spricht  von  einem 
jrfen  der  Insel  vnh  laü  AhvaCov  nvi/ös. 

Siciliens  Meere.    Namen:  Tv^^qnxav,  Aißvxöv,  £txf3.ixir  [AvaöyuH')  Str. 

20.  St.  B.  B.  V.  Tfiynxgia  bat  aus  Eallimachos  T^iräugiof  novrot,  ebenso  Ap. 
191  und  Luc.  Aetn.  96  (T.  gurgea).    Sil.  XIV,  234  nennt  das  Tyrrhen.  Heer  p. 

Das  eikel.  Heer,  welches  Str.  I,  3,  4  fllr  sehr  tief  erklärt,  nennt  Mela  II,  7,  14 
q1.  ;  Ptol. ;  Sol.  S,  1 1  Adriaticnm ;  so  auch  Paus.  V,  25,  3 :  toü  'jitglov. 

Heerenge.  Namen.  Gewöhnlich  no^S/jot  Zaiüixit,  so  Str.  II,  5,  19.  Thuk. 
gt  des  Zusammenhanges  wegen  nur  nog&fiÖ!,  anch  XäffußJis.  n,  ^ixtUas  Ar. 

jT.2"x«ii(.rofÄth.VII,311.  JT,  ri/e<rijn*orLyc.  Al.v.649.2"iwiöf  ^'ofDion.  Per. 
>l  ujV  ÄüÜBv  noptf^of  Plat.ep.  VII,  345.  VinlCne  ff.  Ant.  Hir.  138.  Auch  fföpoe. 
tOmem  gew.  fretum  Siculum.  Siciliense  Cic.  ND  111,10.  Scy llaeum  Cic.  p. Sext. 
icnm  OroB.  I,  2.  Rhegium  Sali.  sp.  Is.  Or.  XIII,  IS.  Ap.  Arg.  IV,  919  nennt  es 
iiaälös.  —  Breite:  7  Stad.  nach  Str.  II,  5,  19;  nach  dems.  VI,  1,  5  wenig 
6;  auch  Schol.  Ap.  Rh.  IV,  S25  hat  6  oder  7.  T  Stad.  nach  Eust.  z.  Dion.  Per. 
anch  den  engsten  Theil  des  Hellesponts  zu  T  Stad.  angiebt.  —  11  Stad.  Timo- 
«i  Agathem.  20 ,  HG  II ,  4&2.  —  12  Stad.  nach  Polyb.  1 ,  42 ;  Plin.  HI ,  73.  45. 
,  SSsagt.  dass  sie  15  m.  p.  lang  und  1500  passus  breit  eei  juxta  columnam  Rhe- 
elche  nach  Str.  VI,  I.  5  der  Peloris  gegenüber,  6  Stad.  vom  Vorgeb.  Kainya, 
kyl.  13  giebt  die  Entfernung  von  12  Stad.  gar  fUr  die  Distanz  von  Peloris  nach 
an,  ganz  irrtbtlmlich,  wenn  nicht  etwa  mit  Qail  und  HUlIer  änb  'Ptfylev  zu  tilgen 
I  Stad.  nach  Tim.  bei  Diod.  IV,  22.  —  20  Stad.  endlich  nach  Thuk.  VI,  1.  — 
nd  blieb  die  Annahme  von  12  Stad.  —  1500  passus  (scbmalste  Stelle) ;  so  Faz. 
iodoroB  et  Plinius  scripserunt  et  nos  metimur.    Die  Wahrheit  liegt  in  der  Mitte 

dieser  Annahme  und  der  des  Thukydides.  —  Nach  Sil.  XIV,  10  httrte  man 
hell  und  Hahnenschrei  Über  das  Wasser;  D.  509  versichert  dasselbe.  —  Hauche 
genommen,  die  Hoerenge  sei  früher  viel  enger  gewesen  als  jeüt;  Sm.  S.  108 
:e  bei  D.  510  sind  der  entgegengesetzten  Ansicht. 


Zu  Buch  I,  Kap.  2,  Seite  6—9.  329 

S.  8.  Strömung  und  Strudel  der  Heerenge.  Im  Allgemeinen  vgl.  Str.  1,3;  11 
ausEratosthenes,  dessen  Ansicht  nur,  insofern  er  cße  StrOmung  mit  einer  Niveauver- 
schiedenheit  des  Tyrrhenischen  und  Sicilischen  Meeres  zusammenhängen  iässt,  verworfen 
wird.  An  den  Mond  erinnert  auch  Ar.  Mir.  55;  ausführlich  ders.  130.  Thuk.IV,  24  giebt 
nur  das  Zusammenströmen  der  beiden  Meere  als  Grund  der  Bewegung  an ;  eben  so  Paus.  V , 
25, 3 ;  Tzetz.Chil.  XI,  361  spricht  sogar  von  drei  zusammenströmenden  Meeren.  Lycophr.743 
und  der  K^XiS  not.tjTiji  bei  Eust.  zu  Od.  XII,  105  scheinen  jedoch  angenommen  zu  haben, 
dass  die  Bewegung  vulkanischen  Ursprungs  sei.  Vgl.  Cluv.  I ,  cap.  5.  —  lieber  den 
Strudel  bei  Messana  Str.  VI,  2,  3:  defxpvrai  cf^  xai  ^  XuQvßdtg  fiutqov  nQo  xijg  no^ 
X$mg  iv  Tip  no^fp.  —  Die  Geschichte  von  Pesce  Cola  bei  Faz.  53.  54.  —  Ueber  die 
Natur  der  Strömungen  der  Meerenge  Sm.  109.  110,  dessen  Nachrichten  über  die  Namen 
mit  den  von  Erat,  bei  Str.  gegebenen  zu  vergleichen  sind.  Nach  diesem  heisst  die  nach 
Süden  gehende  xariniv  (so  auch,  wie  es  scheint,  D.  Hai.  I,  22),  nach  Sm.  110  descending; 
jener  nennt  sie  nlrijufÄVQ^f,  dieser  dagegen  ebb.  Der  nach  Norden  gehende  Strom  heisst 
bei  Erat,  i^nov,  bei  Sm.  ascending;  femer  bei  Er.  afAnwTig,  bei  Sm.  flood.  —  Den  Stru- 
del sub  eztimo  Pelori  excursu  erwähnt  Ol.  82.  —  Eine  Aufzählung  der  hauptsächlichsten 
Strudel  der  Meerenge  hei  D.  510.  11.  Ueber  den  bei  Messina  Sm.  123.  Namen  desselben 
bei  Bart.  II,  66. 

S.  9.  Marobia  Sm.  224.  25,  der  den  Namen  von  mare  ubbriaco,  das  trunkene  Meer, 
herleitet.  Lykos  (fr.  8  M  II,  373)  bei  Ant.  Mir.  148  sagt,  dass  der  Kamikos  d^ttlattrig 
Ceovaris  ^€i,  was  wohl  heissen  soll  dia  d-al.  (. 

S.  9.  Namen  der  Insel.  Diod.  V,  2  sagt  zusammenfassend:  ^  yag  yijaog  rb  na-^ 
Xatov  äno  fikv  tov  a^ri^nTog  TqtvaxQCa  xXrjd-€l(fa,  anh  6k  rtSv  xatoixtjatcVKov  avTrjv  ^i' 

Xttvmy  2ixavla  ngoaayoQev^sTaa,  TsXfvtaTov  6k  ano  rdSy  Six^hvv wvofxaaxai  2ix^X(tt. 

—  Mit  TgtvaxQia  hielt  man  für  gleichbedeutend  das  homerische  Bqivttxtri  (Od.  XI, 
106),  und  Str.  VI,  2,  1  meint  deshalb,  die  älteste  Form  sei  TQtvaxQia  gewesen  und  B^ira^ 
xlfi  oder,  wie  einige  Handschr.  haben,  BQivaxig,  eine  der  bequemeren  Aussprache  wegen 
gemachte  Veränderung.  Andere  dagegen  (St.B.  s.  v.  TQivaxQta)  leiten  den  Namen 
Thrinakia  daher:  ort  &QCvttxl  ianv  ofioCa,  und  man  könnte ,  im  Gegensatze  zu  Strabon, 
mit  grösserem  Rechte  annehmen,  dass  Bgivaxla  der  ursprüngliche  Name  war :  Dreizack- 
insel ,  d.  h.  Insel  des  Poseidon ,  woraus  sich  dann  erst  später  mit  einer  Umdeutung  auf 
die  drei  Vorgebirge  der  Name  TgivaxQia  gebildet  hätte ,  der  eigentlich  TgtaxgCn  hätte 
heissen  müssen.  Nach  Skymn.  267.  68  wäre  die  Benennung  Trinakria  von  den  Iberern 
ausgegangen,  d.  h.  wohl  von  den  Sikanem.  Dion.  Per.  467  hat  die  Form  Tqivaxtri. 
TgtvaxQig  ßndet  sich  bei  Philosteph.,  bei  Tzetz.  Chil.  VII,  672  und  lateiniscb  Ov.  Pont. 
II,  10,  22.  (Auch  Rhodos  hiess  Trinacrie  nach  Piin.  V,  132.)  Natürlich  wurde  der  Name 
auch  von  einem  Heros  hergeleitet.  St.  B.  s.  v.  TgivaxQüi  und  Eust.  z.  Dion.  p.  467  sagen, 
nach  der  Behauptung  der  Sibylle  sei  die  Insel  T.  genannt  6ia  ro  TQivfcxQov  fiovxoXov  tbv 
JIo4fetdt»rog  2ixiX(ag  äg^tei  (St.B.)  oder  ano  TQivaxov  (oder  TgivaxoVj  ßovxoXov  (Eust.) 
Vgl.  Serv.  z.  Aen.  I,  196:  Philostephanos  tt.  t.  rrjcKov  sine  r  litera  Trinaciam  appellat, 
ort  Tgivttxog  ngtiiog  avrijg  ißaaiXevaev  (fr.  16  M  III,  31);  doch  steht  fr.  17  ebendas.  Tgtva- 
xgiJi,  Offenbar  spricht  auch  die  Herleitung  von  einem  Sohne  des  Poseidon  fOr  die  Rich- 
tigkeit der  Vermuthung,  dass  BQwaxCri  die  ursprünglichere  Form  sei.  —  D'Orv.  163 
möchte  den  Namen  der  Insel  von  dem  der  Stadt  TqivaxCa  herleiten  (s.  n.).  —  Nach  St.B. 
ist  das  Is^vixov  TQivnxgitvg.  —  Der  Name  2*1  x  a  y  ^  a  als  der  frühere  bezeichnet  von  Hellan. 
(fk-.  51  M  I,  51)  bei  Const.  Porph.  Them.  H,  10  p.  102;  Herod.  VII,  170;  Thuk.  VI,  2.  - 
Sehr  ungenau  sagt  Plin.  III,  86 :  Sicania  a  Thucydide  dicta.  —  Daher  oft  bei  römischen 
Dichtem,  z.  B.  Verg.  Aen.  I,  557. 

S.  9.  Gestalt  der  Insel.  Ov.  Met.  XIII,  724:  tribus  excurrit  in  aequora  Unguis 
(gut  für  die  niedrigen  Zungen  gesagt).  Nach  Hyg^n.  276  ist  Sicilien  in  triscelo  posita. 
Mela  n,  7,  14  vergleicht  es  mit  dem  Delta;  das  ägyptische  Delta  mit  Sicilien  verglichen 


330  Anhang  11.  Belege  und  Erlttotenmgen. 

von  Diod.  I,  34.    Poetische ,  von  der  Gestalt  der  Insel  hergenommene  Beiwörter  sind  : 
roi^tiQog,  dreiköpfig,  Lyk.  966;    TQixaQrjvog  Nonn.  Dion.  li,  624;  t^ayXux*^*  dreispttzig*. 
Find,  bei  Eust.  zn  Dion.  Per.  467 ;  tQnotpog,  dreihüglig  (soll  auf  die  Vorgebirge  geben) 
Nonn.  VI,  124;  trisulca  Ciaud.  B.Pr.  I,  14S;  endlich  oft  triqoetra  z.  B.  Luer.  I,  71S ; 
Qoint.  XVI,  30.  —  Die  Figur  der  sogenannten  Triqnetra,  von  der  später  noch  die 
Rede  sein  wird,  findet  sich  auf  sicilischen  Münzen  schwerlich  vor  dem  4.  Jahrb.  vor  Chr. 
Kein  alter  Schriftsteller  bezeichnet  sie  als  das  Symbol  Siciliens ;  natürlich  kann  Sol.  5,2: 
Sic.  triquetra  specie  figoratur,  nicht  hierauf  gedeutet  werden,  und  ebenso  wenig  die  obea 
angef.  Worte  Hygin's,  wie  Ol.  57  meint.    Ich  habe  bei  Fazell  noch  keine  Spur  ihrer  Deu- 
tung gefunden,  die  erst  von  Mirabella  herzurühren  scheint  (Erläut.  zu  Num.  XYI;  S.  164 
derUebers.  in  Graev.  Thes.).  -^  lieber  die  Lage  und  Grösse  Siciliens  vgl.  die 
mehr  oder  weniger  verfehlten  Vorstellungen  und  Angaben  bei  Str.  VI,  2,  1 ;  Diod.  V,  2 ; 
PI.  III,  86  ff. ;  Ptol.    Man  scheint  im  Allgemeinen  das  Lilybaion  für  die  Südspltse  ge- 
halten zu  haben.  —  Als  grösste  Insel  bezeichnet  es  Str.  II,  5,  19.  ->  Zur  Umschiffung 
der  Insel  brauchte  man  nach  Piut.  de  exil.  10  vier  Tage,  nach  Str.  VI,  2,  1  fünf  Tage 
und  fUnf  Nächte.  MG  I,  23  meint,  es  mOchte  vielleicht  statt  17  «'  zu  lesen  sein ;  unnöthig, 
da  die  so  eben  angeführte  Plntarchische  Zahl  noch  geringer  ist.  Nach  Thuk.  VI,  1  mit 
einem  Lastschiffe  {olxadi)  acht  Tage.   Böttcher  bemerkt,  dass  offenbar  bei  fortschreiten- 
der Schiffahrtkunst  eine  geringere  Zeit  erforderlich  wurde.  Heutzutage  dürfte  ein  Dampf- 
schiff nicht  weniger  als  60  Stunden  zu  einer  Fahrt  um  die  Insel  brauchen.    Nach  Posei- 
donios  war  eine  Fahrt  von  4400  Stadien  nöthig.  Str.  VI,  2,  1.  -—  Die  detaillirten  An- 
gaben der  Alten  über  den  Umfang  der  Insel  sind  folgende.  Poseidonlos.  Seine  Masse 
finden  sich  unvollständig  bei  Str.  VI,  2,  1.    P.  giebt  die  Seite  von  der  Peloris  bis  Lily- 
baion zu  1720  Stad.  (215  mp.)  an ;  der  von  der  Peloris  nach  der  Pachynos  schreibt  Strabon 
ebendas.  circa  1130  Stad.  1411/4  mp.  zu  (Str.  II,  4,  3:  nXfiovg  vxi^iovg),  und  man  kann 
annehmen,  dass  auch  diese  Zahl  aus  Pos.  geschöpft  ist.  Bei  der  dritten  Seite,  von  Lilyb. 
nach  Pachynos,  fehlt  die  Zahl.  Da  nun  bald  darauf  der  mgCnlovi  nach  Pos.  zu  4400  Stad. 
angegeben  wird,  so  hat  man  geglaubt ,  die  dritte  Seite  im  Sinne  des  Pos.  mit  1550  Stad. 
ergänzen  zu  dürfen  (4400  Stad.  «550  mp.).  —  Nach  Diodor  V,  2  sind  es  im  Ganzen  4360 
Stad.  (545  mp.),  die  sich  so  vertheilem  von  Pel.  nach  LH.  1700  Stad.  (212V2  mp.) ;  von 
Pel.  nach.  Pach.  1160  Stad.  (145  mp.) ;  von  LU.  nach  Pach.  1500 Stad.  (187Vs mp).    Da 
Str.  VI,  2,  1  von  Pos.  in  Betreff  seiner  Bestimmung  der  Entfernung  von  der  Pel.  nach 
Lil.  sich  so  ausdrückt:  arndivp  x^littw  xal  ^nraxooltov ,  toe  JT^auä^vioc sZgrptf,  n^öd-ilg 
xal  ttxcai,  erkennt  man  die  Diodorische  Angabe  von  1700  Stad.  als  die  ältere,  von  Pos. 
verbesserte.  Sie  stammte  (s.  u.  Agathemeros)  vonTimosthenes,  der  zur  Zeit  Ptolemaios'  II. 
lebte.    Im  Allgemeinen  stimmen ,  wie  man  sieht,  Pos.  und  Diodor  Überein.  —  Bei  Str. 
VI,  2,  1  istabernoch  eine  detaiUirtere Berechnung ,  rjf  x^^QoyQatplff  entnommen,  in 
Millien  ausgedrückt.    Sie  giebt,  wie  Str.  selbst  bemerkt,  grössere  Distanzen,  als  die  an- 
dere von  ihm  angeführte.    Hiemach  sind  von  der  Pel.  nach  Mylai  mp.  25 ,  weiter  nach 
Tyndaris  25,  nach  Agathymon  30,  nach  Alaisa  30,  nach  Kephaloidion  30,  nach  dem 
Himeiafluss  18,  nach  Panormos  35,  nach  Aigesta  32,  nach  Lilybaion  38,  zusammen  263  mp. 
Hier  ist  zu  beachten ,  dass  die  Distanzen  der  ersten  Strecken  unverhältnissmftssig  Huf 
Kosten  der  westlicheren  ausgedehnt  sind.    Zur  Rechtfertigung  der  Zahlen  zwischen 
Aiaisa  und  dem  Himerafluss  vgl.  Holm,  Beitr.  S.  20.  21.  Von  Lil.  nach  Herakleia  reehnet 
toner  die  Chor.  75,  weiter  nach  Akragas  20,  nach  Kamarina  20,  nach  Pachynos  50  mp.  — 
zusammen  165  mp.   Hier  will  Kramer  20  mp.  einfügen ,  damit  nicht  20 ,  sondern  40  zwi- 
schen Akragas  und  Kamarina  seien.  Müller  (p.  977)  nimmt  40  hinzu.   Letztere  Annahme 
besitzt  die  grössere  Wahrscheinlichkeit.    Endlich  iflir  die  dritte  Seite :  Pachynos  bis  Sy- 
raktts  36  mp.,  weiter  bis  Katana  60,  bis  Tauromenion  33,  bis  Messana  30,  zusammen  159 
mp.    Hier  fügt  Qroeskurd  ergänzend  hinzu :  bis  Peloris  9  mp.  Summa  der  drei  Seiten 
587  mp.  oder  mit  den  erwähnten  Zusätzen  636.    Alle  diese  Distanzen  sollen  aber  Voai 


Za  Buch  I,  Kap.  2,  Seite  9.  331 

Heerwege  ^tten,  denn  Stnbon  fügt  hlnzn  i  ni(y  it  t»  fiiv  nitjcüroir  tlg  ntkatgt^f"  l""- 
tÖ*  ii^iKivta  oKiiä,  tx  8t  Miaa^t^t  ils  AiXüßaioii  t^  Owl^eiif  öiip  [fluatäaia]  i 
ittrre.  —  Nich  Agathemeros  (HG  II,  182.  U)  tob  PelorU  nach  Pachyi 
Sted.  (170 ntp.),  von  Pelorig  n&ch  Lilybalon  1700 Sud.  (212>/i  npl.  von  ] 
OMh  LilybaioD  1600  Stad.  (200  mp.| ,  zusaminen  4660  Stad.  (582'/,  mp-}.  Die  Ec 
TOD  der  Pelorianacfa  I.ilybftion  JBt,  wie  Ag.  sagt,  nach  TimoatheQeB(>.o.  bei  Pose 
Bei  PH niu 8  111.  36.  87  iat  einaiseite  angegeben ,  daas  nach  Agrippa  die  gai 
einen  Uni&ng  von  61S  mp.  batte,  andereraelta  teireno  Itinere  die  Länge  der  i 
drei  Selten  mitgethellt ;  Peloria  nach  Pachynos  1^6  mp.,  Pachynoa  nach  Li 
Lilfb.  nach  Pelorii  170  mp. ,  loiammen  &56  mp.  Hier  ist  offenbar  ganz  verl 
letste  Zahl,  denn  die  in  Wirklichkeit  längste  Seite  wird  so  znr  kürzesten  gemai 
gegen  die  erste  offenbar  zu  grow  iat.  Ausserdem  kann  man  auf  den  Qedanken 
ob  nicbt  vielleicht  diese  drei  Zahlen  die  Summe  618  machen  mtlssten.  Indem  H 
dieser  Vwaussetzung  ausging,  hat  er  (MG  II,  483),  gestutzt  anf  AgatbemeroE 
folgendenn asten  emendirt.  Von  Pach.  nach  Lilyb.  bleibt  200,  was  Agath,  ebe 
von  Pel.  nach  Pach.  n'ird  170  mp.  gesetzt,  was  Agath.  hat  nnd  Flin.  fälschlich  < 
Bten  Seite  beilegt;  dann  bleibt  bei  Plin.  noch  die  Zahl  ISS  übrig,  die  in  246 
wird  ttnd  anf  die  Seite  von  Lilyb.  nach  Pel.  übertragen  'adeo  at  ex  triam  lata 
merls  flTO,  300,  246)  coUigatnr  summa  61S  mp.  quam  clrcuitu  insnlae  tribait  J 
Nur  scbade,  dass  trotz  der  Emendatioo  nur  616  herauskommt !  Es  ist  Itberdles  i 
sosgemAcht,  dass  die  tarreno  itinere  gemessenen  Distannen  die  Summe  618  g«beii 
die  ja  anf  die  Umschiffung  gehen  kannte.  Man  sieht  wohl,  dass  bei  Plin.  Feh 
aber  nicht,  wie  zu  emcndiren  ist.  —  Aus  den  Itinerarien  führe  ich  feigem 
an.  Das  lt.  Ant.  hat  von  Liljb.  nach  Hess.  244  mp. ,  das  lt.  Harit.  p.  23S  Pi 
Heisana  nach  Tauromenion  290  8tad.,  weiter  nach  Katana  300  Stad.,  von  Kat. 
rakns  900  (ganz  bisch !  P.  verbessert  300,  eine  von  vielen  Möglichkeiten),  von  i 
Pachynos  400,  znssmmen  IT&O;  nach  P.  12&0Stad.,  letzeres  =  l56V2'mp.  V 
nach  Agrlgent  400  Stad.  Igana  talsch  I  P.  meint  1100),  Agrig.  nach  Litybaion  T 
EQsammen  1150,  nach  P.  1860  Stad.  ■>  231>/t  mp. .  was  Jedoch  zu  viel  ist.  so 
Emendstion  P.'s  aufgegeben  werden  muss.  —  Auf  der  Tab.  Peut.  fehlen  bei  < 
Strecken  die  Zahlen.  Im  Allgomeiaen  stimmt  sie  mit  dem  It.  Ant.  ttberein,  nur 
bei  der  Strecke  von  Peloris  nach  Kephaloidion  die  Entfernung  noch  geringer  mi 
das  It.,  das  schon  gegen  die  Chorographie  eine  Ermässigung  hatte.  Diese  hat 
bis  Kepb.  140  mp. ,  das  It,  Ant.  128  (wenn  man  von  AJaisa  bis  Eepb.  statt  28 
die  Tab.  hat  nur  107,  allerdings  etwas  lu  wenig.  In  runder  Zahl  pflegte  man  der 
der  Insel  zu  4500  Stad.,  circa  112  geogr.  Heilen,  Im  AUerthnm  abzuschätzen, 
Angabe  bei  Skyl.  13  (wo  jedoch  späterer  Zusatz  ist]  zeigt,  dass  jede  Seite  1! 
l^änge  habe.  Sol.  5,  27  giebt  nur  3000  Stad.  an. 

S.  9.  Entfernung  Siciliens  von  anderen  LSndern.  Ton  Afrika  1< 
Pol.  I,  42  1  1500  Stad.  Str.  VI ,  2 ,  1  nnd  Eoat.  zd  Dion.  473 ;  180  mp.  Plin.  U 
Von  Sardinien  190  mp.  Plin.  111,  87.  —  Von  Pachynos  nach  dem  Peloponnes 
Plin.  in,  87  ;  nach  der  Mündung  des  Alpheios  4000  Stad.  Str.  VI,  2,  1 ;  n 
Tanarischmi  Vorgeblrge'4600  Slad.  Artemidoros  b.  Str.  VI,  2,  1.  —  Von  Ki 
SUd.  Str.  II,  4,  3.  —  Von  der  Meerenge  nach  den  Sünlen  des  Herakles  12000  8 
U,  4,  3.  A  Gaditano  freto  Siciliam  xli:  L  mil.  pass.   PI.  VI,  206.  Vgl.  anch  207 

S.  9.  Von  der  Hebung  der  Küsten  Siciliens  sagt  E.  R£clu8,  Len» 
Bev.  d.  d.  M.  1  Jaill.  186a  S.  119  :  la  seule  ^iävation  du  aol  qui  sit  kt&  oonatata 
sdetx»,  est  le  soolövement  lent  et  gön^ral,  anqael  participent  toutee  lee  cMes  de 

g.  0.  Peloris.  Xkmen:  mk(afii.  ijThuk.  IV,  25  u.  sonst;  von  L.  Diu 
theidigt  N.  Jafarb.  1860.  2,  S.  125;  nsitoQids,  i  Str.  VI,  2,  1  n.  aonit;  77^.1 
Ptol.  «ad  Honn.  Dion.  XTII ,  321 :  irop  iififviniTt  mXii(f.  —  Bd  den  BOmei 


Anhang  11.  Belege  und  ErUtntenuigen. 

c.  Vert.  V,  3)  und  PeloriaB  (Ov.  Fast.  IV,  479)  ancb  Öfter  Pelonis  {Sil.  XIV. 
ilonim  so.  promont.  Plin.  III,  ST.  Bei  Meta  II,  7,  15  schwankt  die  Lesart  zwi- 
irias  und  Pelorna;  doch  steht  7,  IS  Acc.  Felorida,  —  Ueber  den  Ursprung 
IS  Str.  I,  1,  17 ,  wo  der  Vergleich  mit  dem  Euiipns  von  Euboea  gezogen  wird, 
ird  der  Name  H&nnibsl's  genannt,  der  nach  Mela  II,  7,  15  von  Afrika  nach 
EhVal.  Max,  IX,  9,  SnU.ap.Sarv.  Aen.IU,  411  und  Md.  Or.  XIV,  7  von  ItaJien 
A  fuhr.  Han  braucht  zui  Widerlegung  dieser  Eereinxiehnng  Hannibal'B  nur  anf 
2S  zu  verweisen.  Die  Möglichkeit  einer  solchen  Täuschung  wird  auch  von 
,  1  bemerkt.  Dass  Übrigens  Hannibal  auf  keiner  der  genannten  Fahrten  die 
SU  pasalren  hatte,  Ist  klar.  Andere  Herleitungen :  ab  angusta  (fangnsta?)  sede 
en.  m,  6S7  ;  von  der  GrSsse  Eust.  z.  Od.  IX,  1S7.  Sil.  XIV,  78 :  Celsos  arenosa 
ole  PeloruB.  —  Uaber  den  Peloros  in  ThesBalien  Ath.  XIV,  639,  wo  au- 
ich  Peloro«  nur  den  Durchbrach  meldet,  dann  aber  dem  Zeus  U^ges  die 
Bfeiert  werden.  —  Aaf  der  Peloria  ein  Tempel  des  Poseidon,  Dlod.  IV,  85; 
,  der  aivXls  oder  dem  Tivfyier  der  Rheginer  gdgenUber,  Str.  HI,  b,  5;  eine 
lulatrix  alto  e  tnmulo  nach  Val.  Hax.  IX,  9.  —  Nach  It.  Ant.  lag  dort  ein  Ort 
—  Die  drei  Seen  der  Peloris  sind  geschildert  von  Sol.  V,  3.  Einer  ist  piscinm 
der  zweite  duplicem  piscandi  venaodique  praebet  volnptatem ;  der  dritte  kann 
jiner  ara  betreten  werden ;  wer  weiter  geht,  quantam  sui  partem  gntgiti  inHma- 
un  perditnm  it.  Ders.  schildert  V,  2  die  Feloriae  als  nnico  soli  temperamento, 
e  humido  in  lutum  madefiat,  neque  fatiac&t  in  pulverem  siccitate.  —  Michaelis, 
1.  Dresd.  185G.  S.  14.  15  meint,  die  Beschreibung  des  wunderbaren  Sees  passe 
uf  den  der  Paliken.  Faz.  45  nnd  Cluv.  95  kennen  noch  drei  Seen ;  Smyth  106 
i08.  9  setzt  den  dritten  zwischen  die  beiden  jetzt  vorhandenen,  von  der  irrigen 
ausgehend .  dasB  die  ara  des  Solin  der  T.  des  Poseidon  gewesen  sei ,  for ,  on 
)  canal ,  which  unitea  them ,  at  about  1 00  yards  from  the  long  lake  remains  of 
temple  were  brought  to  light,  which  may  have  been  that  of  Neptune ,  and  the 
ich  had  been  forgotten  for  ages,  thoof^  the  granite  columns  had  been  carried 
for  the  conBtniction  of  the  nave  of  the  cathedial.  —  Dia  Vergleichnng  mit 
von  Hossina :  C.  Gemmellaro  in  den  Atti  dell'  Acad.  Gioeu.  X,  277.  Von  den 
lor  Peloris  s.  u. 

Drepanum  Plin.  111,  88.  —  keytryor  icxforFtol  Gewöhnlich  fUr  C.  S. 
halten.  Jtö-xwvof  nur  bei  App.  B,  C.  V,  110.  Nach  Ptol.  ist  jedoch  das  Ar- 
;lbwegB  zwischen  Messana  und  Tauromenion;  da  nnn  fflr  den  Kiiavro!  das 
lio  als  Tauromenion  näher  gelegen  besser  passen  würde  |vgl.  Holm,  Beitr.  zur 
tr  Karte  Sic.  S.  II  und  35) ,  so  kitnnte  anch  das  C.  GroBso  das  Argennon  sein, 
ann.  279. 

OraPeloritano  Sol.  V,  5. 

JConpia  Str.  VI,2,  3.  Seneca  ep.  79  (fragend);  vgl.  Cl.  114  und  Sm.  112. 
I  Namens  «echmutziges  Uferi  ist  dagegen  za  bemerken,  dsss  nach  Plin.  n,  2211 
knam  et  Hylas  fimo  similia  exspuuntur  in  litos ;  ebenso  Sen.  nat.  qu.  ni,  26 ; 
bestätigt  durch  die  Aussagen  der  Einwohner  nach  Clav.  379.  Aehollches 
>r  vielfach  am  Meercsnfer  vor ,  ja  sogar  in  Quellen  (Arethnsa).  Wenn  es  nun 
lenioD  viel  geschah,  so  konnte  daher  der  Name  Kow^ia  kommen,  während 
t  mirfoi  nichts  zn  thuu  haben. 

FortuBUIixis.  Plin.  lU,  89.  0.449  nennt  die  Bucht  von  Lognina  .a  little 
oked  with  lava  rockan. 

Xlphonia.  ro  Tflea'»¥*i>'/acö«p«rii?eiof8tr.VI, 2,2;  lifiiiv S^<öviiosSky\.\^. 
bring,  Umwander.  d.  megar.  Heerb.  Ztaohr.  f.  allg.  Erdk.  N.  F.  XXVni  S.  463 
{leine  Meerbusen  zwischen  Augusta  und  C.  S.  Croce  noch  jetzt  bei  den  An- 
-  Diod.  XIV,  58;  m^X  tov  TbSqov  xaiov/iirov.    Die  dort  an- 


Zu  Buch  I.  Kap.  2,  Seit«  10-13.  333 

gegebene  EntfeniuDg  von  IBOStad.  von  SynikuB  pMStKuf  C.  S.  Oroce.  Ptol.  vervechselt 
den  Tkoroe  mit  Thapsoa,  veno  er  Dicht  mit  Scbvbring  1.  I.  460  entsprechend  zn  emen- 
diien  ist.  Pias«,  die  TymuniB  d.  GrieclKn  n ,  220  spricht  ohne  Grand  von  einem  Flnsse 
Tanioa. 

8.  11.  »BVoe,  Ä.Tbuk.  VI,97u.  öfter.  Verg.Aen.IU,  688.  gt.B.  Vgi.S 
I.  1.  442.  43. 

S.  11.  Die  Verglefcbung  der  Buchten  von  Hegs»  und  Syrakue  an 
beiSchubr.  437-39. 

S.  II.  TfaiVtlocheiasterstensdiegaiueBncht  zwiBcbenThapBOsnnd  Ai 
nach  Sil.  XIV,  269 :  per6atiu]ne  Trogilos  Äustria,  dann  beBonderB  die  BUdItobe  £ 
selben :  Thuk.  VI,  99  u.  öfter.  Bei  Liv.  XXV,  23  portBB  Trogilorum.  St.  B.  V] 
bring  440.  41. 

8.  11.  nlitfifti'fnir  Thuk.  VII,  4  n.  öfter.  nX^/ifivfa  beisBt  die  Flut, 
Verg.  Aen.  ID,  693  bezeichnend  sagt :  P.  nndoBQm. 

S.  11.  Xrpo<i't>i7<ro;PtoI.  könnte  vielleicht  nach  Cl.  165  und  Scbnbr.  443 
beMicbnen  eollen. 

S.  11.  MaxQÖv  äxgov  Ptol. 

S.  11.  Portos  Naastatbmufl  Plfn.  lU,  8S  zwischen  Syrakus  und  den 
Elonun. 

8.11.  /Ta'jfirfoc  (^  ^  »,  lat  ^  ^ -],  ^,  Pachynus  und -um,  oft  erwäbnt,  Noi 
Xni,  322:  Sänido*  vtinaXov  ili^iioiioio  Hazvrav.  —  Der  Ort  Pachino  ist  erst  in 
Jabrfanndert  angelegt.  D.3T1.  —  Die  Lage  des  P.  angegeben  von  Dion.  Per.  4 
'vyis,  von  Festna  Avienns  636  :  in  matutinoB  ortus,  von  Prise.  4S2  :  suh  ortum, 
Het.  xni,  725 :  ad  austros,  von  Oroa.  1, 2 ;  ad  Euronotnm,  von  Sol.  V,  2 :  in  Pelop 
et  meridianam  plagam.  A^.  -trvioc.  ~wixis. 

8.  12.  '06vaiitta  äxpa  Ptol.  Ljk.  1030:  xov  Ztavrpfiov  naiSic  öx^ie« 
Nach  Tzetz.  das.  früher  KAx^«;  femer  Lyk.  IISI  ff.  und  Tz.  das.  über  den  Tei 
das  Kenotaph,  wobei  sich  aua  Lyk.  520  ergiebt,  dass  die  •nnQ^iros  ^oyjKnc  ni 
man  früher  annahm,  Hekate,  sondern  Athene  ist. 

S.  12.  PortuaPachyni  und  P.  Odysseae  Cic.  Verr.  V,  34.  Sm.  181.  1 
JJtS.  12.  Nach  Pol.  I,  37  ist  die  SU dk äste  n«ioyCo  nnd  ifi>{n(iofö(i/>i<riac. 

8.  J2.  Kavxata  lipijr  Ptol.  Prok.  Rer  Vand.  I,  14,  wonach  er  ungefähr  t 
von  Syrakns  entfernt  würe ;  es  sind  aber  fast  400.  Vgl.  Sm.  193.  94. 

S.  12.  BoixQu  [Spoüna  Grasb.)  Ptol.  Wäre  jene  Form  richtig,  so  wäre  di« 
KQo  in  Bukra  und  Eakra  zu  beachten,  die  wohl  an  Sx^a  erinnern  könnte. 

8.  12.  Ueber  den  Anblick  des  Gebirges  von  Caltabellotta  Sm.  216. 
^  8.  12.  ^tlvßaiav  (govljhni. Form), -JJior,  -^oy,  ->,t;  H^qu  Ap.Rb.  IV,919 
Dion.  Per.  469.  70,  Lilybaeura  gewöhnlich,  vada  Lilybeia  Veng.  Aen.  III,  706.  ■ 
^«.(Kf^enPol,  1,39.  Vgl.  St.  B.  Ueber  den  Hafen  Sm,  233.  ~  NacbAel.VI 
Plin.  VH,  85  u.  A.  gab  es  einen  Mann,  Namens  Strabon  (der  Schielende) ,  der  v 
UUschen  Voi^ebirge  die  aus  dem  karthagischen  Hafen  Isnfcnden  Schiffe  zählen 
Nach  Cluv.  290  erzählten  die  Bewohner  der  Gegend ,  dass  von  dem  Berge  Ci 
heiterem  Himmel  das  afrikanische  Cap  Bon  gesehen  werden  könne.  —  Ueber  den 
in  der  Kirche  3.  Giovanni  Battista  ausserhalb  der  Stadt  D.  ISO. 
"'  8.13.  ^.'/fffopooe  ««e«  Ptol.  .^/yi'ffBÜof  und  ".^ikUoc  Diod.  3 
(Hoesch.l:  TÖr  MY(9aXioy  Öntm  rvy'^xtXii»' xalovai.  Zon.VIII,  15.  -  afyl»al!i 
die  Meise.  Nach  Schubring,  Motyo-Liiybaion(Philol.  XXIV.l  S.  49— 82)  S.  69  Ai 
AigitballoB  oder  Aigitharsos  eigentlich  das  vom  C.  Teodoro  weit  herausragei 
land  gewesen,  das  später  zu  den  Inseln  Borrone  und  Longa  wurde.  Ich  mnas  bc 
dasB  die  Karte  des  italienischen  Generalstabes  überhaupt  nicht  mehr  zwei  Inseli 
L.  kennt,  sondern  nur  eine.  —8.13.  •i'aiäxQtor  Ski/qv  Ptol. 


334  Anhttng-  II.  Belegs  and  ErlUuteningeii' 

8.  13.  Gebirge,  rrf  NißgäSri  (NivaiöSr,)  öpij.  Str.  Vi,  1,  9  sagt  voB  ibnen . 
ärtatgtt  tj  jltir^  TniKn-orJp«  (ih>  itlatti  Si  aeki  nafaV-ärroiTa.  Sil.  XIV,  S3T  ;  He- 
brodei  g«m{iii  nutrit  dlvortU  fontis  (des  Himers),  Quo  mone  Slcftnia  noa  nrgk  ditior 
ambra.  Sol.  V,  1 1 :  Nebroden  dammae  et  hiaoulei  gregatim  pervagantar ;  inde  NebrodM. 
Grat.  Cyneg.  527 :  fragosum  Nebrodem.  CWttliDg  Ges.  Abb.  IT,  61  erklärt  den  Namen 
mvfäitfj.  den  er  für  den  richtigen  hält ,  dadurch  ,  daBs  der  Gebirgszug  »votikommen  der 
Sebne  eines  Bogena  eutspricht,  den  die  Sfld-  and  OstktiMe  Siciliens  biidet*.  Meine  Ver- 
mutbung  s.  u. 

S.  13.  Neptunins  Mona  Sol.  V,  II:  e  Neptunio  specnla  est  in  pelague  Tascnm  et 
Adriaticum. 

S.  U.  Xfilxtiiiof  Pol.  I,  H;  Diod.  XXIU,  I  iHoesch.) ;  al  Eivtts  Diod.  1.  I. 
Z'qriig  ijetzt  .£'i!i'((c  gelesen)  Pol.  I,  11.  Im  Kriege  zwischen  den  Eartbagern  und  dem 
Kflnige  Hieron  waren  die  Truppen  des  letzteren  auf  dem  Chalkidikos,  ihre  Oegaer  in 
Synes  anfgeetellt.  Da  nun  die  Karthager  HeHBane  von  Horden  bot  bekSmpften ,  so  wird 
Synee  im  KW.,  der  Chalkidikos  im  8W.  von  Meesana  eb  suchen  sein. 

S.  14.  PSsee  App.  B.  C.  V,  116:  txeoTii  öi  nal  iiSv  aitviiv  hazfyuv  ö 
/fs/jnt/'Df.  n/ifi  if*  10  TavQofiiviov  xai  ji»pl  MvXat  räf  nt^ioiavt  räw  eQmr  äiii-tflxtCe. 

Und  nachber  jä  oTtiä  iri^  Milnt.  Der  Zusammenhang  würde  allerding«  vwlangen,  dasa 
der  PasB  von  Hylai  bei  dieser  Stadt  wäre ;  aber  da  ist  keiner.  —  Schtiderung  der  Anaeicfat 
von  der  PasshOhe  bei  Hessina  D.  2SI.  ~~-  Zu  erwUbneu  sind  noch  der  0ii>p«£  Diod. 
XXn,  13  (Hoesch.),  worüber  vgl.  Holm,  Beitr.  12  und  der  Tav^os  Diod.  XVI,  7, 
anf  dem  Tanromenion  lag.  —  rb  MvKÖvior  S^«  App.  B.  C.  V,  117  wird  gewöhnlich 
in  die  Nähe  von  Messana  gesetst;  es  lagjedoeh  nSher  d«n  Aeitna;  vgl,  Holm,  Beitr. 
I!.  11.1 

S.  14.  HaroneuB  und  Gemelli  colles  PI.  III,  SB.  Sonst  las  man  Maro.  Haronene 
entapricht  noch  besser  als  Haro  dem  heutigen  Namen  Hadonie.  Ueber  den  Doppelt>erg 
bej  Oamnarata  D.  247.  Die  Gem.  c.  setet  v.  Jan  Im  Index  zu  Plioias  nach  Italien. 

S.  14.  KQättts  Ptol.  Hierzu  gebort  das  »(«cXiinpiat'av  Diod.  XXXVI,  4  (Phot.) 
von  Cluver  273  flir  den  Honte  Rifesio  SW.  von  PalazEo  Adriano,  von  Anderen  fUr  den 
H.  Sara  zwischen  den  Flüssen  Hacasoli  und  Hatani  gehfriten.  —  Ueber  das  in  dieae 
Gegend  gesetzte  O  •■  p  ö  v  i  oy  Sq<u  Ar.  Mir.  113,  Mber  ffüfar' gelesen ;  vgl.  Holm,  Beitr. 
13.  —  Obder  oolliB  Vulcanius,  den  Sol.  5,  23  beschreibt,  wo,  si  sacmm  probatnr, 
sarmenta  licet  viridis  sponte  conoipiunt  et  nullo  inflagrante  halitu  ab  ipso  nnmine  fit 
nccendiun,  mitCl.  4&T  in  der  Nähe  vonBlvonaza  suchen  ist,  mnss  dahingestellt  bleiben. 

S.  15.  KQoyiay  Diod.  XV,  16.  Vgl.  Diod.  Ul,  61.  Bei  0.  Cajetaaus,  leagoge  p.  130 
erschemt  der  S.  Calogero  als  Cranias  mona.  Ebenda«,  p.  163  ein  episc.  Croniensls. 

8.  15.  alZiXtvovvrlai  Juox^'QeKt  Diod.  XXUI.  21  [Hoesch.).  Vgl.  Cl.  343, 

S.  ib.'Egvi,  i  von  Pol.  I,  55  geschildert;  hau Gg  erwähnt.  Sol.  5,  9  sagt  von  Biei- 
lien ;  «alnet  montibus  Aetna  et  Erjce.  Cie.  Verr.  II ,  8  and  47  und  Tac.  Ann.  IV.  43 
nennen  ihn  Erycus.  In  Betreff  seiner  Hübe  folgen  manche  Neuere,  statt  Smyth,  dar  schon 
App.  XLl  2IB4'  gtebt,  veralteten  hOhwen  Ab  schätz  nagen.  Schon  Pol.  1. 1.  giebt  iho  (Ur 
fiiji&u  »apä  itoiu  JinyCpov  tiöi'  jraTß  rqv  ZiKiUar  i(mv  nXijf  rijt  AlTVijf  ans.  Seine 
Isollrtfaeit  hat  ihn  hUher  erscheinen  lassen,  als  er  ist. 

S.  15.  ElgxTtj.  Pol.  I,  56  :  thr  ^nl  r^f  ElfixTtjt  Uyo/ttrov  rinm'.  IHod.  ZXIH,  10 
iaX'EQxxi^.  Es  ist  n nz weife Ib aft ,  daas  die  Heirkte  der  H.  Pellegrino  bei  Palermo  ist. 
Mannert  388  meinte,  es  sei  der  Berg  Baido  am  C.  S.  Vito  gewesen.  Da  aber  nach  Pol. 
I,  5S  die  BCfmer  von  ihrem,  5  Stadien  {'/a  deutsche  Heilej  von  Panormos  aufgescblageneD 
Lager  ans  die  Pnnier  anf  der  Heirkte  bekämpfen,  so  ist  klar,  dass  H.  im  Irrthum  war. 
Kacfa  Pol.  war  die  ObwflUcbe  tu^oioc  xaX  yimpyiiaijjof ;  sie  hatte  fmariv,  oq  äfia  fiiv 
«K^iröJUaic,  ifiK  ii  «neonat  ittftßdffi  täfir,  und  nootöSovt  rgitjus  JucifpiiCi  ^v*  ftiv  <>aö 
rqc  zsif  m,  /tlttf  f  änö  t^s  SvXöuiit.  Letzteren  ISugnet  Amico  s.  v.  Ereta.  —  Kurs  nnd 


Zu  Buch  I,  Kap.  2,  Seite  13—16.  335 

treffend  ist  der  M.  Pellegrino  gesehildert  von  Aman  St.  d.  Mus.  1, 318 ;  vgl.  auch  ü,  443. 
—  Die  locale  Deutung  des  Wortes  Et^ixT^ ,  Verschluss ,  ist  noch  nicht  befriedigend  ge- 
liefert. Am  kühnsten  ist  verfahren  A.  Judas,  Sur  div.  M^d.  d'argent,  attrib.  seit  i  Pa- 
Borme  ou  anx  arm^s  Puniques  en  Sicile.  Revue  Numism.  1865  p.  377  ff.,  der  p.  390  fnl 
Tfjg  JSl^Ttig  durch  Vermittlung  von  später  unter  Syrakus  zu  erwähnenden  Münzen  für 
»über  d^B  Oreihus«  erklären  will. 

S.  11».  lieber  die  Conca  d'oro  Ath  Xu;  542:  ^  <f^  TTavogfjtTrtg  rfn  2^ixfUf*g  nttüK 
*i\nog  n^ogayQQfvtrai,  <fi«  ro  naea  ti^ai  irXi^Qrjs  SivdQtav  rju^Q«j¥f  und  Sil.  XIV,  261 — 63  : 
fficunda  Panormus ,  Seu  silvis  sectare  feras ,  seu  retibus  aequor  Verrere ,  seu  coelo  libeat 
traxisse  volucres.  Also  Jagd  in  allen  drei  Elementen.  Jetzt  ist  von  Wäldern  in  der  Um- 
gegend von  Palermo  keine  Rede  mehr. 

8.  16,  *JiQut€t  opff.  Diod.  fV,  84  spricht  von  ihrem  Reichtfaum  an  Fruchtbäumen; 
Vibiui  sagt  vomChrysas,  dass  er  ex  monte  Heraeo  komme.  So  ist  klar,  dass  die  Berge  um 
Henna  sa  den  Heraei  montes  gehüren.  Cluv.  402  dehnt  sie  weiter  südlich  bis  Piazza  ans ; 
Neuere  (Manniert  240,  Parthey  und  Kiepert,  sowie  Siefert  Akrag.  6)  erklären  den  ganzen 
BergEUg  von  Gangi  zum  C.  Passaro  für  die  Heräischen  Berge ;  Stefert  mit  dem  irrigen 
Zusatz,  derselbe  heisse  jetzt  Monti  Sori.  G<)ttling  Ges.  Abh.  II,  81  nimmt  den  F.  Grande 
(Himera)  alt  Seheidungslinie  zwischen  den  östlichen  Heraei  montes  und  den  westlichen 
Nebrodes.  Vgl.  auch  d'Orv.  30.  31. 

S.  16.  BvfjLßqig,  Theokr.  I,  117:  j^fotrip  Idf^/^eo«,  nal  notafieiy  rol  ;^f rrf  xailoi/  xara 
GtvpßQiöof  v9af^.  Im  Alterthum  war  man  uneinig ,  ob  l'hymbrie  einen  Fluss  oder  das 
Meer  bezeichnen  seile ;  vgl.  die  Scholien  au  dieser  Stelle  und  Serv.  zu  Aen.  III,  500  und 
Vin,  330,  wo  sogar  der  Tiberis  nach  dieser  fossa  bei  Syrakus  benannt  sein  soll.  In 
neueirer  Zeit  ist  Th.  für  einen  Berg  erklärt  worden,  und  Bonanni  (S.  167  der  Ausg.  Pal. 
1717)  hat  ihn  mit  dem  Orimiti  identifieirt,  mit  dem  Beifügen,  dase  Orimiti  »sia  depravata 
daXimbride«,  was  Sehubring,  Die  Bewäss.  von  Syrakns.  Phil.  XXII,  Bd.  4  S.  615  ff. 
ao^Ührlicher  nachgewiesen  hat.  xtxrd  S.  steht  wie  II.  IX,  15 :  xar  ttiyUtTTos  nirgtig  ^ro- 
(fs^X^^^^^^Q-  Schilderung  des  Orimiti :  Sofaubr.  Bewäss.  S.  579.581.  Fritzsche  hat 
die  Coi\}eot«r  xarä  /Itt^idog  in  den  Text  aufgenommen. 

S.  16.  ColiesHyblae  liart.  XIII,  105.  Vgl.  Ferram,  Memorie.  Pal.  1805.  4. 

S.  16.  *AxpaXov  linttq  Thuk.  VII,  78.  Die  nenerdinge  von  Leake  aufgestellte 
Ansicht,  es  sei  der  Pass  von  Floridia  gewesen,  stimmt  nach  Schubring  nicht  zu  der  Schil- 
den»^ bei  Thukydides. 

S.  10.  Gampi  Geloi  Verg.  Aen.  III,  701.  D'Orv.  131  über  ihre  grosse  Ausdeh- 
nung. D.  373. 

S.  16.  "Exvofiog,  o.  Diod.  XIX,  104.  108.  Plut.  Dion  26  (hier  to^'Expouov) .  Pol.  I, 
25.  Vgl.  D.  311.  Nach  Senme  so  genannt,  weil  der  Berg  isoHrt  liegt. 

S.  16.   Togos,  Pol.  I,  19:  Utfog  xalovfitvog  ToQog    Vgl.  Sief.  Akr.  ß.  3».  40. 

S.  16.  lieber  die  Maccaluba  Sol.  5,  24:  idem  ager  Agrigentinus  eructat  linosas 
scaturigines,  et  ut  venae  fontium  sufficiunt  rivis  subministrandis,  ita  in  bac  Siciliae  parte 
solo  nomquam  deficiente  aetema  rejectatione  terram  terra  evomit.  Vgl.  Faz.  24.  156,  der 
Mayhanica  sa^.  Jenes  wird  aus  dem  Arabischen  als  »inversa«  erklärt;  dies  würde 
»fiasan  bedeuten.  St.  Non  IX,  49  ff.,  wo  S.  55  die  Hübe  des  Ausbruches  von  1777  auf 
24  Spannen  angegeben  wurd ;  Bart.  III,  482  hat  100  Fuss.  Sm.  213. 14 ;  Buss.  190 ;  Humb. 
RofliB.  1 ,  448 ;  D.  269.  —  Gl.  460  nach  Fazell  und  Jacob ,  Nachr.  über  Sic.  8.  25 ,  be- 
richten Aehnlichea  von  der  Gamp.  Bissano,  Vs  Stunde  westlich  von  der  Maooalnba ;  letz- 
terer citirt  ferner  die  Salinelle  bei  Patem6  und  die  Acquarossa  bei  Belpasao.  D.  299 
erwähnt  die  ähnliche  Terra  pilata  4  M.  Ostlich  von  Galtanisetta ;  D.  455  Aehnliches  am 
F.  freddo  am  Aetna;  Ferrara,  Gampi  Flegrei  p.  51  eine  ähnliche  d.  18.  März  1790  vor- 
gefallene Eruption  bei  Niacend.  —  Ar.  Mir.  114  berichtet  von  einem  Steine,  der  den 
Sonmier  Über  Feuer,  den  Winter  Waaaer  auswirft. 


Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

;  Aetna,  ^fri-^.  lieber  seine  HUhe  Humb.  Koam.  I,  41  Anm.  2.  IV,29I. 
t  gegebene  Zahl  ist  die  des  ital.  Geoeralstabes ;  vgl.E.  de'Vecchi.  Notisia  au 
Itttudini  nella  regione  deil'  Etua.  Torino  ISes.  S.  Die  GesctaicliCe  der 
lie  des  Aetna  (»handelt  Aleaai.  Storja  critica  delle  eruzioni  dell'  Etna,  in  den 
cad.  Öioenia.  Cat.  T.  ni— IX.  1629  ff.  Die  beiden  ersten  Discorsi  inT.  m 
d  IV  (23— 76]  betreffen  dasAItertbum.  —  I.  —  Der  ältaate  Aosbrnch:  Diod. 
.11  i^r'  hti  nUia  gedauert  haben.  Ueber  den  Strom  von  Hojo  nach  C.  Scbisö 
.  —  2 — 4.  —  üeber  die  drei  ersten  AnsbrUcbe  lur  Griechenzeit ;  Thnk.  III, 
425  y.  Chr. :  l^sri  31  nigi  kÖtö  tö  tag  tovio  ö  ^ü«£  toS  nvfds  (*  i^r  Atrrtis, 
0  TiQÖjipoii,  «ol  yijv  Tivi  fif-ltugf  jiäv  Xajavaio»;  ol  feii  rp  Altvif  ip  Öqh  ot- 
ytjai  3t  ntvmxoai^  txft  ^iitjyat  tovto  ftiii  ti  nföripov  ^tCfta,  to  3i  ^v/tJiar 
r^oi  TÖ   (icü/iB  äiff   ov  ZutfUa  Ina  'EiUipiui'  oltUiTai.     Also  wäre  das  n^ilQov 

isen  im  J.  4T5.  Daa  Mann.  Par.  hat  dagegen  beim  Jahre  der  Schlacht  toq 
9 :  xdl  TO  vif  Ippvi)  Kläoy  (v  £ix]tll^i  Tifffi  i^  AiTr[ri]v.  Dass  in  dieser  Zmt, 
n,  ein  Ausbrach  des  Aetna  war ,  ergiebt  sieb  anch  ans  Find.  Pfth.  I,  3t  ff., 
liebt  sich  anfeinen  Ol.  Tti,  3  —  474  vor  Chr.  errnngenen  Sieg  besieht,  sowie 

m.  367    {Iv&iv  /x^ayijoorcal  not»  nota(ia)  ntpöc  iämovTK  äy^lait  yräSoir 

■gnen  ^ixtUai  livgät  yiaf] .  Den  Widersprach  zwigcfaen  dem  H.  P.  und  Tbu- 
heben,  sind  drei  Answege  vorgeBchlsgen  worden,  zwei  vonBoeckh,  einer 
Krüger.  Jener  Bchlligt  vor  (Expl.  Find.  Pyth.  I.  p.  224) ,  entweder  die  Zahl  50 
ongeföhre  zu  nehmen  oder  ansuuehmen,  dass  der  Ausbruch  sich  4  Jahre  lang 
:,  während  Krttger  (Krit.  Analekten  S.  62)  bei  Thuk.  sUtt  ■ '  ^i<  lesen  wiU 
durch  wir  allerdings  in  das  Jahr  479  versetzt  werden ,  «in  das  Jahr  des  Kal- 
Eanthippos*.  Wenn  diese  Annahme  richtig  ist ,  so  löst  sie  vielleicht,  wie  K. 
Iiat,  noch  eine  andere  Schwierigkeit.  In  Stob.  Senn.  CXCVm  (Qaisf.  HI,  98} 
nrpuiii  xal  öyicipioaTg  'Olvfiniäii  ifitoX  iqv  Ativtiv  ^u^vai,  oii  xal  •PiXörofiot 
■  el  KitTttVBiot  toiis  iain£r  narigas  ägä/nvai  diä  fttaiff  T^r  ifloyhs  txifuaiir, 
erstens  aufTallend,  dass  Thuk}^ides  diesen  angeblich  456  t.  Chr.  stattgefmi- 
intch  des  Aetna  nicht  gekannt  haben  sollte;  zweitens  die  ungewöhnlichen 
Üi  fratres.  PhUonomos  kann  leicht  aus  Amphinomos  durch  ein  Versehen 
sein;  aber  woher  stamnit  der  Name  Ealliaa^  Wenn  man  bedenkt,  dass  der 
ersten  H&lfte  des  J.  479  Kalüades  hiesa ,  so  kann  man  glauben ,  dass  dessen 
itlich  genannt  war  nnd  man  dann  später  denselben  für  den  eines  der  Brlidn 
lie  Sache  in  eine  falsche  Olympiade  verlegte.  So  wäre  der  von  Stobaios  be- 
sbruch  auch  nur  derselbe  mit  dem  des  H.  P.  und  des  Thnkydides  (Krüger  1. 1. 
nn  war  aber  die  dritte  Eruption,  von  der  Thuk.  spricht,  ohne  ihre  Zeit  zu  be- 
)a  nach  Dickl.  XIV,  59  und  Oros.  11,  18  ein  ÄUBbruch  um  Ol.  96,  1  —  396  vor 
tt  &nd ,  so  hat  Dodwell  gemeint ,  Thnk.  habe  von  diesem ,  den  er  wohl  noch 
eben  wollen ;  aber  die  Ausdrücke  des  Thuk.  macben  es  wahrscheinlich ,  daes 
ehr  vor  die,  welche  er  rö  jiQiTt^BV  ^iv/ia  nannte,  setzte.  —  Wenn  die  drei 
so  fielen:  479,475,429,  so  wäre  die  Erklärung  der  Stobäisohen  Stelle  durch 
Bt  ohne  Emendation  des  Thuk.  annehmbar.  —  5. — BeidemvonDiodorXIV, 
1)  gemeldeten  Ausbruche  konnte  Dionys  nicht  mit  dem  Heere  am  Meeresnfer 

len,   tif9aQiiivBiv  Tiüv  nn^ia  jt/v  S-alaTTMi  tönav  iiTio  tov  xaioufi^v  ävttxo;. 

D,  414  sagt  von  dem  südlich  von  Giarre  bemerkbaren  Lavastrom ,  er  •oocu- 
«e  of  24  m.  from  the  sommit  to  tbe  sea ,  which  it  entere  with  a  breadtb  of 
re  than  2  m.    The  place  is  caiied  Boeco  d'Aci.t    Bei  Oros.  n,  IS  wird  ange- 

zn  derselben  Zeit  die  Insel  Atalanta  von  Lokri  loBgerissen  worden  sei ,  was 
Ib  mit  der  Eniption  von  479  (bei  ihm  480]  gleichzeitig  betrachtet.  Da  Oros. 
isbruch  gleich  nach  der  Schlacht  bei  Kunaza  spricht  und  Diod,  1. 1.  sagt ,  er 
iiria;StattgeftmdeQ,Boistmtlglicb,daBserI]i01.95Torfiel.  — 6.  ~  Utv.Chr. 


Zn  Buch  I,  Kap,  2,  8.  17—19.  337 

Jd).  ObsequeDS  Prod.  Co.  Caepione,  C,  Laelio  Coas.  Aetna  ignibus  abundavit.  —  T.  —  135 
r.  Cbr.  (Zeit  des  AaBbruches  der  Sklavenkricge  auf  Siciliea)  J.  Oba.  Prod.  und  Oros.  V,  6  : 
Aetna  vastoe  ignoa  enictavit  »c  fudit.  —  S.  —  126  t.  Chr.  (zu  derselben  Zeit  ein  Aus- 
bruch iwitchen  den  Liparischen  Inseln)  J.  Obs.  A.  ignes  snper  verticem  late  difiHidit.  Oros. 

V,  10:  A.  exnndavit  igneisglobis.  -  9.  —  122  v.  Chr.  Oros,  V,  13.  Vgl. Uberdiesen  Ausbruch 
die  Abhandlung  von  F.  Ferrara  in  den  Atti  dell' Acad.  Gioen.  X,  141— 58,  wo  die  Lava 
Ton  Licatia  für  die  von  122  v.  Chr.  erklärt  wird.  —  10.  —  50  oder  49  v.  Chr.  vor  dem 
Kri^e  zwischen  Caesar  und  Pompejus,  nach  Petron.  Bell,  civ,  135 :  jamque  Aetna  vora- 
tnr  Ignibus  insolitis  et  iu  aethera  fulmina  mittit.  —  1 1 .  —  44  v.  Chr.  Verg.  (reo.  I,  47 1 : 
Quoties  Cyclopnm  efferrere  in  agros  Vidimus  nndantem  ruptis  foniacibns  Aetnam  ,  wozu 
ServiuB  aus  Livins  anfUbrt ;  tanta  Samma  ante  mortem  Caesaris  ex  Aetna  monte  deflnxit, 
ut  noa  tantom  vicioae  uibes ,  sed  etiam  Rhegium  civitas  afBaretur.  —  12.  —  37  oder  36 
vor  Chr.  App.  B.  C.  V,  1 14,  wo  ein  Zug  über  jl/v  SrvtSgov  yi^-  geschildert  wird,  i'V  ^vaxa 

Titipof  Uyovot  Tiort  fttxe^  9ai,äaiiiii  ttntioraar  fmiiXiaai  ibI  aßfaai  ja  Iv  «ürj  rnfiara, 
und  117,  wo  erwühnt  werden  die  ß^üfioi  i^c  Atti'yji  xai  fivx^/iaie  /jaKpn  xal  afia  nigi- 
iBfiTiovra  T^f  ffrpoTioV  u,  s.  w,  —  13.  —  Nach  Suet.  Calig.  51  wurde  Caligula  auf  einer 
Reise  in  SicIUen  Aetnaei  verticis  fumo  et  murmare  erschreckt.  —  14.  —  251  d.  Chr.  nach 
der  Vita  8.  Agathae ;  tamqnam  Snvius  valde  mngiens. 

S.  19.  Schilderung  des  Aetna.  Str.  VI,  2,  S.  Aetnäiscber  RSse  und  Honig  in 
Tbessalleo  verkauft:  Apul.  Het.  I,  4  (wenn  hier  nicht  ätnäisch  flir  sicillscb  steht,  wie 
sonst  wohl  in  Gedichten ;  vgl.  Ciuv.  135).  —  Den  Schafen  Blut  abgelassen  Str.  VI,  2,  3  ; 
ebendaa.  dass  die  Asche  den  Boden  fvä/tnilov  und  xei"^'"'Q'"'*  macht.  Nach  Diod. 
XIV,  42  wuchsen  nolvTillii  «h'tij  und  nii-xrj  am  Aetna ;  Athen.  V,  207  spricht  über  das 
Frachtschiff  Hieran' a.  ~  lieber  den  jetzigen  Zustand  derW&lderam  Aetna  D.  412.  Bekannt 
iat  aus  den  Beisebeschreibungen  die  geringe  HChe  der  Bäume  des  SUdabhanga.  —  Die 
Verbindung  von  Schnee  und  Glut  bemerkt  Solin.  5 ,  Ki.  —  Find.  Pyth.  I,  20  nennt  den 
Aetna  näyfus  jf/ovo;  iSilat  riffijvn.  —  Str.  VI,  2,  8  schildert  den  Anblick  des  Kraters . 
«tSloy  öfinlor  oaov  itnoai  ariiJiuiti  rip'  neptfiiT^ov,  xlfiöufvov  oifQvi  iiifiitain  ttij(''">  *ö 

vtpos  liovn  —  in  der  Mitte  ein  ßovröi  und  darüber  viifos  S^»ior  — ;  crater  ejus  patet  am- 
bitii  stadia  XX,  Plin.  III,  88.  —  Wegen  der  Veränderungen  des  Gipfels  des  Aetna  vgl. 
Ael.  VH  Vin  ,  11  und  Sen.  ep.  79.  —  Nach  Long,  de  subl.  35  bringt  der  Aetna  ä/Mi 
her\-or  ;  das  sind  die  kleinen  Kegel  (d'Orv.  227.  241).  Die  Zahl  80  umfasst  die  -of  con- 
siderable  dimensions*  Lyell  bei  D.  413.  —  Die  aus  Lucilius'  Aetna  citirten  Verse  469. 
4S3.  488.  89.  493—505  sind  in  der  Uebersetzung  meines  verstorbenen  Lehrers,  des  Dir. 
F.Jacob,  in  seiner  Auag.  des  Gedichts,  Lpz.  1826,  aufgenommen.  V.  507:  vii  ouneoquis- 
qoam  fixo  dtuoTerit.  Ueber  den  Versuch ,  die  Lava  von  1669  abzuleiten:  Sartorius  von 
Waltershausen,  Ueber  den  Aetna  und  seine  Ausbrüche.  Lpz.  1857.  8. 17  ff.  —  Der  Lava- 
Strom :  ö  ^i'tif.  Merkwürdig  ist  die  Stelle  Plat.  Phaed.  111,  wo  er  erwähnt  Tiollovi  (so. 
iraia/xavrj  irygov  tiiiIov  xal  xa&aiio/r^Qov  xal  ßogßvQmStattQOv ,  aianip  iv  2ixfXl(f  ol  n(io 
rei:  ^vaxoi  ht/XoS  ^^ortfc  noTUfiol  xal  nüiöc  ö  [tiing,  worlll>er  Humb.  Kosm.  1 ,  451  be- 
merkt: 'Beobachtungen  am  Aetna  kOnnen  dazu  (dass  Schiammans  würfe  in  Sicilien  den 
LavaatrSmenvorhergehen)  wohl  keine  Veranlassung  gegeben  haben,  wenngleich  Ra[ülli  und 
Asche,  während  des  vulkanisch-elektrischen  Gewitters  am  Eruptionskrater  mit  geschmol- 
zenem Schnee  und- Wasser  breiartig  gemischt,  iUr  ausgeworfenen  Schlamm  zu  halten 
wären.  Wahrscheinlicher  ist  es  wohl ,  dass  bei  Piaton  die  feuchten  Schlamm strüme  eine 
dunkele  Erinnerung  der  Salaen  (Schlammvulkane)  von  Agrigent  sind.  Unter  den  vielen 
verlorenen  Schriften  des  Theophrast  ist  in  dieser  Beziehung  der  Verlust  des  Bnches  w*(.l 
^^ojicc  loü  tv  ZixiXl,;,  dessen  L  D  V,  39  gedenkt ,  zn  beklagen.«  Thuk.  III,  1 16  nennt 
die  Lava  td  ^«>ii.  Find.  Pyth.  I,  21  :  ttvi/os  nayaC,  und  25:  'Aqaiaioio  xQowoe.    Str. 

VI,  2,  3  sagt ;  o  Si  ^i!ai  ei'f  7ifl{if  ftiraßakleif  änoUSoi  r^i'  Inufävtiur  t^t  yiit  ff'  Ixatw 
ßäa^tt,  msTt  kare/^tat  llvat  XS*^'  '"'*  öiaxnlviffai ßovXoftivoit  riiv  tf  ÜQX'll  intlfävtmv.  — 

Httm,  0*h)i.  BtcUltM.  I.  3t 


33g  Anhang  IT.  Belege  and  ErMatoiingeii. 

Ar.  Mir.  3S  u.  40.  —  die  Asche  beisst  q  aaoiöc,  der  Qnmlm  ^  liyvvi.  der  AtuwnifdiBg«! 
r  0  ßovrö; ,  die  Wand  dea  Kraters  q  orp(>ef,  die  ausgeworfene  gtiifaeade  Masse 
.  —  Bei  Luc.  Aetn.  531  findet  sich  das  Wort  plirica ,  ein  sicilisohee,  das  eine 
e  Steinart  dee  Aetna  bezeichnet.  ~  lapig  molaris  für  Lava :  Luc.  Aetn.  400. 

2.  Theorien  der  Alten  tiber  den  VulkanismuB.  PUt.  Phaed.  Iti  ff.  113 sagt 
'yliphlegethon  ov  «nl  ot  ^vaxt;  änoonaff^nra  civa(fiv<fäair,  ontj  är  TÖxaai  iqc  y^(. 
Losm.  IV,  305  bemerkt  hierzu :  «DieBer  Anadnick  des  HinansstosienB  mit  Hef- 
leutet  gewissenaaeaeü  aaf  die  bewegende  Eraft  des  vorher  eingeschlosBenen, 
tilioh  durchbrechenden  Windea,  aufweiche  spater  der  Stagirite  in  der  Mcteoro- 
le  ganze  Theorie  der  Vulcanicität  gegründet  hat.«  —  Arist.  Meteor.  11,  S.  Theophr. 
10.  Vgl.  Ov.  Met.  XV,  299  und  Humb.  Kosm.  IV,  536.  —  Lncret.  VI,  640—712. 
,  1.  Vgl.  ferner  Humb.  K.  I,  434.  Strab.  V,  4,  ä  :  nt»mninQoy  ü  nMago^  rfpij- 
ir  i[,aivofifviav  ö(iftri9e(!,  oii  nä;  ö  Jiipo;  otiia;  dm  iqr  Kv/iaiicg  apfafifvot  f^V 
Uat  diänapöi  iaii  xal  xatä  fla^ovc  ^Fi  xoiXia(  Tivas  tl(  ih"  UiminTOvaat  iftöf  Tt 

tai  npöc  Ttpi  ijiztiQoi'.  Luc.  Aetn.  565.  66  :  Terra  foramtnibuB  vires  tr&hit,  urget 
a,  Spiritus  inoendit,  vivit  per  masima  aaxa.  Die  Vergleichung  mit  dem  Walde 
Die  stetige  Natur  der  Lava  v.  522  ff. 

3.  lieber  das  Heer  als  angeblichen  Niihrer  der  Vulkane  spricht  Humb.  Kosm. 
V,  296 :  »Die  Th&tigkeit  dea  Stromboli  iat  wie  die  dea  Aetna  nach  Bartorins  von 
lausen  am  grössten  im  November  und  in  den  Wintermonaten .« 

3.  Sagen.  Vulcan  Luc,  Aetn.  30,  wo&nchdie  anderen  Sagen  sich  finden.  — 
kipen  im  Aetna  Blitze  schmiedend  Cic.  Div,  n,  19.  —  Enceladus  Vei^.  Aen. 

—  Typhon  Piud,  Pyth,  1, 16 :  Tv<f.ät  txaTOfiaxäQovot.  Str.  XIII,  4,  6.  Aeach. 
>1  ff. ,  wo  ausserdem  noch  Hephaistos  oben  im  Aetna  iat.  Ov.  Met.  V,  34S. 
.  1, 6, 2. 3,  wo  SJcilien  erst  dem  Enkelados,  dann  dem  Typhon  aufgeworfen  wird. 

Hygin.  153  retten  sich  Deukalion  und  Pyrrha  bei  der  SUndflut  auf  den  Aetna, 
i^bem  vergleicht  den  Aetna  sinnreich  £-  ReclQS  in  Tour  du  Monde  Xm,  386 : 
;r  Aetna  irejette  lea  laves  de  aes  flaues,  i)  engloutit  les  misseanx,  comrae  il  le  fit 
I  pcur  Acis ;  quaud  il  agite  ss  masse  Enorme,  il  fait  tomber  du  baut  des  falMses 
I  de  roches  qui  deviennent  des  ilots  comme  les  Faraglioni ;  dans  sea  accös  de 

iinnae  les  hötes  ätrangers  qai  sont  venus  lui  demander  t'hospitaliti  et  qni  se 
But  de  la  chair  de  ses  troupeauz.  II  est  formidable  k  volr ,  et  n^nmoius  le  sage 
a  le  braver  jueque  dans  son  antre ;  pendant  le  sommeil  dn  cyclope ,  le  hSros, 
rimpassible  laboureor ,  ne  craint  pas  de  lui  ravir  ses  richeBses ,  puis ,  quand  le 

s'^veille,  la  proie  qu'il  cherche  sait  ^bapper  i  sa  fureur  aveugle.- 

4,  ZiiifAlivatot  Find.  01..IV,6.  Nem.  1,6.  Tempel  des  Hephaietos  Ael. 
3. 

4.  Die  Orakel  Paus.  UI,  23,  9.  _  Die  UnzugSngltohkeit  des  Kraters  Str.  VI, 
>enso  sagt  Claud.  Rapt.  Pros.  1, 1 5S :  Aetnaeos  apices  solo  cognoscere  visu,  Non 
itare  licet  —  Die  Besteigung  von  der  Stadt  Aetna  Str.  VT,  2,  8.  Sen.  ep.  79 
sIliuB  außbrdem  »nt  in  honorem  meum  Aetnam  adscendaa.«  Spart.  Hadr.  13: 
na  in  Siciliam  navigavit,  in  qua  Aetnam  montem  conscendlt,  ut  soUs  ortom  vi- 
rcus  apecie,  ut  dicititr,  varinm, 

:5.  CeberdieTorredelfiloBofod'Orv.  233— 35,  Fat.  66nndCluv.  134hielten 
en  T.  des  Hephaiatos ;  Carrera,  Cat.  III,  T  ;  Aetn.  9  fUr  das  Orabmai  der  Nymphe 
Bart.  II,  353  fUr  eine  von  Oothen  oder  Normannen  erbaute  Warte ;  Ferrara  fUr 
m  Jupiter  Aetnaeua  geweihten  Altar ;  BiBoari  ttlr  ein  antikes  Grabmal ;  Rezzonico 
dass  es  eine  Warte  fUr  den  Kaiser  Eadrian  gewesen  sei  (Ersch  u.  Gmber's  Gn- 
34,  S.  S7,  n.  84  in  dem  Stelnharfschen  Artikel  über  Gmpedokles). 
:5.  Piud.  Pyth.  I.  19  nennt  den  Aetna  xtav  oioatCa,  Seine  Schilderung  nach- 
von  Verg.  Aen.  m,  571  ff.,  den  Qelllua  N  A  XVn,  10  im  Vei^ob  mit  Pindar 


Zu  Buch  I,  E^.  3,  8.  12-27.  33g 

sehr  herabsetzt ,  während  OUdstone  bei  D.  446  sich  sehr  lobend  über  VergU's  Oenafiig- 
keit  Sngsert.  Er  findet  eine  getreue ,  wenngleich  etwas  übertriebene  Schilderung  eines 
Anabmches  bei  dem  rUqiischen  Dichter. 

S.  25.  Die  Geschieht«  von  dentvotfitit  —  pii  fratres:  hye.  in  Leoc;-.  23;  Ar. 
de  Mund.  6.  Aj-.  Mir.  154.  Str.  VI,  2,  3.  Val.  Hax.  V,  4.  Luc.  Aetn.  602—44.  |>8us.  X, 
2S,  A.  Sol.  5,  15:  Si  Catinenses  audiamuB,  Anapius  fuit  et  Amphinomua ;  ai,  qaod  ms- 
lunt  Syracosae,  Emautiam  putabimus  et  Critooem.  Stob.  Senn.  ,1!iS:  Philonomos  und 
Kalliu  (s.  o.)  Claud.  Idyll.  T.  Conon  ap.  Fbot.  lil.  —  Von  den  Mmen  d'Orv.  313  ff. 
—  Der  Ort  Pampiu :  C,  Gemmellaro  lo  den  Atti  dell'  AcHd.  Gioen.  VI,  130  ff.  Nach  A. 
Somma,  Sul  Inogo  e  tempo  in  cui  avrenne  l'enizione  dell'  Etna  appeU.  de'  ^Tfitelli  Pii. 
Cat.  1864.  4.  war  es  die  Lava  aus  dem  Krater  Mompilieri  und  die  Zeit  die  vor  Ankunft 
der  Griechen ;  er  nimmt  an ,  dass  die  Begebenheit  sich  in  der  Stadt  KatftQ»  zutrug ,  wo 
doch  die  Ueberreate  der  griecfaisehen  Gebäude  keine  Spur  einer  Zerstörung  durch  Lava 
zeigen.  Natürlich  konnte  die  Geschichte  auch  auf  dem  Lande  vorfaUeii  oder  die  griechi- 
schen Gebäude  aus  späterer  Zeit  sein. 

S.  26.  Ueber  im  Altetthom  vermntbete  Bezl^uogen  des  Aetna  sn  Lemnos  vgl. 
d'Orv.  245. 

S.  36.  Ueber  den  Namen  jthyii  spricht  Humb.  Eosm  I,  449,  —  Wenn  Opp.  Kyn. 
273  den  A.  iQixdgifvor  oQOt  nennt ,  so  ist  hier  eine  Verwechslnng  mit  dem  dreispitiigen 
Sicili«!  anzui^ehmen. 

8.26.  ri^eovTl>'oynfieoy.  Diod.  IV.  24.  V,  2.  Pol,  VII,  ö.  Cic.  Verr.  DI,  18. 
Laeatrygonii  campi  twi  PI.  III,  89;  Polyaen.  V.  6.  Sm.  156  schützt  die  Ausdehnung  auf 
30  zn  12  miles  ab.  —  Ueber  den  bisherigeu  Zustand  D.  308.  383. 

S.  26.  DieFIHsBe.  '0>oj«r>'Aor  App.  B  C  V,  109.  Hnn  hlLlt  ihn  gewöhnlich  fUr 
identisch  mit  dem  Akesines ,  also  für  den  Cantara,  Indess  zeigt  der  Zapammenhang  der 
Stelle,  dass  dies  irrig  ist.  Augustus  kommt,  um  Tauromenion  zu  nehmen,  vom  italischen 
Vorgebirge  Leukopetra  her,  nQostjiifiVji  ftiy  äs  vnnin/ifvof  nirö,  ov  iffnu^iiov  Jt  jtör 
ifQovaiöy,  TiaQfjtXli  TOv  n'ariijuäi'  TÖv 'OroßAkav  xttl  TO  Ufiöv  rö  'A</eo^(aioV ,  Xai  äpufaato 

tt  TÖy  ^jiexiy^^i"  •  "f  änonnpaativ  joB  Tai-Qofin'fov.  Der  Arohegetee  mues  zwischen 
Tanromenion  und  C.  Schisö  (Nasps)  gesetzt, werden.  Da  nun  Angustus  offenbar  von  Nor- 
den kommt ,  so  kann  er  nicht  beim  Cantara  vorbeigefahren  sein,  um  unterhalb  Tauro- 
menion's  ein  Lager  aufzuschlagen.  Der  Onobala  ist  also  eine  Fiamara  bei  Tauromenion ; 
an  dem  Ausdruck  notafio;  kann  kein  Anstoss  genommen  werden. 

S.  26.  Tanrominius  Vib. 

S.26.  W«fDf^qe.Thuk,  IV,  25.  Asines  PI.  III,  88.  Asinius  Vib.  Dass  dieser  Flosa 
der  Cantara  und  nicht,  wie  Cluver  und  Serra  dl  FhIco  wollen,  der  F.  freddo,  südlich  vom 
Cantara  ist,  geht  daraus  hervor,  daes  Pliniue  zwischen  Tauromenion  und  dem  Aetna  nur 
den  Aaines  nennt  und  der  Cantara  der  einzige  twdeutende  Fluss  dieser  Gegend  igt.  Ueber 
den  Cantara  Faz.  59,  Sm.  130.  D.  292.  295.  29G  (Arcadian  valleyj.  Auf  eijier  Münze  von 
NaxoB  bei  de  Luf  nes :  Assinos. 

S.  26.  '^xi(  Tbeokr.  I,  69:  'AxkJos  ItQov  viaig.  D^s  V>f^pov  viaiQ  bei  Theolfr.  XI, 
47  ist  der  Akis,  der  wegen  seiner  Kälte  sprichwörtlich  war:  Apoet.  I,  96;  vgl.  III,  12. 
Diog.  II,  74.  Arsen.  II,  54.  Ov.  Fast,  IV,  468  nennt  ihn  herbifer.  Sol.  5,  17.  Sil,  XIV, 
221  ff.  ansfiihrlich  mit  Bezug  auf  die  Galateiaeage.  Claud.  R.  Pr.  III,  332,  Vib.  .Serv.  zu 
Verg.  Ecl.  IX,  39  nennt  ihn  Äcinius.  Schol.  Theokr.  I,  69  leitet  den  Namen  von,n»iV, 
Pfeil,  her.  H.  Pirrus  in  Not.  Eccl.  Cat.  p.  558  (Tbes.  II.).  —  Vgl.  D.  451  und'  F..Ferrar8, 
Campi  Flegrei  della  Sicil.  Hess.  1810.  4.  p.  133  wegen  der  Mündung  der  AcqueGrandi. 

S.27.'4f^/mtPijiä.FY^h.l.&T.'^fi/rayosStJ:.Yl,i.,n.  Ov.  Met.  JtV,  27,9;  Neo 
non  Sicaniae  volvens  Amenanus  areoae,  Nuncfluit,  interdum  euppressis  fontibus  aret. 
St.  B.  s.  v.  Kaiätii-    Afnyuvis  heisst  schwach ,  nicht  )ileibend.    D.  410:  The  Am.  fiows 


Änbang  II.  Belege  und  Erlünternngen. 

from  beneath  the  Seminario.  Vgl.  auch  A.  di  Oiacomo  in  den  Atti  dell' 
IX,  23  ff. 

luesgebiet  des  Symaithoa.  Faz.  75:  Poit  Catauam  nrbeni  p.  m.  S 
lare  se  exonerat,  Jarretta  hodie  appellatns ;  und  76 :  cum  Teriani  tr^eceris, 
maethi  fl.  osttum  occurrit  —  appellatur  hodie  ia  fi.  a  S.  Paulo.  Die  Vereini- 
lalonga  mit  dem  nördlichen  SymaithoB  lÜBst  Amico  (Uebera.  von  di  Uarzo' 
iga  im  J,  1621,  s,  v.  Simeto  1522  eingetreten  sein.  —  Zvfiat^es  Thnk. 
13  nennt  ihn  fälachlicb  im  Süden  vom  Terias.  Str.  VI,  2,  3,  wo  er  im  ka- 
biete  flieset,  während  Thnk.  ihn  im  leontiniecben  nennt.  Symaethos  oft  bei 
lichtem.  Verg.  Aen.  IX,  584:  Symaethia  circum  flumina,  pinguis  nbi  et 
Falioi.  Diese  Versetzung  des  Palikeneeee,  der  doch  eUdlich  im  Gebiete  des 
,n  den  Symaithos  wird  von  Cl.  429.  30  für  eine  Ungenauigkeit  gehalten, 
und  SymaithoB  im  Alterthum  nicht  zueammenfloesen ,  so  ist  der  grossere 
reter  dee  gauien,  wegen  der  NUhe  von  Er.  und  Sym.  als  eines  betrachteten 
I  genommen.  Femer  Ov.  Fast.  IV,  472.  Sil.  XIV,  231 :  rapidi  vada  flava 
)l.  —  Kacb  Ath.  I,  2  gab  es  Hammerfische  —  xtaigil;,  mugiles  —  ^>'  ■£'i~ 
lieit  mSD  Iv  ^xiäSv-  Doch  behauptet  Cl.  149,  dass  sie  wirklich  im  Giarretta 
Jen,  —'Aifüvioi  St.  B.  8.  Y.'^Sgtivöi',  wonach  der  Fluss  auch  ifKärv/to^ 
•aväy  gewesen  wäre.  ^  Kiinfiöatigof  Pol.  I,  9.  Die  merkwürdigen  Ein- 
I  Lava  geschildert  bei  D.  232  nach  Lyell.  —  Xpii« b(  Diod.  XIV,  95.  Cic. 
Sil.  XIV,  229:  vageChrysa,  wo  ans  der  Slteren  Lesart  Vagedrusa  ein  be- 
s  dieses  Namens  gemacht  ist,  der  sich  noch  bis  vor  Kurzem  auf  den  Karten 
-  Schilderung  der  Gegend  des  Dittaino  D.  229.  —  'Egvx^sBt  B.  s.  v. 
US  Duiia.  —  Das  Symaithosthal  von  Regalboto  an  als  arboribus  consiia 
DI.  415  geschildert.  Cams,  Sic.  und  Neapel  309 :  »Von  nun  an  [S.Fil.d'Arg. 
Gegend  eine  ganz  andere;  reich  bepflanzte  Bei^  und  Felder,  prächtige 
isserordentlich  schUnen  Gebirgslinien  erscheinen ,  in  reizender  Krümmung 
Fluss  Salso  dabin«  u.  b.  w. 
igias  Skyl.  13.  Diod.  XIV,  14.  PI.  111,69.  Hesych.   Ttigfot  bei  Tbnk. 

faaoc  Pol.  VII,  6.  —  Wo  in  dieser  Gegend  der  Assia  war,  der  bei 
12  und  139  (ex  vita  S.  Neophyti)  erwShnt  wird,  weiss  ich  nicht. 
Ki'iaxtJof.  Thuk.  VI,  4  [einige  Hdscbr.  -tor).  Ptol.  -int.  Sonst  nur  bei 
iriftsteilem,  wo  er  oft  vorkommt.  Ov.  Fast.  IV.  471.  Sil.  XIV,  230:  facUem 
te  pareo  Pantagiam.  Claud.  E.  Pr.  11,  57  :  saxa  rotantem.  Verg.  Aen.  DI, 
itervehor  Ostia  saxo  Pantagiae,  wozu  Serv.  hie  flnvins  implebat  sonitu  paene 
1,  tinde  Pantagias  dictus  est,  quasi  nbiqne  sonans  (also  narja  — /ov 

tfivgitti  [andere  Lesart  Jiofivftat]  Plut.  Tim.  31.  Ueber  die  Ufer  des 
abr.  Umwand,  des  Hegar.  Heerb.  S.  462.  i 

Mas  nur  bei  Liv.  XXIV,  30  erwähnt.   Schubr.  Umwand.  S.  457  erklärt  ihn     j 
Uino,  weil  der  Moliaello  zu  nahe  bei  Leontini  fliesse.  | 

laßoir.  Diod.  IV,  7S.  St.  B.  Hes.  hat  'Alaßüs-  Ptol.  'Aläßov  (gen.).  Sil.  ' 
samque  Alabimque  sonoros.  Plut.  Tim.  34  wird  von  Cluv,,  dem  Scbobriti;; 
beistimmt,  iUXtiJiv'AßoXov,  liiv 'Alaßov  gAe&t^.  Ueber  den  Alabon  uuil 
ist  gewaltige  Confusion  bei  Mann.  299  und  300.  —  Schubr.  444—40  über 
a  (wovon  noch  die  Rede  sein  wird)  und  die  Noth wendigkeit,  den  S.  Gus- 
Alabon  zn  halten. 

anet  kommt  oft  vor.  Theokr.  I,  63  ist  von  dem  fifyai  ^ios'Avirra  die 
1er  Schol.  bemerkt :  ffpvr"'  <»(  Svto  nöatai!  mv,  ««1  ßl^XQ^"  ^X""  i'^'^Q  •  n 
tvffl  fili  Jiäßaiot  tlyai.    Aber  der  Name  stammt  ans  Akamanien ,  wo  ein 


f 


Zu  Buch  I,  Kap.  2,  S.  27—31.  341 

Nebenflu8s  des  Acheloos  Anapos  heisst  (Thuk.  II,  82).  Ueber  den  wirren  Unsinn  bei 
VibiuB  kann  man  S.  60—65  der  Oberlin'schen  Ausgabe  nachlesen.  Ueber  den  A.  (jetzt 
Anapo  mit  dem  Accent  noch  immer  auf  der  ersten  Silbe)  vgl.  Schubring,  Bewässer.  von 
Syrakus.  Philol.  XXII,  4.  610.  612. 

S.  29.  KvavTi  Diod.  IV,  23 ;  V,  4.  Vgl.  unten  bei  Syrakus.  Greverus,  Zur  Würdigung 
Theokrit's  S.  XVII  hat  an  dem  Wasser  der  E.  eine  besonders  blaue  Färbung  bemerkt 
(dem  Namen  entsprechend). 

S.  29.  üvQttxtu  St.  B.  s.  V.  Zvgäxovaai,  Vib.  Tyraca. 

8.  29.  Avaifinna  Thuk.  VU,  53.  Theokr.  XVI,  84. 

S.  29.  Die  Syrakusanischen  Quellen  aufgezählt  von  PI.  m,  89:  coIoniaSy- 
racusae  cum  fönte  Arethusa,  quamquam  et  Temenitis  et  Archidemia  et  Magaea  et  Cyane 
et  Milichie  fontes  in  Syracusano  potantur  agro.  Nach  CI.  218  wäre  Archidemia  die  Quelle 
Cefalino  zwischen  der  Kyane  und  dem  Anapos ;  nach  dems.  221  Magaea  die  Font,  della 
Maddalena  unweit  S.  Maria  Maddalena  an  der  Bucht  Daskon.  Schubr.  Bewäss.  von  Sy- 
rakus 616  hält  die  Temenitis  für  den  Tremiglia-Aquäduct ,  wovon  unten  die  Rede  sein 
wird;  »über  die  drei  andern  Conjecturen  anzustellen  ist  unnütz.«  Von  einer  andern  syrak. 
Quelle  spricht  Ar.  Mir.  56. 

S.  29.  Kaxvna  q  i  s  Thuk.  VII,  80 :  ^n\  rtp  notafiip  j(ß  KaxvTTaQSi.  Der  Name  Cas- 
sibili  ist  aus  Kakyparis  entstanden. 

S.  29.  *EQtvi6g  ebendas.  Das  Wort  bedeutet  einen  wilden  Feigenbaum.  Ptol.  *Eq(vov 
(Gen.).  Ueber  d.  Cavallata  D.  324. 

S.  29.  "jaaivuQog  Thuk.  VH,  84. 

S.  29.  "EXmQog,  Pind.  Nem.  IX,  40  :  ßa^vugii/AVoiai  (T  af^fp  axratg'Elti^v.  St.  B. 
(wo  auch ''Eil.)  citirt  aus  ApoUod.  chron.  I,  er  habe  rtd^aaovs  ^x^vg  enthalten,  ano  xe^Qog 
ia&iovrag.  Verg.  Aen.  III,  698 :  praepingue  solum  stagnantis  Helori.  Ov.  Fast.  IV,  477: 
Heioria  tempe.  Sil.  XIV,  269:  clamosus  Helorus.  Lyc.  AI.  1033.  1184.  Die  Notiz  von  den 
zahmen  Fischen  auch  bei  Plin.  XXXII,  16  und  Nymphod.  ap.  Ath.  vm,  333,  der  XaßQa- 
xag  und  lyiiltig  nennt.  Ebert,  Diss.  Sic.  p.  200  citirt  dazu  Poll.  VI,  63  und  Macr.  U,  11, 
wonach  diese  ^yx^  nltoxal,  flutae  hiessen.  —  Die  Schönheit  des  Helorosthales  gerühmt 
von  Sm.  178 ;  Buss.  240.  Die  piscina,  von  der  Plin.  spricht,  welche  eigentlich  der  Fluss 
selbst  gebildet  hat,  sucht  Faz.  123  neben  demselben  nachzuweisen.  Vibius:  Herbesos 
qui  et  Endrius ,  oppido  AUuria  decurrit  per  fines  Helori  ist  unverständlich ;  in  AUuria 
steckt  Eloria. 

S.  30.  MoTvxavovnoT.  ixß.  Ptol. 

S.  30.  'YQfjiivog  Phil.  (fr.  8  M)  bei  D  H  ep.  de  hlst.  5.  Hirminius  PI.  in,  89.  Ob 
der  Hiranus  oder  Hiramis  der  Tab.  Peut.  derselbe  sein  soll?  Hyrmine  Stadt  in  Elis : 
U.  n,  616. 

S.  30.  *'il äy  e ff  Ol.  Pind.V,  IL^Innagig  ebend.  1 2,  dessen  Oi^voi  ox^roi erwähnt  wer- 
den, olotif  aQÖH  üTQaroVf  xoXX^  rs  aiadCtov  &aXdf4wv  taxifog  vxpCyvtov  aXaog,  was  Sowohl  auf 
Herbeischaffen  von  Holz  auf  dem  Flusse,  wie  auf  den  Handel  überhaupt  gehen  muss.  Sil. 
XIV,  229. 30  pauperis  alvei  Hipparin.  Nonn.  Dion.  XTIT,  316.  Ptol.  hat  denGen.'/nrW^ov. 

S.  30.  Kafidqiva  St.  B.  S.  V.  noXig  ZixiUag ,  xaX  XCfivrit  d(f  Tig  ^  nagotfila'  Mfj 
xCvhi  Kafiägivav,  ttxfvrjTog  yccQ  ufAiCvtov,  Anth.  Graec.  IV,  p.  115  nebst  Schol.  Suid.  M.  x, 
K.  Verg.  Aen.  III,  701  und  Serv.  dazu.  Sil.  XIV,  198  :  et  cui  non  licitum  fatis  Camarina 
moveri.  Claud.  B.  Pr.  U,  59 :  pigra  vado  Camarina  palus.  Vib.  Vgl.  Sm.  195  und  D.  368, 
der  den  See  almost  choked  with  rushes  nennt.  Bei  Camarina  erwähnt  noch  Sol.  V,  16  die 
Quelle  oder  den  Fluss  Dianas:  Dianam  qui  ad  Camarinam  fluit,  si  habitus  impudice 
hauserit,  non  coibunt  in  corpus  unum  latex  vineus  et  latez  aquae;  femer  Prise.  489 — 91- 
Vgl.  Faz.  132  und  Cluv.  234.  Wie,  wenn  statt  Dianam  zu  lesen  wäre  Oanim? 

S.  31.  nXag  Thuk.  VI,  4.  Verg.  Aen.  III,  702 :  immanisque  Gela  fluvii  cognomine 
dicta.  Ov.  Fast.  IV>  470 :  et  te  vorticibus  non  adeunde  Gela.  Sil.  XIV,  213.  Claud.  B. 


3*42  Anhang  II.  Belege  und  Erlftuternngen. 

Pr.  n,  58.  Vib.  Schol.  Find.  Ol.  U,  16.  St.  B.  s.  v.  '^xgttyavrec  xmä  ma.  üeber  die 
Herlei tttüg  des  Namens  Suid.  tmd  Et.  M.  s.  v.  rücc.  U6ber  die  Sch(5nheit  des  Oelathales 
bei  Piazza  D.  3041. 

S.  31.  ^IfÄ^Qag  Diod.  XIX,  109,  wo  er  aXvxog,  salzig,  genannt  wird.  Polyb.  VIT, 
4.  5.  Llv.  XXIV,  6 :  äimera  amnis  qiii  ferme  insulam  dividit  Ptol.  Vgl.  Faz.  136.  Von 
den  Ifaraguni  D.  221.  Das  Wort  bedeirtet  eigentlich  den  Vogel  Tancfaer ,  dann  die  Ar- 
beiter, die  im  Wasser  Verlorenes  fischen  oder  auf  Flüssen  Menschen  und  Waaren  Über- 
setzen. 

S.  31.  Ueber  die  Flüsse  von  Akragas  ist  die  Hanptstelle  Pol.  IX,  27 :  ^et  yao 
avtijg  7iäQ&  fiiv  tljv  voitöv  nXevQ&y  h  avvtavvfjihg  t^  noXsi,  naQa  Sk  riiv  Inl  Tctg  Svafig  «rcc 
Tov  Ußa  TfrnafifA^vijy  o  TTQogttyoQfvSfKvöi  "Yipa^,  Die  Mündang  des  Hypsas  bei  Ptol. 
Manrolycus  erkISrt  im  Ind.  Alph.  p.  13  nach  M.  Aretins  und  Fazell ,  gegen  PolyVa  Au- 
torität den  Drago  für  den  Akragas  (Namenähnlichkeit) ,  erwähnt  seine  Vereinigung  mit 
dem  S.  Biagio  und  nennt  auch  p.  17  der  Geschichte  den  12  Millien  Ostlicher  mündenden 
Naro.  So  sind  im  16.  Jahrh.  S.  Biagio  und  Naro  deutlich  unterschieden.  Dagegen  identi- 
ficirt  Cl.  25()  S.  Öiagio  und  Naro.  Noch  mehr  Verwirrung  bringt  d'Orv.  p.  88  und  HI. 
Sief.  Akr.  21.  22  hat,  auf  Cinver  gestützt,  vermuthet,  der  Naro  habe  erst  nach  Ghiver's 
Zeit  eine  besondere  Mündung  erhalten.  Was  soeben  aus  Maurolycus  angeführt  wurde, 
beweist  jedoch,  dass  Cluver  sich  diesmal  getäuscht^hat.  Auch  Serra  dl  Falco  hat  in  die- 
sem Punkte  mehrfkch  geirrt.  Vergl.  sein  geogr.  VerZ.  zum  1.  Bande,  nebst  III,  24  und  98 
(Anm.  9) .  Pancrazi  I,  2,  2  sucht  nachzuweisen ,  dass  wegen  des  von  den  R5mem  nach 
Pol.  1, 18  südlich  von  der  Stadt  gezogenen  Grabens  der  S.  Biagio  nicht  damals  habe  dort 
fliessen  kOnnen ,  weil  dann  der  Graben  überflüssig  gewesen  wäre ;  er  habe  damals  nörd- 
lich von  der  Stadt  geflossen  und  sich  dort  mit  dem  Drago  rereinigt ;  aus  jenem  Graben  habe 
sich  dann  der  jetzige  Lauf  des  S.  Biagio  gebildet;  ich  finde  den  Beweis  nicht  zwingend ; 
mit  demselben  Rechte  konnte  man  schliessen,  dass  auch  der  Drago  nicht  südlich  ron  der 
Stadt  geflossen  habe ;  denn  auch  er  fliesst  in  der  Gegend ,  wo  jener  Graben  sein  inusstc ; 
auch  macht  die  Erhebung  des  Bodens  nOrdlich  von  Girgenti  jetzt  wenigstens  einen  dor- 
tigen Lauf  des  S.  Biagio  unm8glich.  Plig.  42  sucht  P.  aus  den  Urkunden  und  dem  Volks- 
munde zu  beweisen ,  dass  der  F.  di  Naro  noch  im  Mittelälter  Ipsa  genannt  sei.  —  Wenn 
Einige  östlich  von  Akragas  einen  Fluss  Sikanos  setzen,  so  beruht  dies  auf  einer  falschen 
Auslegung  der  JiTotiz  St.  B.  S.  V.  Zixavta,  ^  7tiQix(OQog*AxQttyaVTCvtav  ^  xtti  norafiog  2i- 
xavog,  mg  (friatv  linoXXo^oiQog.  Das  heisst  nur,  es  gebe  auch  einen  Fluss  dieses}Namens, 
den  St.  B.  s.  v.  ^ijod  aber  nach  Iberien  setzt. 

S.  31.  *^Ayx()c.  ylvxog.  Jenes  ausser  bei  St.  B.  nur:  Diod.  XV,  17  (Hdschr.  Ir^AiJ- 
xov  oder  'AJiixov)  Exe.  Hoesch.  XXIII,  9  und  XXIV,  1.  Dieses  bei  Diod.  XVI,  82,  sowie 
Plut.  Tim.  34,  endlich  Herakl.  fragm.  pol.  Min.  (M  II,  221).  Es  ist  nicht  daran  zu  denken, 
dass  die  verschiedenen  Namen  verschiedene  Flüsse  bezeichneten.  Der  Lykos  des  Her. 
floss  bei  Herakleia  Minoa ;  es  ist  also  derPlatani;  der  Halykos  Diod.  XV,  17  floss  im 
akragantinischen  Gebiet,  ist  also  wiederum  der  Platani.  Für  den  Namen  Halykos  hat 
man  sich  gewöhnlich  entschieden ;  Schneidewin  (zu  Herakl.  vgl.  M  l.  i.)  macht  zu  Gun- 
sten der  Form  Lykos  auf  die  Uebereinstimmung  dreier  Schriftsteller  aufmerksam.  Man 
kann  somit  zu  keinem  andern  Resultate  gelangen,  als  dass  der  Platani  sowohl  Lykos  wie 
Halykos  hiess.  Ist  noch  ein  zweiter  Halykos  anzunehmen?  Nach  Cl.  281.  470 
hiess  auch  der  F.  delle  arene  Halykos.  Es  fUhrt  nämlich  Duris  bei  St.  B.  s.  v.  *Ax(myavrfg 
unter  den  sicilischen  Städten ,  die  von  Flüssen  den  Namen  haben ,  auch  ^Alvnov  an.  Da 
nun  eine  Stadt  dieses  Namens  in  Sicilien  sonst  nicht  bekannt  ist ,  darf  man  an  'jfltxvai 
denken,  das  wahrscheinlich  das  heutige  Salemi  ist;  somit  wäre  der  im  Namen  ent- 
sprechende Fluss  der  F.  delle  arene.  Man  kann  aber  auch ,  statt  eine  Ungenauigkeit  im 
Ausdruck  bei  Düris  oder  St.  B.  anznnehmien  (Halykos  ist  keine  Stadt),  nach  handschrift- 
lichen St>uren  mit  Meineke  daselbsl  ^^Jt<xt;at  (Acc.  pl./  tesen,  dann  Mre  der  Flusimame 


V 


Zu  Buch  I,  Kap.  2,  S.  31—33.  343 

'AXixvag  (anal.  MaiaQafy  *Ififyag).  Jedenfalls  kommt  dieser  westliche  Halykos  in  der 
Geschichte  nicht  yor.  Paulis  Ansicht  (B  £  UI,  1053),  es  sei  Diod.  XYI,  82  (wo  ja 
Lykos  steht)  gemeint,  ist  von  Arnoldt ,  Timoleon.  Gumb.  1S50.  8.  S.  179.  80  widerlegt 
worden.  Ifannert's  Einfall  (S.  350),  es  habe  einen  Ostlichen  Hai.  gegeben,  den  DiriUo,  ist 
schon  von  Pauly  1. 1.  zurückgewiesen.  Mannert  hat  Diod.  XXIV,  1  und  Pol.  I,  53  falsch 
combinirt.  Manche  (Pauly  1.  1.  Am.  179)  denken  bei  Ha  in  Halykos  an  den  semitischen 
Artikel.  Vgl.  m.  Beitr.  16. 

S.  32.  Flüsse  zwischen  dem  Platani  und  C.  B060.  Hauptquellen  PL  lü,  90 
und  Ptol.  Bei  Jenem  haben  die  Hdschr.  Thermae  colonia ,  amnes  Agathe ,  Macer  (oder 
Mater)  Hypsa,  Selinus  oppidum ,  Lilybaeum.  Dieser  hat  in  entgegengesetzter  Richtung 
Ailußaiov,  ^Axi^iov  not,  ixß.^  J^eXivovvroe  n,  e.,  Ma^aqn  n,  c,  JJ^yt/a,  J^oaa^v  n.  €., 
'laßovQov  n,  €.  ^HgaxUta.  Zunächst  ist  klar,  dass  bei  Plinius  statt  Macer  zu  lesen  ist 
Mazara.  Dann  fragt  sich ,  was  unter  Agathe  zu  verstehen  ist.  H.  Barbarus  vermuthete 
Atys,  woraus  Cluver,  nach  Combination  mit  Idxi&iov  bei  Ptol.  Acithis  machte.  Offenbar 
liegt  naher  das  schon  Ton  Harduin  yermuthete  Achates.  Der  Achates  bei  Sil.  XIV, 
228:  et  perlncentem  splendenti  gurgite  Achatem.  Vib.  PI.  XXXVII,  139  und  Sol.  V,  25 
lassen  hier  zuerst  die  Achate  gefunden  sein.  Cluver  hielt  ihn  (246) ,  weil  alle  anderen 
Flüsse,  die  in  Betracht  kamen,  bereits  Namen  hatten,  für  den  DiriUo.  Der  Achates  kann 
der  Carabi  oder  Cannitello  sein.  —  Der  Hypsas  ist  der  Beiice ;  Plinius  nennt  ihn  östlich 
Yon  Selinus,  und  der  Name  findet  sich  auf  selinuntischen  Mtinzen.  Somit  ist  der  Selinus 
der  heutige  Madiuni,  der  ja  auch  näher  als  der  Belioe  an  Selinus  vorbeifliesst.  Er  kommt 
ebenfalls  auf  Münzen  vor;  sonst  Str.  XVII,  3,  16.  St.  B.  s.  v.  lAxgdyavteg,  Auch  Str. 
Vin,  7,  5  meint  mit  dem  J^eXivovs  naQarols'YßXaiois  MeyaQevatv  ^  ovs  uviamaav  K«q^ 
Xtfioviot,  wie  schon  Gl.  279  sah,  nicht,  wie  Müller  im  Ind.  Strab.  annimmt,  einen  Fluss 
bei  Megara  nördlich  von  Syrakus.  —  Der  Apiarius  Gl.  278  ist  eine  unnöthige  Gonjectur 
für  Lanarinm  It.  Ant. ,  wovon  später.  —  Beim  Isburos  spricht  Gluver  von  K6av(}oe 
als  sioüischem  Flusse  nach  St.  B.  Die  richtige  Lesart  t^s  £txiUae  norafiov,  bezogen  auf 
den  SelinuB,  ist  auch  Str.  XVII,  3,  16  zu  entnehmen,  woher  die  Nachricht  des  St.  B. 
stammt.  —  Der  Sossios ,  den  Gluver,  weil  kein  anderer  übrig  war,  für  den  F.  di  Mar- 
sala  hielt,  ist  zwischen  Selinus  und  Herakleia  zu  suchen ;  der  F.  di  Marsala  hiess  nach 
Ptol.  'Ax^ittos. —  Mazaras.  Diod.  XI,  86  hat  MaCagv  notafA^.  lieber  ihn  Göttling, 
Ges.  Abb.  II,  82  und  Schubring,  Topographie  der  Stadt  Selinus  (GiJtt.  Ges.  d.  Wiss. 
1865]  S.  36.  37.  Die  Entscheidung  darüber,  wo  der  Kamikos  floss,  hängt  von  der  Be- 
stimmung der  Lage  der  Stadt  Kamikos  ab,  die  nicht  Siculiana  war;  er  war  der  Galta- 
beUotta  oder  der  Macasoli ;  er  kommt  vor  St.  B.  s.  v.  'Axgayavrfe;  s.  v.  Ka/nixos;  Lykos 
fr.  81  und  Vib.  —  Endlich  kommt  noch  aus  dieser  Gegend  bei  Diod.  XXXVI,  4  (Phot.) 
der  Alba  vor.  Der  römische  Feldherr,  öiaßag  tov  Iklßav  notafiov  nttQijX&e  tovg  ano- 
ajuras  dtaiQ^ßorrag  Iv  oq€i  nakovfiiv^  KanQiavfß  xal  xari^vTriatv  ig  noktv  ^HqdxXHav, 
Im  It.  Ant.  kommt  Allava  30  mp.  nach  Westen  von  Agrigent  vor.  Gl.  hält  ihn  für  den 
Macasoli.  Nun  finden  sich  bei  Edrisl  (AmariBibl.  Arabo-sicula  S.  67)  folgende  Angaben : 
Von  Sciacca  zum  Fl.  Albu  (oder  Allabu)  8  Millien  und  vom  Fl.  Albu  zum  Vorgebirge  des 
Fl.  Iblatanu  (Platani)  9  Mlll. ,  so  dass  sich  hieraus  der  F.  di  Galtabellotta  als  der  Alba 
herausstellt.  Darf  man  dasselbe  entnehmen  aus  Vibius :  Triopala  (-cala)  qui  et  Assorus 
{'?)  juxta  Alabon  (Albam?)  Megarensium  (d.  h.  Selinuntiorum?}?  —  Bei  der  Aufz&hlung 
der  modernen  Flüsse  sind  ganz  unbedeutende  natürlich  übergangen. 

S.  32.  notafiovg  71  €qI  Aty tat av  j:xdf4.av 6 Qov  xal  Sifioivxa  erwähnt  Str.  XIU, 
1,53. 

S.  33.  KQi(ita6g  Plut.  Tim.  27.  28.  Nep.Tim.  2.  4.  Diod.  XIX,  2.  N&tf^,  Aen.  V, 
38  und  Serv.  Vib.  Grimisos  Siciliae,  civitate  Atilac,  wo  Gl.  328  Grimisos  und  Enteila  ver« 
bessert.  Lykos  (fr.  8  M)  bei  Ant.  Mir.  148 :  Kgiuiaog,  ort  ra  /Ah  inmoXr^g  tiSv  vddjfov 
ilal  tf/vxgolj  rä  6k  xarto  »€Qfiol,   Man  denke  hierb^  an  die  Thermen  von  Segesta,  die 


Anhang  U.  Belege  and  Erllinterungen. 

ueee  entspringen.  —  üeber  die  Schreibart  Ärnoldt,  Tim.  S.  15Q  und  die 
Cieiehrten ,  von  denen  Lolieck  fUr  K^lfiims  iet.  —  Nach  Cl.  331  ist  der 
.eatru;  nach  Se na  di  F.  I,  HO  der  B.  slnistro.  Es  igt  doch  wohl  nnmffg- 
len  Erzähinng  des  ServiuB :  Egeata  &d  Siciliam  deUta  a  Crimiso  flumine 
.tEgeatum,  qni  civitatem  condidit  quae  Egeata  dicta  eat,  die  Voraua- 
«  von  einem  engen  ZoBammanhange  zwischen  der  Stadt  Egeata  nnd  dem 
I  zu  läognen. 

EOToioi  di  toy  n6Qjraxa  xai  rtyv  K^tfitai»  xat  röv  Ttlf^iaoor  tr 
fiäai  Aer.  V  H  II,  33.  Apud  SegeatanoB  HelbcBus  in  medio  flumine  su- 
ine  ardet  Sol.  V,  IT.  Dieae  kleinen  Gewäaaer  h£lt  Seira  di  F.  fllr  die 
Thermen,  nach  Parthey  w&re  der  TelmiBSOB  der  F.  S.  Cataldo,  der  Porpax 
etwas  zu  nahe  an  Lilybalon). 

»(Qfttt'EyiOTaiti  Diod.  IV,  23.  NachStr.  VI,  a,9  8inddiB^(yt<Ji«i» 
1.  D.  148. 

t^oiJioT.  txßolal  Ptol.  CluT.  332  will  'ISm  oder  'IS»it  leaen  wegen  des 
Aber  der  Name  Ba9v{  klingt  aehr  natürlich  fUr  einen  FluBe.  Südlich  Tom 
:hD.  165derFtati,  den  auch  die  Karte  von  1B26  kennt;  ea  scheint  jedoch 
llung  dea  Namena  Jati,  des  einzigen  grtigseren  FluBSes  dieser  Gegend. 
I  Namen  Orethns  hat  nur  Vibius  aufbewahrt.  Der  Name  Ammlragli« 
)  dell'  Ammirsglio  (Georg  von  Antiochien  1113  nach  Chr.).  Jetzt  wieder 
ehungen  zwischen  den  Namen  Oretfaue  nnd  Arethnaa? 
'Elev»tgos  nur  bei  Ptol. 

'.Qttt  Str.  VI,  2,  1  f}i  f  'l/itpav  jioraftöy  —  <tia  fi^aijs  yiovia  t^c  .Sxf- 
V.  'ififQn  aus  Nikanor  und  8.  v.  V^enV«*"«-  P'  HI,  90.  Ptol.  Mela  n, 
r.  S  HJ  bereite  citirt.  Von  den  beiden  aus  derselben  Quelle  entspringenden 
neos  Stesich.  bei  Vibiua.  Sil.  XIV,  234  ff.  dividnae  se  Bcindit  in  oraa,  Neo 
petit  iocita,  quam  petit  ortus.  Nebrodea  gemlni  nutrit  divortia  fontis. 
t  irrig  ihn  amaruB  sein,  dum  in  aqnilonem  fluit,  dulcis  ubi  ad  meridiem 
VIII,  3  quae  pars  profluit  contra  Aetnam ,  eat  infinita  dnlcedine.  Hier 
>46)  in  dem  auf  den  Aetna  zu  Siesaenden  Lauf  des  F.  di  Tennini ,  den  er 
ahSIt,  nach  Vib.  Himera  oppido  Thermitanomm  dedit  nomon  Himerae, 
iber  gegen  diese  Annahme  spricht  ausser  dem ,  was  die  Ruinen  bei  Bon- 
sen  laasen  |a.  u.  Himera) ,  der  Umstand ,  dass  sowohl  Ptol.  wie  die  Tab. 
erafluas  üstltch  vou  Thermae  setzen,  sowie  endlich  die  bei  Strabon  an- 
inz  von  Kephaloidion ,  die  mit  Unrecht  angegriffen  worden  ist.  Der  von 
1  Ansicht,  die  mit  FazetI  im  Allgemeinen  die  sicilischen  Gelehrten  theüeo, 
wig  auch  Oatliing,  Ges.  Abh.  D,  8E.  Vgl.  auch  D.  259.  üeber  die  Quelle 
Bo  unter  Imera  settentrionale  und  Salao.  —  Find.  Pyth.  1,79:  nnpo  tar 

ö  r  d  ^  0 1  nur  bei  Ptol.  Zwischen  Kephaloidion  und  Ahüaa  flieeaend ,  musa 
gewesen  aein.  Vgl.  D.  267. 

laioos  C.  I.  5594,  wo  Franz'  Angaben  über  Fazell  irrig  sind.,  Colum- 
Bt  quae  Sicanii  florea  legistis  Halesi.  C.  L  5594  sind  noch  genannt :  der 
,  der //itaia^acund  der'Pnjc««,  welche  beide  letzteren  ebenfalls  nnr  Ge- 
innen.  Ebendas.  endlich  die  Quelle  'Inv^^a.  Sol.  V,  20  berichtet :  in  Hale- 
ns  alias  qaietus  et  tranquillug,  quum  siletur,  si  inaonent  tibiae  eiullabundua 
atur  et  quasi mireturvociadulcedinem,  nitida margines intnmeBcit  Faz.  226 
ler  grossen  Quelle,  3  Hill,  atldlich,  aqua  civitatis  genannt. 
r  Xiättt  des  Ptol.  kann,  da  er  zwischen  Kalakia  und  Alontion  gesetzt 
riachen  Caronia  nnd  S.  Harco,  einer  der  FlUsae  Foriano,  Inganno,  Bosa- 
fach  Ct.  Foriano. 


Zn  Bach  I,  Kap.  i,  S.  33—34.  345 

S.  34.  Der  Tfi^9os  dm  Ptol.  Ist  iwischen  AgathymoD  and  TTodarls.  O.  hSIt  Ihn 
für  den  Nsso:  ea  kttnnte  auch  der  Patti  sein.  Diese  Gegend  tat  besonders  von  Orass 
ereMhildert.  Vgl.  D.  271,  der  sie  mit  der  Riviera  di  Ponente  vergleicht. 

8.  34.  'Ellxav  des  Ptol.  zwischen  Tyndaris  und  Mylae,  Ton  Cl.  370  fUr  den  OHveri 
^halten,  künnte  ebensowohl  Salica,  Aranci,  Castroreale,  S.  Lncia  sein. 

S.34.MeIaB.  FaceMnns.  Jener  bei  Ov.  Fast.  IV,  476:  Sacrammqne  Hehin  pa- 
Bcna  laeta  boum ;  dieser  bei  Tibins ;  Phoetelinns  Siciliae  jnxta  Peloridem,  confiuia  templo 
Bianae.  Cluy.  3TT  verbessert  richtig  Facelinus  wegen  Luc.  eat.  III  ap.  Prob,  et  Pomp. 
Sab.  Äen.  II,  1]S:  Facclinae  templa  Dianae  nnd  Si).  XIV,  260:  sedes  Facelina  Dianao. 
Dieser  Tempel  der  Diana,  um  den  sich  ein  kleiner  Ort.  Artemision,  bildete,  lag  in  der 
Nähe  von  Hylni  (App.  B  C  V,  116)  zwischen  Mylai  und  Naulochos,  das  C.  La  Farina 
nach  Spuren  am  Ufer  in  der  Nähe  von  gpadafora  sucht  (Bull.  1836.  8.  95.  96).  Cluver 
377,  TS  identificirt  Melas  und  Facetiuus,  wozu  kein  Qrund  ist.  Da  die  Binder  des  Helios 
zu  HyUi  In  Beziehung  gebracht  wurden,  so  wäre  mSglich,  dasa  der  Hetaa  eigentlich 
Mylaa  geheisaen  hätte  (Melazzo  für  Hilazzo).  Helas  kann  Nocito  sein,  Facelinus  Condro. 
Ein  anderer  Flass  dieaer  Gegend  muss  tibrig  bleiben  als 

8.  34.  jtöyyttfosoüet  Aaltttret.  Jene  FoHH  hat  Pol.  I,  9.  diese  Diod.  XXII,  13 
(Hoeach.).  Er  wird  von  Cl-  375  für  den  westlich  von  Hylai  flieasenden  F.  di  Castroreale 
gehalten.  Wenn  nun  nach  Diod.  I.  I.  Ilieron,  als  er  in  das  Gebiet  von  Hessana  einfiel, 
Hylai  schon  hatte  und  nun  den  Bewohnern  von  Hessana  am  Longanos  eine  Schlacht  lie- 
ferte, so  wird  dieser  Fluss  Östlich  von  Mylai  zu  suchen  sein.  Denn  wenn  die  Hamertiner 
sich  westlich  von  Mylai  in  Schlachtordnung  gestellt  hätten ,  so  wäre  ihnen  ein  Ueber&ll 
im  Eiicken  durch  die  Ilieroaische  Besatzung  von  Hylai  sicher  gewesen.  Fortmann ,  De 
Hierone.  Zwoll.  1835.  S.  82  halt  sllerdinga  die  Worte  Diodor's:  Mülat  xaja  xQajoi  Uiör 
für  falsch ;  in  diesem  Falle  behält  Cluver  Recht. 

a.  34.  Andere  merkwürdige  GewBsaer  Siciliena.  Bei  Lyk.  AI.  868  wird 
Aphrodite  bezeichnet  als  xQiiovae  ^ojyaü^ou/ii'^iüvundMenelaos  v.  869,  TO  a,l»  Koy^tfai 
9'  StTaip  »tt/x^ai,  rovoZoBv  1  ^Ji  Ziinvwf  rri.nxat.  Diese  sonst  unbekannten  Gegenden 
Buchte  Cluver  zu  bestimmen.  Der  sInns  Longuri  ist  ihm  304  die  Küste  zwischen  dem  Eryx 
and  dem  C.  S.  Teodoro;  die  von  Tzetz es  gegebene  Erklärung  des  fii'^ös  als  einer  Ufii-tj 
verwirft  er.  Die  aqua  Concheae  ist  ihm  460  der  von  Pazell  157  erwähnte  See  von  Bissano 
bei  Agrigent  (s.  o.  bei  Haccainba] ;  das  atagnam  Gonuaa  endlich  280.  81  das  von  Faaell 
t>e8ehriebene  3  Hillien  westlich  von  der  Mündung  des  Beiice  befindliche  Stagnnm  Yb^ici 
(s.  u.  bei  SeUnuBJ.  Auf  der  Karte  bei  Grotefend  II  iatConchea  nach  Palermo  versetzt 
iwegeo  conca  d'orof) ,  und  Gonnsa  ist  Pergnsa.  —  Einen  wunderbaren  aioiliachen  See 
bnchreibt  Philost.  bei  Tzetzes,  Chi!.  VU,  671  ff. ,  der  den  Menschen  aitfriSltot  StiQrir 
Silaatv  tt  if-niuaffw  (M  III,  31).  Einen  andern  Lykos  (M  II,  373)  bei  Ant.  Mir,  170:  jiiqI 
tijr  tv  S/lilais  (XC/n'rp')  »ijr  Z^tltai  äfvdga  ifvec9ai,  Siä  ft{ai;;  tT  ovnfe  äyaffiiv  (Beotl. 
ävaCfir)  vJa)Q,  to  fikv  yivxQÖv,  rö  dt  Tovrarrlov.  —  Wunderbare  Quellen  :  Ar.  Mir.  56 ; 
inl  r^t  idov  t^s  tli  2^vgaxovaae  «p^*l  iaily  tv  Xdfiäri  ovjt  fiiyaXji  oi/rt  vS<o^  fxovaa 
Tiolij-  awanayriiiiavios  rfi  fU  löv  löna*  SxXov  nolioS  Tiagioxfv  EJotp  aifSoyov.  Eine 
andere  Ar.  Mir.  112.  —  Von  andern  merkwürdigen  Quellen:  Plin.  XXXI,  22:  omnia 
fluitant,  nihil  mergitur,  item  in  Siciliae  fönte  Plinthia,  nt  Apion  tradit  (vgl.  Sen.  N  Q 
m,  25  von  einem  stagoum,  das  in  Sicilien  war,  wo  tateres  natant);  XXXI,  61 :  circa  Mes- 
eanametHyUBhiemeintotnminareBcuntfontes.aestateexundant.  Sol.  V,  21.  22  :  Gelonium 
stagnnm  taetro  odore  abigit  proximsntea.  Ibi  et  fotttes  duo;  alter,  de  quo  ai  sterilis 
aumpserit,  fecunda  fiet ;  alter,  quem  si  fecnnda  bauserit,  vertitur  in  8t«rilitatem.  Stagnnm 
Petrensium  serpentibns  nozium  est ,  homini  aalutare.  Hier  denkt  Cl.  460  wieder  an  den 
See  von  BisBano,  wo  auch  eine  Petra  an  in  der  Nähe  liege.  —  Den  Lacns  Cocanicns  PI. 
XXXI,  73  setzt  Faz.  134  nahe  der  Hflndnng  des  Dirillo. 


Anhang  11.  Belege  und  ErllDtönmgcn. 

Lltertbam  erwähnte  Prodakte.  Frdcbtbarkeft  der  Insel  Sil.  XIV, 
siciliBohe  Weizen  Str.  VI,  2,  7.  PI.  XVDI.  «3.  64.  wo  trit.  SeUnn- 
crassüsimi  cmlami  gerühmt  wird.  Diod.  Y,  i:  tv  n  yä^  jiiantr^  mSlif 
;  akkont  TÖnitvs  tIJ(  SixikCat  f^XQ*  '''''  >'*'>'  fvfa^ai  loiit  äygtovf  ivn/iri- 
:.  Ar.  Mir.  82  sagt  dies  vod  Enna.  Theophr.  H  P  IX,  3,  8  preist  den 
nd  von  Mylae,  der  SOfachen  Ertrag  liefere.  Nach  PI.  XVIII,  95  trägt  das 
tfilde  lOOfaltig,  während  Cic.  Verr.  ni,  IT  den  siciliBchen  Boden  das 
fSltige  tragen  lässt,  Cicero  spricht  als  Advocat  der  Sicilier.  —  jivg«- 
is8t  es  im  Epitaph  des  Aischylos.  Zur  Vergleichung  erwähne  ich ,  dass 
l,  44  der  Acker  von  Sjbaris  loofältige  Frucht  trug.  Sm.  12  :  the  lunal 
10  to  16  salms,  and  in  the  most  (avourable  jears  2S  for  one ;  but  no  part 
itend  to  the  ODce  boAsted  lOOfold.  —  Nach  Neigebaur61  wäre  cUgegen 
chste.  —  Art  der  Laodwirthechaft  Fl.  XVIII,  'iS ;  bimestre  framentnm 
Vill,  70.  —  Viehzucht:  2"i».  noXvftalot  Find.  Ol.  I,  12.  fitfloßörov 
Ld.  Pyth-  XII  init.  Schafzucht  bei  Leontini  Ar.  E  A  UI,  17.  Die  sici- 
beBondera  von  Lilybaion,  mxvimai  Opp.  Kyneg.  I,  271.  Die  Pferdezucht 
g.  Aen.  III,  704 :  magnanimum  qaondam  generator equonim.  Sil. XI\',  209 : 
fach  Plin.  VIU,  15&  haben  die  tumali  der  Kosse  dort  pTramidas.  Bei  Sopb. 
tisstea;  yvroTx  i^iS  —  ^Irraiat  tnl  iraXov  ßipäaay ,  wo  j4fiv.  doch  nur 
iUce  bezeichnen  kann.  Nach  Eesych.  S^og  'Axfaralot  waren  al  ^ixilixtiX 
Ol.  Vgl.  Find.  Hyporch-  3  und  Kritias  bei  Ath.  I,  28.  —  axfaQ  Iixtlixiv 
Inte  und  Wolle  zur  Ausfuhr  Str.  VI,  2.  7.  Käse  nach  Ath.  XIV,  658  und 
HermippoB  Syrakua  entweder  aüt  xoi  f  upoV  oder  oUov  xal  ivqöv  liefert. 
Polykratea  liess  eich  ve  tx  ZixfUne  kommen,  nach  Klytos  (H  II,  333; 
10.  -  Honig  und  Wachs ,  bes.  von  Hybbi ,  Str.  VI.  2,  2.  PI.  XI,  32.  33 
liechen  Dichtem  :  Verg.  Ed.  I.  55 ;  Ov.  Trist.  V,  6 ,  38  und  öfter.  Den 
nft  der  Gegend  von  Melilli  erwähnen  d'Orrille  171  und  Ausland  185Ä 
üScher  in  den  Felsen  des  Val  di  Noto  :  Bouel  IV,  9  {bei  Scicii).  —  «tpi- 
(  Theophr.  Char.  5.  —  Essbare  Schnecken  vom  Aetna  PI.  XXX,  4&.  Ich 
lie  xiiv»aQoi  (ecarabaei)  vom  Aetaa.  Schol.  Ar.  Pac.  73 ,  und  ynlttitai 
tödtliohem  Bisa  Ar.  Mir.  14S.  —  Wein.  Hamertlner  bei  Messana  Str. 
th  er  mit  dem  besten  italisohen  Wein  wetteifern  kann,  PI.  XIV,  66.  Sm. 
einem  rongh  wine  am  Faro.  Vinum  Fotulanam  uud  Tauromenitanun  bei 
lie  eugenia  vitis  von  TauromenioD  nach  dem  Albaneigebirge  veipflanit 
!5.  'Ivvxirot  Hesych.  o/fov  tlöllios  Ath.  I,  31  :  "innug  ö  'PqyXiiot  xiir 
]v  äfintlav  ßißllav  ifiial  xaliioüai ,  Sjv  ITÖXliv  löf  'j4(iyiior,  S{  tßniilXioai 
ätov  el(  £iigraioüaac  xofilOai  i^  'IraXtat.  tti)  (f  av  ouc  ö  JiBfta  ZuilltaitmiS 
Vt  nölliot  e  BtßXiros  otrot.  Foll.  VI,  17.  xa(  nov  xat  ylvxiv  xttl  nollaüf 
toiMliüv  nöXiis  if  «üiDV  ö  'j^oyiiot  npiüroj  taxtvitOsv,  aq^'  ov  xai  Toürofia' 

lOMrlur  ßaaikfus  n6lXiot,  äc'^giaioTHrit  Uyn.  Nach  Ael.  VH  XU,  31 
iyX'OQiou  ßaaikfiai  benannt.  Nach  dem  Et.  H.  stammt  er  aus  Thracien  ini 
•xiMorlov  tveärrov-  Ath.  1.  I.  fUgt  ein  Orakel  bei,  in  welchem  von  Anthe- 
t.  Vgl.  MII,  15  und  136.  wo  verrnnthet  wird .  dass  der  Argiver  Pollis 
'andemng  nach  Syrakns.  dem  Orakel  folgend,  den  Weinstock  aus  Antlie- 
n  BOotien.  oder  die  Insel  Ealauria,  oder  in  Thracien)  mitgenommen  habe, 
auch,  Pollis  kOnne  ein  Temenide  gewesen  sein.  Vgl.  unten.  —  'luriUroi 
!in  am  Aetna  Str.  VI,  2.  3  und  XIII.  4.  ll.  —  Hnrgentina  viüs  Fl.  XIV. 
;ato  R  K  6.  —  Wein  von  Enteila.  Sil.  XIV,  204  largoque  virens  Enteila 
TriokaU  Diod.  XXXVl,  7  (Phot.)  Most  von  Alnntion  PI.  XIV,  80.  — 
ei  Akragas  gebaut  und  nach  Karthago  verschifft :  Diod.  XIII,  81 .  —  Oel- 
äame(<'Hf^a<),FelgeDb]iDmeti>A.,wieä,£pnV.^<iV'n(ierwlUmtdiegroaHlB' 


Zn  Bach  I,  Kap.  2,  S.  34-3«.  347 

Schrift  von  Alaisa  C.  I.  5594.  —  Lmseik  {^ttx<y{)  in  Gela  Ath.  I,  30.  Gemüse  ttberhaapt 
Theophr.  HP  VI,  4.  VII,  4.  —Safran,  bes.  der  Centnripinische,  gerühmt  von  PI.  XXI,  31 
und  Sol.  y,  13.  An  der  Peloris  so  reichlich,  dass  man  »ara  r^y  ia(Hvriv  togav  ra^  6TQm- 
fAvag  xaX  rag  axrivag  ix  xooxov  xataaxfviiCft  Ar.  Mir.  111.  Heutzutage  deutet  darauf 
der  Name  C.  Zafarana  hin.  —  xtixiog  Ant.  Mir.  8.  PI.  XXI,  97.  Hesych.  habrotonum  PI 
XXI,  160.  betae  genus  Siculum  PI.  XIX,  132.  —  Die  sicil.  Aepfel  nach  PI.  XXIII,  103 
am  geeignetsten ,  um  Oel  daraus  zu  pressen.  —  Der  Aphrodite  heilige  Blume  Xvxvie  auf 
dem  Eryx  Ath.  XV,  681.  palmae  chamaeropes  PI.  XIII,  39.  FSrbeholz  »mf^og  Nik.  Ther. 
529  mit  Schol.  —  XovrijQa  TtotxiXov  tov  TavQOfitv^tov  li&ov  erwähnt  Ath.  V,  207.  Der 
tauromenitanische  Marmor  ist  nach  Neigebaur  9  hauptsächlich  violett.  Ebendas.  andere 
kostbare  Steine  erwähnt.  Specularis  lapis  (Marienglas)  PI.  XXXVI,  160.  Smaragd«  und 
Achate  PI.  XXXVII,  73  und  139  (die  sicil.  Achate  heilsam  gegen  Skorpionenbiss) .  Ueber 
letztere  und  den  berühmtesten  derselben,  den  E9nig  Pyrrhos  im  Ringe  trug,  in  quo 
novem  Musae  cum  insignibos  suis  singulae  et  Apollo  tenens  citharam  videbantur ,  non 
impressis  figuris  sed  ingenitis  Sol.  V,  25.  —  lieber  das  Salz  Sol.  V,  18.  Nach  PI.  XXXI, 
86  purpurnes  von  Kentoripa ;  vgl.  Houel  HI,  32.  Salz  in  lacu  qui  Cocanicus  appellatur, 
und  von  Gela  PI.  XXXI,  73  u.  86 ;  Quellen,  welche  «Ifna^stg  a/tia  to7  v^fi  sind  Iv  ZtxavuYg 
rrig'Sit.  nach  Ath.  II,  42.  —  Erdpech  Dioscor.  I,  100  im  akragantinischen  Gebiet  auf 
Quellen  schwimmend,  das  man  in  Lampen  gebraucht,  xtdowreg  avti  ZixtXw  iXatov, 
nXavtofievor  iait  yaq  c^GffuXrov  vyQäi  Mog.  So  auch  PI.  XXXV,  179,  der  bemerkt:  in- 
colae  id  hamndinum  paniculis  coUigunt,  citissime  sie  adhaerescens.  Hiemach  Sol.  V,  22, 
wo  es  ein  lacus  ist.  Nach  Ath.  n,  42  befindet  sich  eine  solche  Quelle  fy  ry  KaQxn^^^^^^ 
inixQäxfd^y  natürlich  in  Sicilien,  von  deren  Oel  es  heisst:  ^  tt7roa<ftti(fovvTsg  (Pillen 
machend)  ;if(>«5vTat  nQog  ra  nQoßara  xal  ra  xrifpfj.  Man  sucht  sie  meist  dicht  bei  Akra- 
gas,  wovon  unten;  Gl.  458  denkt  an  eine  Quelle  bei  Bivona.  —  Oel  von  Mytistraton: 
Lykos  (fr.  9  M)  bei  Ant.  Mir.  154  zum  Brennen,  und  ffvfiata  xttl  if^to^av  taa^at,  ngog- 
ayo^€v6fjitvov  MvrKTTQattov  ebendas.  von  einer  Quelle  iv  Stxaviov  j^togif ,  welche  o^og 
bringe.  —  Nach  Elearchos  (fr.  11  M  H,  307)  bei  Ath.  XH,  518  nannten  die  Sicilier  ihr 
Meer  wegen  seines  Reichthums  an  essbaren  Thieren  yXvxda.  Ueber  diesen  Reichthum 
vgl.  G.  Alessi,  Mem.  da  servire  di  introduz  alla  zoologia  del  triplice  mare  che  oinge 
Sicilia  in  den  Atti  dell'  acad.  Gioen.  XI,  89—103,  sowie  Smyth,  Append.  LXVI— LXXIII. 
Grosse  Aufzählung  von  Seethieren  in  Epioharm's  'Hßttg  yaftog  (Lorenz,  Epicharm.  S.  230  ff.) 
Ueber  den  Reichthum  der  Strasse  von  Messina  an  Seethieren  sagt  Paus.  V,  25,  3  über- 
treibend, es  seien  so  viele  mg  xal  tov  a^Qa  roy  vnh^  tiig  ^aXdaatjg  ravTijg  avan(finXaoda$ 
ttSv  ^rjQiayv  Trjg  6a/i7jg.  —  Thunfisch  Ath.  I,  4  und  Sol.  V,  6  am  Pachynos.  Archestr.  bei 
Ath.  Vn,  302  :  iv  £ixiXmv  xf  xXvt^  vija^  K€(paXot&lg  uftBivovg  IIoXX^  xwycTf  TQitfiH  ^vy^ 
fow  xa\  Tvv6afi\g  axxri.  Vgl.  d'Orv.  16  —  18  und  Faz.  22.  —  Der  Ort  KnraQCa  (Ptol.) 
zwischen  dein  Bathys  und  Panormos  deutet  auf  den  Fang  der  x^ri;  dort  hin.  —  Fang  der 
Schwertfische  {^itfiai,  yaXfwtat)  bei  der  Skylla  Str.  I,  2,  16,  von  Bart.  I,  410,  der  das 
moderne  Verfahren  beschreibt ,  nicht  immer  richtig  verstanden.  Nach  Faz.  22  verstehen 
diese  Fische  Griechisch.  —  Die  Muränen  PI.  IX,  169 ;  Ath.  I,  4.  rag  n^Xm^idag  x6yx*xg 
(aus  Sic?)  erwähnt  Ath.  I,  4 ;  vgl.  Sm.  106  von  der  Zucht  der  cockles  in  den  Seen  der 
Pelorisspitze.  Sicilisches  Gesalzenes,  natürlich  bes.  Fische,  erwähnt  Ath.  V,  44  als  einen 
Hauptartikel  der  Insel ;  dazu  werden  gebraucht  sein  die  fJtaivC^tg  ix  Atnagag  Ath.  I,  4. 
Noch  jetzt  ist  das  Fangen  und  Salzen  der  Sardellen  ein  Haupterwerbszweig  in  Sicilien. 
Sm.  227  findet  in  der  heutigen  sicilianischen  Fischerei  ganz  die  Schilderungen  Theokrif  s 
wieder.  —  Korallen  PI.  XXXII,  21.  Hesych.  xoQaXXiXg,  wie  die  Korallenfischer  naQa 
^ixeXoig  heissen.  —  Pisces  amari  bei  Sicilien  PL  XXXII,  18. 

S.  36.  Klima.  Beiname  der  Insel,  wie  einiger  anderer  LänderiS^i^f«;  nach  Hesych. 
h.  V.  Cic.  Verr.  V,  10  von  Syrakus ,  wo  kein  Tag  veiigehe,  quin  aliquo  tempore  ejus  diei 
soleta  komines  viderint.    (Dass.  auch  von  Rhodos  gesagt :  Sohneiderwirth,  Gesch.  von 


348  Anhang  II.  Belege  und  ErlSnteruDgen. 

Rhodos,  S.  3.)  DagegeDM.  Aretjos  11.—  Siciliena  Klima  duldet  keine  Skorplooe.  PI.  XI, 
89;XXXVU,  HO.   Auch  (He  Btelllones  sind  innocni  in  Sicilia,  PI.  Vra,  111. 

S.  1)6,  Die  Strasae  von  Messina  als  zieulich  frei  von  Erdbeben  erklärt  von  Str. 
VI,  l,  6. 

S.  36.  üeber  die'iBildnng  des  Meeresbodens  südlich  von  Sicilien  vgl.  Petermann, 
GeogT.  Mittb.  1363.  VI,  S.  233,  und  die  neueste  Karte  Italiens  im  Stieler'achen  Atlas. 

S.  3'.  Die  Liparischen  Inseln.  Namen  der  Gruppe.  ^töXov  v!jaoiTh.iik.  Hl, 
88  nnd  bei  Andern ;  AiaUdet  rijaoi  Diod.  V,  7.  Pol.  I,  25  nennt  sie  tch  xalaufiiytis 
AmaQttlnt  v^aovi.  Etist.  z.  Oion.  461  ;  ytinaQniinr  v.  Hier  hat  eine  Hdschr,  jtinoQai. 
Man  hat  wirklich  Liparae  Ülr  einen  Gewnimtnamen  der  Inseln  gehalten,  wofür  jedoch 
d'Orv.  19.  10  nur  Ampeliiu  46  anzuführen  weiss;  wo  es  sonst  steht,  scheint  es  nur  die 
Insel  oder  die  Stadt  Lipara  zu  bezeichnen.  Vgl.  unten  b.  dieser.  Eust.  1.  I.  behauptet : 
tu  al  Toü  Jtöi.eu  v^aoi  Atöiiioi  ifyai'rni,  av  fiipi  xal  Alallitt,  tdCto  yät;  al  täv  AtoUaiv 
f^aoi  ftt  xl^oir  in^x""'*-  J"*'-  IV,  1 :  insularum  AeoUdum.  PI.  III,  92  sagt;  Aeoliae 
appellatac,  eaedem  Liparaeorum,  Hephaestiades  a  Oraecis,  a  nostris  Volcaniae.  So  Cic- 
ND  III,  22.  Sol.  VI,  1  Hephaestiae,  Itali  Vulcaniae  vocant.  Natürlich  auch  Aeoli : 
Mela  II,  7,  18.  Weil  Homer  seinen  Aiolos  auf  einer  nlaiiii  viiaot,  einer  umschiffbaren 
Insel,  wohnen  lasst,  wurden  die  Aeolischen  Inseln  bisweilen  auch  nlmiai  genannt- 
Dion.  4Gä,  und  Eust.  dazu.  —  Anzahl  der  Inseln.  GewUhnlich  7  gezählt.  So  Diod. 
V,  7.  Str.  VI,  2,  10.  Ps.  Sk.  255.  Ar.  Mir.  101.  Dion.  465.  Mela  II,  7.  18  (illae  septem). 
PI.  m,  92.  St.  B.  a.  V. -^.nopo.  Ser».  Aen  VIII ,  416.  Sol.  VI,  1.  -  9  nach  Serv. 
Äen.  I,  52.  la.  Or.  XIV,  6.-5  nach  App.  B  C  V,  105.  —  In  der  Aufzählung  bei  Eust, 
Od.  X,  2  heissen  sie :  MoUs  (la),  Xr^iryyüiii,  'figä,  AtTiäga,  'EQumöd^t,  •PoirtxiöJrig, 
xuUiTtti  öi  fiia  Toviäiv  xati  ncoe  xal' Ixiaiov  Bei  Mela  II,  7,  18  ist  irrig  Osteodes  ZU 
den  Liparen  gerechnet  und  Ericusa  w^gelassen,  wenn  nicht  etwa  zu  leaen  ist :  Calatha 
ot  OsteodcB  et  ilUie  septem  quae  Aeoli  appellantur,  Lipara,  Heraclea,  Didyme,  Phoeni- 
cusaa,  Ericuasa  et  quae  perpetuo  flagrant  igne  Eiera  et  Strongyle.  —  Str.  VI,  2,  tl  giebt 
als  Entfernungen  an  :  Von  Er.  nach  Phoen.  10  Mill.,  nach  der  Angabe  des  Choro- 
grapben;  von  da  nach  Didyme  30,  von  da  nach  Lipara,  nördlich,  29  (nördlich  iat  natürlich 
ßilsch.  Mililer  glaubt  es  jedoch  von  Strabon  geschrieben  und  findet  in  dem  Umstand, 
daas  auch  die  Tab.  Peut.  Lipara  nördlich  setzt,  einen  Beweis  der  Uebereinstimmung 
dieser  Tab.  mit  dem  orbia  des  Agrippa),  von  da  nach  Sicilien  19,  von  Strong.  aber  16.  — 
Nach  Eust.  z.  Dion.  461  sind  die  Inseln  200  St.  von  der  Heerenge  entfernt,  nach  Diod. 
V,  7  150  St.  von  Sicilien;  nach  Skyl.  13  ist  von  Mylai  nach  Lipara  '/ä  Tag  Fahrt.  — 
Von  der  Natur  der  Liparen  Diod.  V,  7 :  «uim  di  näoai  iivq6(  tiJxn>"'Oiv  ävaifvo-^iiaTa 
fi^yäla,  (ut  »QariiQi^  ol  yeyly^ufroi  xal  ra  axifiat«  f^X?^  '"^  '"''*'  *'"'  f'^^'Q''-  ^"^  nach 
Sol.  VI,  1  per  Dcoulta  commercia  aut  mntitantnr  Aetnae'incendia  ant  subministrant.  Ueber 
das  abwechselnde  xaUaSat  dea  Aetna  und  der  Liparen  Diod.  V,  7 ;  über  das  unter- 
irdische Feuer  der  ganzen  Cicgend  die  schon  cit.  Stelle  von  Str.  V,  4,  9,  die  von  Hurab. 
Kosm.  I,  452,  n.  98  beirallig  erwähnt  wird.  Vgl.  im  Allg.  Fr.  Hoffiuann  and  L.  v.  Buch, 
U-cber  die  geognostiache  Constitntion  der  Liparischen  Inseln  in  Poggendorf  s  Annalen 
XXVL  1832.  S.  59,  und  Humb.  K.  I,  452,  n,  96.  — Ueber  eine  von  Philostr.  (Imag,  D.  17) 
geschilderte  Abbildung  der  Liparischen  Inseln  vgl.  Welcker  Phil.  487  u.  Brunn,  Jahrb. 
f.  clasa.  Phil.  Suppl.  IV,  2.  1861.  S.  296. 

S.  38.  ^.TioenSt.  B.  kiyiTa>  xttl  7iln»wTtxäs.  So  Pol.  XXXIV,  11.  Weissenb.  zu 
Liv.  V,  28 ;  XXI,  49  (asat  den  Plur.  als  Stadtnamen  auf.  Liparis  App.  Mund.  p.  tj4,  38.  — 
Einw,  Ainayaioi,  Liparoei.  Liparenses,  Liparitani  (Val.  M.  I,  1,  4).  Mthyovi'tt KaW. 
Hymn.  DUn.  48.  Str.  VI,  2,  10.  Melogouis  vel  Melignnis  PI.  III,  93.  wo  mit  Benutzung 
einer  handachr.  Lesart  Longinis  und  des  St.  B.  b.  v.  Aoyyiifr\  von  H.  Barbarus  Longonis 
gesetzt  ist,  was  auch  Pomp.  Sabinus  zu  Aen.  I  hat.  —  Von  allen  Liparen  nur  diese  be- 
wohnt: Thuk.  UI,  88  und  Ant.  (fr.  2J  bei  Paus.  X,  11,  4:  Aatä^nv  —  oUoini,'  li^av  31 


Zu  Buch  I,  Kap.  2,  S.  36—38.  349 

yeoj^yovai.  Auch  nach  Cl.  503  sind  auf  den  übrigen  keine  Städte  oder  Dörfer.  Da- 
gegen erhält  St.  B.  s.  v.  ^Egtxovaaa  in  den  Worten :  Ain«Qatot  l|  * EQtxovaarjg,  <Potvt~ 
xoiaaris,  sowie  8.  v.  ZrQoyyvkti  —  «Tot  die  Andeutung,  dass  Erikussa  etc.  wirklich  Ein- 
wohner hatten.  Lipara  war  nach  Diod.  V.  7  von  150  Stad.  Umfang.  Str.  VI,  2,  10  sagt, 
die  Insel  habe  yth'  evxaonov  xal  axvnrriQlag  fjLftaXXtov  nooaodov  xnl  S-fQfia  v^ttra  xaX 
Tivgos  ttvanvodg.  Dagegen  nennt  Cic  Verr.  III,  37  den  ager  der  Liparenser  miser  atque 
jejunus.  Der  Alaun  auf  Lipara  und  Strongyle  auch  erwähnt  von  PI.  XXXV,  184.  Diod. 
V,  10.  Diosc.  V,  123.  Die  Bäder  erwähnt  auch  Diod.  V,  10,  der  sie  aus  Sicilien  viel- 
besucht nennt.  Von  den  vulkanischen  Eruptionen  endlich  spricht  auch  PI.  III,  94,  der 
«  von  Strongyle  sagt,  dass  es  von  Lipara  (Cl.  will  mit  Solin  ceteris  lesen)  liquidiore  flamma 
tantum  differt.  S.  unten  bei  iStrongyle.  Sil.  XIV,  56 :  Lipare  —  —  Sulfureum  vomit 
exeso  de  vertice  fumum.  Ar.  Mir.  37,  wonach  das  Feuer  in  Lipara  (favfoof  xal  tf'^oyß^f;, 
aber  vvxroiQ  uovov  und  38,  wonach  Xenophanes  sagt,  dass  es  IxlinfTv  in  hrf  ixxaCiftxtt, 
TW  ^ißdofiip  inavfkS-fiv,  Derselbe  34  von  einer  ttgnroii  auf  Lipara,  dg  tip  iav  xqv~ 
ifffoai  x^TQav,  ifißctlovtes  o  av  i^^lojaiv,  hl^ouatv.  Eine  wunderbare  Geschichte  von  einem 
Ttttfog  dort  Ar.  Mir.  101.  Nach  Humb.  K.  IV,  530,  n.  50  war  der  einst  thätige  Vulcan 
entweder  der  M.  Campo  bianco  oder  der  M.  di  Capo  castagno.  Der  Bimstein,  woran  nach  PI. 
XXXVI,  154  die  Liparen  reich  sind,  findet  sich  besonders  aufLipari.  Vgl.  Humb.  K. 
rv,  364  und  über  diese  Insel  ttberh.  Sm.  261—68,  der  268  über  die  wajmen  Bäder  von  S. 
Calogero  zwischen  dem  C.  Perciata  und  C.  Vulcanella  spricht. 

S.  38.  Volcano  (Höhe  1190',  Humb.  K.  IV,  523)hiess  G^gfitaacc  nach  Str.  VI,  2,  10, 
der  sie  sp'iter 'Uga'HffataTov  nennt.  Jener  Name  vertreten  durch  TherasiaPl.  III 
93;  der  zweite  ist  der  gewöhnliche,  so  bei  Thuk.  III,  88.  Diod.  V,  7.  PL  1. 1.  (antea 
Therasia,  nunc  Hiera) .  Später  erst  scheint  aufgekommen  die  Bezeichnung  'H<fa(arov  v, 
wie  Ptol.,  Vulcania,  wie  Verg.  Aen.  VIII,  422  sagt.  Nach  Str.  VI,  2,  10  hat  die  Insel 
3  Vulcane  —  avanvodg,  (og  ay  fx  tqiöSv  xQKxi^Qtov,  von  denen  der  grösste  /liwTqovs  aus- 
wirft, welche  jiQogxextoxnatv  r,^ri  ttoXv  /li^qo^  tov  noQov  (nach  Volcanelio  hin?),  dann 
führt  er  ans  Polybios  an,  dass  nur  noch  2  übrig  seien,  deren  grösster  einen  Umfang  von 
5  St.,  an  der  engsten  Stelle  einen  Durchmesser  von  50  Fuss  habe  und  1  St.  vom  Meere 
entfernt  sei.  Nach  Kallias  (fr.  4)  bei  Schol.  Ap.  Rh.  III,  41  sind  es  2  Krater,  von  denen 
einer  TQiarddtos  rrp^  niQlfietqov  ist.  Ueber  die  Verschiedenheit  der  Flammen  und  des 
Getöses  nach  den  Winden  Str.  1.  I.  Humb.  E.  I,  455,  n.  4  bemerkt:  »Ein  solcher  Zusam- 
menhang der  Ausbrüche  eines  kleinen  Vulkans  mit  dem  Barometerstande  imd  der  Wind- 
richtung (L.  V.  Buch,  Descr.  phys.  des  iles  Can.  p.  334;  Hoffmann  in  Poggend.  Anu. 
XXVI,  S.  8)  wird  noch  jetzt  allgemein  anerkannt,  so  wenig  auch  nach  unserer  jetzigen 
Kenntniss  der  vulkanischen  Erscheinungen  und  den  so  geringen  Veränderungen  des 
Luftdruckes,  die  unsere  Winde  begleiten),  eine  genügende  Erklärung  gegeben  werden 
kann^.  Vgl.  dens.  IV,  296.  Nach  Thuk.  III,  88  nimmt  man  an,  dass  dort  "Hfpaiaro^ 
XteXxfvH,  ort  rrjv  vmtttt  (f-aiviTfu  tivq  avadiSovaa  nolv  xni  rrfv  rifjiiQUv  xanvov,  Luc.  Aetn. 
440:  Insula  dnrat  adhuc,  Vulcani  nomine  sacra,  Pars  tamen  incendi  major  refrixit.  Das 
Feuer  nach  Sk.  259  mehrere  Stadien  sichtbar ;  wenn  aber  M  (G.  Min.  I,  206}  dazu  be- 
merkt, nach  Euillias  seien  es  50  St.,  so  ist  dies  eine  Verwechselung  mit  der  Angabe  des 
K.,  dass  in\  nevtaxotna  arddta  axovfff&at  tov  tj/ov.  500  wird  mit  Gluv.  506  auch  bei 
Theophr.  ap.  Schol.  Ap.  Rh.  IV,  für  1000  St.  zu  lesen  sein.  Ar.  Meteor.  II,  8  berich- 
tet von  einer  auf  Erdbeben  folgenden  Anschwellung  des  Bodens  auf  Hiera.    Vgl.  H.  K. 

I,  453  und  IV,  273,  wo  H.  auffallender  Weise  die  Insel  eine  neuentstandene  nennt.  —  PI. 
U,  238  Bociali  beUo.    Darüber  ausführlich  Str.  VI,  2,  11.  —  Ueber  Hiera  auch  Paus.  X, 

II,  4.  —  Ueber  die  Entstehung  von  Volcanelio  Gros.  IV,  20  zum  J.  183  v.  Chr. : 
in  Sicilia  tunc  Vulcani  insula,  quae  ante  non  fuerat,  repente  in  mari  edita  cum  miraculo 
omnium,  usque  ad  nunc  manet.  Nach  PI.  H,  203  entstand  eine  Insel  Ol.  163,  3—126  v.  Chr. 
in  Tusco  sinu  [vorher  sagte  er  inter  Aeolias  insulas) .  Jul.  Obs.  berichtet  über  ein  unter 


350  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

dem  Consulat  von  M .  Aemilius  und  L.  Aurelius  —  126  v.  Chr.  —  geschehenes  Auf- 
sieden des  Meeres  bei  Lipara.  Smyth  nimmt  259  Panaria»  272  Salina  für  Thennissa. 
Dolomieu  Über  den  grösseren  Vulcan  der  Insel  bei  St.  Non,  X,  134.  35.  Sm.  269  er- 
klärt den  Anblick  des  Kraters  von  Volcano  fUr  more  süperb  and  pleasing,  than  ajOforded 
either  by  Aetna  or  Vesuvlus.  Ebendas.  über  die  Verbindung  zwischen  Volcano  un4  Vol- 
canello. 

S.  40.  ZTQoyyvlti  (St.  B.  — aiog,  t<p  trjg x^Q^^s  ^*«*  —  ^^^)  (Höhe  2775',  Humb.  K- 
IV,  295),  nach  Str.  VI,  2,  11  «no  tov  axrifitttog  benannt,  Ivtavd^a  %ov  Molov  olxijaai 
(fnatv.  Nach  dems.  ist  sie  ßia  (liv  tfloyog  Xrniofjiivri^  (^^fyyet  cf^  nX^ovägu,  wogegen  sie 
nach  PI.  ni,  94  a  Lipara  (Sol.  a  ceteris]  liquidiore  tantum  flamma  differt.  Aus  Strab. 
auch  Eust.  zu  Dion.  461.  Vgl.  Humb.  E.  IV,  295.  96,  wo  die  flamma  als  Schlacken  er- 
klärt und  mit  einer  Combination  der  Nachrichten  von  Strabon  und  Plinius  gesagt  wird, 
dass  denselben  bei  weniger  Hitze  {ß((s)  eine  grössere  Reinheit  und  Leuchtkraft  (liqu.  fl.)  zu- 
geschrieben wird.  H.  K.  IV,  530,  n.  50  citirt  zu  Plinius  ürlichs,  Vindic.  Plin.  1853, 1,  39. 
Ich  kann  dieser  Erklärung  nicht  beistimmen.  PI.  1.  1.  sagt,  dass  aus  dem  Rauche  dieser 
Insel  quinam  futuri  sint  venti,  in  triduum  praedicere  incolae  dicuntur.  Luc.  Aetn.  435  sag^t 
von  der  Rotunda :  sed  raro  fumat,  quin  vix,  si  accenditur,  ardet.  Ueber  Strongyle  auch 
Paus.  X,  11,  3.  —Die  Verse  Od.  XII,  67.  68  von  den  Plankten:  ntvaxas  t€  vecSy  xai 
aoifiaTa  (fottdiv  Kvfiad-  äloe  (fOQäovffi,  nvgoq  r  oloolo  ^vfXXnif  202  (nahe  der  Charybdis) 
xanrov  xai  fiiytt  xvfia  Mov  xal  öovnov  äxovaa,  und  219,  20  :  rovtov  ftiv  xanvov  xal  xv/Att- 
JOS  ^xrop  iegye  Ntja  bezieht  H.  K.  I,  449  auf  Stromboli  »wenn  auch  die  geographische 
Lage  minder  genau  angegeben  ist«.  —  Auf  Lipara  oder  Strongyle  geht  die  Schilderung 
des  Berges  bei  Valerius  Flaccus  Arg.  I,  583,  wo  Akamas  und  Pyrakmon  als  Bewohner 
derselben  genannt  werden.  Hephaistos  genannt  bei  Schol.  Ap.  Rh.  IV,  41. 

S.  40.  £v(6fVfios  nach  Str.  VI,  2,  1 1 :  ntXay(a  fAcihaia  xai  ^grijLios,  mvofiaatai  «Tori 
fjtiXi(TTa  toTg  ix  Aindgag  iU  XtxtUav  nXiovaiv  ivoivv/jiog  lattv.  ntlayla  fiak.  kann  aller- 
dings Panaria  kaum  genannt  werden,  aber  die  andere  Bestimmung  passt,  freilich  fidUaxa 
abgerechnet.  Vgl.  Müller  zu  Str.  p.  979  s.  Ausgabe,  wo  gegen  Kramer  und  Meineke,  die 
(U  Am,  ix  £ixekias  lesen  wollen,  obige  Lesart  vertheidigt  wird.  PI.  III,  94  nennt  die 
Insel  minima ;  das  passt  für  Panaria.  Sie  hat  nach  H.  K.  IV,  560  doleritischen  Traehyt. 
Vgl  Sm.  257—61 . 

S.  41.  /liivfirit  nach  Str.  VI,  2,  11  dno  tov  ffxv/^K'^og  so  genannt.  St  B  —  aTog. 
Vgl.  Sm.  27 1  —  74.  Wie  Mannert  S.  464  trotz  des  Doppelgipfels  von  Salina  Panaria  für 
Didyme  erklärt,  so  hat  er  überhaupt  In  die  ganze  Namengebung  der  äolischen  Inseln 
Ver^virrung  gebracht. 

S.  41.  *Poivixovaaa  }ind^EQi.xovaaa  (auch  —  ovaa)  nach  Str.  VI,  2,  11  dno  tt5v 
<fvTüip  so  genannt.   Ebenso  St.  B.  s.  v.  ''Egtxovaa.    Ueber  Jene  auch  Ar.  Mir.  132.   Bei 

Ptol.  —  0»%;  bei  Eust.  Od.  X,  2  "Equx^iirig  und  <Poivix(i^fig.  —  Vgl.  Sm.  274  —  79; 

von  der  Höhle  auf  Felicudi  276. 

S.  41.  *Ixtaiat  Ptol.  —  iawp  Eust.  z.  Od.  X,  2,  könnte  eine  der  kleineren  Inseln 
der  Panariagruppe  bezeichnen;  ebenso  Heracleotcs  im  It.  Marit.  516 ;  was  ist  dann  ab^r 
das.  517  Heradea?  Dieser  Name  auch  bei  Mela  II,  7,  18 ;  Herculis  insula  Tab.  Peut. 

S.  41.  Ustica.  PI.  III,  92  und  Ptol.  und  bei  dems.  sowie  bei  Mela  II,  7,  18  und 
Diod.  V,  11  'OauMijg,  das  nach  Plin.  a  Solunte  LXXV  m.  p.  entfernt  ist.  Vgl.  Sm. 
279  —  81. 

S.  41.  Was  Aegusalt.  Mar.  516  und  EgiltaTab.  Peut.  sind,  weiss  ich  nicht. 
Vgl.  den  Index  der  Parthey'schen  Ausgabe  s.  v.  Aegina. 

S.  41.  Ptol.  hat  noch  HaxtavU,  das  Ciuv.  516  für  die  Isola  delle  Femmine  hält. 
Ptol.  setzt  es  aber  mehr, nach  Lilybaion  zu. 

S.  41.  Aeg.ätes.  So  nur  bei  den  Römern.  Vgl.  Mela  II,  7,  7,  wozu  Tzschucke  11, 
2,  500  über  die  Schreibart  gehandelt  hat ;  bei  Mela  haben  die  Hdschr.  Aegatae.   Liv. 


Zu  Buch  I,  Kap.  2  u.  3,  S.  40-^43.  351 

XXI,  10  Aegatis  insalas.  Sil.  VI,  684  nennt  sie  geminas.  Oluver's  Meinung  (519),  es  sei 
nach  Analogie  von  Cyclades  Aegades  zu  schreiben,  widerspricht  die  Quantität.  —  Pol. 
I,  44 :  iv  taig  xalov/nivaig  Aiyovaaig. 

S.  41.  'li^d.  Ptol.  Hieronesos  PI.  III,  92.  Der  heutige  Name  Marittimo  kommt 
sehcm  It.  Mar.  492.  93  als  Maritima  vor.  —  Vgl.  Sm.  244.  45. 

S.  41.  AXyovaa.  Ptol.  PI.  III,  92:  Aetfausa,  quam  alii  Aegnsam  scripserunt.  Pol. 
I,  60 :  jffyovaav,  —  St.  B.  s.  V.  AXyovaa,  yijaoc  Atßvr^g  uatit  ACßvag  Ifyo^vri  K^r^ia,  wo 
Oluv.  &18  Kangagta  lesen  will  und  an  Favignana  denkt.  Derselbe  hftlt  auch  die  Apo- 
mana  (Hirt.  bell.  Afr.  2)  für  FaYignana.  --  Vgl.  Sm.  245.  46. 

S.  41.  4>oqßavrta,  Ptol.BucinnaPl.  IH,  92.  ^t.B. Bovwwa,  nolig 2ixEUn^.  Nach 
Gl.  517  kommt  in  der  vita  S.  Pontiani  eine  Insula  Buccinna  bei  Sardinien  vor.  Nach 
Schabring,  Motye,  S.  50  käme  der  Name  Bucina  von  der  bucina,  der  Trompeterschnecke 
mit  soharlachrothem  Saft  her,  die  dort  gefunden  wurde.  —  Vgl.  Sm.  247. 

8.  42.  Die  arae,  Verg.  Aen.  I,  109,  werden  von  Servius  so  erklärt,  dass  darunter 
mit  PomponiuB  Sabinus  (Ol.  522)  die  Aegates  zu  verstehen  wären.  Nach  PI.  V,  42 
zwischen  SicUien  und  Sardinien,  scopuli  verius  quam  insulae. 

S.  42.   Ileliag.  Zon.  Ann.  VIII,  16.  D.  157  nennt  sie  a  low  ridge  of  rocks. 

S.  42.  KoaaovQa.  Str.  II,  5,  19.  Ders.  XVII,  3,  16  nennt  eie  Kooaovgog  und 
sagt,  dass  sie  600  Stad.  von  Sicilien  entfernt  sei  und  einen  Umfang  von  150  Stad.  habe. 
Skyl.  111  sagt  K6avQo^\  es  sei  nloiig  ri^i^ag  fitagnach  Lilybaion.  PI.  III,  92.  Ov.  Fast. 
III,  567  nennt  es  sterili«  Cosyra ;  vgl.  Faz.  I,  1,  1  und  Sm.  281'--84. 

S.  42.  MtXirri,  Skyl.  111  (hier  zuerst  genanntj.  Piod.  V,  12.  Str.  VI,  2,  11. 
XVII,  3,  16.  PI.  III,  92.  Ov.  Fast.  IH,  567 :  Pertilis  est  Melite,  sterili  vicina  Cosyrae. 
Ptol.  giebt  eine  ;^f  pffoVi^iyoc  und  andere  Positionen  darauf  an.  Nach  Diod.  V,  12  ist  M. 
von  Syrakns  800  Stad.  entfernt;  nach  PI.  III,  92  von  Camarina  87  m.  p.,  von  Lilyb. 
113  m.  p.  —  Die  6a6yta  erwähnt  Diod.  V,  12.  Später  (Gl.  540)  wuchs  allerdings  Baum- 
wolle dort  Vgl.  H.  Ürandes,  Ueber  die  antiken  Namen  und  die  geogr.  Verbreitung  der 
Baumwolle  im  Alterthum.  5.  Jahresber.  der  E(5n.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  Lpz.  1865. 
p.  107,  wonach  6^6i'ta  »Ctewebe  aus  verschiedenen  Stoffen«  sind.  —  Nach  Str.  VI,  2,  4 
sind  von  dort  die  9tvvi^ut  Meltrataf  die  Andere  der  Insel  Melite  an  der  Illyrischen 
Küste  zuschreiben. 

S.  42.  »Die  Namensform  ravJog  geben  bei  Diod.  V,  12  die  besseren  Handschriften, 
bei  Str.  I,  2,  37;  VI,  2,  11;  VII,  3,  6  alle  Handschriften ;  in  der  dem  Hippolytus  beige- 
ieg^n  Chronographie,  abgedruckt  im  Ghron.  Pasch.  T.  II,  p.  100,  ist  der  Name  Gaudius 
geschrieben.  Etym.  M.  p.  543  Gaisf.  Xavffog^  Mov.Phön.II,  2,  359,  n.  209.  Arab.  Ghau- 
deaefa.  Sil.  XIV,  274 :  Qaulum  spectabile.  Itin.  Mar.  518  hat  Malta,  Hefesta  et  Falacron, 
wo  Gluv.  554  in  Hefesta  Comino  und  in  Falacron  Gozzo  sucht. 

Drittes  Kapitel. 

S.  42.  Eine  Hauptquelle  ist  für  dieses  Kap.  das  Ende  des  4.  und  der  Anfang  des 
5.  Buches  Diodor's ;  s.  oben  über  Diodor. 

S.  42.  Poseidon ,  Vater  des  Trinakros,  s.  o.  S.  329 ;  des  Siculus  Sol.  5, 7 ;  des  Poly- 
phem,  der.Laistrygonen,  des  Erjj.,  s.  u. ;  des  ^sXtvovg:  St.  B.  s.  v.  *EX£xii;  über  die  Be- 
ziehungen zu  Aiolos  und  Akestes  s.  u. 

S.  43.  Kronos.  Ueber  den  guten  K.  nach  Kretischer  Sage :  Diod.  V,  66 ;  über  den 
bösen  nach  den  Ideen  der  fabelhaften  Atlantier :  Diod.  HI,  61.  Vgl.  auch  J.  Lydus  de 
mens.  p.  274  Hase  (M  lU,  640).  —  to  nalovfuvov  Kgopiov-  Diod.  XV,  16.  —  Gräber  des 
K.  auf  Sicilien.  Patr.  Tfaur.  ap.  Am.  adv.  nat.  IV,  25.  —  Ueber  Drepanon  Serv.  Aen. 
lU,  707;  Tzetz.  z.  Lyk.  869.  ~  Ueber  Zankle  Hek.  Fr.  43.  —  Nach  Macrob.  Sat.I,  « 
ward  vom  Binte  des  Uranos  die  Fruchtbarkeit  Siciliens  hergeleitet. 


352  Anhang  II.  Belege  nnd  EriänterangeD. 

3.  43.  Ueber  den  Streit  des  Hephaistos  und  der  Demeter  um  SiclHeD  Simonidea 
oder  Timoni des  bei  Schol.  Theokr.  I,  63  (MII,  34).  Einen '/fi^nffffo^  Afoctoü;  ZuMiwrigc 
_   „i. .  T  LyduB  de  mena.  p.  105  [Br.  de  Pr.]. 

Ueber  Demeter  und  Köre  Diod.  V,  2  —  4.  Nach  Cic.  Verr.  IV,  48  wären 
nnen  in  Siciilen  geboren.  Ov.  Met.  V,  345  ff.  Faat.  IV,  41öff.  Claud.  E.  Pr. 
1.  —  Von  AristoklcB  bei  Ael.  H  A  XI,  4  werden  Sicilien  nnd  Athen  als  die 
des  Demeterkultne  genannt,  —  AU  Ort  des  Raubes  wird  statt  Enna  bisweilen 
genannt,  mit  leicht  erklärlicher  Verwechselung.  Vgl.  Ebert  Sik.  10.  —  Die 
dem  SeePergoB,  denn  so,  und  nicht  Fergnsa,  heisst  er  bei  Ov.  Met.  V,  3SG 
B.  Pr,  IT,  112,  wo  er  allein  Torkommt,  wird  als  sehr  anmuthig  geschildert 
143 :  bei  Kephal.  l,  311  ist  es  °eiD  artiges  Landscbaftagemiüde* ;  bei  St.  Non. 
tin  tranriges  kahles  UfeT' ;  D.  302  vergleicht ^den  See  mit  dem  Erster  eines  er- 
^ulkans  und  nennt  ihn  einen  Ort,  where  reality  ig  so  Badlj  at  variance  witfa 
Ceres  kommt  nach  Serv.  Aen.  HI,  68S  auf  ihrer  Wanderung  in  Conflict  mit 
I  Pantsgias:  hie  qnnm  Cereri  quaerentiifiliam  obstreperet,  tacere  jnesns  est 
iluntate.  —  Uel>er  die  Quelle  Kyane  D.  359,  60  und  nnlen  bei  Syrakng.  Sici- 
Insel,  die  nach  Pind.  Nem.  I,  13.  14  'Olvfinov  dtanötas  Ztvs  Mmxiv  •Ptgai- 
iselbe  sagen  Schol.  Theokr.  XV,  14  ;  Schol.  Pind,  p.  421  B.    Diod.  V,  2  sagt : 

(bC.  Zixdlavj  auf  xatoixoötxif  ZtxfUÜTai  rrapni^tfaai  irnpii  rüv  JT^oyaymv, 
fjijt  14  alüvat  naqnitSofiii^i  toU  hyötiaii,  Itgar  vTiagxfiv  Ttpi  v^oop  /lif/itiTQOf 
'  fyiot  ii  Tay  noiijrair  fia9i>koyovot  xarä  tdi'  tau  üloviiayos  xai  'l'ipaiqörit 
4tö;  ivaxiivmqii  rg  vvfitfr/  diSöaSiu  toirtiv  ti\v  rljaor.  Und  etwas  später  xal  rov 
aenar  nttirij)'  neojnjr  nvuiai-  Vgl.  Diod.  V,  69 ;  XIII,  31 ;  XVI,  66.    So  anch 

8.  Schol.  Pind.  p.  429.  Wenn  ächol.  Pind.  p.  61  nur  Akragas  als  das  Hoch- 
!nk  nennt ,  so  ist  kein  Grund ,  diese  Form  der  Sage  ala  die  ursprünglichere  au 
.  Vergl.  hierüber  Ebert  Sik.  p.  11  ff.  —  Köre,  Mutter  des  Dionysos  nach  Nonn. 
-  lasiOD  verbr.  die  Demetermyster.  in  Sic.  nach  Euststb.  p.  1528  (PaulyjREIV). 

Ueber  die  Pauken  nnd  Ha dra dos  b.  n.  Kap.  4. 

Aetna  als  Nymphe;  4  -^fr.  O'u^avov  xal  /^;  Alk.  fr.  2  [H  IV,  296);  nach 
A.  ap.  Schol.  Theoer.  I,  64:  tov  Buiaqua,  Iviit  tiüi'  Kusliöitiav  nniiat yffiaSai 

tl  Miyiiy-  Ihr  und  deaEymaros  (Grotef.  I,  18  vennuthet:  Himera)  Sohn  iat 
!i  St.  B.  8.  V.  TVin.  —  Als  Riese  Altvac  auf  einem  Vaaenbild  der  Sammlung 
Ann.  1835.  S.  103.  —  Nach  Paus.  IX,  25,  6  ist  ein  Aitnaios  Sohn  des  Kablrea 
B  in  BUotien.  Preller  Gr.  M.  I,  55  betrachtet  Enkelados  als  eigentlich  der 
Sageangehörig!  vgl.  Aen.  lU,  577  ff. ;  Apollod.  1,6,2. 
ZcusAitnaiosB.  o.  S.  338.  Akragas  Sohn  des  Zeus  nach  St.  B,  s.v.  Wx^Vomc 
Aphrodite.  Diod.  IV,  S3.  Apollod.  I,  9,  25.  Mov.  II,  2,  322  ff. 
Herakles.  Diod.  IV,  22-24,  Apollod.  II,  5.  Paus,  in,  16,  5,  wo  er,  wie  ea 
I  Sonnenbeoher  binUberachwimmt.  Nach  Schol,  Od,  XH,  235  uWtet  er  die  Skylla- 
der  Sage  vgl,  Grotef.  I,  10;  Mov.  II,  2,  109  ff.,  113  ff.,  312  ff.  Hier  nimmt  M. 
;o  von  Herakles  als  Eroberer  sei  Landessagc  in  Sicilien  geweseu.  Es  ist  doch 
ahrscheinlich,  daes  die  vou  Her.  besiegten  Heere  einer  euhemeriatischea  Aus- 
ir  Sage  ihre  Entstehung  verdanken.  —  Ueber  den  Campo  d'Eroole  D.  177  nebet 
.  V,  411.  —  Aivxuanis  kommt  vor  anf  einer  syraku säuischen  MUnie  I>eiMion- 
.  I,  Sic.  No.  523 ;  es  ist  ein  nackter  schreitender  Krieger ;  hinter  ihm  ein  Äilar ; 
Ftissen  ein  umgekehrter  Widder;  TTiJuojtjiKTijc  bei  Xenagoras  (M  IV,  226)  bei 
,  19  bei  Gelegenheit  der  Paliken.  —  Ueber  sonst.  Fasaspuren  des  Her.  Panly 
.90.  Her.  undPsophis  Paus.  VIII,  24,2.  —  Her.  auf  dem  Aetna  verbrannt  nach 
ic.  I,  58.  59.  169  in  Annal.  1835.  S.  103.  —  Ueber  Her.  eine  duokle  Sl«Ue  bei 
locr.  I,  1J6,  in  der  er  mit  Tbymbris  in  Verbindang  gebracht  wird.  ~  Ob  der 
'xaioc,  den  nach  Hesyeh  bei  Sopbron  tinnaociotriNüc  Her.  führt,  mit  Erinnemng 


Zu  Buch  I,  Kap.  3,  S.  43— 51 .  353 

an  Hercules  als  speciell  siciKsche  Form  zu  deuten  ist?  —  Motye  und  Solus  in  der  Hera- 
klessage nach  St.  B.  unter  diesen  Worten. 

S.  47.  Daidalos,  Kokalos  und  Minos.  Diod.  IV,  77—80.  Philostr.  f.  36 
(M  III,  34)  diairrag  dg  Kafnxov,  Ar.  Pol.  II,  7,  2  von  Minos :  tHos  dk  intd-ifievog  tJ 
£ixM^  Tov  ßlov  IreUvtfiaiv  (xei  n€Ql  Ka/d,ixov.  Paus.  VII,  4,  6  nennt  Inykon.  Agathem. 
de  mari  rubro  7  p.  115.  MflU.  (M  G  I)  sagt :  xnl  tov  MCvto  Sri  ttfAr^xavov  dvai  nagalvaat 
tov  ßiov,  (i  /Alf  Ti9  avT^  Ciov  vJatQ  xaraxiat.  Herad.  de  rebusp.  XXIX  (M  II,  220).  Bild- 
säule in  Omphake,  Paus.  VTH,  46,  2.  Der  erfolglose  Feldzug  der  Kreter  nach  Herod. 
VII,  170.  Ueber  die  Kreter  in  lapygien  auch  Str.  VI,  3,  2  und  6.  —  lieber  dem  Baal- 
Moloch  gebrachte  Fremdenopfer  Mov.  I,  408.  9.  Vgl.  auch  Grotef.  I,  13;  II,  8.  21; 
welcher  meint,  dass  diese  Sage  erst  in  Folge  des  Zuges  des  Doneus  ausgebildet  sei  und 
dass  man  auf  den  Namen  Minoa  Nichts  zu  geben  habe.  Dieser  Name  steht  aber  durch 
anderweitige  Beziehungen  (Makara,  Herakleia)  gesicherter  da,  als  Gr.  meint. 

S.  49.  Ueber  lola OS  Diod.  IV,  30. 

S.  49.  Ueber  Aristaios  Diod.  IV,  81.  82.  Vgl.  Preller,  Gr  M  I,  306.  7.  Mov.  II, 
2,  563  ff.  Nach  Paus.  X,  17,  4  nimmt  Ar.  den  Daidalos  aus  Kamikos  nach  Sardinien  mit. 

S.  49.  Ueber  Akestes  Serv.  Aen.  I,  550  (Hippotes,  Egesta,  Egestus,  Acestes). 
Lyk.  951  ff.  und  Tzetzes  dazu  [^Hnvo^aftag) .  Dion.  Hai.  I,  52,  wo  Laomedon  den  Tro- 
janer, dessen  Name  nicht  genannt  ist.  In*  nitit^  cFi;  tivt  Xaßtov  mit  seinem  yi^oq  a^^tv 
anav  tödtet,  die  Töchter  aber  (nicht  genannt)  Schiff'im  mitgiebt,  worauf  dann  fieigtixiötf 
Ti  TtSt^  (irnfttviSp  mitfährt  und  die  Eine  heirathet.  Das  sind  die  Eltern  des  Atyearog. 
Femer  Verg.  Aen.  I,  195;  V,  36.  73  (Serv.).  711  ff.  Al^vXia  Schwester  des  Priamos 
ApoUod.  fr.  b.  3  (M  I,  180).  Atalla  dagegen  die  Frau  des  Akestes  nach  Tzetz.  bei  Chiv. 
317,  der  wohl  nicht  Beide  für  identisch  halten  durfte. 

S.  50.  Ueber  die  Irrfahrten  des  Odysseus  vgl.  K.  H.  W.  Völcker,  Homerische 
Geographie  und  Völkerkunde.  Hannov.  1830.  8. 

S.  50.  Ueber  die  Lotophagen  Od.  IX,  82  ff.  In  Sicilien  gesucht  nach  Eust.  zu 
Od.  1.  1. 

S.  50.  Ueber  Polyphemos  und  die  Kyklopen  Od.  I,  70  und  IX,  87  ff.  In  dem 
Euripideischen  Satyrdrama  Kyklops  kommen  noch  Silen  und  Satyrn  hinzu,  die  dorthin 
verschlagen  sind.  Ueber  Pol.  vgl.  W.  Grimm,  Die  Sage  von  Pol.  in  den  Abh.  d.  Kön. 
Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin,  und  den  Artikel  Polyphem  in  Pauly's  RE  V,  1833.  Scopuli 
tres  Cyclopum  PI.  III,  89.  Portus  Ulixis  PI.  lU,  89,  vgl.  Sm.  134.  Verg.  Aen.  III,  570  : 
portus  ab  accessu  ventorum  immotus.  —  Die  Cyclopia  saxa  Verg.  Aen.  I,  201  bezeichnen 
nicht  jene  scopuli  im  Meere,  sondern  entweder  das  felsige  Ufer  überhaupt,  oder,  nach 
Anderen,  die  Felsen,  welche  geschleudert  werden  sollten.  Auch  Sil.  XIV,  514  hat 
Cyd.  saxa.  —  Schilderung  der  Inseln  St.  Non  VU,  166—175  und  D.  449.  50.  ^  Im 
Westen  Siciliens  sucht  die  Kyklopen  Cluv.  523  —  26 ,  dem  die  vfjaos  Xa^fta  mit  den  alytg 
Aigusa  ist,  und  der  wegen  der  Höhle  Polyphem's  den  FazeU'schen  Bericht  von  dem  am 
Eryx  in  einem  antrum  immensum  gefundenen  Riesenknochen  citirt ;  sowie  Völcker  111. 

S.  51.  Aiolos  Od.  X,  1  ff .  —  Nach  Diod.  V,  9  stammt  der  Knidier  Pentothlos  von 
dem  Herakliden  Hippotes  ab,  wohl  dem  von  Apollod.  II,  8,  6  erwähnten,  der  bei  der 
Eroberung  des  Peloponnes  eines  Mordes  wegen  verbannt  wurde.  Ueber  Aiolos  u.  s.  Ge- 
schlecht Diod,  V,  7.  8,  wo  der  Hippotessohn  Aiolos  nach  den  Inseln  kommt.  Ders.  hat 
dagegen  IV,  67  erzählt,  dass  der  Enkel  des  Hippotessohnes,  Aiolos,  der  Sohn  des  Po- 
seidon und  der  Arne,  Bruder  des  Boiotos,  die  xahovfiivag  &n  avxov  AioMttg  vr^aovg 
xtixicxs  xal  noUv  ixtiai  rijv  ovofxa^ofiivfiv  an  avrov  (?)  AmnQtxv.  V,  7  passt  if^v  äno 
Tovrov  Aind^av  ovouaa^tlaav  viel  besser.  Nach  Diod.  V,  8  regiert  lokastos  in  Italiens 
Sttdspitze  (Grab  des  lok.  in  Rhegion :  Herakl.  XXV) ;  Eust.  zu  Dion.  Per.  476  lässt  da- 
gegen den  Poseidon  Sicilien  zur  Insel  machen  ftir  lokastos,  wg  av  l/oi  tttvrrjv  otxeTv 
äatfaXtog.  —  Pheraimon  als  Krieger  auf  Mttnzen  von  Messana :  Mi  I,  S.  256.  No.  394;  die- 

Holm,  Gesch.  Siciliens.  I.  23 


354  Anhang  II.  Belege  osd  Erläuterungen. 

selben  HUnioii  enthalten  such  den  Namen  PelorUa,  die  Nymphe  dea  Vorgebirges  be- 
sei  ebnend. 

S.  52.  Die  LaiBtrygonon  Od.  X.  S'2  ff.  Thuk.  VI,  2.  Lamoa,  Sohn  dea  Poselilou 
Gell.  KV,  21.  Vgl.  TzetzeB  sn  I.yk.  662.  956-  Die  Verse  84  ff.  von  dein  doppellen  Lohn 
denten  die  Schol.  so,  dsaa  wegen  der  olaiQot  ja  fiir  laant  rj  q/i^c?  lifteo^ai,  in  Ji  i/'il« 
tijruxti.  Aber  die  aaili  waren  anderswo  eben  so  schlimm.  VuroRRlI.  ä.  Verg- Geo 
III.  155.  —  FUr  die  rUmische  Ansioit  Hör.  Od.  III,  16,  34.  PI.  KI,  59  u.  a.  Vgl-  Panly 
REIV,  729. 

8-  53.  DieSirenen.Vjrel<i>e,o<f.Str.l.2,13.  Vgl.  ÖT.Met.V.SSSi  Cland.  EPr.llI. 
254.  55,  sowie  d'Orr.  21».  Sollte  vielleicht  diePelorias  der  Messan.  MUnie  eine  Sirene  sein? 

S.  53.  SkylUundCbnrybdisOil.  Xll,  73  ff.  Von  der  Skylla  a^t  8m.  lUT:iaa 
a  sailor,  never  perceived  any  difference  between  the  effect  of  the  surges  here,  and  on  any 
otber  shore-  Von  der  Charybdis  s,  o. 

S.54.  $p(vRx^i|Od.XIl,I2Tff.,260ff.  Auf  Siciiien  und  speciell  anf  duVorgobii^ 
vonHylai  bezogen  von  Sobol.Ap- Rh.  rv, 965;  vgl.  Sm.  104;  auf  Artemision  von  App.  BC 

V,  116.  PI.  II,  98  benteht  die  ßino  similia,  welche  dort  ans  Ufer  gespUlt  Verden,  darHuf. 
—  Qrotef.  1,  4  nimmt  ohne  Weiteres  als  bewiesen  an,  data  die  Bomeriache  Thrinakia  Sici- 
lien  sein  milaae,  worauf  er  dann  weitere  SohlUsse  ImDC.  Nach  Od.  XII,  132.  33  sind 
•tHU»ovad  it  ^tt/tneriii  xf  die  WachMrinnen  der  Köder ;  Phylakloa  wird  genannt  von 
Schol.  Od.  Xfl,  301 ;  vgl.  Philost.  fr.  15  (M  lU,  31). 

S.  54.  'ayuylii  gehalten  flir  Gauloe  von  Kallimaohos,  den  Apt^odoroa  deswegen 
tadelte,  nach  8tr.  VII,  3,  6 ;  vgl.  Str.  I.  2,  37.  Auf  Malta  gedeutet  wegm  der  Grotte  von 
Cl.  552;  vgl.  Huuel  IV,  pl.  259.  Etym.  H.  p.  543  Gaief.  tr  ti  KaüSiff  xkI  Jirnlui/>i>i'« 
tariv  'AifftoölTtfi  icQÖv.  Für  Clnver  erinnert  auch  das  laiö*  InMjvfiift/  an  die  HauptthÜ- 
tigkeit,- durch  welche  die  MeliCäer  berühmt  waren. 

S.  54.  'Ynf^riatüT  die  Gegend  von  Kamarina  gebalten  von  Did.  and  Eiist  ku  Od. 

VI,  4  ;  Vib.  Clav.  2U4  ant  Hipparis  änvius  nb  illa  Uyperia  nomen  tr«xi(,  aut  haec  ex 
illiiis  vocabulo  omnis  Homero  conßcbt  est  (!}, 

S.  54,  mne  rmartttsOd.  XXIV,  7.  t{  JittUüf  Od.  XX,  383.  Eiw>  ^'ixtX^  ye«»S 
Od.  XXIV,  211.  366.  389.  — 'Oen/y/ij  Od.  XV,  404  wird  von  Voes.  Alte  Wdtk.  294 
auf  die  sicilische  Insel  gedeutet ;  da  ebendas.  403  £v^ti  erwKhnt  wird,  ao  wUrde  dies 
dann  an  den  Kamen  Syrakus  erinnern.  ~  lieber  Odysseus  in  Sicillen  vgl.  noch 
Paus,  VI,  ß,  7  und  Plut.  Marc.  20  (Reim  in  Engyon  mit  Widmung  von  Ulixee). 

S.  54.  Menelaoa  nach  Sicilien,  nach  Lyk.  H70,  Nireus  misaverständliob  nach  Sici- 
lien  gebracht,  wie  nachweist  Grotef  II,  33. 

8.  55.  UeberÄeneasVerg.  Aen.  Ill,  554  ff,  V,  I  ff.  Dkm.  Hai,  I,  51-53,  Vgl. 
Klausen,  Aeneas  und  die  Penaten,  und  den  Art.  in  Pauly'a  RE  I,  383  ff.  —  lieber  den 
gramineiis  campus,  quem  coUibus  undique  cnrvis  eingebaut  silvae  (Vei^.  Aen.  V,  3H(  ff.) 
und  das  procul  in  pelago  saxum  spnmantia  contra  Littora  (V,  124)  vgl,  D.  159, 

S-  55.  lieber  die  Gründung  von  Alontion  Dion.  Hai.  I,  öl,  wo  Kiessling  un- 
nOthige  Aendeningen  vorgenommen  hat 

S  55.  Anna  nach  Melite  zu  Battns  nach  Ov,  Fast,  IV,  567, 

S,  55.  Ueber  Orestes  in  Sicilien  vgl,  Sohneidewin,  Dian»  Phacelitis  et  Orestes  ap 
Kheginos  et  Siculos.  Gott.  1832.  H.,  bes.  p.  16  ff.  ProbuB  zu  Verg  Bnc,  U,  348  L.  (Sehn 
p.  9J  Mgt :  Elutua  trajeoit  in  Slciliam  et  juxta  Syracosas  simulacrum  Deae  tempto  posito 
conBecravit,  quLm  appellavit  Fascelitim,  quod  fasoe  lignorum  tecCum  de  Taurica  sinia~ 
lacruie  extulisset,  Syrakus  ist  natürlich  falsch.  8,  oben  8,  345  über  den  FIuss  Facelinns. 
Vgl.  auch  nfpl  roC  noß  xal  näs  cii^i»ri  la  ßavxolixa  vor  den  Ausgaben  Theokrit's,  wo- 
nach Orestes  «t;  TutSa^CSa  i^r  ZixiUaf  -ikaiy.  Endlich  Serv.  praef.  Verg.  Bsc.  p,  95 
(Schneid,  p.  17),  wonach  Orestes  vom  Sturme  nach  Sicilien  verschlagen  wurde, 

S.  55,    Ueber  die  Argonauten  vgl.  PBulyR£I,2,  1526  ff.    Für  uns  Ut  es  hier 


Za  Buch  I,  Kttp.  3,  S.  53-ST.  355 

von  keioer  Bedeutung,  dase  wahrscheinlich  manche  der  Abenteuer  dcB  Odysseiis  deDen 
der  Ai^naiiten  nachgebildet  sind  (1.1.  p.  1527).  —  Aphrodite  rettet  Butee  nach  Lilybaion 
Ap  Rh.  Arg.  IV,  915.  Apollod.  I,  il,  25,  J.  Bei  St.  B.  a.  v.''F.qv(  hßiBüt  %i  Bünis.  —  Die 
nlaymal  nttpai,  zwischen  denen  die  Argo  nnbeBchädigt  hindurchkam,  tv  ifj  nogSfii^ 
tiair,  üf  Tiftaioi  (tr.  5|  xal  aciatargatog  ö  Aina^alot  DRch  Schol.  Ap.  Rh-  IV,  78G. 

S.  56.  Orion  sufSicilienDiod.  IV,  Sä  Nach  Od.  V.  123  wird  er /»- 'Oeii/j-Cu  von 
der  Artemis  getödtet,  wo  Voss  A  W  294  anoh  an  das  sicilische  denkt. 

S.  50.  Ueber  die  Sagen  von  der  Peloris  und  dem  FacbynOBB.  o. 

ä.  S6.  Anf  dem  Lilybaion  das  Grab  der  KumSlsohen  Sibylle  nach  Sol.  V,  7.  Isid. 
Or.  Vlli,  H  (der  wie  Sol.  II,  17  nur  in  Sicilia  sagt).  Vgl.  Honel  I,  20;  U.  1»U  Suidas 
kennt  auch  eine  Sibylla  Sicnia,  d'Orv.  58.' 

S- 5«.  Ueber  die  Arethnsa  B.  u.  >lhr  Kopf  findet  sieb  auf  Münzen  von  Syrakiis; 
nicht  ToUkommen  gesichert  Ist  die  Authentioität  eines  OemSIdes  der  von  AlpheioB  ver- 
folgten Aretbnsa.  Hon.  d.  Inst.  III,  9.  BaU.  1853  p.  22.«  H  B  in  Pnuly  R  E  I,  2,  15(iT. 

S.  56.  Ueber  Polypfaemosnnd  Oalateia  vgl.  0.  Jahn,  Arohiiul.  Beitr.  S.  411  ff. 
u.  W.  Heibig,  Pol.  und  Oal.  in  Symb.  philoL  Bonnens.  in  hon.  F.  Ritschelii  tasc.  I, 
welche  Beide  die  vorhandenen  bildlichen  Darttellungen  der  Sage  besprechen.  Die  ünd- 
!nai«  Toü  'ixiov  ciduiJ.lev  Theokrlt'a  sagt :  zlov^(g  ipnatr  iTtö  r^i'  tüv  »pr/i/taTuir  noiii- 
JtXii»lay  xal  roS  yäXaxTef  ItSpüitaaltai  Itgir  tv  AXtvi^  rp  Falaislif  '/•iXcSfror  iW  rör 
Kir9tiiiior  iitiiijfi^aarTa  xai  fiij  iimäftirov  iTiitio^aai  rijv  ttlrtat  ävanXäaat,  äti  ffaXv- 
iftiftoi;  qpa  raXajdat.  Uebrigens  war  Oal.  eine  Nereide,  Tochter  des  Nereus  noil  der 
Doris.  He».  Theog- 251.  Hom.  II.  XVIII,  45  Vgl.  femer  Theoor.  Id.  XI 1  Mosch,  UI,  58; 
Kallim.  epigr.  49;  Ov.  Met.  XIU,  75U  ff.;  Sil.  XIV,  222:Lnoian.  dial.  mar.  1.  Weniger 
abgeneigt  dem  Polypbem  ersch^nt  Oal.  im  sechsten  Idyll  Theokrlfs.  Andere  Sporen 
dieser  Version  der  Sage  finden  sich  bei  Prop.  IV  (III|,  2,  5 ;  Nonn.  VI,  3i)0  ;  XIV,  61  und 
üfter;  Mic.  Bugen.  VI,  500  (Erot.  scr.  ed.  Hercher  II,  516|.  Mach  App  lUyr.  p.  757 
baben  sie  sogar  S  SOhne  gezeugt :  Keltoa,  lllyrios  und  Galas. 

S.  56.  Ueber  Daphnii  vgl.  D,  J,  van  Lennep,  de  Daphnide  Theoer.  et  allomm  in 
Comm.  Inst.  Belg.  Ül.  UI.  T.  li.  Amet  1820.  p.  157  aqq  ,  eingehende  Würdigung  der 
Uauptstetlen.  Diese  sind  Tim.  (fr.  4]  bei  Parth,  Brot.  c.  29 ;  hier  lebt  D.  ßovxoliSv  xati 
iq»  AlTfifv  nnd  die  Nymphe  heisst  '£j^*™it ;  Diod.  VI,  »4  etwaa  ansfllhrlicher,  wo  D.  in 
den  HerSiachen  Bergen  geboren  ist,  nnd  die  Nymphe  /^{a  twv  v.  belast.  Ael.  V  U  X,  1H 
fUgt  hinzu,  das«  er  nach  Binigen  t^t^/ui-ot  'E^futC  und  die  von  ihm  gehüteten  Rinder  die 
äJtiqmi  gewesen  seien  rdv  'HXlov.  Ferner  Sohel.  Theoer  VII  und  VIII ,  bes.  92 ,  wo- 
nach er  blind  vom  Felsen  stilrat,  Fhilarg,  ad  Verg.  Ecl.  V,  20,  wo  die  Nymphe  Lyca 
heisflt  und  D.  seine  Blindheit  nicbt  lange  Überlebt;  Seiv.  Verg.  Ecl.  V,  20,  wo  D.  seinen 
Vftter  Merour  tu  HQlfe  ruft,  der  ihn  in  den  Himmel  erhebt  etc. ;  Serv.  Verg.  Ecl.  Vllt,  6S, 
wo  Bwei  Traditionen  von  D.  gegsl>en  werden.  Nach  der  einen  beisBt  die  Nymphe  Nomia 
und  D.  wird  xnerst  geblendet,  dann  in  einen  Stein  verwandelt,  nam  apnd  Oephaloedi- 
tauum  oppidam  saxnm  dioitui  aase,  quod  formnm  bominis  ostendat,  nach  der  andern 
iteiue  Schicksale  in  Fbrygfen ;  sie  waren  behandelt  im  Satyrepiel  dnifivtf  ^  jtiiviQOus 
deaSositheoB  aus  Athen,  Syrakua  oder  Alexandria,  der  um  Ol.  130  lebte,  vgl.  Lennep 
p.  167.  Deshalb  heisM  Di^bnii  Ov.  Met.  IV,  2T6  idaens  nnd  nach  Verg.  Eol.  V,  29  ist 
er  Bogar  zum  Bakehanten  geworden ,  der  cnrru  snbjnngere  tigres  instmit ,  —  thiasos 
indncere  Bacohi  et  foliis  lentat  intezere  mollibus  hast».  Ael.  H.  An.  XI,  13  giebt  die 
Namen  der  Hunde  des  Di^thnis  (eG  ^updxaafetr:  Zävyof,  IJöJnpyof,  Aa/tnät,  "Alxifiot. 

S.  57.  Ein  r ex  SymaethoB,  nach  dem  der  FInss  benannt  ist,  Serv.  Aen  IX,  564. 

S,  57.  Man  vergl.  endlich  Nonn.  Dion.  XIII ,  ;j09  ff. ,  wo  aus  Sicilien  'Axar^i  zu 
Bak  eh  OB  kommt,  woKatana  denSlrenen,  den  Kindern  de«  Acheloos  und  der  Terpslchoro, 
nahe  ist,  wo"r(Jiiis  If^av  aatv  erwähnt  wird  etc 


Anhang  Ü.  Belege  und  £rUiuterDiig6n. 


Viertes  Kapitel. 

S.  57.  Ueber  die  in  Siciliengefiindenen  angeblichen  Biesengebeine  Faz,  I,  1.6; 
Clav.  14.  15;  dOrv.  cap.  VIII,  wo  FaieU  »asfUhrlicb  widerlegt  wird,  and  Q.  Alewi, 
Sülle  oBsa  foBsili,  ritrovate  in  ogni  tempo  in  Sicilia,  in  den  Atti  dell'  Acad.  Gioen.  VII, 
199—242;  wonach  die  Zilhne  HippopotamoBzäbne,  die  Knochen  ausaerdem  noch  Elephan- 
ten-  und  Mammuthsknochen  Bind.  Eine  grosse  Grotta  de'  Giganti  ist  bei  Palermo  am 
Hte.  Grifone  (D.  100),  eine  andere  Enochenhilhle  ist  die  1S&9  am  Hte.  San  Pniello 
östlich  TDQ  Caronia  entdeckte  Grotta  San  Teodoro,  von  der  D.  269  sagt :  It  contalDS  pro- 
digious  quantitiee  of  foBsil  bones  of  various  animals,  ohieSy  of  Carnivora  —  tbe  dag. 
wolf,  hyaena,  bear  and  cat  tribe  —  togetber  with  eome  of  the  elephant,  hippc^lamus, 
wild  boar ,  ax ,  horee ,  porcnpine  etc. ;  in  fact ,  it  may  be  said  that  »we  bare  recovered  in 
this  cave  an  entfre  fossil  Sioilian  &uaa>i.  Hiied  with  these  remains  are  Dumerons 
implementa  of  flint  made  by  man.  Diese  aus  Stein  gearbeiteben  Geräthe  sind 
also  die  iilteaten  Spuren  menschlicher  Thädgkeit  in  SiolUen.  Es  wäre  merkwürdig, 
wenn  sie  wirklich  der  Zeit  angehörten.  daElephanten  nnd  Nilpferde  auf  der  Ineel  lebten. 
Ebenso  interessant  ist  die  Grotta  di  Maccagnone  bei  Carini,  wo  gemischt  mit  fossilen 
Knochen  sich  ^ieces  of  cbarcoal,  and  great  quantities  of  flint  aod  agat«  knives  undonbt- 
edly  the  work  of  art«  finden  (D.  164).  —  Vgl.  Fr.  Anca.  Faleoetnologia  Sicula.  Pal. 
1868,  sowie  von  demselben  Note  sur  deaz  nouv.  grottes  ossiföres  däconv.  en  Sicile  ISäit 
(ttber  die  Grotten  bei  Palermo  und  S.  Fratello;,  und  G.  G.  Gemmellaro,  SulU  grotta  di 
Carbnranceli  (bei  Carini).  Pal.  1B66.  4. 

S.  57.  Die  Hauptstellen  Über  die  älteste  Geschichte  Sidlima  sind  t>ei  Thok.  VI, 
1  fif. ;  Diod.  V.  2  ff. ;  Str.  VI,  2,  4;  Dion.  Hai.  I.  22. 

S.  57.  Iberer.  Str.  VI,  2,  i-.'lßtieit.oviuiQji^tiTovctpvoiytävfiaffiifBiy'E^tofof 
iiyta»m  iqe  ZixtXiat  otxuttät.  Die  Zixanol  sind  ei>en  vorher  genannt,  Ps.  Sk.  266 —  bb 
scheint  unter  den  nJ^^i) '//{q^uii  die  Sikaner,  welche  er  nicht  namentlich  anfuhrt,  viel- 
leicht auch  die  Sikeler,  zu  verstehen.  Vgl.  W.  v.  Humboldt,  lieber  die  Ur«nwohner 
Hispaniens.  Berl.  1821.  4  und  in  seinen  Ges.  Werken  U.  Bd.  Berl.  1S4].  8.  Nach  fl. 
erinnert  namentlich  der  Name  Hurgantia  in  Stamm  und  Endung  an  Spanien;  vgl. 
Abechn.  17  und  32  des  Werkes.  Uan  kann  noch  Alaba  (Alba,  Alabon)  binznftlgen;  vgl. 
Humb.  AtMchn.  17.  Ueber  die  Frage,  ob  diese  Iberer  die  Sikaner  waren,  spricht  Hnmb. 
Abschn.  45.  Manche  haben,  seit  Valgnamera,  an  das  asiatiaohe  Volk  der  Iberer  ge~ 
dacht;  so  noch  Aleasi,  Storia  crit.  di  Sic.  I,  366.  wo  Andere  citirt  werden.  Vgl.  Uumb. 
S-  195  der  Ausg.  von  1841. 

S.  5S.  Sikaner.  Vom  König  oder  Heros  Ztnariq:  Dem.  Cai.  ap.  Schol.  Theoer. 
1,  «4;  Sol.  V,  T;  Mart.  Cap.  lU;  Isid.  Or.  XIV.  Sie  sind  AntochthoQeo,  ü,  aüiM' 
if-aaiv,  Thok.  VI,  2,  und  nach  Tim.  (fr.  2)  bei  DIod.  V,  6,  dem  dieser  folgt,  nolXäi  aitov 
(sc.  Tim.)  ipigorros  anodiliuf.  Nach  Diod.  V,  2  sagen  BS  ol  yofn/intotiu  tüv  auyy^- 
tflm.'  —Iberer  nach  Thok.  VI,  2;  PhU.  (fr.  3j  bei  Diod.  V,  6,  wozu  Grote  II,  374, 
D.  I  bemerkt:  'Die  Meinung  des  Phil,  ist  in  diesem  Punkt  von  grossem  Wertha,  weil  er 
die  Itterischen  Uiethstnippen  im  Dienste  des  älteren  Dionysios  persttnlich  kannte  oder 
doch  gekannt  haben  konnte«.  Femer  Dion.  Hai.  I,  22;  Sil.  XIV.  36;  Sol.  V,  7.  Nach 
Thuk.  I.  1.  äni  ToS  ^ixavaC  notttfiov  Tov  Ir 'lftiigl<f  inö  Aiyvoif  ävaaiät^fs,  nach  Phil. 
I.  1.  äno  jitat  Zixuveü  norufiov  tat  'Ißinfiar  SvTos-  Hier  ist  erstens  an  bemerken ,  dass 
bei  dieser  Ueberelostimmung  der  beiden  Schriftsteller  die  Annahme  nahe  liegt,  dass 
PhilistOB  seine  später  zu  erwähnende  Meinung,  die  Sikeler  seien  Ligurer  gewesen, 
eigentli^l;  nur  daher  nahm ,  dass  nach  Thuk.  die  Vertreiber  der  Sikaner  Ligurer  waieu. 
Dies  scheint  auch  Grotefend,  Znr  Qeogr.  u.  Gesch.  von  Alt-ItiOien  I.  Kann.  1840.  S.  21 
anzudeaten.  Zweitens  ist  nicht  zu  Uhorsehen  das  Uabestimmt werden  des  Sikanosflusses 


Za  Buch  I,  Kap.  4,  8.  57—59.  357 

(Thuk.  tov,  Phil,  ripog),  was  eben  nicht  für  seine  Existenz  spricht.  St.  B.  s.  v.  /^lyp«» 
yijs  *IßnQiag,  ^c  6  Zixavog  ifwafxog.  ol  oix^roQCg  /ItiQdtot,  und  8.  V.  2*»x«vi7,  noXiq  'Ißr^gittg, 
ds  *Exatalog  EvQWjrrf.  to  f&vtxbv  ^txapiog.  —  Statt  des  Sicanus  Sicoris  genannt  von 
Serv.  Aen.  VIII,  328.  —  Dass  die  Sikaner  Iberer  aus  Hispanien  gewesen  seien,  hat 
Fischer  ant.  Agrig.  bist,  prooem.  Berol.  1837  p.  13  ff.  aus  den  Höhlenwohnungen  Sici- 
Kens  geschlossen,  und  Siefert,  Akragas  S.  55  ist  ihm  hierin  gefolgt.  Doch  finde  ich  solche 
Höhlenwohnungen  wohl  von  Sardinien  (Diod.  V,  15)  und  von  den  Balearen  (Diod.  V,  17) 
berichtet,  aber  nicht  von  Hispanien ,  so  dass  der  Beweis  keine  Kraft  hat.  —  Mit  Gallien 
in  Verbindung  gebracht  von  Grotefend,  der  11,  5  sagt :  »Wie  der  Name  der  Ligyer  oder 
Ligurer  den  Liger  oder  die  Loire  in  Gallien  als  deren  ältesten  Wohnsitz ,  wenigstens  um 
die  Quelle  derselben ,  bezeichnet ,  so  weiset  der  Name  der  Sikaner  auf  die  Sequaner  am 
Ursprünge  der  Sequana  oder  Seine  hin.«  Und  S.  6 :  »Sollten  sich  gar  die  Namen  Sicanus 
und  Siculus  zu  einander  verhalten ,  wie  Romanus  und  Romuius ,  so  dass  sie  nur  einerlei 
Volksstamm ,  wenngleich  verschiedene  Zweige  desselben  bezeichneten ,  so  lässt  sich  ihr 
gallischer  Ursprung  noch  weniger  verkennen.«  Vergl.  dions.  IV,  5.  Ebenso  u.  A.  Kie- 
pert, Erläut.  zum  Schulatlas,  S.  33.  Grotef.  II,  5.  6  glaubt  in  dem  Namen  des  Sikaner- 
königs  Ktixalog,  den  Hesych.  als  tlSoe  aXiXTQvovog  erklärt,  ein  gallisches  Wort  zu 
erkennen.  Man  hätte  auch  den  Namen  des  Sikanerkönigs  Tiortig  bei  Polyaen.  V,  t  als 
gallisch  in  Anspruch  nehmen  können.  —  SikanerinItalien,  aus  welchem  Lande  sie 
nach  Paus.  V,  25, 6  nach  Sicilien  gekommen  sind.  Bei  Vergil  Ureinwohner  Latiums :  Aen. 
VII,  795 ;  Vni,  328 ;  XI,  317.  Nach  Serv.  zu  Aen.  VIII,  328  waren  sie  duce  Siculo  nach 
Italien  gekommen.  Vgl.  Plin.  III,  69 ;  Gell.  I,  10  :  Auruncorum  aut  Sicanorum  aut  Pe- 
lasgorum,  qui  primi  coluisse  Italiam  dicuntur ;  Macr.  I,  5 ;  Sil.  VIII,  358 ;  nach  Sol.  II,  8 
Ureinwohner  von  Tibur;  SixeXixop  daselbst  D  H I,  16.  Femer  waren  nach  Jo.  Lydus  de 
mag.  prooem.  die  Ureinwohner  Etruriens  ein  €&i'os  2txav6v.  —  Die  nahe  Verwandt- 
schaft zwischen  Sikanern  und  Sikelern  auch  in  Bezug  auf  den  Namen  an- 
genommen von  Bochart,  Chanaan  I,  cap.  30,  p.  623 ;  Schlegel,  Rec.  von  Niebuhr's  R  G. 
Heidelb.  Jahrb.  1816;  Wachsmuth  R  G  S.  75;  Grotefend;  Kiepert  u.  A.  Vgl.  auch 
J.  Rubino,  Beitr,  z.  Vorgesch.  Italiens,  S.  124,  n.  158. 

S.  59.  Weichen  der  Sikaner  nach  Westen,  vor  den  Ausbrüchen  des  Aetna 
nach  Diod.  V,  6;  vor  den.Sikelem  Thuk.  VI,  2 :  ofxovai  ik  hi  xal  vvp  ta  nQog  kaniQav 
rrig  ^^ixikiag,  und  nachher:  Die  Sikeler  an^areiXav  t.  2ix.  nf}6g  ta  fiiatifißqivä  xal  lan^- 
Qia  aiftrjg,  was  nicht  richtig  wäre,  wenn  nicht  etwa  dem  Thuk.  wi^  dem  Ptol.  das  Lily- 
baion  das  südlichste  Vorgebirge  der  Insel  ist.  Nach  Dion.  Hai.  I,  22 :  ^aav  6k  ov  noXXoi 
Iv  fdtyfcXrf  avT^  (Sicilien)  ofxijroQtg  (die  Sikaner),  aAA'  ^  nXtttov  trjg ;[tSQag  hi  rfv  iQrjfiog. 

S.  59.  KttfÄ  ixog,  St.  B.  h.  V.  noXtg  £ixsXiag,  iv  tj  KoIxaXo^  VQX^'"  ^  ^(tMXov  {-—ov 
^fvfatig  }ieiu.)  6  noXftijg  KufiUiog  xnl  ^tiX.  Femer  St.  B.  S.  v.  Alfiovia,  Ka/Jtxbg  xal  6 
xnarrig  xal  ff  vfjaog^  WOZU  Mein,  bemerkt :  hoc  de  urbe  mari  vicina  dixit;  ol  Kafxixol  bei 
Str.  VI,  2,  6.  KeifAixog  Herod.  VII,  170  und  sonst.  Ueber  die  Frage  der  Identität  mit 
Akragas  vgl.  bes.  Fischer  ant.  bist.  Agr.  prooem.  £xc.  III,  p.  47—50.  Die  beweisenden 
Stellen  sind :  Duris  (fr.  46)  bei  St.  B.  s.  v.  lixgdyavug;  Schol.  Pind.  Pyth.  VI,  4 ;  Diod. 
XXin,  9  (Hoesch);  Str.  VI,  2,  6.  St.  B.  Zixavia,  ^  ncQ^x^^gog  lixQayavUytav.  Die  Iden- 
tität von  K.  und  Akr.  zuerst  aufgestellt  bei  Pancrazi  (Ant.  Sic.  1 ,  2 ,  1 ,  p.  4  —  24) ,  dem 
Houel,  Bartels,  Mannert,  Erfurdt  (de  mon.  Agr.  Putbus  1839,  p.  18),  Serra  di  Falco, 
Cavallari  (z.  Top.  von  Syr,,  S.  5),  Raoul-Rochette,  Joum.  des  Sav.  1838,  S.  226,  folgen. 
Letzterer  nimmt  ein  doppeltes  K.  an,  eine  Ansicht,  welche  Bochart  p.  612  auch  Cluver 
zuschreibt,  jedoch  mit  Unrecht  (vgl.  Gl.  272).  Die  Identität  wird  besonders  angenommen 
wegen  Diod.  IV,  78.  —  Vgl.  Holm,  Beiträge,  S.  23  und  38.  —  Nach  Cluv.  272  Siculiana. 
Schilderung  der  Lage  dieser  Stadt  und  ihres  Schlosses  bei  Sm.  214.  15.  Buss.  165.  66. 
D.  193.  Schubring's  Ansicht  ist  entwickelt  in  seiner  Abhandlung:  Sicllische  Studien. 
Kamikos  —  Triokala  —  Caltabellotta ,  in  der  Zeitschrift  der  Ges.  für  Erdkunde,  Bd.  I, 


AohaDg  II    Belege  und  Erlüutenmgeii 

Den  Ort  La  Calat«  achildetn  Paz.  263  und  Amitri,  Storis  d.  Noa    di  Sic 

fvKov.  Chor,  bei  St.  B.  e.  V.  Xr^ijcdV  und  s.  V  ."/vcMOF.  Pana.Vll.i,^:  h 
iv  noliv.  Herod.  VI,  33.  24  sagt  ^'ivi'xas.  HaBych.  Vib.  hmt :  Hypea  BecuD- 
rbem  HispAnlfto,  wo  Clnv.  283  emendlrt :  Inycon  nnd  Sicaniae.  Er  denkt 
Selinuntieohen  Hypsas.  Eben  so  gut  könnt«  man  an  den  skragantiDiBchen 
kwilrdig  ist,  dasa  der  Berg  nUrdlicb  von  Segesta  jetit  Mto.  Inloi  hei&st. 
jdoteiscben  Stelle  kann  man  BchlieHsen  i  1)  dasa  I.  in  der  Nähe  von  G«ls 
ipokrates  von  Gela  seinen  Gefangenen  nach  Inykon  schickt;  2)  dass  es  un- 
ag,  weil  der  Gefangene  aus  In.  nach  Himera  entflieht  Paz.  131  suchte  In 
Hafen  Kaukana.  —  Nach  Plat.  Hipp.  maj.  282.  283  (darana  Philostr.  Hipp, 
lykon  noch  iu  5.  Jahrh.  vor  Chr.  blühend. 

■xxKQa.  Thuk.  VI,  62;  uhUafia  Zixnvixöv.  Tim.  [fr-  107)  bei  Ath,  VII, 
ttvftrpral  tftjtli  tÖ  TtoXlxyov  <fiä  rö  Toi';  Tigtiiouf  iwv  ärSpäTtwv  lifföi'iRf  /n't 
■v{  tvnciv  rou«  xH^v/ttnavt  vxai,  xai  tovious  iyxvovs  [welche  Beziehung  hat 
oltayiaa(ti*ous''ytiia\jov  6vofiäaai  ih x'oqIi"'-  Bei  Ath.  XIII,  589  bat  Nym- 
xäimr.  Bei  St.  B.  S.  V.  "Yxkqov  tfQovpiov  2ixeX(a(  wird  Apollodor  chron.  II 
"rxa(>n  eine  Stadt  nenne.  EInw. 'Y>H[en.'f .  Adj. 'Yznpiia'i:.  —  Ueber  die 
2,  wo  er  sagt,  daas  der  ürt  auch  Muriu  Carlnis  hetase.  Hierauf  hat  Maonert 
Dwnrf  gegründet ,  über  deaaen  Werth  vgl.  Holm ,  Beitr.  S.  9.  —  Laia  ans 
li  St.  B.  8.  V.  'Vk.  und  EüxoQTila,  waa  nach  Berkel  nur  anB''Vi[a^n  verdor- 
D-  loa.  64. 

fftifäxti.  Paua.  VIII,  46,  2,  IX,  40,  4.  Phil.  IV  bei  8t.  B.  h.  v.  (— nr«| 
lach  deaaen  Annahme  t>ei  Diod.  IV,  78  tv  i^  Kafia^  bedeuten  wilrde  apud 
ach  Hannert  3l>2  würe  O.  identiach  mit  dorn  Daedalium  doa  It,  Ant.  — 
bedeutet:  unreife  Traube.  Sprichwort;  SixtXäf  öfiifaxiiuai.  Zenob.  &,  84 
viÜQa.  St.  B.  h.  V.  1.  fehlt,  wie  Inykon  in  den  Verzeichniasen  Ikm  Fisclier 

ttnatöi.  Alles  hierüber  enthältst.  B.  h.  v.  nöUs  ZixfUtts  r(tiv2ijtav(ü>-etc, 
it,  das«  nach  Neanthea  Lais  aoa  Kraatos  war  i—  fva^,  —  fi^),  femer  Suid. 
tot-  Bei  Herodot  V,  45  wird  aeit  Weaseliog  KqS»iv  statt  Kgäaiiv  gelesen, 
!lnv.  485  an  die  sicitiache  Stadt  dachte. 

yi^aaa.  Polyaen.  V,  1,4,  der  es  eüäittfioytaräTii  xal  fitylajii  ^ixnrvr 
Boch.  tjlZ  hüt  aa  ftlr  identiach  mit  Erbeaaoe ,  wovon  der  Name  eine  Ab- 
).  Ortel  vermnthete  Ineasa,  Roth  Sinuesaa. 

liaxtfa  7toli(  ^ixnrltc^.   Sfänofinoi  TfOaeqttx.   Sivt.  'hiX.  [ —  ivg]  St.  B 

nmt  Identität  mit  Makara  an. 

riixt  I».  Bei  Thuk.  VII,  32  schickt  Nikias  tg  läv  Xailäv  roh  ri,r  Jioii»- 
tflai  tvfifiäxovs,  Ktvt6Qtnäg  ii  xal  'Jlixoalovf  xal  Slkovs  etc.  St.  B.  s.  v, 
IC  Sixeltos.  ßtÖTiofinot.  fiuuiv  xfifid-jj  'Evtfkljii  xal  yfilvßBlov  ( —  itim, 
tS8  will  statt  'Jhx«iteoi-i  bei  Thuk.  'AyvQivalovi  lesen.    MUglich  wäre  alloi- 

die  Selinuntier  durch  ein  Stttck  HalikyBieclien  Gebietea  hätten  ziehen 
b  kann  aich  auch  Thuk.  oder  ein  Abschreiber  in  dem  Namen  getäuscht 
«ge  von  Hai.  im  Westen  beweiseu  auch  Diod.  XIV,  55;  XXII,  lU;XXUi.  > 
e  Identität  der  Namen  Halikyae  und  Solemi  behauptet  Cluver  470.  Tl.  Fax. 
I  aus  dem  Arabiachen  als  locus  dellciarum.  Amari  St.  d.  Haa.  U,  164,  n  2 
iB  des  Arab.  senem,  Idol,  Statue.  Nach  Edrisi  [Am.  Bibl.  arabO'Sic. 
er  Ort  zu  seiner  Zeit  Senem.  lieber  die  Lage  von  SaLemi  Buaa.  130.  D.  lt>6. 
lie  Topogr-  der  Stadt  Selinna ,  Gütt.  Ges.  d.  Wiss.    IgDä.  S.  22.    Ebenda^ 

zwei  in  der  Nühe  von  Salemi  -auf  QneUhtthon  gelegene«  andke  Pcstungea 
e  eine  auf  dem  Berge  Sette  soldi  4  Mill.  gegen  NO.  von  Salemi,  und  die  an- 


Zu  Buch  I,  Kap.  4,  S.  60—62.  359 

dere  auf  dem  Berg  Boccarta,  3  M.  gegen  W.  von  Salemi«.    Vgl.  über  Salemi  F.  S.  Ba- 
viera,  Hemor.  istoriche  su  la  citta  di  Salemi.  Pal.  1B46.  8. 

S.  61.  Yaif  ift.  St.  B.  h.  y.  nolsg  £txelCas,  ^Piliarog  2!iit.  ^tvr.  ( — Tvog)  und  8.  v. 
^Jereci  ipQouQiov  £ixfUas.  O^lvxäg.  ^PiX&arog  Ixt^  ( —  ttiog,  — ttfa)  Vitirfro»  bei  Diod. 
XXII,  10  (Hoesch.),  wo  die  Stadt  oxvQorriTt  Jia<()^QovO€t  xal  xaiit  tov  llnvoQfAov  xttl6$q 
xufU^fl  genannt  wird.  Celsus  letas  Sil.  XIV,  271.  letensos  Plin.  III,  91.  letini  Cic. 
Verr.  III,  43  nach  Graevins.  Die  Handscbr.  haben  Letini.  Zumpt  sagt :  nulli  sunt  Le- 
tini ;  aber  jetzt  wird  bei  Ptol.  statt  dos  früheren  Aifyov  gelesen  Aiixov ,  also  kann  Letini 
bleiben.  Schilderung  der  Lage  von  Jato  Faz.  265 :  in  editlssimo  et  undique  praerupto 
monte.  Franz  C  I  5519  setzt  letae  fälschlich  nach  Aloamo.  Vgl.  auch  Amari  St.  d.  M. 
III,  159. 

S.  61.  -Z';r«e«-  Ptol.  Scherini  Plin.  III,  91.  Bei  Cic.  Verr.  III,  43  wird  Acherini 
von  Ciuv.  und  Zumpt  in  Scherini  verbessert.  £.  Kuhn ,  Verfass.  des  röm.  Reichs.  Lpz. 
1S65.  II,  61  bringt  die  Acherini  mit  *A%>%Qiva  zusammen  (s.  u.  AyxvQat)\  Pauly,  R  £  1, 
81  verweist  auf  Achetum  Sil.  XIV,  269,  was  aber  ein  Flussname  zu  sein  scheint.  Vgl. 
Ciuv.  471.  Nach  Houel  I,  40  glaubte  man  auf  einem  Berge  2  Mill.  von  Corleone  Schera 
gefunden  zu  haben ;  Houel  sah  aber  fast  Nichts. 

S.  61.  TQi6xttla.  Diod.  XXXVI,  7  (Phot.),  so  genannt  Sik  to  tQia  xcclrt  fx^ir. 
St.  B.s.  V.  TQixalw  xal  TgUalfc,  noXtg  2iXfXäv,  *i>(hatog  (-  7»'0ff,  —/vi?).  Cic  Verr.  V,  6 
in  Triocalino.  PI.  III,  91  Triocalini.  Sil.  XIV,  270  Triocala.  Faz.  266 :  in  loco  ubi  hodie 
aedis  est  S.  Mariae  a  monte  Virgineo.  Insignis  reddita  nrbs  victoria,  quam  Rogerius 
comes  contra  Saracenos  in  eo  loco  (?wann?)  adeptus  est;  in  cigus  memoriam  ibidem 
D.  Oeorgio  aedom  sacram  a  Triocala  cognominatam  struxit.  Urbs  ipsa  prorsus  jacet, 
vestigiis  tantum  ingentibus  obrutis  et  nomine  cognita.  Das  nahe  Städtchen  Villafranca 
nennt  derselbe  vino  nobile.  Vgl.  D.  244  und  besonders  Schubring,  Kamikos  u.  s.  w. 
S.  154  ff. 

S.  62.  2xiQ&aiu.  Diod.  XXXVI,  8  (Phot).  Ciuv.  464.  Faz.  266  nennt  Acristia : 
in  rupibns  editis  desertnm  oppidnm.  D.  191.  Schubring,  Kamikos  157.  158. 

S.  62.  *Jyxv^ai.  Diod.  XIV,  48:  £txavoi  fih  namg  nQoaexo^ifV^^v  roTg  2v(ia- 
xovaioig,  rmv  (f  aHtov  noleotv  nivtk  fiovov  —  avjat.  cT  w^aav  AyxvQai  etc.,  WO  Dind.  jetzt 
^AXtxvttt  liest.  Ptol.  hKtjiyxQlvUy  was  die  neuesten  Herausg.  ohne  Noth  —  denn,  wie  be- 
reits Ciuv.  461  bemerkt  hat,  entstanden  aus  ^AyvQiov,  Afivai,  AyxvQai  die  Formen  Ayv- 
Qtv«,  M^piircCf  AyxuQtva  —  in  AyxvQai  geändert  haben.  Ob  bei  St.  B.  *AyxvQtw  nolig 
'itaXiag  hierher  gehm?  Diod.  XXXVI,  3  (Phot.)  hsktAyxvXiofvx^ff^f  wo  Dind.  ^^^^r- 
xvnimv  vermuthet.  Die  Inciiienses  bei  Cic.  Verr.  III,  43  sind  von  Zumpt  nach  besseren 
Hdschr.  ganz  weggelassen.  —  Die  Lage  Cl.  461  nach  Faz.  263.  Nach  Parthey  wäre 
Ancyrae  das  heutige  Vicari ;  Ancrina  dagegen  läge ,  wohin  Cl.  Ancyrae  setzt ;  ebenso 
Pauly  R  E  I,  976.  77. 

S.  62.  ^E{tßrjaa6g,  Pol.  I,  18:  üg  ^EQßiiaaov  (auch  —  lyaoV)  und  rtSv  — /wv  noXiv. 
Diod.  XX,  31 :  "EQßfiaaog,  XXIII,  8  (Hoesch.) :  iov^'EQßriaov.  lieber  die  Schreibart  vgl. 
Hultsch  in  N.  Jahrb.  1867.  Bd.  95.  S.  309,  der  die  zwei  Städte  nicht  trennt.  H.  legt  auf 
das  h  bei  den  ROmem  Gewicht.  Vgl.  unten.  —  Cl.  455.  56,  nach  Faz.  262.  Da  Erb. 
Nichts  mit  eQtßog  und  dies  Nichts  mit  Grotten  zu  thun  hat,  so  fehlt  der  Fazell'schen  Hy- 
pothese die  Stutze,  lieber  Le  Grotte  D.  298.  I^auly  R  E  III,  1150  verwechselt  die 
beiden  Erbessos. 

S.  62.  lieber  Nisa  s.  Franz  C  I  5747.  Man  sieht  nicht,  ob  die  Inschriften  noch 
existiren  oder  nicht. 

S.  62.  Wenn  MoQywn  noXig  2:tx(X<iSp  St.  B.  mit  Cl.  472  für  Margana  südlich  von 
Vicari  am  Terminifluss  zu  halten  wäre ,  so  wäre  es  auch  wohl  sikanisch  gewesen ;  ebenso 
'innKvtt.  Pol.  I,  24  ^nl  noXtv  'Inntivur  schlecht  citirt  von  St.  B.  s.  v.  "inapa ;  identisch  ist 
nachCl.  4$6^iTrai'«,  Diod.  XXIII,  9  (Hoesch.).  —  Sikanis che  Ortschaften  können 


3Q0  Anhang  ü.  Bel«^  and  Erlttuterungen. 

ferner  gelegen  baben,  wo  RuEoen  bemerkbar  BiDd;  bei  Naro  Jacob  119;  D.  300;  bei 

"'"■ Jacob  94.  Hierüber  b.  unten. 

Die  HimeraflUase  als  Grenze  den  Sikelern  gegenüber  angenommen  von 
wen  nUrdllcher  Himera  freilich  der  Tennini  ist.    Efimpfe  der  Gründer  Gela's 
anem:  Artemon  Iwi  Schol.  Find.  Ol.  II,  16,  vgl.  Ompbi^e. 
Ueber  die  Lebensweise  derSikanerDiod.  V,  6;  sie  wohnen  xo>fm>öv. 

fonätair  iMifmr  tat  nöi.n(  »aiaaxHiä(ovTC(  Sui  TOilt  Igaiäc  T^  jfaip«*' ft^o- 

Hommaen  ROI  ( 1 }  27.    Anders  erkl^  Schubring,  Kamiko«  139.  —  Ihr 
&.phrodite:Diod.  IV,  83. 
S.xilot.   Siculi.  Hellan.  ;fr.  53)  beiDHI,  22.   Antiocb.  (fr.  1.  3.  7}  bei 

1,12;  V,  73.  Thuk,  VI,  2.  Phil.  (fr.  2)  bei  D  H  I,  23,  Ueber  Pbil.  wahr- 
Benutzuog  des  Tbukfdidea  s.  o.  D  H  I,  22,  der  viel  ttber  die  Sikeler  zusam- 

hat ,  lüBst  sie  inrö  tt  ntkaayät-  Kn\ '  Aßofiiylvaiii  vortrieben  werden  nnd  ngm- 
:  tairif(oi(  fil^foir  von  Sicilien  wohnen.  Schwegler  R  G  I,  211  stimmt 
egel  bei,  dass  das  Vordringen  der  Etrasker  den  Portzng  der  Sikeler  verAn- 

-  Die  Sik.  als  Ureinwohner  von  Latium.  Vgl.  bes.  D  H  I,  und 
RGI.  202  ff.  Sie  bewohnten  Born ,  Ariels,  Gsbii,  Tibur,  Crustumerinm, 
üiteninae ,  Faleiii ,  FeBcenninm ,  Lavininm  —  nach  D  H  1,  9.  Varro  L  L  V, 
orti  Siculi).  Serv.  Aen.  XI,  317,  wo  Sicall,  und  VII,  795,  wo  Sicani  genannt 
Aflins  Hemina  bei  8ol.  II,  10;DHI,  ie;CuB.  Hern,  bei  Serv.  Aen.  Vn,  631; 
;  1,  21.  Serv.  Aen.  I,  2.  —  Sikelisohe  mit  dem  Rfimiachen  ver- 
Lusdrilcke.  Die  Sicilischen  Griechen  nannten  einen  Hasen  Itno^iv  nach 
,101;  eine  Schüssel  xaiirovoAchdemi.  V,  120.  St.  B.  s.  v.  /Vin  sagt:  —  ö  cfj 
I  itolXiiv  näx'tly  yfrv^■  taiixtjr  yop  ig  'Oitimv  ifwyg  xal  Xmikth  ytlav 
)er  seit  Cluv.  33  (Jfteni  aus  äen  Worten  des  achten  Platonischen  Briefes  (353); 

jTf^i  «Sf  lixöiiov  y{)fjijttl  i(  xn\  äijtuxiiar ,  ajrtäöv  it;  ((itifiliiv  lifi'Eklijvitiiif 
IIa  Jiäaa,   •Poii'ixaiv  tj'OJiiXiÖy  fifToßniovaa  itf  jiva  iwaaTtlav  tttti  TCQaros 

Bne  Beweis  ist  nicht  ganz  zwingend,  da  in  der  Mitte  des  4.  Jahrh.  viele 
-oekische  Söldner  in  Sicilien  waren,  und  Piaton  diese  mit  den  Opikem  meint, 
waren  sie  dadurch  um  so  gefährlicher,  dass  sie  sich  leicht  mit  den  stamm- 
.  Sikelern  verständigen  konnten.  —  Nach  Ligurien  weist  ausser  Philistos 

V,  37  noch  hin  St,  B.  e.  v.  ZixfUa  (wenn  das  nicht  blos  aus  Philistos  genom- 

ir  ii  v^anaiär  ol  /tiv  ISitytriU  Tiiiiai  A(yuis  fi  'iTniJa;  £ixiia\  l'yoyxai. 

m  a.  v.  Sacrani  p.  321  H,  haben  diese  ex  Septimontio  Ligures  Siculosqae 
Nach  Schol.  Serv.  Aen.  XI,  317  werden  dagegen  die  Sicani  oder  Siculi  von 

n  ans  Rom  vertrieben,  diese  von  den  Sacrani,  die  Ssor.  von  den  Aborigines. 

i  auch  die  Ligarer  wahrscheinlich  den  ROroem  verwandter  als  den  Gelten.  — 

togata  Sassen  nach  PI.  III,  112  Siculi  et  Libumi,  noch  vor  den  Dmbrem, 
In  Epeiros  sucht  man  sie  nach  Od.  XX,  383,  combinirt  mit  XVHI,  85.  An 
wollen  die  Freier  Jemand,  um  sich  seiner  zu  entledigen,  if  £iKiiovs  schicken, 

it'Exnov  ßaniltia,   der  gewöhnlich  für  einen  ßaaiXds  'HnitQov  gilt,   nach 

I.  Sixtkär  tÖQimoi  war.  Vgl.  Niebuhr,  Kl.  phil.  nnd  bist.  Schriften  II,  224. 

lert  Sik.  4S  und  49.  —  Nach  Makedonien  weist  uns  die  Glosse  bei  Hesycb. 

&tn  xa\  ipfyavov  IMaiittivitg],  welche  den  Ursprung  des  sikelischen  (Thuk. 

es  iayxlv  erklärt,  verglichen  mit  der  Glosse  bei  demselben  :  Säxaioy  igfjra- 

hl eigentlich  ääyxlov  heiuen  sollte.  —Nach Serv.  Aen.  I,  2 ;  1, 633 ; III,  500 sind 
umgekehrt  aus  Sicilien  nach  Latium  gewandert.  —  Ueber  die  Morgeteu 

VI,  t,  6  und  VI,  2,  4.  S.  unten  Über  Galarina.  Nach  Etym.  M.  s.  v.  Zig,-: 
line  Tochter  des  Morgea.  —  Ueber  die  Sikeler  in  Unteritalien  Thuk. 

XII,  5.  0.  Wenn  Diod.  V,  2  sagt,  die  Insel  sei  vnä  läv  Zixilä»  täv  ix  iq; 
'JilfiiX  rtt^uKalffyjmv  Zixtkta  genannt,  so  ist  das  ungenau,  da  die  zu  Thuky- 


Zu  Buch  I,  Kap.  4,  Seite  62—66.  36t 

dides'  Zeit  in  Italien  wohnenden  Sikeler  schwerlich  später  nach  Sicilien  gegangen  sind. 

—  Die  Beziehungen  zu  Aegypten  nach  Vic.  de  Boug^,  Extraits  d'un  memoire  sur 
les  attaques  dirig^es  contre  TEgypte  par  les  peuples  de  la  M6diterran^  vers  le  XIV 
si^cle  avant  notre  öre  in  Revue  Archöologique.  1867.  Juillet  et  Aoüt.  Die  Inschrift  ab- 
gebildet bei  Dnemichen,  Historische  Inschriften.  PI.  IL  Vgl.  Reinisch,  Aegypten,  in 
Paoly  BEI,  1,  279  und  Tafel  nach  2S4.  —  Nach  Arr.  Tact.  p.  45  (Amst.  1683)  brauch- 
ten die  xiTQoy^vot  Tiiiue  besonders  die  Perser  und  die  ßagßaQot  h  ^msUif,  so  auch  Ael. 
Tact.  c.  18,  der  hinzusetzt,  die  meisten  Hellenen.  Die  Stelle  der  Odyssee  ist  XX,  383. 
Vgl.  auch  Polyaen.  V,  6,  wo  Sikeler  als  Soldtruppen  erscheinen. 

S.  65.  Die  Sikeler  im  Innern  wohnend  Str.  VI,  2,  4:  ovSirn  (von  den  Urein- 
wohnern) tilg  naqaXlas  ittitv  ol  "Elkrivig  anrtad'M,  ein  in  seiner  Allgemeinheit  falscher 
Ausdruck,  da  z.  B.  Alaisa  u.  A.  ein  Stück  Küste  beherrschten,  auch  Thuk.  VI,  62  an 
der  Küste  wohnende  Sikeler  zu  kennen  scheint :  h  rove  tth>  2uftfk6iv  ^vfifiaxovg  ncQii- 
wlevira»,  und  ebendas.  wird  Himera  die  einzige  Griechenstadt  der  NordkUste  genannt. 

—  Dass  Thuk.  die  Sikaner  in  den  Süden  der  Insel  setzt,  sahen  wir  oben ;  wenn  nun  bei 
dems.  VII,  80  die  Athener  am  Kakyparis  die  Sikeler  erwarten ,  so  wird  hierdurch  jene 
Angabe  des  Thukydides  noch  deutlicher  als  aus  einem  Irrthum  über  die  wahre  Lage  der 
Insel  Sicilien  hervorgegangen  erkannt.  •—  Sehr  verbreitet  in  Sicilien  ist  die  Endung 

—  Tvog  f  ür  Einwohnemamen  St.  B.  s.v.  'jißaxaivov:  o  oux  ari&cg  StxeXtSvj  MsTanopTtros 
Aivtrttvog  B^evriaivog  TuQtvrivog  ^A^^r^Tivog  'Aaoo^ivog  ^Egvxlyog  Es  ist  also  eine 
italisch^sicilische  Endung,  wie  in  Latinus  und  offenbar  von  den  Sikelem  nach  Sicilieu 
gebracht.  —  Bemerkenswerth  ist ,  dass  bei  einer  Anzahl  von  sicilischen  Ortsnamen  in 
den  Schriftstellern  der  Spir.  asper  allmählich  über  den  lenis  den  Sieg  davon  getragen 
hat.  Das  auffallendste  Beispiel  ist  Henna ,  wie  ausser  auf  Münzen  nur  bei  den  Römern 
für  Enna  vorkommt.  Andere  Beispiele  sind  Hadranum,  Halaesa,  Haluntium,  Helorus. 
Herbita,  Herbessüs.  Vielleicht  war  den  Sikelem  eine  Schärfe  der  Aussprache  des  An- 
lauts eigen,  welche  die  Griechen  nicht,  wohl  aber  die  Römer  nachzubilden  suchten ;  vgl. 
^Avvißag,  Hannibal.  —  Schwanken  zwischen  a  und  aa  findet  sich  in  der  Endung  ->  riaaog, 

—  (tfiroc,  auch  "^aiy^  Off  {s.  u.). 

S.  66.  Ueber  Troina  —  mit  dem  Beinamen  Antichissima  —  vgl.  D.  286.  87. 

S.  66.  Imachara.  Cic.  Verr.  III,  18  ager  Imacharensis  (and.  Hdschr.  Mach.),  III, 
42.  Plin.  III,  91  Imacarenses  (and.  Mac.),  Ptol.  wo  sonst  'Hfiix^ga^  jetzt  V/i/jjfo^a  gelesen 
wird.  Nach  Faz.  124  beim  Hafen  Vindicari,  am  Orte  Citatella.  Nach  Cluv.  405.  6  Troina. 
Ptol.  setzt  die  Stadt  ziemlich  weit  nördlich.  Parthey  scheint  Imbaccari  zu  meinen,  sagt 
aber  Maccara.  Ueber  Imbaccari,  gewöhnlich  Imaca  genannt,  D.  304.  Amari  St.  d.  M.  I, 
315  denkt  an  Alimena;  I,  418  jedoch  an  Gangi;  es  findet  sich  nämlich  bei  Edrisi  (Am. 
Bibl.  p.  61)  zwischen  Petralia  und  Sperlinga  ein  Ort  Makära  oder  Baki^ra  erwähnt. 

S.  66.  "E^ßira  (-«ro«)  Diod.  XII,  8  (OL  83,  3).  XIV,  15.  16.  78.  Cic.  Verr.  H,  65; 
III,  18  und  öfter.  Herbitenses  PI. III,  91.  St.B.  "Egfiira,  -nolig  ZiniXiag^Effo^g  xif,  Ptol. 
nennt  die  'Eqßttaioi  ( die  Hdschr.  haben  'OqßCxai  oder  'OifßHtai )  neben  den  Messaniem, 
ELatanäem,  Segestanem,  Syrakusanem  als  die  mächtigsten  Sicilier ;  sie  haben  mit  den 
Katonäem  tm  fiead.  Vgl.  Cluv.  403—5.  Houel  III,  38.  D.  285.  Nach  Amico  s.  v.  Erbita 
ist  es  CasaUni  nördlich  von  Nicosia,  wo  Ruinen  sind. 

S.  66.  KanvTiov.  Ptol.  Cic.  Verr.  III,  43  Capitinam  (sc.  civitatem).  capitium  (von 
capio)  Mieder,  Priesterkleidung.  —  Vgl.  D.  2S8. 

S.  66.  FaXagt  v a  noXig  J^ixiXiag,  mlOfAtt  Mogyov  £ixiXov,  Xäyiiui  xal  FaXagia  x^öof*- 
{-Ivog,  —lytii  —ivaiog)^i.  B.  Favor.  Diod.  XVI,  67  hjBXraXiQlttv  und  raXiQCvm-,  wofür 
man  —  a(i  —  emendirt  hat.  Auch  XIX,  104  ist  raXag(a  aus  xaXatßg^a,  yaXaßQta,  yaXnvgitt 
und  yaHgift  der  Hdschrr.  hergestellt.  Cluv.  406.  7  (nach  Aretius).  Faz.  239  nennt 
Gagliano  rupis  excelsae  situ  munitissimum.  Vgl.  D.  229. 

S.  66.  ".^«Ttfw^of  gewöhnliche  Form.  Diod.  XIV,  58. 78,  St.B.  h2kVAaawi>iov,  führt 


362  Anbftng  II.  Belege  und  Eriäaterungen. 

Jedoch  Hiu  Apollod.  Cfaron.  IV  aocli  'Aamqog  itn.  -ifof ,     Bei  Ptol-  habeo  die  Handachr. 

'Ainum  and  'Aoo^QOi.  —  der  T.  des  Chryinw  Cic  Vcrr,  IV,  H.  Vgl.  P«b.  253.  Cl.  IWi. 

Houel  m,  37.  D.  126. 

f3  i;<4.  '.^^ü|i(Dvgowllliiilicbe  Fono.  Ptol.  hat '^>vi<p""',  wu  die  oeuesten  Heraus- 
'.lYi\"ov  verwandelt  haben.  DieseltMüi  haben  dl«  N.  Br  von  37*  in  :i7"  45'  ge- 
[>ann  mlisat«  Ag,  aber,  seiner  wüstlicheren  Iiago  wegen,  vor  Aetna  genannt 
Wahrscheinlicher  ist,  dasa  man  atatt  370,  was  allerdings  nicht  wohl  paast,  37» 
i'>4(>'su  lesen  hat.  Ag.  kann  auch  nicht  allinweit  von  Ennagesetat  werden,  von 
ilseher  Ansetzung  oben  die  Bede  war.  St.B.  s.  v.  'AyvQipia  -noUi  Zaulla^. 
dein,  nimmt  mit  Holst.  ^  iv  —  an.  Ag.  and  Herakles  Diod.  IV,  3-1.  Sonst  oft 
So  XIV,  9.  78.  95.  XVI,  82.  XXII.  13(Hoesch.|Cic.Verr.m,  27.  Agyrinenria 
.Verr.111,18.  H]iue8;Cie.Ven'.  UC,51.  I*1.IU,91  hat  dagegen -ini  und  Sil.  XIV, 
manns.  It.  Ant.  —  Das  llieator  Diod.  XVI,  83.  -  Vgl.  Fa».  2*7—53.  Cl.  383 
luel  III,  36  (schffne  Hauer  griechischer  Constmction  bei  der  Kirehe  S.  Hai^e- 
227.  Vgl.  auch  Bonav.  Attai^l,  Storia  delU  citti  di  S.  Filippo-  Pal.  1742.  4 
'Aftrfatlor  Diod.  XXII,  t3  (Hoosdi.)  Xltfttvov  fHiaiii  Kivrogiaivaiv  itnl 
Also  Kegalbuto,  wo  Hoael  III,  35  Reste  alter  Gebäude  fand.  Ebenso  CI.407. 
loob  fUr  'Auifi.  wegen  Pol.  .f  üfur^of  und  PI.  lU,  91  Symaetfaii  hier  einen  Ort 
;  ('(Ol)  annimmt.  Vgl.  D.  23!).  —  8.  Giorgio  nach  Schubring. 
.  XevtoQina,  lö  gew.  Form.  Ptol.  hat — oi'itTntu  oder  —  oüniffni,  von  den 
Herausg.  in  —  apinR  geändert :  unnüthig,  da  Ptol.  wohl  die  Ttfmiscbe  Fonu 
nnte.  Thuh.  VII,  32  sagt  Kiviifinni  (Acc.)  entweder  fUr  die  Stadt  oder  fttr 
>bner,  während  bei  dems.  VI,  04  Inl  KirtÖQtTta  Zixtlwv  noliofia  steht.  £r- 
od.XIII,^;i;  XIV,  78,  XX,  äöundsonst.  —  Lat.  Centuripa,  orum.  Pl-XXXl. 
ipae  Sil.  XIV,  204.  Centuripas  wird  angeführt  ans  Scribonius  Largus  43.  — 
of.  Cic.  Verr.,  wo  der  Ort  oft  vorkommt,  braucht  IV,  23  Centuripinl  auch  filr 
nach  Anal,  von  Leontini.  Heia  II,  7,  Iß  hat  -inom  (vgl.  oben  'Ayxi^).  Vgi. 
-46,  nach  welchem  arz  et  moenia  disjecta  noch  vorhanden  sind.  Cl.  381  —83. 
,  29  ff.  nebst  Plan  PI.  CLIX.  Die  Lage  von  C.  Adera6  gegenüber  E.  Recins  in 
Ifondc  XUI,  4UU.  D.  230—32.  Vgl.  Fil.  Angaldi,  I  monumenti  deU'aDtica  €en- 
t.  1^51.  S.  u.  Ders.  Sulla  religione  degli  antichi  Centurlplni.  Cat.  1846.  8.  Ate 
les  Keichthnms  von  Centorbi  an  AlterthUmom  diene,  daas  1840  In  einer  Grotte 
geSmisste  Getilsse  gefunden  worden. 

.  JWopj-iipt.ov  Str.  VI,  1,  6.  VI-  2,  4.  St.  B.  hat  MowAr-ov  nÜif  7iiilC«t 
•yrjtuiv,  ifytjai  xnl  JMofyyiftin.  —  ivo^  xal  Jlfopj'ijiijt  (Hdschr.  -rtii).  Bei 
',  65  MoQyttvjtvri  das  die  Kamarinäer  bekommen.  Diod.  XIV,  95  schlägt  Hagon 
r  anf  tv  ip  jäe  'Ayvqivalttr  x^Pf  ""P"  '"''  Xpiioo*  niutifiöv  fyyiii  i^e  öJnv 
■a^s  ift  MoiiyaytCuiv.  Diod.  XI,  78  erobert  DuketlosWofij'm'rii'ni'.  Diod.  XIV. 
Diod.  XXXVI,  4  (Phot.)  nöln  ö/üp?  Moeyaorlv^.  Cic.  Verr.  III,  18  ager  Hur- 
Sil.  XIV,  266  frondosis  Uargontia  campig.  Bei  Liv.  XXIV,  27  ist  eine  rBmiaoho 
n  )U0  Schiffen  bei  Hurgantia.  Hier  musa  ein  Irrthum  sein ;  Diod.  XXXVI,  4 
ns,  mit  (Jluv.  415  Horg.  dcewegen  nahe  dem  Heere  xq  setaen,  UanDert43U 
indre  blanche  Bildlich  vom  Dittaino  an;  ihm  folgen  Parthoy  u.  A.,  ich  finde  dort 
inen  orwühnt,  wohl  aber  auf  dem  nahen  Berge  Judica,  von  dam  Fa«.  7t;  und  245 
o  dieStadt  Judiea  a  Rugerio  funditus  deleta  genannt  wird.  Vgl.  HouelHI,  33^1. 
II  Hybla  hierher  setzen;  Haue!  Ergentium. 

.'Yßia.  StB.s.v.'y'ßlat  enthält  die  Hauptatetle  über  die  3  Orte  dieses 
D  Sicilien.  Diese  sehr  verdorbene  Stelle  tat  erst  von  Schubring  in  s.  Umwand, 
[eerb.  in  Sicilien  S.  452.  53  richtig  hergestellt  worden.  Es  ist  zu  lesen :  "YßUii 
iig  XixtXias.  q  ftttimv  i]i  ol  noXiiBi  '  YßXaiot  IMiymiii^,  q  pixpä  i)£  al  waliiBi 
I^JlKÜrni.  ij  Jt  tläicmy  'ÜQala  xaleitai.     tan  xal  nölis  VtcJI/sc.   4  <^'  fuiCtuy 


Zu  Buch  I,  Kap.  4,  Seite  68—69.  363 

Yßltt  «Tio  "YßXofyog  rov  ßaatlim^»  dta  cF^  to  nokliig  "YßXttg  xaXttaS^ai  rt^v  Stn^mv 
noXt^p  Tovg  ipotnovvtag  ixiiXoi>v  MfyttQiag.  ftitt  di  t6iv*YßX(iSv  ZrviXXa  xtiX^ixai.  Hier  sind 
'HQa£a  und  ^rveXXa  Emend.  Oluver's  f.  d.  handschriftl.  "IIqu  und  TlßXXa,  dies  nach  St.B. 
8.  V.  ^tvflXa.  (p(fovQiov  Tijc  iv  XixeXiix  M^yuQlSog.  to  i^vixov  —  Tvog.  Loake  Num.  Hell. 
Sic.  p.  70  führt  2  Silbermlinzen  aus  der  Sammlung  des  Brit.  Mus.  an :  Jugendliches 
l^beerbekränztes  Haupt  B.  ZTfA.  Vordertheil  eines  Stieres  mit  Menschenhaupt,  worin 
er  den  Fluss  Alabon  dargestellt  findet.  Nach  Schnbring,  Umwand,  des  Meg.  Mcerb 
S.  462  sind  die  Spuren  zwischen  den  Mündungen  von  Cantara  und  Marcellino  die  von 
Styella,  das  Leake  nach  obiger  Mttnze  Stiala  nennt. 

S.  68.  Das  kleine  Hybla.  Thuk.  VI,  62  lesen  wir  inl^YßXav  tifv  reXfanv,  und 
VI,  94  werden  die  'YßXaiot  auf  dem  Wege  von  Katana  nach  Kentoripa  angegriffen.  Cluv. 
411.  12  meint  irrigerweise,  dass  VI,  62  ein  anderer  Ort  gemeint  sei  als  VI,  94,  und  hält 
die  H.  Geleatis  für  identisch  mit  Megara.  £r  übersieht  dabei,  dass  Thuk.  McgaiH, 
welches  mehrmals  bei  ihm  vorkommt,  unter  andern  auch  VI,  94,  nie  als  Hybla  bezeichnet, 
sondern  immer  als  Megara.  Vgl.  Schubr.  451.  der  noch  daran  erinnert,  dass  VI,  ^»2 
Hegara  deswegen  nicht  angegriffen  werden  konnte,  weil  es  damals  verlassen  war,  und 
erst  im  folgenden  Jahre  von  den  Syraknsanem  zu  einem  (pqovqiop  gemacht  wurde ,  nach 
Thuk.  VI,  75.  Den  von  Thuk.  rfXeang  genannten  Ort  bezeichnet  Paus.  V,  23,  (i  als 
Figfarts,  in  einer  von  Schubart  und  Schubring  glücklich  so  emendirten  Stelle :  dvo  öt 
nattv  iv  £ixkXiq  noXug  al^YßXai,  »/  fikp  rtgtärg  in ixXffOiv ,  fiyv  c)'^  iignfQ  ye  x«l  r^f, 
ijfdXovv  fikiCovtt.  ^x^vai  6k  xal  xar  ifjtk  hi  ra  ovofxaraf  i;  fih»  HQfifiog  ig  «nav,  t}  6k  xwfn] 
ttSv  Katavaitfv,  rj  Fepsaug  xal  liQOv  Off  tat  'YßXaaig  tatl  d-^ov  nnQa  ZixtXtiv  H^^v  rifuig 

tBQaraipyiig  a<fäg  xalivvnvlettv  *P£Xtarog  6  u4QX^f^^*'^^ov  (f>7ia\v  f^if/nrag  elvni  xu) 

fiaXi<STa  tifaißkl(f  tm^  iv  ZixeXiq  ßaQßdgmv  nQogxiia&ai.  Aus  dem  Letzten  sieht  man, 
dass  von  d^selben  die  Bede  ist,  welche  Cic.  Div.  I,  20  bezeichnet  als  interpretes  por- 
tentonim ,  qui  Galeotae  tum  in  Sicilia  nominabantur ,  und  es  ist  somit  erwiesen,  dass 
raXivrat  und  reQsärig,  also  auch  /lFJl«ar»(,  dasselbe  Wort  vertreten  sollen.  Da  Plut. 
Nik.  15  diesen  Ort  ein  noX^xv'ov  fiuegov  nennt,  so  ist  es  gerechtfertigt,  wie  oben  ge- 
schehen, St.B.  so  zu  emendiren,  dass  4  fÄimgä  zu  Bewohnern  raXetotai  bekommt.  Wo 
lag  nun  dies  Hybla?  Munter  455  nimmt  Belpasso  an.  Cluv.  412  Patern6  und  ihm  folgen 
Parthey,  Schubring  451  und  D.  236,  welcher  bemerkt :  This  opinion  is  confirmed  by  the 
discovery,  on  the  spot,  of  an  altar  bearing  the  inscription  VENERI  VICTBICI  HYB- 
L£NSI,  now  preserved  in  the  Biscari  Museum  at  Oatania. 

8.  68.  ^Ivrjaaa.  Str.  VI,  2,  3.  Die  Katanäer  Ttjv  ^Ivfffoav  xaXov/Lt^vtfv  tijg  Ahifig 
6g€ir^v  fxtiaay  xal  TTQogrfyoQSvaav  ro  x^ogiov  AttvijVy  6iixov  '?f  Katävijg  oradCovg  oySori- 
^  xovta,  und  VI,  2,  8.  Thuk.  III,  103 :  in  ^Ivriaaav  ro  2ixeJüx6v  noXia^a  hergestellt  aus 
dem  handflohriftl.  inl  Nrlaaav.  Diod.  XI,  76  ist  von  Cl.  *Evvria£av  verbessert  in'^Iyriaaar. 
Sonst  Diod.  XI,  91 ;  XTV,  58  steht  der  Name  Aetna.  Thuk.  VI,  94  kommen  jedoch  die 
'ivfiaaaioi  vor.  St.B.  s.  v.  Attvtj  nennt  eü^Ivijaaov»  It.  Ant.  setzt  Aethna  12  m.  p.  von 
Centuripe  wie  von  Catina.  —  OIuv.  145— -47:  S.  Niccolö  delF  arena  bei  Nicolosi,  das 
allerdings  12  m.  von  Oatania  ist;  aber  sollte  der  Weg  von  Oatania  nach  Oentorbi  über 
Nicolosi  gegangen  sein?  Houel  II,  22 :  Patem6;  Mann.  293 :  Oastro,  1  Stunde  NO  von 
Patem6;  Sestini,  Parthey  u.  A.:  S.  Maria  di  Licodia,  nördlich  von  Patem6,  17  m.  von 
Oatania.  D.  erinnert  daran  (234),  dass  dies  zu  den  80  stad.  oder  12  m.  p.  nicht  passe. 
Ueber  Belpasso  D.  236.  37.  —  Vibius  hat  unter  Fontes :  Inessa  Bhodi,  a  quo  Siciliae 
civitas  Inessa.  Dann  wäre  In.  eine  griechische  Colonie.  Aber  Bhodische  Colon! sten 
am  Aetna? 

8.  69.  ^Eqyixiov  St.B.  h.  v.  noXtg  £tx€Xiag,  *PlX,  ZtxsX.  6ivr.  jo  i^txatf 'Eity^rhog 
xal  Atrvri  *£gyetivijy  wo  Ahvrj  hOchst  unsicher  und  überdies  sinnlos  ist.  Polyaen.  V,  H 
'EQycttvoi.  Ptol.  hat  Seiryiviiov ,  was  01.  417  bei  Diod.  XIV,  78  für  das  handschriftl. 
SfAtpUv  lesen  will,  wo  Wessel  und  d'Orv.  Mitaivov  vorschlagen.    Ergetini  PI.  III,  91 


— ■•  T  ■ 


364  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

Ergentum  bei  Sil.  XIV,  250.  Vgl.  Cluv.  416—18,  nach  dem  es  Cittadella  bei  Aidone  ist. 
Ueber  diese  Ruinen  Faz.  256 :  ubi  praeter  tenipla  dimta,  aedium  ac  murorum  ingentes 
ruinas,  tbeatrum  adhuc  quadratuni  (?  aus  Quadern  ?)  ejusque  gradus  semiruti  etc.  £r 
selbst  denkt  an  Herbita.  Femer  d'Orv.  160  ff.,  der  162  hier  Trinakia  (s.  u.)  sucht.  De 
Sayve  II,  57. 

S.  69.  'EQvxnKall.  VII  bei  Macrob.  V,  13.  St.B.  s.  v.  'Eqvxtj  aus  Phil.  II.  —  atog. 
aber  s.  v.  Halixti  giebt  er  ^EQvxtjvog,  Femer  s.  v.  li^xQayavreg.  Vgl.  Faz.  258,  der  auf 
dem  Berge  Catalfano  Trinakia  sucht.  Cl.  428.  29.  Nach  Houel  III,  62  Hilitello. 

S.  69.  N^ai.  Mivai.  Mivaivov.  Mivdal.  Neai.  NofiaL  Diod.  XI,  88  sa^ 
von  Duketios :  tue  fdh  Niast  ^Ttg  r^v  avrov  nat^lq^  fitr^xiaev  ctg  t6  ntdiov  xa\  nljjafov 
Tov  Tffiipovg  TtSv  ovofiaCofiivüfv  IlaXtiuov  theriae  noXiv  a^ioXoyov,  rfp  —  —  lüvofinCf 
iTaXtxiiv.  Sonst  kommt  Neai  nicht  vor.  Ders.  berichtet  XI,  78  von  Duketios :  MivaiVov 
/uh  noXiv  Ifxriae.  Ptol.  hat  M^veu^  wie  jetzt  gelesen  wird,  sonst  Mevai,  wobei  die 
neuesten  Herausg.  bemerken :  leg.  M^yatvov.  St.B.  hat  MhvSal  (Mein,  nach  Cluv.  Mtwi) 
TToXis  ^ixiXiag,  fyyvg  üaXixtot^.  ^AnoXXodmQog  iv  dtvr.  Xqov,  ro  l^v.  —  aiog  ag  uivxat 
uivxaTog  (Dind.  IdXixvat  jiXixvaloi).  Als  Einwohner  einer  sicilischen  Stadt  werden 
Cic.  Verr.  III,  22  und  43  Menaeni  (Menenii)  genannt.  PL  III,  91  hat  Menanini.  Vibius  kennt 
eine  Quelle  Menais.  Sil.  XIV,  266 :  Menaei.  —  So  viel  ist  nun  khir,  dass  es  eine  Stadt 
Menai  in  Sicilien  bei  den  Paliken  gab  (Mendai  bei  St.B.  kann  ein  Schreibfehler  sein),  und 
dass  dieselbe  Stadt  auch  den  Namen  Menainon  führte,  weshalb  die  Einwohner  entweder 
Mivaioi.  oder  Mivatvoi  (Münze  bei  d'Orv.  377)  oder  gar- Menanini  heissen.  —  Nun  hat 
aber  Cluver  auch  in  Neai  bei  Diod.  XI,  88  eine  Erwähnung  derselben  Stadt  finden  wol- 
len und  vorgeschlagen ,  statt  tag  fih  Niag  zu  lesen  rag  Mivag,  und  die  Meisten  sind 
ihm  gefolgt.  Doch  ist  das  unmöglich,  da  Neai  XI,  88  die  naxqig  des  Duketios  ist,  also 
schon  vor  ihm  existirte,  während  etMivturov  XI,  78  erst  selbst  gründet. — Ueber  die  un- 
genügenden Versuche,  dieser  Schwierigkeit  zu  begegnen  vgl.  m.  Beitr.  S.26.  —  Vou 
Noai  sagt  St.B.  ro  iS-v.  Noaiog.  —  noXig  ZixBXlag^AnolXod.  Stvr.  /^oy.,  femer  Sttid.  und 
Favorinus.  PI.  III.  91  hat  Noini  oderNoaeni,  wofür  SilligNoaei  verbessert.  Nach  Cluv.  477 
wäre  es  Noara  od.  Novara,  südlich  von  Tripian  den  Quellen  des  F.  Salica.  —  ßfofÄaih.  Diod. 
XI,  91.  Daselbst  wird  Duketios  von  den  S3rrakusanern  besiegt.  Sonst  kommt  der  Ort 
nicht  vor.  Da  Sil.  XIV,  266  kein  Gmnd  ist  comitata  Noroaeis  Venit  Amastra  viris,  statt 
Menaeis  zu  lesen,  so  folgt  auch  nicht,  dass  Nomai  in  der  Nähe  von  Mistretta  lag.  Es  ist 
wahrscheinlicher,  dass  der  Ort,  wo  Duketios  geschlagen  ward,  näher  dem  Mittelpunkte 
seiner  Macht  lag.  —  Noai  und  Nomai  sind  mithin  schwer  zu  bestimmen.  Menai  ist  da- 
gegen sicher  Mineo.  Vgl.  Houel  III,  57 ;  D.  377,  sowie  Faz.  258,  der  arx  und  moenia 
antiquissima  erwähnt.  Schriften  über  Menai  s.  unten  bei  Duketios.  Die  Stadt  PaUke  auf 
einem  collis  am  Lago  Naftia :  Faz.  76.  77,  wonach  urbis  vestigla  sich  finden  sollen.  Den 
Namen  La  Bocca  als  den  des  Hügels  nennt  Houel  III,  57  und  de  S.  I,  269.  Wenn  nun 
Palike  das  in  die  Ebene  verpflanzte  Neai  war,  was  Manche  läugnen,  aber  eine  nicht  un- 
passende Deutung  der  Stelle  Diod.  XI,  88  ist,  so  hat  auch  Neai  in  der  Gregend  des 
Palikensees  gelegen,  und  es  könnte  Militello  sein.  Es  werden  übrigens  so  viele  Spuren 
antiker  Orte  dieser  Gegend  erwähnt  (Houel  III,  60  im  ehemai.  Lehen  S.  Basilio,  einige 
MiUien  östlich  vom  Naftiasee,  III,  61  beim  Fondaco  tre  fontane ;  III,  62  zwischen  Mineo 
und  Militello ;  Bull.  1845  S.  16  nach  einer  Schrift  von  F.  Perticone  bei  Caitagirone  u.  a.  m.\ 
dass  man  noch  für  mehr  Namen  Platz  finden  würde.  —  Bemerkenswerth  ist  noch,  dass 
noch  in  den  Actis  SS.  bei  Cajet.  109  Mendae  vorkommt. 

S.  69.  ^Ex^tXa  Diod.  XX,  32 ;^a>(>^t/ o;(ft'^ot/.  Pol.  I,  15  bezeichnet  es  als  hf  fjtioij 
»ttfiivriv  tJ  Twy  ZvQaxoa(tav  xai  KaQxn^orfatv  inaQx^t^^  PI.  III,  91  Echetlienses.  St.B. 
s.  V.  ^E^^rXa  noXig  2ixkX(ag  —  Aiari}^  (Cl.  —  XcrT^f),  fx^rXc  heisst  die  Pflugsterze,  ^/«r- 
Xtvia  ackern.  Echetlos  erschlug  bei  Marathon  Feinde  mit  dem  Pflug.  Cl.  443 — 45.  — 
Ueber  Occhiala  Houel  III,  57.  Mannert  440  setzt  es  ungefähr  bei  Vizzini. 


Zu  Bach  I,  Kap.  4,  Seite  69—70.  365 

S.  69.  gov^ia  8t.B.  nokig  ZtnMag  4»lUarog  tqIx^  JTue.  —  iurrig.  Diod.  V,  8 : 
(ßttOiltvae  Sov&og  tijg  nt^l  rovg  A^ovtlvovg  /cJ^mc»  {ti;  itn  ixttvov  ft^x^i  rov  vvv  XQ^^^^' 
Mov&ia  ngogayoQ^verai.  Vgl.  Ol.  155. 

S.  69.  'EQßn^oogBt.  B.h.  v.  ^ixiliag  nolig.—tvog.  *f>a,  £1%.  ^Ptol.  Diod.  XIV,  7 
(HdBchr.  "E^ßfiaivüiy).  XIV,  78  macht  Dionys  Friede  nQog  EQßiaaiivovg.  Liv.  XXIV,  30. 
35  (Herbesam).  Paus.  VI,  12,  4  [ii 'EQßnooov) .  Faz.  260  ist  für  Pantalica  wegen  der 
Grotten.  Ol.  445 — 48.  Parthey  setzte  es  an  den  Mylas ,  ebenso  Weissenbom  zu  Liv. 
XXIV,  30,  obschon  in  der  Stelle  des  Livius  dazu  keine  Veranlassung  liegt.  Vgl.  Schub- 
ring, Die  Bewässerung  vonSyrakus,  Philol.  XXII,  4.  S.  633,  welcher  deswegen  Herbessos 
nicht  nach  Pantalica  setzen  will,  weil  diese  Stadt  bei  Diodor  und  Livius  Syrakus  feind- 
lich gegenüber  steht ;  Pantalica  aber  das  Anaposwasser,  dass  für  Syrakus  so  wichtig 
war,  beherrscht.  —  Vgl.  D.  365.  66. 

S.  70.  Von  Akrai  wird  unten  die  Bede  sein. 

S.  70.  NiriTov  Ptol.  Diod.  XXIÜ,  4  (Hoesch.)  NemUvtJV.  PI.  III,  91  Netini.  Cic. 
Verr.  IV,  26  hat  Netum ;  V,  22  Nettni,  U,  65  Netinenses.  Sil.  XIV,  268  Netum.  Vgl. 
Faz.  121.  22.  Oluv.  441.  42..  Houel  UI,  119.  D.322.  23. 

S.  70.  ''EXta^og  nokig  ZiMklag  St. B.  Ptol.  "Ek.  nach  einer Hdschr.  Die  andern  haben 
"EL  Nach  Skyl.  13  war  der  Ort  griechisch.  Oic.  Verr.  UI,  43  Elorini.  Liv.  XXIV,  35. 
Plin.  XXXU,  16  nennt  ein  castellum  Elorum,  weshalb  Ol.  228,  gestützt  auf  die  Beschrei- 
bung der  Ueberreste  bei  Fazell  122-24,  Stadt  und  Oasteil  Helorus  sondert  und  jene 
nördlicher,  1  MiU.  vom  Meere  in  den  Ooliseo  oder  S.  Filippo  genannten  Ruinen,  dieses 
südlicher,  nahe  der  Mündung  des  Abisso  wiederfindet.  D.  372  schildert  die  von  Fazell 
nur  als  Kastell  betrachteten  Ruinen  als  Stadt  Helorus.  17  *£Aa»^eyiy  b6og  Thuk.  VI,  70 ; 
VU,  80. 

S.  70.  Mojvxa.  Oic.  Verr.  III,  43.  51  Mutycenses.  PI.  III,  91  Sil.  XIV,  268,  wo 
der  cod.  Oolon.  Mytice  hat.  Ptol.  M6tov»itj  von  den  neuesten  Herausgebern  in  —  i/xa  ver- 
wandelt. Vgl.  Faz.  260.  Oluv.  140.  41,  der  bei  Diod.  XVI,  9  statt  Muötvaiovg  Moroxaiovg 
vermuthet ;  was  Mann.  342,  ohne  Oluver  zu  nennen  annimmt.  Oluv.  schlägt  übrigens  auch 
vor,  das  Wort  wegzulassen,  was  Dind.  jetzt  thut. 

S.  70.  Hybla  Heraia  S.  o.  Hybla.  Nach  It.  Ant.  (Hyble)  lag  es  zwischen  Akrae 
und  Oalvisiana.  Weil  nun  Oluver  Akrai  an  der  Ostküste  suchte,  so  setzte  er  (434)  Hybla 
nach  Ragusa ;  Reichard,  Parthey  u.  A.,  die  Akrai  richtiger  bei  Palazzolo  ansetze^,  ver- 
legen Hybla  passend  in  die  Gegend  von  Ohiaramonte.  Der  Ort  Refugium  Hereum  It.  Ant. 
muss  Hybla  Heraea  als  Küstenort  entsprochen  haben.  Auf  Parthe/s  Karte  stimmt  das 
nicht,  aber  ebendas.  ist  Refugium  OhaUs  der  Küstenort  von  Oalvisiana,  und  Plaga 
Oalvisiana,  welches  der  Küstenort  von  Oalvisiana  sein  sollte,  liegt  8  m.  p.  östlicher. 
Es  ist  klar,  dass  Plaga  Oalvisiana  sowohl  wie  Piaga  Hereum  um  so  viel  westlicher  zu 
rücken  sind,  dass  sie  Oalvisiana  und  Hybla  entsprechen.  Oic.  ad  Att.  II,  1,  5  wird  jetzt 
nach  Hdschr.  gelesen:  quum  in  Sicilia,  Herae,  aedilitatem  se  petere  dictitasset.  Vgl. 
jedoch  Mentzner  in  NJahrb.  1867  10.  S.705.  6,  wonach  diese  Lesart  von  Ev.  Otto  als 
falsch  nachgewiesen  worden;  Oonjecturen  (wie  fere  für  Herae)  noch  nicht  zwingend. 

S.  70.  AfaxraiQiov  St.B.  h.  v.  nokig,  4*(k.  nquitip'  riv  htnas  Movtuv  (and.  fAovriv). 
Im  ersten  Buche  des  Philistos  vorkommend,  möchte  es  zu  den  Städten  der  Ureinwohner 
zählen.  Herod.  VII,  153:  ig  Maxt^^top  noktv  rr^y  vnlf}  F^ktig  oixtifiävTiv.  Nach  M. 
Aretius  wäre  es  Mazarino  (Namenähnlichkeit) ;  nach  Oluv.  449  Butera,  8  Mill.  von  Terra- 
nova.  Noch  näher  bei  €tola  6  M.  von  Terranova,  auf  dem  Wege  nach  Niscemi,  steht  auf 
einem  konischen  Hügel  das  Schloss  Oastelluzzo  »at  the  head  of  the  long  piain  of  Terra- 
nova«. D.  373. 

S.  70.  BlSog  St.B.  h.  v.  (pQovQiov  iv  Stxikiq.  ev^tcct  ^k  xuX  6ia  Sup^oyyov  xai  diä 
Tou  1.  iati  xal  ^re^ov  iy  TJ  TaugofiiViTiov  BiJiog  ip^vqiov.  —  Zvog.  Oic.  Verr.  II,  22  : 
Bidis  oppidum  est,  tenue  sane,  non  longe  a  Syracusis.  PI.  III,  91  Bidini.   Ol.  443,  gegen 


366  Anbang  II.  Belege  und  ErlXntenuigeii. 

ibn  BoDADDi  158.  5!).    Ueber  das  TauromeniUiÜBobe  Cl-  3SU,  der  tat  Haacali  denkt. 

Schubring  denkt  au  das  Casteli  toq  Caltabiana. 

8.  70.  ~lx«vtt.  'Iva.   St.B,   bat  7^b*<i   ^oUviov  z^t   £wllai ,    J«   lö   rp   nütoC 

aiäati  nokXä  n^ci.mafijaai  rouj  ZvQuxovaCovs.  ixavin  Ji  ta  tni9ufitiv,  —  iroq.  Piin. 

'"  "'  ''^'-teiises :  and.  Lesart  Ipanenses.  was  von  Hippaoa  abinleiten  wKre.  Clnv.  44(1 
«  als  ideDtisch  mit  7ro  bei  Ptol.  das  dieser  zwischen  Motyka  and  Pachynoa 
ült  die  Ruinen  am  Bafen  Vindicari,  in  denen  Fae.  Imacbara  sah,  füv  Icfaanft 
Jebrigens  scheint  Ptol.  Ins  westlicb  vom  Flusse  von  Hodioa  lo  setsen.  ina 
ei  Cic.  Verr.  111,  43,  wo  Inensibus,  Conj.  Oaratoni's  statt  Hennensibos,  was 
paast,  und  Menaibus,  von  Zumpt  aufgenonunen  ist.  Uouel  III,  126  hält 
i  Spaccafumo  fUr  Ichana  und  de  S.  J,  251  folgt  ihm. 

ftiTga.  Diod.  XXIII,  18  /Tfipi™,  Picl,  nrtpn.  Cio.  Verr.  UI,3fl.  PI.  III, 
Sol.  V,  22  Petrensea.  Sil.  XIV,  248  Petiaea.  It  Ant.  bat  e«  48  Hill,  von 
Fnz.  24U.  Cl-  454.  55,  nach  Fm.  Iä5,  wo  Petn  Heliae  In  einer  Urkunde  Graf 
1  J.  IU93  vorkommt.  Daselbst  auch  Pira,  erinoemd  an  das  Pirlnades  It.Ant. 
Jyyoor,  Dlod.  IV,  79.  8U.  Diod.  XVI,  72.  Pint.  Marc.  20  {'Byriicv]  Ptol: 
w  (Hein. ;  die  Hdschr  'Eryviay)  nölit  ^ixiUar  —  uims.  Cic.  Verr.  III,  i'J 
lüna ;  IV,  44  Enguini.  Fl.  Ul,  »1.  SU.  XIV,  24»  lapidosi  Kngron  arvi,  - 
i :  es  habe  nach  Einigen  an  dar  Hilndnng  des  S.  Leonardo  gelegen,  212—44, 
bt,  es  könne  im  Innern  gelegen  bAben ;  240  :  Einige  setzten  es  irriger  Welse 
e  des  Klosters  des  heil.  Benedict,  nach  Alt-Oangl ;  endlioh  136,  wo  er  die 
rhslb  der  Kloetermauem  erwShnt.  C luv.  451— 54.  St.B.  "ff^'w»' noiic  ^ijt»- 
(  it  ouiiui  Jiä  ra  ^f  äyuiaf  tx^iv,  ist  Wohl  nur  eine  Verdrehung  des  Namens 
Wegen  der  Oemeinschaft  mit  Apollonia  (Diod.  XVI,  72)  wird  es  in  dessen 
iben  sein ;  aber  ApoUonia's  Lage  Ist  selbst  unucher. 

lläQWTtos.  Pol.  1.24.  PI.  m,»l.  92  c<ntra  Paropinoa  Ustioa.  Clnv,  473 
agabe  bei  Faz.  240,  wo  Ruinen  westlich  von  Collesano  erwähnt  werden.  Vgl. 
3b  Cl.  bei  Ptol.  statt  ßRi/ufot  in  lesen  nä^amot. 

Kttpalolitov  Diod.  XIV,  56  [iffioiiQtnr),  7H.  XX,  56.  XXIU,  18  (Hoescb.) 
'nv.  Str.  VI, 2,1.  Cie.  Verr. U,  52.  X« <r«.to«r/{ Ptol.  Plin.111,90.  Str.VI,2,5 
otauf)  Sil.  XIV,  252  hat  Oepbaloedias  ora.  —  iUuins  Cic.  Verr.  11,52.  111,43. 
24—2(1.  Cl.  353.  54.  Sm.  95.  D.  160—66.  Ueber  K.  handelt  V.  Anria,  Dell 
alA.  Pal.  165«.  4.  Lat  in  Oraev.  Th.  XIV. 

Mvxtlaiea-nr.  'A/t^aj^atct-  Jenes  Pol.  I,  24.  Bei  Diod-  XXIU,  9 
utFT^iav, beiZonarasbeiderBolbenOolegenbeitiHobi^aT(»ita.  St.B.  hat  Afuif- 
ivQiov  £i».  'I'tUaro!  äixaif.  —  irof  und  lUvriaz^jof  nai/^iov  m^i  Kaitjci' 
jftios  tit/uTif,  ein  Beweis  wie  dUchlig  St.B.  las.  PI.  III.  91  Hytistratini.  — 
[  St.B.  h.  T,  nöhf  ^'intUai.  'Ano)J.ödai{toi  tu.  xf""-  ~^  ■■'"<-  ^'"^-  Verr.  III, 
eetratini.  Sil.  XIV.  2ü7  Amastra.  Vgl.  Fas.  241  Clav.  473-75.  Von  der 
tdeutung  beider  Wörter  s,  d.  nächste  Kap.  Fllr  die  Idenlitiit  beider  Namen 
h,  dosa  nilrdlich  von  Hlstretta  iwortiber  b.  D.  208)  S.  Stefano  di  Camaatra 
maatra)  oder  di  Miatretta,  liegt.  —  Vgl.  auch  Lykoe  fr.  S-  -~  Hflnzen  wa  von 

tjItlXiayla.  Diod.  XV1,72,  wo  auch  q  jäv'Attolkmyiajäy  a6i.,(.  XX,  56-Wf/r. 
.  rrXijalov  'AlevUvioi'  xo)  x^t  Kal^t  'AxT^i  (jenes  ülnv.  für  das  bandsohr. 
Cic.  Verr.  III,  43  —  ooieusem  civitatem.  Faz.  75  sucht  es  nahe  dem  Synae- 
D  der  falschen  Lesart  bei  St.B.  Cl.  4'ä.  76  sucht  es  circa  Furiannm  amnem. 
tring'B  Bericht  (Berl.  Akad.  Nov.  1866)  S.  Fratello,  worüber  D.  270.  D.  267 
ib  Pollina  [NamenShnliohkeit) ,  ebenso  Pauly  KE  1,2,  1905. 
'AXöfiter.  DH.  I.  Sl.  Ptol.  Cic.  Verr.  IV,  23:  cuin  Uolnntiam  venieset 
oriosHs  et  diligens ,  ipse  in  oppidum  accedere  uoluit,  qnod  erat  difficili  ad- 


Zu  Baeh  I,  Kap.  4,  Seite  70—72.  357 

scensn  atque  ardao.  III,  43  Halantina  (civ.) .  PI.  III,  90.  Faz.  228. 29  und  nach  ihm  Gl.  362. 
63  setzen  es  zwischen  Acqoadoice  und  S.  Filadelfo,  welches  identisch  ist  mit  S.  FrateUo. 
Der  Stein  Ol  5608  ist  in  S.  Marco  gefunden  worden ;  er  trägt  den  Namen  der  Haluntiner. 
Ueber  die  Lage  von  S.  Harco  D.  270.  71. 

S.  71.  ^Ayad-v^vitv  Diod.  V,  8,  wo  auch  trig  vvv  Q^^ofAa^fiitniig  ^^yad-vgviuJog 
;ir«V«f  Steht.  Str.  VI,  2,1.  St.B.  Hya^vQva  (Hdschr.  -vQoa)  nolig  ^txtkkcg  mg  llolvßiog 
fyartf.  -^aiog.  Ptol.  '^ya&vQioi',  PL  UI,  90  Agathymum.  Liv.  XXVI,  40.  XXVII,  12 
Agathyma,  ae.  Sil.  XIV.  207  Agathyma  und  259  Agatfayma  manus,  wofür  aber  wohl 
Agyrinaoder  Abacaenam.  zu  lesen  iBt(N.  Heinsius)  It.  Ant.  und  Tab.  Peut.  Agatinno(Abl.}. 
Vgl.  Faz.  230.  31,  nach  dem  es  am  C.  Orlando  bei  S.  Martino  liegt.  Ol.  363>-66  und  D. 
271  setzen  es  nach  S.  Marco ;  Mann,  nnd  Parthey  nach  S.  Agata.  Dies  ist  nach  Scliu- 
bring's  Berieht  (Berl.  Akad.Nov.  1866)  ein  anderes "^Aa  10«,  nicht  das  nach  Diod.  XIV, 
16  von  Archonides  gegründete ;    Diod.  1.  1.  sagt:  ova^v  cfi  %al  aikiov  nokßtiv  xata  rifv 

S.  72.  *uißaxaivov.  Diod.  XIV,  78  Trjg  ' Aßaxaivtvrig  /oi(>«f.  XIV,  90.  XIX,  65 
tig'Aßaxaivov.  XIX,  110.  XXII,  13  (Hoeech.).  Bei  App.  BC  V,  117  will  Cluv.  statt  //«- 
lutatuvav  yrjfv  lesen  * Aßaxatviviay  y^y,  und  Maunert  427,  der  Oluver  zu  citiren  vergisst, 
meint,  die  Landschaft  von  Abak.  habe  TlaXataTtjvtSv  x'7  ^^oissen.    St.B.  ^Aßaxatfov 

TTolig  ZixiUag JStxtXMv  Bk  fiot^  jtg  httv»  —  ivog.  Ptol.  'Aßaxaiva.     Ueber  die 

Ruinen  bei  Tripi  Faz.  232.  33,  der  keinen  Namen  daflir  weiss ;  für  Abac.  erklärt  von 
Bonfigli,  citirt  von  Ol.  477.  Nach  St.  B.  erklärt  Herodian  Abak.  für  noliv  KftQix^v, 
wofür  Meineke  in  Hermes  III,  1,.S.  162  'YxaQtxi^y  lesen  will,  eine  mir  nicht  verständliche 
Emendation. 

S.  72.  Tiaaa.  Ptol.  St.B.  Tioaai x^^e^'w  Ztx.  *PiXiatog  harp,  -atog,  Oic.  Verr. 
III,  38  Tissenses  (perparva  et  tenuis  civitas)  daher  Sil.  XIV,  267  parvo  nomine  Tisse. 
PI.  III,  91  Tissinenses.  Ol.  380.  81  nach  D.  M.  Niger  49  Bandazzo,  wo  jedoch  Faz.  237 
von  keinen  antiken  Buinen  weiss. 

S.  72.  "Ewa.  Aeiteste  Münzen  HENNAION  Mionn.  1,206.  Str.  VI,2,6  xc^^^fi^r  fnl 
iofffff,  TtiQieiiijfAfAiyfiv  Ttiäreaty  o^nsÖioig  aQoaifMtg  Tiäatv.  Diod.  V,  3,  wo  indess  eine 
Umstellung  vorzunehmen  sein  dürfte ;  indem  man  nach  iv  roTg  Xstfiäat  xata  rift'  "Ewur  so 
wird  lesen  müssen :  iati  dk  6  lonog  ovjog  (Enna  selbst)  ävä§0-iv  fihv  ofiuXog  xal  nttyrtltog 
fijvJQog,  xuxXip  iTvifniXhg  xal  navtaxö^-^v  xQffuvolg  anotQfiog.  doxii  iT  iv  fiäatp  xiCad^ai  r^g 
oltjg  v^0ov,  <ffo  xal  £ixeXiag  6fi(f>aXog  vno  tivtov  ngogayo^ivtrai  (Henna  selbst,  nicht  der 
Xtifitir  nach  gewühnlicfaer  Lesart),  fyei  Sk  xal  nXjiotav  aXari  xal  Xnfjuovag  xal  ntql  ravra 
tXff  xal  anriXaiov  evfifyi^tg,  ^x^^  X^^f^^  xatdyuov ,  TtQog  rifv  aqxtov  vevevxog ,  öi  ov 
fjivi^Xoyovai  rov  IlXovffova  fUSi^  aQ/Aurog  IntX&wja  noi^aaa&ai  Tffy  agnay^v  r^^  KoQtjg. 
tan  Jk  0  nQottQjifsiyog  X^ifxnv  (derjenige  von  den  oben  genannten  Xii/moveg,  wo  Koqi] 
geraubt  wurde)  nXrfoiov  fikv  rrjg  noXing,  ioig  dk  xal  totg  aXXoig  av^eai  navro^anoTg 
ivitQinifg  xal  ^iag  a^wg.  ^td  6k  tif»  anh  rtür  <pvofiivatp  av&mv  tviüdiav  Xfyirai  rot»; 
xwTfyeZv  titß&orag  xvvag  fAf\  övyao^ai  ottßtvHv^  Ifino^i^^ofiiyovg  xi^  ifvaixtfv  aXaS^aiy.  ra 
61  la  xal  tüv  aXXtüv  av^imv  %ä  naq^x^fitva  etc.  J}\eYforiQävw(h€vfikvofial6get(i.  müssen 
nothwendig  auf  die  Stadt  gehen ;  bei  dem  jetzigen  Texte  Dlodor's  gehen  sie  aber  auf 
den  XeifK^y,  der  doch  ausserhalb  der  Stadt  gedacht  werden  muss ,  schon  der  dort  be- 
triebenen Jagd  wegen.  Oic.  Verr.  IV,  48  spricht  von  Henna  ganz  ähnlich,  so  dass  man 
glauben  künnte,  seine  Schilderung  habe  Diodor  zu  Grunde  gelegen ;  nur  setzt  er  die  luci 
und  flores  richtig  ausserhalb  der  steilen  Höhe.  Oluv.  398  tadelt  Beide,  Oioero  mit  Unrecht, 
denn  eine  aequata  agri  planities  und  aquae  perennes  können  allerdings  oben  in  Henna 
selbst  angenommen  werden ;  was  er  an  Diodor  tadelt,  dass  nämlich  das  pratum,  wo  Köre 
geraubjt  wnrde,  nach  ihm  in  Enna  selbst  sei,  wird  durch  obige  Umstellung  beseitigt. 
Amicc^  s.  V.  Pergusa  nimmt  allerdings  an,  dass  der  Raub  an  der  Stätte  von  Enna  selbst 
fitattf^iid.  —  Die  Kömer  schrieben  Henna.  —  Liv.  XXIV,  37-^39 ,  wo  die  Burg  die 


\ 


368  Anhangs  II.  Belegd  und  Erläuterungen. 

übrige  Stadt  überragt.  Vgl.  Bubs.  214.  Diod.  XIV,  78  ist  Enna  eine  sikelische  Stadt. 
Faz.  253 — 56.  Gluv.  389—99.  ~  Der  Name  Castrogiovanni  aus  Castrum  Ennae  entstan- 
den, wie  die  Sicilianer  Jaci  für  Aci  sagen  (Amari  St.  d.  M.  I,  280.  II,  85).  D.  221>'25. 
Bnss.  215. 

S.  73.  TQtvaxia.  Diod.  XII,  29;  PI.  III,  91  Triracienses oder  Tiracienses.  St.  B. 
TuQoxiyui  noXis  Sijitiliug  ^  fAittga  fjth',  ^v9a((jnav  cT  ofimg.  -ivalog,  ^ivata,  TvQoxifp  <f^ 
auTfiy  'AU^avdQoq  Iv  EvQu'mr^  xaXtt.  Mein,  dazu :  qnos  Diodorus  Ti^axCovg  appell»t ; 
er  hätte  hinzufügen  sollen  ex  Cluverii  (480)  conjectura.  Bei  Cic.  Verr.  III,  56  kommt  als 
n.  pr.  Tiracinus  vor.  Man  denkt  auch  an  den  Sumpf  Tyraca  bei  S3rracu8  (Vibioa). 
Nach  d'Orv.  160  ff.  CittadeUa  bei  Aidone. 

S.  73.  Sikeler  in  Zankle  Thuk.  VI,  4,  in  Naxos  und  Tauromenion  Diod.  XIV,  88  ; 
in  Megara  Thuk.  VI,  4 ;  in  Leontini  VI,  3 ;  in  Syrakus  VI,  3 ;  für  eine  sikelische  Stadt 
hält  Schubring,  Umwand,  n.  s.  w.  444  auch  ^Alaßmvy  das  bei  St.B.  als  nokiq  [^aecJl/«^] 
vorkommt  und  am  gleichnamigen  Flusse  lag ,  nach  Schubr.  südlich  vom  S.  Gusmano. 
Ders.  448  über  Augusta. 

S.  74.  Gegenwärtig  zählt  die  Provinz  Caltanisetta  nur  57  Einw.  auf  1  DKilom., 
dann  kommt  schon  Noto  mit  70 ;  die  übrigen  haben  alle  mehr. 

S.  74.  Ueber  die  Gründung  von  Lokri  Polyb.  XII,  5  ff.  Es  soU  übrigens  keines- 
wegs die  Sage  von  der  Art  des  Betruges  der  Sikeler  für  historisch  ausgegeben  werden. 
Die  Knoblauchköpfe  werden  in  religiösen  Riten  MenschenkOpfe  vertreten  haben.  Vgl. 
Schwegler,  R  G  I,  2,  249  nebst  Macr.  I,  7,  35.  -~  Leontini  von  Griechen  und  Sikelem 
gemeinschaftlich  bewohnt  nach  Polyaen.  V,  5. 

S.  74.  Von  Italos,  König  der  Oenotrer  Ar.  Pol.  VII,  9,  2.  Toviov  Stj  Uyovai  tbr 
*fTalov  vufiadag  touc  OivwTQovg  ovrag  not^aai  yeta^ovg ,  xctl  voftovg  allovg  te  avroti 
i^iad-ai  xal  rä  avaaltia  xaraat^aai  n^mrov,  dio  xttl  vvv  in  tiov  an  ixilvov  tivkg  xQ^^^^ 
ToTg  auaaitioig  xal  xüv  v6fi(oy  iviotg.  Vgl.  Diod.  V,  9  wegen  Lipara.  Italos  König  der 
Sikeler  nach  Thuk. VI,  2.  —  Duodedmalsystem  auch  im  Landmass  bei  den  Latinem,  mit 
entsprechender  Eintheilung  in  as  u.  s.  w.,  offenbar  wie  das  Münzwesen  von  den  Sikelem 
entlehnt,  wie  nachzuweisen  sucht  Rubino,  Beitr.  z.  Vorgescfa.  Ital.  S.9— 16. 

S.  75.  Ueber  die  Paliken  ist  besonders  zu  vergleichen :  G.Michaelis,  Die  Pauken. 
Dresd.  1856.  8.  (Progr.  des  Blochm.  Inst.)  —  Die  HauptsteUe  ist  bei  Macrob.  V,  19, 
ohne  den  wir  wenig  von  den  P.  wüssten,  und  der  die  Verse  Vergil's  (Aen.  IX,  584.  85) 
Symaethia  circum  flumina,  pinguis  ubi  et  placabilis  ara  Palici  erläutert.  Macr.  citirt  als 
Quellen:  Aeschylus  (vir  utique  Siculus)  in  den  Aetnäerinnen ,  Kallias  VII,  Polemon, 
Xenagoras  III :  femer  Diod.  XI,  89.  St.B.  s.  v  liahxri,  wo  citirt  werden  Theophilos  XI 
und  Silenos  II.  Serv.  Aen.  IX,  584  (Varro).  Ar.  Mir.  58.  Str.  VI,  2,  9  u.  A.  Vgl.  auch 
Cluv.  422—26.  —  Ueber  den  Mythos  Macrob.  1.  1.  Serv.  l.  1.,  femer  Clem.  AI.  Homil. 
V,  13 :  *E(wa£ov  vvfttff^  ytrofievog  yvi^f  (sc.  näherte  sich  Zeus),  ii  r;c  ol  h  ZtxiXUf  naXai 
aofpoi  (1.  JlttXtxol)  und  Recogn.  X,  22 :  Thaliam  Aetnam  nympham  mutatus  in  vulturem, 
ex  qua  nascuntur  apud  Siciliam  Palisci.  Serv.  bezeichnet  diesen  Geier  als  aquila.  Ferner 
Hesych.  s.  v.  HaXixoi.  ^Adqavt^  dvo  yivvoivtat  vlol  IlaXixol.  —  Ueber  die  Localität 
ausser  den  angeführten  Stellen  Hippys  (Hdschr.  Hippon)  von  Rhegion  (fr.  5;  bei  Ant. 
Mir.  121  :  tfig  2!txeUaQ  iv  IluXtxoig  otxo^ofifjd'jjrtici  ronov,  €ig  ov  ogiig  av  «/f^üvAp,  (w  fAtr 
xaraxXti^ilfi  unod-vriaxetVf  d  <fi  niQuiaToirif  ovJiv  nuaxfn*.  Die  XQiivri  wird  d^eixXivOs 
genannt  von  Ar.  Mir.  51  d.  h.  10  Tischlager  lang ;  oder  sollte  mit  Müller  11,  84  anzu- 
nehmen sein,  dass  das  Gebäude  diese  Länge  hatte?  Isigonos  (fr.  7  M)  bei  Sotion  in 
Westerm.  Parad.  p.  184  spricht  wie  Silenos  von  der  xQt/rfj  iv  llaXtxoig  die  das  Wasser  dg 
vi^og  Ttrixitov  ^  werfe.  Die  JtuXXoi  sind  nur  bei  Kallias  (fr.  1  M)  erwähnt,  woraus  Ma- 
crobius  seine  Delli  hat.  Von  C^m  leitet  sie  her  Mich.  22. 23,  der  S.  24  die  Deutung DuelliBrun. 
d.  P.  (?)  zuschreibt.  Für  Jenes  würde  das  sicilische  6oyxXr\  für  ^ieyxXri  sprechen.  KaPi.  sagt 
von  ihnen :  ovg  aöeXfpovg  rm'  UaXixtüv  ol  £txiXi»i€ti  vofiCCovoi.  Ich  glaube  mit  Preller  (cit. 


Za  JBuch  I,  Kap.  4,  Seite  73-~77.  369 

ron  Mich.  21),  dasA  dies  nur  ein  Missyerständniss  einer  älteren,  später  von  Polemon  in 
folgender  Weise  gemachten  Angabe  ist :  vnaQxo^ff'  ^^  xovttav  (sc.  der  Paliken)  —aitXtfol 
xQarii^sg  ;ifa/uce/jri7Ao( ,  wo  dichterisch  die  zwei  Krater  zwei  Brüder  genannt  sind.    Vor 
tti.  steht  noch  ein  unverständliches,  verschieden   emendirtes  Wort.   Vgl.  M.  20.  21. 
Auch  Lykos    (fr.  12  M)  bei  Ant.  Mir.  175  scheint  auf  diese  Krater  zu  gehen.   — 
Beschreibung  der  Gegend  des  Sees  Naftia :  Dolomieu  bei  St.  Non  X,  123—29. 
De  S.  I,  267—69,  wo  auch  der  Name  Donna  Fetia  angegeben  wird.    D.  375.  76,  der 
mit  seinen  Worten  (376)  »Man  himself  cannot  stand  near  it  without  suffering  from  head- 
ache«  Mich.  9 :  »Selbst  Polemon's  Kopfschmerz  ist  nicht  mehr  zu  befahren«  widerspricht. 
—  Gins.  Allegranza,  Opusc.  emditi.  Cremen.  1781.  S.203  ff.  undBiscari,  Viaggio  etc. 
S.  63  ff.  glaubten  irriger  Weise,  dass  der  Palikensee  in  den  Salsen  bei  Paternö  zu  suchen 
sei,  wo  noch  1S66  Eruptionen  Statt  &nden.  Vgl.  Mich.  12,  13,  der  jedoch  S.  12  auf  die 
Erwähnung  von  Menai  bei  den  Paliken  durch  Diod.  XI,  88  sich  nicht  stützen  durfte,  da, 
wie  oben  gezeigt,  Menai  dort  nicht  genannt  ist.    £her  kann  man  Kallias  citiren,  der 
Eryke  als  nahe  bezeichnet,  auch  Vibius,  der  unter  fontes  hat :  Menais  Leontinorum,  per 
qnem  cives  ejus  loci  timent  jurare,  offenbar  Beziehung  auf  den  Palikenkrater.  —  U  eb  e  r 
die  Heiligkeit  des  tifisvos  Diod.  XI,  89.    lieber  die  Eide  Diod.  Polem.  Spätere 
MUdening  der  Strafe  wird  vermuthet  von  Mich.  27.    Bei  Verg.  1.  1.  hat  placabilis  ara 
Palici  Bedenken  erregt.  Man  beruft  sich  auf  Sil.  XFV,  219.  20:  etqui  praesenti  domi- 
tant  perjura  Palici  Pectora  supplicio,  um  bei  Vergil  für  et  placabilis  zu  schreiben  im- 
phu»biÜ8,  wie  einige  Handschr.  haben.  Vgl.  Mich.  28,  der  nur  Unrecht  hat,  Cluver  die 
Lesart   impl.  zuzuschreiben  (vgl.  Gl.  421).     Der   Parallelismus  mit   Verg.  VII,  763: 
pinguis  ubi  et  placabilis  ara  Dianae ,  scheint  mir,  abweichend  von  Mich.  28,  für  placa- 
bilis zu  sprechen.  ^  Mit  einigem  Rechte  ist  Sol.  IV,  6,  wo  von  Quellen  die  Rede  ist,  qui 
oculis  medentur  et  coarguendis  valent  furibus,  seit  Salmasius  auf  die  Palikenquelle  be- 
zogen. Aehnl.  Prise.  467—69  und  Isid.  Gr.  XIV,  6.  Vgl.  Mich.  30.  31,  der  die  Münzen 
von  Menai  mit  dem  Heilgott  auf  diesen  Palikenkult  bezieht.  —  lieber  die  Bedeutung 
der  Paliken  muss  Mich.  34— 54  nachgelesen  werden;  sowie  ders.  61 — 67  über  ihren 
Namen,  dessen  alte  Erklärung  die  Aeschyleische  ist :  ndXiv  yag  txova  fx  axorov  rocT  h 
(f^aog.  Michaelis  bringt  ihn  mit  palleo,  pallor,  zusammen  und  denkt  an  die  weisse  Farbe, 
wie  sie  mehrfach  im  Alterthum  schwefelhaltigen  Gewässern  beigelegt  wird.  Fr.  Creuzer, 
Symb.  in  (3)  815  ff.  betrachtet  die  Palikenquellen  als  die  Repräsentanten  der  inter- 
mittirenden  Natur  der  ätnäischen  Grewässer.  Vgl.  Mich.  58— -61.  Welcher,  Les  Paliques 
Siciliens.   Annales  1830  S.  245  ff.  erklärt,  auf  ein  Vasenbild  gestützt,  das  er  auf  die 
Paliken  deutet ,  welche  auf  den  Kopf  ihrer  Mutter  Thalia  hämmern,  die  P.  als  die 
heroischen  Vertreter  des  Schmiedehandwerks,  ähnlich  denKabiren.  Ihm  hat  sichPanofka 
Ann.  1834  S.  396  und  Enc.  von  Ersch  u.  Gr.  III,  10  S.  27  ff.  mit  weiteren  Ausführungen 
völlig  angeschlossen.  Es  ist  sehr  zweifelhaft,  dass  das  Vasenbild  Welcker's  wirklich  die 
Paliken  zum  Gegenstand  hat.  Vgl.  gegen  ihn  undPanofkaWalzinPaul/s  REV,  1080—82, 
der  noch  L.  Coco-Grasso,  Riflessioni  sopra  l'antico  lago  dei  Palici.    Pal.  1843.  citirt.  — 
Nach  E.  Krause,  Die  Paliken,  in  Gaea  1869,  S.  198^204,  sind  die  P.  die  »Personification 
des  Geysirphänomens«. 

S.  77.  Faunus  Vater  des  Akis  Ov.  Met.  XIII,  750. 

S.  77.  Der  Demeterkult  als  aus  Hellas  nach  Sicillen  gekommen,  betrachtet  von 
Müller  Dor.  I,  404  ff.  K.  Fr.  Hermann,  Gottesd.  Alt.  §68,  13.  Die  Herleitung  von  Megara 
hat  Müll.  Dor.  1,406.  Der  Thesmophorische  Demeterkult  pelasgisch  nach  Herod.  II,  171. 
Für  einheimisch  in  Italien  hält  den  Demeterkult  Henzen,  Annal.  1848  S.  393.  —  Bei  Pol. 
Xn,  5  werden  die  Lokrer,  die  nach  Liv.  XXIX,  18  die  Proserpina  eifrig  verehren,  dar- 
gestellt, als  ob  ihnen  ftm^kv  ndtgtov  vnagxu  (aus  ihrer  hellenischen  Heimat) ;  Über  Hip- 
ponion  Str.  VI,  1,5.—  Münzen  von  Abakainon  bei  Mionnet  und  Leake.  —  Wenn  die 
Römer  den  j&ult  der  Demeter  als  einen  wesentlich  griechischen  betrachtet  haben,  so 

Holm,  Gesell.  Sieiltons.  I.  24 


1 
^ 


370  Anhang  11.  Belege  und  Erl&ateningen. 

beweist  «lies  nur,  dass  er  bei  einigen  italischen  Stämmen  meh^  «arttcktmt ;   genbde  wie 
nicht  alle  Griechen  die  Demeter  besonders  verehrten. 

S.  79.  lieber  die  älteste  Geschichte  der  Sikaner  nnd  Sikeler  Diod.  V.  8.  9. 

Ffinftes  Kapitel. 

S.  79.  Für  dieses  Kapitel  sind  die  Untersnchnngen  von  Movers  massgebend.  Veigl. 
bes.  Mov.  U,  2,  Kap.7,  S.  309 — 62.  Wo  ich  von  seinen  Resultaten  abgewichen  bin,  habe 
ich  die  Abweichungen  zu  begründen  versucht.  Vgl.  femer  Gr.  Ugdulena,  Sulle  monete 
punico-sicule.  Pal.  1857.  4.,  und  P.  Schröter,  Die  Phon.  Sprache.  Halle  1869.  8. 

S.  79.  Ursprung  der  Phönicischen  Kolonien  in  Sicilien  aus  deu  Fahrten  nach 
Iberien.  Diod.  V,  35  :  dioneg  Inl  nolkov^ x^^^^^ ^^  ^P^ivmn  ^to  t%  reccevri;;  ifL7toQ{tcg 
(nach  Iberien)  nolXiiv  Ittßovtig  avitia^p  anotKütg  nokXäs  Anientlttv,  retf  fth  tig  Stxiliav 
%al  rag  avreyyvg  javjtf  vi^Oövg ,  rttg  Sk  €U  tifv  Aißvi^w  xa\  £iit^6vn  xal  rtf»  *fßtiQ£Kv.  — 
Handelsstrasse  an  der  sicilischen  Küste .-  Heliod.  Aeth.  IV,  16.  —  Schwierigkeit  der 
Umschiffung  des  C.  Bon  in  der  Richtung  nach  Westen:  Barth,  das  Becken  des  Mittel- 
meeres. Hamb.  1860.  S.  14.  —  Dass  Motye  von  Dionys  erobert  wurde,  ist  bei  der  bald 
erfolgten  Gründung  von  Lilybaion  natürlidi  kein  Beweis  gegen  die  S.  80  geäusserte 
Ansicht. 

S.  80.  Thuk.  VI,  2 :  ^xow  dk  xol  4>olvac€g  negl  näüwf  (ih  ti^  ^txikidw,  au^ag  rc 
^nXr^B^tXaaaim  aitoiaßovtsg  xal  ra  inuaif^eva  vjjat^ut  ifinogücg  %vix€v  t^c  it^g  tovg^txe- 
loug'  ixeidfi  dk  ol**ßlXijv€g  7n>lXol  xatu  ^aXaaoav  InetginUüp ,  ixhttovjfg  ta  nleü^ 
MoTinpf  xtd  ^olotPTtt  xal  H^pog/nov  iyyvg  täp  *ElvpM>y  ^vpotxCaaVttg  Mfiavto. 

S.  81.  Tamaricio  s.  Palma  It.  Ant.  87.  Ob  damit  identisch  4>&£rti  bei  App. 
BCV,  110? 

S.  81.  Katana  Mov.  TL,  2,  329;  über  ägypt.  Spuren  das.  Bart.  II,  307—9,  sowie 
Mi  I  S.  227 ;  über  Syrakus  Mi  I  S.  311  und  315. 

S.  81.  Ueber  Leontini  Mov. II,  2,  328. 

S.  81.  Ueber  Thapsos  Mov.  II,  2,  329.  Schubring,  Umwand. u.  s.w.  S. 443 leitet, 
wohl  nicht  so  richtig,  den  Namen  von  einer  als  Färbestoff  gesuchten  Pflanze  ^^og  her. 
—  Auch  Taurus  ist  semitisch :  Berg. 

S.  81.  Syrakus.  Ueber  das  Fest  an  der  Kyane  Diod.  IV,  23.  V,  4.  Dositheos 
(Ar.  4  M  IV,  401)  bei  Plnt.  Par.  19.  Ueber  Opfbr  von  Verbrechern  Hermann,  Gott.  Alt. 
§  27.  Vgl.  über  Syrakus  Mov.  ü,  2,  325>~-  28,  der  noch  zwei  andere,  von  mir  nicht  für 
treffend  gehaltene  Beweise  für  das  Vorhandensein  einer  alten  Phönicischen  Kolonie  auf 
Ortygia  beibringt.  Erstens  giebt  es  Münzen  mit  einem  Kopfe  ähnlich  dem  der  syraknsa- 
nischen  und  einer  Inschrift,  die  man  barat  las  und  die  Mov.  als  »Quelle  der  Insel«  deutet. 
Die  Insel  wäre  Ortygia,  wo  nach  Mov.  327  das  Quartier  der  Phönicier  war,  die  nach 
seiner  Meinung  das  Münzrecht  besassen,  das  fremden  Kauf leuteinnungen  in  den  Städten 
des  Alterthums  bisweilen  verstattet  wurde.  Ich  halte  es  zunächst  für  äusserst  unwahr- 
scheinlich ,  dass  die  Syrakusaner  Fremde  in  grosserer  Zahl  auf  Ortygia  wohnen  Hessen, 
das  die  Burg  der  Stadt  war,  und  wo  zur  BOmerzeit  nur  BOmer  wohnen  durften.  Sodann 
ist  aber  die  Lesart  barat  keineswegs  sicher.  Man  vergl.  die  ausführiichste  Arbeit  über 
diesen  Gegenstand  in  der  Numismatique  de  Tancienne  AfHque.  Copenh.  1861.  4.  T.  11. 
p.  122—26.  Hier  werden  die  verschiedenen  über  diese  Münzen  angestellten  Ansichten 
besprochen,  wobei  nur  die  von  Oavedoni  im  Bull.  1838.  S.  158.  59  vertheidigte  fehlt. 
Dieser  meint  nämlich,  die  Münzen  seien  von  den  Karthagern  geprägt  worden,  als  sie  in 
der  Verwirrung  bei  Timoleon's  Ankunft  in  Syrakus  341  v.  Chr.  Herren  eines  Theiles  von 
Syrakus  waren.  Hiergegen  ist  zu  bemerken,  dass,  da  die  Karthager  gerade  Ortygia  nicht 
inne  hatten,  nicht  einzusehen  ist,  wie  sie  dazu  kommen  konnten,  Münzen  schlagen  zu 
lassen,  die  sich  in  Bild  und  Inschrift  auf  die  Quelle  von  Ortygia  bezogen.    Die  V6rf.  der 


Za  Buch  I,  Emp.  ^,  Seite  70—83.  37 1 

Nnmiani.  de  l'ano.  Afr.  kommen  sh  dem  Reeoltate,  dasB  die  Inschrift  Überhaupt  nicht 
bjuat ,  sondern  banst  zu  lesen  sei  nnd  auf  Byrsa,  die  Burg  von  Karthago,  sieh  besiehe, 
dass  die  Münzen  somit  in  Karthago  geschlagen  seien.  A.  Judas  in  der  oben  bei  Heirkte 
citirten  in  Ber.  Numism.  1866.  p. 21—32  geschlossenen  Abhandlung  erklärt,  sich  Müllers 
Lesart  anschliessend :  Über  dem  Orethus ;  die  Mensen  vfiren  darnach  panormitaniscbe, 
und  zwar  aus  Dion's  Zeit,  wie  Judas  annimmt.  Wie  dem  auch  sein  mag,  dass  sie  für 
eine  i^öuioisohe  Kolonie  auf  Ortygia  geprägt  seien ,  ist  nach  dem  Obigen  nicht  mehr 
anEunehmen.  —  Ebensowenig  wird  die  Existenz  einer  solchen  bewiesen  durch  Herod.VII, 
166,  wonach  Hamilkar  fufftgd^ey  ^v^qxoatoi  ist,  Und  Diod.  XIV,  46  (Ol.  95,  3),  wonach 
ovtc  oK/t  tth  KoQxvfioviwip  ^xcvr  iv  tatg  £uQomovQais.  Das  beweist  Ansiedlungen  von 
Karthagern  in  Synkus ,  aber  nicht  uralte  phönieische  Niederlasmingen,  die  sich  bis  in 
die  95.  Olymp,  gehalten  hätten. 

8.  82.  4>o$vtxovtJUfi^  FUA.  -^  Utlx^og  Mov.  II,  2,  324.  25. 

3.  82.  üeber  Kamarina  Mov.  II,  2,  330.  31.  Kam.  in  Babylonien  nach  Bus.  Pr. 
ev.  IX,  17.  MMfiK^  auch  griechisch:  GewOlbe.  —  Mov«rs  fährt  noch  zwei  Kultas- 
beziehungen  auf  Münzen  als  setnitisch  an :  Die  von  einem  Schwan  getragene  Frau,  wo 
aber  das  SesiitisGlie  nieht  naehweisbar  ist,  und  eine  Figur  mit  4  Flttgeln  und  einem 
Doppelkopf;  iOier  die  Münzen  mit  dieser  Figur  werden  jetzt  nach  Raoul^Boohette  (Croix 
ans^  p.  69}  d^m  phönioischen  Marathus  zugeschrieben.  Sodann  hat  man  in  dem  Kopf 
en  face  mit  ausgereckter  Zunge  auf  ^äteren  kamarinäischen  Münzen  eine  Darstellung 
des  Mondgesichtes,  und  somit  eine  Hindeutung  auf  eine  andere  semitische  Bedeutung 
von  Kamikr,  Mond,  gesehen ;  aber  jenes  Bild,  das  Gorgohaupt,  erweist  sich  durch  den 
Severe  der  Minzen,  auf  denen  es  vorkommt,  die  Eule  (Mi  S.  I,  138.  140)  zunächst  als 
Atheaesymbol ,  und  die  Münze  Mi  S.  I,  137  mit  GorgiAaopt,  wo  der  Bevers  eine  Fahne 
nebst  phOnioischer  Inschrift  hat,  dürfte  eher  Molye  angehören,  von  dem  es  auch  Münzen 
mit  Gorgokopf  giebt.  Bei  dem  Flussnamen  "Slavic  denkt  übrigens  Bergk  zu  Find.  Ol. 
y,  1  i  an  den  babylonischen  Gott  Oannes. 

S.  82.  lieber  Makara-Minoa-Herakleia  Heiakl.  Pont.  29.  Femer  St  B.  s.  v. 
'ü^tUiu  und  JM/y^o.  Diod.  lY,  79.  XVI,  9  (Mty^a).  Ob  die  kretischen  i^ofMi.  am  Ende 
nur  die  Syssitien  wären,  dw  nach  Ar.  Pol.  VII,  9,  2  auch  die  Sikeler  hatten?  lieber 
Her.  vgl.  Faz.  157-^0.  Gl.  266—69.  Honel  IV,  60.  Sm.  216.  D.  192,  sowie  Mov.  II,  2, 
116.  318.  331.  Ugdulena  p.  23  ff. 

S.  83.  Ueber  die  Selinuntischen  Bäder  Diod.  IV,  78. 

S.  83.  Ueber  Selinus  Mov.  II,  2,  332.  Sei.  auch  in  Kilikien  den.  S.  174.  —  A. 
Judas  in  der  Bev.  Numism.  1865  8. 391  hält  auch  Akragas  für  phünicischen Urspniags. 
Man  konnte  den  Bergnamen  T6^  (tftr  Berg)  dafür  anfahren. 

S.  S3.  Ueber  Mazara  (nach  Boohart  Grenze)  Mov.  II,  2,  333. 

B.  83.  Ueber  Lilybaion  Mov.U,2,  333.  34.  Diod.XI,86  sind  unter  den  Lilybäem 
noch  Motyäer  au  verstehen,  da  naoh  Diod.  Xill,  54  Lilybaion  damals  noch  luoht 
gegründet  war. 

S.  83.  üf  o  r  vif  St.  B.  h.  V.  TroJUff  ^»xfltof ,  rnnh  MotwtifywttixosfATfrvanmis  *HQaxliiJovs 

nuQ»^aUtTtt9v.  TS  i»ttnot^  Motuamg,  Sonst JMitr«iyM9c.  Paus.  V,  25,  5  verlegt M.  fälschlich 
an  den  Pftohynos.  Ueber  die  Lsge  von  M.  ist  neben  Diod.  XIII,  54  besondere  die  Schil- 
derung der  Behigening  durch  Dionys  DiOd.  XIV,  48  ff.  lehrreich.  —  Faa.  184  sucht  M. 
in  den  Buinen  bei  S^rrocavaUo  an  der  zwischen  der  Isola  deUe  Femmine  und  dem  C 
Gallo  gelegenen  Bucht.  BuonflgU  versetzt  es  auf  diese  Insel  selbst ;  Valguamera  in  die 
Nähe  von  Palermo  überhaupt;  Aretius  nach  Mondello  üstlich  von  C  Gallo  (vgl.  OL  309). 
Cluver  endlioh  hat  die  Isola  S.  Pantaleo  als  das  alte  Motye  nachgewiesen  (312).  M.  lag 
iirC  Tiyoc  rtioev,  tijg  £ik€ÄMcg  änixovaa  Qtndlov^  U,  nach  Diod»  XIV,  48 ;  es  lag  von 
Psnormos  aus  hinter  Eryz,  da  Himilkon,  der  in  Panormos  huidete ,  Iv  na^^  £ryx 

24* 


372  Anbaiig  11.  Belege  und  Erläatenmgeii. 

nahm  und  dann  bei  Motye  ein  Lager  aufschlug,  nach  Diod.  XIY,  55;  es  lag  endlich 
dicht  bei  Lilybaion,  nach  Diod.  XIII,  54,  wo  Hannibal,  der,  um  Selinus  zu  erobern,  auf 
Sicilien  landet,  xaTeaTQanroldevaev  ao^tefitrog  ano  tov  (pQ^arog,  o  xtcr  ixtitfovg  fi^v  tovg 
xaigovg  m^ofidCfro  AiXvßauiv  und  rot;  vavg  h  riß  ne^l  MQXvtfv  xojbrfi  ndcag  Ivetihctiae^ 
und  nach  Diod.  XIV,  50,  wo  Himükon  neQinXiv^ag  ttcqI  tnv  Advßautv  ax^av  afi  ^ftigq 
nuQTjv  Inl  Tfiv  MoTvtfv.    Allen  diesen  Bedingungen  entspricht  nur  die  Isola  S.  Pan- 
taleo ;  über  Mannert's  unglückliche,  mit  unverdientem  Beifall  aufgenommene  Ansetzung 
(Isola  di  Mezzo)  s.  Holm,  Bettr.  S.  28.  —  Ueber  die  Isola  di  S.  Pan taleo  yg^l. 
Houel  I,   16.   17  und  PI.  IX,  wo  ein  Theil  derselben  abgebildet  ist;  Sm.  235.  36; 
die  Abhandlung  des  Herzogs  von  Luynes  in  den  Annal.  1855.  p.  92  —  98,  begründet 
auf  Mittheilungen  des  franz(toischen  Geologen  Gtory ,  der  den  Damm  fand ,  welcher  die 
Insel  mit  dem  Festlande  verband;  D.  178.  79.    Neuerdings  ist  hinzugekommen  J.  Scha- 
bring, Motye  --  Lilybaeum  in  Philologus  XXIV,  1 ,  S.  49  —  82  mit  Karte ;  zugleich  eine 
gründliche  Erläuterung  der  berühmten  Belagerung.    Schubring  erwähnt  zwei  Thors, 
eines  im  Korden,  nach  dem  Damme  führend,  das  andere  im  Süden :  das  Hafenthor;  jenes 
besteht  aus  zwei  mächtigen,  viereckigen  Gebäuden.    Er  erwähnt  femer  einen  Bau  im 
südwestlichen  Theile  der  Stadt ;  einen  Wasseibehälter  an  der  Östlichen  Küste,  worin  die 
Kanäle  mfindeten ,  und  einen  andern  im  Norden.    Die  Nekropolis  mit  steinernen  Sarko- 
phagen befindet  sich  gegen  Norden  auf  dem  Festlande.  —  Die  Vermuthung,  dass  die 
beiden  Inseln  Borrone  und  Longa  eins  waren,  ist  bereits  vom  Herzog  von  Luynes  auf- 
gestellt worden ;  Schubring  S.  56  hat  die  weitere  Vermuthung  hinzugefügt ,  dass  auch 
Borrone  mit  dem  C.  S.  Teodoro  zusammenhing.    Ableitungen  des  Namens :  Boch.  560 
Metuka  protensa ;  de  Luynes :  von  einer  Gottheit  Mot,  und  dies  Wort  von  tye  (?),  Intosua 
fuit ;  Mov.  334  von  einem  Stamme ,  der  spinnen  bedeutet.    Vgl.  auch  Ugdulena  p.  7  £f. , 
*  der  ebenfalls  (nach  Gesenius)  die  Bedeutung  Filatojo  annimmt,  womit  auch  Sehrüder, 
Phon.  Spr.  S.  135,  übereinstimmt.  Also  »Spinnerei«. 

S.  84.  ndvoQfiog,  6,  lat.  Panhormus  (~um  PL  lU,  90,  aber  nur  wegen  oppidum, 
wie  er  auch  flumen  Elorum,  Hirmininm,  Symaethum  sagt)  Panormus.  —  ^ri;c,  — €vg 
St.  B.  —  ita  (Front.  Str.  III,  17,  1  Hdschr.),  — itanus;  die  Gegend  19  navo^fujig  Pol.  I, 
40.  Denselben  Namen  führen  nach  der  Aufzählung  in  Pauly's  R  £  V,  1125  Häfen:  in 
Achaja,  in  Kreta,  auf  Samos,  in  Attika,  in  E^irus  (jetzt  Palerimo),  in  Chalkidike,  im 
thrakischen  Chersones;  der  Hafen  von  Ephesos;  zwei  Häfen  in  Karlen;  ein  Hafen  in 
Marmarika.  Ableitungen  des  Wortes  P.  aus  dem  Semitischen,  in  denen  Felsen  eine  Bolle 
spielen  (Tzschucke  zu  Mela  H,  7,  16)  scheinen  nicht  statthaft.  Selbst  Bochart  hat  hier 
keine  semitische  Etymologie  gewagt ;  er  meint,  die  Stadt  habe  Leptis  d.  h.  a^fiog  ge- 
heissen.  Mov.  II,  2,  335—37  spricht  über  die  Namen  Machanat  und  Machoschbim,  die  er 
als  »Lager  der  Buntwirker«  deutet,  sowie  er  Kart  Ohadasat,  d.  h.  Neustadt,  auf  von  ihm 
für  sicilisch-punisch  gehaltenen  Münzen  als  Bezeichnung  der  Neustadt  von  Panormos 
nimmt.  Man  vgl.  jedoch  hierüber  die  Numismat.  de  l'anc.  Afir.  II,  80.  81,  wo  die  be- 
treffenden Punkte  erwogen  werden,  und  die  Verfasser  zu  dem,  wie  mir  scheint,  begrün- 
deten Schlüsse  kommen ,  dass  Kart  Ghadasat  Karthago ,  Machanat  das  Lager  der  Kar- 
thager bezeichne,  für  dessen  Sold  das  Geld  geprägt  sei  (Judas  in  der  angef.  Abh.  Bev. 
Num.  1866  S.  29,  nimmt  dagegen  Mahanot  als  Namen  Karthago's  und  lässt  die  Münzen 
beim  Angriff  der  Stadt  durch  Agathokles  geprägt  sein);  endlich,  dass  Mechasbim  eine 
Bezeichnung  der  Schatzmeister  des  Heeres  sei.  Zur  Erklärung  des  Namens  Panormos : 
Diod.  XXn,  10  (Hoesch.)  I^x^vaa  {Ildv,)  hfiiwa  xalkustw  taSv  xaret  Zut^Uttv,  dtp  ov  xal 
Ttpf  noUv  au/Mßißrix€  tix^vxivai  tamtig  xiig  nqogfiyoqiag,  Eust.  zu  Od.  XIII,  195  sagt: 
.ndvo^fioi  Xtfji^eg  ot  dy^ißticd'etg,  €ig  ovg  did  tovro  näaa  vavg  xal  iv  navrl  dvi^p  o^filC^tau 
Bei  Diod.  XI,  20  läuft  die  aus  vielen  Hunderten  von  Schiffen  bestehende  Karthagische 
Flotte  tig  tov  iv  ttp  HavoQ/jifp  hfjiiva  ein.  Bei  Faz.  193  ff.  findet  sich  eine  umständliche 
Beschreibung  des  Palermo  des  sechszehnten  Jahrhunderts,  mit  Angabe  der  Theile, 


Zu  Buch  I,  Kap.  A,  Seite.  84—85.  373 

welche  auf  einem  allmühlieh  dem  Wasser  abgerungenen  Grande  stehen.  Von  den  sici- 
lianischen  Gelehrten  sind  PiSne  der  Stadt  Panormos  mit  seiner  Alt-  und  Neustadt 
(erwähnt  von  Pol.  I,  38)  gegeben;  vgl.  Inveges,  Pan.  ant.  Tab.  II,  p.  39  und  Tab.  III, 
p.  106.  Die  mittelalterlichen  Nachrichten  über  die  damalige  Ausdehnung  des  Hafens,  auf 
denen  die  Yermuthungen  über  seine  Ausdehnung  im  Alterthum  beruhen,  sind  nicht  ganz 
richtig  benutzt  worden  von  Salv.  Morso  in  s.  Descrizione  di  Palermo  antioo.  Pal.  1824. 
8.  mit  Tafeln,  wie  bemerkt  ist  von  Amari,  St.  d.  Mus.  11, 298,  n.  1,  welcher  von  S.  296  an 
über  Pal.  nach  der  Schilderung  Ibn  Haukal's  spricht.  Vgl.  dens.  II,  68,  n.  3;  n,  157, 
n.  3 ;  n,  416.  Da  die  irrigen  Annahmen  Morso's  in  andere  Bttcher  übergegangen  sind,  so 
bemerke  ich,  dass,  wenn  Morso  den  südlichen  Hafenarm  bis  zur  Kirche  S.  Michele  Are- 
angelo  ausdehnt ,  dies  auf  der  falschen  Deutung  der  Worte  einer  griechischen  Urkunde 
der  Capella  Palatina  von  Palermo  beruht,  wonach  die  Kirche  S.  Michaels  sich  befinde  iy 
T9  j<Sy  Navnattitriaa^v  fiov^j  was  nicht  wie  M.  meinte,  das  Quartier  der  Schiffsarbeiter 
am  Hafen  bezeichnet ,  sondern  das  Kloster  der  Frauen  von  Lepanto ;  wobei  nicht  einmal 
feststeht ,  ob  sich  die  Urkunde  überhaupt  auf  die  Stadt  Palermo  bezieht.  Nach  Ibn 
Haukal  ging  dieser  Arm  höchstens  bis  in  die  Gegend  der  Martorana.  —  Mit  Fazell's  Be- 
richt kann  man  den  allerdings  sehr  unvollkommenen  Plan  bei  Cluver ,  nach  S.  336 ,  ver- 
gleichen. Vgl.  Cl.  337-— 41.  Sm.  70.  71  nebst  Append.  p.  IV  und  V,  sowie  den  ersten 
Absehnitt  von  D.  Vgl.  auch  Ugdulena  p.  12  ff. 

S.  85.  Zokovs.  St.  B.  h.  v.  noXig  ZixeXiag  (so  Cl.  Hdschr.  Kihxtaig)  ws'Bxajalosiv 
EvQionij.  inXr^^  Sk  ävo ZoXovvjog  xaxoS^vov,  ov  äviTXiv* H^axX^g,  6  noXicrjgSoXovvTiog xal 
^oXowrivog  fiixa  vovv,  xal  JSoXowTivlg  xal  —  Tidg,  xai  —  rlq.  Erwähnt  Thuk.  VI,  2.  Diod. 
XIV,  48. 78.  XX,  69.  XXIH,  1  (Hoesch.)  Cic.  Verr.  H,  42.  HI,  43  (Soluntini) .  Plin.  lU,  90. 
Ptol.  It.  Ant.  Tab.  P.  Vgl.  Faz.  217.  Cl.  343—45.  Mov.  II,  2,  337.  Serrad.  F.  V,  60  ff., 
der  bereits  verOfiisntlicht  hatte  Cenni  sugli  avanzi  dell*  andco  Solunto.  Pal.  1831.  Fol. 
D.  142.  Belaz.  sui  lavori  intrapresi  etc.  p.  4—  10.  —  Ein  Vorgebirge  Soloeis  in  Afrika 
erwähnt  Herod.  U,  32.  Vgl.  Ugdulena  p.  10  ff. ,  der  nach  Münzen,  welche  einerseits  die 
Inschrift  JoiLorrerof ,  andererseits  die  phönicische  Inschrift  Kfra  tragen,  Kafara  (Dorf) 
als  den  phönicischen  Namen  von  Solus  annimmt. 

S.  85.  Ueber  Himera  Mov.  II,  2,  338.  39.  Gr.  Ugdulena  hat  p.  28  ff.  Aja  oder  Ja 
als  den  alten  phOnicischen  Namen  von  Himera  durch  die  Münzen  nachzuweisen  gesucht 
und  A.  Salinas  stimmt  ihm  bei  in  s.  Lettre  i  M.  Ugdulena  sur  deux  piöces  d'argent  por- 
taut  le  nom  Ph^nicien  d'Himöra.  Par.  1864.  Extr.  'de  la  Bev.  Numism.,  wovon  noch  die 
Bede  sein  wird. 

S.  85.  Ueber  Kephaloidion  Mov.  II,  2,  338. 

S.  85.  Movers  rechnet  auch  Alontion  unter  die  Phdnicischen  Orte,  sowohl  wegen 
der  Etymologie,  wofür  er  auf  Bochart  verweist,  der  es  569  als  aluth  d.  h.  celsa  supp.  loca 
erklärt,  als  auch  wegen  des  Vorkommens  in  der  Aeneassage. 

S.  85.  *J[qßiXri  St.  B.  "jiQßtjXa  persischer  Ort.  Vgl.  Mov.  II,  2,  339.  —  "AfAu^al 
St.  B.  s.  V.  "Afia^ri.  Vgl.  Mov.  II,  2,  339.  —  Tabas  Sil.  XIV,  272 .  et  bellare  Tabas  do- 
ciüs.  Vgl.  Mov.  II,  2,  340.  St.  B.  s.  v.  Taßai  nennt  drei  Städte  dieses  Namens,  in  Ly- 
dien,  Karien  und  Peräa,  und  zuletzt  als  Bedeutung  ayafhf^v.  —  Ueber  Anne  sei  Mov. 
II,  2,  340.  Es  kommt  vor  It.  Ant.  64.  Movers  vermuthet  auch  dort  Amesel.  —  Ueber 
Bidis  etc.  Mov.  U,  2,  341.  —  Ueber  Maktorion  Mov.  II,  2,  340.  Im  Text  lies  Maktar 
statt  Muktar.  —  Ueber  Moty  ka  Mov.  II,  2,  340.  Es  ist  wahrscheinlich  gleichbedeutend 
mit  Utika,  d.  h.  deversorium.  —  Ueber  Inykon  Mov.  II,  2,  341  und  333.  —  Ueber 
\4%iqtov  St.  B.  h.  V.  und  Mov.  II,  2,  341.  ~  Cena  im  It.  Ant.  88.  Mov.  II,  2,  341  ver- 
gleicht damit  Kenat,  Ort  in  Manasse.  Num.  32,  42.  ^'Elxi^iov  Ptol.  Mov.  U,  2,  341 
veigl.  Hieron.  Prol.  in  Nah.  III,  p.  1559:  Elcesi  usque  hodie  in  Galilaea  viculus.  Har- 
duin'  (vgl.  d'Orv.  63)  und  Andere  nach  ihm  bringen  es  mit  Echetla  zusammen.  Durch 
Schubring,  Selinus  43,  erfahren  wir,  dass  Helkethion  vom  Canon.  Viviani  zwischen 


374  '  Anhang  II.  Belege  und  ErlSaterangen. 

Mazzara  and  Campobello  nachgewiesen  ist,  wo  ein  Feudo  Eloesio  ewtirt,  mit  antiken 
Ueberresten.  —  Hierher  gehört  noch  *jiaa(aQoe,  vgl.  von  Eoy.  II ,  2,  341  mit  ^^iftt^s 
(LXX),  "AaaovQos  Ptol.  V,  3  im  Gebiete  von  Karthago,  *Aaa^dO^  in  lliaar.  Caes.  und 
Ovaadga  in  Numidien  (Ptol.  V,  4). 

8.86.  Ueber  Amestratos,  Mytistraton,  Kabala  and  Lanariumvgl.  Mov. 
II,  %  342.  Kdßula  steht  bei  Diod.  XV,  15;  ad  iumen  Lanariam  It.  Ant.  88.  —  Ueber 
Solasapro  bei  It.  Ant.  98  ygl.  Hov.  11,  2,  337. 

S.  86.  Ueber  dieElymerThnk.  VI,  2.  Hellan.  (fr.  53)  bei  B  H I,  22.  8tr.  Xm, 
1,  53.  Lyk.  953.  964  and  daza  Tz.  Sery.  za  Aen.  I,  550.  Apollod.  U,  5,  10,  10.  An- 
tioch.  bei  F^as.  X,  11,  3.  Bei  Fans.  V,  25,  6  heissen  sie  ^piV^^  ßtym.  M.  p.  383,  31. 
Skyl.  13  nennt  die  "Blv^oi  neben  den  TgiStCy  ist  also  vielleicht  der  Ansicht  des  Hella- 
nikos.  D  Hai  I,  53  sagt:  ditriUaav^EXvfioi  xaXwfitvoi.  TtgeeX)^  ya^  xard  r^  d^iwatv 
"EXvfiog  ano  tov  ßaaiXixov  yivovg  mv.  Aen.  als  Gründer  von  Segesü^  ausdrücklich  be- 
zeichnet von  Cio.  Verr.  lY,  33,  Verg.  Aen.  V,  755  tf.  and  Festim  p.  340 ;  daher  auch 
auf  späteren  segestanischen  Münzen  das  Bild  des  Aeneaa.  Eryx,  König  der  Elymer 
Apollod.  n,  5,  10,  10.  Vgl.  oben  anter  Akestes  and  Aeneas.  Bei  Fans.  V,  25,  6  woh- 
nen in  Sicilien  Einige  rov  ^mxtxov  yivovs.  Sollte  dies  der  Phokische  Bostandtheil  der 
Elymer  sein?—  Ueber  die  Beihülfe  von  Leaten  Fhi  loktet's  bei  der  Gründai^  von  Seg. 
Apollod.  bei  Str.  VI,  1,  3.  —  Ueber  das  VerhäHniss  des  Herakles  zu  den  Elymem 
Diod.  IV,  23.  —  Vgl.  Mov.  II,  2, 321. 22.  —  Nach  D  H I,  52  hat  Aigestos  n^  ml  yi4wriy«r 
x6h  inixiOQ^w  —  also  der  Sikaner  —  gelernt.  Nach  dems.  53  hat  Aineias  seiner  Mal- 
ter, der  Aphr.  Aivttdf  den  Tempel  iß^fiog)  auf  dem  Eryx  (er  sagt  Elymos)  und  die  zu- 
rückgebliebenen Trqjaner  dem  Ain.  ein  Uqov  in  Aigesta  errichtet.  —  Ueber  die  asia- 
tischen Elymäer  sagt  Str.  XVI,  1,  18:  6  Jla^vaToc  (Mithradates  I)  i^seoucry  t«  U^ 
nlovaia  nag  tc^roig,  ffAßdlXei  pt^ra  dvt*dj^e9»g  fniydXiig,  xocl  rd  Tf  rijs  *Lä&ip>dg  Uqov  f £l€ 
xa\  to  jiig  'AQtifJu^og  tn  ^ACf^Q«.  Die  Göttin,  deren  Tempel  in  Elymais  Azara 
genannt  wird,  hiess  in  Fersien  Zaretis  (Mov.  I,  22)  und  Aine  fMov.  I,  627) ;  am  Eryx 
wird  sie  von  Lyk.  958  Zti^ivS-U  und  von  D  Hai  1 ,  53  Ahudg  genannt.  —  Von  den  Auflh 
Wanderungen  der  Perser  nach  Westen  Varro  bei  Fl.  HI,  8  und  PI.  V,  46.  —  Bei  Diod. 
XX,  17  und  18  findet  vi^h.* EXv^nag  als  Name  eines  libyschen  Königs.  Bemerkenswertfa 
ist  noch,  wenn  es  sich  um  den  orientalischen  Ursprung  der  Elymer  handelt,  dass  Thuk. 
VI,  2  den  Phokischen  Theil  der  Elymer  zuerst  nach  Libyen  gelangen  lässt.  r-  Von  Kri- 
misos als  Hund  sagt;  Mov.  11,  2,  321,  n.  34 :  »ohne  Zweifel  eine  Combination  d^  Hunde- 
opfer, welche  im  phönicischen  Kulte  üblich  waren  (Just.  XIX,  1 ,  10),  und  wekhe  a^ieh 
Lyk.  958  im  Auge  hat,  wenn  er  die  Göttin  des  Eryx  mit  dem  Namen  der  Göttin  von 
Samothrake  ZriQw^Cu  nennt,  welcher  in  der  Zerinthischen  Grotte  Hundeopfer  darge- 
bracht wurden«.  —  Hund  auf  e.  Münze  von  Selinus  Torr.  LXVI,  5.  —  An  die  asiatischen 
Elymäer  erinnert  bei  den  sicilischen  Elymem ,  wie  ich  erst  nachträglich  bemerkt  habe, 
auch  Natale,  Discorsi  S.  147.  —  Ueber  die  Verbindung  der  Elymer  Siciliens  mit  Li^tium 
vgl.  Rubino ,  Beitr.  z.  Vorgesch.  Italiens  S.  86.  —  Man  könnte ,  anstatt  an  die  inner- 
asiatischen Elymäer,  an  die  lyk  i  sehen  Solymer  denken,  da  ja  Manches. auf  einen  alten 
Zusammenhang  zwischen  Lykien  und  Sicilien  hinweist :  die  I^yklopen ,  die  Galeoten, 
die  Triquetra  (vgl.  Oh.  Fellows,  Ein  Ausflug  nach  Kleinasien  und  Eutdeckuugen  in 
Lykien.  Uebers.  von  Zenker.  Lpz.  8.  417  und  Taf.  32  u.  33),  der  Name  Telmissos,  der 
wie  einem  Flusse  der  Elymer  in  Sicilien,  so  einer  lykischen  Stadt  beigelegt  wird  (über- 
haupt ist  die  Endung  —  aaog  in  Lykien,  Karlen  etc.  häufig).  Aber  da  das  S  deq  Naipons 
der  Solymer  ursprünglich  ist,  so  müsste  schon  angenommen  werden,  daQB  die  Griechen 
es,  wie  bei  Segesta,  weggelassen  hätten.  Vgl.  übrigens  Curtius  G  G I,  353  über  Lykier 
in  Italien.  Merkwürdig  ist  noch,  dass  die  Endung  des  räthselhaften  Segestazibemi  auf 
segestanischen  Münzen  an  die  Endung  eme  auf  lykischen  Münzen  erinnert ,  welche  Stadt 
zu  bedeuten  scheint,  nach  D.  Sharpe  bei  Fellows  S.  432.   Vgl.  denselben  S.  436.  37  i}^ 


'Zu  Bneb  I,  Kap.  &,  S.  86^00.  375 

die  Troer  in  I^ykieii.  Kiepert,  Erläut.  9.  SoholailiM,  S.  34,  aäblt  die  Elymer  2a  den  asia- 
tischen  Tyrrhenem.  —  In  Makedonien  finden  sich  Elimioten,  die  nach  Str,  JS,,  5,  11 
eigentlich  aufi  Epiros  stammen.  —  Grotef.  IV,  4  iiagt  über  die  Herkunft  der  Elymer : 
»Nichtig  hindert  uns,  unter  Alybas  (Hom.  Od.  ZXIV,  304)  die  Elymer  zu  verstehen ,  die 
nicht,  wie  spätere  Griechen  fabelten,  erst  in  des  Odysseus  Zeit  aus  Trqja  wanderten, 
sondern  in  Sicilien  den  Sikanem  von  Unteritalien  aus  vorangingen«.  Ders.  II ,  9 :  »Wir 
mischten  nicht  sehr  irreii,  ^ei|n  wir  die  Elymer  für  einen  der  Ulyrischen  Stämme  hielten, 
die  mit  dQi\  Oenatriem  schon  früh  nach  Italien  Qherset^ten«.  Aehnlich  schon  Baoul- 
fioch.  I,  36S  ff.  —  Die  Eiymischen  Namen  in  Ligurien.  Der  Fluss  Enteila  bei 
PtoL,  die  Stadt  Segesta  Tignlliorum  PI.  III,  48.  It.  Ant.  der  Hafen  Eryx  Ptol.  und 
Amiius  Yiterb.  z^  It.  Mar.  531.  Ygl.  Tafel  XX  des  Atlas  antiquus  vpn  Spruner-Menke. 
Ich  bin  auf  diese  eig^ntbümliche  Wiederholung  elymischer  Ortsnamen  (auch  ein  Portus 
Yeneris  findet  sich  in  Ligurien)  erst  durch  die  Schrift  von  Fraccia,  Egesta  e  i  suoi  mo- 
numenti.  Pal.  1859.  4.  aufmerksam  geworden.  Sollte  es  sich  nicht  auch  hier,  wie  in  La- 
tium,  um  eine  Yerpflanznqg  des  Apl^roditekults  gehandelt  haben? 

S.  90.  Segesta.  ""Ey^axa  Thuk.  YI,  2.  St.  B.  h.  v.  noUg  ^txeXiag,  hf&€i  ^f^fia 
vättja  WS  ^llmvj  «Trp  ^Ey^atov  jov  Tgwog,  —  atog  tat  ^rfXvxaig.  Aiyeftxa  Str.  YI,  1,  3 
und  sonst.  D  Hai  I,  52.  53.  Diodor,  bei  dem  die  Stadt  oft  vorkommt,  sagt  "Eysara, 
Z(Yia%a  i|uf  den  ältesten  MUnzen  der  Stadt,  vgl.  Mi  I ,  S.  281  ff. ,  wo  Ko.  635.  639.  643 
Zay.  haben.  Wenn  festuß  p.  340  sagt  pnieposita  est  ei  S  litera,  ne  obsceno  nomine  ad- 
pellaretur,  so  meint  er  doch  wohl,  dass  es  die  Römer  gethan  hätten.  Bei  4-^1«  Y  H  II,  33 
beissen  die  Einwohner  Aty^airaipi,  Bei  Plin.  III,  91  erscheinen  neben  den  Segestaui 
noch  Acestaei.  Cio.  Yerr.  III,  36  Acestenses  und  lU ,  40  Segestaui.  St.  B.  hat  ^Axiax^ 
noX^Q  ^uuXCag  xttl  ^j^ytora ,  iffiQn  jov  ^dxiarriv»  — mof,  —aCtt,  Hesych.  *AxiOzaloi  oxqi-, 
ZiTuXi^  ox^f4ßTa  und  ox^i  ^«cffTosfo;,  intl  al  £ixtXixa\  iffiiovoi  anovdcuoi'  ifv  ^l 
"Axtarog  ZixiXCag,  Hiemach,  und  besonders  nach  Cicero,  dem  das  meiste  Gewicht  bei- 
zul^gcsii  ;9t,  scheint  es  wirklich,  dass  es  eine  kloine  Stadt  Akeste  in  Sicilien  gab. 
Ygl.  Fax.  177  —  81,  Gluv.  315  —  25,  der  325  den  Gedanken  ausspricht,  auf  dem  Monte 
Barbaro  habe  nur  die  Burg  von  Segesta  gelegen ;  die  Stadt  selbst  habe  sich  weiter  ab- 
wärts nach  den  heissen  Quellen  hingezogen.  Ueber  die  Li^e  der  Stjidt  Ser^a  di  Falco  I ; 
vgl.  auch  dM  oben  bei  den  Elymem  angeführte  Buch  von  Fraccia,  der  jedpch ,  wie  es 
scheint,  die  Monumente  noch  nicht  im  Zusammenhang  behandelt  hat.  Yon  dems.  sind 
seit  1855  (Bicerche  ed  osseryazioni  fattc  in  Segesta.  Pal.  1855)  eine  Reihe  interessanter 
Abhandlungen  tlber  Segesta  erschienen.  D.  149—52.  Ygl.  Ugdulena  p.  37  ff. ,  wonach 
der  phSnicische  Name  der  Stadt  sich  durch  die  phönicische  Inschrift  der  MUpzen^^JZ 
als  Zejez  erwiese,  wovon  Segesta  eine  Umwandlung  wäre.  —  Das  IfinoQiQv  Z*«- 
ytar^vtiv  kpmn^(;  bei  Ptol.  vor. 

S.  OO.^JBp i/|,o  auch 4.  St.  B.  h.  v.  noXts^ixtUas.  ÜQaevixtag,  ano*'Jßgvxas,  jov  ^Aff^o^C- 
Ttjg  xal  BvtQu.  -T^o^,  xal  'Eqvx^vi)  l^tfQoJiTr).  Ael.  YH 1, 15 :  *ßQvxtvo(.  Lat.  Jlryx, -cinus. 
Ueber  die  FormErycus  s.  o.  S.  334.  Erucius  Eigenname  bei  Cic.  Rose.  Am.  13, 38  u.  sonst, 
vgl.  Panly,  B  E  II{,  1564,  wohl  von  Eryx  herzuleiten.  Nach  Pol.  I,  55  liegt  ^n  avtiig 
jf^q  xoQv^^^,  ovatj^  iniT^ä^ov,  das  Heiligthum  dßr  Aphrodite,  ^  ^i  npXtg  vn  avxriv  %iflf 
xpQPifitv  tijw^Tfii,  —  Üeber  ^ryi  vgl.  Faz.  174-76.  Gl.  293  ff.  Houel  I,  14  ff.  p.  159 
—  162.  Ygi-  ftQOh  Ugdulepa  p.  41,  der  versichert,  dass  auf  dßn  ältesten  Münzen  der 
Stadt  sich  die  Inschrift  Jruicaziib  (an  die  Segestanischen  Münzen  erinnernd)  finde.  — 
6  jtov  ^EQvx(vfov  Xifiriv  Diod.  XY,  73.  xo  'Egvxivfav  (finoQiw  Diod.  XXIY,  11  (Hoesch)- 
Drepanon  gegründet  Diod.  XXIII,  9.  —  D  Hai  I,  52.  ^3  hat  irrthümlich  für  ^E^vf 
^EXvftog  (Berg)  und^J^Xvf4((  (Stadt)  gesetzt,  was  Manche  veranlasst  hat,  eine  Stadt  Elyma 
oderHelyma  anzunehmen,  die  von  Ery^  verschieden  wäre.  Faz.  18|.  82  suchte  sie  in 
Kuinen,  die  2  Mill.  vom  Meeresufer  auf  einem  Berge,  nördlich  von  F.  S.  Gataldo  sic|^t- 
bar  waren,  wo  Gl.  333—35  vielmehr  das  im  It.  Ant.  vorkommende  Parthenicum  findet. 


n 


Anhang  II.  Belege  und  ErlSatemngen. 


D.  L44  setzt  diese  Ruinen  oberhalb  Sala  di  Partinico.  Ob  es  vielleicht  die  einer  älteren 
sikanischen  Stadt  waren,  z.  B.  von  Krastos? 

S.  90.  "'s  vre  kl  a  nolig  £txeUag*'E(po(}og  ig\  —  tvog  St.  B.  £nt.  als  elymische  Stadt 
nicht  von  Thuk.  bezeichnet,  sondern  von  den  Schol.  und  Tzetzes  zu  Lyk.  964  C^TtfXla, 
Kach*'E0TiXXa,  offenbar  {\iT*'EvT€Xla)  und  Serv.  zu  Aen.  V,  73,  der  als  elymische,  von 
Elymus,  princeps  Trojanorum,  gegründete  Städte  nennt :  Asca,  Entella,  Egesta,  wo 
Asca  an  Ascanius  erinnert;  endlich  andeutungsweise  von  Sil.  XTV,  204:  largoque 
virens  Entella  Lyaeo  Entella  Hectoreo  dilectum  nomen  Acestae.  Verg.  Aen.  V,  387  ff. 
hat  den  Faustkämpfer  Entellus.  Die  Stadt  Entella  kommt  vielfach  bei  Diodor  vor,  so 
XIV,  9.  48.  XV,  73.  XVI,  67.  73.  Vgl.  Faz.  265.  Cl.  465—69.  Hoüel  lU,  41.  D.  245, 
der  es  links  vom  Ostlichen  Beiice  setzt,  nach  der  Karte  von  1826,  während  die  alten 
Karten  in  Graev.  Thes.  I ,  die  Karte  HoueFs  und  von  Neueren  Parthey  und  Kiepert  es 
rechts  vom  westlichen  setzen.  Auch  Amico  s.  v.  Entella  setzt  es  an  das  rechte  Ufer  des 
Beiice.  Jetzt  haftet  der  Name  an  dem  Berggipfel  östlich  vom  Ostlichen  Beiice. 

S.  90.  Mit  dem  Tode  desMinosist  noch  zu  vergleichen  der  Tod  des  Herakles  auf 
seinem  Zuge  nach  Spanien,  nach  Sali.  Jug.  18.  Am.  adv.  nat.  I,  36  (Mov.  II,  2,  115). 

S.  91.  Kretische  vofioi  der  Stadt  Minoa  gegeben  nach  Herakl.  XXIX.  Vgl.  oben 
unter  Makara.  Mov.  II,  2,  318.  19.  bemerkt  über  Minos  und  Daidalos  in.  Sicilien :  «Wo 
ihre  Namen  in  örtlichen  Sagen  genannt  werden ,  da  finden  wir  nach  anderen  Angaben 
bald  Kreter,  bald  Karier,  bald  aber  auch  Phönicier,  oder  auch  Philistäer«.  Es  ist  sieher 
kein  Grund,  die  kretische  Kolonie  in  Sicilien  blos  als  »eine  Erfindung  zur  Erklärung 
des  Namens  der  Stadt  Minoa,  welche  eine  spätere  Anpflanzung  von  Selinus ,  und,  dem 
Hesychios  zufolge,  vielleicht  nach  einer  Rebengattung ,  wie  ^Afttvala  oder  Aminea  bei 
den  Bömem,  benannt  war«,  zu  betrachten,  wie  Grotef.  II,  21.  22  in  theilweiser  Ueber- 
einstimmung  mit  Mann.  364  thut.  Es  muss  der  Kult  der  kretischen  Mütter  doch  aus 
Kreta  gekommen  sein. 

S.  91.  Die  Ortsnamen  auf  Kreta  nach  Ptol.  und  St.  B.,  der  Kv6wta  in  Sicilien  h^t. 

S.  91.  Ueber  die  naXaiaTrjveSv  yri  bei  App.  B  C  V,  117  s.  o.  unter  "^Jßmawov. 
Vgl.  Mov.  n,  2,  319. 

S.  91.  Ueber  den  Thurm  Baych  in  Palermo  Am.  St.  d.  Mus.  II,  303.  4.  D.  35. 

S.  91.  Ueber  die  Zeit  der  Phönicischen  Niederlassungen  in  Sicilien  vgl.  Mov.U,  2, 349. 
Wenn  Paus.  V,  25, 6  sagt :  ot  <f^  *Poiptxeg  xa\  JlCßueg  aroXtii  atfixovro  ig  t^  rrj<rop  xoinp,  xol 
anoixoi  Kag^ridovCtav  tiaC,  so  darf  dies  nicht  die  Annahme  hervorrufen,  dass  Sicilien  erst 
seit  dem  9.  Jahrhundert  v.  Chr.  von  den  Phöniciem  kolonisirt  ist;  Paus.  (d.  h.  seine 
Quelle)  spricht  zunächst  von  Motye,  das  karthagische  Besitzung  wurde,  und  ignorirt  den 
früheren  Zustand. 

S.  91.  Pakonia,  das  nach  Mov.  II,  2,  364  dieselbe  Bedeutung  hat,  wie  Pachynos, 
sollte  ders.  nur  nicht  für  eine  liparische  Insel  halten. 

S.  91.  Ueber  die  Aegaten  Mov.  II,  2,  364,  der  den  Namen  als  Ai-Gader  d.  h. 
Insel-Mauer,  erklärt. 

S.  91.  Ueber  Malta  Diod.  V,  12  nebst  Mov.  H,  2,  347  ff.  Ueber  die  Weberei 
daselbst  Lucret.  IV,  1126  (?).  Cic.  Verr.  II,  72.  74.  Hesych.  s.  v.  Mihtala,  Vgl. 
Cl.  540,  der  zuerst  die  Deutung  auf  Baumwolle  aufgebracht  zu  haben  scheint;  Mov. 
II,  2,  354.  55,  der  jedoch,  wie  es  scheint,  die  von  ihm  citirte  Stelle  Cic.  Verr.  IV,  46, 
103  falsch  verstanden  hat.  Werke  über  Malta  stellt  zusammen  Parthey,  Wanderun- 
gen etc.  I,  S.  453  ff.,  unter  denen  ich  hervorhebe :  G.  F.  Abela,  Descriz.  di  Malta.  M. 
1647.  Fol.  N.  Ausg.  von  Ciantar.  M.  1772—80.  2  Bde.  Fol.  Lat.  in  Graev.  Thes.  XV. 
L.  de  Boisgelin,  Ancient  and  modern  Malta.  Lond.  1804.  4.  3  Bde.  frz.  von  A.  Fortia. 
Mars.  1805.  8.  0.  Bres,  Malta  antica  illustrata.  Rom.  1816.  4.  —  Man  vgl.  auch 
Houel  IV. 


Zu  Buch  I,  K»p.  5,  S.  90—96.  377 

S.  92:  Ueber  die  Maltesische  Kolonie  St.  B.  s.  v.  *ufxokXa  noUs  ^tßvt^g  ov  no^^m 
täp  ZvQt€tav.  anoixot  Milijuitov,  Vgl.  Mov.  II,  2,  353. 

S.  92.  lieber  die  Zeit  der  Gründung  der  Phönicischen  Kolonie  in  Malta  Mov.  II,  2, 
349  —  52.  Hier  sagt  M. :  »Wahrscheinlich  war  diese  älteste  Anlage  auf  Malta  aber  nicht 
unmittelbar  von  Sidon,  sondern  von  dem  sidonischen  Karthago  ausgegangen.  Das  lässt 
die  Sage  schiiessen ,  wonach  Anna  sich  nach  Malta  geflüchtet  hatte ,  nachdem  Altkar- 
tfaago  von  dem  Libyerfürsten  Jarbas  zerstört  worden  war«. 

S.  92.  Ueber  Gaulos  als  phönicische  Colonie  Mov.  II,  2,  359,  der  auch  den  phO- 
nicischen  Namen  auf  Münzen  gefunden  hat. 

S.  92.  Ueber  Kossura  Mov.  II,  2,  360  —  62,  der  die  Inschrift  bei  Gruter  S.  297 
citirt,  wo  im  ersten  punischen  Kriege  de  Cossurensibus  et  Poenis  erfochtene  Siege  er- 
wähnt werden.  Münzen  bezeichnen  sie  nach  ihm  als  die  »Insel  der  Söhne« ,  was  Movers 
auf  die  phönicischen  Kabiren  deutet ,  sowie  er  den  Namen  Kossura  aus  dem  des  Haupt- 
kabiren  Chusor  erklärt. 

S.  92.  Ueber  Baal,  Melkart,  lolaos,  Aristaios  in  Sicilien  vgl.  Mov,  U,  2, 
311  —  13. 

S.  93.   Ueber  Here  auf  Malta^Mov.  II,  2,  351.  52. 

S.  93.  Ueber  die  Kultusgebräuche  auf  dem  Ery x  Str.  VI ,  2 ,  5.  Ael.  V  H  1 ,  15. 
H  A  lY,  2.  X,  50.  Ath.  IX,  394,  wo  es  zuletzt  heisst :  oaoi  ovv  t6t€  (bei  der  Bückkehr 
der  Göttin)  ne^tovaias  tv  ijxovai  rtSv  nsquilxiov  tuto^owrai,  ol  6k  Xotnol  xQOTaliQ[>vai  fitra 
ß[agäs.  offi  cT^  nag  6  tonog  tot«  ßovrvQOv,  <p  Srj  rtxfirjQit^  /^cOlrT«»  rijg  9-tlag  inavo^ov.  — 
lieber  die  Tauben  vgl.  Houel  I,  15.  16.  Rubino,  S.  85,  n.  108,  nimmt  eine  Entartung  des 
ursprünglich  sittlicheren,  nicht  phönicisehen  Dienstes  der  Aphrodite  durch  die  Phö- 
nicier  an,  nach  Klausen ,  Aeneas  I,  S.  481.  —  Ueber  das  Aussehen  des  l^tyr  Fraccia, 
Egesta  S.  26. 

S.  94.  Ueber  Psophis  Paus.  VIII,  24,  2. 

S.  94.  Ueber  Ljftf^ayocPlut.  Tim.  12:  *ASQttvov  d-iov  rtrog  ri/mofiivov  SiafpsQovrots 
iv  oltf  StxBXltt.  Ebendas.  wird  x6  66qv  des  Gottes  erwähnt.  Nymphod.  bei  Ael.  H  A 
XI,  20,  wo  er  Inix^Qwg  dalfAtov  genannt  wird.  Mit  der  Schilderung  von  den  Hunden  des 
Adranos  zu  vergl.  Ael.  H  A  XI,  3  von  dem  Tempel  des  Hephaistös  am  Aetna  und 
dessen  Hunden.  Hesych.  s.  v.  TlaXwoL  Vgl.  auch  Diod.  XIV,  37  CjidQ,),  A.  auf  Münzen 
von  Messana  Eckhel  D  N  I,  1,  p.  190 ;  Mi  I,  S.  259,  wo  man  sieht,  dass  er  geradezu  den 
Ares  vortritt.  Ein  ^jidqavulov  auf  der  grossen  Inschrift  von  Alaisa  C  I  Gr.  no.  5694.  — 
Ueber  Adar  oder  Azar  Mov.  I,  340.  Ueber  Hundeopfer  Mov.  I,  405.  Ueber  den  in  den 
Wäldern  umherstreifenden  Dionysos  Plut.  symp.  IV,  5,  3,  vgl.  Mov.  I,  383  und  Serv. 
Aen.  X,  763.  Ueber  die  Sakäen  Mov.  I,  480  ff.  Boch.  584  sagt:  Videtur  Adranus 
nomen  esse  dei  Syrii  vel  Phoenicii,  quäle  compositum  Adra-melec  idolum  Sepharaeorum. 
Erst  mehrere  Jahre,  nachdem  ich  den  Adranos  Siciliens  mit  dem  orientalischen  Adar, 
dessen  Wesen  mir  aus  Movers  deutlich  geworden  war,  in  Verbindung  gebracht  hatte, 
fiind  ich  dieselbe  Herleitung  in  Bochart's  Werk,  das  ich  bis  dahin  nicht  benutzt  hatte. 
Vielleicht  kann  dieser  Umstand,  der  das  Ungezwungene  einer  solchen  Herleitung  zeigt, 
eben  deswegen  eine  Empfehlung  für  sie  sein. 

S.  95.  Ueber  die  Identität  Nimrod's  mit  Orion  Mov.  I,  473.  Nimrod  ist  griechisch 
iVf/9p<ocr,  s.  Mov.  1,471. 

S.  95.  Die  im  Text  angegebene  Ansicht  von  der  Triquetra  hat  Mov.  I,  189  auf- 
gestellt, der  (jesen.  Mon.  Num.  T.  23  citirt.  Ich  werde  von  der  Triquetra  später  ausführ- 
lich sprechen.  —  Ueb.  d.  Verfass.  v.  Malta  Mov.  II,  2,  357.  58  nach  C  I,  no.  5752. 

S.  96.  Ueber  die  Beschäftigungen  der  Phönicier  Siciliens  spricht  Schubring  in  s. 
Abhandlung  Motye-Lilybaeum  S.  50.  51.  —  Noch  Epicharmos  (bei  Ath.  VII,  320)  er- 
wähnt die  yavloi  <i>oivixixoi,  offenbar  als  wohlbekannt  in  Syrakus. 


378  Anhang  U.  Belege  un4  ffrlHat^ntngen. 


Sechstes  Kapitel. 

S.  97.  lUn  vgl.  über  diesen  Gegenstand :  Die  vorhietorischen  Bauwerke  in  Sicilien 
und  deren  Erbauer.  Ein  Sendscbrelben  an  lim.  £.  Desor.  Von  Dr.  0.  Hartwig.  Beil-z. 
AugBb.  Allg.  Zeitg.  yom  20.  und  21.  Febr.  1866. 

S.  98.  Ueber  die  Ueberreste  auf  M  a  1 1  a  und  Go  a  z  o  ygl.  Houel  IV ;  und  über  Malta 
besop^en  Kunstblatt  1841  No.  5^.  Bullet.  1858.  8.  74—76  und  lUustrated  Lond.  News 
1868,  Nov.  21,  wo  vier  Gebäude  hervorgehoben  werden,  von  denen  zwei,  Hadschar  Kam 
und  Mnaidra,  dieci  beim  Dorfe  Krendi,  1839  untersucht  sind.  Beigegeben  ist  eine  AbbU- 
düng  der  Hnaidra,  sowie  eines  der  inneren  Heiligthttmer,  bemerkenswerth  durch  dje  mit 
runden  Löchern  versehenen  Steine,  bei  denen  man  an  die  Honigscheibe  des  Dudalos 
erinnert  wird.  Die  Society  of  Archeology  Malta's  sorgt  für  die  Untersuchung  der  Monu- 
mente. —  Ueber  Grozzo  insbesondere  W.  H.  Smyth,  Notice  of  some  remains  at  Gozzo ; 
Archaeologia.  Vol.  XXII,  p.  294.  PI.  26-^8.  L.  Mazzura,  Ten^ple  ante-diluvien  dit  des 
G^ants,  dans  l'tle  de  Galypso.  Paris  (1827).  Fol.  (mit  17  Tafeln.  La  Marmora  in  den 
Nouv.  Annales  de  Ilnst.  arch.  I,  1  ff.  Gailhabaud,  Denkm.  Lief.  4,  endlich  £.  Gerhard, 
Die  Kupst  4er  Phoenicier.  Berl.  Ak|td.  1846,  und  wieder  abgedruckt  in  Gerhard's  Ge- 
sammelten Abh.  Bd.  2.  Berl.  1868.  8.  S.  1—21  und  S.  533—35. 

S.  99.  Ueber  Baai-Chamman  Mov.  ü,  2,  351.  Münze  von  Gauloe  Gerh.  Taf.  43, 
No.  9.  10. 

S.  99.  Ueber  das  Monument  von  Sparano  sagt  Hartwig,  daas  die  5  Steine  in 
Zwischenräumen  von  3,7  M.  stehen.  Die  Basis  der  Säulen  (?)  ist  Q,7Q  M.  lang  und 
0,60  M.  breit ;  die  ursprüngliche  Höhe  lädst  sich  nicht  mehr  bestimmen;  das  längste  Stück 
ist  1,40  M.  hoch.  Eine  bequeme  Treppe  führt  zu  den  3  Bäumen,  von  denen  der  erste 
2,40  M.  lang  und  breit  und  1,70  M.  hoch  ist;  rechts  führt  eine  Thür  in  ein  Gemach  von 
1 ,70  M.  Höhe  und  6,80  Länge  und  Breite,  gegeuüber  links  ist  ein  ähnliches,  dessen  Unke 
W^nd  die  Schrifltzeichen  trägt.  —  Nach  d^m  im  vorigen  Kapitel  Mitgetheilten  ist  es 
nicht  iiüthig,  mit  Hartwig  wegen  der  Entferiiupg  von  der  Küste  das  Monument  den 
Pbüuiaienii  abzusprechen. 

Si.  99.  Ueber  das  Mauerwerk  von  Macara  Houel  HI,  123 ;  von  Caatronovo  ders. 
III,  50;  von  Prefalaci  IIJ,  22.  Dass  sich  Aehnlichea  auch  bei  älterep  hellenischen 
Mauern  findet,  darüber  Pauly  B  £  V,  247.  — -  Nach  A  A  Ztg.  1868,  Jan.  25  hat  Cavallari 
im  J.  18^7  die  Ueberreste  vonlCastronovo's  alter  Stadt  gemessen  und  gefunden :  Umfsug 
der  Stadt  5545  A(.,  die  Mauer  1990  M.  lang  und  fa^t  ß  ^,  breit  Die  Stadt  siOieiat  3  Ab- 
theilungen gehi^bt  zu  haben ;  in  der  ös^ichen  fanden  sich  Spuren  eines  Tempels. 

S.  100.  Sogen.  Pelasgi sehe  Mauern.  Cefalä.  Houel  I,  qnd  besonders  C  F. 
Nott,  Avanzi  dl  Cefi^lü,  Annal.  1831.  S.  270-87,  nnd  dazu  Monum.  T.  XXVUI.  XXIX. 
Nach  N.  haben  vor  ihm  beson4ers  Wood  und  Hittorff  das  Gebäude  be<H$htet.  Vgl-  auch 
b.  266.  Ueber  dje  Stadtm^^uem  von  C.  Houel  I,  94;  D.  261 ;  Cavalh^ri,  Syrakus  5  und 
Jacob  93,  der  Bifcari  241  dtirt.  —  Ery x.  Von  den  Manem  der  Stadt  D.  161.  Houel  1,  H 
spricht  von  einem  Mauerstück  qui  soutient  des  terres  vers  un  angle  de  rocher,  WPU^i^ 
mal)  vergleich^  Ml^u  Piod.  ly,  78 :  ^dtta^evaatv  (o  /iai^ttXos)  in  aifrov  jov  xgmivov 
TOi/ov ,  TiQoßißaaag  nagaöo^iog  to  vniQKilfievov,  Houel  erwähnt  auch  \d  pqits  de  y6ni49' 
Vgl.  D.  XXVIfl  und  160.  Bädetcer's  Ha^dbuch  über  Italien  HI  ^  265  (Hartwig?)  sagt: 
»Von  dem  Venustempel  ist  Nichts  übrig ,  als  Mauersubstructionen  im  Castell ,  der  sogen. 
Ponte  del  Diavolo ,  der  sogen.  Venusbrunnen  im  Garten  des  Pastells,  eine  antike  3V2 1^- 
breite  und  7  M.  tiefe  Oisteme.  Von  den  Mauern  der  Stadt  sieht  man  zwischen  der  Porta 
Tn^pani  un4  I^a  Spada  ui^ter  der  heutigen  Stadtmauer  bedeutende.  Ueberreste  upgeheorer 
Werkstücke  in  gleich  hqhon  Lagen  Über  einander.  Der  Eingang  war  offenbar  zwischen 
M.  di  Quartiere  und  P.  La  Spada,  wo  man  im  Innern  der  Stadt  noch  rechts  die  Mauern 


SSu  Buch  I,  E«p.  6,  S.  97-101^.  379 

des  Anfi^ngs  yerfoJgen  kaan«.  —  Colleflaxio.  Sni  kvori  intraprefii  etc.  S.  13.  —  OatfWM. 
De  Slmyre  I,  352,  wonach  ßs  zum  Oerestempel  gehörte;  vgl.  D.  400.  Alessi,  Stör,  di  Sic. 
I,  23,  wonach  es  nicht  ans  der  ältesten  Zeit  ist.  —  Marza.  Houel  III,  125.  Forlnn  113.  Die 
{bigenden  nach  Honel  m,  125.  Lipari.  Sm.  2^4.  Bädeker  m,  233  CFW^hnt  noch  lOiiesen- 
banten  anf  dem  Monte  Artesino«. 

8. 101.  Beispiele  d^r  ältesten  Art  des  Wölhens  in  Akra!  Parth.  146.  Akragas  Houel 
I¥,  40  nnd  PI.  233. 

8. 101  ff.  Groften.  (Es  kannte  sein,  dass  eine  oder  die  andere  der  hier  anfgezühltea 
nicht  in  die  eigentlich  hier  zn  berücksichtigende  Klasse  der  Ddieri  gehörte.)  Htindnng  des 
S.  CataldoFaz.  181.-8.  Ninfa.  Schnbr.  Kamikos  150.  ~  C^ltabellottaAmariSt.  d.Mns. 
1, 311  nach  Oavallari  nnd  ausführlich  Schubr.  Kam.  145.  149. 150. 152.  —  Zwis<ihea  Siou- 
liana  und  Cattolioa  Houel  IV,  62.  —  Bei  Raffitdale  H.  IV,  60.  —  Le  Grotte  H.  IV,  57.  — 
Naro  H.  iV,  56.  —  Pietraperzia  H.  HI,  56.  ~~  Bei  Misilifoesi  und  Sambuca  nach  Schu- 
Inring's  mündlicher  Mittheiiung.  —  In  Gastrogiovanni  H.  HE,  54.  Buss.  218.  13.  Par^h. 
131.  --  Oahiscibetta  H.  IH,  52.  —  Asaro  H.  III,  37.  —  SperHnga  H.  IH,  38.  -r  Nicosia 
H.  m,  36.  —  Begalbuto  H.  IH,  35.  ->  Zwischen  Bronte  nnd  Malelto  Am.  I,  311  nach 
Cavallari.  —  Zwischen  Piazza  und  Caltagirone  Am.  I,  336  Anm.  —  La  Rocca  H.  lU,  57. 

—  8.  BasiHo.  M.  di  Manro,  Sul  colle  di  S.  Basilio.  Catan.  1861.  8.  8.  62.  63.  —  Mineo 
und  Militello  H.  HI,  60,  der  auch  ebendaselbst  von  S.  Basilio  spricht.  —  Bei  Lieodia  nnd 
Vizzini  Am.  I,  311  nach  F.  Bourquetot,  Voyage  en  Sicile.  Par.  1848.  —  Lentini  H.  IH, 
63.  Bnss.  304.  —  La  Bruca,  Cava  Diavolo  d'opera  und  Timpa  H.  HI,  67  ff.  —  Am  Mo- 
linello  Schubring,  Umwand,  des  meg.  Meerb.,  S.  462.  —  Am  8.  Gusmano  Schubr.,  Um- 
wand. 446.  —  Magnisi  ders.  442.  — -  in  der  Gegend  von  Palazzolo  H.  HI,  112.  Schubr. 
Akne.  —  Bei  Occhera  Buss.  240.  —  Bei  Buacemi  H.  HI,  114.  —  Cava  von  Spinpinatus 
H.  m,  115;  de  Sayve  I,  250.  --  8.  Lueia  H.  III,  117;  de  8. 1,  260.  —  Houel  spricht 
femer  IH,  116.  17  von  Grotten  bei  Mezzo  Gregorio  und  HI,  118  von  denen  von  S.  Marco. 

—  Von  den  Grotten  des  M.  Pineta,  Schubr.  Akrae  669.  70.  -^  An  der  Strasse  vcm  Pa- 
lazzolo nach  Syrakus  Schubr.  Akr.  663;  Houel  HI,  111.  —  Bei  Ferla  Am.  I,  311. 
Sehubr.  Akr.  669.  —  Bei  Sortino  und  Pantalica  Graset  U,  340—45.  Am.  I,  311.  Schubr. 
669.  D.  365.  66 ;  über  die  Grotta  della  Meraviglia  in  Pantatioa  Ferrara,  Oampi  Fl<^^i 
80.  81.  —  Plemmyrion  Schubr.  669.  —  Cava  grande  H.  IH,  119.  ~  Am  Ufer  H.  IH,  120. 

—  Cava  d'Ispica,  wo  Faz.  260  nur  magnae  ruinae  eines  Ortes  Tspa  nennt,  den  Silius  er- 
wähne. H.  III,  126  und  IV,  1  ff .  St.  Non  X.  69— 75 ;  de  8.  L  249.  50.  Parth.  151— 55. 
D.  320.  21,  der  ausser  der  Spezzieria  noch  die  Chiesa,  die  Larderia,  die  Spelonca  grossa, 
die  Grotta  del  corvo,  und  die  Gr.  del  vento  anführt,  und  nach  dem  das  Oastello  an  der 
eastem  entranee  ist,  während  dasselbe  sieh  nach  St  Non  X,  72  in  der  Mitte  des 
Thaies  befindet.  -  Stafenda  H.  IH,  126.  —  Scicli  H.  IV,  11.  —  Auf  Malta  H.  IV, 
PI.  264. 

3.  105.  Als  Wobnungen  sind  die  Grotten  au^efasst  worden  von  Smyth  190. 
Troglodyten  in  Libyen  Herod.  IV,  183;  in  Sardinien  Diod.  V,  15;  auf  den  Balearen 
Diod.  V,  17.  —  Vergleichungen  aus  Frankreich  geben  Houel  IV,  2 ;  de  8. 1,  247  nnd  402 ; 
Journal  pour  Tons  1864.  Nov.  (Semur  an  der  Loire).  —  Mit  den  Kappadokischen 
Höhlenstadten  am  Fnsse  des  Argaeus  vergleicht  die  Grotten  von  Ispica  J.  Braun,  Gesch. 
der  Kunst  II,  519;  vgl.  dens.  S.  115.  —  Mit  Entschiedenheit  für  Gräber  werden  sie 
erklärt  von  Abeken ,  Mittelitalien  ^.  254 ;  Urliphs,  Ueber  die  Gräber  der  Alten  N. 
Schweiz.  Museum  I,  3,  163.  D.  320.  21.  —  lieber  die  etruscischon  Gräberfa^aden 
Kugier  E  G  (2)  253.  —  Die  Nachrichten  über  die  Kleinheit  der  von  ihm  besichtigten : 
Schubring,  Akrae  670,  der  auch  citirt:  Gaet.  Italia-Nicastro,  Ricerche  per  Tistoriadei 
popoli  Acrensi  anteriori  alle  colon.  Ellen.  Mess.  1856,  wo  von  den  Ddieri  gehandelt  wird  ; 
femer  Schubr.  Kam.  151 ,  wo  folgende  Masse  angegeben  werden.  Die  kleineren  sind 
0,68  M.  breit,  0,8S  M.  tief,  0,70  hoch ;  die  mittleren  0,80  M.  breit,  1,45  Af.  tief.  0,90  M. 


380  Anhang  II.  Belege  und  Erlänternngen. 

hoeh;  die  grosseren  1,85  M.  breit,  1,80  M.  tief,  1  M.  hoch;  die  grOssten  2,10  M.  breit, 
1,95  M.  tief,  1,60  M.  hoch.  Die  Eingangsschwellen  0,12—0,20  M.  Die  Thttrbrüstuiig  ist 
manchmal  0,70  M.  hoch,  während  die  Thüröffhung  darttber  0,00  M.  HOhe  hat.  Die  G-rot- 
ten  bestehen  entweder  aus  dnem  in  die  Bergwand  gehauenen  EUdbkreise,  wo  alsdann  der 
Durchmesser  desselben  die  Thttr  darstellt ,  so  die  meiste  im  Berge  Finestrelli  bei  S. 
Nin&,  oder  sie  haben  eine  Yorderwand  mit  einer  Oeffhang  darin ,  so  die  vom  Berge  Pi- 
neta bei  Akrae.  D.  321  betrachtet  sie  als  originally  constructed  for  the  pnrposes  of  se- 
poltnre  by  the  Greeks  or  other  early  pagan  inhabitants  of  Sieily.  Nach  Sohubring669ge- 
.hören  sie  »wahrscheinlich  der  vorgrieohischen  sikanisch-sikelischen  Periode«  an. 

S.  106.  Ueber  die  mit  Steindeckeln  geschlossenen  Gr&ber  im  Boden  Gerhard  in 
den  Annali  1835  S.  31 ;  Aber  die  neueren  Entdeckungen  solcher  mit  Skeletten  Schubr. 
670.  71  nach  brieflicher  Mittheilung  des  genannten  Dr.  Gaet.  Italia-Nicastro. 

S.  106.  Ueber  die  Nekropole  bei  Palermo  vgl.  Serra  di  Falco,  Intomo  alcuni 
sepolcri  di  recente  sooperti  in  Palermo.  Lettera  al  Prof.  Gerhard.  Pal.  1834.  8.  —  Von 
den  noch  sichtbaren,  1785  entdeckten  Gräbern  vor  der  Porta  d'Ossuna  spricht  D.  109, 
sowie  106  die  bei  der  Gründung  des  Albergo  de'  Poveri  vor  der  Porta  Nuova  1746  ent- 
deckten Gräber  erwähnt  werden.  Maggiore  im  Bull.  1833  S.  45  citirt  einen  Aufsatz  Tor- 
remuzza's  in  der  Antologia  Bomana  XII,  nach  welchem  auch  eine  phönicische  Inschrift 
dort  gefunden  wurde. 

S.  106.  Ueber  das  Bundgebäude  bei  Sparano  Schubr.  Akrae  670,  wo  es  als 
eine  Art  ^Xog  bezeichnet  wird.  Aber  ist  dies  Gebäude  vielleicht  identisch  mit  dem  oben 
nach  Hartwig  ans  Sparano  beschriebenen? 

S.  106.  Ueber  die  Mauer  im  Thale  des  S.  Gusmano  vgl.  Schubr.  Umwand.  S. 
444  ff.  Wenn  ders.  445  das  gegenwärtige  Werk  den  ROmem  zuschreibt,  so  erfahren  wir 
dagegen  aus  Faz.  86,  dass  der  lacus  quadrato  lapide  ad  piscium  capturam  a  Friderico 
seonndo  Oaesaro  ezstructus  ist.  Es  ist  also  nicht  sicher,  dass  ein  älteres  Werk  vor- 
handen war.  Die  Stellen  der  Alten  über  die  xolvfißii&Qa  sind  Diod.  IV,  78  und  Vibius 
s.  V.  Alabis. 

S.  107.  Ueber  die  Grotten  von  S.  Calogero  bei  Sciacca  Houel  I,  33  auch  PI.  24; 
Sm.  218.  D.  190.  91,  zu vergl.  mitDiod.  IV,  78. 

S.  107.  Ueber  die  vielen  ganz  unterirdischen  Grotten,  besonders  im  westlichen  Sici- 
lien  spricht  Schubring  in  seiner  Abh.  Motye-Lilybaeum  S.  75.  Er  erwähnt,  dass  eine 
derselben,  die  Grotte  del  Tore,  nach  der  Behauptung  des  Volkes  sich  von  Marsala  nach 
Mazzara  (über  3  geogr.  Meilen)  erstreckt,  und  fügt  hinzu:  »Ohne  solche  Erzählungen 
sofort  anzunehmen  oder  zurückzuweisen,  bemerke  ich,  dass  sie  Einem  Überali  in  Sioilien 
begegnen ,  und  dass  ich  in  der  ganzen  westlichen  Hälfte  der  Insel  kaum  einen  Ort  be- 
rührt habe,  wo  man  mir  nicht  die  wunderbarsten  Dinge  von  gewaltigen,  natürlichen  oder 
künstlichen  Grotten  unter  der  Erde  erzählt  hätte.  Vieles  mag  übertrieben  sein ;  erwägen 
wir  jedoch  einerseits ,  dass  Gyps  und  Kalkstein  sehr  höhlenbildend  sind ,  sodann ,  wie 
Ungeheures  Sikaner,  Syrakusaner  nnd  Akragantiner  in  unterirdischen  Arbeiten  geleistet 
haben,  so  mag  man  solchen  Berichten  nicht  allen  Glauben  versagen.« 

Zweites  Buch. 
Erstes  Kapitel. 

S.  108.  Thuk.  VI,  3  sagt  bestimmt:  ^EkXifvuw  ngmot  XaXxiirji  i^Evßoius  TtXtvaavtt^ 
jiiirä  Bovxliovg  oixtatov  Nd^ov  ipxtaav. 

S.  HO.  Die  Fahrt  nach  den  Kassiteriden  verhindert  duroh  die  Phönicier  nach  Str. 
III,  5,  11.  —  Ueber  das  Abschrecknngssystem,  das  die  Phönicier  in  Bezug  auf  andere 
Nationen  befolgten :  Mov.  n,  2,  40  ff. 


1 


Za  Bach  H,  Kap.  1  n.  2,  S.  106-~116.  3S1 

S.  11t.  He8iod*8  Bekanntschaft  mit  der  Peloria  Diod.  IV,  85;  mit  dem  Aetna  und 
Ortygia  Str.  I.  2,  14. 

S.  111.  Kyme,  anfangs  anf  der  Insel  Ischia nach  Liv.  YIII,  22 ;  während  nach  Str. 
y,  4,  9  die  anf  Ischia  sich  niederlassenden  Chalkidier  nicht  gerade  dieselben  zu  sein 
brauchen,  vie  die,  welche  Kyme  gründen.  —  Zeit  der  Gründung  nach  Sync.  340,  13  und 
Hi6nm3rmus ;  die  versio  Armenia  hat  die  Notiz  nicht.  Veli.  Pat.  I,  4 ;  Str.  V,  4,4.  Kie- 
pert, Erläut  z.  Schulatlas,  S.  34  nimmt  an ,  dass  die  frühe  Gründung  von  Kyme  von  den 
asiatischen  Tyrrhenem  ausging,  und  dass  die  Chalkidier  erst,  nachdem  sie  sich  auf 
SiciHen  niedergelassen,  hinkamen. 

S.  112.  Kymäer  Seeräuber  Thuk.  VI,  4.  ~  Merkwürdig  ist  übrigens,  dass  Aristaios, 
Daidalos  und  die  Thespiaden  auch  zu  Kyme  in  Beziehung  stehen ;  vgl.  Grote  II,  279 ;  da 
Überdies  nach  Str.  V,  4,  4  dort  guter  Fischfang  war,  so  konnte  man  auch  eine  alte  phöni- 
Ciaehe  Ansiedlung  an  diesem  Vorgebirge  vermnthen. 

S.  113.  I>ieSageyonTeimissosundGaleotesSt.B.s.y.  /'«Acwrcri.  —  Galeotes 
ist  die  durch  Schubart  in  den  Text  des  Stephanos  gebrachte  Form ;  sonst  wurde  Ghileoe 
gelesen. 

S.  113.  Die  Göttin  Hyblaia  bei  Paus.  V,  23,  6  kOnnte  nach  der  oben  aus  Hybla 
angeführten  Inschrift  Aphrodite  sein. 

S.  113.  Aetolier  nach  Sicilien  Nikandros  bei  Schol.  Ap.  Rhod.  I,  419. 

S.  114.  lieber  den  Anapos  in  Akamanien  s.  o.  S.  340. 

S.  114.  Ortygia  in  Aetolien  nach  Schol.  Ap.  Bhod.  I,  419.  Schol.  D.  IX,  557. 

S.  114.  Cultus  der  Artemis  lelegisoh :  Deimling,  die  Leleger  165  ff.  —  Leleger  in  £Us 
Deiml.  141. 

S.  114.  lieber  die  Arethusa  sagtCnrtiusGGI,  355:  »die Sage  von  der  durch'sMeer 
wandernden  Quellnymphe  ist  Nichts  als  ein  anmuthiger  Ausdruck  für  die  Verbindung 
entlegener  Plätze,  an  deren  Uferquellen  die  chalkidischen  Seeleute  zu  opfern  und  ihren 
Wasseryorrath  einzunehmen  pflegten.«  Müller,  Dor.  I,  117  findet  dagegen  in  der  Arethusa 
nur  die  Verbindung  mit  Olympia  angedeutet.  Bäthselhaft  sind  die  bei  Paus.  VII,  24,  3 
angedeuteten  Beziehungen  zwischen  Aigion  in  Achi^a  und  der  Arethusa.  Dort  war  ein 
ZmrriQCag  Uqcv  ,  von  dem  erzählt  wird  kafißarovraf  naga  tiis  ^€ov  niftfiata  int^m^ui 

S.  114.  lieber  das  akamanische  Gv^iov  oder  Gov^tov  Bursian  Geogr.  y.  Griechenbind 
I,  112. 

S.  115.  Dass  Panormos  yon  Griechen  gegründet  sei,  nahm  schon  Gluy.  339  an. 

S.  115.  lieber  den  Kult  der  Afi^T/pcc  Diod.  IV,  79.  80.  —  Ein  Zeugniss  für  sehr  alten 
Verkehr  zwischen  Sicilien  und  dem  Osten  giebt  das  Vorkommen  yon  ifinoQot  etg  ZtxtXiav 
nUovreg  bei  Diod.  Exo.  de  yirtt.  et  yitt.  VI— X. 


Zweites  Kapitel. 

S.  116  ff.  Zeit  der  Gründung  der  ersten  Hellenischen  Kolonien  auf 
Sicilien.  Es  liegt  uns  hierüber  einerseits  der  Bericht  des  Ephoros  yor  bei  Str.  VI,  2,  2 
und  Skymn.  270  ff.  Nach  Jenem  fand  der  An&ng  der  Niederlassungen  Statt :  uai  ty 
yetfi^  /ufra  rä  T^tomäj  bei  diesem  ano  tiov  Tgtouimf  Sexatij  yivi^  furd  rat/T«.  Das  sinn- 
lose «al  rgl  ist  emendirt  worden  in  n^vti%ai$€xdtr^  yon  Cluver,  der  auf  diese  Weise 
Ephoros  in  üebereinatimmung  setzen  wollte  mit  der  gewöhnlichen  Annahme,  dass  ca.  734 
die  ersten  Niederlassungen  Statt  gefunden  hätten.  Denn,  die  Einnahme  yon  Troja,  wie 
gebräuchlich,  auf  1184  y.  Chr.  gesetzt,  und  eine  yivid  zu  30  Jahren  angenommen,  kom- 
men wir  mit  15  y^v,  nach  dem  Trojanischen  Kriege  auf  734.  Aber  wie  kam  dann  Sky- 
mnos  auf  10  yivtal'k  Deshalb  hat  Scaliger  yorgeschlagen ,  auch  bei  Strabon  Sexarrj  ytv. 


382  Anhang  II.  Beleg«  und  ErläatonUigen.  . 

zm  lesen,  wogegen  Cluver  45  Termathet,  dass  bei  Skymnoe  (statt  ^amt^f  yi^eq  fuxa 
ravta  zu  lesen  sei  <f.  y.  fietä  Ti^yrs.  Es  ist,  wie  man  sieht,  mit  diesen  Berichten  Nichte 
zu  machen.  Denn  wenn  wir  10  yiv.  festhalten  nnd  die  Einnahme  von  Troja  1184  setzen, 
so  fiele  die  Gründung  der  ersten  Niederlassungen  in  Sioilien  884  v.  Chr.,  was  nicht  wohl 
annehmbar  ist,  ob  sich  gleich  eine  Möglichkeit  der  Erklärung  und  eine  chronologische 
Beaiehnng  finden  liessen.  Jene  besteht  darin,  dass  nach  der  gewöhnlichen  Annahme  die 
Gründung  von  Syrakus  auf  die  Einrichtung  der  bakehiadisohen  Aristokratie  in  Korinth 
(ca.  740}  folgt;  sie  würde  dann  vielmehr  dem  ersten  Aufkommen  der  Bakohiaden  über- 
haupt (ca.  880)  gefolgt  sein ;  diese  in  dem  Umstände,  dass  nach  Einigen  (Olem.  Ai.  Strom. 
I  p.  337  cit.  von  Grote  I,  433)  die  Einnahme  von  Troja  in's  Jahr  1334  v.  Chr.  fiel ,  looo 
Jahre  vor  dem  Zuge  Alexander's  naoh  Asien,  ebensoviele  Jahre  vor  1184  wie  884  vor  734. 
Wenn  freilich  Ctem.  AI.  1. 1.  Beeht  hatte  au  sagen,  Ephoros  setze  die  Zerstürung  Trqja's 
735  Jahre  vor  den  Uebergang  Alexander'a  nach  Asien,  so  hätte  nach  ihm  jene  Begeben- 
heit 1069  V.  Chr.  Statt  gefunden  nnd  dann  wäre  an  15  yiv.  nicht  mehr  zu  denken;  10 
würden  besser  passen :  1069 — 300» 769.  Wie  dem  jedoch  sein  mag,  man  kann  nicht  mit 
0.  Müller,  Dor.  I,  123,  n.  2  sagen :  »Megara  gegründet  im  selben  Jahre  mit  Naxos  Ol.  11, 
3  naoh  Ephoroe«  da  11,  3cs734  sich  fär  Ephoros  eitst  ans  der  Coige^iiur  mvzsxaiJwiwy 
yiv.  verbunden  mit  der  willkürlichen  Annahme,  dass  für  Ephoroe  1184  das  Jiüir  der  Er- 
oberung Troja's  war^  ergiebt. 

Andere  Nachrichten  weisen  bestimmter  auf  die  Mitte  and  die  zweite  Hälfte  des 
achten  Jahrhunderts  v.  Chr.  als  den  Beginn  der  heUenisohen  Niederlassungen  auf  SidUeo 
hin.  Den  zusammenhängendsten  Bericht  über  dieselben  giebt  unter  den  hier  in  Betracht 
kommenden  Schriftstellern  Thukydides,  bei  dem  nur  zu  bedauern  ist,  dass  er  die  An- 
fangspunkte nach  denen  er  alles  Uebrige  bestinunt,  die  Gründnngsjahrs  von  Nazos  und 
Syiakns,  nicht  genau  fixirt  hat.  Etwas  sicherer  läset  sich  aus  Thukydides  bestimmen, 
wann  Megara  gegründet  wurde ;  da  er  aber  gerade  bei  Megara  nicht  genau  angegeben 
hat,  wieviel  Jahre  nach  Naxos  oder  Syrakus  es  angelegt  worden  ist ,  eo  hilft  uns  das 
Gründungsjahr  Megara's  im  Ganzen  wenig  für  die  Datimng  der  übrigen  Niederlassungen 
in  Sioilien.  Hierbei  sind  Notizen  andere  alter  Schriftsteller  über  Thatsaehen  qMiterer 
Zeit,  die  von  ihnen  nach  dsx  Gründung  einzelner  Städte  datirt  werden,  von  Nutzen;  aber 
leider  ergeben  diese  Notizen  nicht  dasselbe  Besultat.  So  lassen  uns  die  eigeotUchen 
Historiker  ziemlich  im  Stich.  Direkte  Angaben ,  wie  wir  sie  wünschen  müssen,  finden 
wir  nur  in  zwei  rein  chronologischen  Werken,  dem  Marmor  Parium  und  dem  Eusebios. 
Allerdings  weichen  auch  diese  Beiden  wieder  anter  einander  ab ;  aber  es  tritt  hierbei  der 
eigenthümliche  Fall  ein,  das  diese  Differenz  dieselbe  ist  mit  der  soeben  erwähnten  zwi- 
schen den  Nachrichten,  die  einige  alte  SchriftsteUer  gelegentlich  und  annähernd  geben, 
eine  Differenz,  die  sich  auf  die  abweichende  Ansetzung  eines  Hauptpunktes  der  ältesten 
Geschichte  Griechenlands  zurückführen  läset. 

Die  einzelnen  Nachrichten,  um  die  es  sich  hier  handelt,  sind  nun  folgende : 

Nach  Thukyd.  VI,  3—5  ist  gegründet  werden ; 

Zuerst  Naxos. 

1  Jahr  nach  Naxos :  Syiakus. 

5  Jahre  nach  Syrakos :  Leontini»  Katana. 

ita%d  xhuf  nvtw  %q^ov  kommen  die  Megaier  unter  Lanie,  gründen  lYotih» ,  wohneu 
mit  den  Chalkidiem  in  Leontini,  gründen  Thapsos  und  endlich  Megara  Hyblida. 
100  Jahre  nach  der  Gründung  von  Megara  gründen  die  Megarer  Selinus. 
45     »       »       »  •  »    Syrakus  wird  Gela  gegründet. 

108     »       tt       »  »  »    Gela  »    Akmgas    » 

70     »       »       »  »  »    Syrakus     »    Akrai        » 

20      »       «       »  »  »    Akrai         »    Kasmenai  >• 

135     »»       »  »  »    Syrakus     »    Kamarina  » 


Zu  Buch  n,  Kap.  2,  Seite  116.  '  383 

Sndlioh  sagtjThtikydides  noch,  dass  die  Megarer  aus  ihrer  Stadt  durch  Geloti  ver- 
trieben wurden,  nachdem  die  Stadt  245  Jahre  i)e8tanden  hatte.  Jene  Vertreibung  ist  nun 
allerdings  nicht  genau  zu  fixiren ;  aber  da  Gelon  erst  485  v.  Chr.  in  Syrakus  zu  regieren 
anfing,  so  kann  sie  483  Statt  gefunden  haben.  Dann  wäre  Megara  728  y.  Chr.,  vielleicht 
727  gegröndet.  Da  aber  Thnkydidea  die  Gründungen  der  Megarer  nur  mit  dem  allge- 
meinen Ausdrucke  xata  x<w  avtw  X9^^  &i^  ^i^  Übrigen  knüpft,  und  mit  diesen ,  insbe- 
sondere der  von  Syrakus,  alle  anderen  Datirungen  zusammenhängen,  so  sieht  man ,  dass 
wir  überdies  Hauptdatum  durch  Thukydides  nicht  genau  unterrichtet  sind. 
Wir  müssen  nun  anderswo  Hülfe  suchen. 

Diese  bieten  zunächst  einige  Stellen  der  Pindarischen  Schdien  in  Verbindung  mit 
Worten  Pindar's  und  des  Ps.  Skjrmnos.  Schol.  Pind.  Ol.  V,  16  sagt :  xTfCetM  ^  Kafia^tvtt 
Ti^tfaQaxoary  nifjinry  ^OlvfinMi.  Diese  geht  von  600— 6%  v.  Chr.  Da  nun  nach  Thuky- 
dides Kamarina  135  Jahre  naeh  Syrakus  gegründet  ist,  so  fiele  die  Gründung  vob  Byrft- 
kus  zwischen  735  und  731.  Dann  heisst  es  im  Schol.  weiter.*  inixQarriaecifrtov  6k  tmv 
2:vQttxowriiov  noQ&^TTm  r^  v^  'Okvfin.  Die  57.  Ol.  beginnt  552  v.Chr.  Wenn  nun  Sk.  295 
sagt,  dass  die  Syrakusaner  Kamarina  verwüsteten  nqhg  ^  In;  «nl  ti^aoQf&xovt  tpicrifiivfji^, 
und  wir  diese  46  zu  552  legen ,  erhalten  wir  596  v.  Chr. .  als  GrQndungs2eit  Kamarina's, 
was  mit  der  obigen  Angabe  nitetm  xtL  stimmt.  Hiemach  wäre  das  Jahr  738  daA  der 
Gründung  von  Syrakus.  Ungefähr  dasselbe  Resultat  ergiebt  sich  aus  Pind.  Ol.  It,  93, 
und  den  Schol.  dazu.  Pindar  nennt  Akragas  eine  Stadt  iitarin^  Mmv.  Die  Ode  ist  Ol.  76, 
1  geschrieben  476  y.  Chr.  Da  nun  die  100  Jahre  wohl  als  runde  Zahl  zu  nehmen  sind,  so 
gäbe  es  eirca  576  als  Grfindungszeit  von  Akragas ,  und  circa  729  als  die  von  Syrakus, 
wo  dann  Nichts  hindern  würde ,  733  anzunehmen ,  zumal  da  das  Schol.  1. 1.  sagt :  iv  y^ 
Tj  nfvn^kaoT^  *Olvfintndi  ^ittlöd^  I^Aie^dya^)  und  die  50.  Ol.  580  beginnt. 

Ein  ganz  abweichendes  Resultat  ergiebt  dagegen  die  Nachricht  von  Diod.  XIII,  59, 
dass  SelinuB  242  Jahre  nach  seiner  Gründung  zerstört  worden  sei.  Die  ZerstiSrung  fand 
Statt  409  V.  Chr.,  die  Gründung  also  651 ;  also  wäre  Megara  751  v.  Chr.  gegründet  wor- 
den, und  Syrakus  und  Naxos  somit,  nach  Thukydides,  noch  früher,  etwa  756,  da  die 
Gründung  von  Leontini  und  Katana  5  Jahre  nach  der  von  Syrakus  fällt.  Zwischen  beiden 
Resultaten  ist  also  eine  Differenz  von  20—25  Jahren. 

Eben  dieselbe  Differenz  ist  aber  auch  zwischeli  den  Angabeh  der  beiden  Chronologen, 
in  denen  von  der  Gründung  von  Syrakus  die  Rede  ist,  zwischen  dem  Marmor  Parium  und 
Euseblos. 

Das  M.  P.  setzt  die  Gründung  von  S3rrakus  in  das  21.  Jahr  des  Atheüischen  Archon- 
ten  Aischylos.  Wenn  nun  das  M.  P.  über  die  Epoche  des  Aischylois  derselben  Angabe 
folgte,  wie  Eusebios  der  Ol.  1, 1  als  das  zweite  Jahr  des  Aischylos  bezeichnet,  so  ist 
Syrakus  nach  dem  M.  P.  Ol.  5,  4  gegründet,  757  v.  Chr.  Nun  sind  allerdings  über  die 
Dalarung  des  Archonten  Aischylos  nach  dem  M.  P.  hiervon  abweichende  Ansichten  auf- 
gestellt worden.  Marsham  (cit.  von  G($iler,  Syr.  6}  nahm  das  21.  Jahr  desselben  für  Ol.  2, 
4;  und  Müller  Fr.  H  G I,  578.  70  sucht  nachzuweisen,  dass  das  21.  Jahr  des  Aischylos 
nach  dem  M.  P.  mit  dem  2.  Jahr  des  Aischylos  nach  Eusebios  zusammenfalle,  also  nach 
dem  M.  P.  Syrakus  Ol.  1,  1  gegründet  sei.  Seine  Deduction  ist  sehr  verwickelt.  Er 
nimmt  an ,  dass  sogleich  nach  der  Aufhebung  der  KOnigswürde  in  Korinth  Syrakus  ge- 
gründet sei  und  macht  geltend ,  dass  den  KOnigen  von  Aletes  bin  Automenes  entweder 
325  oder  315  Jahre  «ugepchriebeii  würden  und  dass  endlich  Einige  Aletes  nicht  1091,  bei 
der  Rückkehr  der  Herakliden ,  sondern  erst  30  Jahre  später  in  Korinth  zur  Regierung 
kommen  Hessen.  Nun  giebt  von  1091  315  abgezogen  776 ;  325  +  30  abgezogen  736 ;  und 
dass  sonst  die  Gründung  von  Syrakus  etwa  736  gesetsit  wird,  sahen  wir  schon.  Es  passt 
lUso  in  die  historische  Systematik  der  Alten,  die  Gründung  von  Syrakus  776  zu  setzen ; 
die  Diffiorenz  von  20  Jahren,  die  so  mit  Eusebios  in  der  Ansetzung  des  Aischylos  ent- 
steht, ist  aber  nach  Müller  ebenfalls  sehr  passend.    Denn  sie  ist  überhaupt  vorhanden  in 


384  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

der  Begierungszeit  der  Athenischen  Archonten  Yom  20.  Jahre  Medon's  bis  zum  ^«ten 
zehnjährigen  Archonten  Kreon,  wo  M.P.387,  Eusebios  367  Jahre  rechneten.  In  priorum 
archontum  regnis,  meint  nun  M  I,  579,  sununa  annorum  fuerit  eadem ;  contra  de  Aeschyli 
et  Alcmaeonis  regnis  M.  P.  aliter  statuerit  ac  Eusebius.  Dass  die  Annahme  M's  möglich 
ist,  dass  das  21.  Jahr  des  Aischjlos  nach  dem  M.  P.  das  zweite  Jahr  desselben  nach 
Eusebios  gewesen  sein  kann,  ist  klar.  Dennoch  muss  die  gewöhnliche  Annahme,  wonach 
das  M.  P.  mit  dem  21.  Jahre  des  Aischylos  OL  5,  4  =  757  v.  Chr.  meint,  deswegen  für 
wahrscheinlicher  gelten,  da  hierdurch  eine  Uebereinstimmung  mit  einer  anderweitigen 
Angabe,  der  ans  Diod.  XIU ,  59  citirten ,  hergestellt  wird.  Wir  schliessen  uns  deshalb 
dieser  letzteren  an ,  zumal  da ,  wie  wir  sehen  werden,  das  M.  P.  alsdann  in  einer  andern 
Beziehung  mit  sich  selbst  übereinstimmt. 

Nach  Eusebios  (Vers.  Arm.)  wurde  dagegen  Naxos  Ol.  11,  1  =  736  t.  Chr.  gegrün- 
det, und  Syrakus  (nebst  Katana)  Ol.  11,  3  =  734.  Hier  ist,  abgesehen  von  der  Gleich- 
zeitigkeit Katana's,  die  wir  unbeachtet  lassen  müssen ,  eine  kleine  Abweichung  von 
Thukydides  darin  vorhanden ,  dass  dieser  Syrakus  1  Jahr  nach  Naxos  gegründet  sein 
lässt.  Da  wir  nun  ohne  Zweifel  Thukydides  in  diesem  Punkte  folgen  müssen ,  so  fragt 
sich,  welche  von  beiden  Angaben  bei  Eusebios  festzuhalten  ist.  Da  nun  Eusebios  später 
die  Gründung  GeU's  Ol.  22,  3ss690  v.  Chr.  setzt,  so  fiele  die  Gründung  von  Syrakus 
durch  Zurechnung  der  45  Jahre  des  Thukydides  in  Ol.  11,  2»  735  v.  Chr.  und  wir  hätten 
die  Eusebische  Ansetzung  von  Naxos  festzuhalten.  Wenn  wir  aber  bedenken,  dass  Euse- 
bios ELamarina's  Gründung  in  Ol.  45,  3=598  v.  Chr.  setzt,  so  käme  durch  Hinzurech- 
nung der  Thukydideischen  135  Jahre  Ol.  11,  4  »733  als  Gründungsjahr  von  Syrakus 
heraus,  und  dies  muss  uns  bewegen,  Ol.  11,  3=734  v.  Chr.  als  Grttndungsjahr  von  Syra- 
kus bei  Eusebios  festzuhalten.  Auf  Hieronymus  ist  hier  liberall  keine  Rücksicht  genom- 
men ;  er  setzt  die  Gründung  von  Naxos  sowohl  wie  die  von  Syrakus  4  Jahre  früher  als 
der  armenische  Eusebios ;  Ol.  10,  3  =  738  als  Gründungsjahr  von  Syrakus  passt  aber  In 
keine  Berechnung. 

Wir  bemerken  nun  eine  ähnliche  Uebereinstimmung,  wie  zwischen  Diodor  und  dem 
M.  P.  in  Betreff  des  J.  756  oder  57,  so  zwischen  Eusebios  und  Pindar  nebst  dessen  Scho- 
lien  in  Betreff  des  J.  733  oder  34.  Thukydides,  wenn  er  sich  auch  nicht  bestimmt  genug 
ausdrückt,  ist  doch  von  der  ersteren  Annahme  weit  entfernt^  und  schliesst  sich  der 
letzteren  an.  Die  Differenz  der  beiden  Annahmen  beträgt  20—25  Jahre ,  zwischen  dem 
M.  P.  und  Eusebios  insbesondere  23  Jahre.  Dieselbe  Verschiedenheit  waltet  aber  in  den 
mythischen  Dingen  zwischen  diesen  beiden  Chronologien  ob ,  wie  denn  das  M.  P.  den 
Anfang  des  Trojanischen  Krieges  auf  1217  v.  Chr.,  das  Ende  auf  1208  setzt,  während 
Eusebios  für  letzteres  1184  hat.  Was  aber  die  Wahl  zwischen  beiden  Annahmen  be- 
trifft, so  kann  sie  nicht  wohl  schwanken.  734  muss  757  vorgezogen  werden,  da  die 
meisten  und  besten  Quellen  dafür  sprechen,  insbesondere  Thukydides  und  Pipdar.  Denn 
wenn  der  Letztere  auch  nur  unbestimmt  sagt,  im  J.  476  stehe  Akragas  100  Jahre,  so 
ist  doch  klar ,  dass  dies  eher  eine  580  als  604  geschehene  Gründung  der  Stadt  vorana- 
setzen  lässt. 

Und  nun  bleibt  nur  noch  ein  Entwurf  gegen  unsre  Annahme  wegzuräumen ,  den  wir 
mit  0.  MüUer's  Worten,  der  ihn  gemacht  hat,  geben.  Er  sagt  Dor.  I,  123  ji.  2 :  »Megara 
gegründet  im  selben  Jahre  mit  Naxos  Ol.  11,  3  nach  Ephoros  (s.  o.),  nach  dem  genaueren 
Thukydides  VI,  4  in  einiger  Zeit  nachher ,  245  vor  dor  Zerstörung  durch  Gelon.  Gr. 
herrschte  von  Ol.  72,  2  in  Gela,  von  73,  4  bis  75,  3  zu  Syrakus.  Nach  Herod.  VII,  156 
scheint  es,  dass  er  Megara  etwa  74,  2  eroberte ,  dann  träfe  die  Erbauung  13,  1.  Dann 
muss  aber  die  Ankunft  des  Megarer  Lamis  nach  Thuk.  Erzählung  eine  Beihe  Jahre 
vorausgehen ;  diese  ist  der  Gründung  von  Leontini  gleichzeitig',  die  5  Jahre  auf  die  von 
Syrakus  folgte.  Damit  ist  also  Eusebios  unverträglich,  der  dessen  Erbauung  Ol.  11,  4 
(Hieron.  Seal.)  setzt,  und  besser  stimmt  die  Angabe  des  M.  P.  5,  3.«   Es  ist  aber  erstens 


Zu  Buch  II,  Kap.  2,  Seite  lt6.  385 

nicht  richtig ,  dass  eine  Reihe  von  Jahren  zwischen  der  Ankunft  des  Lamis  und  der 
Gründung  von  Megara  verfliessen  mussten.  Nach  Poiyaen.  V,  5,  2  wohnten  die  Megarer 
einen  Winter  in  Trotilon  und  C  Mon^  in  Leontini.  Wenn  sie  nun  noch  ganz  kurze  Zeit  in 
ThapsoB  wohnten,  so  kann  14—15  Monate  nach  der  Gründung  von  Trotilon  bereits  Megara 
gegründet  sein.  Angenommen,  Trotilon  sei  13,  1  gegründet,  kann  Megara  schon  13,  2 
angelegt  sein,  und  da  Gelon  auch  Ol.  74,  3  Megara  erobert  haben  kann ,  so  passt  Alles. 
Da  wir  übrigens  11,3  als  Gründungsjahr  von  Syrakus  gesetzt  haben,  so  kann  sogar  74,  2 
mit  0.  MüUer  beibehalten  werden.  Es  kommt  aber  noch  Eins  hinzu.  Die  Thuky- 
dideischen  Worte  xara  top  uvroy  XQ^*'°''  schliessen  nicht  aus ,  dass  Trotilon  nicht  schon 
einige  Monate  vorher  gegründet  sein  könnte.  Es  ist  auch  nicht  unbedenklich,  Polyaen's 
Zeltbestimmungen  mit  denen  des  Thukydides  zu  combiniren ,  da  Poiyaen  die  Megarer 
nicht  von  Trotilon  nach  Leontini,  sondern  von  Leontini  nach  Trotilon  ziehen  lässt.  Vgl. 
unten  bei  T^muXov.  Jedenfalls  steht  fest,  dass,  wenn  Syrakus  11,  3  gegründet  ist, 
Trotilon  12,  4  und  Megara  13,  1  gegründet  sein  können,  womit  Müller's  Bedenken  weg- 
fallen. 

Endlich  könnte 'man  noch  eine  dritte  Gründungszeit  für  Syrakus  aus  Antiochos  bei 
Str.  VI,  ],  12  und  VI,  2,  4  schliessen.  Hiemach  wäre  Syrakus  zugleich  mit  Kroton 
gegründet  worden,  das  nach  gewöhnlicher  Annahme  um  710  v.  Chr.  (Ol.  17,  3  nach  D 
Hai.  n,  59)  oder  708  (Ol.  18,  1  nach  dem  armenischen  Eusebios),  angelegt  wurde.  Auch 
diese  Zeitbestimmung  wäre  dann  wieder  24  Jahre  von  der  vorigen  entfernt. 

Nach  dem  Vorhergehenden  wäre  nun  die  Gründungszeit  der  von  Thukydides  chrono- 
logisch bestimmten  Städte  folgende : 

OL  11,  2  —  735  V.  Chr.  Naxos  gegründet, 

OL  — ,  3  —  734  »      »    Syrakus        » 

Ol.  12,  4  —  729  »      »     Leontini,  Katana  gegründet. 

Ol.  13,  1  —  728  »      »     Megara  ' 

OL  22,  4  —  689  »      »     Gela 

Ol.  29,  1  —  664  «      >     Akrai  » 

Ol.  34,  1  —  644  »      »     Kasmenai  » 

OL  38,  1  —  628  »      »     Selinus 

OL  45,  2  —  599  »      »     Kamarina  » 

OL  49,  4  >-  581  »      a    Akragas  » 

Von  der  Gründungszeit  der  übrigen  hellenischen  Kolonien  wird  später  die  Rede  sein.  — 
Aussendung  der  Kolonien  nach  Westen  rfpfxa  t)  nov  'Innoßoxöiv  xaXovfjLii^ri  inexQarfi 
TtoUiiia,  nach  Arist.  bei  Str.  X,  1,  8. 

S.^18  Naxos.  Ueber  Theokies  und  sein  Unternehmen  am  ausführlichsten  Str.  VI, 

2,  2  nachEphoros,  der  ihn  für  einen  Athener  erklärt;  Thuk.  VI,  3  sagt  das  nicht.  (Woher 
kommt  die  tov*Attlxov  yivovg  fjtoiQa  ov  jioXkrif  die  nach  Paus.  V>  25,  6  in  Sicilien  ist?) 
Bei  Hellan.  (fr.  50  M)  bei  St.  B.  s.  v.  Xalxis  und  s.  v.  KnTdvrj  ist  er  aus  Chalkis.  -  Ueber 
die  Lage  von  N.  auf  Capo  Schisö  Faz.  58 ;  D.  455.  56,  der  von  dem  Vorgebirge  sagt :  it 
is  bnt  siightly  elevated  above  the  sea,  and  is  rugged  with  ridges  of  black  lava,  preserving 
no  vestige,  save  in  broken  pottery,  of  its  occupation  in  ancient  times.  So  sagte  schon 
Pausan.  VI,  13,  8  dass  ov^i  iQflnta  von  Naxos  übrig  seien.  Vgl.  dagegen  Ferrara,  Me- 
morie  sopra  il  lago  Naftia  etc.  Pal.  1805.  —  Von  dem  Apollon  Archegetes  Thuk.  VI, 

3.  —  Die  Statue  dos  heil.  Pancratius  ist  übrigens  nach  D.  456  erst  im  J.  1691  errichtet. — 
Ueber  die  Hafeniosigkeit  der  Gegend  Sm.  130.  —  Das  Aphrodision  erwähnt  bei  App. 
B  C  V,  109  der  auch  von  dem  uyaXfjidriov  des  Apollon  Archegetes  spricht.  Vgl.  über  das 
Aphrod.  Cluv.  111.  112,  der  die  Stellen  der  Prov.  Vatic.  [ri^^a  Na^taxd.  ri^^a  Htxskol 
ijyovai  td  dvÖQfla  xa\  yvvaixeia  atäoTa.  r^v  dl  Iv  I^txelixj  Nd^tp  jifAtvog  ijii&aldaaiov 
i4(fQodijTis,  iy  ^  fiiydla  ctWola  dvixtivto)  Suid.  u.  s.  w.,  welche  von  yi^^a,  gerrae  Siculae 
sprechen,  abdruckt.    Oberhalb Taormina's  liegt  der  Mte.  Venerelia.  —  Falsche  An> 

Holm,  Gesch.  SicUiens.  I.  26 


386  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

nahmen  über  die  Lage  von  Naxos.  Gl.  109  setzt  es  an  den  F.  freddo,  südlich  vom 
Cantara;  das  geht  nicht  wegen  Diod.  XVI,  7,  wo  der  Tauros  ein  Aoyof  vTrhg  rijQ  Hd^ov 
genannt  wird  Sodann  hat  Grote  U,  283  aus  Thuk.  VI,  3,  Diod.  XIV,  59  und  88  combi- 
nirt .  dass  Theokies  zuerst  den  Berg  Tauros  besetzt  habe ,  und  dass  auf  diesem  Berge 
der  Altar  des  Archegetes  errichtet  wurde.  Diese  wiUkflrliche  Annahme  bat  dann 
Dnncker,  Gesch.  des  Alterthums,  weiter  dahin  ausgebildet,  dass  Naxos  anfangs  auf  dem 
Berge  gelegen  habe ,  wofür  Nichts  spricht.  —  Bakchos  und  ApoUon  auf  Münzen  von  N. 
bei  Mionnet  I,  262.  263;  eine  Münze  der  Sammlung  de  Lujrnes  (Silber.  Gewicht  2,  15)  hat 
Assinos  bei  gehörntem  Kopf;  Rev.  Satyr.  Eigenthümlicher  Weise  erinnert  der  Name  des 
Naxos  nahen  Flusses  Akesines  an  Indien ,  und  somit  an  den  Zug  des  Bakchos. 

S.  120.  Syrakus.  2üQdxovaai  die  attische,  2*u^»xoffa£  die  dorische  Form,  dichte- 
risch auch  i:vQttxoaaai\  auch  im  Sing.  £vgdxovaa,  — »ovüaa,  — xoatt,  Einwohner 
ZvQaxoaiot  nach  einheimischem  und  attischem  Gebrauch;  seltener — xovatot,  —  tf  J^vga- 
xoaCa  das  Gebiet  von  Syrakus.  —  Lat.  Syracusae ,  Syracusanus.  Die  Geschichte  des 
Archias  Plut.  narr.  am.  2  (Hutt.  XU)  Diod.  Exe.  virtt.  A.  war  ein  Heraklide  nach 
Thuk.  VI,  3 ;  das  M.  Par.  nennt  ihn  S4xarog  dno  Trj^uivov,  was  doch  heissen  soll,  dass  er 
von  Temenos  abstammte,  dem  Stifter  der  argi vischen  Heraklidendynastie.  Da  nun  die 
Bakchiaden  nicht  von  Temenos,  sondern  von  Aletes  abstammten ,  so  wäre  hiemach  Ar- 
chias kein  Bakchiade  gewesen.  Allerdings  wird  er  nirgends  ausdrücklich  Bakchiade  ge- 
nannt; aber  es  ist  an  sich  wahrscheinlich,  dass  er  es  war,  und  dann  heisst  es  bei  Plut. 
1.  1.,  dass  Melissos  xetttßoa  t«oi'  Baxxia^tSv.  Ov.  Met.  V,  407  nennt  die  Gründer  von 
Syrakus  Bacchiadae,  bimari  gens  orta  Corintho.  Die  Worte  (ffx.  an,  7^^.  fiisst  übrigens 
M  I,  578  nur  als  chronologische  Angabe  auf.  Dieselbe  Geschichte  wird  von  Schol.  Ap. 
Rh.  IV,  1212.  1216  von  Chersikrates  erzählt,  der  ausdrücklich  Bakchiade  genannt  wird, 
^voraus  Müller  1. 1.  schliesst.  dass  auch  Archias  ein  Bakchiade  gewesen  sein  müsse.  Er 
mochte  sogar  unter  Berufung  auf  Hellanikos  fr.  5  Archias  und  Chersikrates  für  iden- 
tisch erklären,  was  doch  bedenklich  ist.  Von  dem  Archias  und  Myskellos  zu  Theil  ge- 
wordenen Orakel  Str.  VI,  2,  4  und  Paus.  V,  7,  3  (hier  die  Verse :  ^Oqxvylri  ns  xittai  ir 
rjSQOitSfC  norrt^  TQiv«xlrig  xai^vTVi^'Hv ^  tv  ^AX(fuov  arofia  ßXv^ii  Miayofievov  nriytug 
evQin€{i]s  \4QS&ovai}<:),  Auswanderer  aus  Tenea  Str.  VIII,  6,  22.  --  Eumelos  dabei  nach 
Giern.  AI.  Str.  I,  p.  298.  —  Dass  ein  lamide  mitging,  Pind.  Ol.  VI,  6,  und  Boeckh,  Ein!, 
zu  dieser  Ode.  —  Die  Geschichte  von  Aithiops  nach  Demetrios  von  Skepsis  aus  Archi- 
lochos  Athen.  IV,  167.  —  lieber  die  Fahrt  des  Archias  längs  der  italischen  Küste  Str. 
VI,  2,  4.  —  Arch.  unterstützt  Myskellos  bei  der  Gründung  von  Eroton  Str.  VI,  1,  12. 
Die  MUnzen  von  Kroton  Leake,  NH  Italy  p.  118 ;  über  die  lokrischen  Münzen  mit  korin- 
thischen Typen  Mi  I,  S.  321  und  Leake,  NH  Eur.  Gr.  p.  63,  der  sie  in  Naupaktos  geprägt 
glaubt.  —  Ueber  die  Erhebung  Ortygia's  über  die  Meeresfläche  S.  Cavallari  im  Giomale 
di  Sicilia  1.  Luglio  1864. 

S.  123.  Arethusa.  ^jiQid-ovaa,  dor.  'u^Qi&oura,  Dass  sie  stets  da  gewesen,  wo  sie  jetzt 
ist ,  hat  auch  Cluver  nicht  geläugnet ,  dessen  allerdings  leicht  misszuverstehende  Worte 
(198)  Bonanni  S.  ISff.  zu  einem  sehr  überflüssigen  Angriffe  auf  Cluver  bewogen  haben.— 
Die  Arethusa  in  älterer  Zeit  erwähnt:  im  Orakel  Paus.  V,  7,  3  (ob  acht?);  von  Ibykos 
(6.  Jahrh.  vor  Chr.)  bei  Schol.  Theoer.  I,  117  (Schneidew.  Ib.  p.  184);  Pind.  Nem.  I,  1 : 
äfinvevfjia  asfjivov  *AXipsov\  später  oft.  Cic.  Verr.  IV,  53 :  in  hac  insula  extrema  est  fons 
aquae  dulcis,  cui  nomen  Arethusa  est  —  incredibili  magnitudine,  plenissimus  piscium,  qui 
fluctu  totus  operiretur ,  nisi  munitione  ac  mole  lapidum  diiunctus  esset  a  mari.  Diod. 
V.  3  lässt  sie  von  den  Nymphen  geschaffen  sein  und  spricht  ausführlich  von  den  Fischen 
der  Quelle.  Sil.  XIV,  53  piscoso  fönte.  Während  Bonanni  27  von  Fischen  daselbst  Nichts 
weiss,  hat  Eephalides  II,  4  wieder  Angler  dort  gefunden.  Alpheios,  ein  d^^^vjjiq^  in  die 
Arethusa,  die  [auch  Jägerin  ist,  verliebt  Paus.  V,  7,  2.  Aehnlich  Ov.  Met.  V,  573  ff., 
wo  es  Nymphe  und  Flussgott  sind.  Dagegen  Schol.  Pind.  Nem.  I»  1 :  thv  yag  liXtpMv  if^aa^ 


Zu  Buch  II,  Kap.  2,  S.  120-124.  387 

l'oAiTf  alovra  rtiq^AgrifJudog^  ^nidtta^at  avrriv  n^Qi  Tijq  2txfX((tg.  tov  Jt  Tilovg  rijg  Sim^ttag 

avioO-i  Y^vofA^vov,  avTOxf-i  auOT^t^at  Ti]v\4Qid^ovaav.  dta  rovxo  6k  xai  Trjv^u4Qr6f4iv  [/iXtpuoav 

71  QogityoQfvtad^ai.  —  Ueber  den  Zusammenhang  des  Alpheios  mit  der  Arethusa  Str.  VI, 

2,  4,  auch  nach  dem  diesmal  gläubigen  Timaios.  —  Nonnos  XIII,  325  lässt  ihn  dxQordiov 

Sid  novtov  gehen.     Hoschos  (Cluv.  irrth.  Theokr.)  VII,  4 :   t«?'   6h  d-dXaaaav  NigS-tv 

vitorqcxitei.,  xov  ftfyvvxai  v6aaiv  v6(og,    Sidon.  ApoH.  IX,  100 :  per  ima  ponti.    Ov.  Met. 

V,  639  caecis  mersa  cavernis.  Pausanias  spricht  zweimal  von  der  Sage,  V,  7,  2  und  VIII, 

54,  3,  nach  Cluv.  195  einmal  super,  das  andere  Mal  subter  mare;  ich  finde,  dass  er  auch 

V,  7,  2 ,  wo  er  nach  Cluv.  per  subterraneos  specus  fliessen  soll ,  Sia  tijg  O^aXdaofjg  fliesst. 

Bei  Str.  VI,  2,  4  müsste,  meine  ich,  statt  J««  tov  neXdyovg  vno  yijg,  was  ein  Widerspruch 

ist,  öno  TOV  neXayovs  6t«  y^g  gelesen  werden.  —  Dass  die  Arethusa  der  Alpheios  selbst 

ist,  zeigt  besonders  Verg.  Aen.  III,  695 :  qui  nunc  Ore,  Arethusa,  tuo ,  Siculis  confun- 

ditur  undis.  —  Ueber  den  oculus  Zilicae  Mar.  Ar.  p.  8.    Sm.  171  sagt  von  dem  Occhio 

della  Zilica :  This,  the  poets  assert,  is  Alpheus.    Die  Dichter  sagen  Nichts  davon.    Vgl. 

über  den  0.  d.  Z.  D.  332,  nach  welchem  it  has  so  often  been  sought  for  in  vain,  that  the 

fact  of  its  existence  may  be  called  in  question.  —  Ath.  II,  42  sagt  ■  fiovov  ^uT^Qafivop 

Tt5v  ttXvx<Sv  To  T^c  'u^QfO^vaTjg.    Aber  geht  das  auf  die  siciiische  Arethusa.  —  Erdbeben 

4.  Febr.  1170  nach  La  Lumia,  Storia  d.  Sic.  sotto  Guglielmo  il  Buono  Fir.  1867.  S. 
116.  —  Schilderungen  der  Arethusa  bei  allen  Reisenden,  zuletzt  D.  350.  51.  Schubring, 
Bewäss.  von  Syr.  608.  —  Sonderbar  Ar.  Mir.  172,  dass  die  Ar.  cTm  n€vTatTr}QC6og  xivtl- 
a&ftt.  —  Um  das  Ende  des  Mittelalters  sind  mit  den  Festungswerken  um  die  Arethusa 
Veränderungen  vorgenommen ,  über  die  Fazell  berichtet,  und  wodurch  auch  einzelne, 
früher  sprudelnde  Quellen  beschränkt  wurden.  Bonanni  spricht  S.  28  sich  dahin  aus, 
cheAretusa  se  den  vi  dal  continente,  und  diese,  später  von  Anderen,  wie  Ferrara,  Campi 
Flegrei  p.  36,  sowie  im  Bull.  1856  S.  45—49  von  Cavallari  angedeutete  Ansicht  ist  neuer- 
dings weiter  ausgeführt  worden  von  Schubring  in  s.  Bewäss.  v.  Syrakus.  Philol.  XXII, 
4  S.  577  ff.,  der  jedoch  nicht  berechtigt  war,  ebendas.  S.  634  die  schon  bei  Ibykos  vor- 
kommende Sage  vom  Alpheios  auf  die  Oelonischcn  Wasserleitungen  zurückzuführen.  — 
Ueber  die  anderen  Quellen  dieses  —  von  agSto  hergeleiteten  —  Namens  (in  Euboea, 
Boeotien,  Argolis,*Kephallenia,  Ithaka,  Elis,  Bruttium,  Smyma)  vgl.  Pauly  R  E  I,  2 
1507.  —  Vgl.  St.  B.  s.  V.  ^AQi&ovaa,  wo  (nach  Bochart  und  Meineke)  sowie  bei  Hesych 
s.  V.  KvTidQtt  dieser  Name  als  der  der  sicilischen  Arethusa  erscheint. 

S.  124.  Häfen  von  Syrakus.  Name  des  kleineren  Aaxxto^  Diod.  XIV,  7  ngog  t^ 
fiiM^i^  Xtfjiivi  T^  AaLxxC({i  KttXov^ivfp.  Die  von  Bochart  zuerst  aufgestellte  Herleitung  von 
Xttxxog,  Grube,  Cisteme,  wird  verschieden  gerechtfertigt ;  gewöhnlich,  weil  viele  Cister- 
nen  ihn  umgeben,  so  Gröller  72;  von  Schubring,  Achradina  (Rh.  Mus.  N.  F.  XX,  S.  J5ff.) 

5.  27,  weil  er  »durch  die  dionysischen  Bauten  das  Ansehen  eines  Wasserteiches,  einer 
Cisteme«  erhielt.  Ders.  erwähnt  übrigens  S.  26  die  »ausserordentliche  Menge  von  runden 
Brunnenlöchem,  im  Durchschnitt  von  3'  Durchmesser,  die  an  der  ganzen  Uferflucht  ent- 
lang gehen,  zum  grössten  Theil  jetzt  unter  dem  Wasserspiegel!  liegen  und  mit  der  Salz- 
flut erfüllt  sind.«  Ueber  das  seichte  Wasser  dieses  Hafens  Schubr.  1. 1.  21.  D.  356.  — 
Ueber  den  grossen  Hafen  Str.  VI,  2,  4,  wo  indess  irrigerweise  der  Umfang  auf  80 
Stadien  angesetzt  wird.  Serra  di  F.  IV,  74  vermuthet  deshalb  fi  (40)  statt  n.  Breite  des 
Eingangs  Thuk.  VII,  59.  Faz.  93  sagt :  500  Schritt.  —  Den  Hafen  rühmt  Sm.  163.  —  Der 
portus  marmoreus  wird  erwähnt  von  Florus  11,  6  (34) .  -  Die  Ansicht,  dass  es  der  kleine 
Hafen  gewesen  sei,  die  Fazell,  Mirabella  und  Cluver  hegten,  gründet  sich  hauptsächlich 
auf  den  mit  Steinplatten  ausgelegten  Grund  desselben.  Schon  Bonanni  119  hat  das  Bei- 
wort marmoreus  vielmehr  auf  den  grossen  Hafen  bezogen ,  und  Schubring  1. 1.  33  führt 
die  für  diesen  sprechenden  Gründe,  die  besonders  die  Vergleichung  mit  Cic.  Verr.  V,  37 
an  die  Hand  giebt,  weiter  aus.  Wenn  Skyl.  13  von  den  beiden  Häfen  sagt,  dass  6  hcQog 
ivxhg  rtlxovg,  6  ^aXXog  If*)  sei,  SO  ist  nicht,  wie  Müller  zu  dies.  Stelle  meint,  alter  ex- 

86» 


^ 


■ 


388  Anhang  II.    Belege  und  Erläntemngen. 

terior  parvus,  sondern  magnns ;  vgl.  Schubr.  26,  —  Bei  Proc.  Rer.  Vand.  I,  14  heisst  er 
Arethusa. 

S.  125.  Mitwirkung  der  Syrakusaner  bei  der  Verlegung  von  Lokri  nach  Str. 
VI,  1,  7.  Grote  II»  20S  Anm.  71  nimmt  eine  lieber  treibung  durch  den  syrakusanischen 
GrCschichtsBchreiber  Antiochos  an.  Dagegen  0.  Müller  Dor.  II,  224 ,  wo  auch  lokrische 
Münztypen,  Pallas,  Pegasos,  Persephone,  von  diesen  korinthischen  Syrakusiem  herge- 
leitet werden.  Hiertiber  vgl.  oben. 

S.  125.  Von  den  s^wei  TOchtern  und  dem  Tode  des  Archias  Plnt.  narr  am.  2. 
Man  könnte  angesichts  solcher  Sagen  fragen ,  ob  nicht  der  Name  Archias  ebenfalls  blos 
mythisch  wäre  —  den  Gründer  bezeichnend  —  und  einen  Schritt  weiter  gehend  in 
Theokies  den  ^eoKlrjrog ,  den  vom  Apollon  Berufenen  sehen.  Herleitung  des  Namens 
Syrakus  von  der  Xifiyri  ofioQos  Ps.  Sk.  281.  St.  B.  s.  v.  ZvQoxovaai  —  xal  Ufivri^  titis 
xttXfictti  Zvgaxd  nebst  St.  B.  s.  v.  */4xgtiyavT(g,  Wonach  ZvQaxm  freilich  ein  Trorafiog  sein 
müsste.  Vib.  Tyraca  Syracusis.  Die  Verzeichnisse  der  Bürger  im  Olympieion  aufbe- 
wahrt nachPlut.  Nik.  14  :  aavC^at,  dg  Sg  (tmyqaipovro  xara  (pvXag  avrovg  ot  J^vQttxovaioi , 
xelfieyai  ^ämo&ev  rfjg  nolitog  h  leQtß  Jiog  *OXvfiicCov,  Uebrigens  glaubt  Bonanni  144 
nicht,  dass  es  das  Oljrmpieion  am  grossen  Hafen  gewesen  sei ;  denn  weshalb  hätten  sie 
die  Tafeln  zu  Schiffe  geholt?  Man  sieht,  dass  B.  keinen  rechten  Begriff  von  den  Vorzügen 
der  Schifffahrt  vor  dem  Landtransporte  hat. 

S.  126.  Ortygia  heisst  Nasos  bei  Liv.  XXV,  24.  — üeber  die  Verbindung  Ortygia's 
mit  dem  Lande  vgl.  Str.  I,  3,  18  :  inl  xi]g  TZQog  Zvgaxouaaig  vifaov  vvv  filv  yä(pvQd  iarir 
ff  awanrovaa  avTtjv  TiQogrrii'  ipruQoVj  tiqotiqov  dk  x^f*^>  wf  y »;<T*v  "//Ji/xof,  koyatov  kC&ov, 
ov  xaXfi  ixXsxzov.  Vgl.  Schneidewin  zu  Ibykos  188.  89,  der  Strabon's  Identificining  von 
ixXfxTog  mit  XoyaTog  für  einen  Irrthum  halten  mOchte.  Aber  wenn  auch  X,  Xoya7oi  oder 
Xoyadeg  lapides  collecticii  sind,  so  schliesst  das  ein  Auswählen  der  besseren  Steine  nicht 
aus,  was  in  ixXexrog  liegt.  Schol.  Pind.  Ol.  VI,  158  :  vrjaog  xal  axo^fiarog.  Auch  Str.  VI, 
2,  4.  Schubring,  Achrad.  17  vermuthet,  dass  Marcellus  den  Damm  durchschnitten  habe, 
um  die  Insel  fester  zu  machen.  Ders.  spricht  ebendas.  über  die  spätere  Zeit ,  wo  jedoch 
seine  Anführungen  aus  Fazell  nicht  ganz  genau  zu  sein  scheinen.  F.  93  sagt :  mea  vero 
aetate,  et  pluribus  ante  annis,  iterum  in  peninsulam  reducta,  tenui  isthmo  Siciüae  erat 
adjuncta.  Deinde  Carolus  V.  Caesar  —  isthmum  perfringere  —  conatus  est,  d.  h.  vor 
Fazell  war  ein  Isthmus  da,  den  Karl  V.,  durchstechen  Hess.  Vgl.  Bonanni  37:  Mario 
Arezio  afferma  che  il  ponte  fü  disfatto  al  suo  tempo ;  cred'io  che  egü  ragiona  dei  fon- 
damenti. 

S.  126,  L^;ifpa(ff  vf7  {»XQ^^f  aöog,  ^  wilde  Birne).  Alles  diesen  Stadttheil  und  be- 
sonders seine  Ausdehnung  Betreffende  findet  sich  erwogen  in  der  oben  angeführten  Ab- 
handlung Schubring's :  Achradiua,  welche  hauptsächlich  gerichtet  ist  gegen  S.  Cavallari's 
Topographie  von  Syrakus.  Göttingen  1845.  8,  dem  sich,  wenigstens  theilweise,  ange- 
schlossen hatte  Grote  IV,  698.  —  lieber  die  Latomien  und  ihren  landschaftlichen 
Charakter  vgl.  alle  Reisenden.  Name:  XaTOfiCai  oder  Xtd-oroutai,  wie  Thuk.  VII,  87 
sagt.  Als  in  der  Zeit  des  Xenophanes  vorhanden  erwähnt  Orig.  Phil.  X,  6  p.  312  Mill. 
lieber  das  Alter  der  verschiedenen  syrakusanischen  Latomien ,  wovon  noch  die  Rede 
sein  wird,  vgl.  Schubring,  Bewässer.  von  Syrakus  61 7  ff.  lieber  die  Lat.Casale  ders.  626. 
Bemerkenswerth  ist  noch  die  Notiz  des  Paus.  V,  8,  8,  dass  Ol.  33— 648 v.Chr.  Lygdamis 
aus  Syrakus  in  den  Olympischen  Spielen  im  Pankration  siegte,  von  dem  ein  (xvJintt 
existire,  bei  den  Xiihoroutatg, 

S.  127.  üeber  die  Katakomben  vgl.  Serra  di  F.  IV,  Erläut.  zu  Tav.  XII.  D.  344 
sagt :  We  will  observe,  that  there  is  evidence  on  the  spot ,  not  only  that  excavations  on 
this  Site  were  formed  prior  to  the  construction  of  the  catacombs ,  properiy  so  called ,  and 
for  different  purposes,  but  that  the  sepulchral  Chambers  and  niches ,  if  in  construction 


Zu  Bach  II,  Kap.  2,  S.  125>-131.  3Sg 

dating  from  the  Hellonic  days  of  Syracuse,  wero  appropriatcd  as  scpulchros  in  late  Roman 
and  Christian  times ,  to  such  an  eztent ,  as  to  havo  obliterated  all  traces  of  an  earlier 
occupation  by  thcGreeks.  Schubring,  Achradina  62  meint  erstens,  dass  die  unterirdische 
Todtenstadt  die  über  ihr  webende  Welt  der  Lebendigen  gar  nicht  genirte ;  Beweis :  die 
Katakomben  Ortygia's  in  der  Kirche  S.  Filippo ;  und  sodann,  dass  sie  erst  am  Ende  der 
griechischen  und  namentlich  in  der  römischen  Epoche  angefangen  worden  sind. 

S.  128.  lieber  das  Forum  von  Syrakns  Cic.  Verr.  V,  37,  wo  die  Seeräuber  in  den 
grossen  Hafen  eindringen ,  und  dadurch  usque  ad  forum  Syracusanorum  kommen ,  und 
Gic.  Verr.  lY,  53 ,  wo  das  forum  maximum  ausdrOcklich  als  in  der  Achradina  liegend 
genannt  wird.  Ueber  das  tilioTQOTriov  Plut.  Dion.  29 :  ^v  Ji  vno  tvjv  axQonolip  xal  tu 
mvxdnvXa  rihorgontw  xaraqavis  xaX  viprjXov.  Die  Akropolis  war  aber  Ortygia  und  die 
TtiyTttTivXa  der  befestigte  Eingang  derselben.  Dieses  t;ltoTit6niov  lag  nach  Athen.  Y,  207 
in  der  Achradina.  Ygl.  Schubring,  Achradina  38  ff.  wo  ich  nur  die  Identificirung  von 
nfvTdnvXu  und  rilioT^Ttior,  und  was  damit  zusammenhängt,  nicht  billige.  In  der  citirten 
Plutarchischen  Stelle  ist  vor  r«  nevrdnvXa  vno  zu  ergänzen.  Auf  den  vom  forum  und 
dem  nhoxQOTfiov  hergenommenen  Grund  für  die  Ausdehnung  Achradina^s  bin  ich  unab- 
hängig von  Schubring  gekommen. 

S.  129.  Ueber  die  Lage  des  Olympieion  und  der  dortigen  Yorstadt  —  nolix^n  — 
vgl.  D.  358—60. 

S.  130.  A^ovxlvoi  auch  Aio%'iivtov  n6?,is  genannt.  Aeovnov  sagt  Ptol.;  die  hand- 
schriftliche Lesart  ^£oyrif  beiPs.  Sk.  283  kann  nicht  richtig  sein.  Das  Gablet  (?)  ff  Ahoviivti 
Str.  YI,  2,  6.  —  Die  Lage  der  Stadt  genau  geschildert  von  Polyb.  YII,  6.  —  Die  List  des 
Theokies  Polyaen.  Y,  5,  1.  —  Ueber  den  Wechsel  der  Benennung  der  Ebenen  s.  o.  unter 
Symaithos.  Skyl.  13 :  iig  rov^  Atovrlvovg  xara  TrjQlav  TfoxafAOv  ardnlovc  x  aradCtov, 
wo  X  falsch  ist  und  Cluv.  ^*  lesen  will.  Ders.  149  sagt,  dass  der  S.  Leonardo  1000  Schritte 
von  Leontini  entfernt  sei.  Neustadt  Leontini  erwähnt  Diod.  XYI,  72.  Yon  den  Ein- 
wohnern [AiovrXvoiy  Leontini)  war  das  Sprichwort:  (ti\  ntgl  lovs  xQuitj^ng.  Apostol. 
cent.  J  n.  6.  Ygl.  über  Leontini  Faz.  79—83.  Cl.  150—55.  D.  380—82,  wonach  beyond 
sepulchral  caves  and  a  few  sewers  in  the  cliffs ,  around  Lentini  keine  Reste  des  Alter- 
thums  vorhanden  sind.  In  ancient  times,  setzt  er  hinzu,  the  summits  of  the  cliffs  over- 
hanging  the  town  were  covered  with  temples  and  houses.  -  Die  bei  Mi  I,  p.  246  auf- 
gezählten Münzen  Leontini's  enthalten  die  im  Text  angegebenen  Typen. 

S.  130.  Xa  rdvTi  St.  B.  h.  V. sagt  x^xkrirai  J^  ovrcog,  imidrj  xuT^ßfj  tiqos  rov^Afiivarov 
(Hdschr.  —  tXtavov)  norafiov  17  OioxXiovs  tov  XaXxiS^wg  vavg,  ^p  ^ftagitTs  ;|fW(>lff  rov  v 
VKV  qaaiv  71  oTi  r^s  Attvrig  xaraxid-Uar^g  ra  ävto  xarw  yfyovfr.  —  Nach  Mov.  II,  2,  329 
»klein«  bedeutend,  entweder  die  kleine  Stadt  oder  den  kleinen  Hafen  zu  bezeichnen. 
Nach  Plut.  Dion.  58  würde  es  eigentlich  TvQoxvtiarig  —  Käsereibe  —  bedeuten.  Bei  den 
Römern  ausser  Catana  auch  Catina ,  mit  derselben  Yeränderung ,  wie  in  Agrigentum, 
Numidae.  Einwohner  Kutavaiot ,  Catinenses  (Just.  lY,  3  Catinienses).  —  Ygl.  Faz. 
69—75.  Cl  138—43.  D.  387.  Die  Münzen  bei  Mi  I,  p.  224—26.  —  Ueber  Katana  vgl. 
die  oben  angeführten  Werke  von  Carrera  und  Amico;  Serra  di  Falco  Y ;  sowie  F.  Fer- 
rara,  Storia  di  Catania.  Cat.  1829.  8.  0.  Gemmellaro,  Saggio  di  storia  fisica  di  Catania. 
Cat.  1849.  4.  Y.  Bondice,  Gli  antichi  monumenti  di  Catania.  1859.  8. 

8.  131.  KaXXlnoXtg  Herod.  YII,  154  [KaXXinoXXrai)  Str.  YI,  2,  6.  Ps.  Sk.  286. 
St.  B.  Sil.  XIY,  249.  Cl.  480  denkt  an  Mascali,  wo  Fazell  Ruinen  erwähnt.  Neuerdings 
ist  Gallidoro  nördlich  von  Taormina ,  ohne  besonderen  Grund  vermuthet.  Ygl.  D.  454. 
Giarre  wäre  es  nach  der  Ansicht  der  Einwohner  dieser  Stadt.  Schubring  ist  ftir  Mascali 
und  Annunziata. 

S.  131.  Evßoia  Herod.  YII,  154  {Evßotig)  Str.  YI,  2,  6.  X,  1,  15.  Cl.  480  denkt  an 
Licodia  di  Yizzini ,  von  dessen  antiken  Ruinen  unter  andern  Forbin,  Sonv.  p.  108—10 
spricht.  D.  374. 


390  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

S.  131.  lieber  die  Niederlassungen  der  Megarer  Thuk.  VI,  4  und  Polyaen. 
V,  5,  2,  sowie  die  Darstellung  in  Schubring's  Umwand,  des  Hegar.  Meerb.  in  Sic,  bes. 
S.  446  ff. 

S.  131.  TgtüTi Xov,  Nach  Thuk.  VI,  4  ifn^Q  Ilavtaxiov  nora/itov  TqvjtiXov  t#  ü9'ofi(t 
XtaqCov.  Ol.  157  sagt :  ad  utram Pantagiae  ripam  positum  fuerit,  haud  facile  dietn  est;  nisi 
quod  in  dextra  ostii  ripa  etiam  nunc  est  navale,  vulgo  Bruca  dictum.  Vgl.  Amico  unter  Trotil. 
undD.  386.  Nach  Polyaen.  V,  5,  2  haben  die  Megarer  r^c  ^earrfpvjr  ixn^aovres  Tgoinloy 
xartpxriaav  fx^j^Qi  ivog  j^fifuSroc  (lixtii  ynQ  toüovtou  avyfx^Qtjaav  oi  Xalxi^fh,  während 
nach  Thukydidcs  sie  von  Trotilon  nach  Leontini  und  von  da  nach  Thapsos  gehen.  Sollen 
wir  nun,  wie  Schubr.  S.  447  und  449  stillschweigend  thut,  bei  Polyaen  uns  für  Tgtinlov 
Saxpov  gesetzt  denken?  Dann  wird  aber  erst  recht  aufTallend,  dass  die  Leontiner  über 
das  Wohnen  der  Megarer  in  Thapsos  eine  Verfügung  [awexfOQn^f*^)  gehabt  haben  sollteD, 
da  doch  Thapsos  eigentlich  ausserhalb  ihres  Bereiches  war.  Ein  Anderes  ist  es  mit  Tro- 
tilon, das  den  Leontinem  gehören  konnte.  Am  besten  wären  die  Worte  ftixü^  y^Q 
ToaovTov  —  XalxiSits  auf  das  Wohnen  in  Leontini  bezogen ;  dann  hätte  man  statt  fi^x^' 
hog x^^M-^^'^i  zu  lesen  etwa  6ifX&6vtos  xitfitivosi  und  der  Sinn  wäre:  nach  Verlauf  des 
Winters  —  denn  so  lange  hatten  die  Leontiner  sie  in  ihren  Mauern  geduldet  —  mussten 
sie  nach  Trotilon  abziehen. 

S.  132.  Schilderung  der  Lage  von  Megara  D.  384.  Schubr.  460  ff.  MsyaQig 
nennen  die  Stadt  Diod.  IV,  78 ;  Cic.  Verr.  V,  25  und  Mela  II,  7,  16.  Von  dem  Irrthum 
Cluver's  in  der  Auslegung  der  Stellen  desThukydides,  welche  Megara  und  Hybla  Cleleatis 
betreffen ,  ist  schon  oben  (S.  363)  die  Rede  gewesen :  hier  bemerke  ich  nur  noch ,  dass, 
wenn  Cl.  meint,  H.  Geleatis  müsse  deswegen  am  Meere  gelegen  haben ,  also  Megara  ge- 
wesen sein,  weil  es  von  der  Flotte  belagert  wird,  dies  auf  einem  Irrthum  beruht,  da  die 
Belagerung  von  H.  Geleatis  durch  Landtruppen  bei  Thuk.  VI,  62  keineswegs  ausge- 
schlössen  ist.  —  Einw.  MtyaQug  [ol'YßXaToi  Thuk.  VI,  4),  Megarenses;  Ov.  Fast.  IV, 
47 1  braucht  Megarea  [MiyaQijiog  für  Miyaoixos)  für  Stadt  und  Gebiet  von  Megara.  — 
Münze  von  M.  bei  Mi  I,  p.  251.  Bei  Leake  NH  Sic.  p.  60  sind  Bronzemünzen  von 
Hybla  megala:  verschleierter  weiblicher  Kopf  mit  Krone  oder  Modius,  dahinter  eine 
Biene  (Beweis,  dass  H. megala  wirklich  Megara  war);  Rev.  Bakchos.  Aehnlich  Mi  I,  289 
während  290  abweicht.  Diese  Münzen  zeigen  eine  spätere  Fortdauer  von  Megara  unter 
dem  alten  Namen  an.  Vgl.  auch  oben  S.  363  über  Styella. 

S.  132.  Zdyxkrj.  So  lautet  der  Name  bei  den  Schriftstellern;  die  ältesten  Münzen 
haben  Dankle  {^avxXt) ;  vgl.  das  oben  über  die  Herleitung  von  Cf^yxXij  bemerkte.  St.  B. 
h.  V.  sagt :  ol  fjh  otTto  ZdyxXov  tov  yrjysvovgf  ij  nno  XQiivrig  ZayxXris,  ol  S^  öia  ro  ix(i 

Kqovqv  to  dginavov  anoxQinffai Nlxavdqog  iv  T(fi  ij  JStXiXCag  wxai  rtg  xal  ZayxXrig  Waiy 

jQinavfiidog  aatv*  to  yag  ^q^tikvov  ot  2txiXjo\  C^yxXov  xaXovatv,  — aTog,  ^dixog.  —  Vom 
König  Zanklos,  Diod.  IV,  85.  Nach  Thuk.  VI,  4  ist  der  Name  von  den  Sikelem  gewählt, 
oTi  dQsnarod&kg  ttiv  iJ^av  to  x^Q^ov  iarlv.  So  sagt  Str.  VI,  2,  3  xaXovfiivti  Zdyxhi  6ta 
TTjv  axoXioTrjja  twv  rontov.  —  lieber  die  Gründung  von  Z.  Thuk.  VI,  4 ;  Kolonie  der 
Naxier  nach  Str.  VI,  2,  3.  —  Die  Beziehungen  der  Zankleer  zur  Gründung  von  Rhegion 
(worüber  zu  vergl.  Herakl.  XXV,  nebst  Diod.  Exe.  Vat.  l.  VIII,  c.  23  der  neuesten Dind. 
Ausg.,  sowie  Schneidewin,  Diana  Phacelitis  etc.  Gott.  1832.  8.  S.  4ff.)  nach  Str.  VI,  1,  6 
aus  Antiochos.  Die  Messenier,  die  Rhegion  gründen  halfen,  sind  nach  Str.  VI,  1,  6  ver- 
trieben vnh  Jtav  firi  ßovXofjiivfav  dovvai  öCxag  vti^q  rrjg  (fSi}()äg  rtSv  nagO-ivatv  r^f  h 
ACfAvtttg  yevofiipfig  loU  Aaxiöaifiovioig,  ag  xal  avtag  (ßidaavTO  nifiifd-Haag  inl  r^y 
hQovQyiav  xal  xovg  InißoTj&ovvrag  dizixxitvav»  Nun  ziehen  sie  sich  tig  Mdxtarop  zurück, 
und  Apollon  sagt  ihnen  arMsad^ai  fitra  XuXxtd^v  üg  to  'Ptjyiov;  so  würden  sie  gerettet, 
während  ihr  Vaterland  bald  durch  die  Spartaner  zu  Grunde  gehen  würde,  iv  Aifivatg 
scheint  aber  der  König  Teleklos  von  Sparta  bei  dieser  Gelegenheit  getOdtet  zu  sein, 
dessen  Tod  Müller,  Dor.  II,  468  auf  das  Jahr  318  nach  der  dorischen  Wanderung,  786 


Zu  Bnch  n,  Kap.  2,  S.  131--134.  391 

V.  Chr.  berechnet.  Wenn  nun  Andere  den  Tod  des  Teleklos  in  das  Jahr  813  setzen  (so, 
wie  es  scheint  Br.  de  Pr.  64),  so  berechtigt  doch  Nichts  zur  Annahme,  dass  »le  depart  de 
la  colonie  snivit  presque  immödiatement«  (Br.  de  Pr.  84),  und  dass  man  ihn  812  zu  setzen 
bat.  Wenn  vielmehr  das  Attentat  zu  Limnai  786  Statt  fand,  so  wird  einige  Zeit  ver- 
gangen sein  mit  Streitigkeiten  über  die  Frage,  ob  man  den  Spartanern  Genugthuung  geben 
solle  oder  nicht ;  dann  trennten  sich  die  zum  Frieden  Geneigten  und  gingen  nach  Makistosi 
und  endlich  wanderten  sie  aus.  Die  Gründung  von  Rhegion  muss  aber  jedenfalls  vor  724 
V.  Chr.  geschehen  sein,  da  in  diesem  Jahre  durch  die  Beendigung  des  ersten  messenischen 
Krieges  die  Weissagung  ApoUon's  in  Erfüllung  ging.  Vor  724  war  also  auch  schon 
Zankle  gegründet,  da  die  Zankleer  nach  Str.  VI,  1,  6  /ÄtTtn^fiipayro  'rovs  Xahndäag 
(welche  Bhegion  gründeten) .  Wenn  es  nun  erlaubt  ist ,  Antiochos  aus  Thukydides  zu 
erklären  und  beider  Nachrichten  zu  combiniren,  so  muss  Zankle  nach  Naxos  gegründet 
sein ,  das  Thuk.  die  erste  der  griechischen  Kolonien  Siciliens  nennt ;  obschon  es  aller- 
dings wunderbar  ist,  dass  die  Auswanderung  der  Messenier  nach  Italien  erst  mehr  als 
50  Jahre  nach  dem  Attentat  in  Limnai  erfolgt  sein  soll.  £s  bliebe  freilich  noch  folgender 
Ausweg  übrig.  Nach  Thuk.  VI,  4  Hessen  sich  zuerst  Seeräuber  aus  Kyme  in  Zankle 
nieder;  später  erst  trat  die  eigentliche  Gründung  durch  Perieres  und  Krataimenes  ein. 
Nur  diese  muss  nach  der  Gründung  von  Naxos  Statt  gefunden  haben ;  die  Niederlassung 
der  Xrjiaxtti  braucht  Thuk.  nicht  in  seiner  Chronologie  zu  berücksichtigen.  Wenn  nun 
diese  Xr^atai  die  Chalkidier  aufgefordert  hätten ,  Rhegion  zu  gründen ,  so  könnte  diese 
Stadt  immerhin  schon  vor  735  angelegt  sein,  und  die  Messenier  brauchten  nicht  erst  50 
Jahre  nach  dem  Attentat  auszuwandern.  Dann  brauchte  die  Gründung  von  Zankle  durch 
jene  zwei  otxioral  auch  nicht  vor  724  zu  fallen.  Es  ist  aber  auch  möglich,  dass  Thukydides 
andere  Berichte  vorlagen  als  Antiochos,  und  dass  eine  Combination  Beider  unstatthaft 
ist.  —  Nach  cod.  N.  des  armenischen  Eusebios  sind  in  Sicilia  Selinis  et  Gängle  Ol.  6, 
1—756  V.  Chr.  gegründet  worden.  —  Man  vgl.  noch  Ps.  Sk.  286,  der  mit  Strabon  über- 
einstimmend Zankle  zu  einer  naxisclien  Kolonie  macht ,  vielleicht  nach  dem  von  Beiden 
viel  benutzten  Ephoros),  und  Paus.  IV,  23,  7,  won&oh  Kgaraifiirrig  Zdfuog  und  neQtfjgrig 
U  XttXx^Jog  die  Anführer  der  Xriaral  sind.  Da  aber  Paus,  sich  ebendas.  über  Anaxilas 
schlecht  unterrichtet  zeigt,  so  braucht  man  ihm  auch  in  jenem  Punkte  nicht  zu  glauben ; 
in  Betreff  des  Zdfuog  konnte  eine  Verwechselung  mit  der  späteren  Eroberung  der  Stadt 
durch  Samier  vorliegen.  —  lieber  den  Hafen  von  Messina  Diod.  XIV,  56,  Sm.  113  und 
über  M.  im  Allgemeinen  D.  465  ff.  Nach  Paus.  1. 1.  hätten  die  Af^ara/  zuerst  ummauert 
ooov  n€Q\  Tov  ktfiiva  bQfjLi^rriQCif  nQos  rag  xatadga/ÄCtg  xal  lg  rovg  InlnXovg  1/q<ovjo.  — 
Von  älteren  Werken  über  die  Geschichte Zankle-Messanas  vgl.  S.321,  sowie  CD.  Gallo, 
Annali  della  cittÄ  di  Messina.  III  voll.  Mess.  1756— 1S04  fol.  Von  neueren  Schriften  sind 
zu  nennen:  H.  G.  Ebel,  De  Zandensium  Messanior  umque  rebus  etc.  Berol.  1842.  8.  0. 
A.B.Siefert,  Zankle-Messana.  Progr.Altonal854.4.  Gius.  Coglitore,  Storia  monumentale 
artistica  di  Messina.  Mess.  1863.  4. 

8.  134.  Mvlai  oder  MvXal  (vgl.  Dind.  in  Steph.  Thes.  und  Poppo  zu  Thuk.  111,90 
ed.  min.)  nach  Skyl.  13  noXig,  nach  Diod.  XII,  54  q^ov^itov.  Theophr.  H.  PI.  VIII,  3: 
tr\g  Miaariviag  iv  raig  xalov/jirnig  MvXaig.  St.  B.  h.  V.  aus  Hekataios,  — «fri;?,  —tüiig. 
Die  Grttndungszeit  nach  Eusebios,  wo  Chersonesos  nur  auf  Mylai  gehen  kann.  — 
lieber  die  Lage  von  Milazzo  Sm.  103.  4.  Rüstow,  Der  Italien.  Krieg  von  1860,  S.  224.  D. 
377  ff. 

S.  134.  Von  dem  Scirocco  sagt  D.  XIII :  »on  the  east  coast,  where  it  first  arrives, 
its  effects  are  inconsiderable ,  but,  acquiring  additional  heat  in  its  progrcss  over  thc 
land,  it  becomes  a  serious  inconvenience,  as  it  advances  «. 

S.  134.  lieber  die  Kolonien  und  Fahrten  der  Rhodier  vgl.  Luders,  Die  Kolonien 
der  Rhodier  in  der  Z.  f.  A.  1852,  S.  289—04.    Die  Rhodische  Thalassokratie  nach  Sync. 


392  '       Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

p.  341  (EuB.  ed.  Schoene  p.  68)  und  Hieron.  zum  1101.  Jahr  Abr.  Str.  Xiy,2,  10:  ^reo 
Tfji  *0Xvfd7nxfjg  (hiaftog  avxi'oTc  heaty. 

S.  135.  r^ka,  Ti.  Gründung:  Thuk.  VI,  4.  Das  Orakel  lautet  nach  Diod.  Exe.  Vat. 

1.  VIII  (C.  23  Dind.)  ^Evnfi  ^cff  KQttrw%'oq  ayaxliog  vU  dnttfQOv,  *El&6vTfs  Zuctlift' 
XS^ora  valarov  afjiqtü  ^tifiafiivoi  TiToXUii^QOv  ofjtov  KQTjjm'  \Pnd((ot'  ti  IIclq  TTQO^ofts  nora- 
fioto  nXa  aifvofi(orv/4ov  tcyrov.  In  Etym.  M.  heisst  Qt^At'xCip.  ^  ^Uivofi^t'f)s,  In  Betreff  der 
Etymologie  vgl.  St.  B.  h.  v. :  1.  von  der  Kälte  des  Flusses  (s.o.S.  360);  2.  nach  Proxenoe 
und  Hellanikos  von  Gelon ,  Sohn  der  Aetna  und  des  Hymaros.  3.  nach  Aristainetos  im 
1.  Buch  7t€Ql  ^f^aariXida,  ort  uiaxiog  (über  den  vgl.  Ath.  VII,  298)  xaVAvrCfffifiog  ^hlt^ o\ 
flthovTff  iig  ^fX(forg  fifcvTfvaaaO^ai  f  Tijf  S^  Ilu^iav  —  — TiQogTdaafip  rov  Aaxtov  n^g 
avaroXitg  rjXiov  teXbiv.  tov  cf  *Ay7i.(ftjfiov  yfXaaavjog,  tijv  ITvO-iav  (inttv  naXiv  ,J<f^  ^A/ot» 
Jvafiiäv"  xal  nXav  noXiv  otxCaat.  Das  erinnert  an  die  Geschichte  vom  Telmissos  und 
Galeotes.  Vgl.  über  die  Bedeutung  der  Persönlichkeiten  des  Lakios  und  Antiphemos 
MUH.  Dor.  I,  114,  der  in  ihnen  Personificationen  des  klarischen  Apollonorakels  sieht. 
Ferner  Schol.  Pind.  Ol.  11,  16,  wo  sich  Artemon  und  Menekrates  in  Betreff  der  Schwie- 
rigkeit der  Gründung  Gela's  widersprechen.  M.  sagt,  xara  nminiav  noXXijv  nvrotg 
ndircc  avfißtßfixivai ;  Art.  dagegen  findet  Schwierigkeiten  nefn  rriv  awaytoytiv  aus  dem 
Peloponnes,  Rhodos  und  Kreta,  dann  niQl  tov  didnXow,  dann  tkqI  t6v  xaroixiaftov, 
endlich  im  Kampfe  ngog  rovg  2ixavovg,  —  Sodann  Paus.  VIII,  46,  2,  wonach  Anti- 
phemos Omphake  erobert.  —  Mein,  zu  St.  B.  s.  v.  AMog  führt  aus  Eust.  z.  II.  p.  315, 
12  ein  angeblich  von  St.  B.  in  Sicilien  angenommenes  AivSog  an.  —  Herod.  VII,  153 
erwähnt  die  Kreter  nicht.  —  iSog  ov  r^Xatög  St.  B.  Lat.  Gelenses  Cic.  und  And.  öfter. 
Gelani  PI  III,  91.  Verg.  Aen.  III,  701  Geloi  sc.  campi.  —  Lage  von  Gela.  Bis  auf 
Cluvcr  hielt  man  Licata  für  Gela ,  wobei  man  sich  auf  dort  gefundene  Münzen  Gela's 
stützte.  Cluvcr  (257 — 64)  wies  nach ,  dass  Gela  weiter  östlich  gelegen  haben  müsse. 
Seine  Ansicht  würde  wohl  allgemein  gebilligt  worden  sein,  wenn  nicht  noch  im  17.  Jahrh. 
ein  Stein  bei  Licata  gefunden  worden  wäre,  der  ein  Dekret  der  Stadt  Gela  enthält. 
Licata  ist  das  alte  Phintias,  eine  Stadt  die  im  J.  284  v.  Chr.  nach  der  Zerstörung  Gela's 
durch  den  Tyrannen  Phintias  gegründet  wurde.  Wenn  nun  die  Inschrift  älter  wäre ,  so 
könnte  sie  bei  der  Auswanderung  der  Geloer  nach  Phintias  mitgenommen  sein ;  sie  ist 
aber  wahrscheinlich  aus  dem  1.  Jahrh.  vor  Chr.  Vgl.  C  I  No.  5475  mit  den  Bemerkungen 
von  Franz  dazu.  —  So  muss  es  allerdings  auffallen ,  wie  diese  geloische  Inschrift  nebat 
einer  andern  C  I  No.  5476,  die  offenbar  auch  geloisch  ist ,  nach  Licata  kam  —  vielleicht 
fuhren  die  Einwohner  von  Ph.  fort,  sich  Geloer  zu  nennen  —  ;  jedoch  können  dadurch 
die  aus  den  Historikern  herzunehmenden  Gründe  dafür,  dass  Licata  nicht  Gela  war, 
nicht  entkräftet  werden  Diese  sind  besonders  aus  Diod.  XIX,  107—110  zu  entnehmen, 
wo  Agathokles  den  Karthagern  eine  Schlacht  liefert  am  Eknomos ,  den  die  Karthager 
besetzt  halten ,  während  das  Lager  des  Agathokles  in  Phalarion  ist ,  das  durch  einen 
Fluss  vom  Eknomos  getrennt  ist.  Dieser  Fluss  ist  nach  c.  109  der  südliche  Himera.  Da 
nun  das  geschlagene  Heer  des  Agathokles  erst  1  deutsche  Meile  weit  in  sein  festes  Lager 
flieht,  und  dann  sich  nach  Gela  zurückzieht,  so  kann  Gela  nicht ibei  Licata  gelegen 
haben.  —  Wenn  wir  so  Gela  in  die  Nähe  von  Terranova  zu.  setzen  haben ,  so  bleibt  die 
Frage  noch  zu  erwägen,  ob  man  Recht  hat,  es,  wie  gewöhnlich  geschieht,  an  das  west- 
liche Ufer  des  Flusses  zu  setzen.  Nach  Diod.  XIII,  108  schlagen  die  Karthager  ihr  Lager 
auf  77«^«  TOV  ofifüvvfiov  noiafiop  ry  noXd  (Gela)  und  Dionys,  der  Östlich  von  Gela  lagerte, 
zieht  durch  die  Stadt  gegen  die  Karthager.  Diodor  setzt  also  die  Stadt  an  das  linke  Ufer 
des  Flusses.  —  Die  Entdeckung  der  Veränderung  des  Flusslaufes  bei  Terranova  ver- 
danken wir  Schubring.  —  Von  den  Ruinen  in  T.  selbst  spricht  D.  314.  Von  der  Säule 
am  Ufer  Faz.  134.  Cl.  245 :  corinthiaci  operis.  Ebenso  d'Orv.  123.  Vgl.  dagegen  D.  314, 
wo  es  a  fine  Doric  cohimn  ist;  so  auch  Leake  NH  Sic.  p.  57.  Bemerkenswerth  ist 
auch,  was  D.  31 5  erzählt :  »At  the  foot  of  the  height  of  Terranova  and  between  it  and  the 


Zu  Buch  n,  Kap.  2,  Seite  135—137.  393 

sea  are  certain  circular  structures  —  wells  of  fresh  water,  traditionally  of  very  ancient 
construetioD.  There  are  6  of  them,  at  distances  varying  from  30  to  200  yards  from  the 
sea«.  Von  den  die  Geloische  Ebene  umfassenden  Bergen  D.  315.  —  Schriften  über  Gela 
sind:  Pizzolanti,  Memorio  storiche  di  Gela.  Pal.  1753  (herausg.  nach  dem  Tode  de^ 
Verf.  von  Formica) ;  P.  spricht  förjsoine  Vaterstadt  Licata.  Linares,  Gela  in  Licata. 
Pal.  1845. 

S.  136.    '/fi^(ftt,  ri  Thuk.  VI,  5  :  xal  ^Ifii^a  ano  Ztiyxlrjg  ij^xia&rj  vno  EvxXt(Sov  xaX 
2!ifA0V  xal  Hdxiovog,  xa\  XaXxidtTs  ^iv  ol  ttIsTotoi  ^Xx7ov  (fs  rrjv  unoixlnv,    Swt^xrianv  Jh 
ftvToTg  Xixl  fx  ^VQctxovaay  (pifyuJec^  araofi  wxij^Wi'T«,  ol  MvXrir(Snt  xukovfittoi.    Nach 
Str.  VI,  2,  6  haben  Himera  ol  h  Mvlatg  ZayxlnToi  gegründet.    Die  Myletiden  hat  Ar- 
nold, Gesch.  von  S^iakus  S.  30,  mit  der  bei  Ar.  Pol.  V,  3, 1  erzählten  Geschichte  in  Ver- 
bindung gebracht.    Moquette,  Hist.  Syrac.  usquead  Gelonem.:L  B  1841.    8.  will  p.  22 
Af vXaXrai  lesen,  damit  sie  zu  früheren  Bewohnern  von  Mylai  werden.    Welcker  in  Jahn's 
Jahrb.  1829.  S.  161  entnimmt  ohne  Weiteres  aus  dem  Worte  MvXijrtSm ,  dass  sie  aus 
Mylai  waren,  was  doch  nicht  darin  liegt.    MvXriil^ai  wird  die  Nachkommen  eines  MvXrig 
bezeichnen,  wenn  auch  nicht  des  Paus.  III,  1,  1  genannten.    Vgl.  femer  St.  B.  h.  V.  aus 
Hekataios,  endlich  Diod.  XIII,  62,  der  das  Gründungsjahr  giebt :  er  bezeichnet  sie  im 
J.  409  V.  Chr.  (Ol.  92,  4)  als  oixtaBtlaav  hr/  Siaxoaia  ttxTaQdxorTa ;  rechnen  wir  das 
J.  409  mit,  so  fallt  die  Gründung  648 ;  gewöhnlich  wird  649  (Ol.  32,  4)  angenommen ;  bei 
der  Berechnung  Diodor's  XI,  49  ist  auch  das  Jahr  409  mitgezählt.  —  LagevonHi- 
mera.    Diese  Frage  hängt  zusammen  mit  der  oben  S.  344  erörterten  über  den  Fluss  Hi- 
mera.   Der  alten  Tradition  gemäss  wurde  die  Stadt  H.  links  von  der  Mündung  des 
F.  Grande  gesucht,  so  von  Faz.  222,  bis  Gl.  345  flF.  Fluss  und  Stadt  nach  Westen  verlegte. 
Das  oben  wegen  des  Flusses  gegen  Cluver  geltend  Gemachte  entscheidet  auch  für  die 
Stadt.    Die  Ruinen  sind  bei  Bonfornello  vorhanden.    Cluver ,  der  sie  nicht  Himera  zu- 
schreiben will,  übergeht  siej  ganz  mit  Stillschweigen;  Serra  di  Falco  setzt  Ergetion 
dahin;  aber  dass  dies  unmöglich  ist,  zeigt  Polyaen  V,  6.    Houel  sagt  I,  90  über  jene 
Ruinen :   Ses  ruines  sont  sur  une  colline  k  un  mille  de  1a  mer.    Nous  aper9Ümes  d'abord 
a  mi-c6te,  au'*couchant  du  hameau  qu'on  appelle  Buon-Fomello,  les  d6bris  du  soubassc- 
ment  d'un  ftjiiieau,  qui  paratt  un  ouvrage  des  anciens,  k  en  juger  par  ia  grosseur  des 
pierres  qui  le  composent.  De  la  nous  allämes  sur  la  partie  plane  de  cette  colline ;  eile  est 
6tendue,  on  appelle  oe  lieu  les  pierres  d'Himöre.  A  la  gauche  d'une  gorge  qui  divlse  cette 
phune,  on  renoontre  une  quantit^  detombeaux,  vases  etc.    Un  peu  plus  bas,  en  tirant 
vers  l'orient  on  voh  les  fondements  de  quelques  murs,  qui  offirent  des  angles  en  sens  diflfö- 
rents.    Ces  murs  sont  d'une  construction  particuli^re,  ils  portent  le  caract^ro  de  la  plus 
haute  antiquitö.  —  1827  wurden  südwestlich  von  der  Stätte  Himera's  Gräber  gefunden, 
ein&che  Thonkisten  mit  Deckeln ,  worin  neben  den  Skeletten  Münzen  und  eine  Vase. 
Vgl.  B.  Romano,  Antichita  Termitane.  Pal.  1838.  p.  139—43.  —  Vgl.  femer  D.  256.  57 
und  einen  Artikel  von  Cavatlari  nebst  Plan,  Avanzi  d'Imera  im  Builett.  della  commiss. 
No.  2,  wonach  zu  den  früher  bekannten  ücberresten  von  Himera  noch  ein  Tempel  hin- 
zugekommen ist.  —  Ueber  die  Etymologie  des  Namens  s.  Movers  II,  2,  338.  lieber  einen 
Namen  der  Stadt,  Hyll  anfangend,  auf  Münzen:  Mommsen,  Gesch.  des  röm.  Münz- 
wesens S.  91.     Man  meint,  die  dorischen  Bewohner  Himera's  würden  als  Hylleer  be- 
zeichnet.   Ueber  Dialekt  und  Gesetze  von  Himera  Thuk.  VI,  5.    Ders.  nennt  VI,  62  die 
Stadt  ftovTj  iv  Tovrq)  7oi  f4^Q(t  jrig  2:iXfXCaq^ EXXag  TioXig. — Emvf.  *Ffi(Q€tTot.    Phal.  ep. 
12  hat  das  Fem.  7/i*(»/ff.  Lat.  Himeraeus,  Himercnsis.   -   Gebiet  der  Stadt  Schubring, 
Umwand,  etc.  437.  Münzen:  Mi  I,  S.  239—41  und  A.  Saunas,  Di  alcune  monete  Imercsi, 
in  den  Nuove  memorie  dell'  Instit.  di  corr.  archeol.  1865.  —  Nach  Paus.  VI,  26 ,  2  war 
der  Hahn  auch  der  Athene  heilig;  weshalb  Boeckh,  Pind.  Expl.  210  so  den  Hahn  auf 
Himera's  Münzen  deutet;  vgl.  Diod.  V,  3.   -  S.  136,  26  lies  :  und  in's  Land  hinein. 

S.  137.  2:nivov€,  6  (Fem.  Diod  XIII,  59).  So  gewöhnlich.  Nebenform '^^^roiJf,  vgl. 


394  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

PoppoThuk.  I,  2,  p.  504.  St.  B.  h.  v.  giebt — owriogunä  —ovaiogsn.  Lat.  Selinus, 
untis;  Selinuntii,  Adj.  Selinusius.  Die  Griindungszeit  betreffend,  sahen  wir,  daas  sie 
nach  Diodor'8  nicht  annehmbarer  Angabe  651  v.  Chr.  fallen  würde.  Merkwürdig  ist  nun, 
dass  eine  Angabe  des  Hieronymus  und  S3nQc.  hiermit  fast  übereinstimmt,  indem  sie  Ol. 
33,  3  —  646  y .  Chr.  annehmen ;  aber  der  Armenische  Eusebios  hat  diese  Angabe  nicht. 
Der  Name  JlnfAfiikog  nach  Lobeck  Path.  p.  117,  10  der  bei  Thuk.  VI,  4  gewöhnlich  auf- 
genommenen Form  ITdfiiXkog  vorzuziehen.  —  Herleitung  des  Namens  vom  Flusse  St.  B. 
B.  y.  *jixQtiyavTis.  Der  Flussname  würde  dann  wieder  vom  Pflanzennamen  ailivov  — 
Eppich  —  herkommen ,  der  nach  der  gewöhnlichen  Annahme  auf  den  Münzen  der  Stadt 
dargestellt  ist.  Vgl.  Plut.  Pyth.  or.  12  (Hutt.  IX),  wo  die  Selinuntier  /püffow  a^hrov 
nach  Delphi  schicken.  Göttling  in  der  sogl.  anzuf.  Schrift  i.  83.  84.  erklärt  den  Namen 
Eppichstadt  vielmehr  dadurch,  dass  Megara  Interesse  hatte  an  den  Isthmischen  Spielen, 
in  denen  ein  Eppichkranz  den  Siegern  gegeben  wurde.  Während  überdies  G.  mit  Fer- 
rara  kein  apium  in  der  Gegend  finden  konnte,  hat  D.  173  dort  apium  silvestre  gesehen. 
Ebenso  ist  man  uneinig  über  die  Bedeutung  dos  Beiwortes  palmosa,  das  Selinus  bei 
Verg.  Aen.  III,  705  führt.  Jetzt  sind  dort  keine  Dattelpalmen ,  wohl  aber  viele  Zwerg- 
palmen (chamaerops  humilis),  weshalb  Manche  (D.  173)  auf  diese  Palme  das  Wort  be- 
ziehen ;  was  Andere,  wie  G^ttling  84,  nicht  annehmen,  weil  Serv.  zu  Verg.  1.  1.  sagt, 
Selinus  abundans  palmis  quibus  vescuntur  und  die  Früchte  der  Zwergpalme  Niemand 
essen  wolle.  Doch  vgl.  Cic.  Verr.  V,  38 ,  wo  die  Soldaten  des  Verres ,  allerdings  aus 
Mangel  an  besserer  Nahrung,  palmarum  agrestium  stirpibus  sich  nähren.  Uebrigens  trügt 
die  Dattelpalme  erst  in  der  afrikanischen  Wüste  essbare  Früchte.  Es  wäre  ako  nicht 
unmöglich ,  dass  Selinus  mehr  palmae  agrestes  als  Dattelpalmen  gehabt  hätte ,  und  das 
quibus  vescuntur  ist  entweder  falsch  oder  es  geht  auf  die  ersteren.  Wir  möchten  freilich 
bei  palmosa  lieber  an  stolze  Dattelpalmen  denken.  Wenn  noch  D.  173  von  »the  frequent 
representation  of  the  fanpalm  on  the  ancient  coins  of  Selinus«  spricht ,  so  ist  dies  eine 
Wiederholung  eines  Irrthums  früherer.Gelehrten,  die  das  allerdings  nicht  gerade  deutiich 
dargestellte  Eppichblatt  für  einen  Palmenwedel  nahmen. — Der  Name  SiUvo  vg  kommt  noch 
[r  einen  Fluss  in  Achaja,  in  Elis,  bei  Ephcsos,  in  Mysien,  vielleicht  inKUikien ;  für 
eineStaätrin  Kilikien,  in  Aegypten,  in  Marmarika,  auf  Peparethos  (Boss,  Inscr.  Gr.  ined. 
II,  n.  225,  p.91  undCI2154.  Add.Vol.II.p.  1021).  -- Die  Topographie  von  Selinus 
ist  behandelt  worden  von  H.  Reinganum,  Selinus  und  sein  Gebiet.  Lpz.  1827.  8.  (auch  d. 
Gesch.  umfassend);  von  Serra  di  FoJcoir,  in  dem  Aufsatze  von  Göttling  über  Selinunt  und 
seine  Tempelruinen  (in  s.  Gesamm.  Abhandl.  II,  S.  78  ff.),  endlich  von  J.  Schubring,  Die 
Topographie  der  Stadt  Selinus,  in  den  Nachrichten  der  Kön.  Ges.  der  Wissenseh. 
Gött.  1865.  Nov.  (mit  einem  Plan  nach  Cavallari).  Göttling  hat  einzelne  Irrthümer 
seiner  Vorgänger  aufgeklärt,  namentlich  in  Betreff  der  Namen  der  Niederung  zwischen 
den  beiden  Plateaus.  Nachdem  Faz.  165  ein  Stagnum,  Namens  Jalici  (Chalidsch,  arab. 
sinus ,  flumen ) ,  westlich  vom  Flusse  Beiice  und  östlich  von  Selinunt's  Buinen ,  erwähnt 
hatte ,  dem  dann  von  Cluver  ohne  Grund  der  Name  Gonusa  beigelegt  worden  war ,  der 
bei  Lykophron  870  vorkommt,  und  welches  derselbe  femer  (280)  für  den  von  Empedokles 
ausgetrockneten  Sumpf  erklärt  hatte ,  verlegt  Beinganum  ohne  Weiteres  Gonusa  und 
Jalici  in  die  Einsenkung  zwischen  den  beiden  Theilen  von  Selinus  (87) ,  die  d'Orville  65 
La  Vallara  nennt  und  für  den  Hafen  erklärt.  Schubring  hat  die  Ausdehnung  der  Stadt 
nördlich  von  der  Akropolis  entdeckt.  In  Betreff  der  Niederung  ist  zu  bemerken ,  dass 
nach  S.  17  Schubr.  besonders  im  oberen  Theile  derselben  fast  bei  jedem  Sehritte  in's 
Wasser  trat.  »Namentlich  zeichnen^ sich  zwei  grosse  Quellenbeoken  aus,  beide  am  Ab- 
hang der  östlichen  Höhe,  das  eine  nordwestlich  vom  Zeus  Olympios,  das  andere  an  der 
casa  Bonsignore  am  nördlichen  Bande ,  deren  Fassung  gewiss  aus  alter  Zeit  herrührt.« 
Die  Nordhälfte  der  Bürg ,  jetzt  kahl ,  war  offenbar  nicht  mit  heiligen  Gebäuden  besetzt. 
Im  Osten  des  östlichen  Hügels  befindet  sich  ein  verschüttetes  grosses  Halbrund  mit  fei- 


ZuBuch  n,  Kap.  2,  Seite  137^141.  305 

sigem  Rande ,  vielleicht  das  Theater  von  Sclinus  ( Seh.  21 ).  —  lieber  die  Gründung  der 
Stadt  Thuk.  VI,  4.  ~  Münzen  Mi  I,  S.  285  ff. 

S.  138.  Ueber  Mazara  Schubr.,  Selinus  36  ff.  —  Herakleia  nach  Herod.  V,  46 
2^ihvovoltov  ttJioixitj, 

S.  138.  *u4xQayag,  6  auch  ^.  lieber  den  Namen  St.  B.  s.  v.  ^AxQayuvxitt  wo  zuerst 
ano  noxa/Ltov  naoa^^iovjog  steht,  und  später  Uolvßios  S^  tov  nora^oy  xal  riiv  noUv 
ano  TH^  x^Q^^  dvo^da&ai  ^^xQayrig  dia  ro  cvyftov.  PI.  III,  89 :  Acragas,  quod  Agrigen- 
tum  nostri  dixere.  l^xgnyaythoi ;  Agrigentini.  (Auf  einer  alten  akrag.  Münze  bei 
de  Luynes  scheint  gen  statt  gan  zu  stehen.)  Nach  St.  B.  gab  es  4  andere  Orte  dieses 
Namens,  in  Thrakien,  Euboia,  Kypros  und  Aetolien.  Ueber  die  Gründung  Thuk.  VI,  4, 
der  den  Namen  auch  rtio  tov  'AnQayaviog  noTafiov  herleitet.  Ps.  Sk.  291.  Str.  VI,  2,  5, 
wo  sonst  von  *  Im  toi'  als  Mitgründem  die  Bede  war,  bis  Kramer  nach  sicheren  Spuren  der 
Uandschr.  FeXifidtv ,  was  schon  Boyle  vermuthet  hatte ,  hergestellt  hat.  —  Ausführliche 
Schilderung  der  Stadt  bei  Pol.  IX ,  21  rj  J^  ^AxQayaytCroiv  nokig  ov  fxovov  xatn  tu  ngou- 
Qflfjiiva  6 ta(f 4Qfi  t(Sp  nXiCajtov  noXituv^  aAAa  xa\  xartc  ttjv  h^vgoxr^ja  xa\  fidXtoja  xara  ro 
xdllog  xal  r^r  xaraaxavrfy .  ^xnarat  /alv  yi(Q  aito  d-aluTTrig  iy  oxiut  xal  J^a  OradCöig^ 
SgT£  f4rj^€vog  afjLolgovg  f.lvai  r^v  ix  rai/ri/f /^i}aiju(uv.  6  cF^  niQCßoJuog  avTijg  xai  (fivaei  xal 
xttTaaxsvj  diatpiQovJtog  TjaqdliaTtti.  xsTrai  yaQ  ro  xtTxog  inl  nitQCcg  äxqoto/aov  xul 
Tiegt^^iäyog,  ff  fih  avroffvovg,  y  cf^  jjffi^oTrofi^roi;,  ntgtix^iai  dh  ■norttfioig»  ^€i  yuQ  etc., 
8.  S.  342,  19  J'  ax(ta  Trjg  noXitog  vniQXHxat  xat*  avrag  tag  ^€Qtvecg  icvaToXag,  xara  fAkv  r^v 
f^tüO-ev  inKpdviiay  ttTtQogCrt^  qdQayyir  7i€QifX0fiivrj ,  xara  <fi  rrjv  ivrog  filav  fx'^vaa 
nQogoüoy  (x  tilg  noXeutg.  inl  6i  rfjg  xogvtp^g  *Ad-riv«g  Uqov  ixtiarai  xal  ^itog  ^Afaßv^Cov^ 
xad-dnfQ  xal  nagä  *PoSioig.  Dann  ist  noch  von  der  Pracht  der  Tempel  und  besonders 
desjenigen  des  Olympischen  Zeus  die  Rede.  Diod.  XIII,  85  sagt  von  den  Kampanem,  sie 
hätten  besetzt  top  vnig  Tijg  noXftog  Xoqov  tov  ^AO-rivuiov  jukv  ovofjiali,6uavo¥y  xaxa  ök  trjg 
Tiohutg  (vipvtog  xkCfxtvov.  Offenbar  sind  Xoifog  ^A^T^vaiog  und  axQa  identisch,  es  wäre  also 
die  sogen,  rupe  Atenea,  über  die  vgl.  D.  263,  wenn  nur  der  Raum  auf  derselben  aus* 
reichte ,  was  jetzt  wenigstens  nicht  der  Fall  ist.  Man  hat  sich  bisher  nicht  klar  genug 
gemacht ,  dass  die  Angaben  Polyb's  nicht  gestatten ,  die  Burg  nach  der  heutigen  Stadt 
zu  verlegen,  dass  also,  wenn  dies  dennoch  geschehen  soll,  bei  Polyb  Irrthum  oder  Ver- 
derbniss  des  Textes  anzunehmen  ist.  —  Ueber  die  Höhlen  unter  dem  heutigen  Girgenti 
Serra  di  F.  III,  29 --31.  D.  199.  —  Ueber  den  collis  Vulcanins  und  den  Oelsee  sagt 

Sol.  V,  22.  23:    In  lacu  Agrigentino  oleum  supematat, nee  longe  inde  coUis 

Vulcanius  etc.  Es  liegt  keine  Veranlassung  vor,  Oelquelle  und  collis  Vulcanius  an 
oder  in  die  Stadt  zu  versetzen.  Dennoch  hat  man,  nachdem  Faz.  1,6,1  gesagt:  fons 
iste  aetate  mea  in  Angeli  Strazani  hortis  (bei  der  Stadt)  existit,  um  die  Wette  diese  Oel- 
quelle wiedergesucht  (nach  Parthey  117  hat  ein  gefälliger  Girgentiner,  um  Riedesel  zu- 
frieden zu  stellen ,  Oel  auf  eine  Quelle  schütten  lassen )  und  nicht  nur  einen  Hügel  bei 
Akragas  als  den  collis  Vulcanius ,  sondern  auch  einen  Tempel  daselbst  —  und  von  einem 
Tempel  ist  bei  Solin  nicht  ausdrücklich  die  Rede  —  als  Vulcantempel  bezeichnet.  — 
Der  Seekrebs  auf  Münzen  von  Kos  (Leake  N  H  Ins.  Gr.  S.  13)  und  Telos  (£ckh.  II,  606). 
—  Ueber  das  Emporium  der  Akragantiner  Ptol. ,  wo  es  aber  nicht  Akragas  entspricht. 
S.  o.  unter  Ptol.  —  Ueber  Akragas  vgl.  das  oben  S.  322  angeführte  Werk  von  Pancrazi ; 
Serra  di  Falco  III;  N.  Palmeri,  Memoria  sulle  antichita  Agrig.  Pal.  1832;  ausführlich 
beurtheilt  von  A.  Gallo,  Estratti  di  opere.  Pte.  U.  Pal.  1834.  8.  p.  39  —  74; 
E.  W.  Fischer,  Antiquae  Agrigentinorum  historiae  prooemium.  Berol.  1837.  8.  W.  We- 
land,  De  urbe,  agro,  moribns  Agrigentinorum.  Wolffenb.  1838.  4.  0.  Siefert,  Akragas 
und  sein  Gebiet.  Hamb.'l846.  4.  R.  Politi,  U  viaggiatore  in  Girgenti.  2.  Ed.  Pal.  1842. 
8.  mit  Atlas.*  Gius.  Picone,  Memorie  storiche  Agrigentine.  Girg.  1866.  4.  —  Girgentie 
suoi  templi.  1 :  10,000,  1  Blatt,  vomJtalien.  Generalstab.  —  H.  Erfurdt,  de  Agrigento. 
Hai.  1831.  4.  behandelt  nur  die  GrUndungszeit. 


396  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

S.  141.  UxQai  Thuk.  VI,  5. .  Diod.  XXIII,  4.  Bei  St.  B.  heiset  sie  falsch  "AxQa. 
Einw.  -^mog.  Acrenses.  Sil.  XIV,  206  tumulis  glacialibus  Acrae.  —  Nach  It.  Ant.  2 1 MIU 
westlich  von  Syrakus.  Maii  suchte  Akrai  vor  Cluver  in  Acromonte  bei  Palazzolo.  Cluvcr 
437  suchte  nachzuweisen ,  dass  es  an  der  Stelle  von  S.  Maria  d'Arcia  zwischen  Noto  und 
Avola  gelegen  habe ,  doch  sind  seine  Gründe  nicht  zwingend ,  und  nach  dem  Vorgange 
Bonanni's  sind  die  sicilianischen  Gelehrten  bei  der  hergebrachten  Ansicht  geblieben. 
Die  Ausgrabungen  Judica's  haben  wenigstens  ein  Fragment  zu  Tage  befördert,  welches 
die  Inschrift  AKPSIN  ti%t,  ein  Gcsimsstttck  aus  Terra  cotta  (Judica  Ant.  Tay.  I,  n.  2). 
Bei  Plut.  Dion.  27  :  <oq  d*  anijyy^X&rj  ravTa  ngog  rbv  /1(tova,  mifi  rag  "Axgag  atgaronf- 
divovtttf  i'i'XTOff  Iti  Tovg  ajQaimjag  araartjaag ,  ngog  xov  "Avanov  norafiov  fjxfv 
anixovTtt  Ttjg  Ttolttoi  6ixu  araifCovg,  geht  t$?  TroZfoif  natürlich  auf  Syrakus,  was  gegen 
Hannert  437  und  Pauly  BEI,  1,  125  zu  bemerken  ist.  —  Bonanni,  der  von  Akrai  190 
—  196  seines  Werkes  handelt,  macht  gegen  Cluver  darauf  aufmerksam,  dass  die  tumuli 
glaciales  sinnlos  sein  würden ,  wenn  sie  von  dem  niedrigen  Hügel ,  den  Cluver  für  die 
Stätte  Akrai's  hielt,  gesagt  wären,  und  sodann,  dass  der  Ort  gar  nicht  d'Arcia,  sondern 
deir  arco  heisse.  Vgl.  über  Akrai  Judica's  oben  citirtes  Werk,  femer  Serra  di  Falco  IV; 
J.  Hogg,  on  Acrae,  im  Museum  of  classical  Antiquities  Vol.  II.  1852.  53.  S.  240 — 62; 
ein  Bericht  über  eine  bereits  1826  nach  Akrai  gemachte  Tour  mit  Auszügen  aus  Serra 
di  F.  D.  362—64.  J.  Schubring,  Akrae  —  Palazzolo  in  den  Jahrb,  f  class.  Phil.  IV. 
Supplementbd. ,  IV.  Heft.  1864.    S.  660—72.    Seh.  war  leider  nur  kurze  Zeit  in  Akrai. 

S.  142.  ^Evva.  St.  B.  h.  V.  xriofia  J^vQaxoaltov ,  fier*  6  i'tri  ZvQaxovamv,  Wie 
leicht  kann  die  Zahl  verschrieben  sein!  Nur  bei  Phil.  (fr.  8)  bei  D  H  ep.  de  bist.  5 
erscheinen  die  Hennäer  deutlich  als  Hellenen :  Svqaxoann  dl  na^alaßoriBg  MayaQiTg  xal 
*Evvaiovg,  Kn^uQtvtttoi  dh  HixiXuhg  xccl  tovg  akXovg  avfjf4axov%  xrA.  Diese  Stelle  scheint 
Vielen  entgangen  zu  sein ;  wie  denn  z.  B.  Natale  261  die  hellenische  Kolonie  in  Henna 
für  später  als  den  älteren  Dionys  hält.  Die  Begebenheit,  von  der  Philistos  spricht,  gehört 
jedoch  in  das  Jahr  552  v.  Chr.  —  Münzen  von  Henna  Mi  I,  206  ff.  und  Leake  N  H. 
Sic.  S.  55. 

S.  143.  Kuafiivai  Thuk.  VI,  5.  ^x  Kaa/iivrjg  nöktog  Herod.  VII,  155  und  daraus 
St.  B.  —  Aretius  hielt  es  für  Comiso ,  wogegen  Faz.  259  sich  mit  Hecht  erklärte.  Comiso 
liegt  nördlich  von  Kamarina ;  hätte  dort  Kasmenai  gelegen ,  so  wäre  Kamarina  schwer- 
lich gegründet  worden.  Cl.  443  vermuthet  (divinaverim)  es  sei  Scicli ,  und  diese  Ansicht 
hat  grossen  Beifall  gefunden.  In  Mar.  Perelli  Casmenae  antiquae  (Graev.  Thes.  XU)  sind 
S.  11.  12  Ueberreste  bei  Scicli,  IV3  Mill.  vom  Ufer,  geschildert.  Besonders  führt  er  die 
Cistema  di  tre  bocche  an,  wo  eine  Menge  von  Gräbern  sei,  und  Urnen,  Münzen,  Statuen 
gefunden  wären.  So  gehe  es  bis  nach  Mauli  hin  —  also  nach  Westen  —  quo  usque  sese 
urbis  extendit  situs.  Vgl.  femer  Houol  IV,  9—12.  D.  370;  The  ravines  in  the  neigh- 
bourhood  of  Scicli,  and  the  cliffs  which  overhang  them,  have  many  grottoes  and  niches, 
evidently  of  sepulcral  character,  and  which  show  habitation  in  early  times.  The  city, 
which  is  generally  believed  to  be  the  ancient  Casmenae,  did  not  occupy  the  site  of  the 
modern  town,  but  probably  the  summit  of  the*height  above  it,  now  known  as  the  costa 
di  S.  Lucia.  Vgl.  über  Scicli  noch  Ben.  Spadaro,  lielaz.  storiche  della  citta  di  Scicli. 
Noto  1845.  8.  Parthey  verlegt  Kasmenai  nach  Cocciola  bei  Spaccafiimo;  man  könnte 
auch  vermuthen ,  dass  es  Spaccafurno ,  das  auf  einer  Höhe  liegt ,  selbst  gewesen  sei ; 
Fazell  260  nannte  den  antiken  Ort ,  der  hier  lag ,  Yspa ,  wegen  des  nahen  Thaies  von 
Ispica,  und  Cluv.  438  setzte  nur  einen  Tempel  des  Apollo  Libystinus,  den  Macrob.  I,  17 
am  Pachynus  erwähnt  (vgl.  It.  Ant.),  dahin. 

S.  143.  A:««/ia()f  raThuk.  VI,  5.  St.  B.  —aiog.  Camarina,  auch  Camerina.  Faz. 
133.  Derselbe  erwähnt  einen  locus  coemeterio  tumulorumque  copia  insignis ,  der  arcis 
instar  quadratis  lapidibus  in  sublime  excitatus  s^  und  im  Norden  Hege.  Munter  307  ff. 
D.  368.  — Die  Gründung  wird  vom  armenischen  Eusebios  auf  Ol.  45,  3  —  598  v.  Chr. 


Zu  Buch  II,  Kap.  2,  3,  Seite  141—147.  397 

• 

augesetzt.  —  MUnzcn  Mi  1 ,  221  ff.  Auf  Münzen  von  Klazomenai  gilt  der  Schwan  als 
apollinisches  Zeichen.  Nach  Pherekydes  bei  Schol.  Ap.  Rh.  II,  500  entführte  Apollon 
die  Kyrene  inl  xvxvatv  oxfift^iTaav  nach  Libyen  Auch  sonst  findet  sich  eine  von  einem 
Schwan  getragene  weibliche  Gestalt,  auf  Terracotten,  Spiegeln,  Vasen  und  geschnittenen 
Steinen ;  vgl.  0.  Jahn,  Ann.  1844,  S.  363.  Man  könnte  also  eine  locale  Sage  annehmen,  in 
der  die  Nymphe  Kamarina  in  ähnlicher  Weise  zu  Apollon  in  Beziehung  gestanden  hätte. 

—  Ueber  Kamar.  vgl.  auch  Ben.  Spadaro,  Lezioni  ai  miei  figli ;  cenni  archeol.  sopra  i  re- 
perti  fatti  in  Camarina.  Pal.  1855.  8. 

S.  143.  AinaQa.  Diod.  V,  9.  Nach  Diod.  V,  7  ist  die  Stadt  schon  von  Liparos 
gegründet.  Paus.  X,  1 1,  3  mit  Abweichungen.  S.  unten  bei  Pentathlos.  Ueber  die  Lage 
des  Kastells  von  Lipari  Sm.  263.  264.  -^  Ueber  Hippotes  und  Hippotaden  MUH.  Dor.  I, 
125.  ~  Die  Kolonie  nach  dem  armenischen  Eusebios  Ol.  38,  2  —  627  v.  Chr.  gegründet. 

—  Münzen  Mi  I,  S.  344.  45. 

S.  144.  Nur  Strab.  VI,  1,  2  rechnet  Sicilien  mit  zm  fisydhi  'Elldg^  mit  welchem 
Namen  sonst  nur  die  nnteritalische  Griechenwelt  bezeichnet  wird. 


Drittes  Kapitel« 

S.  145.  Ueber  AltbUrger  und  Demos  in  den  Kolonien,  über  die  Landtheilung  {ava- 
ifacfios)  0.  Müller,  Dor.  II.  55.  56. 

S.  147.  Syrakus.  Ueber  seine  ältere  Geschichte  und  Verfassung  vgl.  0.  MttUer, 
Dor.  I,  117;  II,  55.  151,  sowie  folgende  Syrakus  behandelnde  historische  Werke  : 
A.  Arnold,  Gesch.  von  S3nrakus.  Grotha  1S16.  8.  P.  A.  Moquette,  Hist.  Syrac.  usque  ad 
Gelonem.  L  B.  1841.  8.  L.  Beins,  Conspectus  historiae  polit.  Syracus.  Gran.  1865.  8. 

S.  147.  yafioQoi  oder  yttofioQoi.  Das  Marm.  Par.  hat  Zeile  52 :  [ao^ov] rog  Wt'^r- 
pfiatv  fihv  KQtiiov  Tou  ttqot^qov,  iv  Zvgaxovaatg  di  itov  \ye\o)fi6Qtov  JtnrtxovTütv  rjjy 
KQxny.  Das  Jahr  ist  nicht  genau  zu  bestimmen,  es  wird  in  Ol.  44—46  fallen,  also  ca.  600 
V.  Ohr.  Es  ist  kein  Grund  zur  Annahme  vorhanden,  dass  das  M.  P.  hier  den  Beginn  der 
Herrschaft  der  Geomoren  andeute,  wie  Manche  geglaubt  haben.  Vgl.  auch  Müller  in  den 
Fragm.  H  G  I,  581.  Das  Wort  yao^oQoi  wird  erklärt  von  Hesych.  als  ol  tkqI  rfiv  ytjv 
TToi'ov/uLSioi  oder  fioiQav  itXrixoT€g  rrie  yrjs  und  in  letzterer  Bedeutung  steht  es  bei  den 
Syrakiisanem.  Tim.  Lex.  Plat.  p.  67  erklärt  es  als  xiijQovxot,  Die  Geomoren  sind  ferner 
erwähnt  von  Herod.  VII,  155;  Diod.  Exe.  virtt.  {VIII,  9) ;  Dion.  Hai.  VI,  62.  Phot.  s.  v. 
KilhxvQvoi;  s.  u.  über  diese.  —  Nach  Hesych.  h.  v.  hiess  der  Versammlungsort  der 
Sicilischen  Griechen  aXioxTiJQ. 

S.  147.  KOnige  von  Syrakus.  0.  Müller,  Dor.  II,  105  und  151  wegen  Pollis, 
über  den  bei  Gelegenheit  des  olvog  HoXXutg  gesprochen  ist ;  s.  o.  S.  346.  Gegen  Müller 
Br.  de  Pr.  394. 

S.  147.  KvXXvQiot.  Bei  Herod.  VII,  155,  wo  sie  Sovh>i  der  Gamoren  genannt 
werden;  KnlXixvQtot  und  KtlXtxvQioi  bei  Phot.,  wo  sie  erklärt  werden  ano  rov  ttg  ravTo 
aureX&ttv ,  nav%o6ano\  ovrig,  log  I^qiotoj,  iy  J^vgaxova.  noXirtitf,  ofdoioi  To^g  na^a 
jittxißaifiovloig  itX(ooi  j  xal  na^ä  GfOüaXotg  nfv^araig,  xnl  naQa  KQi^al  xXnQüiraig. 
Hesych.  erklärt  sie  als  tieigeXOovTiS  ytiafioQotg;  ebenso  Zenob.  IV,  54.  Suid.  erwähnt 
als  naQoifiltt  KttXhxvQüov  nUiovg  (von  einer  grossen  Menge).  Aehnlich  Plut.  pr.  AI.  10 
(Hutt.  XIV,  588).  Femer  Favorin.  Etym.  Gud.Eu8t.II.p.295.  (Rom.)  Dion.  Hai.  VI,  62 
bezeichnet  sie  als  nsXatag.  Welcker  billigt  die  Etymologie  von  xiXUtv  treiben  (die  ihre 
Herren  vertrieben ;  eine  offenbar  nach  den  Begebenheiten  zur  Zeit  Gelon's  gemachte 
Etymologie);  G^Sttling  denkt  an  xlXXa  Esel:  Eselherren;  0.  Müller,  Dor.  II,  56  hält  das 
Wort  für  ein  sikeUsches,  von  den  Griechen  des  Verständnisses  wegen  corrumpirt.  —  Bei 
Nonn.  Dion.  XIII,  31 1  erscheint  KM^i^v  r  ^BXvfKov  tb  noXhg  argarog. 


398    •  Anhang  IL  Belege  und  Erläuterungen. 

S.  147.  Die  Geschichte  des  Agathokles  bei  Diod.  Exe.  virtt  (VIII,  9).  »Es  war 
eine  priesterliche  Regel ,  dass  im  dorischen  Staate  die  Thilren  und  Decken  der  Privat- 
häuser mit  der  Säge  und  dem  Beile  gearbeitet  werden  sollten ,  das  heisst,  das  Steinhaus 
ist  ein  Vorrecht  der  Götter.«  Curtius  GGesch.  I,  432.  Profane  Benutzung  heiligen  Bau- 
materials bestraft:  Suet.  Dom.  8  und  mehr  bei  Bötticher,  Tektonik  II,  2,  107. 

8.  14S.  Die  Gesch.  von  den  zwei  Jünglingen.  Ar.  Pol  V,  3,  1  (St.);  Plut.praec. 
reip.  ger.  32  (Hutt.  XII)  welcher  sagt :  triv  aQ^arriv  noXinCar  avirQerpav.  Die  Geschichte 
erinnert  an  die  Parteikämpfe  der  Italienischen  Städte  des  Mittelalters.  —  Vgl.  auch 
oben  bei  Himera  wegen  der  syrakusanischen  Myletiden.  —  Kasmenai  als  Zufluchtsort 
der  syrakus.  Oligarchen  Herod.  VII,  155. 

S.  148.  Von  den  Münzverhältnissen  von  Syrakus  und  Sicilien  überhaupt 
Mommsen,  Gtesch.  des  Rom.  Münzwesens  S.  77  ff.  Dass  der  aeginäische  Fuss  ursprüng- 
lich auch  in  Akragas  herrschend  war,  beweist  Salinas  in  der  Revue  Numism.  1S67,  S. 
339  aus  einer  Münze  des  Pariser  Oabinets  von  11  gr  26 ;  icli  selbst  hatte  eine  von  1 1  gr  15 
aus  derOollection  de  I^uynes  als  äglnäische  Didrachme  notirt;  aber  ihre  Typen  (Adler  auf 
einem  Hasen ;  R.  Seekrebs)  gehören  nach  Salinas  1.  1.  einer  spätem  Zeit  an. 

S.  149.  Akragas.  In  Betreff  seiner  ältesten  Verfassung  hat  O.Müller,  Dor.  II,  156, 
die  Behauptung  aufgestellt ,  dass  sie  Censusverfassung  gewesen  sei ,  wofür  er  sich  auf 
Ar.  Pol.  V,  8,  4  beruft ;  und  Siefert  S.  58  führt,  indem  er  Serra  di  Falco*8  Ansicht  citirt, 
sie  sei  aristokratisch  gewesen,  die  Möglichkeit  aus ,  diese  beiden  Ansichten  zu  vermit- 
teln. Aber  die  von  Müller  citirte  Stelle  des  Aristoteles  spricht  überhaupt  nicht  von  Ti- 
mokratie.  Ar.  sagt  von  denen,  die  sich  zu  Tyrannen  machen,  dass  es  ihnen  leicht  gewor- 
den sei,  cfi«  To  ßvvafjiiv  TTQovTraQxeiv,  roTg  fih  ßttaiXixfjg  «QX'i^*  ^^^^  ^^  ^V^  ^^^  Ti^^ff'  «or 
^PdiSmv  fjih  mqi^'AQYog  x«\  %t(qoi  rvQttwoi  x(xjiaTr\aav  ßamkilng  vnaQxovatjg ,  oi  S^  ntQl 
jriv^TwvCav  xtxl  *f^dkttQig  (x  tiSv  tifttoy.  Das  heisst,  dass  das  Amt,  Tifirj,  es  dem  Phalaris 
erleichterte,  die  Tyrannis  zu  erwerben.  Dass  M.  den  Arist.  falsch  verstanden,  zeigt  be- 
sonders eine  Vergleichung  von  Ar.  Pol.  V,  8,  4  mit  V,  10,  4  wo  von  Panaitios  die  Rede 
ist,  der  Tyrann  wird,  V,  8,  4  ix  öij^ttymyCag  (persönliche Stellung);  V,  10,  4  l|  oUyaQxi^^^ 
(Verfassung) . 

S.  149.  4>aXaQig.  Aelteste  Erwähnung  bei  Pind.  Pyth.  I,  fin. :  rov  dk  TavQp  ;^ffjl- 
x^tfi  xavTtJQa  vTjX^a  voov  fx^Q^  ^aXagtv  xar^x^i  navra  (faxtgy  WO  auch  schon  der  Stier 
erwähnt  ist.  Wir  schöpfen  das  Wenige,  was  wir  von  seiner  Geschichte  wissen ,  aus  ge- 
legentlichen Notizen  des  Aristoteles,  Polyb,  Plutarch  u.  A.,  aus  Fragmenten  des  Hera- 
kleides, Timalos  u.  A.,  aus  einigen  Geschichten  bei  Polyaen  und  Frontin.  —  Zeit  des 
Phalaris.  Zwei  ganz  verschiedene  Angaben  finden  sich  bei  Eusebios.  Die  eine  lässt 
ihn  zwischen  Ol.  32,  3  und  39,  2  (650—23  v.  Chr.)  regieren  (vielleicht  noch  früher  Plin. 
VII,  200,  der  ihn  den  ersten  Tyrannen  nennt).  Aber  damals  war  Akragas  noch  nicht 
gegründet.  Die  zweite  setzt  ihn  von  Ol.  52,  3—56,  3  (570—54  v.  Chr.),  womit  stimmt, 
dass  Suidas  ihn  in  die  r/}'  Ol.  setzt,  sodann,  dass  nach  Schol.  Pind.  Ol.  HI,  08  Tele- 
machos,  der  den  Phalaris  stürzt,  durch  zwei  Menschenalter  von  Theron  getrennt  ist, 
sowie  endlich,  dass  Phal.  Zeitgenosse  des  Stesichoros  war.  —  Gründung  der  Tyran- 
nis des  Phalaris  nach  Polyaen  V,  1,  1,  der  Phal.  als  reXm'iig  bezeichnet  und  unter 
seinen  Arbeitern  JsafxdiTtti  sein  lässt.  Es  erzählt  Cic.  de  Div.  I,  23  nach  Heraclides 
Ponticus  von  einem  Traum  der  Mutter  des  Phalaris ,  dass  eins  der  von  Phal.  selbst  ge- 
weihten Götterbilder  des  Hauses ,  ein  Mereurius ,  e  patera ,  quam  dextra  manu  teneret, 
Blut  geschüttet  habe,  das,  die  Erde  berührend,  aufbrauste,  sodass  das  ganze  Haus  davon 
voll  wurde ;  quod  matris  somnium  immanitas  filii  comprobavit.  Aehnlicho  Träume  in  der 
Geschichte  des  Dionys  und  des  Agathokles.  In  einem  der  untergeschobenen  Briefe  des 
Phalaris  (35)  bezeichnet  er  sich  selbst  als  ^aXagir  AitoSa^uarrog  utop ,  ^AatvTtnXaiia  ro 
yivog,  nat^idog  amattiQrifxivov,  Er  könnte  immerhin  wirklich  aus  der  Kreta  nahegelege- 
nen Sporadeninsel  Astypalaia  gewesen  sein ,  von  wo  er  sich  mit  Andern  zur  Gründung 


Zu  Buch  II,  Kap.  3,  S.  147—149.  399 

von  Akrag^  nach  Sicilien  begeben  hätte ;  dasB  er  gewöhnlich  (so  bei  Luc.  ver.  hist.  II, 
23  und  sonst)  ein  Akragantiner  und  von  Scipio  bei  Cic.  Verr.  IV,  33  ein  Sicilier  genannt 
wird,  widerapricht  dem  selbstverständlich  nicht.  —  Seine  Thatcn.  NachSuid.  ru^»«*- 
v^aag  ZixtUtts  olrji.  Er  besiegt  Leontini  nach  Diogen.  paroem.  II,  50  und  Arsen,  p.  22 : 
atl^eovrlvoi  71€qI  ToCg  XQtttrJQae  —  —  *PdX(tntg  d*nvTovg  xaTa7roXffii]aae  itg  rovg  xQariJQag 
^^^iilßiv.  Vgl.  auch  £p.  38  u.  a.  Sein  Verhältniss  zu  Himera  nach  Ar.  Rhet.  II,  20. 
Auf  diese  Greschichte  bezieht  sich  auch  Philist.  fr.  16  M.  —  Die  Geschichten  von  der 
Ueberlistung  der  Sikaner  Polyaen  Y,  1,  3.  4  und  Frontin.  III,  4,  6.  —  Die  Sage  vom 
Stier  hat  ausführlich  erläutert  Ebert,  Sikelion  S.  40—108.  —  Den  Stier  erwähnen :  Pin- 
dar  (8.  o.)  Heracl.  Pont.  XXXVII,  und  später  Viele.  —  Den  Verfertiger  des  Stieres  nennen 
die  griechischen  Schriftsteller  fast  immer  HegClttog  (soDiod.  Exe.  Vat.  u.  A.),  die  römi- 
schen Perilltts.  Die  Identität  dieser  beiden  Namen  hat  Eb.  91—98  ausführlich  erörtert. 
Nach  Phal.  ep.  5  wäre  Perilaos  ein  Athener  gewesen.  Per.  das  erste  Opfer  des  Stiers 
Schol.  Pind.  Pyth.  I,  185.  Die  Bestrafung  des  Per.  entspricht  der  des  Sehers,  der  dem 
Bnsiris  den  unmenschlichen  Rath  gab,  durch  diesen  (Apollod.  II,  5,  11,  7  ff.).  Beide  sind 
schon  zusammengestellt  von  Ovid.  A.  A.  I,  651  —  56  und  Luc.  ver.  hist.  II,  23.  —  Von 
dem  ^'Exyofiog  loffog  Diod.  XIX,  lo8.  —  Von  dem  Stier  handeln  die  Fragm.  116—118  des 
Timaios.  In  116  und  117  geben  iPolyb.  XII,  25  und  Diod.  XIII,  90  an,  dass  Timaios 
die  £li&tenz  desselben  durchaus  geläugnet  habe,  dass  aber  der  Augenschein  ihn 
widerlege,  und  Polybios  citirt  die  ^vqU  m^l  rag  <fvvü>fiiag  tov  ravgov  (während  andere, 
wie  Ovid.  Trist.  III,  11,  45  von  dem  »a  dextra  latus  adapertile  tauri«  sprechen).  Fr.  118 
sagt  aber  Schol.  Pind.  Pyth.  I,  185  :  tov  Ji  rov  ^PaXdQufog  ravgov  ot  ^AxQuyavuvoi  xate- 
novtiaav,  &g  ipriai  Tifiaiog,  Dies  Zeugniss  eines  Scholiasten  kann  aber  schwerlich  gegen 
die  von  Polyb  und  Diodor  aufkommen.  Der  Schol.  fährt  fort:  thv  yap  ip  t^  nolit 
Jeuevv^tpov  fiij  sh'tn  tov  'Pcclaoi^og ,  xec^neg  ij  nollfi  xari^H  do^a,  iiXX  ux(6p  iari 
nXanfog  (rieht.  nXa)  tov  noTUfiov.  Dies  kann  die  Meinung  des  Timaios  gewesen  sein. 
M  I9  222*  vereinigt  diese  Behauptung  des  Timaios  mit  denen  von  Polyb  und  Diodor  so, 
dass  Timaios  Recht  gehabt  habe  in  Betreff  des  zu  seiner  Zeit  in  Akragas  befindlichen 
Stiers,  der  den  Flussgott  darstellte,  während  der  Stier  des  Phalaris  damals  in  Karthago 
war.  —  Nach  Polyb  1. 1.  u.  A.  klang  das  Wehgeheul  der  Verbrannten  ftvxriB-fi<f  naga- 
nXi^üiog,  Bei  Luc.  Phal.  I,  11  räth  Per.  dem  Tyrannen  avXohg  nQog  Tovg  fivxTfjQug  tov 
ßoog  zu  setzen,  damit  dann  fiiXri  herauskommen,  und  dies  hat  dann  Tzetz.  Chil.  I,  649. 
659.  V,  844.  47  als  Thatsache  genommen.  -^  Sonstige  Grausamkeit  des  Phala- 
ris Athen.  IX,  396 :  KXiaQxog  d'iv  roTg  nfQl  ßCiov  eig  toüto  (pyjtnv  d/noTijTog  'PdXagiv  tov 
Tv^awov  iXttOat,  (og  yaXaif-rjvie  ^oivaad-ai  ßQ^ffi-  (Wohl  auB  einem  Komiker.)  Nach  Heracl.  37 
Tovc  fiiv'tig  X^ßijTag  (iovrag^  Toi/g  3i  fit  TOtrg  XQaTrjgag  tov  nvQog  dnioTfXXe.  S.O.  von  den 
Leontinem.  Phalaris  kann  einen  grausamen  Scherz  gemacht  haben,  aber  die  Geschichte 
kann  auch  des  Wortspieles  wegen  erfunden  sein.  —  Die  Geschichte  von  der  Wegnahme 
der  Waffen  Polyaen  V,l,  2.  —  Die  Geschichte  von  Chariten  und  Melanippos  Ael.  VH  II, 
4 ;  Athen.  XIII,  602.  Die  Pythia  sagte :  Btlag  fjyitrJQfg  l(f>rifiBQCoig  (piXorriTog  sv^alfAtav 
XttQlTtav  xdi  MfXdvinnog  ^(/^i;.— lieber  den  Sturz  des  Tyrannen  Diod.  Fragmm.  IX,  30, 
wo  es  zuletzt  heisst  f&g  yiyqanTtu  iv  T^  n€Ql  ^i(tJox>is  ßaOiXitav ;  Schol.  Pind.  Ol.  III,  68 
und  Heracl.  XXXVII ,  wo  gesagt  wird  dass  das  Volk  Mn^rjOf  xal  rjjy  fitjTiQa  xal  Tobg 
(frlXovg.  Die  Verfolgung  seiner  Anhänger  auch  bei  Plut.  phil.  esse  c.  princ.  3  (Hutt.  XII) 
Phal.  selbst  im  Stier  getödtet  nur  nach  Ov.  Ib.  441.  42:  Utque  ferox  Phalaris ,  lingua 
prius  ense  resecta,  More  bovis,  Paphio  clausus  in  aere  gemas.  —  Das  Verbot  der  blauen 
Kleider  Plut.  praec.  pol.  28  (Hutt.  XII).  —  Dass  Phalaris  besonders  gegen  Fremde 
grausam  war,  erzählt  Plut.  par.  XXXIX  (Hutt.  VIII),  wo  die  unpassende  Erwähnung  der 
Stadt  Segesta  in  der  parallelen  römischen  Erzählung  wohl  nur  aus  einer  Erinnerung  an 
die  ähnliche  Grausamkeit  des  Agathokles  in  Segesta  herstammt.  Auch  Hov.  I,  379  denkt 
an  den  Moloch,  welche  Ansicht  vorher  von  Böttiger,  Ideen  zur  Kunst-Mythologie,  I,  S. 


400  Anhang  IL  Belege  und  Erläuterungen. 

359,  geäussert  worden  ist.    Pauly  Kunstblatt  1855,  No.  57  erinnert  an  |die  Erzstiere  im 
Heiligthum  des  Zeus  Atabyrios  auf  Rhodos,  welche  brüllten,  wenn  der  Insel  ein  Unglück 
drohte  (Tzetz.  Chil.  IV,  390);  J.Braun,  Geschichte  der  Kunst  II,  515  vermuthet  deshalb, 
dass  der  Stier  des  Phalaris  im  Tempel  des  Zeus  Atabyrios  gestanden  habe.  —  Die  z.  B. 
von  Welcker  über  Stesichoros  S.  299  (s.  u.),  W.  T(euffel)  in  Pauly  R  E  VI,  1,  1419  u.  A. 
aufgeworfene  Schwierigkeit,  der  Tyrann,  auf  den  sieh  die  Fabel  des  Stesichoros  bezogen 
habe,  könne  Phalaris  nicht  gewesen  sein  »da  dieser  nicht  in  Himera,  sondern  in  Agrigent 
war«  glaube  ich  durch  meine  Erklärung  des  Zusammenhanges  beseitigt  zu  haben.    Phal. 
Erfinder  der  falarica,  eines  brennenden  Wurfpfeils ;  vgl.  Sil.  I,  351.  —  4>aXaQiov  Diod. 
XIX,  tos,  vgl.  Ol.  264  (ohne  Ortsnamen),  D.  312  (Monte  Guardla,  den  die  Generalstabs- 
karte nicht  kennt,  welche  dort  Mte.  Gallodoro  hat).  —  Phalaris  sprichwörtlich 
4»aXaQtSog  dgxn  oder  oQ^ai  Diogenian.  VIII,  65  Prov.  App.  Vat.  IV,  35  (E.  84).  tf-ala- 
Qiofioe  Cic.  Att.  Vn,  12.  —  Phalaris  hat  Lucian  Veranlassung  gegeben  zu  seinen  zwei 
Phalaris,  Spottschriften  auf  das  delphische  Orakel  —  vgL  Eb.  Sik.  102  ff.  —  und  einem 
Ungenannten  zur  Abfassung  von  148  Briefen,  die  nachSuidas,  Stobaeos  undfTzetzes  für 
Arbeiten  des  Phalaris  gehalten  worden  sind,  bis  Bentley  ihre  Unächtheit  nachwies. 
Nachdem  Gh.  Boyle  die  Briefe  1695  zu  Oxford  herausgegeben,  schrieb  R.  Bentley  eine 
kurze  Dissertation  on  the  Epistles  of  Phalaris,  Themistocles  etc.  in  Wotton's  Reflections 
upon  ancient  and  modern  leaming.  Lond.  1697.    Gegen  die  hier  nachgewiesene  Unächt- 
heit der  Briefe  trat  Boyle  auf  in  der  im  Wesentlichen  von  J.  Freind  und  F.  Atterbury 
abgefassten  Schrift :  Dr.  Bentle/s  dissertation  on  the  Epistles  of  Phalaris  etc.  1698, 
worauf  Bentley  seine  Gründe  ausführlich  entwickelte  in  seiner  vortrefflichen  Schrift 
A  ^Dissertation  upon  the  Epistles  of  Phalaris  with  an  answer  to  the  objections  of  the 
Hon.  Gh.  Boyle  1699.  Eine  gute  Ausgabe  der  Briefe  nebst  lateinischer  Uebersetzung  der 
Bentley'schen  Schriften  findet  sich  in  Phalaridis  epistolae ,  ed.  J.  D.  a  Lennep,  fin.  op. 
impos.  L.  C.  Valckenaer,  wozu  als  zweiter  Band  gehört  R.  Bentleji  dissertatio  de  Phala- 
ridis etc.  epistolis,  nee  nonejusd.  responsio,  lat.*conv.  J.  D.  a  Lennep,  beides  Gron. 
1777.  4.    B.'s  Schriften  über  Phalaris  sind  auch  erschienen  als  B.  opusc.  philologiea. 
Lips.  1781  und  in  deutscher  Uebersetzung:  Dr.  R.  Bentle3r's  Abhandlungen  über  die 
Briefe  des  Phahiris  u.  s.  w.  Deutsch  von  Wold.  Ribbeck.  Lpz.  1857.  8.  Fabricius,  Bibl. 
Gr.  1,664  hat,  ohne  besondere  Gründe,  einen  Sophisten  Hadrianus  aus  Tyrus  als  Ver- 
fasser vermuthet.    Lennep  (praef.  p.  V)  denkt  an  denselben,  der  die  unächten  Briefe  des 
Diodor  von  Sicilien  verfertigte.  (Die^ibliogr.  theilw.  nach  Pauly  R  E.) 

S.  152.  üeber  Alkamenesund  AlkandrosHeracl.XXXVII  (M.II,223):^«**o»' 
(Phal.)  ^AXxttfiivtis  nagilaßt  ta  nQay^ma  xai  /uera  jovroy  ^'Alxavdgog  nQoiarti^  avt^fi 
Inteixtig.  Müll.  Dor.  II,  158,  der  jenen  Alkmanes  nennt,  rechnet  sie  unter  die  Tyrannen; 
Sief.  64  und  Plass  Tyr.  I.  306  möchten  sie  lieber  Aesymneten  nennen. 

S.  152.  Von  Gehl  Herod.  Vn,  153  ff.  Ar.  Pol.  V,  10,  4  — S.  153,  16  lies  für  504  :  505. 
S.  153.  Von  dem  Selinuntier  Theron,  Miltiades'  Sohn  Polyaen  I,  28,  2:  Zdivouvrioi 
K(tQX1^ov£oig  naQara^afxevott  nolXtSy  neoovrtov  xal  aiatf^iov  xnfjLivtav  xai  rth  noXffiionv 
Inixfifi^ytoVf  S-äxpai  rovg  vfxQohg  ov  &a^^ovt>TeSf  ou  fir\v  ov^i  ardtfovg  neQiogäv  vnofiivov- 
f€s,  fßovXfvovTo  rC xQn  ^Qacreiv,  Nun  übernimmt  Theron,  wenn  man  ihm  300  SkUven 
mit  Aexten  u.  s.  w.  um  Holz  zu  hauen,  mitgebe,  das  Begräbniss.  Draussen  überredet  er 
sie  ijn&^aS^tu  ToTg  ditfnotaig;  es  wird  ausgeführt  und  Ttiv  noXirdSv  tovc  nXflarovg  «no- 
xtitvagxaiiXaßE  ttjv  noXiv.  Die  Geschichte  passt  nach  meiner  Ansicht  nicht  in  den  Krieg 
des  Jahres  409,  schwerlich  auch  in  den  des  J.  480,  ich  denke  an  einen  früheren  Krieg 
zwischen  Karthagern  und  Selinuntiem,  etwa  um  550.  Sie  erinnert  übrigens  sehr  an  die 
des  Panaitios. 

S.  153.  Von  Himera  und  Terillos  Herod.  VII,  165. 

S.  153.  Von  Leontini  und  Panaitios  Ar.  Pol.  V,  8,  4.  Polyaen  V,  47.  Eus. 
Arm.  Ol.  43,  1-608  v.  Chr. 


Ztt  Buch  n,  Kap.  3,  8.  152--156.  401 

8.  153.  Katana  und  Gharondas.  Zeit  desselben  Ar.  Pol.  II,  9,  ».  Freund  des 
OnomakritOB  soll  Thaies  gewesen  sein ,  ^ktiros  J*  Aie^ar^  Avxovyy^v  xa\  ZaUvxov, 
^altvtnv  &k  XmQtavdav.  Doeh  wird  von  Manchen  dies  Kap.  für  unächt  gehalten.  Herakl. 
XXV  sagt  Yon  den  Hheginem  vofioig  Sk  fxQ^^^  ^^^^  Xagtivdov  rov  Knrataiov.  iTUQter" 
rTföt  J^  ttvitiv  l4vtt^ilag  Mifttti^tog ,  woraus  man  schliessen  kann ,  dass  Charondas  vor 
Anaxilas  lebte.  Chat,  verbannt,  nach  Ehegion  Ael.  V  HUI,  17.  üeber  seinen  Tod 
Diod.  XII,  19,  womit  zu  vergleichen  Diod.  XIII,  33  vom  Tode  des  Diokles.  Wegen  s. 
Namens  vgl.  Epaminondas ;  Pagondas  der  Btfotarch  Thuk.  lY,  92.  96 ;  Telondes  böot. 
Name  bei  Paus.  IX,  25,  S ;  Diagondas  theban.  Gesetzgeber  Gic.  legg.  II,  15.  Für  einen 
Thnriw  erklärt  ihn  Diod.  XII ,  1 1 :  sie  wählten  zum  Gesetzgeber  rw  «Qtaxov  rtSy  iy 
naiSeitf  ^avuaCou^r^v  TroXirrny  XaQtiv&av,  8t.  B.  8.  V.  Kardvrj  hat  sogar  ano  Karanig 
Xn^wSttg  6  diianfAog  *A^yr\tft  rofioi^ftaiv ,  wobei  man  an  die  Gründung  Thurii's  durch 
Athen  denken  kann.  —  Quellen  unserer  Kenntniss  der  Gesetzgebung  des 
Charondas.  Diod. XII,  12--18  hat  die  dem  thurischen  Char.  zugeschriebenen  Gesetze; 
aber  nach  Ath.  XI,  508  stammt  die  Thurische  Gesetzgebung  vielmehr  von  Zaleukos,  nach 
Herakl.  Pont  bei  L  D  IX,  50  von  Protagoras  her.  Indess  kommt  bei  Diod.  XII,  14  in 
einem  Citat  aus  einem  Komiker  der  Name  des  Charondas  bei  dem  Gesetz  über  die 
Wiederverheirathung  vor.  Stob.  serm.  42,  wo  der  Ausdruck  fliov  ToaytpJovfiiyov  vor- 
kommt, über  den  vgl.  Bentl.  Phal.  p.  200  ff.  (Lenn.).  lieber  die  weitere  Anwendung 
des  doHsehen  Dialekts  Müll.  Dor.  II,  369.  Es  wäre  also  durchaus  nicht  undenkbar, 
dass  die  Gresetze  einer  chalkidischen  Stadt,  von  Charondas  abgefasst,  im  dorischen 
Dialekt  geschrieben  gewesen  wären.  «—  Die  Stellen  aus  Arist  s.  b.  M.  U,  173;  es  sind 
Ar.  Pol.  I,  1,  6,  IV,  10,  6  und  II,  9,  8 :  Xaoiovöov  itUtov  filv  ovdiy  iari  nXriv  al  dCxat 
TW  ilfev^OjuaQTVQtcSv  [TTQtSros  yaQ  inoirjae  j^jv  Inlaxri^lßiv]^  ry  d*aHoiß({tf  xüv  voutav  tari 
ylafpvQtixiQog  naX  rav  vvv  vouod-srSy,  Aber  dies  ganze  Kapitel  halten  Göttling ,  Stahr 
U.A.  für  unächt.  Ar.  Pol.  IV,  9,  10  sagt  noch,  dass  Char.  wie  Solon  und  Lykurg  fx  rtSi' 
fiinmv  TtolirtSy  war  (nicht  Herrscher,  nicht  der  untern  Classe  angehOrig) . 

Die  3  Gesetzveränderungen  bei  Diod.  XII,  17.  IS  sind  folgende.  1.  £s  war  Gesetz, 
dass  wer  einem  Anderen  ein  Auge  ausschlüge,  selbst  eines  verlieren  solle.  Ein  Einäugiger, 
der  sein  einziges  Auge  so  verloren  hatte,  setzte  es  durch ,  dass  der  Thäter  beide  verlor. 
2.  Die  Frau  durfte  die  Ehe  auflösen  und  einen  anderen  Mann  nehmen.  Ein  alter  Mann 
setzte  durch,  dass  die  Frau  in  diesem  Fall  keinen  jüngeren  nehmen  durfte,  als  der  war, 
den  sie  verliess.  3.  Der  nächste  Verwandte  einer  Waise  musste  sie  entweder  heirathen 
oder  ihr  500  Dr.  Aussteuer  geben.  Eine  Waise ,  deren  nächster  Verwandter  reich  war, 
setzte  durch,  dass  er  sie  heirathen  musste.  Nur  die  erste  dieser  Anekdoten  hat  etwas 
Alterthümliches ;  die  beiden  andern  werden  sich  schwerlich  auf  den  katanäischen  Gesetz- 
geber beziehen.  —  Die  Vorschrift  von  dem  Strick  um  den  Hals  findet  sich  bei  Stobaios 
unter  den  Gesetzen  des  Zaleukos  mit  der  Motivirung  des  Diodor. 

Von  der  Liebe  zu  den  Obrigkeiten  Cic.  de  legg.  III,  2,  zu  vgl.  mit  Stob.  (Mul- 
lach,  Phil.  Gr.  I,  p.  540).  Der  Schluss  lautet  bei  Stob,  ngograoan  6k  6  vofiog  IniaxaalhKi 
X(t  TTQoolfJtia  tovg  noktrag  anttvjagi  xal  iv  xutg  kogxaig  uixa  xovg  nntwag  XfyuVf  ^  uy 
TtQoaxdöOQ  6  iaxidxnjQ ,  ty  l^utpvamcai  ixäortp  xd  naoayyikfiaxtt ,  ZU  vergl.  mit  Hermip- 
pos  TtiQl  yofiod-€x(Sv  bei  Ath.  XIV,  619  über  das  Singen  der  Gesetze  des  Charondas  in 
Athen  beim  Weine.  —  Die  Gesetze  des  Char.  auch  in  andern  chalkidischen  Städten  von 
Sicilien  und  Italien  nach  Ar.  Pol.  II,  9,  5 ;  in  Mazaka,  der  Hauptstadt  von  Kappadokien 
nach  Str.  XII,  2,  9.  —  Vgl.  im  Allgem.  Sainte-Croix,  M6m.  sur  Charondas  in  den  Mm. 
de  TAcad.  des  Inscr.  et  BL.  T.  XLII.  G.  Alessi,  Discorso  su  Caronda.  Cat.  1826.  4. 
F.  D.  Gerlach,  Zaleukos,  Charondas,  Pythagoras.  Bas.  1858.  8. 

S.  156.  Lage  von  Ery ke  KaU.  (fr.  1 )  bei  Macr.  V,  19  (so  zu  verb.  S.  364 ,  6).  Die 
Bepflanzung  des  Akragantinischen  Gebietes  mit  Fruchtbäumen  nach  der  Schlacht  bei 

Holm,  Gesch.  Siciliens.  I.  26 


402  Anhang  n.  Belege  und  ErUKaterungen. 

Hünera  Diod.  Xi,  25.   Das  Leontinische  Gebiet :  Yibius  unter  Menais,  Leontinorum,  per 
quem  dves  ejus  loci  timent  jurare,  vom  Palikensee. 

S.  158.  Handel  zwischen  Sicilien  und  dem  Osten.  Roth,  Gresch.  der  abendland. 
Philosophie  II,  297.  —  Handel  mit  Krisa  Str.  IX,  3,  4 :  ivrvxiiaavrts  ol  Kgiaaioi  iia  xä 
ix  jfig  ZixMag  xal  ti\9  *IzaXliis  Ul^i,  Der  Name  eines  Himeräers  Krison  (Diod.  XU,  5, 
s.  u.  Buch  ni,  Kap.  2)  deutet  auf  Verbindung  mit  Krisa  hin.  —  Ueber  die  Störung  dea 
Handels  durch  die  Tyrrhener  Antioch.  (fr.  2)  bei  Paus.  X,  11,  3.  Diod.  Y,  9. 

S.  159.  Das  selinuntische  Thor  in  Akrai  nach  C  15430. 

S.  159.  Sikeler  den  Syrakusanem  Abgaben  zahlend  Diod.  Xll,  30;  Thuk.  VI,  20. 

S.  159.  Petron  aus  Himera  Piut.  de  or.  def.  (Hutt.  IX)  23.  Beiske  hielt  den  Namen 
nicht  für  griechisch  und  wollte  deshalb  Hieron  lesen.  £r  ist  acht  sicilisch :  Petron  Ton 
Petra ,  wie  Gelon  von  Gela ,  Theron  von  Thera ,  Hieron  von  Hiera ,  Hyblon  von  Hybla, 
Krison  von  Krisa. 

S.  159.  Die  Akragantiner  bestimmten  die  Geldstrafen  in  Kupferlitren ;  sie  wurden, 
in  Silber  entrichtet,  nach  einer  gesetzlichen  Bestimmung  über  die  Umwandlung  des  einen 
Metalls  in  das  andere.  Arist.  bei  Poll.  IV,  174  und  IX,  80.  Die  Akragantinischen  Serien 
nach  dem  Artikel  von  Salinas :  Description  d'un  d^pdt  de  tr^s  petites  monnaies  d'argent 
frapp^es  en  Sicile,  in  Rev.  Num.  1867.  S.  335—42  mit  PL  IX  und  X. 

S.  160.  Ueber  die  Niederlassung  auf  dem  Berge  Cannita  die  Belaz.  sugli  scavi  intra- 
presi  nei  dintomi  di  Palermo,  von  F.  Perez  im  Bullett.  della  comm.  1,  wo  ausser  Solunto 
und  Cannita  noch  das  nahe  Portella  di  Marc  besprochen  wird. 

S.  160.  Hund  auf  einer  Münze  von  Selinus  Torr.  LXVI,  5. 


Yiertes  Kapitel. 

S.  160.  D.  Scin4,  Storia  letteraria  di  Sicilia  dei  tempi  Greci,  c.  annot.  ed  append. 
di  A.  Gallo.  Pal.  1S59.  8.  474  pg.  kenne  ich  nicht.  —  Ueber  £  um  e  los,  Paus.  U,  1, 
1  und  Öfter.  Vgl.  Rathgeber,  Grossgriechenland  S.  136. 

S.  160.  Ueber  -ÄTvyat^off  Hippostratos  (fr.  4  M  IV,  433)  bei  Schol.  Pind.  Nem.  H, 
1 :  r^v  6h  6  Kvvaid^og  Xlog^  os  xal  rav  (niyQatfOfiivtov  ^OfiriQov  notr^fiartov  rbv  eig  'AnoX- 
Itov«,  yiyQttfjLfiivov  vfivov  Xfysrai  rr^iroifjx^yai.  Ovrog  ovv  6  Kvvair^og  TtQwxog  iv  J^voa^ 
xovaaie  *(l(5a»//<^'JijO€  t«  *Ofi^gov  intj  xard  tijv  i^ijxoaTrii/  iwärfjv  ^OkvfintaSa,  m 
*l7i7i6aTQar6g  (prjai.  Hierzu  bemerkt  Müller  1.  1. :  »De  hoc  loco  doctissime  disputans 
Welcker  in  Cycl.  p.  237 — 48,  multa  attulit  quae  corrupta  esse  illa  xarä  t.  /|.  fw.  *0i. 
coarguant  atque  Cynaethum  Chium  non  diversum  esse  suadeant  a  Cynaethone  vel  Ci- 
naethone  Lacedaemonio.  Hunc  vero  Eusebius  in  Chron.  floruisse  dicit  Olymp.  3,  4. 
Quare  W.  corrigendum  suspicatur  x«r«  t^v  Hxcrfv  rj  rr^v  ivvKjrjv  ^OL  Contra  Nitzschius 
Hist.  Hom.  I,  p.  130  verba  scholiastae  ita  intelligit,  ut  sensus  sit :  illo  tempore  Syracusis 
rhapsodiae  certamen  institutum  esse,  in  quo  Cynaethus  aut  vicerit  primus  aut  inter 
primos  certaverit«. 

S.  161.  ZtriülxoQog.  Sammlung  der  Bruchstücke  von  J.  A.  Suchfort.  Gott.  1771. 

4.  Gaisford,  Poet.  min.  III.  0.  F.  Kleine.  Berl.  1S28.  8.  Schneidewin,  Delectus;  Bergk, 
Lyrici  Graeci.  Vgl.  femer  Minis,  De  Stesichoro.  Heimst.  1765.  4.  Welcker  inJahn's 
Jahrb.  IX,  131—68  und  251—308  (sehr  reichhaltig);  Schneidewin  in  s.  Ausg.  des  Ibykos 

5.  49  ff.  Bemhardy,  Gr.  Literaturgesch.  Ü  und  den  Artikel  von  W.  Teuffei  in  Pauly's 
K  E  Ylt  1419 — 21.  Stes.  einHimeräer  nach  Plat.  Phaedr.  244  und  vielen  Anderen. 
Wenn  bei  Suidas  in  dem  ihm  gewidmeten  Artikel  hinzugefügt  wird  ol  61  ano  MaravQiag 
Tiji  h  'iraUtf,  so  erklärt  St.  B.  s.  v.  Maravnog  dies  durch  Maxavotvog  yivog.  Als  Name 
seines  Vaters  nennt  Suidas  EvtfOQßov  ^  EvffrjuoVf  atg  6h  aXloi  EuxX^C6ov  ^  ^Yirovg  { 
"Hai66ov,    Ueber  die  Herleitung  von  Hesiod  bes.  Arist.  in  der  Politie  der  Orchomenier 


Zu  Bach  II,  Kap.  3.  u.  4,  S.  158—161.  403 

(fr,  115  M  n,  144)  bei  Tzetz.  ad  Hes.  pr.  7.  Vgl.  Paus.  IX,  31,  5  und  Plut.  sept.  sap. 
conviv.  19.  —  üeber  die  Henne  Welcker  136  nach  dem  Museum  Sanclement.  T.  III. 
1809.  Tab.  40,  5  und  p.  172.  —  Euphemos  bei  Fiat.  Phaedr.  244.  Doch  macht  gerade 
gegen  diesen  Namen  Schneidew.  Ibykos  S.  39,  n.  13  geltend,  dass  er  in  dem  Zusammen- 
hang der  Platonischen  Stelle,  wo  von  dem  Widerruf  des  Stesichoros  die  Rede  ist,  ihn  als 
einen  Gutes  Redenden  bezeichnen  solle.  nQox^Qov  TiaCag  ixaXsTro  nach  Suid.  Zeit  des 
Stesich.  Suid. giebt  die  37.-56.  Ol.  an ;  nach  Euseb.  ist  er  Ol. 43,  2  bekannt,  stirbt  55,  3 ; 
die  85  Jahre  seines  Lebens  scheinen  auf  Ol.  35  —  56  zu  weisen.  —  Leben  des  Stes. 
Nachtigal  auf  seinem  Munde  singend  Plin.  X.  82  und  Christodor.  125  in  Jacobs'  Anthol. 
I,  p.  42.  —  Brüder  werden  genannt :  von  Hippias  bei  Proklos  in  Euclid.  Elem.  ^^/utoiaros, 
von  Suid.  Mttfjtiqrivogy  ynafdergiag  IffineiQos  und  von  Suidas  xal  srfQov  ^Ahävnxxa 
vofjto&^TTiv.  Da  nicht  dabei  steht,  von  welcher  Stadt  Halianax  Gesetzgeber  war,  Gesetz- 
geber zu  sein  aber  kein  Beruf  ist,  so  nehme  ich  eine  Verwechslung  zweier  Bedeutungen 
des  Wortes  tofioyQccffog  an ,  welches  sowohl  Gesetzgeber  wie  Componist  bezeichnet. 
Letzteres  kann  der  Bruder  des  Dichters,  der  Abkömmling  einer  Dichterfamilie,  sehr  wohl 
gewesen  sein.  Dann  sind  die  3  Brüder :  Mathematiker,  Componist,  Dichter,  Oder  sollten 
die  Beschäftigungen  der  Brüder  aus  den  Namen  derselben  entnommen  sein  ?  Auffallend 
ist  der  Name  Mufiigrivog.  Teuffei  S.  1419  meint,  er  möchte  in  Mamertium  gelebt  haben. 
Aber  dies  lag  nach  Str.  VI,  1,  9  am  Silawalde  in  Bruttium,  und  war  also  wohl  erst  eine 
Gründung  der  Lucaner  des  5.  Jahrh.  v.  Chr.  Im  7.  Jahrh.  will  der  Name  Mamertinos 
nicht  anders  in  diese  Gegenden  passen,  als  indem  man  Beziehungen  der  Bewohner  Hi- 
mera's  zu  den  mittelitalischen  Völkerschaften  annimmt.  —  Stria,  iv  Aoxqotg  ilniv  ott 
ov  S(t  vßQiarag  thai,  ontog  ^tj  oi  tittiyeg  ^f^ino&iv  ^Jaiaiv,  Ar.  Rhet.  II,  21.  —  Sein 
Alter  85  Jahre  nach  Luc.  Macrob.  25.  —  lieber  seinen  Tod  Suidas.  Von  der  Gestalt  dea 
Grabes  Suid.  s.  v.  ndyTa  6xt(ü.  Ein  gleiches  Denkmal  nach  PoU.  IX,  7  und  Eust.  II. 
XXII,  p.  1289,  59.  Od.  I,  p.  1397,  38  in  Himera.  —  üeber  die  Deutung  des  nm'ta  oxtcS 
auf  Stesichoros  vgl.  Welck.  153  ff.  —  Die  Grabschrift  des  Antipater  in  der  Anthol.  I, 
p.  328  lautet:  ZraoCxoQOV  ^anXriO-hg  ccfKTQTjTov  axofxa  Movorfg ,  *Exx4Qiaiv  Kaxiivag 
atrf-alotv  öunt^ov  '  Ov  xaxic  Üvd-nyoQa  (pvat-xcev  (faxiv,  a  tiqIv  *Of*T^QOV  \I'v^ttiyl  üxiQvoig 
öivxiQov  f^xiauTo.  Die  andere  steht  in  Ferret.  Mus.  lapidar,  p.  354.  Statue  in  Himera 
Cic.  Verr.  II,  35.  Die  Münze  bei  Torrem.  tab.  90,  13,  p.^7  vgl.  Welcker  145.  —  2(> 
Bücher  nach  Suid.  Quintil.  'X,  1 ,  62  nennt  ihn  epici  carminis  onera  lyra  sustinentem.  — 
lieber  des  Stes.  Auffassung  des  Herakles  Athen.  XII,  512.  Die  orientalische  Aus- 
stattung des  Her.  mit  Löwenhaut  und  Keule  (Sonnengott}  durch  Stes.  weist  auf  herr- 
schende orientalische  Einflüsse  in  Sicilien  hin.  Peisandros  schreibt  sie  zu  Str.  XV,  1,  9 
(€ix€  ÜtCaavSQog  ^v  ktx  uXXog  xtg).  Erytheia  bei  Tartessos  Str.  III,  2,  11.  —  Die  Gestalt 
des  Geryones  nach  Stes.  Schol.  Hes.  Theog.  p.  256.  13.  —  üeber  den  Becher  des  Helios 
nach  Stes.  bes.  Athen.  XI,  469.  —  Üeber  den  Ryknos  Schol.  Pind.  Ol.  X,  19.  Stes.  über 
die  Kinder  der  Megara  nach  Paus.  IX,  11,  2.  —  Dass  die  Zvo^^Qtu  (Athen.  III,  95) 
gerade  die  Kalydonische  Jagd  zum  Gegenstand  haben  mussten,  bezweifelt  Welcker  254. 
Allerdings  werden  auf  Bildern  auch  andere  Helden  zu  Saujagden  vereinigt ;  aber  die 
kalydonische  war  doch  immer  die  allein  bedeutende.  —  Athene  die  Zähne  säend  nach 
Schol.  Eur.  Phoen.  674.  —  Von  Schleiermacher  zu  Platon's  Republik  S.  608  ist  die  Ver- 
muthung  ausgesprochen,  dass  Stes.  die  Eriphyle  vertheidigt  habe.  —  Üeber  die  Auf- 
fassung der  Sage  von  Aktaion  durch  Stes.  Paus.  IX,  2,  3.  Preller,  Gr.  Myth.  I,  308  legt 
Stes.  eine  Verbindung  beider  Sagen  bei,  die  nicht  begründet  ist.  —  üeber  die  V;./oy 
Tt^QOig  und  die  Tabula  Iliaca  ausführlich  Welcker  255  ff.  Die  im  Capitolinischen  Museum 
befindliche  Tabula  Iliaca  ist  herausgegeben  von  Fabretti,  Col,  Traj.  Rom.  1683  p.  315; 
später  im  Mus.  Capitol.  IV,  68;  Miliin,  Gal.  Myth.  558 ;  Tischbein,  Homer  nach  Antiken 
gezeichnet.  Stuttg.  1821.  fol.  S.  13;  endlich  Boeckh.  C  I  III,  n.  6125.  Rubino,  Beitr. 
z.  Vorg.  Ital.  91,  n.  117  macht  wahrscheinlich,  dass  Stes. ,  ein  Nachbar  der  Elymer  in 

26* 


404  Anhang  n.  Belege  und  Erläuterungen. 

Sicilien,  doch  die  Gklangung  des  Aeneas  nach  Latium  (wenn  er  auch  Lavininm  nicht 
nannte)  gedichtet  hat ;  in  Kyme  liess  ja  doch  Niemand  den  Helden  begraben  sein,  lieber 
den  Wasser  tragenden  Epeios  Athen.  X,  456.  —  Schauplatz  der  Orestie  Lakonien  bei 
Stes.  nach  Schol.  Eur.  Gr.  46.  —  Ueber  die  Kalvxri  Athen.  XIY,  619  und  Eust.  ad 
n.  p.  1236.  —  Ueber  die  *Padivti  Str.  VIII,  3,  20.  —  Den  Daphnis  hat  mit  Kalyke 
und  Bhadine  zusammengestellt  Welcker  284.  Stes.  Urheber  der  bukolischen  Poesie  ge- 
nannt von  Ael.  V  H  X,  18 ,  der  auch  von  dem  7iti9o^  jb  xara  tviv  o(f&alfi£v  avrov 
spricht.  Von  der  einen  Quelle  der  zwei  Himera  Vib.  Sequ.  p.  1 1  Oberl.  —  Das  Gedicht 
auf  Eleariste  nach  Phal.  ep.  19.  Vgl.  Welcker  300.  —  So  kommen  ep.  9  die  *Axatäv 
vdaroi  als  Gedicht  des  Stes.  vor;  von  Lennep,  da  sie  damals  noch  nicht  anderweitig 
nachgewiesen  waren,  als  Fiction  des  Verf.  der  Briefe  betrachtet ;  aber  mit  Unrecht ,  wie 
Kleine  p.  82  gezeigt  hat.  Ein  naiäv  des  Stes.  nach  Tim.  bei  Athen.  VI,  250.  —  Die 
Fabel  vom  yetogyos  xal  atrog  Ael.  H  A  XYII,  37  vgl.  Welcker  300.  —  ofiriQixwatog 
nennt  Stes.  Longin.  Xm,  3.  Vgl.  Qnint.  X,  1,  62  und  Dionys.  de  comp.  verb.  II,  p.  28 
Sylb.  —  TOT  TQ^a  SrriotxoQov,  Suid.  h.  v.  (fTQOif^v,  avrlarqo^pWt  Inf^dov  *  iirf^dtxtf  yä^ 
rräaa  ^  rov  ZnjaixoQov  noirjoig.  Als  Sprichwort :  ov^k  tot  rgiet,  SrtfcnxoQov  y^yv^axetg. 
Welcher  152  bemüht  sich  nachzuweisen,  dass  dadurch  nicht  die  Erfindung  der  Epodos 
dem  Stesichoros  zugeschrieben  werde.  Hiermit  steht  in  Verbindung  die  Erklärung  des 
Namens  Stesichoros  durch  Suidas :  ort  ng»tog  %id-a(^6Uf  x^Q^^  lanjac ,  was  doch  nicht 
klar  ausgedrückt  ist.  —  Xanthos  Athen.  XII,  513.  Ael.  V  H IV,  26.  Vgl.  Welcker 
165.  —  StesichorosalsDarsteller  der  Liebe:  Athen.  Xni,  601.  —  (Aihn  des  Stes.  als 
üxolia  gesungen  nach  Schol.  Ar.  Vesp.  1217.  —  Dass  die  Gedichte  des  Stes.  bei  den 
Festen  gesungen  wurden :  Schneidewin  in  s.  Ibycus  52  ff.  —  Ueber  die  Palinod ie  des 
Stes.  vgl.  bes.  Welcker  265  ff.  Plat.  Phaedr.  243.  Suidas:  ii  oveigov.  Ein  Orakel 
nennt  Schol.  Cruq.  Hör.  Od.1, 16,  28.  Paus.  IH,  19, 11.  Herrn,  z.  Phaedr.  ed.  Ast.  p.99, 
cf.  p.  60  (W.  271).  Ueber  die  Schlacht  am  Sagra  Grote  IE,  642,  n.  62  nach  Justin.  XX,  3 
und  Str.  VI,  1,  10.  Isoer.  Hei.  enc.  28 :  ors  /üv  yag  aQxof^fvog  rrjg  tpdijg  ißlaatpriuritfi  r« 
Tifgl  avrrjgf  aviaxn  rdSv  otpd-alfAiSv  anearsQtifjiirog  *  instdri  Sh  yvovg  Jtiv  aixlav  rijfgavfjL- 
fpogäg,  T^p  naltvifiSCav  inoCfia€y  ndXtv  avTOV  ig  rtiv  avrriv  (fvatv  xarffftfiae.     Welcker's 

Ansicht  S.  275,  d^x^  f-  v^-  heisse :  im  Anfange  des  Singens  oder  der  dichterischen  Lauf- 
bahn, kann  unmöglich  angenommen  werden.  Auch  die  Erinnerung  an  den  blinden  Homer, 
mit  dem  man  ja  Stes.  verglich,  kann  von  Einfluss  gewesen  sein,  sowie  andererseits 
Blindheit  gewöhnliche  Strafe  für  die  Beleidigung  von  Nymphen  ist  (Daphnis) .  naUvt^dlav 
äyeiv  ist  sprichwörtlich  geworden.  —  Die  Kalyke  sangen  nach  Aristox.  bei  Athen.  XTV, 
619  a/  a^j^ttm»  yvyatxeg.  Ueber  die  Versmasse  des  Stesichoros,  Kleine  41  ff.,  Welcker 
155  ff. 

S.  169.  ^Ißvxog.  Ueber  ihn  besonders  Schneidewin,  Ibyci  carm.  reliq.  Gott.  1833.  8. , 
dessen  von  0.  Müller  getheilter  Auffassung  entgegen  Welcker  Rh.  Mus.  II,  211  ihn  nur 
als  erotischen  Dichter  betrachtet.  Cic.  Tusc.  IV,  33 :  maxime  omnium  flagrasse  amore 
Ibycum  Rheginum  apparet  ex  scriptis.  Herkunft  und  Eltern  des  Ib.  nach  Suidas  nebst 
der  Erläuterung  Schneidewin's  bes.  S.  8.  Derselbe  hat  die  Angabe  des  Suidas,  dass  Ib. 
nach  Samos  gekommen  sei  ot€  avr^g  tiqxs  noXvxQartig  6  rov  Tvgäwov  tiuti^q  ,  als  unan- 
nehmbar nachgewiesen.  Seine  Emend.  S.  19.  Während  Suidas  Ol.  54  angiebt,  hat  Cyrill. 
adv.  Julian.  I,  p.  13,  Ol  59  und  Hieron.  Eus.  Ol.  61.  —  Von  seiner  Reise  von  Katana 
nach  Himera  Himer.  or.  XXII,  5.  —Von  seinem  Tode  Antip.  in  Anth.  Pal.  Vn,  745 ;  Plut. 
de  garr.  14  (Hutt.  X);  Nemes.  de  nat.  hom.  42  p.  305  ed.  Oxon.  Suid.  Eudoc.  —  Sprich- 
wort al  'Jßvxov  yiqavoi  bei  Zeuob.  I,  37  u.  A.  m.  Nach  Korinth  verlegt  die  Scene  ausser 
Antipater  auch  Macar.  Chrysoc.  ap.  Walz  ad.  Arsen.  Viol.  p.  30.  Dass  er  zu  den  Isthmi- 
schen Spielen  wollte,  hat  dann  Schiller  hinzugedichtet.  Wegen  der  Grabschrift  Anth.  Pal. 
VII,  714,  die  ein  Grab  des  Ib.  in  Ehegion  voraussetzen  lässt,  denkt  Sehn.  28  an  eine  Er- 
mordung bei  Rhegion.  Ueber  die  Beziehungen  der  Stesichoreischen  Poesie  zu  der  des  Ibykos 


Zu  Buch  n,  Kap.  4,  S.  169—171.  405 

Sehn.  S.  38  ff.,  besonders  ist  Athen.  IV,  172  wo  Verse  Stesichoros  oder  Ibykos  zuge- 
schrieben werden,  wichtig.  —  7  Bttcher  nach  Suidas.  Die  Fabel  von  der  ^nf/ag  und  dem 
ovo;  Ael.  H  A  VI,  51.  —  Von  Stes.  und  Ib.  sagt  Schneidewin,  Simon.  Oei  carm.  reliquiae 
P.  VII :  Apollineae  religioni  dediti  poetae  SicuH  Stesichorus  et  Ibycus. 

S.  170.  Ueber  Aristoxenos  Hephaest  demetr.  8,3,  wo  auch  ein  Fragment  von 
ihm  angeführt  wird.  Hieron.  setzt  ihn  zusammen  mit  Archilochos  und  Simonides  in  Ol. 
29.  Da  Selinus  erst  nach  Ol.  29  gegründet  wurde ,  so  könnte  Ar.  aus  Megara  mit  nach 
Selinus  gezogen  sein.  Ar.  hat  bereits  den  anapästischen  Tetrameter  angewandt.  Vgl. 
PaulyREI,  2,  1700. 

S.  170.  Arion  in  SiciUen  Herod.  I,  24. 

S.  170.  Sappho  in  Sidlien  nach  M.  P.  lin.  51 :  2an<f>dt  iy  MnvXi^vfis  eig  HuceXiav 
inltvae  (pvyovaa.  Panormos,  vielleicht  das  kretische  erwähnt  im  Fragment  Sappho's  bei 
Str.  I.  2,  33. 

S.  170.  Sföyvtg.  Suid.  nennt  ihn  MeyttQtvs  riSv  iv  Ztxdit^  Mty«Q<ov  offenbar  nach 
Plat.  Legg,  I,  630 :  St&yviv  TtoXirriv  rtSv  iv  ZixeXtq  Mfya^imv,  während  der  Inhalt  seiner 
Schriften  das  Nisäische  Megara  als  seine  Heimat  erkennen  lässt  und  St.  B.  s.  v.  Mfyaga 
es  bestätigt.  Nach  Suid.  fy^atptv  iXeytittv  etg  rovs  öa&ivrug  rtiv  SvQaxövattav  iv  r^ 
noXioQxitf,  wobei  Burigny  an  die  Belagerung  von  Syr.  durch  Hippokrates  um  492  dachte 
(Br.  dePr.  503). 

S.  170.  Ueber  die  alte  Kunst  Siciliens,  besonders  die  Architektur  vgl.  jetzt  auch 
Beul^.  Histoire  de  l'art  grec  avant  P6ricl*s.  Par.  1868.  8.  —  Die  Tempel  von  Seli- 
nus. Ueber  ihr  Alter  sind  folgende  Ansichten  aufgestellt  worden : 

Nach  Serra  di  Falco  11,  70 :  C  um  Ol.  50  —  580  v.  Chr. ;  'F  um  Ol.  65  oder  66—520 
oder  516  V.  Chr. ;  £  etwa  450  oder  440  v.  Chr. 

Nach  0.  Mttller,  Arch.  Ausg.  von  Welcher  S.  68 :  C  etwa  um  Ol.  50  (oder  5— 10  Ol. 
früher;. 

Nach  Kugler  KG  2.  Ausg.  S.  170 :  C  wohl  noch  aus  dem  6.  Jahrh. ;  D  in  den  For" 
men  etwas  feineres  Gefühl;  F  jünger,  1.  Hälfte  des  5.  Jahrh.  (S.  200);  A  spätere  Zeit 
des  5.  Jahrh. ;  £  der  Architektur  der  Blütezeit  am  meisten  verwandt ;  G  im  J.  409  noch 
unvoUendet. 

Nach  Overbeck  GrPl.  I,  S.  90:  C  circa  600  (Ov.  setzt  die  Aegineten  Ol.  60—70 ,  in 
die  Blütezeit  Aegina's);  £  und  F  circa  530  und  520  v.  Chr.  £r  nimmt  keinen  Unterschied 
des  Charakters  zwischen  beiden  an  (S.  132). 

Nach  Friederichs  Berlins  Ant.  Bildw.I,  S.  16 :  Der  älteste  Tempel  gegen  den  Schluss 
des  7.  Jahrhunderts  —  wegen  der  fehlenden  Löwenhaut  bei  Herakles.  Doch  kann  die 
fehlende  Löwenhaut  kaum  einen  Beweis  abgeben.  Uebrigens  will  Serra  di  F.  ein  Fell 
als  Bekleidung  des  Herakles  bemerken. 

S.  171.  Der  älteste  T.  von  Selinus  (C).  Schubring  Sel.S.  13  hält  ihn  für  einen  He- 
raklestempel; 2Metopen  beziehen  sich  allerdings  auf  Herakles;  und  dass  Selinus  den  He- 
rakles hoch  hielt,  zeigen  die  Münzen  der  Stadt.  Nach  Serra  di  F.  U  sind  die  Masse  (s.  S.  328) : 

Larghezza  compr.  i  gradini    . pal.  101. 

Lunghezza     »       »»         •    272. 

Larghezza  misur.  dair  estemo  delle  colonne »     91. 

Lunghezza    »         »         >         »         »        »    246. 

Larghezza  deDa  cella » 

Lunghezza    »      » » 

Diam.  delle  col.  del  prosp.  e  del  pronao » 

n        »      9    delle  ale » 

Sommo  scapo  (Oberer  Durchmesser)  delF  une  e  delV  altre     » 

Intercohinnio  del  prosp.  (diff.) » 

»  dei  lati » 


40. 

^^"*  • 

155. 

7 

7. 

2 

6. 

9. 

5. 

5 

9. 

5 

8. 

2. 

» 


406  Anhang  II.  Belege  und  ErläuteroDgen. 

Altezza  de'  gradini pal.   7.    9.  — 

delle  col.  compr.  il  capitello »34. 

del  capit.  compr.  il  coUarino  (Hala)  »     4.     1 .    4 

Suo  sporto  (Yorragung) »     2.     1.     3 

Altezza  dell  intera  trabeazione »    15.    5.    6 

Architrave »     6,  10.    6 

Fregio •.     .     .       »     5.    8.  — 

Cornice ■     2.  11.  — 

Sporto  della  cornice »     2.     1.    8  \ 

Larghezza  de'  triglifi »     3.    6.    2 

»  delle  metope »     4.    2.    9  ) 

ivaria  come  quella  degli  intercolunni). 
Vgl.  auch  D.  170.  —  Nach  Beul6  92  sind  die  porticua,  ihrer  Breite  wegen,  wie  Hittorff 
bemerkt  hat,  für  das  Volk  zu  Versammlungen  bestimmt,  was  sonst  nicht  der  Fall  war; 
auch  dass  sich  vor  der  ganzen  Ostseite  bequeme  Stufen  finden,  während  sonst  der- 
gleichen  nur  in  der  Mitte  sind,  deutet  darauf  hin.  Nach  Schubring,  Sei.  S.  34,  zeigte  sich 
1865  bei  der  Untersuchung  durch  Oavallari  »ein  in  den  Tempel  eingebautes  kleines  Haus 
mit  einer  Treppe  aus  schlechtem  Gemäuer  aus  christlicher  Zeit.  Die  Säulen  des  Tempels 
waren  darauf  gestürzt  und  hatten  es  zerquetscht«.  Andere  monolithe  Säulen  sind  auf 
das  Tempelchen  B  gestürzt.  —  Die  Monolithie  der  Säulen  der  östlichen  und  der  halben 
südlichen  Seite  bezeugt  Schubring  S.  14;  nach  D.  170  wäre  one  or  two  monoliths.  — 
lieber  weitere  Funde  berichtet  S.  Oavallari,  Scavi  di  Selinunte  in  Bull.  1868  p.  87  :  — 
due  listeile  di  0,83  di  larghezza,  le  quali  contomando  le  strie  formano  al  disopra  un  arco 
acute,  ma  nella  congiunzione  si  svolgono  con  altra  curva  in  st  al  modo  degli  archi  gotici 
del  quattrocento.  II  rimanente  di  questa  parte  omamentale  ö  di  una  superficie  cilindrica. 
S.  172.  Die  Metopen  sind  am  besten  abgebildet  bei  Serra  di  FalcoII;  eine  neue 
Herausgabe  ist  zu  erwarten  von  0.  Benndorf.  —  Vgl.  femer  das  oben  angeführte  Werk 
von  Angell,  und  Hittorff 's  Arch.  ant.  pl.  24.  25.  49;  P.  Pisanl,  Memorie  sulle  opere  di 
scultura  in  Selinunte  scoperte.  Pal.  1823,  und  über  ihre  Auffindung  Elenze  bei  Thiersch, 
Epochen  der  bild.  K.  d.  Griechen.  2.  Aufl.  S.  405  ff.  Ihre  Zusammensetzung  aus  vielen 
Stücken,  in  die  sie  zerbrochen  waren,  nach  Böttiger,  Amalthea  III,  S.  307—17,  abgedr. 
in  Beinganum,  Sei.  S.  203  ff.  Die  Medusa  ist  nicht  die  evndoifoi  Pindar's  (Pyth.  XII, 
16).  Vgl.  über  die  Bedeutung  dieser  Sculpturen  Overbeck  und  Friederichs  Berlin's  ant. 
Bildw.  I.  DüBS.  1868.  8.  S.  12— 17.  —Das  spartanische  Belief:  Annali  1861,  Tav.  C.p.  34 ; 
auch  inOverb.  Gr.  PI.  2.  Ausg.  —  Auf  den  asiatischen  Charakter  dieser  Skulpturen  weist 
Braun,  Gesch.  der  Kunst  II,  509,  hin. —Die  Sage  von  Herakles  und  denKerkopen 
bespricht  0.  Müller,  Dor.  1, 460.  — Der  fifXafinvyog  sprichwörtlich  (Archil.  fr.  106  Gaisf ) . 

—  Nachdem  sie  an  den  Thermopylen  (Herod.  VII,  216)  und  in  Lydien  (Lobeck,  de  Cercop. 
et  Cobalis  p.  7)  heimisch  gewesen  waren,  sollten  nach  Xenagoras  (fr.  13  M  IV,  528)  bei 
Schol.  ad.  Luc.  Alex.  4  und  Harpocrat.  s.  v.  XiQx<otp  von  den  in  Affen  verwandelten 
Eerkopen  die  Pithekussen  den  Namen  erhalten  haben.  So  mögen  sie  auch  in  Sicilien 
hausend  gedacht  sein.  Herakles  und  die  Kerkopen  auf  einer  Vase  aus  Girgenti  im  Mus. 
Biscari  zu  Oatania,  D.  405;  ferner  auf  einer  Vase  der  Sammlung  Panitteri  in  Girgenti, 
jetzt  in  München :  Jahn,  Vasensamml.  No.  783.    Vgl.  übrigens  Müller,  ArchaeoL  411,  4. 

—  Ueber  dieWagenlenkermetopeist  Serra  di  Falco  U  zu  vergleichen.  Göttl.,  Ges. 
Abh.  U,  98  sieht  in  der  auf  dem  Wagen  stehenden  Figur  die  argivische  Hera  und  hält 
den  Tempel  für  einen  Heratempel.  —  Ueber  die  1865  gefundene  Metope  Schubring, 
Sei.  S.  34.  —  Den  derben,  den  ältesten  Metopen  vergleichbaren  Archaismus  zeigen  auch 
Thonfiguren  aus  Akragas :  Gerhard ,  Ant.  Bildw.  Taf.  XCV.  —  Ueber  Farbenspuren 
Oavallari,  Bull.  1868,  p.  87,  wonach  gefunden  sind  diversi  finimenti  di  terra  cotta  dell' 
embrice  denotanti  un  omato  dipinto  nel  cosidetto  beceo  di  civetta  con  colori  roaso  e 


Zu  Buch  II,  Kap.  4,  Seite  172—175.  407 

nero.  —  Nach  dems.  haben  sich  zwischen  diesem  und  dem  nördlich  folgenden  Tempel 
Gräber  gefunden  coperti  con  grandi  lastre  di  tufo  calcareo ,  in  deren  einem  sich  nove  ami 
di  bronzo,  in  einem  anderen  eine  Bronzemttnze  fand,  wie  es  scheint,  späterer  Zeit. 
Näher   dem  Tempel  C  fand   man   ein  Stück  Gesims   mit   einer  Inschrift  gedeutet 

S.  175.   Tempel  D.    (Vielleicht  Apollotempel.   Ap.  war  in  Megara  Hauptgottheit, 
nach  Ausweis  der  Münzen.)  Serra  di  Falco  II,  17.  Seine  Masse  sind : 

Larghezza  compr.  i  gradini pal.  107.    8.  — 

Lunghezza       »  »        »    225.    2.    4 

Larghezza  presa  deir  estemo  delle  col.  .    .    .       »     90.    4.    S 
Lunghezza     »       »         »  »»...»    207.  11.  — 

Larghezza  della  cella  compr.  le  mura     ...       »34. 

Lunghezza     »       »         »        »»....       »    140.    2.  — 

Diametro  delle  col.  del  portico »       6.  11. — 

Sommo  scapo »       4.    5.  — 

Intercolunnio »      10.     1.  — 

Diam.  delle  col.  del  pronao »       5.    7.  — 

Altezza  dei  gradini »       4.    7.  ~ 

Altezza  de'  capitelli,  compr.  il  coUarino  »       3.    6.  — 

Lato  deir  abaco »       S.    9.    6 

Sporto  del  capitello »       2.    2.    3 

Altezza  deir  intera  trabeazione    .    .    .    .*.       »      15.     1.— 

Architrave »       6.     1.  — 

Fregio »       5.    9.  — 

Comice »        3.     3.  — 

Sporto  della  comice »       2.8.6 

Larghezza  dei  triglifi »       3.  10.  10 

»        delle  metope »       4.    9.  — 

Tgl.  D.  171.  —  Nach  Cavallari  1. 1.  p.  88  fanden  sich  nOrdlich  von  diesem  Tempel  le  fon> 
dazioni  di  un  vasto  edifizio  fabbricato  con  grandi  pezzi  squadrati.  Tra  1  ruderi  furono 
tirati  fuori  considerabili  pezzi  di  marmo  pario  lavorati  ma  non  finiti,  materiale  rarissimo 
in  Selinunte. 

S.  175.  Der  sogen.  Artemistempel  auf  Ortygia.  Ueber  ihn  Serra  di  Falco 
III,  Taf.  IX;  Schubring,  Der  neu  ausgegrabene  Tempel  in  Syracus.  Philol.  Bd.  XXIII, 
8.  361—67 ;  Adler  und  Kirchhoff  im  Archaeol.  Anzeiger  z.  Arch.  Zeitung  1867.  S.  60*. 
61*.  Die  Masse  Schubring's  sind : 

Länge  des  T.  ausser  den  Stufen  (vermuthet)  Met.  61,22 
Breite    »     »       »       »        »         .    .    .    .   »    21,45 

Höhe  der  Säulen »      6,71 

Frontsäulen.  Durchmesser ,   »     2, — 

Intercolumnien »      1,70 

D.  mittl.  Intercol »      2,65 

Säulen  der  Langseiten.  Durchmesser.    .    .   »      1,82 

Intercolumnien  .    .   »      1,48 

Höhe  des  Kapitals »      1,28 

»       »   Architravs »      2,17 

Nach  Hittorff  bei  Beul^  71  ist  der  Durchmesser  der  Säulen  an  der  Basis  1,90  M. ,  oben 
1,60  M.  Auffallend  ist  noch ,  dass  bei  der  nordöstlichen  Ecksäule  die  Kanäle  nicht  bis 
auf  den  Grund  ausgeschnitten  sind,  sondern  die  runde  Peripherie  0,28  M.  hoch  beibehal- 
ten ist.  Adler  fasst  den  Tempel  als  »das  erste  sichere  Beispiel  des  bei  Yitruv  schon  ver- 
worren behandelten,  aber  vonBötticher  in  scharfsinniger  Weise  seiner  Wiederherstellung 


408  Anhang  II.  Belege  und  ErlSuterongen. 

des  altdorischen  Tempelbaas  zu  Grande  gelegten  opoa  monotriglyphama  (Bött. ,  Tekto- 
nik I,  152)  aaf,  so  das»  dadarch  Bergau's  Wideraprach  gegen  BOttichei's  Annahme  so- 
rückgewiesen  werde.  A.  hält  den  T.  deswegen  sogar  für  älter  als  äea  mittleren  Bnrg^ 
tempel  von  Selinos ,  »mit  welchem  sonst  eine  enge  Verwandtschaft  bezüglich  der  Plan- 
disposition and  Stractnr  anläagbar  hervortrete«.  Nor  16  Canelüren.  —  Ueber  die 
Inschrift  vgl.  R.  Bergmann ,  Die  griechische  Inschrift  an  der  obersten  Stafe  der  Ostseite 
des  nea  ausgegrabenen  Tempels  zn  Syrakas  (Ortygia)  in  Philol.  1868.  S.  567  if.,  wo  die 
Inschrift  so  ergänzt  wird : 

KXso\fiiv]tig  oder  KX(o\^i^d]rjg  Inoit^as  [t\^[7i^l](ovt  [6 «tf 

Der  Sinn  des  Schlusses  von  tuvi  an  bleibt  unklar. 

S.  176.    Ueber  Klearchos  Brunn,  Gesch.  d.  gr.  K.  I,  48 — 51.  -^  Ueber  Polystratos 
Brunn,  I,  54,  nach  Tat.  adv.  Gr.  54,  p.  118  Worth. 


Ffinftes  Kapitel. 

S.  177.  Die  hier  nicht  zu  er($rtemde  Frage,  ob  der  Stier  mit  Menschenhaapt  auf 
Münzen  Dionysos  oder  ein  Flussgott  sei,  ist  seit  dem  vorigen  Jahrhundert  vielfach  ven- 
tilirt  worden.  Vgl.  A.  de  Longp^rier,  Monnaie  incnse  de  Rh^um  in  der  Rev.  Numism. 
Par.  1866.  p.  265—77.  Gut  sagt  Leake  Num.  Hell.  Sic.  p.  58 :  »When  we  reflect  on  the 
importance  of  riven  in  a  climAte,  where  sucoessful  agriculture  depends  so  mach  upon 
Irrigation,  and  on  the  numerous  instances,  in  which  rivers  determined  the  sites  of  new 
eitles,  and  gave  names  to  them,  the  honoura  conferred  upon  riven  on  coins  is  not  sur- 
prisingK.  Nach  Schol.  IL  24,  61 5  ward  Acheloos,  der  Vertreter  der  FlassgOtter,  wie  an> 
derswo,  z.  B.  auf  Rhodos,  in  Metapont,  so  auch  in  Sieilien  verehrt.  ~*  Die  Belege  zu 
dem  über  die  Kulte  Bemerkten  sind  meistens  aus  den  Münzen  und  den  Inschriften  zu 
nehmen;  man  vgl.  Leake  und  Mionnet,  sowie  das  C  Inscr.  Gr.,  das  besonders  über 
Akrai  sehr  lehrreich  ist.  Besonders  zu  bemerken  mischte  Folgendes  sein.  Kultus  des 
Flussgottes  Himera  nieht  ans  Münzen  zu  erweisen,  sondern  nur  aus  Cic.  Yerr.  II,  35. 
Palankaios  in  Agyrion  Torrem.  XI,  9  (andere  Münze  Arkaios).  Apollon  KameioB  MttU. 
Orchom.  327.  Ap.  Triop.  Sief.  Akr.  91 .  Zeus  Urios  Cic.  Verr.  IV,  57 ;  vgl.  0.  Jahn,  Archäol. 
Aufs.  S.  dO  ff.  Eleutherios  und  Hellanios  Mi  I,  S.  309.  Athene  Tritogeneia  nadi  Ver- 
muthung  Schnbring's,  Bewäss.  v.  Syr.  638.  Aristaeus  in  aede  Liberi  zu  Syrakas  Cic. 
Verr.  IV,  57.  Hera  in  Syrakas  Ael.  V  H  VI,  11.  Aphrodite  BattStig  in  Syrakas  nach 
Hesych.  Aphr.  in  Selinus  nach  Zenob.  Prov.Ii  31.  Hestia  C  Inscr.  5367.  Pan  Mi  81,279^ 
auch  aus  Syrakus  Mi  S  1,637.  Dioskuren  BronzcmUnze  von  Syrakus  Mi  SI,  615 ;  von  Ka- 
tana Mil,  167. 168.  Diosk.  auf  dem  Sikelischen  Meere  waltend  £ur.  £1.  1329.  Tyche  Cic. 
Verr.  IT,  53.  Pind.  Ol.  Xn,  2.  Sosipolis  in  Gela  Mi  S I,  S.  387 ;  es  ist  bemerkenswerth,  das» 
nach  Paus.  VI,  25, 4  in  EHs  neben  der  Tyche  der  Genius  Sosipolis  verehrt  wurde ;  bei  Burm . 
zu  d'Orv.  Tab.  X ,  4  bekränzt  eine  weibliche  Figur^  den  Stier  mit  Menschenantlitz, 
darüber  die  Inschrift  Sosipolis :  da  auf  dem  Bevera  schon  die  fliegende  Nike  erscheint, 
könnte  dies  um  so  mehr  Tyche  seiDu  Leake  N  H  Sic.  S.  73  unten  hat  eine  syrakus. 
Münze ,  auf  der  eine  von  ihm  für  Iris  gehaltene  Figur  mit  bauschigem  Grewande  sich  be- 
findet ;  vielleicht  Tyche?  Vgl.  Mi  S  1 ,  612  Figur  mit  Steuerruder  auf  syrakus.  Bronze- 
inUnze.  Heiligthum  der  Musen  Hermipp.  in  vita  Eurip.  in  Bioyg.  Westerm.  138  (M.  DI, 
52).  Verehr,  des  Janas  in  Sic. :  Drae.  Corcyr.  bei  Ath.  XV,  692.  ^  Ueber  die  sicilisohen 
Feste  vgl.  Hermana,  Gott.  Alt.  §  68,  wo  jedoch  die  nur  von  GefUsshenkeln  entnornmeBsn 
Monatsnamen  als  fremd  (rhodisch)  abgehen  müssen;  nebst  dess.  griecb.  Monatskonde. 
Gtftt.  1844.  4.  Den  Heroen  gewidmete  Frühlingsfeste  Schneidewin  zu  Ibyeos  S.  52--44. 
Naehtfeate  der  Nymphen  Tim.  bei  Ath.  VI,  250.  Bei  dems.  X,  437  Fest  der  Xoig. 


Zu  Buch  II,  Kap.  4.  u.  5,  S.  176—190.  409 

S.  181.  Ueber  Xenophanes  bea.  Roth,  Geach.  der  Abendl.  Philosophie  11,  177  ff. 
Xen.  sagt  von  sieh  selbst  bei  L  D  IX,  19:  tj^ii  <r  iTird  t  iaa^  ttai  i^^^ovr  iviavioC 
BlriOTg^Coi^sg  ifiiiv  (pQovtl^  av  ^EXkaBa  ytjv.  *Ex  yivirtig  Sk  tot  ififav  ifiKoai  nivTi  Tt 
ngoc  Totg  EXniQ  iyw  Ttigl  rmd*  Ma  X^yHv  iTVftmg.  Nach  Gens,  de  die  nat.  15,  3  ward 
er  major  centvm  annontm.  Da  nun  Hieron,  unter  dem  er  nach  OL  Alex.  Strom.  I,  p.  301 
u.  A.  lebte,  ca.  470  regiert  hat,  so  kann  des  Xen.  Geburt  um  570  fallen.  Dazu  passt,  dasa 
er  dann  545  25  Jahre  alt  war.  Dass  Apollod.beiCl.  AI.  1. 1.  ihn  in  die  40.  Olymp.  (620)  ge- 
setzt habe,  kann  auf  einem  Versehen  beruhen.  Ueber  s.  Aufenthalt  in  Sicilien  L  D  IK, 
18.  Sein  Auftreten  ebendas.  X.  ttber  die  Volksreligion  Gl.  AI.  Str.  V,  p.  601 :  l^A^  cf 
TOI  z^'Q^S  Y  ^^X^^  ß^^^  V^^  liavT(g*H yQa\pai z^l^cffifi  kuI  i^ya  TtlfTv  Sntg  av^QSc,  Kat  x€ 
&nSv  i^iag  tyQUifov  xal  atoftaT  inoiouv  Totav&*  otovntQ  xauTöl  difjttt^  ^^X^  ixaOTOt, 
"iTtnoi  fi4v  d-'  tnnoiat  ßoig  fi  Tt  ßovalv  ofioia,  womit  man  vgl.  Epioharm's  Fr.  43  S.  270 
Lorenz,  wo  er  xviov  xvvl  xaXXtaTov  tlfi^v  tfaiviTai  xttl  ßovg  ßot,  —  X.  und  die  Eleaten 
Ar.  Rhet.  II,  23.  Mehrere  Götter  dem  Namen  nach  angenommen  von  X.  bei  Gl.  AI.  Str. 
V,  p.  601.  —  X.  Gotteslehre  Ar.  Met.  I,  5,  986 :  J?.  tig  tw  oXop  ovgavov  anoßXi\pag,  to  Hv 
ilvai  (f-rjct  Tov  ^tov.  S.  £mp.  ady.  Math.  IX,  144 :  ovlog  6q^,  ovXog  di  voit,  ovlog  (f^ 
f  axovsi.  Simpl.  in  Ar.  Phys.  fol.  6.  X.  Geologie  S.  Emp.  ady.  Math.  X,  313.  Orig. 
Phil.,  p.  18 :  S.  iy  2v(fuxovaatg  iv  Totg  laTOfilatg  Xfyii  ivgrja&at  Tvnov  tx^-vog  xaX  (pwxtSvf. 
h  öl  M^XItj^  nXaxag  avfindvTwv  ^aXaGoCw,  Meteorologie  des  X.  Stob.  Ecl.  phys.  I, 
522.  Plnt.  Plac.  phil.  II,  13.  Sein  Skepticismus  S.  Emp.  ady.  Math.  VII,  4,  9.  Dagegen 
Stob.  Ecl.  I,  224 :  OvTot  an  aQxrig  ndvTa  d-tol  &vtiTotg  vni8eiiaVf  l^XXa  X9^V  C^TOuvTeg 
i'ptVQiaxovatv  afiiivcv, 

S.  182.  Ueber  Theagenes  yon  Rhegion  Grote  I,  333  nach  Schol.  H.  XX,  67;  Tat. 
ady.  Or. ;  ygl.  M  II,  12. 

S.  183.  Ueber  Pythagoras  ygl.  ausser  yielen  anderen  Schriften  ROth  II,  261  ff. 
P.  Sohn  des  Mnesarchos  Herod.  IV,  95.  Pherekydes  Lehrer  des  P.  nach  Gic.  de  diy.  I,. 
50.  P.  in  Aegypten  Isoer.  Bus.  28 ;  in  Asien  L  D  Vin,  3  :  xa}  na^a  XaXdaioig  fytvcTo 
xctl  JUdyotg,  Gio.  Fin.  V,  29 :  ipse  Pythagoras  et  Aegyptum  lustrayit  et  Persarum  magoa 
adiit.  VgL  das  weithyoUe  Forschungen  über  den  Zusammenhang  Pythagoreischer 
Lehren  mit  orientalischer  Weisheit  enthaltende  Buch :  M.  Gantor ,  Mathematische  Bei- 
trSge  zum  Kulturleben  der  VOlker.  Halle  1863,  und  dess.  Art.  Arithmetica  in  der 
2.  Ausg.  derRE  yon  Pauly  I,  1704—10.  Er  sagt  S.  1704.  5:  »Die  Arithmetik  der 
Griechen  lässt  sieh  begreifen,  sowie  man  die  Wahrheit  der  Erzählungen  zngiebt ,  nach 
welchen  Pythagoras  zuerst  in  Aegypten  die  Methoden  der  Geometrie  sieh  yoUst&ndig 
aneignete,  dann  um  520  y.  Ghr.  in  Babylon  arithmetische  Kenntnisse  sammelte«. 

S.  183.  Ueber  die  Italischen  Kolonien  ygl.  Grote  II,  293-313  und  die  betr. 
Abschnitte  in  Leake,  Num.  Hell.  Die  älteste  Rheginische  Münze  (nummus  incusus)  hat 
A.  de  Longp^rier  in  Rey.  Numism.  p.  265—77  nachgewiesen.  Sie  ist  jetzt  für  1450  fr. 
Eigenthum  des  Pariser  Gab.  des  m4d.  geworden. 

S.  184.  Ueber  Lokri's  Beziehungen  zu  Aphrodite,  die  Stellung  der  Frauen  daselbst, 
über  Athene  und  Zaleukos  ygl.  J.  J.  Bachofen,  Das  Mutterrecht.  Stuttg.  1861.  4.  S.  30» 
—334.  413.  14.  Das  Zankleische  Weihgeschenk  Paus.  V,  35,  6.  —  Terina  ist  der  Mit- 
telpunkt des  Werkes :  G.  Rathgeber,  Grossgriechenland  und  Pythagoras.  Gotha  1866.  4. 
—  Siris  und  Pyxus  Mi  I,  S.  151.  Leake  Num.  H.  It.,  S.  138.  Siris,  Tochter  des  Morges : 
Etym.  M.  s.  y.  Zi(tig ;  über  S.  überhaupt :  R.  Lorentz,  de  rebus  gestis  Tarent.  I.  Elberf. 
1838.  4.  S.  9  ff. 

S.  187.  Ueber  das  Auftreten  und  die  Schicksale  des  Pythagoras  in  Grossgriechen- 
land ygl.  auch  die  oben  cit.  Schrift  Gerlach*s,  Zaleukos,  Gharondas,  Pythagoras.  Basel 
1858.  8. ;  speciell  über  seine  letzten  Schicksale  S.  119  Anm. ;  endlich  desselben  Bericht 
ttber  die  Quellen  der  Geschichte  des  Pythagoras,  S.  122  ff. 

S.  190.  Angeblicher  Einfluss  des  Pythagoras  auf  die  bürgerlichen  Verhältnisse  Sici- 


410  Anhang  n.  Belege  und  Erläuterungen. 

liens :  Hermippos  bei  L  D  IX,  40  (sein  Tod).  Poiph.  21  und  27,  wonach  «r  futf  xa\  t^ 
«ütJ  fifi^off,  iv  T€  ]if€Ttt7iovt£<p  rrjg  'fjaXlag  xal  Iv  TavQOftevitp  rijg  ZiXfUag  (fvyyiyov^rai 
xal  duiX^x^m  xotg  ixariQtu&i  hai^oig.  In  der  Erwähnung  von  Tauromenion  (bes.  in 
c.  21)  liegt  natflrlich  kein  absoluter  Beweis  der  Falschheit  des  in  c.  21  Mitgetheilten ,  da 
Tauromenion  so  gut  für  Naxos  stehen  kann,  wie  Lilybaion  für  Motye  steht.  —  Einen  an- 
geblichen  Brief  des  Pythagoras  an  Hieron  findet  man  bei  Orelli,  Epist.  Socr.  etc.  Lipa. 
1815.  8.  p.  51. 

S.  190.  Einfluss  des  Pyth.  auf  Sicilien :  Cic.  Tim.  s.  d.  univ.  Ed.  Tur.  IV,  2,  p.  495: 
post  illos  nobiles  Pythagoreos,  quorum  disciplina  eztincta  est  quodammodo,  quum  ali- 
quot saecula  in  Italia  Siciliaque  viguisset. 

S.  190.  Ueber  Ekphantos  Stob.  Ecl.  I,  p.  496,  Heer. ;  femer  p.  308  und  448;  Plnt. 
Plac.  phil.  m,  13.  Vgl.  Ebert,  Diss.  Sic.p.  1 19.  —  Ueber  Empedotimos  Gl.  AI.  Str.  I 
und  Suid.  s.  v.  'E^neJoTtfzog.  —  Ueber  Petron  s.  o.  S.  402. 


Drittes  Bach. 
Erstes  Kapitel. 

S.  192.  Ueber  Karthago  vgl.  Mommsen  R  G I  (1.  Ausg.)  309  ff.  und  Movers,  Phö- 
nicier  II,  1  und  2.  Die  Urgeschichte  der  Stadt  s.  bei  Movere  n,  1,  356. 

S.  194.  Ueber  Pentathlos  Diod.  Y,  9,  wo  er  noch  in  Sicilien  fällt,  und  Paus.  X, 
11,  3,  wo  er  selbst  als  Gründer  der  Kolonie  auf  Lipara  bezeichnet  wird;  wo  femer  ge- 
sagt wird,  dass  sie  rag  vi^üovg  ia/ov  iQijfiovg  ?/  ävaarijaavTfg  tovg  Ipotxovvxag,  während 
sie  bei  Diod.  xotinji  ficra  rtSv  iyxtoQ^iov  wohnen.  Bei  Paus,  wird  femer  fälschlich  der 
ndxwog  genannt. 

S.  195.  Ueber  Malchus  Just.  XVIII,  7,  wo  es  von  ihm  heisst,  cujus  auspiciis 
Siciliae  partem  domuerant  (Carthaginienses) ,  und  später  erzählt  wird,  dass  des  M.  Sohn 
Garthalo  nach  Tyrus  gebracht  habe  decimam  Herculis  ex  praeda  Siciliensi  quam  pater 
ejus  ceperat.  Die  besten  Hdschr.  nennen  ihn  Malens,  was  natürlich  Malens  sein  soll 
Nach  Gros.  IV,  6  war  er  Zeitgenosse  des  Gyrus. 

S.  195.  Der  Handelsvertrag  zwischen  Rom  und  Karthago  (Polyb.  III,  22)  sagt:  lav 
*Ptoual(OV  Tig  €tg  ^ixeliav  naQayfyvriTai ,  rjg  KaQxv^oPiot  iTrd^xovoiv ,  loa  iarat.  ja 
^Ptofiaitov  ndvra,  und  der  zweite  Vertrag  noch  deutlicher :  iv  iTcxei./^,  ^g  Kagx-  initQ- 
Xovaif  xal  iv  KaQxijffovi,  ndvta  xal  noulxu»  xaX  THoXUrto,  oaa  xal  t^  noUry  ^{eariv.  — 
Ueber  die  grössere  Freiheit  der  sicilischen  Unterthanen  Karthago's  vgl.  Mommsen  I,  318. 

—  Ueber  die  Frage,  ob  in  Karthago  Münzen  geprägt  wurden  oder  nicht,  vgl.  die  Numis- 
matique  de  l'ancienne  Afrique  II ,  70  —  74 ,  wo  die  auch  von  Mommsen  festgehaltene  An- 
sicht, dass  Karthago  sich  zu  Hause  nicht  des  Metallgeldes  bedient  habe,  zurückgewie- 
aen  wird. 

S.  195.  Ueber  Dorieus  Herod.  V,  39  ff.  Diod.  IV,  23.  Die  Ghronologie  des  Un- 
temehmens  ist  folgende.  Dorieus  zog  nach  der  Thronbesteigung  des  Kleomenes ,  also 
515,  nach  Afrika,  wo  er  3  Jahre  blieb.  510  half  er,  nach  der  Behauptung  der  Sybariten, 
den  Krotoniaten  gegen  Sybaris.  Der  Zug  nach  Sicilien  fällt  also  nach  510.  Br.  de  Pr., 
S.  116,  bespricht,  und  Grote  III,  161,  n.  5  erwähnt  die  Möglichkeit,  dass  das  nach  Dio- 
dor  von  Dorieus  selbst  besetzte  Heraklea  ein  anderes  gewesen  sei ,  als  Her.  Minoa ,  das 
«päter  des  Dorieus  Begleiter  einnahmen.    Doch  entscheidet  sich  Br.  de  Pr.  nicht  daftlr. 

—  Nach  Just.  XIX,  1  hätten  die  sicilischen  Griechen  den  Leonidas  um  Hülfe  gegen  die 
Karthager  gebeten.    Allerdings  konnte  Leonidas  auf  den  Gedanken  kommen,  den  Tod 


Zu  Buch  III,  Kap.  1 ,  S.  190—200.  4 1 1 

seines  Bruders  zu  rächen ,  doch  ist  es  möglich ,  dass  hier  nur  eine  Verwechselung  des 
Leonidas  mit  Dorieus  vorliegt. 

S.  197.  Welche  Unruhen  der  Sturz  der  Tyrannen  in  Selinus  mit  sich  führte,  zeigt 
das  von  Plut.  Apophth.  Lac.  (Hutt.  VIII]  s.  v.  'AQtyivg  aufbewahrte  Distichon,  das  dort 
^.T^  ^riif44iTog  geschrieben  stand:  Zßiwvvras  noxi  rois^s  xvQavvCBa  %dXxfog^AQ'ng  Elli' 
^tltrovvTOg  <r  dfzif'l  TtvXais  tid'avov. 

S.  197.  Ueber  die  an  die  Karthager  von  den  Persem  gerichtete  Aufforderung  Schol. 
Find.  Pyth.  I,  146  nach  Ephoros  (fr.  111) ;  Diod.  XI,  1  und  20.  Die  Verbindung  der 
Karthager  mit  den  Persem  wird  in  Zweifel  gezogen  von  Mitford  und  Dahlmann,  Forsch., 
S.  186. 

S.  197.  lieber  die  Verhältnisse  ia  Gela  Herod.  Vü,  153  ff.  Polyaen.  V,  6,  wonach 
Kleandros  Sikeler  zu  Söldnern  hatte.  Vgl.  Paus.  V,  22 ,  7,  wo  von  dem  Tyrannen  Aine- 
fiidemos  in  Leontini  ein  anderer  Leontiner  dieses  Namens  unterschieden  wird.  Die  Chro- 
nologie von  Kleandros  und  Hippokrates  ergiebt  sich  ebenfalls  aus  Herodot  VII,  154.  55, 
wonach  jeder  von  ihnen  7  Jahre  re^erte.  Da  nun  nach  wahrscheinlicher  Annahme  (s.  u.) 
Gelon  seit  491  in  Gela  herrscht,  so  beginnt  Hippokrates  Ol.  70,  3  —  498  v.  Chr.,  Klean- 
dros Ol.  68,  4  —  505  V.  Chr.  zu  regieren. 

S.  198.  lieber  Zankle,  Sky  thes  etc.  Herod.  VI,  22  ff.  Thuk.  VI,  5.  —  lieber  die 
Phokäer  Herod.  I,  165  ff.  —  lieber  Dionysios  Herod.  VI,  11—17. 

S.  199.  "^va$ac(o  ToO  KQrjHyea)  Herod.  VII,  165.  Nach  Ar.  Pol.  V,  10,  4  iy  'Prjyitp 
eis  rv^  *Ava^iXdov  (rvQavvida  rj  oltyaQx^tt  fjierißaii).  Paus.  IV,  23,  Off.  macht  Anax. 
zum  Zeitgenossen  des  zweiten  messenischen  Krieges,  während  er  V,  26,  4  aus  Herodot 
sehr  wohl  weiss,  dass  Mik3rtho8  des  Anaxilaos  Sklave  war.  Deshalb  ist  an  einen  dop- 
pelten Anax.  nicht  zu  denken ;  denn,  wie  Bentley  in  seiner  Antwort  an  Boyle  S.  83  der 
Lennep'schen  Ausg.  richtig  bemerkt,  veri  simile  non  est,  duos  Anaxilaos  fuisse,  tyrannos 
Rheginos  et  utrumque  cepisse  Zanclen ;  nee  fieri  potuit ,  ut  uterque  primus  civitatem 
appellaret  Messanam.  Bentl.  hat  überhaupt  S.  82 — 89  vortrefflich  die  Annahme  des 
Paus,  als  einen  Irrthum  nachgewiesen.  —  Die  Chronologie  des  Anax.  nach  Diod.  XI,  48, 
wonach  A.  nach  ISjähr.  Regiemng,  Ol.  76,  1,  stirbt.  Also  Begierungsantritt  Ol.  71,  3, 
494  V.  Chr. 

S.  199.  Ueber  Kadmos  Herod.  VII,  164.  —  Dass  Skythes,  der  Vater  des  Kadmos 
und  Tyrann  von  Kos ,  nicht  derselbe  ist  mit  dem  früheren  Herrscher  von  Zankle ,  scheint 
mir  klar.  Skythes  von  Zankle  wird  von  den  Samiem  vertrieben,  und  nach  Herod.  VII, 
164  hat  Kadmos  nQotsQov  na^a  naxQog  die  Tyrannis  von  Kos  übernommen ,  sie  frei- 
willig niedergelegt  und  nlx^xo  ig  XmiXtriv,  ^v^a  fi^jit  ZafAitav  ia^f  —  noXivZdyxXriPf  d.  h. 
Kadmos  ist  unter  denen,  die  Skythes  vertreiben.  Vgl.  Lorenz,  £picharmo8,  S.  62. 
Wenn  Siefert,  Zankle -Messana,  S.  16,  unter  Voraussetzung  der  Identität  der  beiden 
Skythes  die  besprochene  Stelle  Herod.  VII,  164  so  erklären  will,  dass  die  Samier  auch 
später  noch  als  Anax.  Messana  beherrschte,  dort  angesehen  gewesen  wären ,  so  hat  er 
offenbar  das  Wort  fa%€  nicht  berücksichtigt,  das  nur  heissen  kann:  er  nahm  die  Stadt 
ein.  —  Wenn  Ael.  V  H  VIII ,  17  den  Skythes  'Ivvxtvog  nennt,  bemht  das  natürlich  auf 
einem  Missverständniss  Herodot's.  —  Die  Zeitbestimmung  der  Besetzung  von  Zankle 
durch  Anax.  ist  von  W.  Heibig,  Die  Münzordnung  des  Anaxilas  von  Rhegion.  Neue 
Jahrb.  1862.  Heft  11.  S.  737—44  erläutert  worden.  —  Die  Besetzung  durch  die  Samier 
kann  man,  die  Einnahme  von  Milet  in  Ol.  71 ,  3  —  494  gesetzt,  in  Ol.  71 ,  4  —  493 
setzen. 

S.  200.  Zankle  Messana  genannt.  Str.  VI,  2,  3  nennt  es  einfach  xtia/Aa  Miaatj- 
viwv  TÜv  iv  Jlilonovvijaqi.  Diod.  XV,  66  sagt,  dass  nach  Beendigung  des  dritten  messe- 
nischen Ejrieges  ausgewanderte  Messenier  iy  Zix.  Meaai^vriv  xriv  M  Ix^lvfav  ovofiaa^u- 
aav  xaT(p*iiaav.  Br.  de  Pr.  129  meint,  dass  Diodor  dieser  Kolonie  semble  attribuer  la 
d^nomination  nouvelle  de  Zancle.    Aber  Diodor  redet  schon  XI ,  76  —  Ol.  79 ,  4  von  der 


412  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

Mtaarivta  in  Sicilxen.  Thuk.  VI,  4 :  ^Avu^lXag  tJiv  ncUv  aitog  (codd.  nvtoU)  (vfifiixtwv 
nvOQtonoiv  olxiaug  M^oaip^riv  ano  r^;  iavzov  ro  agxaiot'  naxQtdog  avrmvofjiaaev.  Dagegen 
wird  in  den  Worten  Herodot's  (VII,  164) :  K.  layf«  lAtja  Za^ilmv  noXtv  Zayxkriv,  xrtv  h 
Mtoatjfyipf  ^eraßaXovaav  to  ovvo/ia,  die  Umänderang  des  Namens  offenbar  den  Samiem, 
d.  h.  mit  ihnen  gekommenen  Messeniem,  nicht  erst  dem  Anaxilas,  zugeschrieben.  Den- 
selben Schluss  hat  Millingen  aus  den  Münzen  gezogen  in  Bec.  de  quelques  m^d.  gr. 
p.  25  und  On  the  date  of  some  of  the  coins  of  Zancle  or  Messana  in  den  Transactions  of 
the  Royal  Soc.  of  Lit.  1829,  I,  2.  p.  93.  Mill.  erklärt  auch  das  Vorhandensein  ähnlicher 
Rheginischer  Münzen  dadurch,  dass  dieselben  aus  der  Zeit  stammten,  wo  Anax.  noch 
mit  den  Samiem  in  Messene  befreundet  war.  —  lieber  die  Veränderung  des  Mttnzfusses 
durch  Anax.  vgl.  die  angeführte  Abhandlung  Helbig's .  dessen  Resultate  dadurch  nicht 
wesentlich  modificirt  werden ,  dass  der  Name  MESSENION  nicht  erst  seit  der  Besitz^ 
nähme  der  Stadt  durch  Anaxilas  auf  ihre  Münzen  kommt.  Dass  die  attische  Währung^ 
zuerst  durch  Anaxilas  eingeführt  ist,  bleibt  stehen.  —  Üeber  den  Hasen  auf  den  Münzen 
des  Anaxilas  Poll.  V,  12.  —  Ich  möchte  in  den  bekannten  Akragantinischen  Münzen 
mit  dem  von  Adlern  zerfleischten  Hasen  neben  der  Anspielung  auf  das  bei  Aesch.  Ag. 
110  £f.  erwähnte  Omen  doch  auch  eine  Hindeutung  auf  den  gedemüthigten  Anaxilas 
sehen;  auch  Münzen  von  Lokri  Epizephyrii  haben  dasselbe  Symbol;  L.  war  bekanntlich 
auch  Rhegion  feindlich.  Vgl.  Mi  I,  S.  194,  n.  901  ff.  Sollte  die  Cicade  auf  einer  Akra^ 
gantinischen  Münze  dieser  Art  (Mi  I,  n.  42}  nicht  daraufgehen,  dass  in  Akragas  (wie  in 
Lokri)  die  Cicaden  sangen,  in  Rhegion  nicht?  Vgl.  Paus.  VI, 6, 4.  —  Man  unterschied  in 
Messana  noch  später  die  Nachkommen  der  alten  Zankleer;  vgl.  Paus.  VL  2,  10  von  zwei 
Olympischen  Siegern  Leontiskos  und  Symnuichos,  von  denen  dieser  nach  Diod.  Xn, 
49.  65,  Ol.  88  und  89  siegte ;  jener,  da  der  Rheginer  Pythagoras  seine  Bildsäule  machte 
(Paus.  VI,  4,  3.  4),  noch  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  angehört.  Vgl.  Ebel 
15.  16.  Paus.  IV,  23,  '6  ff.  hat  angebliche  Messenische  Anführer  des  zweiten  Messe- 
nischen Krieges,  Grorgos  und  Mantiklos,  in  die  Sache  gezogen ;  vor  Messana  wurde  nach 
demselben  (23,  10)  Herakles  Mantiklos  verehrt;  der  wahre  Zusammenhang  ist  nicht  mehr 
zu  finden.  Man  hat  angenommen,  dass  nach  dem  Ende  des  zweiten  Messenischen  Krieges 
ein  neuer  Zuzug  von  Measeniom  nach  Rhegion  stattgefunden  habe ;  das  ist  ^löglich ;  aber 
da  nur  Pausanias  dies  meldet  und  derselbe  diese  Leute  auch  Zankle  erobern  lässt ,  was 
falsch  ist,  so  wird  auch  jener  Zuzug  sehr  zweifelhaft.  —  pavartt&fios  des  Anaxilaos 
gegen  die  Tyrrhener  am  i:xvXlaioi'  Str.  VI,  1,5. 

S.  201.  üeber  KXe6(pQwv  Schol.  Pind.  Pyth.  n,  34:  \4va^CXttg  xaX  KXtotpQtov  e 
tovtov  naig  ^IraXiag  ovrig  tvQavvoi,  6  fxhv  h  Metfarjvn  tJ  2^ixtXitouxjf  6  di  iv  'Priy(t^  r^ 
niQl  ^IxaXlav  noXtfiov  ^nUXow  AoxQoig  (Ol.  75 ,  4).  Just.  '^'^T ,  3  wird  ein  Rheginomm 
tyrannus  Leophron  erwähnt ;  da  nun  nach  Herakl.  25  Anaxilas  als  Sieger  in  Olympia  dio 
Hellenen  bewirthete  und  Simonides  ein  Festlied  zu  diesem  Siege  dichtete  und  dasselbe 
bei  Athen.  I,  3  von  Aitoffqmv  erzählt  wird,  so  kann  man  mit  Sehneidewin  zu  Simon,  fr. 
17  annehmen,  dass  dies  der  Sohn  des  Anaxilas  war,  und  dass  in  beiden  Nachrichten  von 
demselben  Siege  die  Rede  ist,  den  der  Sohn  gewann,  welcher,  wie  das  vorkam,  dem 
Vater  die  Ehre  liess.  Endlich  ist  zu  beachten ,  dass  nach  D  H  XIX ,  4  beim  Tode  des 
Anaxilas  Rhegion  übe^eht  ^etütfgovi  r^  naLSL  Br.  de  Pr.  142,  n.  1  meint,  dass  Leo- 
phron die  Verwaltung  von  Messana  hatte;  sonst  (Ebel  18;  Sief.  18)  wird  er  für  den  Re- 
genten von  Rhegion  gehalten. 

S.  201.  lieber  die  Beziehungen  zwischen  Syrakus  undKamarina  Thuk.  VI,  5. 
Schol.  Pind.  Ol.  V,  16.  19,  wo  jedoch  viel  Verwirrung  ist.  üeber  den  Krieg  in  der 
57.  Ol.  Phil.  (fr.  8)  bei  D  H  ep.  de  hist.  5.  Ueber  den  des  Hippokrates  Herod.  Vn, 
154;  Phil.  (fr.  17)  bei  Schol.  Pind.  Ol.  V,  19.  Diod.  Exe.  virt.  et  vitt.  X.  Schol.  Pind. 
Nem.  IX,  95.  Chromios  in  der  Schlacht  am  Heloros  Pind.  Nem.  IX,  95.  Die  Eroberung 
von  Ergetion  Polyaen.  V,  6.  —  Die  Zeitbestimmung  der  Schlacht  am  Heloros  ist  nur  an^ 


Za  Buch  III,  Kap.  2,  S.  200—202.  443 

nähernd  zu  machen ;  man  nimmt  an,  dass  sie  nicht  lange  vor  dem  Tode  des  Hippokrates 
stattfand,  also  etwa  Ol.  71,  4  —  493,  oder  72,  1  —  492  v.  Chr.  —  Der  'EXÜQiog  äytiv 
Hesych.  kann  doch  kaum  wegen  dieser  Niederlage  der  Syrakosaner  gefeiert  sein ;  vgl. 
Herrn.  6  A  §  68.  —  Ueber  das  Ende  des  Hippokr.  und  die  Anfänge  Gelon's  Herod.  VII, 
154—56;  Ar.  Bhet.  I,  12,  wonach  Gelon  dem  Ainesidemos  nur  zuvorkam,  lieber  ein 
Orakel,  das  Deinomenes  empfing:  Plut.  Pyth.  or.  19  (Hutt.  IX). 

S.  202.  Ueber  die  Chronologie  Gelon's  und  seiner  Familie  sind  die  Hauptstellen 
Ar.  Pol.  y,  9,  23 ;  Die  Tyrannis  der  Deinomeniden  ntgl  SvQanovaatg  dauerte  18  Jahre, 
rÜMV  filv  yag  knta  ruQUwtvaas ,  t^  oyiotp  rov  ßhr  iteltviiiatv ,  dixa  cf  'l^geay^  Sga- 
avßovlog  dk  r^  iv^exdrip  pirfvl  iiiniQ^p.    Sodann  Diod.  XI,  66,  wonach  Hieron  1 1  Jahre 
und  Thrasybulos  1  Jahr  herrschte,  und  XI,  38,  wo  genauer  angegeben  wird ,  dassH. 
11  Jahr  und  8  Monate  regierte  und  nivv  kntaini  X9<^^^  iflaadiuaev.    Des  Letzteren 
Tod  setzt  er  Ol.  75 ,  3  —  478  v.  Chr. ;  den  des  Hieron  Ol.  78,  2  —  467  v.  Chr.  und  den 
Sturz  des  Thrasybulos  466.  —  Es  stimmen  also  Diodor  und  Aristoteles  ziemlich  überein, 
besonders  in  Betreff  der  Tyrannis  Gelon's ,  deren  Anfang  in  Syrakus  nach  Diodor  485 
V.  Chr.  fiele  (Ol.  73,  4).  ~  Hiermit  steht  in  Widerspruch  Paus.  VI,  9,  4.  5,  der  bei  Ge- 
legenheit eines  Weihgeschenkes  in  Olympia,  gestiftet  von  Gelon,  Sohn  de»  Deinomenes, 
«ufi  Gela,  bemerkt,  man  halte  diesen  für  den  bertthmten  Tyrannen ;  da  aber  das  Weih- 
geschenk aus  der  73.  Ol.  sei,  und  G^lon  sich  bereits  Ol.  72,  2  zum  Herrscher  von  Syra- 
kus gemacht  habe ,  er  sich  also  Ol.  73  hätte  Syrakusaner  nennen  müssen ,  so  müsse  der 
Wagen  wohl  von  einem  andern  Gtolon  sein,  nargog  re  hfnavvfjtov  riß  xvgmfv^  xal  auros 
0fiwvfios.    Offenbar  hat  Pausanias  das  Jahr  der  Besitznahme  Grela's  durch  Gelon  mit 
dem  seines  Einzuges  in  Syrakus  verwechselt»  und  wir  haben  jene  OL  72,  2  —  491 
V.  Chr.  zu  setzen.   Es  ist  also  nicht  angemessen,  auf  Mittel  und  Wege  zu  sinnen,  wie 
Pausanias  mit  Aristoteles  und  Diodor  in  Uebereinstimmung  zu  bringen  sei,  wie  dies 
Koutorga  in  den  Becherches  crit.  sur  Thistoire  de  la  Gröce.  Par.  1861.  4.  p.  75—90  ge- 
than  hat,  der,  dem  Pausanias  folgend,  die  soumission  de  Syraouse  in  das  Jahr  491  setzt 
und  die  Schwierigkeit ,  dass  Gelon  sich  dennoch  de  Gela  und  nicht  de  Syracuse  genannt 
habe,  so  zu  lösen  meint :  Cest  que,  4  cette  6poque,  il  n'^tait  pas  encore  reconnu  comme 
tyran  dans  cette  demiöre  ville,  et  que  par  cons6quent,  il  ne  pouvait  inscrire  ce  titre  sur 
le  char.    Dieser  Grund  ist  ohne  Beweiskraft,  denn  es  handelte  sich  nicht  um  den  Titel 
Tyrann,  sondern  um  die  Qualität  2'i;^ajrot;(ru>c,  und  um  diese  sich  beizulegen,  brauchte  G. 
nicht  Tyrann  von  Syrakus  geworden  zu  sein.  Von  einem  anderen  Gesichtspunkte  aus  ist 
K.  entgegengetreten  Schmidt,  Pindar,  S.  461 ,  n.  1.    E.  fasst  S.  90  seine  Besultate  so 
zusammen :  Soumission  de  Syracuse  491  av.  J.  Chr.  Election  de  G61on  comme  tyran  de 
Syracuse  483  av.  J.  Chr.  Av^nement  de  G61on  comme  roi  de  Syracuse  4S0  av.  J.  Chr. 
Ueber  die  »Wahl  zum  Tyrannen«  vgl.  K.  p.  86—89.  Derselbe  hat  auch  die  Nachricht  des 
Timaios  im  Schol.  Pind.  Ol.  V,  19,  dass  die  aXtoaig  Kamarina's  (durch  Gelon)  nata  r^ 
Jagiiov  tov  'Yaraaitou  axqat.  stattgefunden  habe ,  als  Stütze  für  die  Behauptung  des 
Pausanias  benutzt.    K.  setzt  femer  den  Sturz  Thrasybul's  in  465,  den  Tod  Hieron's  466, 
und  den  Tod  Gelon's,  nach  Aristoteles,  der  Hieron  10  Jahre  Begierung  giebt,  476.    Ich 
meine  trotzdem,  dass  die  Inschrift  des  Weihgeschenkes  in  Olympia  ein  kräftigeres  Zeug- 
niBS  dafür  ist,  dass  Gelon  Ol.  73  noch  nicht  Herrscher  von  Syrakus  war,  als  die  vage 
Nachricht  des  Timaios  dagegen  spricht,  und  dass  die  genauere  Angabe  Diodor's  in  Be- 
treff der  Dauer  der  Begierung  Hieron's  den  Vorzug  vor  der  des  Aristoteles  verdient.  — 
Das  M.  Par.  verwechselt  Z.  69  die  Thronbesteigung  €ielon's  mit  der  Hieron's ,  wenn  es 
jene  Ol.  75,  3  —  478  v.  Chr.  setzt.   Bei  D  H  Vü,  1  wird  irriger  Weise  Gelon  Bruder 
des  Hippokrates  genannt ,  aus  Missverständniss  Herodot's,  wenn  nicht,  wie  Br.  de  Pr. 
121  vermuthet,  KltdvSgov  ausgefallen  ist. 

S.  202.    Ueber  die  Unordnung  in  Syrakus  ngo  rrjg  nitavog  tvgawidog  Ar.  Pol.  V, 
2,  6.  Herod.  VII,  155. 


414  Anhang  II.  Belege  und  Erlänterangen. 

S.  202.  üeber  Gelon:  W.  H.  v.  Hardenbergk,  De  Gelone  S|yr.  tyr.  Traj.*1841  und 
0.  A.  B.  Siefert,  Gelon  Tyrann  von  Gela  und  Syrakus.  Alt.  1867.  4.  —  Br.  de  Pr.  119 
sagt:  G61on  descendant  d'Ec^tor;  er  versteht  also  Her.  VII,  153  otx^tioQ  als  nom.  pr. 
offenbar  irrig.  Dürfen  wir  eine  Erinnerung  an  die  Vereinigung  von  Gela  und  Syrakus 
unter  demselben  Herrscher  in  einer  silbernen  Litra  von  0,81  gr.  finden,  deren  Avers  den 
Typus  von  Gela ,  das  Vordertheil  eines  bärtigen  Stieres  mit  Menschenantlitz,  der  Revers 
Syra  zwischen  den  Speichen  eines  Rades  hat;  abgeb.  Rev.  Numism.  1867.  PI.  X,  51  zu 
einem  oben  angeführten  Artikel  von  Salinas?  Ob  eine  andere ,  noch  kleinere  Münze, 
ebendas.  X,  48,  bärtiger  Kopf;  Rev.  Sy.  a  zwischen  den  Speichen  eines  Rades,  auf  eine 
Verbindung  von  Syrakus  mit  Himera  oder  Naxos ,  die  beide  solche  KOpfe  auf  ihren 
Münzen  haben,  hindeutet,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden.  —  Ueber  die  Verhältnisse 
Kamarina's  um  die  75.  Ol.  geben  Auskunft  Bekker  An.  Gr.  I,  232  und  besser  Schol. 
Aesch.  adv.  Ctes.  189  in  der  Ausg.  des  Aeschines  von  F.  Schultz,  Lpz.  1865;  wonach 
der  berühmte  Glaukos  von  Karystos,  ein  Ttvxtfis  8idari^og  'Olv/ÄmovUris  dnoS^avoyToe 
*l7inoxQttTovg  ^itH^aro  rä  nQttyfjiaxa  xal  xaTuarad-tls  vTtb  lYXcoyog  iv  KafJiaQlvj^  xata- 
-klmtfitaauivüiv  lüv  Kafxaqivalwv  ^dvarop  uv/fQ^O-rj.  A.  Schäfer  in  N.  Jahrb.  f.  Phil.  1866,. 
S.  29  vermuthet,  dass  diese  Empörung  der  Kamarinäer  gegen  Glaukos  Gelon  die  Veran- 
lassung zur  Zerstörung  von  Kamarina  gab.  —  Ueber  Gelon's  Verfahren  gegen  M  e  g  a  r  a  auch 
Polyaen^  I,  27,  3:  r^Xtov  to  Miyaqixov  ßovkofiivog  xatalvaai  ijrofxoug  fikv  ixälu  rovs 
id-^Xovtag  JtoQiimVy  /lioyvriJi^  61  rtf  MtyaQ^totf  dg^ovit  /^if^afix  nagä  dvvufjLiv  iniia^sp  * 
o  6k  jots  noUtaig.  Öl  6k  xoig  riUaiv  dnayoQCvovreg  ctg  tipf  itnoixlav  rfiv  iv  SvQaxovaaig 
vnrixovaav,  vnoßaXoyreg  avxovg  rj  Filtovog  ^waOTUtf.  Offenbar  lagen  Polyaen  andere 
Nachrichten  vor  als  Herod.  VII,  156,  wo  die  Megarer  noXwqxiofAtvot  ig  bfioXoyltiv  nQog€~ 
XfOQvaav.  —  Ueber  die  VergrOsserung  von  Syrakus  durch  Gelon  Schubring,  Achradina 
19.  20.  —  Ueber  Phormis  Paus.  V,  27,  1  ff.  —  og  ix  MaivaXov  6iaßdg  ig  ZixtXiav 
ntiod  nXüJva  rbv  ^€ivofiivovg,  xal  ixUvtf»  te  avrip  xal  *£intovi  vat€QOP  —  ig  rag  GTQuxtiag 
tt7to6eixvvfi€vog  XafjLnqä  iQya,  ig  toooirto  71qo^X&€  €v6aifAoviag ,  log  ava&eivtti  (ikv  xavxa 
ig  ^OXvfAniav,  avad-^lvat,  6k  xal  x^  *An6Xktoyi  äXXa  ig  JfXtfoüg,  Die  in  Olympia  sind  2 
Pferde  und  zwei  r^loxoh  Werke  des  Argivers  Dionysios  und  des  Aigineten  Simon.  Das 
eine  Pferd  trägt  an  der  Seite  die  Inschrift :  ^PoQfiig  dvi&rixiv  ^Aqxdg  MaivdXiog  vvy  6k 
J^vQuxoatog,  Nun  wird  weiter  von  dem  Pferde  Wunderbares  erzählt  und  dann  sagt  P.  -. 
iaxt  6k  iv  xoig  ctvad-rjficcai,  xovxoig  xal  avxog  b  ^Poofiig^  dv6^l  av-ff-eaxijxiog  noXtfjilt^  xai 
i'f^ifjs  ix^Qtjt  xal  xQlxtp  ye  ttvd-ig  /Äd;[6Xtti'  yfyQanxai  6k  in\  xovxoig  xbv  oxoaxiaxTjv  fikv  roi^ 
fiuj^ofiivov  4>6Qfiiv  ilvai  xbv  MaipaXtx>v,xbv  6k  uvaO^ivxa  ^uoax6aiovAvx6QX(tv'^fiXa6kwg 
ouiog  o  Auxo^xag  xaxa  (piXiav  draO-eitj  xov  <I>6qfAi6og, 

S.  204.  Theron.  Ueber  seine  Genealogie  handeln  Schol.  Pind.  Ol.  II,  16  und  II,  82. 
Nach  jenem  stammt  er  von  Eladmos  durch  Eteokles ,  Polydoros  und  Haimon  ab ,  dessen 
Nachkommen  mit  den  Argivem  nach  Rhodos  und  später  nach  Akragas  gehen ;  es  sind 
27  Geschlechter  bis  zum  Theron.  Nach  diesem  ist  die  Folge  dagegen  Laios  ,  Oidipus, 
Polyneikes ,  Thersandros ,  Tisamenos ,  Autesion ,  Theras  (geht  nach  der  Insel  Kailiste, 
die  seitdem  Thera  heisst) ,  Samos ,  Telemachos  (wandert  nach  Sicilien) ,  Emmeuides 
(davon  der  Name  der  Emmeniden)  oder  Chalkiopeus,  Ainesidemos,  dessen  Söhne  Theron 
und  Xenokrates  sind.  Von  einem  zweiten  Sohne  des  Telemachos ,  Xenodikos ,  stammen 
Hippokrates  und  Eapys.  Nun  ist  es  unmöglich ,  dass  von  Laios  bis  Theron  nur  12  oder 
13  Geschlechter  sein  sollen.  Man  hat  deshalb  einen  doppelten  Telemachos  und  einen 
doppelten  Emmenides  angenommen  und  zwischen  den  ersten  Emmenides  und  den 
zweiten  Telemachos  12  Namenlose  eingeschoben.  Sodann  setzt  man  weiter  voraus,  dass 
zur  Zeit  dieser  Vergessenen  die  Familie  von  Thera  nach  Rhodos,  wo  sie  nach  Pind. 
Encom.  fr.  2  bei  Schol.  Ol.  II,  16  gewohnt  hat,  und  von  da  nach  Sicilien  wanderte. 
Dieser  Genealogie  folgt  Pindar  Ol.  H.  Eine  hiemach  entworfene  Stammtafel  der  Emme- 
niden s.  bei  Siefert,  Akr.  S.  65 ;  vgl.  GöUer,  Syr.  S.  22.  23.  Theron's  Vorfahren  sind  nach 


Zu  Buch  m,  Kap.  1,  Seite  202-207.  41  & 

Einigen  zuerst  nach  Gela  von  Rhodos  gewandert,  nach  Andern  gley^h  nach  Akragaa 
Schol.  Ol.  n,  16.  —  Von  Artemon  (fr.  8)  wird  Xenokrates ,  statt  Bruder,  nur  avyysvijg 
Theron's  genannt  (Schol.  Isthm.  II,  1).  — £s  fragt  sich  sodann,  ob  Ainesidemos,  Theron's 
Vater  (auch  nach  Herod.  VII,  165)  derselbe  ist  mit  dem  bei  Herod.  VII,  154  erwähnten 
Ainesidemos,  dem  Grenossen  Gelon*s.  Wahrscheinlich  ist  es  nicht ,  da  dieser  ein  Sohn 
des  Pataikos  heisst,  und  dieser  Name  in  den  Genealogien  Theron's  sonst  nicht  vor- 
kommt. Der  Tyrann  von  Leontini,  Ainesidemos  (Paus.  V,  22,  5)  möchte  dann  auch  nicht 
der  Vater  Theron's  gewesen  sein.  0.  Müller  freilich  schiebt  Dor.  n,  487  Pataikos  in  die 
Genealogie  der  Emmeniden  vor  Ainesidemos  ein. 

S.  205.  lieber  die  Art,  wie  Theron  die  Tyrannis  erlangte  Polyaen.  VI,  51. 

S.  205.  lieber  Damareta  und  die  Verwandtschaft  mit  Gelon  Schol.  Pind.  Ol.  11^ 
inscr.  und  n,  29  (Tim.  fr.  86  und  90) .  —  Theron  begann  zu  regieren  Ol.  73,  1  —488  v.  Chr. , 
da  Diod.  XI,  53  bei  Ol.  77,  1  sagt,  dass  er  16  Jahre  regiert  habe. 

S.  205.  lieber  Terillos  u.  s.  w.  Herod.  VII,  165—67. 

S.  205.  Die  Geschichte  des  karthagischen  Zuges  nach  Sicilien  s.  bei  Herod.  VII, 
165  ff.  und  Diod.  XI,  1  und  20  ff.  Die  bei  Herod.  VII,  165  vorkommenden  "EUavxoi  sind 
als  'El.  nach  Hekat.  (fr.  20)  bei  St.  B.  ein  i^og  Aiyviav,  Grotefend  denkt  an  die  Volcae. 
Der  Name  des  karthagischen  Anführers  l^|U^Ax tu i/  bei  Diod.  XI,  20;  ^A^ilxaq  XI,  21 ;  er 
ist  Hanno's  Sohn  Herod.  VII,  165,  Magon's  Sohn  nach  Just.  XIX,  1,  —  wenn  bei  der 
Confusion  dieses  Buches  Etwas  darauf  zu  geben  ist.  Hier  wird  auch  die  Aufforderung 
zur  Hülfe  als  von  Darius  ausgegangen  bezeichnet ,  und  die  Karthager  lehnen  es  ab  — 
adversus  Graeciam,  was  also  auf  frühere  Vorgänge  gehen  könnte.  Frontin.  Strateg.  I, 
11,  18  hat  die  interessante  Nachricht:  Gelo  Syracusanorum  tyrannus,  bello  adversus 
Poenos  suscepto  cum  multos  cepisset ,  infirmissimum  quemque  praecipue  ex  auxiliaribus, 
qai  nigerrimi  erant,  nudatum  in  conspectum  suorum  produxit,  ut  persuaderet  contemnen- 
dos.  —  Bei  Diod.  XI ,  20  braucht  v7is()X6$fi^y<oy  X6(ftov  nicht  die  Stadt  überragend  zu 
heissen,  sondern  nur  die  Küste  und  das  Schiffslager.  Ueber  das  Ende  Hamilkar's  sagt 
Herod.  VII,  167:  das  itourov  ig  to  tzvq,  Diod.  XI,  22:  7i{»og6n€tfx6vxtg  T(p  AfiChuf  — 
toCtov  fikv  upiTlov.    Ganz  abweichend  ist  die  Erzählung  bei  Polyaen.  I,  27,  2,  wo  Gelon 

fÄtt^Ü  h^^  av/jißddtiv  ovx  l^^ä^^H'  JIsötaQ^ov  6k  xov  lo^oim»  tiyovfisvop,  ouoioy  iavcqt  rriy 
iöiav  afKf-tdaag  xriv  iavrov  xvQavvixriv  ia&rjxa^  ixik^vae  nQQtkd-tiv  xov  axQaxoniöov  xa\ 
O^iiiv  irzl  xtiy  ßtufiuvt  'imod-ai  <f^  auxif  xo^oxag  iv  ia^^fjvi  lavxj  xax^x^vxag  fAVQ^yag,  xo^a 
V710  xaig  ^V()£paig  xgvnxovxag  *  ffvCx'  ay  öh  Idtaaiv  ^Ifjilkxtxiva  xa\  uvxov  ofAoltog  TiQosX&oyxa 
xfd  d^voyxa^  To£ct«(v  Itx^  avxov.  So  geschah  es  und  der  karthagische  Feldherr  ward  er- 
schossen. Diese  Erzählung  hat  mit  Herodot  das  Opfer,  mit  Diodor  den  Tod  des  Hamilkar 
durch  die  Feinde  gemein ,  und  die  List  besteht  statt  in  dem  Eindringen  in  das  feindliche 
Lager,  in  einem  Hervorlocken  des  Feindes  aus  demselben.  Da  wir  die  Quelle  Polyaen  s 
nicht  kennen,  so  können  wir  seinen  Bericht  nur  einfach  mittheiien,  und  müssen  den  frei- 
lich unter  sich  abweichenden  Berichten  Herodot's  und  Diodor's  den  Vorzug  geben.  — 
Bei  Polyaen  I,  28  steht  femer  eine  List  Theron's  im  Kampfe  mit  den  Karthagern  (er  lässt 
die  Zelte  im  Bücken  der  Feinde  anzünden,  sodass  sie  erschreckt  auf  die  Schiffe  flüchten), 
von  der  wir  nicht  wissen,  in  welchen  Moment  des  Krieges  sie  gehört.  —  Die  Nachricht 
Schol.  Pind.  Pyth.  I,  146  von  einem  Seesiege  Gelon's  passt  nicht  zu  den  andern  Quellen. 
Es  werden  dort  zwei  ähnlich  lautende  Berichte  mitgetheilt:  der  eine,  ausdrücklich  auf 
Ephoros  zurückgeführt,  sagt,  dass  Gelon,  der  200  Schiffe,  2000  Reiter  und  10000  Fuss- 
soldaten  ausgerüstet,  auf  die  Nachricht  vom  Anfahren  der  Karthager  ötu/^taxi^^l^^^ov 
die  Griechen  befreit  habe.    Der  andere  giebt,  ohne  Ephoros  zu  citiren,  dieselben  Zahlen 

und  sagt  xov  xcSy  ÜTa^j^ijcT.  axokov  xuxiyau^ctx'joav  xaxu  xfjg  2lix.  ÖQjudiyXtt. 

S.  207.  Die  Friedensbedingungen  Diod.  XI,  26 ;  die  von  der  Abschaffung  der 
Menschenopfer  nach  Theophr.  iy  xf)  nsol  Tv(jarivfSy  bei  Schol.  Pind.  Pyth.  II,  3  der  auch 
meint,  dass  Karthago  in   aixotg  (Gelon  und  Hieron)  yiiiaOat.    Plut.  de  sera  num.  vind. 


416  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

6  (Hutt.  X);  Apophth.  reg.  (Hutt.  VHI,  88).  —  Von  den  2  Tempeln  sagt  Diod.  XI,  26 : 
^vo  paovg  ngogira^v  oiKüJo/^fjaeu.  Plaes,  Tyr.  I,  294  sagt,  die  Karthager  sollten  die 
Kosten  für  zwei  zu  errichtende  Tempel  decken  —  also  wohl  beide  in  Syrakus.  Diodor's 
Worte  deuten  eher  auf  einen  Bau  in  Karthago ;  während  die  Zahl  der  Tempel  auf  ihre 
Erbauung  an  zwei  verschiedenen  Orten  hinweist 

S.  208.  Ueber  das  Damare teion.  Fr.  Hultsch,  De  Damareteo  argenteo  Syracusa- 
norum  nummo.  Dresd.  1862.  Progr.  der  Kreuzsch.  u.  Bergk  in  den  Verhandlungen  der 
25.  Philologenvers,  zu  Halle  1867.  Lpz.  1868  S.  25—37  und  nachträgliche  Bemerkungen 
von  Hultsch  S.  37—41.  Diod.  XI,  26  sagt  von  der  Damarete :  arnfayta&tZaa  vir  avrwy 
(den  Karthagern)  inarbv  raiMvrois  ;(f^ir/ou ,  vofiiöfjLa  l^ixoi^e  to  xXijd^v  /lafiaqitiiov ' 
TOVTO  (f  €lxfv  *Aru*as  ^Qa^^fiag  Sixa,  ixl^O'^  ^^  naQu  tolg  ^ixtlicirais  mro  rotf  ürad-uoD 
TiivTiixovTttiiTQOv.  Poll.  IX,  85  dagcgcn :  tov  xoOfAoy  aitfioafiiinn  naga  nSv  ywaiuvr, 
cvyxüivevaaaa  vofiiafia  ixotffaro  u.  ähnlich  Hesych.  s.  v.  JtiuaQireioy ;  unbestimmt  lassen 
diesen  Punkt  Schol.  Pind.  Ol.  11,  29  und  Eust.  Od.  p.  1567.  62.  -^  Für  eine  GoldmUnze 
haben  das  Dam.  unter  Andern  erklärt:  Jos.  Scaliger,  de  re  nummariap.  13  und  17. 
Boeckh,  Metrol.  Unters,  p.  304  und  Staatsh.  I,  (2)  37,  sowie  Bergk;  fUr  eine  Silber- 
münze ungefähr  zu  gleicher  Zeit  0.  HttUer,  Etrusker  I,  327,  und  de  Luynee  in  den  An- 
nali n,  81 ;  denen  sich  Leake  Numism.  Hellen.  Sicily  p.  71 ;  Momms.  Gesch.  d.  B  M  79 
und  Hultsch  angeschlossen  haben.  Da  nach  Ar.  bei  Poll.  IV,  174  die  Sikelioten  die  ko- 
rinthische Didrachme  d^xctUrgov  nannten,  so  wird  :T(vrrixovTttlixQov  eine  grosse  Silber* 
münze  von  10  Dr.  gewesen  sein ,  und  da  es  alte  syrakusanische  Silbermünzen  dieses 
Werthes  giebt,  so  darf  das  Dam.  für  eine  solche  gehalten  werden.  Das  ixxontnv  des 
Diod.  braucht  nicht  als  Prägen  aus  dem  geschenkten  Golde  selbst  verstanden  zu  werden. 
Pollux  hat  sich,  wie  öfter,  geirrt.  Syrakusanische  Goldmünzen ,  von  denen  es  scheinen 
könnte,  als  passten  sie  hierher,  gehören  erst  einer  viel  späteren  Zeit  an  (Hultsch  20) ;  die 
für  ein  Dam.  gehaltene  Münze  ist  abgebildet  bei  Hultsch  n.  1.  -«  Die  Beziehung  des 
Löwen  auf  Afrika  ist  von  de  Luynes  p.  85. 

S.  208.  Die  Vertheilung  der  Beute  u.  s.  w.  Diod.  XI,  25. 

S.  209.  Nach  Herod.  VII,  166  war  die  Schlacht  bei  Himera  an  demselben  Tage  wie 
die  bei  Salamis  (Ar.  Poet.  23  sagt  allgemein  xata  rovs  avxovg  zQovovs)  nach  Diod.  XI,  24 
wie  die  beiThermopylae.  Indem  ich,  ähnlich  wie  Niebuhr  ( Vortr.  über  alte  Gesch.  11, 120), 
«nnehme,  dass  die  Schlacht  bei  Himera  früher  war ,  vielleicht  481 ,  stütze  ich  mich  be- 
aonders  auf  die  Stelle  in  der  Antwort  Gelon's  an  die  griechischen  Gesandten  Herod.  VII, 
158  :  avTol  (f^  Ifisv  ngongov  ^ffi&iyrog  ßagßaQixov  argarov  avvinixpaff&ai  ^  ore  ^o«  ngog 
Kagxfi^oviovg  viTxog  avvfjnTo.  Dass  Herodot  selbst  diese  Worte  anders  versteht,  ist  kein 
Hindemiss  meiner  Deutung.  Grote  UI,  170,  n.  25  versteht  jene  Herodoteischen  Worte 
ao :  »dass  die  Karthager  und  Egestäer  Uebergriffe  gemacht  hätten ,  dass  G.  sie  wirklich 
durch  glückliche  Kriege  zurückgetrieben  hätte.«  Aehnlich  Sief.  16.  Aber  wann  ?  G. 
war  im  Anfang  seiner  Begierung  zu  sehr  mit  andern  Dingen  beschäftigt ,  und  da  die 
Karthager  sich  zu  ihrem  grossen  Kriege  3  Jahre  vorbereiteten  (Diod.  XI,  1)  so  mttsste 
ihr  früherer  Krieg  mit  G.  doch  vor  483  fallen.  Es  versteht  sich  von  selbst ,  dass  das 
Hülfegesuch  des  Terillos ,  das  ja  nur  die  Gelegenheit  zum  Ausbruche  des  Krieges  gab, 
nicht  3  Jahre  vor  denselben  fällt.  Plass,  Tyr.  I,  288  erklärt  die  Herodoteische  Stelle  nur 
von  Händeln  mit  den  Karthagern  ohne  Krieg,  »indem  Egesta  sich  in  den  Schutz  derselben 
begab.«  Aber  das  war  es  offenbar  schon  lange ;  die  Worte  Gelon's  aber  in  ihrem  Zusam- 
menhange deuten  auf  siegreich  bestandenen  Krieg.  —  Die  Greschichte  der  Gesandtschaft 
erzählt  Herodot  VII,  157—62,  vgl.  Polyb.  XII,  26.  —  Die  Sendung  des  Kadmos  Herod. 
VU,  163.  64.  Nach  Diod.  XI,  26  war  Gelon  schon  im  Begriff  nach  Hellas  zu  fahren,  als 
xaT^nltvaav  tivts  ix  KoqCv^ov  Jiactatpovvtts  vBvixrixivai  r^  vavtiaxCt^  Toirg  "JSilrivag  ttbqI 

£aXafitpa.    Hierin  liegt  eine  weitere  Handhabe  für  die  frühere  Ansetzung  der  Schlacht 
bei  Himera,  als  gewöhnlich  geschieht.    Wer  wird  glauben,  dass  zwischen  Juli  (Schlacht 


Zu  Buch  m,  Kap.  1,  S.  208-210.  417 

bei  Theimopylae ,  ^o  nach  Diodor  auch  die  Schlacht  bei  Himera  war)  und  September 
(Schhicht  bei  Salamis)  Grelon  mit  den  Kartha^rn  über  die  Friedensbedingungen  einig 
geworden  und  schon  zu  einem  neuen  Feldzuge  bereit  war?  Offenbar  hat  anfangs  die 
Sage  die  zwei  grOssten  Schlachten  (Salamis  und  Himera)  für  gleichzeitig  erklärt,  und  als 
sich  das  als  unwahrscheinlich  herausstellte,  wenigstens  die  bei  Thermopylae  an  die  Stelle 
der  bei  Salamis  gesetzt.  Wenn  Beigk  1. 1.  S.  27  in  Diodor  angegeben  findet,  dass  die 
Nachricht  von  der  Schlacht  bei  Himera  unmittelbar  vor  der  bei  Plataeae  na<^h  Griechen- 
land gelangte,  so  vermag  ich  dem  nicht  beizustimmen. 

S.  210.  Ueber  die  Weihgeschenke  Gelon's  nach  Delphi  Phaniasu.  Theopomp, 
bei  Ath.  VI,  231  :  toi;  fiiv  (sc.  räXmroe)  T{»Cnoda  xal  Ntxriv  /Qvaov  nmoirifiiva  ava&iv%0£. 
Diod.  XI,  26 :  XQ^^^"  iqinoda  non^cfag  ano  taidvrwv  knxaC^txa  avi(kfixiv,  Simonides 
(Cod.  Pal.  Anth.  Gr.  und  Schol.  Phid.  Pyth.  I,  155,  dort  Dist.  1.  2,  hier  1.  3):  4>ttfAl 
nXtav  'ÜQiOPa  IIolvCuXov  BQaavßovXov  IlaiJag  ^uvofAiv^vg  tqv  XQlno^  ttv&^fxfvai '  ^JS£ 
ixarbv  XiTQayxal  jievriixovTa  taXavtuv  ^agtrlov  l}..^aQ€Tiov) XQVf^ov,  tag  dixdtagJixdrav, 
BdgßaQüt  vucdauvrag  f9yij,  7ioU,dv  3k  na^aaxsiv  £vfifi«x^^  "EXXaai^v  x^ig  ig  iXfvd^t-' 
Qiftv,  Ueber  diese  Angaben  sind  wieder  die  S.  416  angeführten  Hultsch  und  Bergk  zu 
vergleichen.  Jener  stinuut  jetzt  der  Meineke'schen  (in  dessen  Ausg.  des  Oed.  Gol.  Berol. 
1863.  8.  S.  316)  Conj.  Aulq^tCov  statt  der  sonst  allgemein  angenommenen  Bentley'schen 
^ofAttf^ttav  bei.  jiaQixri  ist  dann  flir  ^afiaQ^rri  gesetzt,  wie  Advaoöa  dasselbe  ist  mit 
Jaixtovaaaa.  Gross  ist  aber  die  Verschiedenheit  zwischen  H.  u.  B.  in  Betreff  des  Werths 
der  Geschenke,  insbesondere  der  Deutung  der  Talente  und  der  möglichen  Vereinigung 
der  diodorischen  Angabe  mit  der  des  Epigramms.  H.  ein  Goldtalent  von  2  attischen 
Drachmen  (dem  sicilischen  Silbertalent  von  24  att.  Dr.  entsprechend)  annehmend,  be- 
rechnet die  50  Tal.  100  L.  auf  lOi^/g  Dr.  Bei  Diodor  nimmt  er  dann  das  spätere  Gold- 
talent von  6  Dr.  an,  also  16  Tal.  =  96  Dr.  was  ziemlich  zu  den  lOlVa  des  Epigramms 
stimmt.  Das  giebt  etwa  1  Pfiind  Gold,  was  offenbar  zu  wenig  ist  für  die  vier  siegreichen 
Fürsten  Siciliens.  Damit  die  ganze  Beute  hiemach  nicht  zu  gering  erscheine ,  versteht 
H.  (S.  16)  die  dixdrag  öixdra  als  centesima  pars  ejus  auri,  das  die  Deinomeniden  als  An- 
theil  erhalten  hätten,  was  auch  schwerlich  richtig  ist.  B.  nimmt  zunächst  an,  die  ganze 
Beute  habe  betragen  ca.  5000  Tal.  Silber.  Davon  sollte  Vio  dem  Apollo  zufallen  :  500  Tal. 
Silbers.  Um  ein  Geschenk  in  Gold  herzustellen ,  verwandelte  G.  diese  nach  sacralem 
Recht,  wie  B.  nachzuweisen  sucht,  in  50l'al.  Goldes  (eigentlich  waren  es  nur  etwa  40)  und 
so  ward  ein  Dreifuss  gemacht,  der  etwa  2500  Pfund  wog  und  einen  Werth  von  fast  1  Mill. 
Thal,  hatte.  Das  war  dann  scheinbar  rag  ^ixdrag  Sfxdra,  5000  zuerst  in  500,  dann  in  50 
verwandelt  Die  16  Tal.  Diodors  beruhen  nach  B.  auf  der  irrigen  Annahme,  dass  der 
Dreifuss  Vio  der  karthagischen  Busse  von  2000  Tal.  Silber  repräsentirt  habe ;  200  Tal. 
Silber,  nach  dem  Verhältniss  von  12V2 :  i  sind  16  Tal.  Goldes.  Hiergegen  ist  zunächst  zu 
sagen,  dass  die  Deutung  von  rag  cTfx.  Jtx.  zu  gezwungen  ist.  Wer  das  Epigramm  las, 
musste  annehmen,  Gelon  habe  Vioo  der  Beute  geschenkt,  und  doch  hatte  er  Vio  geschenkt. 
Er  vergi'Osserte  allerdings  die  Bedeutung  des  Sieges,  trübte  aber  den  Glanz  seiner  Frei- 
gebigkeit. War  das  in  seinem  Interesse?  B.  will  aber  einen  so  gewaltigen  Werth  des 
Dreifusses  annehmen  wegen  Ath.  VI,  231,  wo  gesagt  wltd,  vor  Gyges  sei  der  delphische 
ApoUon  dvd^yvQog  und  a/Qvaog  gewesen ,  dann  hätten  besonders  Kroisos  und  später 
Gelon  und  Hieron  Gold  gespendet.  Das  heisst  nicht  nothwendig,  wie  B.  annimmt, 
Gelon's  und  Hieron's  Geschenke  hätten  an  Werth  mit  denen  der  lydischen  Fürsten  wett- 
eifern können ;  es  heisst  nur ,  dass  sie  zuerst  unter  den  Hellenen  nennenswerthe  Gold- 
spenden machten.  Ich  möchte  Folgendes  geltend  machen.  Sollte  nicht  die  dexdrag  6ixdTcc 
Alles  umfassen,  was  Gelon  bei  dieser  Gelegenheit  nach  Delphi  schickte?  dann  gehörte 
auch  die  Nike  (Ath.  1.  1.)  dazu.  Der  Dreifuss  betrug  nach  Diodor  16  Talente ;  um  aber 
die  50  T.  100  L.  auf  Dreifuss  und  Nike  zusammen  zu  deuten,  bedarf  es  nur  der  nahe- 
liegenden Annahme ,  dass  das  zweite  Distichon  nicht  zwischen  die  beiden  anderen  ge- 
Holm, Qesch.  Siciliens.  I.  27 


418  Anhang  II.  Belege  und  Erlüiiteruiigen. 

hört,  wie  das  auch  schon  Schneidewin  annahm,  sondern  aaderswo,  sich  an  ein  verloraes 
Distichon  anschliessend,  stand,  wo  es  die  durch  die  Sendung  der  Nike  vollendete  Schen- 
kung des  Hundertsten  Theils  der  ganzen  Groldbeute  bezeichnete.  Dann  mögen  wir ,  den 
neuen  Vorschlag  von  Hultsch  (S.  39)  annehmend,  die  Talente  als  Silbertaiente ,  auf  Gold 
übertragen,  betrachten,  wo  dann  50  Tal.  etwa  11  Pfund  Goldes,  etwa  3840  Th.  unsres 
Creldes  ausmachen.  Dann  hätte  die  ganze  Beute  an  Grold  1100  Pfund  oder  384,000  Thaler 
betragen ;  wie  mir  scheint,  nicht  zu  wenig,  da  ja  die  Beute  an  Silber  u.  s.  w.  auch  noch 
sehr  gross  sein  konnte.  Wie  kann  dann  aber  das  Gold  uia^^tiw  heissen?  Oder  nahm 
Crelon  statt  des  erbeuteten  das  geschenkte  dazu?  —  Gelon's  Geschenke  nach  Olym- 
pia: aus  Gela  Paus.  VI,  9,  4.  5 ;  aas  Syrakus  VI,  19,  7. 

S.  210.  Dass  Gelon  Söldnern  Bürgerrecht  gab  Diod.  XI,  72 :  nliün^at  xAv  fivffCmv, 
S.  210.  Seine  vorgebliche  Niederlegung  der  Tyrannis :  Diod.  XI,  26  (bald  nach  dem 
Siege);  Polyaen.  I,  27,  1  lässt  ihn  so  avtl  oTQariiyov  tv^avtfog  werden.  Ael.  VH  VI,  11. 
Ders.  Xni,  37  lässt  ihn  bei  (Gelegenheit  einer  Versehwürung  sich  dem  Volke  otoß 
Waffen  darbieten :  di^tüfii  /^$<r^a*  o  n  ßovXiod-i ;  offenbar  derselbe  Vorfall.  An  beiden 
Stellen  spricht  Ael.  dann  von  der  Statue,  die  nach  VI,  11  ip  tä  r^g ZutiXius'HQog  vt^ 
stand ,  wo  T.  Z.  offenbar  falsch  ist.  Die  Bettung  der  Bildsäule  Plut  Tim.  23 ,  wo  sie 
einfach  wegen  des  Sieges  bei  Himera  errichtet  ist. 

S.  211.  Ueber  das  Hörn  der  Amaltheia  Duris  (fr.  4)  bei  Ath.  Xn,  542:  xal 

^  xal  twtov  rtvtt  ilfair  xtUovfiiPov  ^Afiak&^iag  xigag,  o  top  FiXwpa  xaraaxtvaatu. 

S.  211.  Die  Charakterzüge  Gelon's  Plut.  Apophth  Beg.  (Hutt.  Vm,  89).  Vom  gol- 
denen Mantel,  den  er  Zeus  schenkte  Val.  Max.  1,  1  (falsch  von  Hieron).  Tempel  der  De- 
meter und  Koro  Diod.  XI,  26.  Derselbe  sagt  über  die  letzten  Tage  Gelon's :  kmßaXito  dk 
vajiQov  xal  xarä  ttjv  Attvtfv  xaracxtväC^iv  vtibv  ^ti^firirgos '  ivvtjmg  dk  ov<nii,  tovtov  fikv 
ov  awixiXtat,  wo  die  Worte  h.  <f.  ovg.  unverständlich  sind,  xata  -nfv  Atrv,  heisst  natür- 
lich :  auf  dem  Aetna ;  Cluver's  Aenderung  '^wav  ist  mit  Unrecht  (z.  B.  von  D.  222) 
als  richtig  angenommen  worden.  —  Die  Lage  des  T.  der  Dem.  u.  Köre  Schubring, 
Bewäss.  von  Syrakus  623.  —  Ueber  den  Tod  Gelon's  Diod.  XI,  38:  imo  a^^taarlas 
awexofJi'ivog.  Wassersucht  nennt  Ar.  in  Gel.  Pol.  ap.  Schol.  Pind.  Pyth.  I,  89  und  Plut 
de  Pyth.  or.  19  (Hutt.  IX).  —  Ueber  sein  Leichenbegängniss  Diod.  XI,  38,  wonach 
das  Grab  200  Stad.  von  Syrakus  war.  Das  erweist  sich  als  falsch  schon  durch  Diod. 
XIV,  63;  es  kann  aber  auch  an  sich  nicht  richtig  sein,  da  200  St.  fast  nach  dem  Pachynos 
führen.  Serra  di  Falco  will  20  statt  200,  K  statt  2  lesen. 

S.  211.  Die  Geschichte  von  Gelon  und  dem  Wolf  Tz.  Chil.  IV,  277.  —  Eine  Ge- 
schichte von  einem  Hunde  des  G.  Namens  Pyrrhos  Ael.  HA  VI,  62;  VH  I,  12 ;  PL  VHI, 
144  aus  Philistos  (fr.  44);  Poll.  V,  5,  wo  der  Herr  Pyrrhos  heisst. 

S.  212.  Von  dem  den  Römern  verkauften  und  geschenkten  Korn  Plut.  Cor.  16 ;  Dion. 
Hai.  VII,  1 . 2. 19 ;  Liv.  II,  34.  Vgl.  Siefert  S.  1 1  gegenPlass,  I,  281  wegen  des  Bedenkens, 
dass  Gelon  damals  noch  nicht,  wie  Plutarch  irrthUmlich  meint,  Herrscher  von  Syra- 
kus war. 

Genealogie  Theron's  (Emmeniden). 

Telemachos 

£mmenides  Xenodikos 

..     y,  Hippokrates  Kapys 

Amesidemos  *^*^  "^^ 


Theron  f  472  Xenokrates 

I  spät.  Gem.  die  Tochter  des  Polyzelos  I 


Thrasydaios  f  471  Damarete  Thrasybulos  Gemahlin  Hieron's. 

Gem.  1.  Gelon,  2.  Polyzelos. 


Zu  Bach  III,  Kap.  1  u.  2,  S.  2ii)*-215.  4 1 9 

Genealogie  Gelon^s  (Deinomeniden) . 

Deinomenes 


Gelon + 47  8  Hieron  f  467  Polyzeios  f  vor467  Thrasy bulos  2  Töchter 


I  Gem.  Damarete  Gem. :  1 .  Tochter  d.  Nikokles 
Sohn  I    2.  Tochter  d.Anaxilas 

I    3.  T.  d.  Zenokrates 


spät.Gem.    gestürzt 466    verheir. 
Damarete  mit  Chro- 

mios  und 


1.  Deinomenes  Toehter,  Gem.  Theron's.        Aristonoos 


Zweites  Kapitel. 

S.  212.  lieber  die  Anfänge  von  Hieron's  Begierung  Tim.  (fr.  90)  bei  Schol.  Find.  Ol. 
II;  29.  Chromios  und  Aristonoos,  (von  Boeckh,  Expl.  p.  115  für  einen  Nachkommen  des 
gleichnamigen  Gründers  von  Akragas  gehalten)  Gelon's  Schwäger,  substitnirte  Vormün- 
der nach  Schol.  Find.  Nem.  IX,  95. 

S.  213.  lieber  die  Streitigkeiten  mit  Foly  zelos ,  der  nach  Tim.  ap.  Schol.  Find.  Ol. 
II  imacr.  auch  Schwiegervater  Theron's  war,  und  Theron  Diod.  XI,  48  und  Schol.  Find. 
Ol.  II,  29,  wonaoh  Thraflydaios  den  Folyzeloa  angetrieben  hätte  im^^^ia&ai  t^  "Ugtovi. 
10V  ngog  ZvßaQltag  noktfiov  bei  Schol.  F.  1.  1.,  während  Diod.  vom  Schutze  der  Syba- 
riten  spricht,  braucht  nur  als  ungenauer  Ausdruck  gefasst  zu  werden.  Dass  Sybaris  nach 
seinem  Falle  durch  Kroton  als  unbedeutender  Ort  fortbestand,  sagt  Str.  VI,  1,  13  und  be- 
stätigen die  Münzen  bei  Leake  NH  Italy  S.  145  mit  Fallaskopf  einer-,  dem  Stier  anderer- 
seits. Die  Münze  bei  Leake  It.  S.  118,  welche  beim  Dreifuss  des  Avers  die  Inschrift  Kro 
und  beim  Stier  des  Revers  Sy  hat ,  konnte  älter  sein.  —  Kapys  und  Hippokrates 
nach  Schol.  Ol.  U,  173  ave^toi,  nach  Schol.  Ol.  II,  8  avyyevdg  Theron's;  dies  richtiger, 
denn  ihr  Vater  war  Xenodikos.  In  den  Schollen  Findar's  werden  die  Verhältnisse  viel- 
fach verwirrt.  Vgl.  Boeckh  zu  Ol.  II.  Sie  gehen  zum  Hieron  über  nach  Schol.  Ol.  I{, 
173.  Vermittlung  des  Simonides  am  GeUflusse  Schol.  Ol.  II,  29,  nach  welchem  Theron 
l^fXWQriai  rviv  ngayfiaitov  rtp  *ligtavi,  vartQOv  dk  anikaßiv  an  avrov  rr^v  tvQavvC6a, 
Einführung  neuer  Bürger  in  Himera  Diod.  XI,  49,  Ol.  76,  1  -476  v.  Chr.  Die  vorher- 
gehenden Unruhen  und  die  Vermittlung  des  Simonides  also  Ol.  75,  4  (Boeckh,  Expl.  p. 
119).  Wenn  das.  Diodor  sagt,  dass  bis  zur  Zerstörung  der  Stadt  durch  die  Karthager  58 
Jahre  verflossen,  so  muss  es  heissen  68.  —  Die  Flucht  von  Hippokrates  und  Kapys  nach 
Kamikos  Schol.  Find.  Fyth.  VI,  4.  —  Die  Vertreibung  der  Einwohner  von  Naxos  und 
Katana  nach  Diod.  XI,  49.  —  Aetnäer  ist  Hieron  in  den  drei  ersten  Fythischen  Oden.  — 
Die  neuen  Aetnäer  erhalten  auch  sikelisches  Gebiet  nach  Diod.  XI,  76.  ~  Die  dorischen 
Satzungen  in  Aetna  nach  Find.  Fyth.  I,  60—71  und  Schol.  Fyth.  I,  118.  Deinomenes 
Herrscher  von  Aetna  Find.  Fyth.  I,  60;  Chromios  nach  Nem.  IX  (Schol.  zu  1);  Grote 
III,  178  glaubt,  dass  die  Beiden  vereint  die  Stadt  beherrschten,  Hense  22,  dass  Chromios 
bald  auf  Deinomenes  gefolgt  sei.  Nach  Schol.  Ol.  VI,  162  errichtete  Hieron  in  Aetna 
einen  Tempel  dem  Zeus  Aitnaios,  dessen  hQtoawri  er  hatte,  wie  die  JifirjTQog  xal  KoQrjg, 
ix  dtadoxrjg  TrjUvov. 

S.  214.  Die  Beziehungen  Hieron's  zu  Lokri  und  Anaxilas  nach  Schol.  Fyth.  H,  34 
(wonach  neben  Anaxilas  auch  sein  Sohn  Kleophron  noXtfiov  i\Tt6(kovv  AoxQo7g]\  I,  98. 
Tod  des  Anax.  nach  18jähriger  Regierung  und  Nachfolge  des  Mikythos  nach  Diod.  XI, 
48.  —  Die  Zeitbestimmung  der  ersten  Regierungshandlungen  Hieron's  nach  dems.  Die 
Streitigkeiten  mit  Folyzelos  also  wohl  Ol.  75,  3—76,  1=478— 76 v.Chr.,  die  mit  Anaxilas 
OL  75,  4—477  v.  Chr. 

S.  215.  lieber  die  Kyme  gegen  die  Tyrrhener  geleistete  Hülfe  Diod.  XI,  51 ;  Find. 
Fyth.  I,  72.  lieber  die  Folgen  der  Niederlage  derTyrrhener  für  Rom  vgl.  Liv.  II,  54,wozu 
Weissenb.  Nieb  R  G  234  citirt.  Ob  Polyaen.  I,  29  auf  den  älteren  Hieron  geht ,  ist  nicht 

27* 


420  Anhang  II.  Belege  und  £rläuterungen. 

so  sicher,  wie  Hense  24  annimmt.  —  lieber  die  Inschrift  des  Helmes  Boeckh  zn  C 1 16.  Sie 
lautet:  BIARONOAEINOMENEO^  |  KAITOI^VRAKO^IOI  |  TOIAITVRANAnOKVMA^ 
d.  h.  ^UQtav  0  Jupofiivovg  xai  ol  ^vgaxoaun  riß  jJä'  Tv^^ijv*  anh  Xvfiijg,  Vgl.  Salinas  in 
Bull.  1S65  S.  67,  nach  dem  die  Inschr.  in  CI  nicht  genau  nachgebildet  ist,  und  dieselbe 
a  colpi  di  scalpello  eingehauen  ist.  —  Es  waren  3  Helme ,  zwei  ohne  Inschrift.  Boeckh 
(Find.  Expl.  p.  225)  vergleicht  die  3  leinenen  Panzer  bei  Paus.  VI,  19,  7. 

S.  215.  lieber  die  Kolonie  nach  Pitheknsai  Str.  V,  4, 9.  Vgl. Baoul-Kochette,  Sur 
les  m^dailles  Sicil.  de  Pyrrhus,  in  den  M^m.  de  TAcad.  des  Inscr.  T.  XIV.  Par.  1840.  4. 
p.  302—4 ,  über  eine  griechische ,  in  den  Felsen  gegrabene  Inschrift,  die  sich  auf  Ischia 
findet,  und  die  einer  späteren  Zeit  als  derHieron's  I.  angehört. 

S.  216.  üeber  das  Spionirsystem  Hieron's  Ar.  Pol.  V,  9,  3:  olov  nt^l  ^ügaxovaas 
al  Tiorayfoyl^ig  xaXovfjicvaif  xal  rovg  dtxuxovaxag  l^inifintv^T^Qfov,  onov  rtg  etfi  avvovaia 
xa\  avXXoyog.  Dass ,  wie  sich  aus  der  Schilderung  des  Parasiten  in  Epicharm's  Elpis  er- 
giebt  (Lor.  S.  227)  tkqItioIoi  für  die  nächtliche  Sicherheit  der  Stadt  sorgten,  ist  beinahe 
selbstverständlich.  —  lieber  Hieron's  Krankheit  Ar.  (fr.  216)  bei  Schol.  Pind.  Pyth.  I, 
89  dvgovQl(f  (fvgtvx^jaai  und  Plut.  de  Pyth.  or.  19  (Hutt.  IX)  *IiQwv  hd-twv  itvQcivvivaiv, 
Diod.  XI,  67  cbarakterisirt  Hieron  als  (pilagyvQog  xal  ßtaiog  xa\  Ka&6Xov  rtjg  anXotfirog 
xa\  xaXoxaya&iag  tadkXifOV  alXoTQioiratog,  wogegen  Ael.  VH  IX,  1  ihn  ipiX^XXriv  nennt, 
xai  Ttfifidai  naidilav  av^^eiorriza,  xal  tog  ^v  TtQox^iQorajog  (ig  rag  €vtgyta{ag  Xfyovat  ^— . 
Die  Yertheidigung  von  Hieron's  Charakter  hat  besonders  Hense,  De  Hierone  I.  Syracu- 
sanomm  tyranno  ejusque  aula.  Monast.  1862.  8.  S.  47  ff.  zu  führen  übernommen.  Ael. 
VH  IV,  15  lässt  Hieron  rä  nQtSra  av»Q€Snt)v  afjtovaoTarov  sein,  und  erst  in  Folge  einer 
Krankheit  die  ihm  a^oXr^v  gab  fiovaixmatog  werden. 

S.  217.  Ueber  Simonides  vgl.  de  Boissy,  Histoire  de  Simonide.  Par.  1755.  8.  und 
bes.  d.  Ausg.  von  F.  W.  Schneidewin :  S.  carm.  reliqu.  Brunsv.  1835.  8.  —  Seine  Muse 
käuflich  Tz.  Chil.  VIII,  814.  15.  Ael.  VH  IX,  1  sagt  ^v  xai  tpvan  tpdagyv^g  6  Ketog. 
Plut.  an  seni  etc.  5  (Hutt.  Xtl):  die  einzige  ^dov^  im  Alter  das  xe^Salviiv,  —  Simon, 
und  Anaxilas  Ar.  Rhet.  HI,  2,  45  nebst  Herakl.  Pont.  Pol.  XXV  und  Ath.  I,  3,  wonach 
der  Sieg  von  Leophron ,  dem  Sohne  des  Anaxilas  gewonnen  war.  —  Dass  Reichthum 
besser  sei  als  Weisheit  Ar.  Rhet.  II,  16.  —  Xenophanes  Über  Simonides  nach  Schol.  Ar. 
Pac.  696.  Ebenso  hat  sich  Ohamaileon  geäussert  iv  T<p  negl  2if£ttvC8ov  nach  Ath.  XIV,. 
656,  wo  auch  berichtet  wird ,  dass  er  das  von  Hieron  ihm  Greschickte  verkaufte ,  nebet 
folgender  Geschichte  oic  dunv&v  nuQa  rip  *I(Q(avi  ov  na^an^ivrog  (tvitp  inl  tfivtQdntCf^v, 
xa^dniQ  xal  rotg  aXXoig,  Xaytoov ,  d)X  varegou  fieradtf^ovros  toi)  'I^qcjvos  dma^tSlaaev' 
Ovdh  yoQ  ouit  cvQvg  nfQ  iiov  i^UtTo  JtvQo.  Simon,  von  der  Natur  Gottes  Cic.  ND  I,  22. 
Ueber  Sim.  Verkehr  mit  Grossen  Plat.  Ep.  H,  311.  Cea  Naenia  Hör.  Od.  II,  1 ,  as. 
Fragm.  117  bezieht  Schneidewin  auf  Hieron;  vgl.  dens.  zu  Fr.  168.  Von  seinem  Ge- 
dächtniss  handelt  sein  Epigramm  CCIV.  —  Ueber  den  Tod  des  Simonides  Mann.  Par. 
vs.  73.  Ueber  sein  Grabmal  Suid.  s.  v.  Zi^tovlöiig.  Tz.  Chil.  I,  636  —  39  enthält  seine 
Grabschrift:  *^|  inl  nevrijxovTa ,  ZifjLtovldri,  yQao  vCxag  KaX  XQlnodag-  ^vijaxftg  if  fy 
ZixiX^  n€^i(p.  Ketai  cfi  fivyjufjv  XiCmtg,  "EXXijai  ^J^naivov  Eu^vv^rov  V^f/^f  aijs  imyftvo^ 
(ji4votg.  Ich  finde  nicht,  dass  irgendwo  ausdrücklich  gesagt  wird,  er  sei  in  Syrakus  ge- 
storben und  sein  Grabmal  sei  bei  dieser  Stadt  gewesen.  Die  Erzählung  von  der  Zer- 
störung seines  Grabmals  durch  den  Akragantinischen  Feldherm  Phoinix  lässt  die  An- 
nahme natürlicher  erscheinen,  dass  sein  Grab  bei  Akragas  war;  wenn  Ph.  aus  den  Steinen 
desselben  einen  nvQyog  macht  und  hinzugefügt  wird  xal  xarä  xovtov  kdXto  ti  jioXtg,  wird 
dies  die  Strafe  für  die  Irreligiosität  des  Akragantinischen  Feldherm  sein ,  eine  Strafe^ 
die  doch  nur  Akragas  treffen  kann. 

S.  219.  Bakchylides.  Ueber  sein  Verhältniss  zu  Pindar  sind  zu  vergleichen  die 
Schol.  zu  Pind.  Pyth.  II,  bes.  97,  131,  161.  166,  171 ;  femer  Ol.  U,  154,  158;  Nem.  ÜI^ 
143.— Die  auf  Hieron  bezügliche  Zeile  s.  bei  Schol.  Pind.  Ol.  I  inscr.— Vgl.  Hense  37. 38^ 


Zu  Buch  ÜI,  Kap.  2,  S.  215-225.  421 

S.  219.  Pindaros.  Aus  der  reichen  Piodarliteratur  muss  besonders  hervorgehoben 
werden  die  Boeckh'sche  Ausgabe  (2  Thie.  in  4  Bänden,  Lpz.  1811'— 21.  4.)  sowohl  der 
Schollen  wie  der  Explicationes  des  Herausgebers  undDissen's  wegen;  sodann  Leop. 
Schmidt,  Pindar's  Leben  und  Dichtungen.  Bonn  1862.  8.  Das  Historische  ist  wieder 
besonders  berücksichtigt  worden  von  A.  de  Jongh  in  s.  Ausgabe  von  Pindar's  Olymp. 
Traj.  1865.  8.  Die  Stellen  aus  P.  sind  in  der  Uebersetzung  von  Donner,  Lpz.  1860,  ge- 
geben. Die  Zeit,  wann  Pindar  nach  Sicilien  kam,  bestimmt  man  gewöhnlich  als  Ol.  76,  4 
(Schmidt,  S.  239);  da  jedoch  der  Ausbruch  des  Aetna,  den  er  in  seiner  ersten  Pythischen 
Ode  schildert,  Ol.  76,  2—475  Statt  fand,  so  kann  man  annehmen,  dass  Pindar  sich  schon 
damals  in  Sicilien  befand.  —  Münzen  als  a&la  Hultsch,  De  Damareteo»  p.  26. 27.  Vier- 
gespann auf  einer  Münze  von  Herakleia  mit  punischer  Inschrift  Ugdulena  Tay.  I,  18; 
Pinder,  die  antiken  Münzen  des  Kön.  Mus.  Berl.  1851,  No.  146.  Tetradr.  mit  Vierge- 
spann Ton  Panormos  in  der  Sammlung  de  Luynes\  —  Spiele  in  den  Städten  ifn  Attvag 
erwähnt  Plnd.  Ol.  XIII,  111  —  es  sind  nach  den  Schot,  besonders  Isthmia  in  Syrakus 
und  Nemea  in  Aetna  gemeint.  Dass  der  Name  Pelops  (s.  auch  Ol.  I],  dem  Wagenlenker 
beigeschrieben  auf  einer  alten  Münze  von  Himera  (Eckhel  I,  213 ;  Friedländer,  Berl.  Blät- 
ter für  Münzkunde,  1863,  S.  137.  138),  wirklich  den  Gründer  der  Olympischen  Spiele  be- 
zeichnet, darüber  vgl.  Garrucci  und  Cavedoni  im  Bull.  1865,  S.  108  und  224 ;  sowie  Sa- 
unas ebendas.  S.  83. 

S.  221.  Pyth.  II.  Die  Zeitbestimmung  ergiebt  sich  aus  der  Erwähnung  der  Ret- 
tung von  Lokri  durch  Hieron,  in  v.  18—20.  Vgl.  Boeckh,  Expl.  p.  241.  In  der  Deutung 
der  Erwähnung  des  Ixion  bin  ich  Boeckh  gefolgt.  Die  Aeusserung ,  gegen  die  ich  mich 
erkläre,  ist  von  Schmidt,  Pindar,  S.  192.  Ich  vermag  Schmidts  ausführlich  begründeter 
Ansicht  nicht  zuzustimmen,  dass  Hieron  »von  dem  Dichter  eine  fortgesetzte  Befehdung« 
des  thebanischen  Demos  verlangt  habe  und  hierauf  Pindar  mit  seiner  Erwähnung  des 
Archilochos  antworte.  Schwerlich  nahm  Hieron  soviel  Theil  an  den  Thebanischen  An- 
gelegenheiten. —  S.  222.  Pyth.  IIL  üeber  die  Zeitbestimmung  Boeckh,  Expl.  254.— 
Nach  G.  Hermann,  Heimsoeth  und  Schmidt  (s.  diesen  S.  232)  kann  ich  Boeckh  und  Dis- 
sen  nicht  Recht  geben,  die  ausser  der  Krankheit  Hieron's  noch  FamilienunglUck  dessel- 
ben in  dieser  Ode  angedeutet  finden.  —  S.  222.  P^th.  I.  Die  Zeitbestimmung  nach 
Schol.  Pyth.  I  inscr.,  sowie  wegen  der  bereits  geschehenen  Gründung  Aetna's,  des  Aus- 
bruches des  Vulcan's,  endlich  wegen  des  in  dieser  Ode  gefeierten  Sieges  über  die  Tyr- 
rhener.  —  Der  Grundgedanke  der  Ode  ist  sehr  gut  dargelegt  von  Schmidt  247.  Auf 
denselben  Sieg  Hieron's  bezog  sich  noch  das  Pindarische  Hyporchem ,  dessen  Anfang 
lautete:  Svvt^  o  ro^  Xiyto,  Ca^^cov  hg^af  bfnavvfie  natfQ,  xiIüjoq  AlxvTjq  (Schmidt 257).— 
S.  224.  Ol.  I.  Gewöhnlich  in  Ol.  77,  1  gesetzt,  nach  Boeckh,  Expl.  100,  auf  Grund  der 
Schol.  zu  Ol.  I,  dass  Hieron  in  Olympia  x'lrin  gesiegt  habe  Ol.  73  und  77,  und  -re&Qlnnfi} 
Ol.  78.  Dagegen  schliesst  de  Jongh  S.  25S  aus  dem  Umstände,  dass  Hieron  in  der  Ueber- 
schrift  dieser  Ode  £v{inxovaiog,  nicht  Ahvaiog  genannt  ist,  sie  sei  nicht  Ol.  77,  sondern 
Ol.  76  gedichtet.  Wenn  wirklich  ein  Irrthum  des  Schol.  vorläge ,  so  würde  die  persön- 
liche Anwesenheit  des  Dichters  in  Sicilien,  auf  welche  Ol.  I  schliessen  lässt ,  bereits  in 
Ol.  76,  1  fallen.  Die  Ode  soll  »die  verhältnissmässig  geringere  Bedeutung  der  Kampfart 
dadurch  vergessen  machen,  dass  sie  die  des  Festes  recht  glänzend  an  das  Licht  stellt«, 
Schmidt  258.  —  Die  Anrufung  Poseidon's  durch  Pelops  deutet  auf  den  Kultus  des  rosse- 
nährenden Gottes  durch  Hieron.  —  S.  225.  Nem.  I  und  IX.  Die  die  Chronologie  der 
beiden  Oden  an  Chromios  betreffenden  Ansichten  sind  zusammengestellt  von  Schmidt 
239  ff.,  vgl.  dens.  455  ff.  Wenn  ders.  456  in  dem  Ausdruck  Icmrv  «f  in  avltCatg  &vQaig 
(Nem.  I,  19)  nur  die  figürliche  Bedeutung  anerkennen  will,  so  stimme  ich  dem  nicht  bei ; 
ich  finde  einen  Doppelsinn  hier  sehr  passend.  Ist  nun  mit  Boeckh  und  Dissen  Nem.  I  vor 
I^  und  in  die  Zeit  der  Anwesenheit  Pindar's  in  Sicilien  zu  setzen,  so  könnte  Nem.  I  nach 
dem  Obigen  immerhin  schon  Ol.  76,  2  fallen,  lieber  Chromios,  der  nach  Schol.  Nem.  I,  8 


422  Anhang  11.  Belege  und  Erläuterungen. 

7]v(ozoi  n^'Uqmvog  naiJo&tv  vgl.  Dissen  in  den  Expl.  348.  —  S.  226.  Ol.  VI.  Die  Zeit- 
bestimmungen  auf  Combinationen  Boeckh'B  beruhend.  Nach  v.  85.  86  sendet  Pindar  die 
Ode  aus  Theben ;  da  nun  angenommen  wird ,  dass  er  Ol.  77,  1  in  Syrakua  war  (b.  oben 
über  Ol.  I),  so  bliebe  Ol.  76  und  78,  wo  dann  der  freundliche  Gruss,  den  Pindar  dem 
Hieron  sendet  (Schmidt  274}  Ol.  78  wahrscheinlicher  macht.  Wenn  jedoch  Pindar  OL  77, 
1  nicht  in  Syrakus  war,  so  fällt  die  ganze  Gombination.  —  lieber  die  Sv  ayxvgai  v.  100. 
1  sucht  Schmidt  280  nachzuweisen,  dass  die  gewöhnliche  Annahme,  sie  gingen  auf  das 
doppelte  Bürgerrecht  in  Syrakus  und  Stymphaios ,  iirig  ist ;  de  Jongh  402  deutet  daa 
Gleichniss  nur  auf  die  Hülfe,  die  man  vom  Freunde  hat ;  und  bezweifelt  überhaupt  das 
doppelte  Bürgerrecht  des  Agesias.  Ders.  erklärt  sich  S.  393  gegen  Boeckh,  der  aua 
Schol.  zu  y.  165  schliesst,  dass  Agesias  nach  Hieron'sTode  ermordet  sei.  Die  Worte 
OS  äyf^Q^dTj  'liQtovog  xai(dv9ivjoi  bedeuten  nur,  dass  sein  Schicksal  mit  dem  des  Tyran- 
nen eng  verknüpft  war.  Ein  ^AyaaCai  Zivfiifahog  bei  Xen.  An.  III,  1.  —  S.  227.  Pytb. 
VI.  Zeitbestimmung  nach  Schol.  dazu.  —  Ueber  den  GMankengang  Schmidt  65-~ 72. 
S.  227.  Ol.  II.  m.  Dass  der  Sieg  Ol.  76  fällt ,  ist  aus  Schol.  II,  166  (92]  zu  schliesaen^ 
obschon  ebendort  und  zur  Ueberschrift  andere  Zahlen  gegeben  werden.  Auch  passt  Ol. 
76  am  besten  wegen  der  Berechnung  zu  II,  93  (s.  o.  S.  383  über  die  Gründung  der  Städte). 
Ueber  dasVerhältniss  von  II  und  lU  unter  einander  Schmidt  211  ff.,  der  III  nicht  für  die 
Theoxenien  bestimmt  glaubt  und  213  annimmt,  dass  nur  E  das  eigentliche  Epinikion  ist, 
HI  dagegen  ein  schon  vorher  an  Theron  gesandtes  Enkomion ,  das  nur  auf  den  soeben 
gewonnenen  Sieg  Bezug  nehme.  —  de  J.  320  ff.,  giebt  Nichts  auf  die  Ueberschrift  von 
III  hU  BtoU^ui,  und  auf  die  entsprechenden  Notizen  der  Schollen ;  er  nimmt  322  an,  dasa 
lU  zuerst  geschickt  sei,  weil  nach  v.  77  vvv  Theron  das  höchste  Ziel  erreicht  habe  und 
überdies  HI  das  kürzere  Gedicht  sei.  —  S.  229.  Py  th.  XH.  Zeitbestimmung  nach  den 
Schol.  wonach  Midas  Pyth.  24  und  25  sowie  in  den  Panathenaeen  gesiegt  hat.  Sein 
Abenteuer  ebendas.  Schmidt  76.  77  will  nicht  glauben,  dass  die  gegenwärtige  Ode  sich 
auf  den  so  gewonnenen  Sieg  beziehe,  da  die  Schol.  es  nicht  ausdrücklich  sagen  und  im 
Gedicht  Nichts  darauf  hindeute. 

S.  229.  AI  sc  hy  los.  Unter  den  vielen  Schriften  über  ihn  vgl.  den  Artikel  von  W.T. 
in  Paul/s  R  E  1 ,  448  ff.  —  Einsturz  der  Gerüste  als  Yeranhissung  seiner  Reise  nach 
Sicilien:  Suid.  s.  v.  AlaxvXog.  —  Niederlage  durch  Simonides  vita  Aesch.  9.  Wena 
W.  T.  S.  450  des  angeführten  Artikels  bemerkt:  Flucht  deshalb  an  den  Hof  des  Hieron, 
den  Aufenthaltsort  des  Simonides !  so  ist  das  übertrieben ,  da  es  keine  Flucht  war  und 
der  Unwille  des  Dichters  besonders  gegen  die  Preisrichter  gerichtet  sein  mochte.  — 
Niederlage  durch  Sophokles  vita  9.  —  Unwille  der  Athener  über  die  Eumeniden  nach 
vita  9.  —  A.  in  Sicilien  7^^yoc  rovs  iriv  Alvvr^v  xriiwrogj  vit.  10,  also  um  Ol,  76,  1.  — 
A.  nach  dreijährigem  Aufenthalt  in  Gela  gestorben  vit.  11.  —  Ueber  die  Ahvaim  des  A. 
Schneidew.  in  Rh.  Mus.  1843.  S.  70—83.  Vgl.  auch  Härtung,  Aesch.  Fragm.  Lp2.  1S55 
Absch.  XU  Sicilische  Tragödien,  wozu  er  ausser  den  Aetnäerinnen  den  Seeglaukoa 
(Wanderung  desselben  nach  Sicilien),  die  Phorkiden  (wegen  des  sicilischen  Wortes 
aax^iS(oQos}  und  den  Polydektes  (warum?)  rechnet.  —  Von  den  Persem  Schol.  Ar.  Ran. 
1028  :  öoxovat  dk  ovioi  ol  ItiQQai  vno  lov  Ata^vXov  JiäiJdj^&ai  iif  ZvqaxovaaiQf  anovöd" 
aavjoe^IiQiovogt  tas  (fijatv  'MgaToa&iyrjs  iy  y  ntgl  xfofAtfiditJv,  Dass  die  Perser  zuerst  in 
Syrakus  aufgeführt  seien,  vermuthet  Lorenz,  Epicharmos  S.  83.  Ueber  den  Inhalt  der 
übrigen  Stücke  der  Persertrilogie  s.  Welcker,  die  Aeschyl.  Trilogie  S.  470 — 81,  der  den 
rXavxog  Tloxvuvi  der  Trilogie  in  den  novrtog  verwandelt,  was  jetzt  nicht  mehr  allgemein 
gebilligt  wird.  Damit  fällt  dann  auch  die  Erwähnung  der  Schlacht  bei  Himera.  Lorenz; 
I.  1.  Anm.  4  spricht  ausführlich  über  die  oben  cit.  Worte  'UQmog  tot«  t.  li.  xiiC-  deren 
toTs  mit  Unrecht  von  Manchen  auf  4—5  Jahre  ausgedehnt  worden  ist.  —  Ausbruch  des 
Aetna  Prom.  363—70.  —  W.  T.  in  Pauly's  RES.  455  nimmt  von  den  fx^u^fs,  beson- 
ders wegen  der  darin  enthaltenen  Hervorhebung  der  monarchischen  Regierungsform  unid 


Zq  Bach  m,  K»p.  2,  Seite  226—231.  42^ 

der  Bemerkan^n  über  die  Stellung  der  Fremden,  an,  dssB  auch  dies  Stück  in  Sicilien 
entstanden  ist.  Man  kann  noch  die  Erwähnung  der  yafioQoi  V.  608  in  dieser  Beziehung 
anführen.  —  Ueber  sicilische  Idiotismen  bei  A.  Athen.  IX,  402:  ort  A,  ^garQlipu^ 
h  £ixtXitf  nolXalg  x^(»i/r««  ^vhiaig  ^t^tXixatg,  ov^h  d^avßtaaroy.  Hierüber,  sowie  über 
Spuren  des  Pjthagorismus,  mit  dem  A.  in  Sicilien  bekannt  geworden  sein  soll,  s. 
Bergk  in  der  Ztschr.  f.  Alt.  1835,  S.  952—57  (Lor.  84).  —  Macrob.  Sat.  V,  19,  17  sagt: 
Aesehylus  tragieos,  vir  utique  Siculus.  —  Ol.  80,  2—459  y.  Chr.  war  die  Au£führung 
der  Orestie  in  Athen,  also  A.  daselbst  anwesend.  Das  Umsichgreifen  der  Demokratie  in 
Athen  als  Grund  für  Aisch.  Auswanderung  nach  Sicilien  vermuthet  von  Welcker,  Tril. , 
S.  521  ff.  —  Tod  des  A.  Die  Geschichte  von  dem  Adler  mit  der  Schildkröte  Sotades  bei 
Stob.  Senn.  98,  9.  Ael.  H  A  VH,  16.  Val.  Max.  IX,  12.  vit.  11.  18.  Plin.  X,  7.  Suid. 
die  Deutung  als  symbolische  Apotheose  des  A.  von  G^jttling,  De  morte  fabulosa  A. 
Jena  1854.  4.  — Die  Grabsohrift  des  A.  vit.  Aesch.  Aitrxvlov  Ewpo^/atvos  'Ad-ffvaTov 
T«f«  nev&et  Mv^fia  xaratf'd-ffjievov  nvQOffOQOto  nXag.  ^Alx^  <f  iv^4xtuov  Ma^a&tovijov 
aXaog  au  itnoi  Ka\  ßa^v^an^eig  Mijdog  irmniifisvog.  Die  Uebersetzung  nach  G(^ttling, 
Ges.  Abh'.  n,  152.  Eine  andere  Grabschrift  (Brunck,  Anal.  II,  188)  lautet:  AiaxvXov 
Tide  XfyBi  TUffltj  Xl^g  iv^^€  xita&ai  Thv  fifyav  oixfCfig  rr^X  ano  K€%QonCfig,  Aivxa  nXa 
£uieXote  naQ  vSata.  rig  <p^6vog  acrth^  Sriae{3ug  ayttd^v  ^}'%otog  aUv  ^f «. 

S.  231.  Epicharmos.  üeber  ihn  und  die  verwandten  Erscheinungen  C.  J.  Grysar, 
De  Doriensium  eomoedia.  Col.  1828.  8.  Rec.  davon  von  Welcker  in  Allgem.  Schulzeit. 
1830.  S.  417-87,  abgedr.  in  s.  Kl.  Schriften  I,  271—356.  Bernhardy  in  der  Encycl.  von 
Ersch  und  Grober  I,  35,  S.  342^.56  und  in  s.  Grundr.  der  Gr.  Lit.  U,  893—908.  Samm- 
lung der  Fragmente  von  H.  Polman  Kraseman ,  Epicharmi  Fragm.  Harl.  1S34.  H.  L. 
Ahrens,  de  dialecto  Dor.  Gott.  1843.  Appendix.  Mullach,  Philos.  graecor.  fragm.  I, 
p.  131—47.  Par.  1860.  8. ;  endlich  das  ausführliche  Werk  A.  0.  F.  Lorenz,  Leben  und 
Schriften  des  Koers  Epicharmos,  nebst  e.  Fragmentensammlung.  Berl.  1864.  8;  wo 
jedoch  die  Mullach'sche  Bearbeitung  noch  keine  Berücksichtigung  gefunden  hat.  —  £. 
heisst  XtSog  bei  L  D  VIII,  3,  78.  Andere  Angaben  bei  Suid.  und  St.  B.  s.  v.  K^aarog. 
rQifAfjvaiog  nach  Megara  gelangt  nach  LDL  1.  Mit  Kadmos  nach  Sicilien,  nach  Einigen 
bei  Suidas.  Gegen  diese  Angabe  spricht  mit  guten  Gründen  Lor.  46  ff.  —  Suidas  nennt 
ihn  TT ^o  Twv  IliQaixüiv  hrf  üj^  ^Maxatv  iv  Zvgaxovaaig.  Epicharmos  im  Verkehr  mit  Hieron 
Plut.  Apopth.  Reg.  (Hntt.  VIII,  89)  und  Quomodo  adul.  disting.  ab  amico  40  (Hutt.VII).— 
Ep.  mit  anderen  Greisen  Ael.  VH  U,  34.  —Die  von  den  Syrakusanern  gewidmete  Grabschrift 

lautet  (LD78):  Et  Ti  naQaXXaaau  (fa^S^atv fifyag  aXiog  affroüfv  Kai  novrog  notttfxtav  fiti^ov 
I^X^t,  Svi^afitVf  4>afil  rooovjov  iyeo  aotf^iq  Ttfwixftv  *E7T()^aQfxov^Ov  ittttQig  ^ajttftivtod  ade 
Zvqaxoaiia¥,  (S.  232,  9  v.  u.  ist  »ehernes«  zu  tilgen.)  Eine  andere  ist  unter  Theokrit's  Epi- 
grammen, n.  17,  wo  der  Ausdruck  ZvQaxoaaittg  neXio^tarif  noXn  merkwürdig  ist,  der  doch 
wohl  die  Stadt  als  die  riesige  bezeichnes  soll.  —  Ueber  die  Anfänge  des  dorischen 
Drama' s  s.  Lorenz,  Cap.  i.  —  üeber  Susarion  Pauly  R  E  VI,  2, 1521.  —  üeber  Maison 
Lorenz  37  ff.,  besonders  nach  Athen.  XIV,  659,  wo  es  zuletzt  heisst:  tov  öh  MaCatova 
IloXiftfoy  iy  ToTg  nQog  Tiuaiov  ix  rtiSv  iv  ZmeXttf  (frialv  (hat  Miyaqiiav  xal  oxm  ix  reSv 
NiacUtav.  —  üeber  den  Charakter  der  sicilischen  Griechen  Plat.  Gorg.  493 
icofi^jog  avTfQ  taa>g  SixiXog  tig  ^  ^fraXixog,  und  besonders  äussern  sich  die  römischen 
Schriftsteller  darüber.  Cic.  Verr.  IV,  43 :  nunquam  tam  male  est  Siculis,  quin  aliquid 
facete  et  commode  dicant.  Cic.  Div.  in  Caec.  9  :  hominum  genus  nimis  acutum  et  snspi- 
tlosum.  Verr.  HI,  8 :  ita  acute  ut  Siculum.  De  erat.  II,  54 :  ridicula  et  salsa  multa,  nam 
et  Siculi  in  eo  genere  excellunt  (und  §§278  und  280  folgen  sicilische^itze) ;  Cic.ad  Attic. 
I,  19,  8.  Tusc.  Qu.  I,  8.  Caelius  bei  Quinctil.  VI,  3,  41 :  Siculi  quidem  ut  sunt  lascivi  et 
dicaces  (Lor.  94).  Sil.  XIV,  31 :  promptae  gens  linguae.  —  Sicilischer  Luxus  und 
besonders  Mahlzeiten  berühmt.  Vgl.  Suid.  s.  v.  ^ix^Aix^  TQamCt*,  ferner  s.  v. 
Zvqaxovala  xQani^a ^  wo  die  ZVxcXtoira»  aßqod(attot  ^äXlov  ndvr<üv  genannt  werden; 


424  Anhang  IL  Belege  und  Erläuterongen. 

bes.  Athen.  XII,  527 ,  wo  ausser  einem  Fragment  der  Jaual^g  des  Aristophanes  Plat. 
£p.  VII,  326  und  Plat.  de  rep.  III,  404  citirt  werden.  SicUische  Köche  berühmt  Ath. 
XIV,  661  und  655.  Nach  Plat.  Gorg.  518  hatte  Mithaikos  eine  oiffonoua  2:txtlixii  ge- 
schrieben. Vgl.  Ath.  III,  112;  VII,  282  und  325,  wo  Einzelnes  aus  dem  oxifftQtvrixoy 
ßißlCov  angeführt  wird.  Später  trat  Archestratos  von  Geia  auf.  —  Jambistenchöre 
in  Syrakus  Ath.  V,  181.  — Von  dem  Tanz  Ath.  I,  22:  BUtpqaatos  6k  nQulTov  (priaiv 
*!/4v6Q(ova  Tov  Karavalov  avXrjTTiv  xtvtjoeti  xal  ^vd-fioits  noi^aai  r^  atifiari  avlourra' 
o9-ev  aixd^Ziiv  ro  6(//<7<r^at  naQu  roTg  nalutotg,  Lor.  96  macht  daraus,  dass 
Theophr.  »den  Ursprung  des  Tanzes«  in  Sicilien  suchte !  Ath.  XFV,  629 :  naqa  dk  iTi/^a- 
xoüCoig  xal  XfTfov^ag\4QT^fu6og  oQ^tja^g  rts  ^orrlv  t^iog  xal  avltfaig,  ^vditig  xal*Itt>ytxif 
OQx^<^'i  nagoCviog.  Vgl.  Poll.  IV,  101  ff.,  WO  103  steht :  rö  dk'ltavixw  *Aqjifit6i  mqx^^'^^ 
Zixihmrai  fuxUara.  —  Der  Syrakusanische  Jongleur  und  Tänzer  Xen.  conv.  2.  7.  9.  — 
Epich.  ZuhOrer  des  Pythagoras  nach  LD  VIII,  3, 78.  Vgl.  auch  weiter  unten S.  425.  Ders. 
;iennt  VIII,  1 ,  7  als  Titel  einer  Schrift  des  Pythagoras :  'IWo^JL^  tov  ^EmyaQfiov  tov 
Kioov  TTur^Qa,  was  wenigstens  zeigt,  dass  Elothales  mit  Pythagoras  in  Verbindung 
stand.  —  Plat.  Theaet.  152  :  rdv  noirirtSf  ol  axgoi  r^g  noniitimg  ixarigag,  xwfi^dütg  fjikv 
'£?r//a^^of ,  TQityt^d^ag  6k  "O/ifiQog.  Vgl.  Lor.  116,  n.  8.  —  Anzahl  der  Epicharmiaohen 
Stücke  nach  dem  Anon.  thqI  xt$fii^dlag  40,  iv  at^riifyovTat  6*,  so  dass  36  übrig  blei- 
ben ;  Lykon  zählte  nach  Suid.  s.  v.  *£n£X'  35,  indem  er  vielleicht "iT/fa;  yufiog  und  Mov- 
aai  nur  für  ein  Stück  nahm.  Suid.  selbst  nimmt  52  an,  wo  Bergk  42  lesen  will  (Lor.  14S). 

—  Arist.  poet.  V,  3  sagt :  to  tfk  fiv&ovg  nouTv  ^EnlxaQ^Log  xai  4»6qfttg  {r^Q^nv) '  ro  fjihv  i^ 
a^X^,g  ixZtxeUagriXO^fv;  vgl.ijOr.  190 ff.  nach  Meineke,  Hist.  crit.  p.  59 ff.  —  JBover«^«?.  Die 
Schilderung  der  Gesichtsverzerrungen  des  Herakles  bei  Ath.  X,  411.  —  "Hßttg  ydfjiog  und 
Movam,  Verzeichnisse  von  sicilischen  Fischen  Ath.  lU,  85  u.  öfter.  Zeus  Ath.  VII,  282. 
Poseidon  (noTi^äv)  Ath.  VU,  320.  Athene  Ath.  IV,  184.  Vgl.  über  das  Stück  Lorenz  126— 
31 ,  wo  S.  129  die  Stelle  aus  Tzetzes  ad  Hes.  op.  et  d.  v.  6  mit  den  Namen  der  Musen 
(grösstentheils  von  Flussnamen  entlehnt)  citirt  ist.  —  ^HQoxl^g  6  naga  4>6Jn^  citirt  von 
Eustrat.  zu  Ar.  Eth.Nic.III,  5, 4,  wo  nagatfokt^  steht,  und  Camerarius  naga  fPoX^p  änderte.— 
TQtSeg  citirt  von  Zenob.  4,  7  und  Macrob.  V,  20,  5. — VSvaaevg  avtofiolog  ciUrt  von  Ath. 
III,  121,  und  sonst. —A:üxA<üi/;  bei  Ath.  VIII,  366.  —i:HQfir€gAih.  VII,  277 .— 'OcT.  vava^^^ 
Ath.  XIV,  619.  Poll.  X,  134.  Lor.  186,  n.  1  protestirt  »bestimmt  gegen  den  lächerlichen 
Versuch  Grysar's,  das  fr.  42  (LD  III,  12,16  aus  Alkimos)  auf  den  blossen  Namen  Eumaios 
hin  dem  ^OS.  vavayog  einzuverleiben.  Der  schiffbrüchige  Held  (der  ja  übrigens  gar 
nicht  Schiffbruch  bei  Ithaka  litt)  lohnt  den  gastlichen  Empfang  des  ehrlichen  Schweine- 
hirten durch  tiefe  Gespräche  über  Pythagoreische  Weltweisheit!«  Da  doch  einmal 
Jemand  mit  Eumaios  über  diese  Weltweisheit  bei  Epicharmos  redet,  warum  sollte  es 
nicht  Odysseus  sein?  Ueberdies  konnte  Od.  seinen  Schiffbruch  dem  Telemach  erzählen. 

—  lieber  ein  vielleicht  an  dieses  Stück  sich  anschliessendes  Vasenbild  der  Sammlung 
Campana  vgl.  Wieseler  in  den  Annal.  1859  zu  Mon.  VI,  tav.  35,  2.  — ^Afivxog  Schol. 
Soph.  Aias  722  und  öfter.  —  Uv^^a  xal  JlQo/jitt&ivg  Ath.  III,  86  und  sonst.  Vgl.  Lo- 
renz 139,  n.  5.  —  KvjfÄaaral  i]  "Affaiarog  Ath.  X,  389  und  sonst.  Ueber  dieses  Stück 
Lor.  137.  38.  Die  Fesselung  der  Hera  auf  einer  Vase  aus  Bari  im  Brit.  Museum  abgeb. 
in  Lenormant  und  de  Witte,  Elite  c6ramographique  I,  36.  Miliin,  Gal.  Mytfa.  13,  48. 
Der  Zug  der  Komasten  bei  Millingen,  Vases  de  Coghill,  PI.  6,  und  Millin,  Peint.  de  vas. 
ant.  I,  9  und  Gal.  Myth.  83,  336.  Vgl.  Preller,  Gr.  Myth.  I,  118.  —Ausserdem  sind 
noch  mythologischen  Inhalts :  'H^axl^g  6  inl  tov  Cf^ot^ea  —  d.  h.  um  den  Gürtel  der 
AmazonenkOnigin  zu  holen  —  Schol.  Ven.  Ar.  Pac.  73.  ~  <f»tkexT ^T^g  Aih,  IX,  371. 
XIV,  628  [ovx  ioTi  6i&v^afißos,  oxx  vfitaQ  Tiiyg),  —*Alxvo}p  Ath.  XIV,  619,  wo  Jiofiog 
6  ßovxoiog  ^txeXtojTtjg  als  Erfinder  des  ßovxoXtaofiog  bezeichnet  wird.  —  £xiQt9v  — 
wohl  der  megarische  Räuber  —  Schol.  Ven.  Ar.  Pac.  185.  Poll.  X,  86.  —  i:<piyi  Ath. 
III,  76.    St.  B.  8.  v.  XtTtavri,  — -  Baxxai  Ath.  HI,  106.    Hesych.  S.  V.  AfyXn.  —  Atvrvooi 


Zu  Buch  III,  Kap.  2,  S.  233—237.  425 

Ath.  IV,  158.  Die  anderen:  *JyQü}aTtrog  Ath.  III,  120  u.  sonst.  —  "AgnuyaC  Poll.  IX, 
25  u.  sonst.  —  r«  jfol  ^nlaaaa  Ath.  HI,  105  u.  öfter.  —  "Ehtlg  ^  nXovrog  Ath.  VI, 
235.  36  (berühmte  Schilderung  des  Parasiten,  wobei  beachtenswerth  ist,  dass  Poll.  IV, 
li)  die  komische  Figur  des  £iitelix6g,  erklärt  als  naQdairog  tQCjog,  erwähnt)  n.  sonst. 

—  'EoQta  Kai  vaaoi  Schol.  Pind.  Pyth.  I,  98  u.  sonst.  —  QeoQoi,  die  dargestellt  sind 
xa^oQwpTeg  ra  iv  Ilv&ot  ava^rj^ara  xal  negl  ixagrov  Xfyovreg  bei  Ath.  VIII,  362 ;  vgl. 
unten  bei  Sophron  die  d^eafdfvat  rd  "lad^fna,  —  Die  Titel  der  ttbrigen  sind :  ^EntvUuts,  in 
anapästischen  Versen,  »so  dass  Gesang  und  Tanz  hier  gewiss  eine  grosse  Bolle  spielte«,- 
Lor.  145.  —  jioyog  xal  Aoy(vti  Ath.  III,  106  u.  sonst.  Ueber  die  Schreibart  des  zweiten 
Substantivs  s.  Lor.  244.  Man  hat  Aoyo^  und  Aoylva  gehalten  für  zwei  mythische  Per- 
sonen (Grysar),  Personificationen  der  Redekunst  (Bemhardy),  Philosophen  oderSpass- 
TÖgel  (Welcker,  der  Aoytvag  annimmt).  Ich  erinnere  daran,  dass  nach  L  D  I,  6,  89  der 
Bhodier  Eleobulos  und  seine  Tochter  Kleobulina  ein  besonderes  Verdienst  um  die  Aus- 
bildung der  Räthsel  hatten,  die  auch  bei  Epicharmos  vorkommen,  welcher  sie  nach  Eust. 
Od.  V,  366  loyog  iv  loyttt  nannte.  Ich  möchte  nun,  unter  Annahme  der  Lesart  AoyCva,  in 
loyog  hier  die  Personification  des  Räthsels  sehen  und  in  der  Zusammenstellung  mit^o;^/ya 
eine  Hindeutung  auf  jene  beiden  Personen.  Es  gab  ^inQKXkoßovXlvri  von  Alexis. — Meyagig 
Ath.  VII,  286  (Schimpfwörter)  u.  sonst.  —  Mrjpfgmid  Tittaxadtg  nur  bei  Hesych.  —^ÖQva 
(soll  /o^<fi7  bedeuten)  Ath.  III,  94,  und  Hesych.  —  IT^QfaXXog  (vielleicht  stolz  bedeutend) 
Ath.  IV,  139  und  183.—  mQaaiFoll  IX,  92.— //i^wv  (Weinkeller)  Poll.  X,  179.— XopwvW 
Ttg  Heph.  de  metr.  8,  3.  —  Xvtqoci  Poll.  IX,  79.  —  Ep.'s  Metrik  Lor.  157.  Der  troch. 
Septenar  heisst  Metr.  Epicharmium.  —  Gegen  die  von  0.  Müller  angenommenen  politi- 
schen Stücke  Epicharm's  eiftlärt  sich  mit  Recht  Lor.  171.—  Ueber  seinen  gnomischen 
Charakter  sagt  Jambl.  de  vit.  Pyth.  29,  166 :  of  t£  yytufxoXoyrjaai  n  rtSv  xara  rov  ßCov 
ßovXofievoi  Tag  ^En i/uq/liov  dtavotag  7iQ0<f^(WPTai  xal  axtSov  ndvxig  aitrag  ol  (ptXoaoifoi 
xat^xovotv.  ^  Der  berühmteste  Spruch :  Natfs  xal  fiifAvaa*  amatitv'  a^d-Qa  tavta  tav 
tfQfvwv  steht  Polyb. XVIII,  23,  4 ;  s.  Lor.  260.  —Bei  Plant.  Menaechm.  prol.  12  heisst  es 
von  dem  argumentum,  dass  es  sicilissat,  worüber  zu  vergl.  Ladewig  in  Philol.  I,  276 — 85 
(Lor.  213).  ^  Vorherrschen  der  erzählenden  Form  bei  Epicharmos  ist  bemerkt  von  Lor. 
88.  »9.  —  Ein  Pythagoreer  war  Ep.  nach  Plut.  Num.  8.  Clem.  AI.  V,  14,  101. 
Jambl.  Vit.  Pyth.  36,  266,  wo  erzählt  wird,  dass  Ep.  wegen  der  Tyrannis  Hieron's  die 
Pythagoreische  Philosophie  in  Lustspielform  mitgetheilt  habe.  —  Die  Abhandlung  von 
F.  Nutzhom,  De  Epicharmo  Pythagoreo,  in  Tidskrift  for  Philologi.  VII.  Aargang. 
Kjöbenh.  kenne  ich  nicht.  —  Nach  Doxop.  Rhet.  VI,  p.  12  soll  durch  diesen  Druck 
fl  oQ^tjorixt!  entstanden  sein ;  wofür  Bemhardy  Griech.  L  G II,  898  t^r  oQ/ijar^av  lesen 
will.  Aber  auch  Schol.  Hermog.  bei  Walz  IV,  p.  11  zeigt,  was  gemeint  ist,  nämlich 
dass  Hieron  den  Syrakusanem  geboten  liabe  fiijdk  <fi*^iyyta&ai  ro  na^dnav ,  aXXd  6ia 
7ro6<Sv  xal  %UQ€iv  xal  ofifjtdteav  atf/Ltalvftv  ra  ngoaipoga.  Also  wirklich  ein  Leben  wie  in 
einem  Ballet!  —  Epicharmos  citirt  von  Sokrates  :  Xen.  Mem.  II,  1,  20;  von  Piaton  Gor- 
gias  505;  AlkimoB  bei  L  D  UI,  17  ;  von  Aristoteles  Met.  XIII,  9,  27.  —  .Ueber  Alki- 
.moB  L  D  III,  12,  9 ;  vgl.  Lor.  108  ff.  —  Ueber  den  Epicharmns  des  Ennius  Lor.  100  ff. 

—  Der  Xoyog  avSavcfiivog  wird  erwähnt  bei  Plut.  Thes.  23 ;  adv.  Stoic.  de  comm.  n.  44 
(Hutt.  XIV) ;  de  sera  num.  vind.  15  (Hutt.  X).  Ueber  dens.  Bemays  im  Rh.  Mus.  K.  F. 
VIII,  280—88  (Lor.  116).  Ueber  die  richtige  Auffassung  der  Anwendung  des  Xoy.  av^. 
in  Komödien  vgl.  Lor.  180,  der  sehr  passend  Moliöre  vergleicht,  besonders  Le  Mariage 
forc^  Sc.  6  und  8,  mit  den  zwei  Philosophen.  —  fnoixodofirjaig  im  rhetorischen  Sinne 
Lor.  B.  45  aus  Arist.  de  gen.  an.  I,  18.  —  Auf  den  Fluss  der  Rede  bezieht  Lor.  211  ff. 
nach  Welcker  das  Wort  des  Horaz  Ep.  II,  1,  58 :  Plautus  ad  exemplar  Siculi  properate 
Epicharmi.  —  Theologie  Epicharm's:  Menandros  (Mein.  C  Gr.  IV,  233)  bei  Stob.  Flor. 
91,  29,  wonach  Wind,  Luft  etc.  Götter  sind.  Den  Plural  braucht  Ep.  auch,  wenn  er  die 
wirkliche  Gottheit  meint:  Xen.  Mem.  II,  1,  20 :  ttSv novtov  ntaXovm  ndvja  tdyad^  afiXv 


426  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

Tol  &ioL  Die  Allmacht  Gottes  Ol.  AI.  Strom.  V,  14,  101  (Lor.  fr.B.  6).  Die  Menschen 
««Txol  n€(f'Vuaftäroi  Cl.  AI.  IV,  7,  45  (Lor.  B.  5).  —  Der  Tod  Piot.  Cons.  ad  Apol. 
iHutt.  VII,  p.  339).  Der  berühmte  Vers  voos  ogj  xal  voog  axüvu  *  räXXa  xwf^  xal  tvifl« 
steht  Cl.  AI.  11;,  5,  24  und  oft  sonst;  vgl.  Lor.  zu  B.  2.    Reinheit  der  Seele  CL  AI.  VII, 

4,  27  (Lor.  B.  3).  Thierseele  wird  angenommen  nach  Alkimos  bei  Lor.  B.  43.  Ich  sehe 
in  dieser  Stelle  [xvl  ya^  a  xvtttr  xwl  xalhatov  dfjLtv  ifaivfyat  xal  ßovg  ßotetc» )  yielmehr 
eine  Uebereinstimmung  mit  der  Xeaophaneischen  Ansicht  von  den  Idealen ,  die  jede 
Wesengattung  sich  nach  sich  selber  macht.  —  Wenn  L  D  VIII,  3,  78  ihm  vnofjivrifiara 
zuschreibt,  Iv  oU  ifvaioloysT,  so  haben  Manche,  und  noch  Lor.  64.  65  an  ein  Lehrgedicht 
nfQi  (fvatats  gedacht;  die  Anwendung  des  trochäischen  Tetrameters  in  den  philoso- 
phischen Fragmenten ,  die  hierher  gehören  würden ,  spricht  doch  sehr  gegen  eine  solche 
Annahme. — lieber  seinen  Nachruhm  —  riSy  lfi»v  fiväfia  nox  iaatirat  Xoytjy  Tovtt»y  tti  — 
und  dass  man  dann  seinen  Gedanken  ein  anderes  Kleid  anlegten  werde ,  spricht  £p.  bei 
LD  m,  12,  17  (Lor.  B.  1;.  —  Ueber  die  unverständliche  Stelle  des  Jambliebos,  vit. 
Pyth.  34,  241  über  Metrodoros  vgl.  Lor.  49  —  52.  —  /aT(>oAoy«»  L  D  VIII ,  3,  78.  Plin. 
elench.  XX— XXVII  oitirt  £p.  unter  den  ärztlichen  Quellen ;  nach  Oolum.  VII,  3,  6  hat 
er  peoudum  medicinas  geschrieben ;  in  Betreff  der  medicinischen  Anwendung  der  bris- 
sica  PI.  XX,  89.  Physiologie  des  Menschen :  Cens.  de  die  nat.  VII,  5.  Traumdeutung 
Tert.  de  an.  46.  yvtofjioloytl  L  D  VIII,  3,  78.  —  Von  der  Erfindung  mehrerer  Buch- 
staben Plin.  VII,  192.  Plut.  Qu.  symp.  IX,  3 ,  2.  »Die  Stellen  aus  späteren  Gramma- 
tikern sind  gesammelt  bei  Wolf,  Prol. ,  p.  63 ,  n.  1 ;  hierzu  kommen  noch  Bekker,  An. 
II,  782 ;  Cramer,  A  0  IV,  319  und  400,  und  Suidas  s.  v.  *Enlxti(ff^os^  Lor.  72,  n.  13. 

S.  238.  4>6(ifÄig  oder  <^o(»/uo^  Suid.  s.  v.  4»6^fiog  und  s.  v.  *E:tixnQfios,  Ar.  Poet. 

V,  3  über  £p.  und  Phormis  ist  oben  citirt.  Themist.  or.  27,  p.  406  Dind.  hat  wieder 
4>6q(aos.  Paus.  V,  27,  1  redet  von  dem  Arkadischen  Feldherm  Phormis ;  s.  o.  S.  414. 
Lorenz  85,  n.  8  bemüht  sich ,  die  Identität  Beider  unwahrscheinlich  zu  machen;  Bursian 
in  der  Recension  des  Lorenz' sehen  Buches  im  Liter.  Oentralblatt  hält  mit  Recht  an  dem 
auch  früher  angenommenen  einen  Phcnrmis  oder  Phormos  fest. 

S.  238.  J9iv6koxo9.  Suid.  h.  v.  nennt  ihn  SvQtatovotog  ^  lAtxQceyatnrivog,  xafitxog. 
Ael.  H  A  VI,  51  nennt  ihn  ävtaytovunrig  ^EntxoQfiov.    Die  Fragmente  sind  von  L<Nrenz, 

5.  305—7,  gesammelt.  Tnh^^a  bei  Ath.  III,  Ul*;  Afi)^«fa  Poll.  IV,  173;  'AfidCoyic 
Poll.  X,  177 ;  'M&u^a  Bekk.  A  G  I,  82 ;  KtofKpdoTQaypdia  Bekk.  A  G  I,  112.  Ael.  1.  1. 
citirt  die  Fabel  von  dem  Esel  und  der  Schlange  Siy/äs, 

S.  238.  Ueber  das  Syrakusanische  Theater  Eust.  Od.  III,  68:  xal  ^vgaxov- 
aiov  To  o  MvQilXa.  ov  fiifivijad'ai  kfyu  tov  2tiipQova ,  taroQÜv  xaX  ort.  xov  Zvgaxovatov 
JOVTOV  xvgiov  ^rifioxonog,  rfv  agx^t^xmv.  intl  dk  TfUaiovQyiiettg  ro  d^iajfiw  fivgov  roTg 
ittvTov  nolCtaig  JUveifie,  MvQiÜa  inixlfid^.  Lor.  91 ,  n.  10  citirt  hierzu  in  Betreff  des 
vorhandenen  syrakusanischen  Theaters  Wieseler ,  Denkm.  des  antiken  Btthnenwesens, 
S.  10,  und  Osann  in  der  Archäol.  Zeitung  XU,  S.  222  ff. 

S.  239.  Ueber  die  5  Richter  Hesych.  s.  v.  n^vn  xQirai,  und  Zenob.  3,  64  zu  dem 
Sprichworte  iv  nivT€  xQiTtSp  yovvaoi  xdrai. 

S.  239.   Ueber  Tanz  und  Chor  in  den  Stücken  Epicharm  s  s.  Lor.  90.  91. 

S.  239.  Xenophanes  von  Hieron  zurechtgewiesen  Plut.  Apophth.  Reg.  (Hutt. 
VIII).  X.  92  Jahre  alt  in  einem  Gedichte  bei  L  D  IX,  19.  Die  Verse  über  den  Werth 
der  Weisheit  Ath.  X,  413.  —  X.  zuletzt  ernährt  von  den  Pythagoreem  Parmeniskos 
und  Orestades  xa^*«  (f/jat  *4>aflMQtvog  i¥  dnofivtiuwevfidtwy  ti^wt^,  nach  L  D  IX,  20. 
Ebendas.  die  dem  Empedokles  gegebene  Antwort.  Emp.  selbst  die  Antwort  einem  An- 
deren gebend :  Maximus  Conf.  Serm.  II,  p.  585. 

S.  240.  Ueber  PythagorasausRhegionPlin.XXXrV, 59;  Paus.VI,13, 1 ;  VI,6,6; 

VI,  4,  4.  Brunn;  Gesch.  d.  Gr.  K.  I,  132—141. 

S.  240.    Hieron  und  Themistokles  nach  Plut.  Them.  24.  25  (ausStesimbrotos 


Za  Buch  III,  Kap.  2,  Seite  237—243.  427 

und  Theophrastoe  mgl  ßaatltias) ;  Ael.  V  H IX,  5.  —  Die  Bede  dea  Them.  gegen  Hieron 
anf  den  Vorgang  mit  der  Festgeaandtschaft  des  älteren  Dionys  (Ol.  98  oder  99)  zurück- 
geführt von  A.  Schäfer  in  PhiloL  XYIÜ,  187  ff.,  und  W.  Oncken,  Athen  und  Hellstb 
I,  112  ff.  —  Koutorga,  Recherches,  p.  142.  43,  glaubt  an  die  Absicht  der  Flucht  nach 
Sicilien;  der  Tod  Gelon's  habe  die  Au^hrung  verhindert  (s.  o.  S.  413  die  abweichende 
Chronologie  Eoutorga's). 

S.  241.  Weihgeschenke  von  Hieron  etc.  nach  Griechenland:  Viergespann 
Hieron's  in  Olympia  Paus.  VI,  12,  1.  —  Dreifuss  und  Nike  in  Delphi,  ebenso  wie  von 
Gelon  Phanias  Ur.  12}  und  Theopomp.  (fr.  219;  bei  Atfa.  VI,  231.  ^  Auch  die  Geloer 
und  Selinuntier  hatten  in  Olympia  Schatzhäuser  (Paus.  VI,  19,  7  und  10) ;  in  letzterem 
war  ein  Dionysos,  dessen  Geeicht,  Hände  und  Ftlsse  aus  Elfenbein  waren.  —  Ueber 
AjBtylos  Paus.  VI,  13,  1. 

S.  242.  Ueber  Theron's  Tod  Boeckh  zu  Pind.  Ol.  II.  Diod.  XI,  53,  der  den  Tod 
Ol.  77,  1  setzt,  kann  nicht  genau  sein,  da  nach  Pind.  Ol.  XII,  die  an  den  Himeräer  Ergo- 
teles  gerichtet  ist,  Ol.  77,  ]  Himera  schon  vom  Joche  der  Tyrannis  frei  war.  Ueber 
Thrasydaios'  Ausgang  Diod.  XI,  53.  —  Hense  26,  n.  2  zieht  hierher  Polyaen.  I,  29 ,  1, 
wo  von  Hieron  erzählt  :wird  (es  ist  nicht  gesagt,  von  welchem,  und  die  folgende  (tc- 
schichte  geht  auf  den  jüngeren),  dass  er ,  um  einen  von  den  Feinden  besetzten  Fluss  zu 
überschreiten,  sie  verleitet  habe,  sich  seinen  leichten  Truppen  und  Heitern  entgegen- 
zustellen ,  worauf  er  an  einem  anderen  Punkte  mit  den  Hopliten  hinübergegangen  sei.  — 
A.  Salinas  (Lettre  a  M.  TAbb^  Ugdulena  in  der  Revue  Numism.  1864)  glaubt  in  einer 
Silbermünze,  die  auf  der  einen  Seite  einen  einen  Hasen  zerreissenden  Adler  (Symbol 
von  Akragas)  mit  phänicischer,  nach  ihm  auf  Himera  hindeutender  Inschrift  AJA,  auf 
der  anderen  Delphin  und  Muschel  (Zankleischer  Typus)  zeigt,  ein  Denkmal  der  Herr- 
schaft von  Theron  und  Thrasydaios  Über  die  Zankleische  Kolonie  Himera  zu  erkennen. 
Die  Münze  ist  aber  h(^chst  wahrscheinlich  eine  Motyenische.  S.  u.  S.  432.  Dagegen  sind 
wohl  diejenigen  himeräischen  Münzen,  welche  auf  der  einen  Seite  den  Seekrebs  haben, 
als  aus  dieser  Veranlassung  geprägt  zu  betrachten. 

S.  242.  Pind.  Ol.  XU.  Ueber  die  Zeitverhältnisse  vgl.  die  Schol.  nebst  Boeckh, 
Expl.,  p.  205^9.  Paus.  VI,  4,  11  zählt  die  Siege  des  Ergoteles  auf,  von  denen 
2  pythische  und  1  isthmischer  noch  vor  diese  Ode  fallen  (v.  25);  ein  zweiter  olym- 
pischer, ein  zweiter  isthmischer  und  2  nemeische  später.  Die  2  pythischen  Siege  dürften 
Pyth.  28  (Ol.  76,  3)  und  29  (Ol.  76,  3)  gewesen  sein.  Es  ist  möglich,  dass  Ergoteles 
Ol.  76,  1  nach  Himera  kam,  als  Theron  Kolonisten  hinführte.  Dass  aber  E.  nach  Sicilien 
und  in  Theron's  Gebiet  zog,  erklärt  de  Jongh  521  dadurch,  dass  Theron  (Diod.  IV,  79) 
die  Gebeine  des  Minos,  der  besonders  in  Knossos  geherrscht  hatte,  den  Ejretem  zurück- 
gab. Jedenfalls  setzt  diese  Bückgabe  freundliche  Beziehungen  zwischen  Theron  und 
Kreta  voraus.  In  diesem  Zusammenhange  ist  merkwürdig,  dass  der  Name  TMEPAr02 
auf  2  kretischen  Münzen  erscheint :  Hierapytna  ^Leake  Ins.  Gr.  20)  und  Elyron  (Leake 
Suppl.  161).  —  Ueber  Kr ison  aus  Himera  Plat.  Legg.  VIU,  840;  Protag.  335;  Diod. 
XII,  5;  Plut.  de  adul.  et  amici  discr.  23  (Hutt.  VII J :  ^gntQ  KQiatov  b*IfiiQ€uog  am^ 
Itlff&rj  dia&itop  TtQog  ItiX^avdQotf.  Doch  starb  Alex.  I.  von  Macedonien,  über 
dessen  Schnelligkeit  vgl.  Herod.  V,  22 ,  schon  454  nach  44 jähr.  Begierung.  —  Ueber 
IschyrosMüll.  Dor.  II,  476 ;  ebendas.  Sieg  des  Kamarinäers  Parmenides  in  Ol.  63.—  S.  243, 
Z.  4  ist  Nymphen  zu  lesen. 

S.  243.  Isthm.  II.  Vgl.  Schmidt  269  —  73  und  Boeckh,  Expl.  490.  91.  Siege  des 
Xenokrates  Pyth.  24  ^01.  71,  3) ,  Isthm.  vor  Ol.  76 ;  beide  nach  Pind.  Ol.  H,  54,  und  ein 
Sieg  in  den  Panathenäen,  angedeutet  Isthm.  II,  19  und  Fragm.  Scol.  III. 

S.  243.  Dass  Hieron  Bürger  aus  Akragas  und  Himera  in  die  Verbannung  schickte, 
sagt  Diod.  XI,  76. 

S.  243.  Ueber  die  letzte  Einmischung  Hieron's  in  die  Rheginischen  Angelegenheiten 


428  Anhang  IL  Belege  und  Erläuterungen. 

und  das  Ende  der  Regierung  des  Mikythos  Diod.  XI,  66.  lieber  den  Ejieg  der  lapygier 
mit  Tarent  und  Rhegion  Diod.  XI,  52.  Man  vgl.  die  Bemerkung  Grote's  III,  186,  n.  77. 
— üeber  Mik.  vgl.  nochHerod.  VII,  170;  Paus.  V,  26, 3  (Z^*x.);  Just.  IV,  2;  Macr.  I,  11. 
Dass  nach  D  H  XIX,  4  Leophron  noch  gelebt  haben  soll,  scheint  nicht  glaublich. 
Vgl.  jedoch  Schneidewin  zu  Simonides,  S.  25.  26.  —  Ueber  Pyxus  vgl.  Rathgeber, 
Orossgriech.  188.  89.  Die  Münzen  von  F.  zeigen  1)  dass  P.  schon  vor  Mikythos  bestand, 
2)  dass  es  mit  dem  jenseits  der  Berge  liegenden  Siris  eng  verbunden  war ,  Leake  N  H 
Italy  138. 

8.  244.  Hieron'sTod  Diod.  XI,  66.  -  Ueber  die  Gemahlinnen  Hieron's  Schol. 
Find.  Pyth.  I,  112  nebst  Schol.  Ol.  II,  29.  Hier  ist  die  Frau  Hieron's  e^gtoyos  adiXtpij, 
sonst  avixpitt.  Nach  Isthm.  II  inscr.  war  sie  die  Schwester  Thrasybuls.  Bei  Plut. 
Apophth.  Reg.  ( Hutt.  VIII }  finden  sich  noch  einige  Greschichten  von  Hieron  .*  Lob  der 
na^^riffittCofjiiytov  nQog  aurov ;  dass  einen  diro^^titov  loyov  sagen,  Unrecht  sei,  anch 
gegen  die  Hörer ,  denn  man  hasse  auch  sie  deswegen ;  endlich  von  seiner  dvgtodCa  xov 
oxofjittToq  und  dass  seine  Frau  glaubte,  toiovtov  anavjaq  xoig  av^Qag  oCtiv. 

S.  244.  Sogen.  Athenetempei  in  Syrakus.  Serra  dl  Falco  III,  tav.  VI  und  VIL 
Nach  ihm : 

Lunghezza  compr.  i  gradini p.  225.     8.  — 

Larghezza       »       »       »  »94. 

Lunghezza  della  fronte  del  grad.  super.  .     .     »218.    2.  — 
Larghezza      »        »        »       »         »       .    .     »     86.    6.  — 

Altezza  d.  colonne  col  capit »     33.     3.  — 

Diam.  d.  col »       7.     9.  — 

Sommo  scapo »       5.    9.   6. 

Intercol »       8.     5.   3. 

Fronte  dell'  abaco »       9.    5.   6. 

Sporto »       1.  10.  — 

Altezza  d.  architrave »       6.    3.   4. 

Altezza  del  fregio ...»       5.     5.  — 

Larghezza  della  cella  compr.  le  mura  ...  »  47.  4.  — 
Diametro  delle  colonne  del  pronao  .....  6.  9.  — 
Ueber  den  Namen  des  T.  vgl.  Sohubring,  Bewäss.  von  Syrakus,  S.  637.  Vgl.  femer 
Polemon  bei  Ath.  XI,  462  (fr.  75  M.).  Cic.  Verr.  IV,  56.  Nach  Cavallari  im  BuUett. 
della  commiss.  in  Sicilia  No.  2 ,  S.  5  steht  der  sogen.  Minerventempel  auf  einem  Über  das 
Meer  17,558  Met.  erhabenen  Boden,  während  der  sogen.  Dianentempel  nur  3,210  Met. 
hoch  steht. 

S.  245.  T.  des  Zeus  Olympios  oder  Urios.  Vgl.  Serra  di  F.  III,  tav.  XXVUI 
und  XXIX.  Zu  bemerken  ist,  dass  der  Plan  bei  S.  nicht  zu  seiner  Angabe  stimmt,  der 
Säulendurchmesser  betrage  p.  6,10 ;  nach  dem  Plan  wäre  es  vielmehr  7,10.  —  Faz.  120: 
cujus  jacentes  plures  et  erectae  quaedam  cemuntur  columnae.  Mirab.,  n.  101,  hat  sex ; 
Bonanni  145 :  sette.  Nach  Mirab.  101  sind  sie  longae  25  palmos.  Nach  dems.  wäre  anzu- 
nehmen, der  T.  sei  duodecim  per  ordinem  columnis  aedificatum  gewesen. 

S.  246.  Ueber  die  Wasserleitungen  von  Syrakus :  Schubring,  Die  Bewässerung 
von  Syrakus.  Philologus  XXII,  4,  S.  577—638,  mit  Karte.  Schubr.  macht  S.  625  mit 
Benutzung  der  (allerdings  vielen  Unsinn  enthaltenden)  Worte  des  Serv.  zu  Aen.  III,  500 : 
guodam  tempore  Syracusani ,  victores  Atheniensium ,  ceperunt  ingentem  hostium  multi- 
tudinem  —  —  tunc  etiam  fossa  extrinsecus  facta  est  quae  flumine  admisso  repleta  — 
hanc  fossam  hybrim  vocarunt  etc. ,  und  Serv.  Aen.  VUI ,  330 :  Tiberim  Tybrin  poetam 
dixisse  ad  similitudinem  fossae  Syracusanae  —  quam  fecerunt  per  injuriam  Afri  et 
Athenienses  —  wahrscheinlich,  dass  Gelon  durch  die  karthagischen  Gefangenen  den 
Thymbrisaquädukt  graben  Hess. 


Zu  Buch  III,  Kap.  2  u.  3,  S.  243—249.  429 

S.  246.  Tempel  F  in  Selinus.  Serra  di  F.'s  Masse  sind  : 

Larghezza  compr.  i  gradini p.  109.    8.  — 

Lunghezza  senza  la  scalea  compr.  i  gradini »  255.    3.    2 

Larghezza  dalF  estemo  delle  col »  94.  —   — 

Lunghezza    »         »         »       »      »  239.  —  — 

Larghezza  della  cella »  32.    4.  — 

Lunghezza    »       » »  160.  —    — 

Altezza  dei  gradini »  4.  —    — 

Intercol »  10.    2.  — 

Diametro  delle  col »  7.    4.  — 

Sommo  scapo  di  esse »  4.  10.    5 

Loro  altezza  compr.  11  capitello »  35.    9.  — 

Altezza  del  capit.  coFcollarino »  3.    5.  — 

Lato  deir  abaco »  9.    2.    7 

Sporto  del  capitello »  2.    2.     1 

Altezza  della  trabeazione »  18.    3.  — 

Architrave »  6.  —    — 

Fregio »  5.    9.  — 

Cornice  (hierin  eine  sima  von  p.  3,  ohne  sie  p.  3,  6;       .   .  »  6.    6.  — 

Sporto  della  cornice »  3.    2.  — 

Larghezza  de'  triglifi »  3.  10.    9 

Larghezza  delle  metope    •   .   . »  4.    8.  — 

Die  äusseren  Säulen  haben  20  Kanäle;  die  des  Pronaos  und  Posticum  18.  Nach  Beul^  98 
sind  hier  alle  Stufen  ringsum  so  niedrig,  dass  man  bequem  hinaufsteigt.  Ders.  101  über 
ionische  Canelüren  an  den  dorischen  Säulen  des  Porticus  vor  der  cella.  —  Der  Gefallene 
für  Enkelados  erklärt  von  GOttling,  Ges.  Abh.  U,  S.  101. 

S.  248.  lieber  die  Phäakischen  Wasserleitungen  vgl.  Bart.  lU,  411.  12. 

Diod.  XI,  25  sagt :  ovroi  (die  Gefangenen)  jLih  rovs  U&ovg  htfivov,  i^  äv xal  nQog 

rag  tujv  vdäriov  rtov  ix  rifg  nölitog  ixQong  vnavofxoi  xaTe(rx€v«a^oav  rrilixovtoi  ro 
fifyf&og  Sar€  a^io^iettw  tlvai  t6  xara^xtvaa/Lia,  xatniQ  6ta  r^v  kiniXiutv  xatatfQovov^ 
fievoy,  intaratrig  <f^  yeyofiCvog  rovttoy  rüv  t^gytov  6  ^Qogayo^evo/uieyog  *Pa(aS  ^la  rrjv  So^uv 
rov  xaraaxivdafiajos  Inoiriafv  arp*  invrov  xirf^fvai  lovg  vnovo/iovg  (fataxag.  Das  System 
dieser  Abzugskanäle  ist  noch  nicht  genau  nachgewiesen.  Dann  spricht  Diodor  von  der 
xoXvjußrfO-Qtt  und  sagt  ilg  ^i  tavtriv  inayo/Li^vwv  norafiitov  xai  XQipfaitov  vddxtov  —  dies 
wären  die  von  Schubring  nachgewiesenen  Wasserleitungen,  über  die  jetzt  die  besten  Auf- 
schlüsse giebt  Schubring's  Akragas. 

Drittes  Kapitel. 

S.  249.  Die  Regierung  des  Thrasybulos  nach  Diod.  XI,  67.  68.  Ar.  Pol.  V,  8^ 
]  9.  —  Curtius  G  G  II,  455  erwähnt  bei  dieser  Grelegenheit  die  Syrakusanischen  Münzen 
mit  dem  Kopf  des  Zeus  Eleutherios  auf  der  einen  und  einem  Rosse  auf  der  anderen  Seite; 
dies  darf  nicht  so  verstanden  werden,  als  ob  diese  Münzen  aus  dieser  Zeit  stammten ;  sie 
gehören  vielmehr  der  Zeit  Timoleon's  an.  Grote  III,  181  ist  der  Meinung,  dass  Diodor 
sich  irrt,  wenn  er  auch  Achradina  als  im  Besitze  des  Thrasybulos  "befindlich  nennt,  und 
die  Vorstädte ,  besonders  Tyche  (Diod.  XI,  68  hdschriftl.  Vtuxt;  ;  Dind.  neueste  Ausg. 
Tvxri\  gewöhnl.  Tvxn,  vgl.  Cic.  Verr.  IV,  53,  wo  Ahrens,  Dial.  dor.  p.  64  einen  Irrthum 
Cicero's  vermuthet  und  mit  Beziehung  auf  Thuk.  VI,  98  annimmt ,  dass  der  Name  Tvxii 
dorisch  für  Zvxri  gewesen  sei]  zum  Sitze  der  Empörer  macht.  Er  glaubt ,  Thrasybulos 
habe  nur  Ortygia  gehabt,  das  aufständische  Volk  dagegen  Achradina.  Ich  bemerke  hier- 
gegen ,  dass  der  Aufstand  in  diesem  Falle  schon  zu  Anfang  eine  Kraft  gehabt  haben 


430  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterangen. 

müsste,  die  nicht  wahrscheinlich  ist.  Thrasybnlos  wird  sicherKch  auch  in  Achradina 
von  Soldaten  besetzte  feste  Punkte  gehabt  haben ;  sollten  diese  gleich  zu  Anfang  ver- 
loren gegangen  sein?  In  diesem  Falle  scheint  mir  Diodor,  dessen  Autorität  an  sich  nicht 
gross  ist,  doch  nur  Wahrscheinliches  zu  berichten. 

S.  251.  Ar.  Pol.  y,  2,  11  spricht  über  die  Unruhen,  welche  dadurch  in  Syrakus  ent- 
standen ,  dass  man  anfangs  nach  der  Vertreibung  der  Tyrannen  die  SOldner  noch  als 
Vollbürger  Hess.  Diese  Bemerkung  des  Ar.,  von  der  Grote  III,  183,  n.  68  das  Gegentheil 
für  richtig  erklärt ,  kann  allerdings  nur  so  gerechtfertigt  werden ,  dass  man  annimmt, 
Ar.  wolle  damit  tadeln,  dass  man  diese  Leute  nicht  gleich  im  ersten  Augenblicke 
vertrieb. 

S.  251.  Folgen  der  Befreiung  der  Städte  Diod.  XI,  72.  Wenn  daselbst  zu 
Anfang  richtig  ist,  naadSv  ttjv  noXeotv  rjXev^iQtufiivofv ,  so  kann  76 :  'Ptjyivot  fierd  Zay- 
xl«(a}v  Toifg  *j4va^(Xov  italdag  ixßalovreg  f})^v&^Q<oaav  rag  jrttjgi&ag  nur  eine  Recapitu- 
lation  sein.  —  Sodann  vergisst  Diodor  c.  76  die  Uebergabe  der  Stadt  durch  die  Söld- 
ner zu  erwähnen,  wenn  nicht  nach  ftväv  ixdartp  Etwas  ausgefallen  ist.  Diod. XI,  72.  73. 
76  erzählt  die  Unruhen  in  Syrakus  und  die  Empörung  der  Söldner. 

S.  253.  Pind.  Ol.  IV  und  V.  Die  Zeitbestimmung  nach  den  Schol.  Vgl.  Boeckh, 
Expl.  p.  141  und  Schol.  p.  121.  Vgl.  Schmidt  382—98,  der  V  für  nicht  pindarisch  hält. 

S.  253.  Parallelismus  der  Münzen  von  Gela  und  Ramarina.  l.Flussgott, 
K.  Gespann.  Mionn.  Suppl.  I,  No.  122  (Kam.),  No.  214  (Gela).  2.  Flussgott  R.  Frau  auf 
Schwan  oder  Protome.  Mi  S 1 30  (Kam.) ,  210  (Gela  .  3.  Frauenkopf,  R  Schwan  oder  Protome. 
Mi  S  131  und  196.  4.  Herakleskopf  Mi  S  121  und  213.  —  Die  Pallas  auf  der  Münze  von 
Kamarina  bei  Mi  I,  No.  112  erinnert  an  Pindar  (Ol.  V).  —Parallelismus  zwischen 
Leontini  und  Katana  Mi  I,  147  und  317;  Mi  S.  156  u.  Mil,  318. 

Tiertes  Kapitel. 

S.  255.  H.  Muess,  de  Syracnsanorum  renun  statu  qualis  fuit  Thrasybulo  mortao 
osque  ad  Ducetii  interitum.  Jen.  1867.  8.  --  Ueber  Korax'  polidscbe  Rolle  unterrichtet 
uns  die  ütaytuyii  axiJUtov  iU  ror  irQokBYofiiv«  r^c  '"EQfioyivovg  'PriroQixpg  c.  5.  6  in  Walz, 
Rhett.  Gr.  IV.  (Reiske  OG  VIII,  195  ff.)  Hier  beginnt  die  Geschichte  der  Rhetorik  mit 
einer  Erzählung  der  sicilischen  Begebenheiten  von  Hippokrates  bis  Hieron.  Dem  Hipp. 
naQadvyaarfvovat  dvo  riv^g  FiXfav  xai  ^Evaiatfiog  d.  h.  Alvriat^tiuog.  Nach  dem  Tode  des 
Hippokrates  fm^VfitiOav  ovxoi  rijg  rvQavvlSog,  xul  6  fikv  *Evaiatuog  HQXCrai  dg  ritv  *P66w 
xttx€i  jvQavvii  rtüy  l8Cmv  noXirüv  ^  t/v  ya(f'P6äiog;  Gelon  aber  herrschte  in  Gela,  später 
in  Syrakus.  Ihm  folgt  Hieron,  sein  Bruder,  oder  nach  Andern  sein  Sohn.  naQf^uvdarevae 
0*  Tovrtp  KoQa^  Ttg,  ovrog  6  KoQn^,  oTtiQ  ar  fßovXsro  Traget  Ttß  ßaatl^t,  fjLiynkoig  rjxovsro. 
Da  nun  die  Tyrannei  Hieron's  so  schlimm  gewesen  war,  dass  die  Syrakusaner  sich  nur 
durch  Zeichen  hatten  verständigen  dürfen,  so  wurde  nach  seinem  Tode  Demokratie  ein- 
geführt, xftl  ijd-eXfv  ovTog  6  Koqu^  nei&itv  xal  rov  o^lov  xal  axovfod-ai  xad-dniQ  xal  inl 
joS  ^UQiovog  fjxovfTo.  Deshalb  bildet  er  die  Redekunst  aus.  —  Cic.  Brut.  12 :  Itaque,  alt 
Aristoteles,  cum  sublatis  in  Sicilia  tyrannis,  res  privatae  longo  intervallo  judioiis  repete- 
rentur,  tum  primum  —  artem  et  praeceptaCoracem  etTisiam  conscripsisse.  Was  Westerm. 
Gresch.  d.  Bereds.  in  Gr.  und  Rom  I,  S.  26  von  Korax  berichtet,  dass  er  durch  Kabale 
gestürzt  sei,  beruht  auf  Missverständniss  der  Worte  ov  q>&6r(p  xQarovfievog  in  den  ge- 
nannten Schol.  Prol.  Herm.  c.  6,  die  nur  besagen,  dass  K.  sich  herbeiliess ,  Andere  seine 
Kunst  zu  lehren.  Es  ist  also  nicht  mit  W.  ov  zu  streichen.  Lor.  Epich.  S.  95,  n.  12  legt 
übrigens  wenig  Gewicht  auf  die  Nachrichten  jener  Schol.  —  Ueber  Tw^agldtig  oder 
TvvöttQdov  Diod.  XI ,  86.  87  wo  beide  Formen  stehen.  —  Ueber  den  ntraXtafiog  Diod. 
XI,  86. 

S.  256.  Ueber  die  Kriege  der  Syrakusaner  mit  den  Tyrrhenem  Diod.  XI,  88.  XifArv 


Zu  Bach  III,  Kap.  3  u.  4,  S.  251 -.258.  43 1 

^u^axdaiag  Diod.  V,  13.  In  Betreff  der  Chronologie  ist  zu  bemerken ,  däss  die  Zeit  der 
Abschaffung  des  Petalismos  sich  aus  Diödor  nicht  genau  nachweisen  ISsst ;  das  Jahr,  in 
welchem  er  davon  spricht,  Ol,  81,  3  scheint  das  der  Einführung  zu  sein.  Volquardsen, 
Unters,  über  die  Quellen  Diodor's  S.  72  sagt  unter  Ol.  81,  3 :  Einführung  und  Abschaffung 
des  Petalismos.  Nichts  berechtigt  uns  das  ra^v  Diodor's  (XI,  87}. entgegen  der  natür- 
lichen Voranssetzung,  dass  solche  politische  Experimente  nicht  in  einem  Jahre  gerichtet 
w^den,  auf  eine  so  kurze  Frist  zu  deuten.  —  Ueberdies  setzt  Volq.  auch  noch,  Diodor 
folgend,  Aufstand  und  Sturz  des  Tynd.  in  dasselbe  Jahr.  Nach  demselben  heisst  oh  bei 
Diod.  nleavdxig  tovtov  yevofiivov,  also  auch  in  dems.  Jahr!  Das  ist  natürlich  unmöglich. 
Auch  die  Expeditionen  des  Phayllos  und  des  Apelles  Etilen  schwerlich  in  dasselbe  Jahr, 
wie  es  nach  Diodor's  Erzählung  scheint.  Mit  neuen  Rüstungen  wird  einige  Zeit  ver- 
gangen sein.  Diodor  hat  offenbar  auch  hier  wieder  an  den  Schluss  das  Vorhergehende 
angeknüpft ;  und  wenn  der  Zug  des  Apelles,  was  anzunehmen  ist,  in  das  von  Diodor  an- 
gegebene Jahr  453  flUlt,  so  wird  der  des  Phayllos  vielleicht  ein  Jahr  vorher,  vielleicht 
noch  früher,  gewesen  sein. 

S.  256.  Von  den  Akragantinern:  Ko^tadfiivot,  xi^v  Stifionquxiuv  Diod.  XI,  53; 
dase  diese  Demokratie  unvollkommen  war,  zeigt  die  Geschichte  des  Empedokles.  — 
Von  Emp.  sagt  LD  VIII,  66  ro  nSv  ;^iA/wv  ad-QOifSfjta  xarikva^  owiarmg  inl  i'rrf  tq^«, 
was  kaum  etwas  Anderes  bedeuten  kann,  als  einen  Bath ,  dessen  Mitglieder  auf  3  Jahre 
gewählt  waren.  Rath  der  Tausend  auch  in  Kolophon  (Theopomp  fr.  129],  Eroton  (Yal. 
Max.  Vm,  15),  Lokri  (Pol.  XII,  16),  Rhegion  (Herakl.  Pont.  fr.  25).  —  Neanthes  aus 
Kyzikos  sag^  bei  LD  VIII,  72 :  Mirapvog  TflturijaavTog  rvqavpiSog  «QX^^  vnoifvar&m.^' 
Die  Crescfaiehte  von  der  Entdeckung  der  Verschwörung  durch  Empedokles  bei  LD  VIII, 
64.  Wenn  übrigens  Emp.  Bicht  andere  Anzeichen  einer  Verschwörung  bemerkte ,  als  die 
in  der  Greschichte  bei  LD  durch  Timaios  Überlieferten,  so  ist  sein  Scharfsinn  wirklich 
der  eines  Zauberers  gewesen.  Denn  der  Gastgeber  wartet  die  Ankunft  des  inrrjQirijs  rijg 
ßovXijs  ab,  um  das  Mahl  zu  beginnen,  dieser  wird  avfjmoela^x^g  und  befiehlt  ^  nhnv  { 
xarax^iaD-tti  tr^g  xetfai^g,  worauf  Timaios /ortfahrt  rote  fiiv  ovv  i*Efin.  ^atj^affs ,  am 
folgenden  Tage  aber  führte  er  t6v  re  xAif ro^rr  xal  thr  avfjmoaim^x^  vor  Gericht  und  be- 
wirkte ihre  Verurtheilung.  —  Anerbieten  der  Eönigswürde  Arist.  bei  LD  VIII,  63. 

S.  257.  Krieg  zwischen  Segesta  und  Lilybaion  Diod.  XI,  86.  Das  Richtige  hat  hier 
wohl  Scfaubring  gesehen,  der  (Selinus  S.  24)  stAtt  ^Eyeetaioig  lesen  will  ^^eXAvovyrioig, 
Ailvßa(ois  ist  dann  unpassend  gesetzter  Name  für  Motye.  Sonst  wollte  man  statt  Ail. 
vielmehr  StktvowtCoiq  lesen ;  aber  das  Mazaragebiet  war  eher  zwischen  Selinus  und 
Motye  als  zwischen  Selinus  und  Segesta  streitig. 

S.  257.  Krieg  zwischen  Akragas  und  Motye  nach  Paus.  V,  25, 2.  Vgl.  Brunn,  Gesch. 
d.  gr.  K.  I,  125,  der  die  Vermuthung  Meyer's  anführt,  dass  der  Sieg  der  Akragantiner 
gleichzeitig  mit  der  Schlacht  bei  Himera  gewesen  sei.  —  lieber  die  Münzen  W.  S.  W. 
Vaux,  On  a  coin  bearing  a  Phoenician  legend  and  referring  to  an  alliance  between  Motya 
and  Agrigentum,  in  Numism.  Chronicle  XXII.  1866,  S.  128—33.  London.  8.  Es  ist  ein 
von  der  National  Collection  mit  £  80  bezahltes  Tetradrachmon  acht  akragantinischen 
Crepräges  mit  stehendem  Adler ,  Umschrift  Motye  in  phönicischen  Lettern  einerseits  und 
dem  Seekrebs  andererseits. 

S.  258.  lieber  Duketios  Diod.  XI,  76.  88  ff.  Vgl.  C.  Tamburino  Merlini,  Memor. 
sopra  Ducezio.  Pal.  1840.  8.  Ders.  Le  antiche  Mene.  Pal.  1841.  8.  (spricht  auch  über 
Eryke  und  Trinakia,  das  er  ebenfalls  nahe  bei  Mineo ,  etwa  in  Camuti  sucht),  femer  E. 
Sinatra,  La  Trinaeia  in  Echetla.  Pal.  1841.  8.  Merlini,  Osservaz.  su  la  Trin.  in  Ech. 
Pal.  1841.  8.  und  Ders.  Risposta  per  le  stampe  ad  un  libricoino  che  ha  per  titolo  Ducezio 
difeso  etc.  Pal.  1843.  8.  —  Von  den  ßtafioi  auf  dem  Markte  von  Syrakus  spricht  Schubring, 
Achradina,  Rhein.  Mus.  1865.  S.  36. 37 ;  femer  Diod.  XII,  8  u.  29.  Heber  Kalakte-Caronia 
s.  D.  2G9.  —  Die  Chronologie  der  Geschichte  des  Duketios  ist  wiederum  durch  die 


432  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

Schuld  des  Diodor  nicht  ganz  sicher.  XI,  91  erzählt  er  unter  Ol.  82,  2—451  y.  Chr.  den 
Angriff  des  Duketios  auf  Motyon  und  die  Fortsetzung  des  Krieges  tov  d-^(fovs  agxofiivov. 
£s  schiene  darnach  die  Katastrophe  in  Ol.  82,  3—450  y.  Chr.  zu  fallen.  Aber  da  Diodor 
sonst  den  Schluss  einer  Reihenfolge  yon  Begebenheiten  datirt,  so  dürfen  Mir  auch  hier, 
trotz  der  Worte  inl  cf^  ruvTuy  (XI,  91}  den  Sturz  des  D.  in  das  Jahr  451  setzen,  wo  dann 
der  Angriff  auf  Motyon  452  fiele.  Aehnlich  steht  es  mit  der  Gründung  yon  Kaiakte  und 
der  Schlacht  am  Himera.  Nur  die  letztere  ist  datirt :  Ol.  83,  3—446  y.  Chr.  [Diod.  XII, 
8 . ;  wann  die  Rückkehr  des  Duketios  und  die  Gründung  yon  K.  Statt  fand ,  ist  nicht  zu 
entscheiden. 

S.  261.  Von  den  Rüstungen  der  Syrakusaner  Diod.  XII,  30.—  Br.  de  Pr.  99  und  164 
schliesst  ausSchol.  Find.  Ol,  V,  16  eine  Verwüstung  Kamarina's  in  der  85.  Ol.  Die  Worte 
lauten :  tha  h  t?j  m'  'OA.,  t^7  fura^v  X9^^V  ^^^  ^^  ivCxriatv  6  H^avfits,  avoKUC^Toi, 
Offenbar  gehört  die  Zeitbestimmung  zu  avaxT^CiTtti ,  was,  wie  Boeckh  bemerkt,  einen 
unpassenden  Sinn  giebt.  £s  ist  am  ein&chsten ,  statt  nt'  das  richtige  o^'  zu  setzen, 
während,  wenn  man  mit  Br.  de  Pr.  tha  auf  das  yorhergehende  no^i^tlxat,  bezieht,  neue 
Veränderungen  nöthig  werden. 

S.  262.  Die  angeführten  Münzen  findet  man:  Henna  Leake  S.  55.  Abakainon  Mi 
I,  S.  208,  No.  2—4.  Morgantion  Mi  I,  260,  No.  429.  Galaria  Leake  NH  Sic.  p.  56  (of 
archaic  style;  Mz.  des  Brit.  Mus.).  Aetna  Mi  I,  209,  No.  9  und  Leake  Sic.  p.  51.  Sergen- 
tium  Coli,  de  Luynes  Insch.  MEA ,  ygl.  Rasche  III,  2,  p.  8  und  Sestini  lett.  VII,  p.  7.  — 
Das  Beharren  des  alterthümlichen  Charakters  des  Frauenkopfes  der  segestanischen 
Münzen  zeigt  sich  beim  Vergleich  mit  dem  Hunde ,  der  später  schon  ganz  natürlich  ge- 
bildet wird.  Ueber  segestanische  Münzen  auch  G.  Fraccia,  Preyentiya  sposizione  di  taluni 
monumenti  Segestani  inediti.  Pal.  1861.  4.  Mit  2  Tafeln  Münzen.  ^  £ntella  Mi  I,  234, 
No.  214.  £iyx  Mi  I,  235,  No.  220—23.  —  Ueber  Motye,  die  angef.  Schrift  yon  Vaux. 
Hier  (ygl.  auch  Leake  Sic.  p.  65)  macht  man  die  wichtige  Bemerkung,  dass  eine  der  von 
Salinas  in  8.  oben  angef.  Lettre  4  M.  Ugdulena  Himera  wegen  der  Typen  und  der  In- 
schrift AJA  zugewiesenen  Münze  ganz  ähnliche  (Adler  auf  ionischem  Kapital  statt  des 
Adlers,  der  einen  Hasen  zerreisst)  nur  mit  MOTYAION  statt  des  phönicischen  AJA  ver- 
sehene Münze ,  durch  ihren  Fundort  (im  Munde  eines  Skeletts  in  Ithaka)  sich  als  völlig 
acht  und  somit  den  Typus :  Adler,  R.  Delphin  als  motyenisch  erweist.  Dies  ist  bei  den 
späteren  Erörterungen  über  die  Bedeutung  der  Inschrift  AJAnicht  zu  übersehen,  die  nach 
meiner  Ansicht  »Insel«  bezeichnend,  entweder  auf  Motye  oder  auf  die  Insel  Sicilien  über- 
haupt geht.  —  Panormos  Mi  Suppl.  No.  433.  435. 

Fünftes  Kapitel. 

S.  263.  ^EfinedoxX^s.  Die  Ueberreste  s.  Werke  wurden  zuerst  zusammengestellt 
von  H.  Stephanus  in  s.  Poesis  philosophica.  Par.  1573.  Später  von  F.  G.  Sturz,  Empe- 
docles  Agrigentinus.  II  voll.  Lps.  1&05.  4.  Nachträge  von  A.  Peyron,  £mpedocl.  etParme- 
nidis  fragmm.  Lps.  1810.  8.  Sodann  mit  ausführlicher  Entwickelung  der  Lehre  von  S. 
Karsten,  £mp.  Agrig.  carm.  reliqq.  etc.  Amst.  1838.  8.  Femer  H.  Stein,  £mp.  fragmm. 
dispos.  etc.  Bonn.  1852.  8.  £ndlich  in  MuUach^s  fragmm.  philos.  Gr.  I.  Paris,  Didot 
1860.  8.  (wonach  ich  citire).  —  Von  den  Schriften  über  ihn  nenne  ich  Lommatzsch,  Die 
Weisheit  des  £mp.  Berl.  1S30.  8.;  die  treffliche,  von  mir  viel  benutzte  Arbeit  von  Stein- 
hart in  der  £nc.  von  £rsch  und  Gruber  I,  34,  S.  83  —  105;  A.  Ghidisch,  £mp.  und  die 
Aegypter.  Lpz.  1858.  8. ;  H.  Winnefeld,  Die  Philos.  des  £mp.  Donauesch.  1862.  8. ;  end- 
lich als  Arbeit  eines  Sicilianers  D.  Scina ,  Memorie  sulla  vita  e  filosofia  d'£mp.  U  voll. 
Pal.  1813.  8.  Vgl.  endlich  die  Werke  über  Geschichte  der  Philos.  von  Ritter,  Zeller 
u.  s.  w.  —  Hauptquelle  über  das  Leben  des  £mp.  ist  der  viele  Schriftsteller  citirende 
Aufsatz  des  Laert.  Diog.  VIII,  51—77.    Zeit  des  £mp.  Nach  Ar.  Met.  I,  3  war  Anaxa- 


Zu  Buch  m,  Kap.  4  u.  5,  S.  261—263.  433 

gorfis  8.  älterer  Zeitgenosse;  er  selbst  blühte  nach  LD  74  um  die  84.  Ol.  Wenn  er  wirk- 
lich nach  LD  52  in  den  Reihen  des  syrakusan.  Heeres  gegen  die  Athener  gekämpft  hat, 
80  muss  er  dies  in  höherem  Alter  gethan  haben.  —  Seines  Vaters  Namen  Archinomos 
und  Exainetos  (LD  53)  beruhen  auf  Missverständnissen.  Von  seinem  Grossvater  LD  51; 
Ath.  I,  3.  —  £mp.  in  Verbindung  mit  anderen  Philosophen  LD  55.  56 ;  seine  Verbindung 
mit  Telauges  nach  Hippobotos  bei  LD  43 ;  doch  hat  dies  chronologische  Bedenken ;  s. 
Karsten  52.  Ueber  seine  Ausstossung  aus  dem  Pythagoreischen  Bunde  wegen  XoyoxXont{a 
TimaioB  und  Neanthes  bei  LD  54  n.  55.  Seine  grossen  Reisen  erwähnt  von  Plin.  XXX,  9. 
Mildthätigkeit  des  £mp.  LD  70.  Sein  Selbstlob  v.  400  (Mull.),  wo  er  sich  ^m 
afißQoxog,  ovx^ti  &vrix6g  nennt.  Sein  Aufzug  ebendas.  Von  seinen  ehernen  Sohlen  Fa- 
vorinns  bei  LD  73  ;  Suid.  [cifAvulng  xo^hi«g)\  Ael.  VH  XII,  32  n.  sonst.  Ueber  die  änvovs 
LD  61.  67.  69.  Verhinderung  eines  Mordes  durch  Musik  JambL  vit.  Pyth.  113  (Einwir- 
wirkung der  Musik  auf  das  Gemttthsleben  Pythagoreische  Lehre) .  Ueber  seine  Wind- 
beschwörung Tim.  (fr.  94)  bei  LD  60  und  dazu  MUUer ;  sowie  Plut.  de  curios.  1  (Hutt.  X) 
und  ady.  Colot.  32  (Hutt.  XIV).  £mp.  als  Wohlthäter  von  Selinus  nach  Diodor  von 
Ephesos  bei  LD  70.  G^ttl.  Ges.  Abh.  II,  S.  92  meint,  dass  Emp.  den  Hypsas  in  den  Se- 
linus geleitet  habe ,  wobei  er  den  Text  des  LD  nicht  ganz  richtig  erklärt.  Schubring 
meint  dagegen  (Selinus,  S.  16—18),  dass  die  sumpfige  Gegend  zwischen  den  beiden 
Stadtplateau's  durch  Hineinleitung  von  Quellwasser  gereinigt  sei,  bei  welcher  Gelegenheit 
man  dann  auch  den  Hafen  gemacht  habe.  Reing.  S7  hatte  sich  vorgestellt ,  dass  Selinus 
und  Hypsas  in  diese  Niedemng  geleitet  worden  seien.  Ueber  die  Münzen  vgl.  bes.  0. 
Müller,  Mddailles  de  S^linunte  in  den  Annal.  1835,  S.  265-69,  und  R.  Rochette  in  s. 
Observations  sur  le  type  des  monnaies  de  Caulonia  etc.  in  den  M^moires  de  l'Acad.  des 
Inscript.  et  Belles-Lettres.  T.  XIV.  Par.  1840.  4.  p.  223-28,  nebst  PI.  III,  No.  20.  — 
Den  Irrthum,  dass  Emp.  selbst  auf  diesen  Münzen  dargestellt  sei,  hat  besonders  Eckhel 
DN  I,  1,  239  beseitigt.  —  E.in  Thurii  LD  52.  E.  besucht  die  Olympischen  Spiele  LD  66. 
Tim.  (fr.  98)  bei  LD  72  sagt:  lo  avvoXov  ovx  in((vr;X^fv.  Ueber  sein  Alter  Ar.  bei  LD 
52.  Ueber  s.  Tod  Hippobotos  bei  LD  69  und  Diodor  von  Eph.  1.  1.  (Sturz  in  den  Krater. 
Tod  durch  Erhängen  Demetr.  von  Troezen  bei  LD  74 ;  durch  Beinbruch  Favorinus  bei 
LD  73 ;  durch  Ertrinken  LD  74.  Grab  in  Megara  nach  Favor.  bei  LD  73—75,  wogegen 
Tim.  (fr.  98)  bei  LD  72  sagt :  rov  jdffov  avjov  /uij  ifttfrta&ai,-^  Bildsäule  LD  72.—  Sein 
Hauptwerk  bezeichnet  als  tkqI  (fvatwg  LD  77.  Den  Titel  Physiologische  Hymnen  citirt 
Steinhart  aus  Menand.  V,  39.  Eintheilung  in  3  Bücher  nach  Suidas.  Ueber  die  Verszahl  LD 
77.  Titel:  xn^ac^oi  und  ;ioyo^fflcT^/xo;  ebendas.  Andere  Gedichte  LD  57.  Das  Epigramm 

auf  Akren  (LD  65)  lautet:  ^j4xqov  trjTQOv  l4x(fwy  *u4xQuyavrhov  nuxqhs  aXQOv  KQvnitt 
XQTjfivog  uXQOs  Ttaxotöog  axQoxdxrig,  der  Pentam.  nach  Andern  :  äxgoXKXrig  xogvif  rjg  X{^i}fji~ 
vog  tfxQog  xui^x^t.  Die  angeblichen  Tragödien  LD  58  und  Suidas  s.  v.  *Efjin.  Ueber  s. 
Stil  Ar.  bei  LD  57,  wo  er  /utxtttfOQixog  und  'O/urjQtxog  heisst ;  poet.  1,  wo  nur  das  Metrum 
als  gleich  bei  Homer  und  Emp.  bezeichnet  wird.  Die  kühnen  Wendungen  bemerkt  von 
Plut.  Symp.  V,  8 ;  Dion.  Hai.  urtheilt  über  ihn  de  comp.  verb.  22 ;  Zenon  über  ihn  nach 
Suid.  s.  V.  Zijiöiv.  Lucretius'  Lobrede  auf  Emp.  I,  717  ff.,  wo  er  734  vix  humana  slirpe 
creatus  genannt  wird.  Ar.  Met.  I,  3  sagt  iifiXX/C^xai  Xfywv  *E(i7i.  —  Grundsatz  v. 
98ff. :  qvaig  ovSfVog  iattv  anavitov  Gt'Tjrwv,  ovi54  iig  ovXofAivov  ^avmoto  xiXevxfj  *j4XXii 
fiovov  fit^tg  xe  diuXXn^tg  x(  fxiyivitav.  E.  der  Urheber  der  Lehre  von  den  4  Elementen 
nach  Ar.  Met.  I,  3.  Die  mythischen  Namen  derselben  v.  160:  Zivg  »Qyfig*'liQri  xe  tf^yia- 
ßioQ  ri6*  l^iJ<ov€vg  Ntjaxtg  ^ .  —  Atome  von  Emp.  angenommen  nach  Plut.  plac.  phil, 
I,  13,  17;  Gal.  bist.  phil.  10 ;  Stob.  Ecl.  I,  52.  —  Hass  und  Liebe.  Jener  vitxog  (v.  SO), 
xoxog  (V.  126),  *'jiqrig  (v.  417);  diese  yiAori?«  (V.  81),  oxooyt)  (v.  380),  agfiotCrj  (v.  175), 
*A(fQoBixri  (V.  85);  KinvQig  (v.  282) .  —  Nothwendigkeit :  V.  1  :  "JEaxtv  urtiyxr^g  Xi^fif^«'  V.91: 
iv  fi^Qit  ttfarjg.  Zufall :  V.  271 :  Tjfcff  fih  ovy  ioxrjxi  xv^rig  TrtffQorrjxtv  uTtKvxa.  Winnefeld 
bemüht  sich  S.19,  den  Zufall  als  Gegensatz  der  Nothwendigkeit  bei  Emp.  nachzuweisen, 

Holm,  Geseh.  Sicilieus.  I.  28 


434  Anhang  II.  Belege  und  Erlänterungen. 

kann  aber  selbst  keinen  bestimmten  Plats  für  ihn  in  dem  System  finden.  —  ^goi  nahm 
Emp.  an  nach  Ar.  de  gen.  et  corr.  I,  8.  y.  337 :  yiftS&\  oti  navxvtv  italv  ano^^al  ca& 
iyivwto.  —  iH^ai^s  Y.  176.  v.  167  heisst  es  von  ihm ,  dass  er  ndvto&ev  lao^  Upv  xaX 
ndfinav  antlQmv.  —  Wirbel,  Stellung  von  Liebe  und  Hass  v.  163;  vgl.  v.  197.  Fort- 
währender Uebergang  aus  Einem  zum  Vielen,  und  umgekehrt,  v.  154.  ^  Die  gewöhn- 
liche Ajusicht  vom  Sphairos  des  Emp.  ist,  dass  er  nur  die  ursprüngliche  Einheit  der  Ele- 
mente darstelle  und  zu  der  jetzigen  Welt  im  Gegensatze  stehe,  die  sich  durch  die  Ver- 
nichtung des  Sphairos  gebildet  habe.  Ich  kann  diese  Ansicht  nicht  theilen.  Emp.  be- 
trachtet den  Sphairos  als  das  AllumfsMende,  als  Gott,  in  dessen  Schosse  durch  Hass 
und  Liebe  Veränderungen  der  Mischung  vorgehen,  ohne  dass  er  selbst  aufhört  zu  existir^. 
V.  170  atpaiQw  irjy,  ein  unvollständig  überlieferter  Vers,  kann  nicht  beweisen,  dass  der 
atp,  jetzt  nicht  mehr  existirt.  Dass  im  Sphairos  schon  Mischung  sei,  wird  nicht  bestrit- 
ten (Zelier  S.  186) ;  durch;  eine  Veränderung  derselben  werden  (v.  180]  die  Glieder  des 
Gottes  erschüttert,  seine  Existenz  aber  nicht  in  Frage  gestellt.  «—  Die  Beweisstellen  für 
die  einzelnen  Lehren  des  E.>  d(ie  hier  doch  nur  unvollständig  gegeben  werden  könnten, 
s.  bei  Steinhart.  —  Dämonen  v.  18  ff.  Flut,  de  tranq.  an.  15  (Hutt.  X).  Die  Bemer- 
kung Plutarch's  scheint  von  Steinh.  103  und  Winnef.  51  missverstanden  au  sein,  wenig- 
stens können  deren  Worte  die  Meinung  erregen,  als  hätte  nach  Plutarch  jeder  Mensch 
zwei  besondere  Genien ,  während  die  Gonienpaare  auch  nach  ihm  für  alle  Menschen  die- 
selben sind.  —  Seelenwanderung  v.  1  ff.,  v.  457  ff.  Der  höchste  Gott  v.  389-96.- 
Die  Liebe  das  Gute,  der  Hass  das  Böse  nach  Ar.  Met.  I,  3.  —  Schilderung  des  seligen 
Zustandes  v.  417  ff.  Allgemeines  Sittengesets  v.  437—39.  Warnung  vor  Mord  v.  440  ff. 
Verbot  der  Bohnen  und  des  Lorbeers  v.  450.  51.  Klage  über  sein  Loos  v.  15  ff.  Preis 
seiner  Kräfte  v.  462  ff.  —  Ueber  das  Studium  des  E.  durch  die  Araber  vgl.  Amari,  St  d. 
Mus.  di  Sic.  II,  100,  n.  2.  —  Zu  der  dritten  Hauptschule  der  Medicin  (Galen.  Therapeut. 
I.  T.  IV,  p.  35  ed.  Bas.)  neben  der  koischen  und  knidischen,  der  italischen,  gehörte 
vor  Allen  Empedokles.  Auch  der  dahin  gehörige  Philistion  war  nach  LD  VIII,  86.  89 
aus  Siciilen.  Plin.  H.  N.  XXIX,  5  alia  factio  (ab  experimentis  cognominant  Empiricen) 
coepit  in  Sicilia,  Acrone  Agragantino  Empedoclis  physici  auctoritate  commendate.  — 
Ueber  Akron  Suidas  s.  v.  "u^xqw;  LD  VIII,  65.  Er  suchte  in  Athen  durch  Anzünden 
von  Feuern  gegen  die  Pest  zu  wirken  Plut.  de  Is.  et  Ol.  80.  —  Des  Emp.  Epigramm  auf 
Pausanias  v.  473 — 76.  —Emp.  heisst  (Aavm  LD  61.  yot^s  Suid.  s.  v.  anpov^,  unlvoavifiag 
Suid.  s.  V.  *£/i7r.  Nach  Phüostr.  vit  Apoll.  VIU,  7,  8  vtifilti^  Max^  (po^av  ix  Itfx^a- 
yavTivovg  ^ayeünig.  Bericht  des  Goigias  von  der  Zauberei  des  Empedokles  Satyros  bei 
LD  59.  —  Emp.  Urheber  der  Theorie  der  Zauberei  Plut.  de  def.  or.  15. 16.  17.  20,  wo 
die  lUayofji^vot.  vno  ^Efxit,  Jaifjiovtg  erwähnt  werden.  Plotin.  Ennead.  IV,  4,  40  sagt : 
r,  dkriS-ivri  fitcyeia  ^  iv  Tip  navtl  ffiUa  xal  xo  relxoe  av.  Man  Vgl.  über  Emp.  als  Zauberer 
besonders  Gladisch  129  ff.  Desselben  gesammte ,  oben  citirte  Schrift  ist  über  die  Be- 
ziehungen des  Emp.  zu  Aegypten  zu  vergleichen«  Eselsopfer  dem  Typhon  von  den  Ae- 
gyptem  dargebracht  Glad.  87.  Anerkennung  hat  Gladisch  bereits  in  dem  Artikel  über 
Aegypten  in  Pauly's  BE  I,  1,  316  gefunden. 

S.  277.  Ursprung  der  Sicilischen  Hhetorik.  Vgl.  A.  Westermann,  Gesch. 
d.  Beredsamkeit  in  Gr.  u.  Bom,  I.  Lpz.  1833,  §.  27  ff.  F.  Blass,  die  Attische  Beredsam- 
keit von  Gorgias  bis  zu  Lysias.  Lpz.  1868.  8.  Die  Stellen  aus  Gic.  Brut.  12  und  Schol. 
ad  Prol.  Hermocr.  e.  5  ff.  sind  oben  S.  430  citirt.  Der  Letzteren  vollkommen  entsprechend 
ist  der  Bericht  von  Doxopater  in  Walz,  Ehet.  VI,  p.  11—14.  Schon  Find.  Pyth.  I,  40 
sind  die  Sicilier  als  9r£^fyi,ft)aaoe  bezeichnet.  —  Korax  und  Tisias  zusammen  genannt 
von  Cic.  de  or.  I,  20.  Vgl.  Quintil.  II,  17,  7 ;  III,  1,  8.  Koqoxos  x^x^n  bei  Ar.  Bhet.  11, 
24.  Nach  Schol.  Herrn.  1. 1.  sind  die  von  Korax  erfundenen  fünf  Theile  einer  gerichtlichen 
Volksrede :  nQoolfAtov  {uaTdaxaais),  ^n^ytiaiCf  dytaveg,  naQ^xfiaaig,  kniloyog.  Die  Bede- 
kunst besteht  besonders  in  der  Hervorhebung  des  tixog,  des  Glaublichen  Ar.  Eh.  II, 


Zu  Baeh  III,  Kap.  5,  S.  277-- 2S1.  435 

p.  117  Sp.  —  UeberTiBias  Arist  Boph.  elench.  34,  5.  Sein  Beohtsstreit  mit  Korax 
wegen  des  Lehi^tdee  Sext.  £mp.  adv.  Math.  II,  96  ff.  SohoL  HenuQg.  1.  L  und  Bonst. 
»Andere,  wie  QeH.  N.  A.  Y,  10;  LD  IX,  56;  Appul.  Flor.  p.  360  £lm.  erztthlen  dieselbe 
Anekdote  etwas  verSndert  von  Protagoras  und  EoathluB.  Vgl.  Plat.  Phaedr.  p.  272.<r 
West.  p.  38.  —  Sein  Bedenschretben  in  Syrakus  Paus.  VI,  17,  8.  —  In  Tliurii 
(Lysias)  Rut.  dec.  or.  Lysias.  Snid.  s.  v.  Ttaiat.  Daneben  noch  ein  syrakusanischer 
Rhetor  Nikias  genannt,  von  dens.  *—  Tisias  naeh  Athen  Paus.  1. 1.  Man  hat  gemeint, 
die  SyrakuBaner  hätten  ihn  geschickt,  am  dem  Leontiner  Gorgias  die  Wage  zu  halten.  — 
Lehrer  des  Isokrates  naeh  Dion.  Hai.  Is.  1,  weswegen  Blass  21  ihn  et^a  418  v.  Ohr.  in 
Athen  sein  Ufiest ;  geboren  mOsste  er  um  480  sein.  ^  Von  Tisias  tix*'i  mit  ähnlicher 
Lehre  wie  die  des  Korax  Spengel,  Zwiaytyi^  p.  39.  —  Unpassend  hat  man  die  in  Aristo- 
teles' Werken  befindliche  Bhet.  ad  Alexandrum  fUr  die  des  Korax  gehalten ;  vgl.  Westerm. 
8. 141.  Auf  diese  Annahme  fnsst  jedoch  A.  Gallo  in  seinem  Saggio  storico-critico  bu 
€orace  e  Tisia  in  N.  Paimeri's  Somma  della  storia  di  Sic.  P.  446 — 54  der  Ausg.  Pal. 
1850.  —  Empedokles  als  Erfinder  der  Bedekunst  LD  VIII,  57  u.  S.  £mp.  adv.  Math, 
p.  370.  Quint.  III,  1 ,  8  movisse  aliqua  circa  rhetoricam  Empedodes  dicitur. 

3.  281 .  roqyta  s,  Ueber  ihn  schrieb  nach  Ath,  XI,  505 Hermippos  (dies  also hinsuza- 
ftgenobenS.314).  yg}.femerPhilo8tr.yit.Soph.I,9.  Suid.h.v.Eudokiap.  looff.  Villois. 
A.  I.  ~  Von  Neueren  bes.  H.  £.  Foss,  De  Gorgia  Leontino.  Hai.  1828.  8. ,  sowie  Baumstark  in 
Pauly  B£  III,  906— 13,  der  L.  Garofalo,  Discorsi  ifttotno  a  Gorgia  Leontino.  Pal.  1831.  8 
citirt;  Frei,  Beitr.  z.  griech.  Sophtstik  Bh.  Mns.  1830,  S.  527  ff.  u.  1853,  S.  268  ff. ;  N. 
Wecklein,  Die  Sophistik  und  die  Sophisten  nach  den  Angaben  Piato's.  Wzbg.  1865.  8. 
bes.  S.  52—72  nebst  Bec.  von  Susemihl  in  Neue  Jahrb.  1868.  Heft  8,  S.  513  ff.  M.  Schanz, 
Beitr.  zur  vorsokrat.  Philos.  aus  Plato.  G(5tt.  1867.  8.  und  Blass,  S.44— 79.— Lebens- 
zeit des  G.  Plin.  XXXIII,  83  setzt  seine  Blüte  in  Ol.  70,  was  offenbar  falsch  ist; 
Porphyr,  bei  Suid.  in  Ol.  80.  Nach  Quint.  III,  1,  9  überlebte  G.  den  Sokrates.  Hierzu 
passt  Xen.  An.  II,  6,  16,  wonach  Crorgias  den  Proxenos  nicht  lange  vor  seinem  Zuge  mit 
Kyros  unterrichtete.  Nach  Paus.  VI,  17,  9  hätte  ihn  lason  von  Pherae  hochgeschätzt, 
der  um  380  Herrscher  von  Pherae  wurde.  Nun  soll  er  105—109  Jahre  alt  geworden  sein: 
105  nach  Paus.  1. 1. ;  107  nach  Gic.  de  sen.  5;  lOS  naeh  PHn.  VII,  156;  Censor.  de  d.  n. 
15;  Luc.  macr.  23  u.  A. ;  109  nach  Quint.  1.  1.  Suid.  Bei  Ath.  XII,  548  bezeichnet  er 
sich  selbst  als  nlt(to  rtSv  ixarov  ßitoaavta.  Nehmen  wir  108  J.  als  seine  Lebenszeit,  3^0 
als  sein  Todesjahr,  so  hätte  er  von  48S— SSO  v.  Chr.  Ol.  73, 1—100, 1  gelebt.  Vgl.  Clinton, 
Fasti  HeU.  ed.  Krüger,  p.  69  und  38S ;  Blass  45.  •—  Name  s.  Vaters  Ka^fxavt(&«g  nach 
Paus.  1. 1.  XaQfji.  nach  Suid.,  s.  Schwagers  Deikrates  Paus.  1. 1.,  s.  Bruders  Herodikos 
Plat.  Gorg.  448.  >-  Sein  Lehrer  Tisias  nach  Schol.  Prol.  Herrn.  6  (vgl.  jedoch  Blass  46), 
Empedokles  nach  Sat.  bei  LD  VIII,  5S ;  Suid.  Quint.  1.  1.  Protagoras  und  Hippias  (der  in 
ganz  Sicilien  1 50,  in  Inykon  allein  über  20 Minen  verdient)  in  Sioilien  Plat.  Hipp,  maj .  282.  — 
Gorgias  Gesandter  nach  Athen  Diod.  XII,  53 ;  dass  er  nach  Leontini  zurückkehrte 
ebendas.  Nach  Plut.  de  Socr.  daem.  13  (Hntt.  X)  meldete  er  i*  rtis  'EXXa^og  avanXitav 
aU  ^ixiUav,  AvalSt  auyytyovivai  dtttjQtßovri  thqI  ^i^ßeis» — Sein  Aufenthalt  in  Thessalien 
Philostr.  ep.  ad  Jul.  p.9l9.  Larissa,  Aristippos:  Plat.  Menon  init.  Arist.  Pol.  III,  1,  9. — 
Ueber  seinen  Gelderwerb  Diod.  1. 1.  Suid.  Plat.  Hipp.  maj.  2S2.  Plin.  1. 1.  Ath.  III,  1 13 ; 
Ael.  VHXII,  32.  —  Die  Geschichte  von  Chairephon  Philostr.  vit.  Soph.  prooem.  p. 
483.  ~  G.  und  Piaton  nach  Hermippos  b.  Ath.  XI,  505.  -^  Anekdoten  aus  seinem  Alter 
Val.  Max.  VIII,  13,  8;  Luc.  macr.  23;  Klearchos  bei  Ath.  XII,  548;  Eust.  Hom.  Od.  p. 
1413  ed.  Born.  Ael.  VH II,  35.  Bildsäulen  des  G. :  In  Delphi  Cic.  de  or.  UI,  32;  Via.  Max. 
Vni,  15,  14  (nach  ihm  ab  universa  Graecia  gesetzt) ;  Hermipp.  bei  Ath.  XI,  505;  PI. 
XXXin,  83;  Paus.  X,  IS,  7  (von  ihm  selbst).  Letzterer  nennt  sie  inixovaos;  die  anderen 
j^^vaf,  aurea.  Boeckh  bei  SUvem,  Ueber  die  Vögel  des  Aristoph.  S.  27  setzt  auseinander, 
dass,  wenn  die  Bildsäule  atpvQi^laros  war ,  beide  Ausdrücke  passen.    In  Olympia  Paus. 

28* 


436  Anhang  II.  Belege  und  £rlliaterungen. 

VI,  17,  7.  Auf  einer  Münze  aus  Bronze  bei  Mi  I,  S.  249  (bekränzter  Apollokopf  Rev. 
Schwan)  findet  sich  die  Inschrift  ^EO.  rOPFI^j:.  —  G.  spottet  über  die  Tugendlehrer 
Plat.  Men.  95 ;  nennt  sich  ^^ra>^  PI.  Gorg.  449 ;  aber  nach  dems.  456  umfasst  die  Rheto- 
rik Alles.  —  Die  hauptsächlichsten  axijftata  sind  «vTtd^iatig^  na^iatiaeis,  und  nago- 
/uoiioaeig,  nach  Ar.  Rhet.  III,  9.  So  sagt  Oic.  Or.  52 :  paria  paribus  adjuncta  et  similiter 
definita  itemque  contrariis  relata  contraria  Gorgias  primus  invenit.  —  roQylov  r^ 
fiiyaXonQ^7t€ittv  xal  affjivotijra  xal  xaXltloyfav  hebt  hervor  Dion.  Hai.  Dem.  4.  Poeti- 
scher Ausdruck  Ar.  Rhet.  III,  1.  Anwendung  von  Bildern  Ar.  Rhet.  III,  3.  Neue 
Wortbildung  ebendas. ,  wo  noch  besonders  des  Gorgias  Schüler  Alkidamas  wegen  der 
kühnen  Zusammensetzungen  angeführt  .wird.  In  Betreff  des  Gebrauches  fremdartiger 
Worte  durch  Gk>rgias  bemerkt  Schol.  Plat.  Grorg.  450  A^ovtlvog  ydq  i,v.  Den  Stil  dea 
Gorgias  behandelt  Blass  57 — 64  ausführlich.  —  Verwahrung  des  G.  gegen  unsittliche 
Anwendung  der  Redekunst  Plat.  Gorg.  456  ff.  —  Nach  Cic.  Brut.  12  hat  G.  singolarum 
.rerum  laudes  vituperationesque  geschrieben ,  weil  er  es  oratoris  maxime  proprium  hielt, 
rem  augere  posse  laudando ,  vituperandoque  rursus  affligere.  Vorschrift  des  Gk>rgia8, 
Scherz  mit  Ernst  zu  bekämpfen,  und  umgekehit  Ar.  Rhet.  III,  18.  —  G.  sucht  Ruhm  in 
der  Kürze  des  Ausdruckes  Plat.  Gorg.  449.  —  Dass  G.  eine.r^ri}  ^>;ro^»xi7  geschrieben, 
berichten  ApoUod.  bei  LD  VIU,  58 ;  Cic.  Brut.  12 ;  Quint.  III,  1,  8 ;  Suid.  Die  Schrift 
nsQi  xaiQov  citirtDion.  Hai.  de  comp.  verb.  12.  Spengel,  Artt.  scrr.  p.  81  läugnet  die 
Existenz  einer  r^x^rj  des  Gorgias  gänzlich,  wogegen  vgl.  Schanz,  S.  129— 31 .  Nach  Blass 
53  die  Schrift  jr£()l  xaigov  eine  Lobrede  auf  denselben.  —  Die  Schrift  des  G.  negl  qvis€mt 
ri  Tov  (AVI  ovjoSf  worauf  anspielt  Isoer.  laud.  Hei.  2,  ist  dem  Inhalt  nach  erhalten  in  der 
Schrift  des  Aristoteles  de  Xenophane,  Zenone  et  Grorgia  und  bei  S.  £mp.  adv.  Math.  VII^ 
65  ff.  Ueber  die  Bedeutung  dieser  mit  eleatischen  Mitteln  operirenden  Negation  und  den 
Grund  ihrer  Nichtbeachtung  durchPlatonund  Aristoteles  vgl.  Snsemihl,  1.  1.  S.  522 — 24.  ~ 

Gegen  das  Ende  heisst  es:  ffuivttai  d'ov^  6  avroe  ai/rtp  ofioia  aiad-avofnvos xa^ 

vvp  TB  xal  Ttfilai  ^laifOQmg,  —  Ueber  den  ^OXv^intaxog  Ar.  Rhet.  III,  14;  Philostr.  vit. 
Soph.  I,  493.  505  nebst  der  Anekdote  Plut.  praec.  conj.  p.  425,  (Hutt.  VII}.  Ueber  den 
llv^txog  Philostr.  p.  493.  Ueber  das  iyxwfnov  eig  ^Uhiovg  Ar.  Rhet.  III,  14.  Ueber  den 
iTTiidtfiog  Philostr.  p,  493.  Das  Bruchstück  daraus,  aus  Schol.  Herm.  p.  412  Aid.  ab- 
gedruckt bei  Foss  p.  69  ff.  —  Dass  G.  Reden  auf  Achilleus  und  die  äv^^tia  geschrieben, 
schliesst  Foss  77  aus  Ar.  Rhet.  III,  17  und  I,  3.  —  G.  über  die  Tugend  Plat.  Men.  71. 
77;  Ar.  Pol.  I,  5,  8j  Plut.  de  mul.  virtt.  init.  (Hutt.  VIIIj.  G.  über  die  Freundschaft 
Plut.  de  adul.  et  am.  discr.  34  (Hutt.  VII).  —  G.  Beschäftigung  mit  der  Physik  Plat. 
Men.  76.  —Die  unächten  Schriften :  anojjoyla  IIuXufÄqJovs  und  fyxtufiiov  *EX^vijg  worüber 
vgl.  Foss  78  -  106  und  Blass  64  -  72 ,  der  sich  eines  entscheidenden  Urtheils  enthält, 
stehen  in  den  Sammlungen  der  Redner,  ReiskeVIII;  Bekker  V.  —  Ueber  G. 's  attische 
Sprache  Blass  52 ;  über  seine  Stelle  in  der  Geschichte  der  Attischen  Beredsamkeit  Blasa 
43.  44. 

S.  286.  Ueber  G.'s  Schüler  und  Nachahmer  vgl.  Westerm.  I,  §33.  Von  IltoXog  Plat. 
Gorgias.  Er  war  nach  Philostr.  VS  p.  16  aus  reicher  Familie;  erscheint  in  Plat.  Gorg. 
461 .  463  als  noch  junger  Mann ;  daher  wenig  vor  450  v.  Chr.  geboren.  Seine  übergrosse 
Sorgfalt  in  Bezug  auf  den  Schmuck  der  Rede  Herm.  de  form.  or.  II,  362 ;  Schol.  Herm. 
Walz  V,  514;  Plat.  Phaedr.  267.  räx^i  Plat.  Gorg.  462.  Schol.  Herm.  Walz  IV,  44.  negl 
Xi^tojg  Suid.  Ebendas.  eine  von  Andern  dem  Damastes  zugeschriebene  yet'faXoyia  ruiv 
in  *'lXioy  aiQanvaayToav  '£XXrjv(av  xal  ßuQßaQtav  und  vtöiv  xardXayog.  Declamation  zu 
Olympia  Lucian.  Herod.  3.  Von  Piaton  wird  »nirgends  sosehr  die  Unfähigkeit  in  der 
Dialektik  betont  als  bei  Polos.«  Schanz  I,  S.  57.  Ueber  Polos  Blass  72 — 75.  —  Ferner 
*AvTia(^4vr^g  aus  Athen,  Stifter  der  cynischen  Schule  LD  VI,  1.  Unter  seinem  Namen 
sind  zwei  wahrscheinlich  unächte  Declamationen  vorhanden  (Reisko  VUI;  Bekker  V).— 
'uiXxidufxug  aus  Elaia,  Dion.  de  Isaeo  19  u.  Suid.  s.  v.  \4Xx,  vgl.  Ar.  Rhet.  III,  3 ;  ihm 


Zu  Buch  m,  Kap.  5  u.  6,  S.  281—288.  437 

werden  zwei  Declauifttionea  ^OSvaatvQ  t  xata  Ilttkafiili&ov^  und  ncgl  aoqtorcSv  zu* 
geschrieben.  —  '/aox(>ct  ri^^'ht^rte  ihn  nach  Dion.  Hai.  Isoer.  1.  —  ^ixvftviosDion, 
Lys.  3  avvovaiaatrig  roQyiov.  Bei  Plat,  Phaedr.  267  ovouara  ^invfiveia.  Vergi.  Blafis 
75.  76.  —  Aiaxivn^  der  Sokratiker  L  D  II,  63.  —  KQit(ag  Philostr.  ep.  ad  Jul.  p. 
«19.  —  ^Aya^tov  Ael.  VH  XIV,  13.  Schol.  Plat.  symp.  369.  Blass  76  —  78.  — 
Sovxvöi^rjg  —  iCv^atae  in  oKyov,  Sg  q>fi<riv*!/4vTvlXoQ,  xal  ricg  FoQyiov  tov  Aeovrivov 
naQiauiafig  xal  rag  «vTif^^atif  tvif  ovoudxmv  schreibt  Mark,  in  der  vita  Thuc.  Oorgia- 
uidohQ  Schemata  schreibt  ihm  Dion.  ep.  2  und  jud.  de  Thuc.  24  zu.  Vgl.  Bhiss  211—13, 
derXhuk.  III,  82  roX^a  ^tv  —  «Qyov  citirt,  und  die  Antithesen  u.  s.  w.  darin  nach- 
weist. 

S.  287.  26tfQ(av,  Mi  mos.  Vgl.  bes.  A.  Persii  Flacci  satir.  über.  ed.  0.  Jahn. 
Lpz.  1843.  Prolegom.  LXXXIV-CIV.  —  Den  fiifiog  definirt  Diomedes  III,  p.  488;  seine 
Eintheilung  Plnt.  Symp.  Qu.  VII,  8,  4.  fitfÄog  und  ysltoronoiot  werden  verbunden  Diod. 
«p.  Suid.  B.  Y.  TiQodiixjijg ;  Diod.  XX,  63  (von  Agathokles)  und  sonst.  —  Ueber  Sophron 
Suid.  h.  V.  wo  er  roTg  XQ^^^'^  xara  S^Q^rjv  xal  Ev^miSrjv  bezeichnet  wird.  Vgl.  L. 
Botzon ,  De  Sophrone  et  Xenarcho  mimographis.  Lyck  1856.  4.  und  ders.  Sophroneorum 
mimorum  reliquias  dispos.  etc.  Marienb.  1867.  4.  —  /uTfAoi  ai^^Q^Tot  Ath.  VII,  286  und 
4M>nst.  fi,  yvvmxiTot  Ath.  III ,  87  und  sonst.  Nach  Ath.  VII,  281  war  auch  das  Buch 
Apollodor's  Über  Sophron  in  dieser  Weise  eingetheilt ;  es  könnte  daher  die  Eintheilung 
leicht  erst  von  den  Grammatikern  gemacht  sein.  —  6  ^wpcd-tj^ag  erwähnt  bei  Adi.  VII, 
303  und  sonst.  —  *Slhfvg  tov  ctyQomrav  d.  h.  o  äluve  r.  a.,  vielleicht  akiaxu  zu  er- 
gänzen Ath.  III,  86  u.  sonst,  wovon  nicht  verschieden  scheint  6  ttyQotarijg  Ath.  VII, 
309.  —  TZai^ixa  not(fv$ftg  d.  h.  amasium  terrebis  Ath.  VII,  324.  —  Ein  mimus  qui 
nnntius  inscribitur  bei  Schol.  Germ.  Arat.  1,  p.  36  Buhl.  —  19  nev&SQa  Ath.  III,  HO.  — 
ri  wfAtponovog  d.  h.  ancilla  sponsae  omatrix  Ath.  VIII,  362.  —  al  axtatgiat  Suid.  s.  v. 
xcinrjXog.  —  al  o^tatievai  rä*/a&fiitt  Arg.  Theoer.  Adon.  vgl.  oben  bei  Epicharmos.  — 
€ci  yvyaixig  al  rav  ^ihv  qayri  i^eXav  (»deam  procul  dubio Hecaten  excitantes,«  Botzon,  De 
Soph.  8,  der  Id.  II  Theokrit's  vergleicht)  Apoll,  de  adv.  p.  592.  —  JlQo^ii&€vg  Bekk. 
An.  p.  85.  —  Die  Mimen  des  S.  in  Prosa  abgefasst  nach  Arist.  bei  Ath.  XI,  505.  Arist. 
poet.  I,  7.  Suid. ;  femer  Schol.  ad  Greg.  Naz.  (Montfaucon,  Bibl.  Coisl.  p.  120}  wonach 
er  ^v&fjioig  Tial  xal  xoiXoig  i/gi^aaTo.  —  Platon  eifriger  Leser  Sophron's  LDIII,  1,  18,  wo- 
nach er  dessen  Bücher  nQdSrog  itg  'A^i^pttg  Siaxofilaai  xal  ff&ojtoiijatti  ngog  aitiäv  und 
Olympiod.  vit.  Plat.  —  Ueber  Theokrit  Arg.  Id.  II  und  XV.  —  Ueber  Persius ,  Jo. 
Lyd.  de  mag.  I,  41 . 

Seehstes  Kapitel. 

S.  2S8.  Tempel  A  in  Selinus.  Serra  di  Falco's  Masse  sind: 

Larghezza  compr.  i  gradini p.  67.  3.  — 

Lunghezza      »      »       »         »  155.  3.  — 

Larghezza  presa  dall'  estemo  delle  col »  60.  3.  — 

Lunghezza    »       »         »           »»       »  148.  3.  — 

Larghezza  delhi  cella  compr.  le  mura »  33.  — .    _ 

Sua  lunghezza »  108.  —    — 

Diametro  delle  colonne m  4.  s.  _ 

Sommoscapo »  3.  9.  10 

Intercolunnio »      6.  4.    6 

Altezza  tot.  de' gradini »  5.  1.  — 

Alt.  del  capitello  compr.  ii  coUarino »  3.  1.     5 

Lato  deli' abaco.   . »  6.  3.  — 

Sporto  del  capitello %   .  »  1.  2.    9 


438  Anhang  II.  Belege  and  Erläutefungen. 

Alt.  deir  intera  trabeasione p.    10.    "^^ 

Architrave »     4.    3.  — 

Fregio »     4.  —   — 

Cornice »      2.    5.    4 

Sporto  della  cornice »     2.    6.  — 

Larghezza  de'  trigHfi »      2.    5.  ~ 

8.  289.  Tempel  £  in  Selinns.  Serra  di  Faloo's  Masse  sind : 

Larghezza  compr.  i  gradini »  107.    2.  — 

LuBghezza  senza  la  scalea »271.    6.    6 

Larghezza  dair  est.  delle  col »    98.    8.  — > 

Lnnghezza  oome  sopra »  263.    6.  — 

Larghezza  della  cella »    d6.  —   — 

Lnnghezza    »       »      »  195.    4.    ^ 

Altezza  de' gradini »     7.    3.    & 

Intereolunnio »      9.    3.    6 

Diametro  delle  col.  del  portico »     8.    8.    6 

Sommo  seapo  di  esse »     6.    6.  — 

Loro  alt.  oompr.  il  capitello »    39.    7.  -* 

Alt.  del  capitello  col  collarino 5.    1.  10 

Lato  dell' abaco »    10.    8.    8 

8porto  del  capitello »     2.    1.    4 

Ak.  della  trabeazione »    17.  10.  — 

Architrave »     6.    2.  10 

Fregio »      6.    8.    3 

Cornice  (hierin  eine  sima  von  p.  1,  also  ohne  sie  p.  3,  11)  .      »     4.  11.  — 

Sporto  della  cornice »     3.    5.  — 

Larghezza  de'  triglifi »      3.    9.    2 

Largh.  delle  metq»e  (variiuio  eome  grintercolunni)  ....      »      5.    5.  — 

Diam.  delle  col.  del  pronao »      8.    6.  — 

Sommo  scapo »      6.    6.  — 

Loroalteaza »    38.  10.    3 

Alt.  dell'  architrave  del  pronao »     6.    1 .    8 

Alt.  del  fregio u      6.    2.  — 

Larghezza  delle  metope »     5.    5.    3 

Lato  deir  ante »      6.    3.  — 

Alt.  del  suo  capitello »     5.  —     7 

Ueber  die  bunten  Säulen  des  Tempels  £  sagt  Serra  di  Falco  II ,  28 :  Rimangon  (del 
tempio.  £]  molti  rocchi  di  colonne  intonacati  di  finissimo  stucco  bianco,  ed  an  di  essi  con- 
serva  tattavia  tre  zone  orizzontali ,  ciascana  delle  quali  di  rosso  di  bianco  e  di  azzurro  h 
Buccessivamente  dipinta.  —  Kagler;  Kleine  Schriften  und  Stadien  zur  Kunstgesch.  I, 
333 ,  der  aus  dem  Serra  di  Falco'schen  Werke  Farbenspuren  vom  Arohitrav ,  den  Tri- 
glyphen  u.  s.  w.  des  Tempels  £  erwähnt,  citirt  obige  Stelle  nicht,  die  allerdings  seine 
ganze  Theorie  umstossen  musste.  HittorfTs  Stelle  über  die  von  Dufoumy  aufbewahrte 
Aeusserung  Dodwell's  steht  in  den  Ann.  dell'  Inst.  II,  p.  268.  Vgl.  den  Abschnitt  Poly- 
chromie  in  Beule's  Histoire  del'artgrec,  derS.  265  sagt:  L'architrave  s'est  retrouv^ 
ä  ^gine ,  peinte  en  rouge  et  saus  omements.  Ders.  macht  p.  261  darauf  aufmerksam, 
dass  die  Farbenspuren  nur  bei  der  Ausgrabung  deutlich  zu  erkennen  sind ,  später  aber 
mehr  und  mehr  verschwinden.  ^  DieMetopen  dieses  Tempels  hält  GU^ttlingll,  103 
für  Arbeiten  des  Pythagoras.  —  Die  nicht  marmornen  Theile  aus  Kalkstein  von  Mem- 
frici,  nach  Schabring  Selinus  27. — Ueber  die  Funde  des  Jahres  1865:  Sehubring,  Selinus 
35.    Im  Adyton  »zeigten  sich  2  kleine  Arme  einer  Marmorstatuette,  ein  merkwürdiges 


Za  Buch  III,  Kap.  6,  S.  2SS— 202.  439 

Thongefiiss,  Bleiklcmmeni^  ein  blauer  Triglyph  vom  Postiknm,  welcher  die  Auastattung 
des  Gebälks  mit  Farben  wiedemm  beweist ;  ein  Altar  mit  Piedestal,  dessen  Dekoration 
in  trUmmerhafItem ,  aber  erkennbarem  Zustande  war ,  ein  Kopf  aus  weissem  Steine  von 
Ubematttriieher  GrOsse,  2  andere  KOpfe  ans  parischem  Marmor,  und  andere  Statuen- 
bruebattteke;  endiiefa  ein  kleiner  Inschriitstein,  der  erste  aus  Selinunt,  der  sichzudenFüssen 
des  Bildes  iand  und  folgende  Lettern  trug :  APXE£SU  |  Jil£XYjiCY  \  MPAIEYXAN, 
Aus  dieser  Inschrift  erfahren  wir  erstlich  den  ersehnten  Kamen  des  Tempels  (?) ,  und  danner- 
giebt  sich  aus  ihrer  PalXographie,  dass  sie  aus  der  Zeit  nach  der  ersten  Zerstörung  stammt«. 
Nach  Gattung  102  wäre  es  ein  Zeustempel ;  auf  den  Metopen  sind  die  Thaten  der  Kinder 
des  Zeus  dargestellt.  Ders.  weist  darauf  hin,  dass  in  Megara,  der  Mutterstadt  von  Seil- 
nus,  das^rab  derHippolyte  war  (Paus.  I,  41,  7),  die  auf  unsrer  Metope  von  Herakles  be- 
siegt wird.  Ueber  W^xca^'  als  Nom  Sing,  eines  N.  propr.  fem.  vgl.  Bitschi  in  Bh.  Mus. 
1866.  S.  138  u.  160. 

S.  292.  Tempel  G  in  Selinus.  Seine  Masse  sind  nach  Serra  di  Falco : 

Largbesza  compr.  i  gradini p.  207.    6.  — 

Lunghesza  sensa  la  scalea »  440.    2.  — 

Larghezsa  dall'  est.  delle  cd »  192.    6.  — 

Lunghesza  come  sopra »  425.    2.  — 

Larghezza  della  cella »    89.  10.  -* 

Lunghezza    »      »        »  321.    8.  — 

Altezza  dei  gradini »     4.  10.  — 

Interookinni  del  portico »    12.  11.  — 

Diametro  delle  col.  del  portico »    12.  11.  •—  * 

Sommo  scapo  di  esse »     9.    4.    4 

Loro  alt.  compr.  i  capitelli »    68.    2.  *• 

Alt.  del  capitello  col  collarino »      5.    8.    2 

Lato  deir  abaco »    15.    1.    8 

Sporto  del  capitello »     2.  10.    8 

Alt.  della  trabeazione »    22.  10.  10 

Arohitrave »      8.  10.    3 

Fregio »      8.  11.  10 

Coniice »      5.    9.  — 

Sporto  della  comice »      5.  10.  — 

Larghezza  dei  triglifi »      5.    2.    8 

Diametro  delle  col.  del  pronao »    12.  10.  — 

Altezza  degli  altri  4  capitelli >      5.    2.    8 

Lato  dell' abaco »    15.    1.  — 

Sommo  scapo »      6.  10.    6 

Sporto  del  capitello »      4.    1 .    3 

Diametro  delle  col.  interne »      5.    6.  — 

Sommo  scapo  di  esse »      3.    3.    8 

Alt.  dei  capitelli »      1.    9.    9 

Lato  deir  abaco »      5.    6.  — 

Sp.  del  capitello »      1.    1.    2 

Comice  dentellata  trovata  nell'  interne  della  cella  »  3.  2.  2 
Schubring,  Sdinus  33  glaubt  bestimmt  an  den  Umsturz  des  Tempels  durch  Menschen- 
bände; Ketten,  um  die  Ecksäulen  gelegt  und  nach  aussen  straff  angezogen,  konnten 
den  Tempel  >Yiertheilen«.  In  Betreff  der  Grösse  der  Blöcke  erzählt  Buss.  138 :  »Des  gens 
de  Campobello  racontaient,  que  dans  Fantiquit^  les  femmes  de  S^linonte  portaient  les 
colonnes  des  carriöres  k  hi  ville  sur  leurs  t^tes,  en  filant  le  lin ;  c'dtait  une  race  bien  plus 
grandequelandtre,  ajoutaient-ils.«  —  Nach  Schubring,  Selinus  32  sind  selinuntiscbe 


440  Anhang  II.  Belege  und  Erläuterungen. 

Steinbrüche  auch  noch  in  Millebarone ,  zwischen  Seiinunt  und  CastelTetrano.  —  Ueber 
den  Namen  des  Tempels  s.  Reing.  98.  Fazell  bezog  den  Jiog  ayo^alou  ß^fihv  (Herod. 
V,  46)  auf  diesen  Tempel,  was  nach  d'Orv.  72.  73  auch  Beinganum  mit  Becht  missbilligt. 
D.  176 :  From  its  colossal  proportions  it  can  only  have  been  dedicated  to  Jupiter  Olym- 
pius.  Beulö  109  ff.  unterscheidet  zwei  Epochen  des  Baus  des  Tempels :  die  Ostseite  und 
die  zwei  Langseiten  sind  im  archaischen  Stil  des  6.  Jahrhunderts ,  mit  stark  verjüngten 
Säulen,  platten  Kapitalen;  die  Westseite  aus  dem  5.  Jahrh.  hat  weniger  stark  verjüngte 
Säulen  und  kräftigere  Kapitale.  Er  missbilligt  demgemäss  die  herkömmliehe  Deutung 
der  im  Text  angegebenen  abweichenden  Kapitale  auf  die  innere  Säulenreihe. 
S.  294.  Tempelchen  B.  Masse  nach  Serra  di  Falco : 

Larghezza  del  basamento p.  22.     8.  ^ 

Lunghezza  »  »  »   38.    9.  — 

Larghezza  della  cella  compr.  le  mura »18.    8.  — 

Basamento  della  scalea  avanti  al  tempietto  largo »21. 

»  »         »  a»     u         )i        lungo »    12.    4.  — 

Der  Streit  über  die  Restauration  des  Tempelchens  ist  noch  nicht  ganz  ansgefochten. 
Zuerst  hat  Hittorff  seine  Ansicht  zur  Geltung  gebracht ;  dann  kam  Serra  di  Falco  mit 
seiner  einfacheren  Restauration ,  die  allgemeineren  Beifall  fand.  Hittorff  ist  trotzdem 
bei  seiner  Meinung  geblieben,  ohne  jedoch  in  seiner  1851  veröffentlichten  Restitution  du 
temple  d'Emp^dode  eine  ausführliche  Begründung  derselben  zu  geben.  Üeberreste 
dieses  Tempels  sind  im  Museum  zu  Palermo.  D.  83  erwähnt  daselbst  an  anta  and  co- 
lumn  from  the  heroum  of  Selinus,  partly  a  restoration.  The  triglyphs,  guttae,  and  mould- 
ings  Are  coloured. 

S.  295.  Akragas.  Für  eine  bessere  Namengebung  der  Tempel  hat  LeakeNH  Sic.  48  mit 
Recht  auf  das  Hülfsmittel  der  Münzen  hingewiesen.  T.  der  Juno  Lucina  od.  Lacinia. 
Ueber  den  Namen  vgl.  d'Orv.  100.  Plin.  XXXV,  64  heisst  es  von  Zeuxis :  alioqui  tantus 
diligentia  ut  Agragentinis  facturus  tabulam  quam  in  templo  Junonis  Laciniae  publice 
dicarent  inspexerit  virgines  eorum  nudas  et  quinque  elegerit,  ut  quod  in  quaque  lauda- 
tum  esset  pictura  redderet.  Nach  Oic.  de  inv.  II,  1  war  das  Bild  eine  Helena ,  dagegen 
von  den  Krotoniaten  bestellt.  —  Die  Alkmene  den  Akragantinem  geschenkt  Plin. 
XXXV,  62.  —  Faz.  145  spricht  auch  von  einem  T.  der  Juno  in  Akragas,  meint  aber  nicht 
den  unsrigen ,  den  er  und  noch  d'Orv.  99  nur  als  Torre  delle  Pulselle  kennt.  Masse  nach 
Serra  di  Falco : 

Lunghezza  compr.  i  gradini p.  158.  10.    3 

Larghezza        »  »        »     75.     8.  — 

Lunghezza  della  fronte  estema  del  grad.  sup.    .   .  »  148.    3.  — 
Larghezza     »         »  »         »»»..&     65.    3.  — 

Lunghezza  della  oella »  107.  11.    6 

Larghezza     »       »      »     36.     1.  — 

Lunghezza  del  pronao »     18.  11.    6 

Lunghezza  dell' intemo  della  cella  compr.  lescalee   »    67.    9.  — 

Lunghezza  del  postico »     18.    9.  — 

Diametro  delle  colonne »      5. 

Sommo  scapo »      3.  11.  — 

Intercolunni  (variano) »      6.    9.    6 

Altezza  tot.  de'  gradini »      7.5.-— 

Alt.  deUe  colonne  compr.  il  capitello  .......    24.  10.    6 

Alt.  del  capitello »      3.     1.    6 

Fronte  dell'  abaco »      6.    7.  — 

Sporto  del  capitello »      1.    4.  — 

Alt.  deir  architrave »      4.    6.    6 


Zu  Buch  ni,  Kap.  6,  S.  294—296.  441 

Alt.  del  fregio p.      4. 

Larghezza  de'  trigliii »      2.    5.  — 

lieber  den  Raum  im  Grunde  der  Cella  für  die  Bildsäule  der  Göttin  s.  R.  Bochette  im 
Joum.  desSar.  1838,  S.  231.  Serra  di  F.  sagt  Nichts  davon.  R.  B.  spricht  von  vier 
Stufen ,  D.  205  von  3.  Ueber  den  unterirdischen  Gang  vgl.  auch  Pauly  B  £  VI,  2,  1678. 
—  Vgl.  über  diesen  T.  auch  Ausland  1842,  S.  50.  —  Die  Bestauration  1787  auf  Veran- 
lassung Torremuzza's :  Scina  HI,  235. 

S.  296.  Ueber  die  £xedra  B.  Bochette  J.  d.  S.  1838,  8,232,  und  Thiersch,  Pindar, 
I ,  S.  114,  wonach  es  ein  Platz  für  musische  Wettkämpfe  war;  über  die  Grube  Ausland 
1842,  S.  50;  sowie  über  Beide  D.  206.  Nach  D.  ist  die  Grube  im  NW.  des  Tempels, 
nach  dem  Aushmd  im  N  0. 

S.  296.    Tempel  der  Concordia.   Die  Inschrift ,  welche  den  Namen  reranlasst 
hat,  Uutet  Concordiae  Agrigenti  |  norifm  sacrum  i  respublica  Libybaetano  |  rum  dedi- 
cantibus  |  M.  Haterio  Candido  Procos.  |  et  L.  Comelio  MarcelloQ.  |  Pr.  Pr. 
Masse  nach  Serra  di  Falco : 

Lunghezza  compr.  i  gradini p.  163.    3.  — 

Larghezza       »  »  »     76.    4.  — 

Lunghezza  della  fronte  estema  del  grad.  snp.    »   152.    7.  — 
Larghezza     »        »  »       »      »       »    .    »     65.    8.  ^- 

Lunghezza  della  cella »111.    7.  — 

Larghezza      »       »      »     36.    2.     6 

Pronao »     20.    —  — 

Postico »     19.    8.    6 

Diametro  delle  colonne  del  portico »       5.    7.  — 

Sommo  scapo »       4.    5.  — 

Intercolunni  (variano) ■       6.  10.  — 

Altezza  tot. «de'  gradini »       7.    7.    3 

Altezza  delle  colonne  compr.  11  capitelio ...»     26.-6 

Altezza  del  capitelio •       3.    •—    3 

Fronte  dell'  abaco »       6.    9.  — 

Sporto  del  capitelio »       1.2.  — 

Altezza  della  trabeazione »     11.    7.    9 

Architrave »       4.    2.    6 

Fregio »       5. 

Oomice '^       2.     5.     3 

Sporto  della  comice »       2.    1.  — 

Larghezza  de'  triglifi »       2.     5.    6 

Altezza  de'  frontoni •       8.    1 .    3 

Ordine  del  Pronao 

Diametro  delle  colonne »       4.  11.  — 

Altezza  delle  stesse »     24.    9.    6 

Sommo  scapo »       4. 

Alt.  del  capitelio »       2.    5.  — 

Fronte  dell'  abaco »       6.    5.  — 

Sporto  del  capitelio »       1.2.  — 

Larghezza  infer.  dell'  ante »       4. 

Larghezza  super.   »       »     »      3.    7.    6 

Alt.  del  capitelio  dell'  ante »       2.    8.  — 

Sporto  dello  stesso »      —  10.    3 

Fronte  dell  abaco »       5.    4.  — 

Arohitrare »       3.  10.    6 


442  Anhang  n.  Belege  und  EriXuteriingen. 

Fregio p.      3.    5.    9 

-Cornice »       1.    6.  — 

SpoFto  dellA  medesima »      —    6.  «— 

S.  297.  Tempel  des  HerakleB.  Der  Name  nach  Cie.  Verr.  lY,  43:  Heronlia 
templom  est  apnd  Agrigentinos,  noa  longe  a  foro,  aane  sanctnm  apud  illos  et  religioeom. 
— Senra  di  Falco  in ,  106 ,  Anm.  73 ,  sagt :  Grandissima  somiglianza  offire  qnetfto  tempio 
co'  piü  antichi  di  Selinnnte»  e  particolarmente  con  qoelli  segnati  £  ed  F,  tanto  per 
Teoeedeaza  deUa  sna  lunghezaa  in  rapportoallalargliezBa,  qoantoperla  forma  de' ei^itelli» 
partioolanneiifte  deUa  oomice,dieiiigUoniatiBomigliaiiodeir  intatto  a  qaeUi  del  tempio  F. 
ISerra  di  Falco's  Masse  sind : 

Lungbezza  compr.  i  gradini p.  284.    6.  tO 

Larghezza      »  »        »   106.  10.    4 

Lungheaza  deila  fronte  estema  del  grad.  sAp »  259.    2.    8 

Larghezza     »        »  »        »       »       »       »     97.  10.    6 

Lunghezza  della  cella »   184.    4.  — 

Larghezza      »       » »     53.    6.  «— 

Diametro  delle  ool.  del  peristilio »       8.    5.  10 

Altezza  delle  col.  del  peristilio »     38.  10.    2 

Sommo  soapo »       6.    3.  — 

Intercohmni  (var.) »       9.    4.    8 

Altezza  tot.  de'  gradini »      5.  10.    3 

Lorosporto »       4.    5.  10 

Altezza  del  capitello »      4.  11.  — 

Sporte  del  capitello »       2.    3.  — 

Alt.  delF  architrave  deir  peristilio »      6.    3.  — 

Alt.  del  fregio »       5.  10.    2 

Cornice  (hierin  die  Sima  mit  3,  2,  6 ;  also  ohne  sie  3,  7,6).    »      6.  10.  — 

Sporte  della  cornice »       3.    8.    6 

Diametro  delle  ool.  del  pronao »       7.    3.    6 

Trabeazione  interna 

Architrare »       6. 

Fregio »       5.    3.    5 

Cornice  sino  alla  cimasa  (Kymation)  della  Corona »       1.    9.    4 

Suosporto •  .    »       2.    2.    9 

S.  298.  Tempel  des  Zens  Olympios.  Diod.  XIII,  82:  ro  et  ovv  Olvfintov 
fiiXlov  lafißdvei»  ri^v  o^otf'fjp  6  n6lifioq  hmkvfuv  i(  ov  tijg  noXewg  nuTaaxaiptiovig 
ovdinoti  varsQov  ta^voav  uix^ayavvlvoi  xiXog  inid^tvtti  ro7c  oittodofiiifittaiv,  Kati  «fi  6 
vttug  ^oiy  TO  ftkv  fitjxos  no^ag  XQutxQOiovg  t^txuQaxwra ,  ro  Ji  nXar^g  i^^xovra ,  ro  ^k 

vijßog  kxttxhv  ifxoai  /w^U  tov  x^nidtifiarog, rtSy  d*  aXXtav  ij  f^XQ'^  ^Qtyx6iv  xovg  vemg 

oixodofiövvtmv  ^  xioai  roi)c  mixovg  nB^tXnfißncvovxctv ,  9vwog  htaxi^a^  xcvx€ifv  (Aixi%si  xtiv 
hTioaxaaetav.  ffVfpxoSofiBuvTo  yaq  ol  xiowig  xoig  xolxoigt  iim^^  fi^v  argoyyvXoi,  xo  d*  lyxhg 
xov  v€to  Üx'^rreg  xtXQoyutvov'  xal  xov  fihf  Ixxog  /aigovg  iaxlv  aut^v  t;  n$^i^(f€ia  nodiSy 
Btxooi,  xa^  tjv  tigxtt  ^ut^vafAaxa  Svvaxai  ayd'QtSnivop  ipttQfiotia&ai  tfttf^ut,  xov  d*  ivxhg 
Ttodßv  Mdexa,  xtiif  ^k  oxotSy  ro  fUyt^og  xai  x6  üif/og  i^aiow»  //ovoior ,  iv  ^hv  x^  nqog 
tt>  fiiQH  xfiv  ytyavxo/iittx^^  inotriüavxo  yXvfpatg  —  iv  dk  x^  3*po(  dvofiag  xr^y  aXmatv  xi^g 

TQoiag  — .  Faz.  1,6,1  (144) :  Id  templom  licet  proeeesu  aevi  oHm  oormerit ,  pars  tamen 
ejus  tribns  gigantibns  oolomnisque  soffoka  diu  post  superstitit:  quam  Agrigentina  urbs 
insignibus  suis  additam  adhuo  pro  monumento  habet.  Inde  Agrigentinis  vulgatum  Car- 
men :  Signat  Agrigentum  mirabilis  aula  gigantum.  At  tandem  Agrigentinorum  incuria 
anno  salut.  1461  5  id.  Decemb.  10  ind.  in  extremas  ruinas  abiit.  nihil  aUud  hodie  eo 
cemitur  loco ,  quam  insanarum  molium  cumulus ,  Palati  um  gigantum  vulgo  adhuc  appel- 


Za  Buch  m,  KAp.  6,  S.  297    301.  443 

* 
latus,  nt  hoe  epignumnate  imperitiam  barbariemque  puram  sonante  a  poeta  quodam 

ejiiB  secnli ,  et  oaaum  et  tempns  memoriae  (dum  prosterneliaiitar)  proditum ,  in  Archivo 
Agrigentino  inveni.  Ardoa  beUomm  fuit  gena  Agrigentinoram  |  Pro  cojus  iactis  magna 
virtute  peractia  |  Tu  sola  digna  Sicaloram  tollere  Signa  |  Gigantum  trina  cunctormn 
fenna  sablima  |  Paries  alta  niit,  civibns  incognita  fuit  t  Magna  gigantea  civibus  vide- 
batur  ut  dea  |  Quadrieenteao  primo  sub  anno  milleno  |  Nona  Deoembris  defecit  undique 
membris  |  Talis  ntina  fuit  indictione  bisquina.  ~  IhwB  der  Molo  aus  Steinen  dieses 
Tempels  erbaut  ist,  eagt  Bart.  HI,  413  u.  a.  Bttsende.  —  Unter  den  Gelehrten  und 
Kttnstlem,  die  sieh  mit  der  Eeetanration  dea  Tempels  beschäftigt  haben,  sind  zu 
nennen:  Pancrazi  II,  77—79;  Riedesel,  S.  46;  Winckelmann ,  Werke,  I,  298;  Quatre- 
mere  de  Quiney,  der  1779  in  Girgenti  war,  im  6.  Bande  der  Archiyes  iittöraires  de 
FEurope,  Par.  1805,  und  im  2.  Bande  der  Mömoires  de  Tlnstitut  de  France.  Par.  1815 ; 
St.-Non.  ly  (PI.  79  und  90],  der  wie  Quatremöre  de  Quincy  den  Tempel  zu  einem  octa- 
stylos  macht ;  Houel  lY,  p.  32 ;  PI.  227.  28 ;  wo  der  T.  zu  einem  hexastyloe  wird ;  Wil- 
kins,  chapt.  III,  PI.  14  ff.,  dem  er  ein  hexastylos  amphiprostylos  mit  12  Säulen  an  den 
Langseiten  ist ;  Marchese  Haus  (geb.  in  Wttrzburg  1748 ,  Erzieher  des  späteren  Königs 
Franz  I.  beider  Sic,  gest.  in  Palermo  1833 ;  vgl.  über  ihn  die  Memorie  von  Agost.  Gallo 
in  dessen  Estratti  di  opere  ed  opusc.  orig.  T.  L  Pal.  1834.  8.),  der  ein  Saggio  sul  tem- 
pio  di  Giove.  Pal.  1814  schrieb,  und  von  dem  Serra  di  Falco  sagt,  dass  durch  seine  pre- 
mure  U  govemo  si  mosse  nel  1802  ad  ordinäre  alcuni  scavi  nel  tempio,  che  ne  fecero 
conoscere  la  pianta ;  B.  Politi,  Lettera  al  Giantro  Panitteri  sul  tempio  di  Giove  Olimp.  in 
Agrig.  Pal.  1819,  der  ziferst  die  Besultate  der  Untersuchungen,  welche  besonders  1812 
durch  Cockerell  gemacht  wurden ,  nebst  eigenen  Vermuthungen  mittheilto ;  L.  Klenze, 
Der  Tempel  des  Olympischen  Jupiter  zu  Agrigent.  Stuttg.  und  Tttb.  1821.  4 ;  Lo  Presti, 
Dissertazione  apologetica.  Girg.  1827;  Cockerell,  The  temple  of  Jupiter  Olympins  at 
Agrigentum.  Lond.  1830;  Nicc.  Palmeri,  Memcnria  snlle  antichit4  Agrigentine.  Pal. 
1832.  8,  worüber  eine  ausführliche  Kritik  in  den  oben  genannten  Estratti  etc.  von 
Ag.  Gallo  II,  39  —  74;  N.  Maggiore,  Due  opuscoli  archeologici.  Pal.  1834.  8.  Serra 
di  Falco  im  3.  Bande;  Politi,  Yiaggiatore  in  Giigenti.  Ed.  2.  Pal.  1842.  8.  und  Atlas 
in  4.,  wo  die  von  Pol.  1819  ausgesprochenen  Ansichten  in  einigen  Punkten  modificirt  sind; 
endlich  die  sonstigen  Reisenden  nebstD.  209—11  (das  Vorstehende  theilweise  nach  Serra 
di  Falco  u.  Klenze). — Zwei  Eckthtlren  nahm  Cockerell  an;  Klenze  setzt  eine  Säule  mitten 
in  die  MittelthUr ;  die  im  Text  ausgesprochene  Ansicht  ist  entlehnt  von  Politi.  —  Ueber 
die  Construction  der  Säulen  sagt  Serra  di  Falco  III,  112:  II  fusto  delle  colonne 
componeasi  di  vari  strati  ognun  de'  quali  risnltava  da  sette  pietre  cuneari,  di  cui 
Festreme  formanwo  ad  un  tempo  stesso  parte  delia  colonna  e  delle  mnra.  L'imo  scapo 
per6  o  meglio  U  base  coetava  di  11  pezzl.  La  tegola  del  capitello  6  formata  di  3  pezzi, 
I'echino  sohimente  di  due.  —  Dass  die  Reliefs  sich  in  den  Giebelfeldern  befanden,  lässt 
sich  allerdings  ans  Diedor^s  Worten  nicht  erkennen,  aioni  sind  Hallen,  aber  nghi  %fa  und 
Tiifhs  Svaixas  konnten  innere  Elallen  des  Tempels  keinen  Raum  für  grossartige  Reliefs  dar- 
bieten ,  die  dort  kaum  sichtbar  gewesen  wären,  -r-  In  Betreff  dieser  Kunstwerke  macht 
Hittorff,  Restitution  du  temple  d'Emp^d. ,  p.  82 1  darauf  aufmerksam,  dass  sie  nach  dem  Prin- 
cip  derHannonie,  da  der  Tempel  Halbsäulen  hatte,  nicht  ronde  bosse,  sondern  haut  relief 
sein  mussten.  —  Dass  Ueberreste  von  11  Giganten  (von  Einigen  für  besiegte  Afri- 
kaner erklärt;  jedenfalls  also  als  Atlanten  oder  Telamonen  zu  bezeichnen)  erhalten  sind, 
sagt  Serra  di  Falco  III,  68.  Das  Wappen  von  Girgenti  ist  abgebildet  bei  Serra  di  Falco 
III,  3.  Die  Beischriffc  lautet :  Nomina  Gigantum  Enceladus,  Fama,  Gaeus  (soll  vielleicht 
Coeussein).  In  der  Abbildung  bei  Klenze,  Tafel  IV,  sind  es  3  Männer.  Die  männlichen  KOpfe 
der  Atlanten  haben  kleine  Löckefaen,  der  weibliehe  welliges  Haar.  ^  Bei  der  Berechnung  der 
Hohe  des  Tempels  sagt  Serra  dt  Falco ,  dass  die  H(Uie  des  Giebels,  zu  Vs  der  corona  an- 
genommen ,  28,8  betrage.   Das  stimmt  nicht  au  seinen  eigenen  Angaben.    Die  Breite  ist 


444  Anhang  IL  Belege  und  Erläuterungen. 

p.  189  von  Mitte  zu  Mitte  der  Ecksäulen,  205  für  die  oberste  Stufe,  215,10  für  die  un- 
terste Stufe.  Selbst  diese  letztere  für  die  Länge  der  Corona  zu  Grunde  gelegt,  beträgt 
das  Achtel  doch  nur  zwischen  26  und  27.  S.  301,  Z.  8  von  unten  ist  5,  11,6  zu  lesen. 

S.  302.  Tempel  desCastor  undPollux.  Der  Name  willkürlich  wegen  Pind. 
Ol.  III  gegeben.  Fazell  145  sagt  von  den  Tempeln,  die  den  Dioskuren  und  der  Proser- 
piua  in  Akragas  gewidmet  waren:  quo  Idco  duohaec  templa  steterint,  nuUis  vestigiis 
adhuc  comperi.  —  Nachdem  Keph.  I,  283  den  sogen.  Yulcantempel  als  T.  des  Kastor 
und  Pollux  beschrieben  hatte,  hat  Sief.  34  diese  Beschreibung  iirthümlich  auf  denje- 
nigen Tempel  angewandt,  den  man  gewöhnlich  T.  des  Kastor  und  Pollux  nennt. 
Serra  dl  Falco's  Masse  sind : 

Lunghezza  compr.  i  gradini p.  132.  —   — 

Larghezza      »  »  »     61.  —   — 

Lunghezza  della  fronte  estema  del  grad.  sup.    »   123.  —   — 
Larghezza      »        »  »        »»»»52.  —   — 

Lunghezsni  della  cella »     94.  —   — 

Larghezza      »       »      »     22.  —  — 

Diametro  delle  colonne »       4.    7.  — 

Sommo  scapo »       3.    2.  — 

Altezza  deUe  colonne  compr.  il  capitello  ...    »     23.     1.    6 

Altezza  del  capitello »       2.  10.  — 

Spdrto  del  capitello »       1.    1.  — 

Altezza  deir  architrave  del  peristilio    ....»*   3.    7.    3 

Altezza  del  fregio »       3.    8.    2 

Comice »       3.    5.  11 

Sporto  della  comice »      4.    4.    9 

Altezza  della  cimasa  interna »       1.     1.    6 

Altezza  dell'  ante »       5.    4.  — 

Suo  sporto »      —  lü.    3 

Südlich  von  diesem  T.  in  der  Nähe  der  Stadtmauer  hat  Schubring  noch  den  Unterbau 
eines  anderen  Tempels  entdeckt. 

S.  302.  Masse  des  Ceres- und  Proserpinatempels  nachD.  204: 

Länge  des  Stylobats  oben  91 ' 
Breite    »  »  »      41'  4'' 

Tiefe  des  Pronaos    .   .   .  25 ' 

»      >»   Naos 66' 

S.  302.  Der  Name  Asklepiostempel  nach  Pol.  I,  17.  18,  wonach  er  8  Stad.  ron 
der  Stadt  entfernt  ist,  was  ungefähr  passt.  Masse  nach  Serra  di  Falco : 

Lunghezza  oltre  i  gradini  ....  p.  78.    9.  — 
j»         interna  della  cella    .  .    »   47.  11.  — 

Sua  larghezza »29.    8.  — 

Gross,  delle  mura »      2.  10.  —  • 

Diam.  d.  colonne •       4.    2.  —  . 

Nach  Gic.  Yerr.  IV,  43  war  in  diesem  Tempel  ein  Apoll  des  Myron ,  von  Scipio  aus  Kar- 
thago dahin  gebracht.  Ob  an  seinen  ursprünglichen  Standort?  Nach  dems.  IV,  3  war 
bei  Heins  in  Messana  ein  Herakles  Myron's.  —  Ueber  die  für  den  T.  des  Zeus  Po  Ileus 
gehaltenen  Beste  in  S.  Maria  de'  Greci  vgl.  ausser  Serra  di  Falco  und  D.  198  die  Rela- 
zione  sui  lavori  etc.  p.  26. 

S.  303.  Tempel  von  Segesta.  Nach  Cic.  Verr.  IV,  33  ist  allerdings  Segasta,  cum 
illa  civitas  cum  Poenis  suo  nomine  et  sua  sponte  bellaret,  a  Carthaginiensibus  vi  capta 
ac  deleta,  und  aliquot  saeculis  post  war,  wie  Cicero  hinzufügt,  der  dritte  punische 
Krieg.   Sonst  wissen  wir  Nichts  von  dieser  Zerst($rung  Segesta's  durch  die  Karthager, 


Zu  Buch  lUy  Kap.  6,  S.  302—304.  445 

da  Diod.  XXTIT,  5  x^aroifitpot  doch  nur  beherrscht  werden  bezeichnet,  und  Front.  III, 
10, 4  sich  auch  wohl  irrt.  Sollte  es  einirrthum  Cicero's  sein  ?^  Masse  nachSerra  diFalco : 

Lunghezza  compr.  i  gradini  .  .  *  .  p.  237.  3.  5 
Larghezza      »  »         .   .   .   .    »    102.    —    8 

Lunghezza  deir  estemo  delle  col.  .  .  »  225.  1.  5 
Larghezza     »        »  »       »    .   .    »     89.  10.    8 

Diametro  delle  col »       7.    3.    9 

Sommo  scapo »       6.    1 .  — 

Intercolnnni  (alcuni  variano)  .  .  .  .  »  9.  7.  — 
Altezza  totale  de'  4  gradini  .  .  .  .  »  8.  7.  — 
Altezza  delle  col.  compr.  11  capitello   »     35.  11.  — 

Capitello «       3.  10.    3 

Fronte  deir  abaco »       9.     1 .    6 

Sporto  del  capitello »       1 .    6.    3 

Altezza  dell'  intera  trabeazione ...    »     13.    9.    6 

Architraye »       5.     7.  — 

Fregio »       5.     8.    6 

Cornice o       2.    6.  — 

Sporto  della  comice »       3.     i.    6 

Larghezza  de'  trigUfi    ...*....»       3.     4.  — 

Altezza  dei  frontone »     11.11.    6 

Cavallari  hat  an  den  Langseiten  des  Tempels  eine  Abweichung  der  Linien  der  Stufen 
von  der  Horizontale  bemerkt,  welche  in  der  Mitte  eine  Erhöhung  von  11  Centim.  aus- 
macht und  auch  dem  Auge  des  Beschauers  erkennbar  ist.  BuUett.  della  comm.  2,  16. 
Durch  denselben  ist  neuerdings  der  Tempel  mit  einem  Kostenaufwand  von  19,000  Lire 
restaurirt  worden,  Relaz.  p.  30.  Ich  finde  nicht,  dass  man  mit  D.  149  das  Gebälk  unu- 
sually  heavy  and  massive  nennen  kann.  Bei  dem  Tempel  C  in  Selinus  ist  das  Verhält- 
niss  der  Säulenhöhe  zur  Gebälkhöhe  ca.  2V5ZU 1,  beim  Goncordientempel  von  Akragas  ca. 
21/4 ;  beim  T.  von  Segesta  aber  ca.  2^8.  Bei  den  4  anderen  sicilischen  Tempeln ,  bei 
denen  es  sich  noch  nachweisen  lässt,  ist  es  folgendes:  £  und  F  in  Selinus  ca.  2^3; 
Uerakles  in  Akragas  ca.  2V2 ;  G  in  Selinus  ca.  3.  Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  um  aus 
Nissen's  höchst  bemerkenswerther  Schrift:  Das  Templum.  Berlin  1869.  8.,  die  Richtung 
einiger  hellenischer  Tempel  Siciliens,  die  vielleicht  von  Bedeutung  ist  flir  die  Bestim- 
mung der  Gottheit ,  der  sie  gewidmet  waren ,  zu  verzeichnen.  Ost  ist  als  270 ,  Süd  als 
360  gerechnet.  Hiemach  hat  die  Vorderseite  (im  Allgemeinen  Ostseite)  nachbenannter 
Tempel  folgende  Himmelsrichtung : 

T.  des  Zeus  in  Akragas 255 

»   der  Juno  »         o        258 

»    des  Kastor  und  Pollux  das.  .   .  258,30 

Kap.  des  Phalaris  das 265 

T.  der  Concordia     »       266 

»   der  Ceres  u.  Pros 298 

»   von  Segesta 261 

Kathedr.  von  Syrakus 266 

T.  d.  Apollon  in  Syr 268 

S.  Pancrazio  in  Taorm 2b6 

Vgl.  Nissen,  S.  180.  181.  230. 

S.  304.    lieber  den  Tempel  von  Himera  die  dürftigen  Nachrichten  Cavallari's^ 
Avanzi  d'Imera  im  Bullett.  2  (Masse  fehlen  noch),  femer  Relaz.  p.  13. 

.  S.  304.  lieber  die  Sarkophage  von  Cannita  Bullett.  1  (Artikel  von  Fr.  di  Gio- 
vanni und  Giov.  d'Ondes  Reggio  mit  photograph.  Abbildungen),  wodurch  die  Nachrich- 


446  Anhang  11.  Belege  und  Erläuterungen. 

ten  und  Abbildungen  von  d'OrvUte  (nach  dem  Abt  Mich,  del  Giudice)  ihren  Werth  ver- 
loren haben.  Ähnlich  ist  der  1855  in  Saida  gefdndene  Sarkophag  Eemunasar'a  und  ein 
in  Syrien  in  Bruchstücken  von  Renan  gefnndener.  ^  Vgl.  auch  Scin&  I,  59. 

S.  305.  Plin.  XXXV,  61 ,  nachdem  von  Zeuzis  die  Rede  war  —  Demophilum  Hime- 
raeum  et  Nesea  Thasium  quoniam  utrius  eorum  discipulus  fuerit,  ambigitur.  Ich  habe 
D.  der  Kürze  wegen  als  Lehrer  bezeichnet.  PI.  XXXV,  154 :  Piastae  laudatissimi  fuere 
Damophilus  et  Gorgasus,  iidera  pictores,  qui  Cereris  aedem  Romae  ad  circum  maxumnm 
nti'oque  genere  artis  suae  excoluerant  versibus  inscriptis  Graece  quibus  significarent ,  ab 
deztra  opera  Damophiii  esse,  ab  laeva  Gwgasi.  -^  Ueber  die  Zeit  des  Tempels  D  H 
VI,  17  und  94 ;  Tac.  Ann.  II,  49.  Vgl.  R.  Rochette,  Peintures  antiques  iuMites.  Par. 
ISaö.  4.,  p.  278  ff.  Brunn,  Gesch.  der  Gr.  Kttusüer  I,  530. 

S.  305.  Ueber  die  Vasen  0.  Jahn's  Einleitung  zu  seiner  Besebreibung  der  Vasens. 
KOn.  Ludwigs.  München  1854.  8.  u.  0.  Benndorf  in  Arch.  Ztg.  1867.  S.  113  ff. 

S.  306.  Ueber  die  sonstigen  Thonarbeiten  (Fr.  di  P.  Avolio)  DeUe  antiche 
fatture  di  argilla  che  si  ritrovano  in  Sioilia.  Pal.  1829.  8.  mit  12  Tafeln.  Das.  S.  151 
vou  einer  antiken  Form  der  geflügelten  Isis,  gefunden  in  Akragas.  Das.  S.  122.  23.  von 
dem  Funde  eines  antiken  fomace  da  vasajo,  mit  17  Lampen  und  einigen  Gefässen,  bei 
Riesi.  Nach  F.  Ansaldi,  Moiium.  dell'  antica  Centuripi,  p.  67,  ist  in  der  contrada  del  ca- 
pitano  bei  Centorbi  »un'  antica  stazione  di  lavori  di  fatture  figuline«  gefunden,  wo  man 
bemerkte  »de'  mattoni  e  delle  stoviglie  parte  compite  e  parte  incompite,  fra  le  quali  un 
dolio,  ed  in  oltre  un  bacino,  ed  il  fomo  formato  di  mattoni«. 


m. 


VerzeiclmiBS  wichtigerer  Höhen  des  nordwestlichen  Siciliens 
in  Metern,  nach  den  Karten  des  EOnigl.  Ital.  Generalstabes. 


Der  Zug  der  Berge  ist  im  Allgemeinen  von  NO.  nach  S W.  gerichtet ,  wie  auch  die 
Flusslinien  andeuten.  —  Im  Folgenden  bedeutet  M.  Monte,  P.  Pizzo. 


M«ter 

Westlich  vom  Fiume  Grande ,  dem  Himera  der  Alten ,  südlich  von  der 

Stätte  des  alten  Himera  (Bonfomello)  erhebt  sich  der  Pizzo  BasocoUo  zu    .   .  553 

Die  Stadt  Gerda  liegt 273,80 

Südlicher  der  P.  della  Guardia 597 

Südlich  der  M.  Raceddito 1125,3 

Im  NW.  davon  liegt  die  Stadt  Montemaggiore 515,61 

Westlich  davon  der  M.  Scardillo 640 

Südlich  im  Bosco  della  Favara  die  Serra  Amusa 1000 

Südwestlich  la  Montagna  bei  Alia 920 

Südöstlich  davon  S.  Tignino 995,15 


Westlicher,  jenseits  (westlich)  vom  Fiume  Torto  finden  wir  südlich  von 

Termini  den  S.  Calogero 1325 

Seine  Absenker  gehen  nach  SW. 


Zu  Bach  lü,  Ei^.  6,  S.  305.  306.  ^  Verzeiohnisa  wichtigerer  Hühen  etc.      447 

Meter 

Portella  Btretta II53 

Mercato  Ferrato 896 

Westlich  liegt  Caccamo 424,22 

Südlich  davon  P.  Bobco 691,28 

SW.  Monte  dei  Manch! 806,62 

SW.  vom  BUdlicher  gel^enen  Boecapalttmba  Cozzo  il  Piliero  .  .  .  714,02 

Noch  südlicher  liegt  Lereara 660 

Westlich  von  Roccapalumba  aber  die  Stadt  Yicari 650 

Monte  S.  Angelo  bei  Vicari 760,71 


Westlicher,  jenseits  des  F.  S.  Leonardo  oder  Termini,  zwischen  ihm 
und  dem  F.  Milicia,  der  (istlich  vom  Capo  Za&rana  mttndet,  dehnt  sich  ein 
Bergland  aus,  aus  welchem  der  F.  S.  Miehele  herkommt.  Dasselbe  ist  im 
Allgemeinen  im  Osten  niedriger  als  im  Westen.  Oestlioh : 

M.  Piramo 789 

Rocca  S.  Feiice 750 

Westlich  höher :  P.  della  Neviera 870 

P.  di  Cane 1137 

P.  di  Campisi 1070 

P.  della  Trigua 1257 

M.  Cane 1227,43 

Beide  Seiten  vereinigen  sich  südlich  im  P.  Nudo 1229 

oberhalb  der  Stadt  Ventimiglia,  welche  liegt 580 

Westlich  liegt  die  Stadt  Baucina 546,25 

Noch  westlicher  Marineo ca.     540 

und  Diana  Gefala 657,35 

Hier  senkt  sich  das  Land  nach  dem  F.  Milicia.   Südlich  von  Ventimiglia 

liegt  Ciminna ca.    500 

das  südlich  von  sieh  ein  Bergland  hat,  welches  dem  vorigen  sehr  ähnlich 
ist,  indem  es  sich  ebenso  nach  S.  zuspitzt,  wohin  es  auch  schroff  abf&llt. 
Es  wird  umflossen  vom  F.  Yicari  (S.  Leonardo,  Termixii)  im  S.  und  einem  Ne- 
benflusse desselben  im  N.  Hier  ist  Serre 777,40 

Ein  anderer  Nebenfiuss  kommt  von  Meszojuso 628,14 

Südlich  davon  ist  der  P.  della  Mezzaluna 929,91 

Noch  südlicher  Margana 405 


Westlicher,  jenseits  des  F.  Milicia,  finden  wir  in  dem  isolirten  Berglande 

des  Vorgebirges  Zafarana  den  M.  Montalfano 373,8 

westlicher  M.  d'Aspra 357 

Südlich  davon  ist  die  Einsenkung,  in  welcher  Bagheria  liegt    .  .   .  80—90 

SW.  von  Bagheria  M.  Ciancagno 310 

südlicher  M.  Porcara 379 


Wenn  wir  die  Fortsetzung  dieser  Gebirge  nach  SW.  verfolgen, . so  gelan- 
gen wir  in  das  Gebirgsland ,  als  dessen  antiken  Namen  wir  Kratas  kennen  ge- 
lernt haben.  Im  0.  ist  nördlich  von  Vallelunga  bei  Valle  d'Olmo  P.  S.  Pieri  .  1080,50 


448      Anhang  III.  Verzeichniss  wichtigerer  Höhen  des  nordwestlichen  Siciliens. 

Südlich  senkt  sich  das  Land ;  die  Gewässer  erglessen  sich  nach  S.  zum 

SalitO,  dem  Nebenfluss  des  Platani.  Hier  liegt  Vallelnnga 472,39 

^  Villalba 642 

Weiter  westlich  gehen  die  Gewässer  im  N.  znm  F.  Torto ,  im  Sttden  zum 
Platani,  der  eine  recht  tiefe  Einsenkung  bildet. 

Das  Thal  zwischen  Castronuovo  und  Gammarata  sinkt  auf 410 

während  der  P.  di  Guardia  über  Castronuovo 920 

und  etwas  weiter  westlich 1020 

hat.  •   • 

Bei  Gammarata  haben  die  Monti  Gemelli 1406 

und 1576,52 

östlich  davon  fliesst  der  Platani  in  einer  Höhe  von 250 

jenseits  des  Platani  ist  das  Bergland  von  S.  Vito  bei  Mossumeli  .  .  888,01 
und  südlich  davon  der  kegelförmige  S.  Paolino  bei  Sutera  ....  818,59 
westlich  hiervon,  jenseits  (westlich)  vom  Platani  Casteltermini.   .  .    550 

Westlich  hiervon  Alessandria 503,37 

Cianciana 380 

Im  SW.  weiter  nach  dem  Meere  zu  Pizzo  di  Minico 460 

M.  Sara 433 

Pizzo  della  Croce  (4000  Meter  vom  Meere) 153 


Westlich  von  Castronuovo  und  Gammarata  sind  wieder  bedeutende  Höhen : 

M.  Carcaci 1195,50 

Serra  del  Leone 1316,36 

Prizzi  liegt  in  einer  Höhe  von 1006,84 


Südlich  kommen  wir  zu  dem  vom  Macasoli  im  0.  und  Caltabellotta  im  W. 

eingeschlossenen  Berglande,  in  welchem 

Prizzi  gegenüber  der  M.  Inesi 1064 

Palazzo  Adriano ca.    680 

M.  Rose,  südlich  vom  M.  Inesi 1436,13 

Am  Fusse  desselben  Bivona 520 

Südwestlich  vom  M.  Rose  P.  Mondello 1216 

Westlich  davon  Piano  delle  Fontane 1190 

und  nun  nach  SW. 

Serro  di  Biondo 1137,84 

unter  dem  Burgio  liegt 376,91 

2000  Meter  davon  ist  das  Ufer  des  Finme  di  Caltabellotta    .   .   ca.     150 

Südlich  von  Burgio,  jenseits  Villafranca  und  Lucca  erhebt  sich 

der  P.  di  Canalicchio 615,94 

Weiter  südlich  Calamonaci 306,75 

östlich  von  Burgio  P.  del  Castellazzo 827 

im  SO.  M.  S.  Nicola 645,63 

im  SW.  Ribera 267 

am  Meere ca.      50 


Anhang  III.   Verzeichniss  wichtigerer  Höhen  des  nordwestlichen  Siciliens.     449 

Meter 

Wenn  wir  nun  wieder  nach  N.  zurückkehren ,  so  erhebt  sich  im  SW.  von 
Mezzojuso  das  Land  nach  S.  zu  sehr  in  der  Montagna  del  Casale,  wo  die 

Rocca  di  Busamara 1673  99 

welche  an  das  Bosco  della  Ficuzza  stOsst. 

SOdlich  davon  liegt  Corleone ca.    600 

Südlich  Montagna  Vecchia III4 

Weiter  südlich  Monte  Cardellia 1264  60 

Wolter  südlich  M.  Barato I440' 

Weiter  südlich  M.  Colomba 1197  63 

und  M.  Irione,  den  Ort  Bisacqnino  überragend 1214  67 

Bisacquino  selbst  liegt ca.    700 

südlich  Chiusa ca.    620 

westlicher  Ck>ntessa 52o 

südlich  davon  die  Abtei  S.  Maria  del  Bosco 827  72 

Westlich  von  Chiusa  liegt  Giuliana 665 

noch  westlicher  M.  Genovardo 1179  17 

von  wo  schnelle  Abdachung  nach  SW.  Sambuca 368  87 

Südlich  von  M.  Genovardo  ist  dagegen  das  Bergland  von  Galtabellotta 

zunächst  La  grau  Montagna 951  57 

die  südliche  Abdachung  Bocca  Ficuzza 900,86 

Nach  SW.  Senkung  bis 400 

Hiervon  östlich  und  südlich  von  der  grau  Montagna  liegt  Galtabellotta, 

sich  erhebend  bis 949,06 

während  östlich  davon  am  Flusse  nur 12o 

Nach  SW.  zu  der  S.  Galogero  bei  Sciacca 390 

Sciacca  selbst 50~-80 


NW.  von  Sambuca  S.  Margherita 470 

nach  dem  Meere  zu  Memfirici » 120 

Capo  Porto  Palo 51,36 


Am  Beiice  sinistro  Bocca  d'Entella 568 


Endlich  greift  das  Hochland  über  die  beiden  Beiice  nach  W.  hinüber  in 
dem  Berglande  von  Poggio  Beale,  Sala  Paruta,  Gibellina,  Ninfa,  Partanna. 

Hier  ist  Sala  Paruta 358,42 

M.  Fenestrelli 662,74 

S.  Ninfa ca.  460 

Partanna 421 

Südlich  davon  im  Breitengrade  von  Castelvetrano 

Torre  Mendolia 176,49 

Selinus ' 30—40 

Etwas  westlicher :  Höhe  im  N.  von  Castelvetrano 210 

Castelvetrano 190 

Campobello 100 

Westlich  davon  C  S.  Nicola 76,20 


Holm,  Gesch.  SidlienB.  I.  29 


450    Anhang  III.    Verzeichniss  wichtigerer  Höhen  des  nordwestlichen  Sieiliena. 

«  Meter. 

In  derselben  Richtung,  von  NO.  nach  SW.,  zieht  sich,  westlich  von  dem 
soeben  beschriebenen  Berglande,  das  wir  von  Mezzojuso  bisCampobeUo  und 
CS.  Nicola  verfolgten,  eine  Senkung  hin,  welche  durch  den  oberen  Lauf 
dreier  Flüsse,  des  Beiice  destro,  von  seinem  Hervorbrechen  aus  der  Gebirgs- 
mauer  südlich  von  Plana  de'  Greci  bis  nordöstlich  von  Poggio  Reale,  des  F. 
Freddo,  und  des  Delia  bezeichnet  wird.    Hiei;  erheben  sich  zwischen  Belioe 

sinistro  und  destro  M.  Galliello 573,70 

M.  Maranfusa 485 

gegenüber,  jenseits  (westlich)  vom  B.  destro  La  Montagnola  .   .   .     457,50 
und  wieder  zwischen  beiden  Beüce  P.  di  Gallo 614 


Wir  kommen  nun  zu  dem  nördlichen  Zweige  des  Hanptgebirgszuges  der 
Insel,  den  die  soeben  bezeichnete  Senkung  von  dem  zuvot  beschriebenen 
Zweige  abscheidet.  Hier  haben  wir  zuerst  die  Gebirge  zu  betrachten ,  welche 
die  Conca  d'oro  von  Palermo  umgeben.  Sie  sondern  sich ,  wenn  wir  vom  Gap 
Zafarana  und  dem  noch  zu  erwähnenden  M.  Pellegrino  absehen,  in  eine  Ostliche 
und  eine  westliche  Gruppe ,  welche  durch  den  Oreto  geschieden  sind.  Die 
Südwand  der  östlichen  wird  ausserdem  durchbrochen  durch  den  Beiice  destro. 
In  dieser  Ostgruppe,  deren  Hauptmasse  gewöhnlich  Montagna  di  Palermo  ge- 
nannt wird,  und  an  deren  Nordfusse  das  wegen  seiner  Aussieht  auf  Palermo 
viel  besuchte  Kloster  S.  Maria  di  Gesü  liegt,  haben  wir 

P.  Neviera  südlich  von  Belmonte 848 

südwestlich  die  Hochebene  von  Plana  de'  Greci,  das ca.    700 

Südlich  davon  eine  Höhe 657 

südöstlich  von  Belmonte  M.  Giammarita 829 

wovon  im  NO.  Misilmeri  liegt ca.    200 

Westlich  am  Rande  des  Oretothales ,  Honreale  gegenüber ,  liegt  der  P.  d. 
V«  Fico 763 

Südwestlich  der  Ort  Parco ca.    300 

Unmittelbar  westlich  und  oberhalb  von  P.  de'  Greci  P.  del  Hagazzino  .   .  1307 

Südlich  davon,  jenseits  der  Senkung,  durch  die  der  Weg  von  P.  de'  Greci 
nach  Jato  in  westlicher  Richtung  führt,  Serra  della  Ginestra  und  La  Cometa  .  1231 

zwischen  denen  und  dem  östlicheren  Cozzo  Malanoce 898 

der  Beiice  destro  fliesst. 

Noch  östlicher  P.  Parrino 966 


Der  Oreto  entsteht  hauptsächlich  aus  zwei  Quellarmen,  welche  durch  eine 
dazwischen  sich  erhebende,  ebenfalls  theilweiso  von  SW.  nach  NO.  ziehende 
Bergmasse  getrennt  sind.  Von  diesen  Bergen  sind 

M.  Matazzaro 1150,12 

M.  Valle  fredda 1043 

Zwischen  M.  Matazzaro  und  P.  del  Magazzino  geht  der  Weg  von  Mon- 

reale  nach  Jato,  der  auf  etwa 650 

herabgeht ;  wogegen  im  N.  von  M.  Valle  fredda  der  Weg  von  Monreale  nach 

Partinico  geht,  der  auch  auf 640 

herabgeht. 


I 


Anhang  III.    Verzeichniss  wichtigerer  Höhen  des  nordwestlichen  Siciliens.    451 

Meter 

So  bleibt  denn  zwischen  Jato  und  Partinico  ein  Bergland  dessen  höchster 

Punkt  ist  M.  Mirto 1081 

um  den  sich  lagern : 

Südlich  nach  Jato  9u  M.  Signora 1052 

östlich  M.  Bonda 1022 

nördlich  C.  Neto 755 

NW.  M.  Cesaro  oberhalb  Partinico 453 

Partinico  selbst ca.  200 


Nördlich  von  dem  eben  beaseichneten  Wege  zwischen  Monreale  und 
Partinico  ist  sodann  das  Bergland ,  das  im  NO.  zum  C.  Gallo,  im  NW.  zur 
Punta  di  Baisi  und  zum  C.  Rama  ausläuft. 

Hier  liegen  am  südlichsten :  P.  di  Aci 7S8 

M.  Gibinnesi 1203 

NO.  über  die  Serra  deir  Occhio ,  unter  der  im  0.  das  Kloster  S.  Martino 

liegt, ca.    640 

und  den  P.  8.  Anna 983 

zum  M.  Cuccio,  dem  Mittelpunkt  des  Gebirges  westlich  von  Palermo  1050,47 
östlich  von  S.  Martino,  am  Hände  des  Thaies,  liegt  die  Stadt  Mon- 
reale  ca.  300—350 

Im  W.  vom  M.  Cuccio  schneidet  das  Thal  von  Torretta  ein,  dass  sein 
Wasser  in  die  Bucht  von  Carini  ergiesst.  Gehen  wir  nach  C.  Gallo  zu,  so  haben 

wir  Castellucdo 959 

M.  Monolfi 762,58 


Oestlich  von  M.  Cuccio  sinkt  das  Land  (Conca  d'oro)  so,  dass  der  höchste 

Theil  in  der  Gegend  der  Favorita 80 

jenseits  (östlich)  erhebt  sich  der  M.  Pellegrino 598,66 


Gehen  wir  westlich,  so  finden  wir  jenseits  des  Thaies  Torretta  die  Carini 
umschliessenden  Gebirge.  8W.  von  Torretta 

C.  Tre  Pizzi 860 

P.  Cicina 872 

Im  S.  von  Carini  M.  Saraceno 1002 

Südlich  davon  in  einer  zur  Bucht  von  Castellamare  führenden  Senkung 

Montelepre  und  Giardinello 340 

Nordwestlich  hiervon,  im  W.  von  Carini,  welches  selbst ca.  200 

Südlich  M.  Mediello 879 

Montaniello 963,66 

M.  Longa 939 

Nach  der  Punta  di  Raisi  (im  N.)  zu 

P.  di  Sbauli  oberhalb  Cinisi 780 

Westlich  nach  C.  Rama  zu,  im  Monte  Palmito :  P.  di  Paviglione  ....  640 


Im  SW.  von  M.  Matazzäro,  der  das  Thal  des  Oreto  abschliesst ,  liegen 
neben  S.  Giuseppe,  zwischen  den  Quellen  des  Fiume  Jato  die  Ruinen  von  Jato    850 

29* 


452    Anhang  III.    Verzeichniss  wichtigerer  Höhen  des  nordwestlichen  Siciliens. 


# 


Meter. 

Weiter  nach  W.,  jenseits  des  F.  Jato  treffen  wir  die  Berggnippe  von  Al- 

camo,  welches  selbst  in  einer  Höhe  von 260 

liegt,  während  im  NO.  das  Castell  von  Calatub6 150 

Südlich  von  Alcamo  der  M.  Bonifato 827,34 

Westlich  davon  fliesst  der  F.  Freddo,  zwischen  dessen  Qelien  sich  der  M. 

Pietroso  erhebt 530,18 

Westlich  davon  liegt  der  P.  del  Bosco 400 

Dann  kommt  nach  W.  zu  der  F.  Galdo,  wovon  westlich 

Segesta,  dessen  Tempel • 303,57 

Südlich  von  Galatafimi  M.  della  Baronia 628,54 

von  wo  sich  nach  SW.  über  den  M.  Sette  soldi 515 

das  Bergland  nach  Salemi  erstreckt,  das  hoch  liegt 442,43 

oberhalb  Salemi's  M.  delle  Rose 524 

Von  hier  nach  N.  M.  Polizo 713,03 

weiter  nach  N.  M.  Grande 750,87 

noch  weiter  nach  N.  M.  delF  Agnone 506 

noch  weiter  M.  Mola 373,83 

Die  drei  letztgenannten  Berge  liegen  zwischen  den  Quellen  des  F.  Birgi.  — 
Wir  befinden  uns  hier  im  Meridian  des  Capo  S.  Vito,  nach  dem  hin  sich  ein 
Gebirgsarm  zieht.  Derselbe  erhebt  sich  westlich  vom  F.  S.  Bartolomeo,  nörd- 
lich von  Segesta  und  südlich  von  Castellamare  im  M.  Inice  zu 1064 

Nach  Westen  senkt  sich  der  Berg  M.  Mantello 454 

Nördlich  hiervon  ist  eine  Senkung ,  durch  welche  die  Gewässer  theils  in 
den  Golf  von  Castellamare,  theils  nach  W.  fliessen,  wo  NO.  vom  Eryx  der  Rio 

Forgia  mündet.  Nördlich  von  diesem  Einschnitt,  der ca.  200 

erhebt  sich  die  Gruppe  des  M.  Sparagio 1 129 

von  wo  die  Gebirge  einerseits  nach  W.  zum  M.  Cofano  und  der  Punta  del  Sa- 

raceno,  andererseits  nach  N.  über  M.  dello  Speziale 788 

und  M.  Passo  di  Lupo 860 

zum  C.  S.  Vito  laufen.  

Westlich  von  dem  oben  genannten  Rio  Forgia  senkt  sich  das  Land  mehr 

und  mehr ;  ca.  4000  Meter  östlich  vom  Fuss  des  Eryx  ist  seine  Höhe    ....  180 

Dieser  selbst  erhebt  sich  zu 751 

nördlich  vom  Gipfel,  keine  1000  M.  vom  Meere  liegt  S.  Matteo 350 

Südlich  vom  Eryx  die  Stadt  Paceco 30—40 

Wenn  wir  von  Salemi  nach  W.,  nach  Marsala  zu  gehen ,  so  finden  wir 

14,000  M.  von  der  Rüste  M.  Borania 247 

Weiter  nach  W.  findet  sich  ein  nach  0.  ausgebauchter,  nach  W.  abfallen- 
der Rand,  einem  alten  Merresufer  ähnlich ,  hoch 120—150 

noch  westlicher  zieht  sich  ein  zweiter  Rand  hin ,  welcher  die  Sehne  des  oben- 
genannten Bogens  bildet,  etwa  4000  M.  vom  Meere,  hoch ca.  100 


Auf  der  Isola  di  Levanzo  ist  Pizzo  Corvo 208 

P.  del  Monaco 290 

Auf  Favignana  ist  P.  deUa  Campana 295 

F.  S.  Caterina 326 


IV. 

Zn  den  Karten  und  Plänen. 


I.  Vergleichende  Karte  des  alten  Siciliens.  Nach  denselben  Grund- 
sätzen angelegt,  wie  die  meiner  Abhandlung :  Beiträge  zur  Berichtigung  der  Karte  des 
alten  Siciliens,  Lübeck  1866.  4.  beigegebene  Karte ,  mit  der  sie  insbesondere  das  gemein 
hat,  dass  sie  in  Bezug  auf  die  Terrainzeichnung  nur  im  Allgemeinen  andeuten  will ,  wo 
die  Insel  bergig  ist  —  so  lange  nicht  die  Kön.  Ital.  Generalstabskarte  fertig  vorliegt,  ist 
das  Terrain  der  ganzen  Insel  überhaupt  nicht  darzustellen  — ,  bietet  sie  doch  in  der  An- 
gabe der  antiken  und  modernen  Namen  einen  leicht  durch  Yergleichung  zu  findenden 
Fortschritt  gegen  jene,  und  in  zwei  wichtigen  Punkten  gegen  alle  bisherigen  Karten  der 
Insel.  Diese  zwei  Punkte  sind  :  der  Lauf  der  beiden  Beiice  und  des  Dittaino.  Diesen 
letzteren  lassen  die  Karten  etwa  unter  dem  Breitengrade  von  Catania  sich  mit  dem  Si- 
meto  vereinigen,  so  dass  fast  die  ganze  Ebene  von  Catania  südlich  von  ihm  bleibt.  Nach 
der  Karte  des  Ital.  Generalstabes  fliesst  er  etwa  2  geogr.  Meilen  südlicher  in  den  Simeto, 
und  der  grOsste  Theil  der  Ebene  von  Catania  ist  nOrdlich  von  ihm.  lieber  den  Lauf  der 
beiden  Beiice  hatte  ich  in  der  oben  cit.  Abhi^dlung  S.  37  meine  Bedenken  gegen  die 
vorhandenen  Karten  ausgesprochen,  auf  Grund  der  Berichte  FazelFs.  Sie  sind  durch  die 
Kön.  Ital.  Generalstabskarte  vollkommen  bestätigt  worden.  Der  Lauf  der  beiden  Beiice 
ist  folgender.  Der  B.  destro ,  bei  Plana  de'  Greci  entspringend ,  bricht  zwischen  den 
Bergen  La  Cometa  und  Halanoce  hindurch  in  das  innere  Sicilien.  Rechts,  .in  einer  Ent- 
fernung von  5000^Meter  bleibt  S.  Giuseppe  Jato,  links  ganz  nahe  Pietralunga ,  hierauf 
erhalt  er  von  Osten  einen  Zufluss :  den  Malivello ,  und  bespült  die  links  bleibenden  M. 
CktllieUo  und  M.  Maranfusa  (Calatrasi) ,  hinter  welchem  der  OrtRoccamena  liegt.  Der  n^d- 
liche  Quellfluss  des  B.  sinistro  entsteht  südöstlich  des  obengenannten  Berges  Malanoce ; 
es  vereinigen  sich  in  ihm  die  Gewässer  nördlich  und  südlich  von  der  hohen  Montagna  del 
Casale,  in  der  die  Rocca  Busamara  auf  1673  M.  ansteigt.  Dann  kommen  dazu  die  in  der 
Richtung^von  SO.  nach  NW.  fliessenden  Fiume  di  Corleone,  Torrente  di  Batticano  (von 
Campofiorito  herkommend),  Torrente  di  Realbate,  Chiarillo  und  Vaccarizo,  wovon  im 
Norden  die  Rocca  d'Entella  liegt.  Dann  vereinigt  sich  der  sinistro  mit  dem  destro.  — 
Ich  bemerke  noch,  dass  auf  der  Karte,  auf  der  ich  Phintias  statt  Phintia  zu  lesen  bitte, 
nur  das  Nöthigste  angegeben  ist ;  spätere  Namen,  insbesondere  solche,  die  nur  als  Statio- 
nen der  Itinerarien  vorkommen,  sind  fortgelassen.  —  Der  Karton  ist  nach  Schubring 
(bereits  von  Kiepert  in  seinem  Atlas  von  Hellas.  2.  Ausg.  benutzt) . 

II.  Syrakus.  Nach  den  Karten  zu  Schubring's  Abhandlungen  Über  Achradina  und 
die^Syrakusanischen  Wasserleitungen.  Ichbedaure,  dass  die  mir  zugänglichen  Kopien 
der  Generalstabskarte  Syrakus  noch  nicht  umfassen. 


454  Anhang  lY.    Zu  den  Karten  nnd  Plänen. 

III.  Akragas.  Nach  Girgenti  e  suoi  templi,  ausgearbeitet  vom  Eon.  Ital.  General- 
stab, Karte  im  Besitz  des  Dr.  J.  Schabring.  —  Die  Manerlinie  ist  da  nicht  gezogen ,  wo 
sie  sicher  ist,  nämlich  am  südlichen,  dnrch  die  Tempel  bezeichneten ,  nnd  am  östlichen 
Abhang,  welche  beide  als  schroffe  Abhänge  auf  der  Karte  charakterisirt  sind.  Am  Nord- 
abhang der  Rnpe  Atenea  war  vielleicht  nicht  einmal  eine  Mauer. 

IV-— VII.  Selinus.  Segesta.  Himera.  Palagonia  und  der  Palikenseet 
Sämmtlich  nach  den  Blättern  der  Kön.  Ital.  Generalstabskarte  gearbeitet,  geben  sie  zum 
ersten  Male  eine  Darstellung  der  betreffenden  Gegenden.  In  No.  V  ist  insbesondere  das 
Flusssystem  yon  Segesta  zum  ersten  Male  richtig  dargestellt.  Nachdem  auf  älteren  und 
neueren  Karten  der  Segesta  im  Süden  umschliessende  Bach  Pispisa  vergessen  war,  hatte 
die  Karte  von  Serra  di  Falco  diesen  Fehler  verbessert,  aber  es  war  wieder  der  Bach 
Mendola  vergessen.  Bei  VI  ist  auch  eine  Kartenskizze  von  Gavallari  im  Bullett.  della 
commiss.  etc.  Pal.  1864.  4.,  No.  2  benutzt  worden.  —  Die  Curven  dieser  Karten  bezeich- 
nen die  von  10  zu  10  Metern  steigende  Höhe  ttbw  dem  Meere. 


Berichtigungen. 

S.  333,  20  statt  17  lies  6  und  ^. 

S.  345,  4  statt  "EllMtov  lies  EXtxiov, 

S.  373  lies  in  der  Ueberschrift  Kap.  5  statt  4. 


Druck  von  Breitkopf  S  UArtol  in  Leiptig. 


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und  seine  Umgegend  bis  zu  den 
Steinbrüchen  von  Campobello 

/iiouik  dr/»Aarte  des  A-,  ftal.  OeJteralstiibes. 


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i 


GESCHICHTE 


SICILIENS 


IM 


ALTERTHUM 


VON 


AD.  HOLM. 


ZWEITER  BAND. 

MIT    SIEBEN    KARTEN. 


LEIPZIG, 

VERLAG  VON  WILHELM  ENGELMANN. 

1874. 


Das  Uebcrsetzungsreclit  baben  sich  Verfasser  und  Verleger  vorbehalten. 


MICHELE  AMARI 


UND 


S  AVE  RIO  CAVALLARI 


GEWIDMET. 


< 


Inhaltsverzeichniss. 


Viertes  Buch. 
Erstes  Kapitel. 

Seita 

Erste  athenisehe  Expedition 1 

Zustand  SicilieDS  1.  Peioponnesischer  Krieg  2.  Syrakus  3.  Kampf  mit  Leon- 
tini  3.  Die  Athener  sehicken  ein  Heer  4.  Messana  genommen  5.  Messana 
wieder  verloren  6.  Neue  athenische  Flotte  in  Sicilicn  7.  Friedenscongress  zu 
Gela  7.    Friede  S. 

Zweites   Kapitel. 

Grosse  athenisehe  Expedition.    Ursprung  and  Vorbereitungen B 

Leontini  zerstört  9.  Brikinniai  von  Leontinern  besetzt  9.  Sendung  des  Athe- 
ners Phaiax  9.  Hülfsgesuch  Segesta's  in  Athen  10.  Athenische  Gesandtschaft 
nach  Segesta  10.  Krieg  von  Athen  beschlossen  11.  Versuche  des  Nikias,  das 
Unternohmen  rückgängig  zu  machen  1 2.  Verhältniss  der  Mächte  des  Westens 
zu  einander  14.  Rüstungen.  Vorzeichen  15.  Verstümmelung  der  Hermen  16. 
Alkibiades  angeklagt  16.    Abfahrt  17. 

Drittes  Kapitel. 

Erste  Unterneiimungen  der  Athener IS 

Verhandlungen  in  der  syrakusanischen  Volksversammlung  19.  Kriegspläne  der 
drei  athenischen  Feldherren  20.  Recognoscirungs fahrt  nach  Syrakus  22.  Ka- 
tane  geht  zu  den  Athenern  über  22.  Alkibiades  zurückberufen  23.  Kleine  Un- 
ternehmungen.   Eroberung  von  Hykkara  24. 

Tiertes   Kapitel. 

Erster  Angriff  auf  Syrakus 25 

Landung  am  Olympieion  25.  Schlacht  26.  Rückkehr  nach  Katane  27.  Mass- 
regeln der  Syrakusaner  28.  Verhandlungen  in  Kamarina  29.  Alkibiades  in 
Sparta  30.    Sendung  des  Gylippos  31. 

Fan ft es  Kapitel. 

Besetzung  von  Epipolae.    Belagerung  von  Syrakus  bis  zur  Ankunft  des  Gy- 
lippos  31 

Massregeln  zum  Schutze  von  Syrakus  32.  Die  Athener  besetzen  Epipolae  32. 
Beginn  der  Einschliessungsmauer  33.  Erstes  syrakusantsches  Gegenwerk  34. 
Zweites  Gegenwerte  35.  Tod  des  Lamachos  36.  Fortsetzung  der  Einschliessungs- 
mauer. Die  Syrakusaner  denken  an  Ergebung  37.  Sklavenaufstand  in  Syrakus  37. 


VI  In1ialt8verzeichn)88. 


Sechstes   Kapitel. 


«  Seite 

Ankunft  den  OylippoH.    Yerändemugr  der  Luge 38 

Gylippos  landet  in  Himer»  39.  Gylippos  in  Syrakus,  erobert  L^bdalon  40.  Ni- 
kias  besetzt  Plemmyrlon  41.    Sieg  des  Gylippos  42. 

Siebentes  Kapitel. 

Wachgeiides  Uebergewicht  der  Syrakusaner 43 

Des  Nikias  Depesche  43.  Hülfstruppen  für  Athener  und  fiir  Svrakusaner  44. 
Seeschlacht.  Plemmyrion  von  den  Syrakusancru  genommen  Ab.  Seegefechte  im 
grossen  Hafen.  Fahrt  des  Demosthenos  47.  Niederlage  der  Griechen  durch  die 
Sikelcr  48.    Neue  Seetaktik  der  Syrakusaner  49.    Seesieg  der  Syrakusaner  51. 

Achtes   Kapitel. 

Ankanft  des  Demosthenes«    YoUstiindige  Niederlage  der  Athener 51 

Nächtlicher  Angriff  auf  Epipolac  und  Niederlage  der  Athener  52—54.  Nikias 
widersetzt  sich  der  Abfahrt.  Mondfinsterniss  55.  Seeschlacht  56.  Zusammen- 
setzung der  beiden  Heere  57.    Letzte  Seeschlacht  59—01. 

Neuntes   Kapitel. 

BiickKUg  und  Untergang  der  Athener 62 

Die  Athener  am  akraischen  Felsen  64.  Uebcrwindung  der  Abtheilung  des  De- 
mosthenes  05 ,  des  Nikias  66.  Schicksal  der  Gefangenen  68  —  70.  Bedeutung 
der  athenischen  Niederlage  70.  71. 

Zehntes  Kapitel. 

Die  Sikelioten  in  Asien 72 

Hermokrates  und  Tissaphcrnes  72.  73.  Schlacht  bei  Kyzikos  74.  Absetzung 
und  Verbannung  des  Hermokrates  75. 


Fünftes  Buch. 
Erstes  Kapitel. 

Einbrach  der  Karthager.   Fall  ron  Selinns  und  Himera 77 

Gesetzgebung  des  Dtokles  78.  Die  Egestäer  bitten  Karthago  um  Hülfe  79. 
Karthago  unterstützt  Segesta  80.  »Angriff  auf  Selinus  81.  Sciinus  erobert  82. 
Angriff  auf  Himera  83.  Himera  erobert  84.  Karthagische  Provinz  auf  Siciiien  84. 

Zweites    Kapitel. 

Fall  Yon  Akragas 85 

Hermokrates  in  Selinus  S5.  Tod  des  Hermokrates  86.  Die  Karthager  gegen 
Akragas  87.  Reichthum  von  Akragas  88.  89.  Belagerung  von  Akragas  90. 
Akragas  verlassen  91. 

Drittes  Kapitel. 

Dionys.    Erster  Krieg  desselben  mit  den  Karthagern 92 

Dionys  Feldherr  93.  D.  in  Gela  94.  D.  alleiniger  Feldherr  95.  D.  Tyrann  9«. 
Die  Karthager  vor  Gela  97.  Schlacht  bei  Gela  98.  KUckzug  des  Dionys  99. 
D.  wieder  Herr  von  Syrakus.    Friede  mit  Karthago  100. 


Inhal  tsverzeiehniss.  VII 

Tiertes  Kapitel. 

Befestigung  der  Macht  de»  Dionjs.    Seine  BttHtnngen lül 

Ortygia  Sitz  der  Macht  des  Dionys  101.  Empürung  der  Syrakusaner  102.  Ver- 
legemieit  des  D.  102.  Rettung  durch  die  Kampauer  102.  BUndniss  des  D.  mit 
den  Spartaneni  103.  104.  Katane  und  Naxus  unterworfen;  Ilalaisa  gegrün- 
det 105.  Befestigung  des  Nordabhanges  von  £pipolae  107.  Beschaffung  von 
Waffen  und  Schiffen  108.  Freundliche  Beziehungen  zu  Lokri  109.  Niedermotze- 
hing  der  Karthager  in  den  Griechenstädten  HO.    Kriegserklärung  110. 

FflHftes  Kapitel. 

Erobemng  yon  Motye.    Belagemng  Yon  Hyrakas 110 

Belagerung  von  Motye  111.  Transport  der  syrakusanischen  Flotte  112.  Erobe- 
mng von  Motye  112.  Grosse  karthagische  Rüstung  in.  Die  Karthager  erobern 
Messana  114.  Seesieg  der  Karthager  bei  Katane  115.  Belagerung  von  Syra- 
kus  116.  Freiheitsgel  liste  der  Syrakusaner  117.  Seuche  im  karthagischen  La- 
ger 118.    Niederlage  der  Karthager  118—121. 

Sechstes  Kapitel. 

Dionjs  nnd  Italien.   Die  Lnknner.    Rhegion's  Fall 122 

Gründung  von  l^ndaris  123.  Unterwerfung  sikelischer  Städte  123.  Angriff 
auf  Tauromenion  123.  Krieg  mit  den  Karthagern  unter  Magon  124.  Angriff 
auf  Hhe^on  124.  Grossgriechenland  seit  dem  Ende  des  6.  Jahrhunderts  v.  Chr. 
125  ff.  Die  Lukaner  127.  Neuer  Krieg  mit  den  Karthagern  128.  Taurome- 
nion erobert  128.  Neuer  Angriff  auf  Rhegion  128.  Niederlage  der  Italioten 
unter  Heloris  130.    Rhegion's  Fall  131.    Macht  des  Dionys  132.  133. 

Siebentes  Kapitel. 

Des  Dionys  Maeht  in  Italien.    Seine  Theilnahme  an  den  Angelegenheiten 
erieehenlands 133 

Eroberung  Kroton's  134.  Beziehungen  zu  Tarent  134.  Kolonien  im  adriatischen 
Meere  135.  Feldzug  in  Illyrien  135.  Plünderung  von  Pyrgoi  135.  Dionys  Bun- 
desgenosse Spartas  387  v.  Chr.  137;  373  v.  Chr.  137;  309  v.  Chr.  138:  368 
V.  Chr.  139.  Dionys  und  Athen  139.  Des  Dionys  Festgesandtschaft  in  Olym- 
pia 140. 

« 

Aehtes  Kapitel. 

Ende  des  Dionys.    Charakter  nnd  Bedentang  seiner  Regierang 141 

Neuer  Krieg  mit  KarÜiago  383  v.  Chr.  142.  Abennaliger  Krieg  379  v.  Chr.  1 13. 
Proiect  der  Abmauerung  Unteritaliens  143.  Letzter  Krieg  mit  Karthago  3(iS 
V.  Chr.  143.  Tod  des  Dionj^s  143.  D.  als  Staatsmann  144.  D.  als  Finanzmann 
144—46.  Münzeinheit  in  Sicilien  140.  Argwohn  und  Grausamkeit  des  Dionys 
147—49.  Gottlosigkeit  149.  Dionys  als  Dichter  150.  151.  Dichter  und  Phi- 
losophen an  seinem  Hofe  151.  152.  Menschen  Verachtung  des  Dionys  152.  153. 
Piaton  in  Syrakus  153.  154.    Geschichtliche  Stellung  des  Dionys  155.  156. 

Neuntes  Kapitel. 

Dienyg  II.    PUton  in  Syrakns.    Dion's  Yerbannnng  nnd  Bttekkehr 156 

Dionys  II.  und  Dipn  157—59.  Piaton  nach  Syrakus  160.  Dion  verbannt  161. 
Platon  von  neuem  nach  Syrakus  162.  163.  Dion  tritt  gegen  Dionys  auf  164.  165. 
Dion  in  Minoa  166.   Marsch  nach  Syrakus  167.   Eroberung  von  Syrakus  168.  169. 

Zehntes  Kapitel. 

8ieiliens  Cnltar  nnter  der  dionysischen  Dynastie 169 

Dichter  170.  Philoxenos  176.  171.  Telestes;  Archestratos  172.  Philistos  172. 
MUnzen  173.  Pythagorecr  173.  174.  Luxus  in  Syrakus  175.  Materielles  Ge- 
deihen 175.  176. 


VIII  Inhaltsvei'zeichniBB. 

Elftes   Kapitel. 

Seite 

Dion's  breitere  Thaten  and  sein  Ende 176 

Dion  UDd  seine  Gcgiier  1T7.  Herakieides  177.  178.  Niederlage  des  Philtstos 
zur  See  und  Tod  desselben  178.  179.  Dion  nach  LeonÜni  verbannt  179.  Ueber- 
fuli  von  Syrakus  durch  Nypsios  180.  181.  Dion  wieder  Feldherr  181.  Dion 
und  Pharax  182.  Auflösung  der  Flotte  183.  Uebergabe  der  Burg  184.  Ermor- 
dung des  Herakleides  185.  Niedergeschlagenheit  Dion's  186.  Dion  und  Eallip- 
pos  187.    Dion  ermordet  188.    Stellung  und  Charakter  Dion's  189.  190. 

Zwölftes   Kapitel. 

Nene  Bedrflngnisse  von  Syrakus.    Timoleon  nach  8icilien 190 

Kallippos  in  Syrakus  190.  Das  dionysische  Haus  wieder  in  Syrakus  herrschend 
191.  192.  Traurige  Lage  Siciliens  192.  19.}.  Die  Syrakusaner  bitten  Korinth 
um  Hülfe  193.  Timoleon  191.  Rüstungen  Timoleou's  195.  T.  in  Rhegion  196. 
T.  in  Tauromenion  197;  in  Hadranon  197.  Dionys  kapitulirt  198.  Dionys  in 
Korinth  199.  200, 

DrelzehntesKapiteL 

Timoleon  befreit  ganz  Syrakus,  siegt  am  Krlmlsos.    Seine  letzten  Jahre.   .  200 

Mordversuch  auf  Timoleon  vereitelt  201.  Karthager  in  Syrakus  mit  Hiketas 
verbündet  201.  Sieg  Neons  202.  Abzug  der  Karthager  203.  Ganz  Svrakns 
l)efreit  204.  Zerstörung  der  Burg  204.  Gesetzgebung  204.  Amphibie  204. 
Griechische  Kolonisten  nach  Syrakus  205.  Vertreibung  anderer  Tymnnen  200. 
Rüstungen  Karthago's  207.  Timoleon  gegen  sie  208.  Sclilacht  am  Krimisos 
208-210.  Neue  Kämpfe  im  Osten  211.  212.  Friede  mit  Karthago  213.  Schick- 
sal des  Hiketas  213;  des  Mamerkos2l4.  Wirksamkeit  Timoleon  s  in  den  übri- 
gen sicilischen  Städten  215.  Timoleon  in  Syntkus  216.  Tod  Timoleon's  216. 
Seine  Bedeutung  217.  218. 


Sechstes  Buch. 
Erstes   Kapitel. 

ünrahen  In  Syrakus.    Agathokles  bemftchtlgt  sich  der  Herrschaft 219 

Sagenhafte  Jugendgeschichte  des  Agathokles  219.  220.  Ag.  als  Unterfeldherr 
in  Italien  und  Sicilien  221.  222.  Ag.  aus  Syrakus  verbannt  222.  Ag.  nach  Sy- 
rakus zurUck  223.  Ag.  Feldherr  223.  Ag.  bemächtigt  sich  der  Herrschaft  224.  225. 

Zweites  Kapitel. 

Untemehmangen  der  Akragantlner  gegen  Agathokles.     Neuer  Elaidl  4er 
Karthager 225 

Akrotjitos  226.  227.  Stellung  des  Agathokles  228-^231.  Deinokrates  231.  Krieg 
mit  Karthago  232.    Schlacht  am  Eknomos  233.  234. 

Drittes  Kapitel. 

Feldzug  des  Agathokles  in  Afrika 235 

Fahrt  nach  Afrika  236.  237.  Landung;  Verbrennung  der  Schiffe  237.  238.  Ag. 
erobert  Megalopoiis  und  Tunes  239.  Rüstungen  Karthago's  239.  Niederlage  der 
Karthager  240.  Fortdauer  der  Belagerung  von  Syrakus  241.  242.*  Neue  Nie- 
derlage der  Karthager  in  Afrika  243.  UngHicklicuer  Sturm  der  Karthager  auf 
Syrakus  243.  244.  Neuer  Versuch  der  Akragantiner,  ihren  Einduss  auszubrei- 
ten 245.  246.  Bedrängniss  des  Agathokles  247.  Unentschiedene  Schlacht  248. 
Ophelias  von  Kjrene  249.  250.  Empörung  und  Tod  Bomilkar's  250.  251.  Aga- 
thokles nach  Sicilien  zurück  252.  Glücklicher  Krieg  der  Karthager  in  Afrika 
2'>3.  254.  Agathokles  nach  Afrika  zurück  als  König  255.  Ende  des  Krieges 
256  -  58. 


Inhal  tsverzeichnisB.  IX 

Yiertes   Kapitel. 

*  Saite 

Attsbreitangr  der  Herrtichaft  des  Agathokles  nach  Osten.    Sein  Tod 25S 

Behandlung  von  Segesta  258.  Agathokles  und  Deinokrates  259.  260.  Friede 
mit  Karthago  259.  Ag.  gegen  Grossgriechenland  und  Kerkyra  261 — 263.  Ende 
des  Agathokles  264. 

Fünftes  Kapitel. 

Literatur  der  agathokleisehen  Zeit 265 

Timaios  266  —  69.  Dikaiarchos  269  —  72.  Euhemeros  272—76.  Philemon  und 
andere  Dichter  276.    Kunstwerke  276.  277. 

Sechstes  Kapitel. 

Pyrrhos  in  Sieilien 277 

Die  Mamertiner  277.  Phintias  278.  Lage  von  Syrakus  279.  Pyrrhos  in  Italien 
279—281.  Pyrrhos  in  Sieilien  282.  Pyrrhos  gegen  Lilybaion  283.  284.  Rück- 
kehr des  Pyrrhos  nach  Italien  285. 

Siebentes  Kapitel. 

Hieron  U.  bis  264  v.  Chr.  BOckblick  auf  die  politische  Entwiekelung  Sieiliens.  286 

Hieron  286.  Hieron  wird  Feldherr  287.  Philistis  288.  Macht  der  Mamertioer 
289.  Hieron  gegen  Messana  290.  Schlacht  am  Longanos  291.  Hieron  König 
292.    Politische  Entwickelung  Siciliens  293—298. 

Achtes  Kapitel. 

Die  Bnkolik 298 

Theokrit  299.  Seine  epischen  Grodichte  301 — 303.  Entstehung  der  bukolischen 
Poesie  304  ff.  Verbindunff  von  Poesie  und  Hirtenlebeu  309.  Idyll  7  310—312. 
Idyll  16  313.  314.  Die  bukolischen  Dichtungen  Theokrit's  315— 318.  Charakter 
der  Bukolik  319.  Andere  Gedichte  Theokrit's  32u.  Bion  und  Moschos  321. 
Spätere  Entwickelung  der  Bukolik  322—324. 

Neuntes  Kapitel. 

Die  Kunst  in  derselben  Zeit 325 

Theater  von  S>Takus  325—327.  Umgebung  desselben;  Ohr  des  Dionys  327.  328. 
Altar  328.  Festung  auf  Epipolae  328.  329.  Geistige  £;ntwickelung  Siciliens 
p30— 34. 

Zehntes  Kapitel. 

Einlieitliclier  Charakter  der  alten  sicilischen  Geschiehte 334 

Die  BevülkerunKsve'rhältnisse  336.  .'f37.  Das  MUnzwesen  337.  336.  Kunst  und 
Literatur  338.    Eigenthümlicher  Charakter  der  Insel  in  späterer  Zeit  338.  339. 


I.  Ueber  die  Quellen  der  Geschichte  Siciliens  vom  Kriege  mit  den 
Athenern  bifi  auf  Pyrrhos,  insbesondere  über  die  des  athenischen 
Krieges 340 

Allgemeines  340.  Widerlegung  der  von  Manchen  aufgestellten  Behauptung,  dass 
die  gelehrten  Historiker  der  Alten  in  der  Regel  nur  eine  Quelle  zur  Zeit  be- 
nutzten, mit  specieUer  Anwendung  auf  Diodor  340 — 43.  Quellen  der  Geschichte 
der  grossen  atnenischen  Expedition  343.  Die  neueste  Ansicht  über  die  Quellen 
Plntarch's  als  unbegründet  erwiesen  343 — 45.    Untersuchung  über  die  Quellen 


X  Inhaltsverzeichnlss. 

Seite 

des  plutarchiöchen  Nikias  345  ff.  Thukydides  als  Qaclle  durch  Vergleichung 
beider  Schriftsteller  erwiesen  34(5 — 355.  Plutarch's  Alkibiades  untersucht  355. 
356.  Ergebnisse  der  bisherigen  Untersuchungen  in  Bezug  auf  die  Art  der  Är^ 
beit  Plutarch's  356.  357.  Prüfung  Diodor's  357  ff.  Ergebniss  der  Untersuchung 
in  Bi3zug  auf  die  Art  der  Arbeit  Diodor  s  364  und  Folgerun^^en  daraus  364.  365. 
lustinus  3()5.  Einziger  Ueberrest  eines  speciell  syrakusanischen  Berichtes  bei 
Polyacn  366.  Classification  der  Quellen  über  die  athenische  Expedition  367.  — 
Quellen  der  Geschichte  Dionys'  I.  367.  Prüfung  der  Ansicht,  dass  Timaios  ein- 
zige Quelle  der  meisten  sicilischen  Abschnitte  Diodor's  sei  367  ff.  Nachweis,  dass 
diese  Abschnitte  nicht  die  dem  Tiinaios  zugeschriebene  chronologische  Genauig- 
keit haben  367.  36S.  Die  Sicilien  betreffenden  Details  brauchen  nicht  aus  einer 
sicilischen  Quelle  geschöpft  zu  sein  369.  370.  Nichtvorhandensein  der  timäi- 
schen  Eigenthümlichkeiten  in  den  sicilischen  Stücken  Diodor's  371.  Ueber- 
massige  Hervorhebung  von  Agyrion  durch  Diodor  371.  372.  Diodor  XIV,  54—78 
als  ephorisch  nachgewiesen  372.  Prüfung  Diodor's  372  —  74.  Andere  Quellen 
374.  —  Dionys  II.  374-76.  Tiraoleon  376.  377.  Agathokles  377—379.  Pyrrhos 
379.  Schlussbemerkuugen  über  den  Zusammenbang  der  vorliegenden  Untersu- 
chung 3S0.  381.  und  die  Arbeit  der  antiken  Historiker  überhaupt  38J.  382. 

n.  Topographisches 382 

1.  Topographie  der  Belagerung  von  Syrakus  dnreh  die  Athener 382 

H)  Arsenal  382.  b)  Topographie  des  ersten  athenischen  Angriffes  auf  Syrakus 
3S3.  c)  Neue  Mauer  der  »Syrakusaner  gegen  Epipolae  zu  3<44.  d)  «xp«  Tt/i*- 
viTig  3S5.     e)  T^fut'og  :i85.     f)  Leon  385.    g)  Euryelos  386.     h)  Labdalon  387. 

i)  Syke  387.  k)  Der  Kyklos  387.  1)  Einschliessungsmauer  der  Athener  388. 
m)  Erstes  syrakusanisches  Gegenwerk  389.  n)  Zweites  Gegenwerk  der  Syra- 
kusaner  391.  o)  Fortsetzung  der  athenischen  Werke  392.  p)  Dritte  Gegen- 
mauer der  Syrakusaner  392.  q)  Athenische  Forts  auf  Plemmyrion  395.  r)  Letz- 
tes Lager  der  Athener  und  Kämpfe  daselbst  395.    s)  Heraklestempel  397. 

2.  Der  Rückzug  der  Athener  unter  NikiaH  und  Demosthenes 397 

a)  Quellen  397.  b)  Ausgangspunkt  des  Bückzuges  397..  c)  Ziel  und  Richtung 
des  Marsches  397.  d)  Marsch  in  westlicher  Ricntung  399.  e;  Fortsetzung  des 
Marsches  in  veränderter  Richtung  4oo. 

in.  Belege  und  Erläatenmgen ,  von  denen  die  wichtigsten  hier  auf- 
gezählt sind 402 

Viertes  Buch. 
Erstes  Kapitel -.  .  .  .  402 

Bevölkerungszahl  Siciliens  402.  Kamarina  und  Morgantine  403.  Beziehungen 
der  Athener  zum  Westen  4o4.     Peripolion  405. 

Zweites  Kapitel 405 

S.  Basilio  405.  Athen  und  Segesta  406.  Vorbedeutungen  407.  Adonisfest  407. 
Hermokopiden  408. 

Drittes  Kapitel 4os 

Militärische»  40S.  Aufnahme  der  Athener  409.  Völkerrechtliches  409.  Lais  410. 
Zahl  der  Hykkarer  411.     Sikeler  411. 

Viertes  Kapitel .  412 

Militärisches  412.     Tyrrheuer  412. 

Fünft  es— Achtes  Kapitel 412-414 

Neuntes  Kapitel 4M 

Chronologisches  114.     NumismatischcH  415.  4lt> 

Zehn t es  Kapitel 417 


Inhültsverz^cbniBs.  XI 


Fünftes  Bach. 

Seit« 

Erstes  Kapitel 417 

Diokles  417.     Syrakusanische  Verfassung  418-20.     Kampf  gegen  ScUnos  421. 
Topographisches  über  Selinus  422.  4^:^.    Uiinera  423. 

Zweites  Kapitel 424 

Thermae  424.    Kampf  gegen  Akragas  425.    Topographisches  426.  427. 

Drittes  Kapitel 427 

Dionys  1.  427.    Schlacht  bei  Gcla;  Topographisches  429. 

Ylertes  Kapitel 430 

Eiitella  430.  Aetna  430.  Nakond ;  Numisroatisches  430.  Die  Kampaner;  Numis- 
matisches 431.    Naxos;  Numismatisches  432.     Hadranon  432.    Halaisa  433. 

Fünftes  Kapitel 434 

Belagerung  von  Motye  434.    Topographie  der  Belagerung  von  Syrakus  436. 

Sechstes  ICapltel ^  .436 

Tyndaris  437.  Tauromenion  437.  Grossgriechenland  438.  Kaulonia  439.  Er- 
oberung Rhegion's  439. 

Siebentes  Kapitel 440 

Terina440.  Beziehungen  des  Dionys  zu  den  Ländern  des  adiiatischen  Meeres  440. 
Pyrgoi  441.  Dionys  und  die  Tarentiner  442.  Dionys  und  Konon  442.  Dionys 
und  Sparta  442.  Dionys  und  Athen  442.  Ües  Dionys  Gesandtschaft  nach 
Olympia  442.    Diotiys  und  Artaxerxes  442. 

Achtes  Kapitel 443 

Krieg  mit  Karthago  443.  Flnanzwifthschaft  des  Dionys  443.  Erläuterung  von 
Pollax  IX,  79  444.  Uebersicht  der  in  Sicilien  zur  Zeit  von  Dionys  I.  ihrer 
ursprünglichen  Einwohner  beraubten  Städte  446.  Münzen  der  Karthager  in  Si- 
cilien 447.  Münzen  mit  AJA  447.  Grausamkeit  des  Dionvs  448.  Behandlung 
von  Verwandten  448.  Dionys  und  Damokles  448.  Die  Geschichte  von  den  zwei 
Freunden  448.  Dionys  Dichter  449.  Geistreiche  Worte  des  D.  449.  Schrift- 
steiler  an  seinem  Hofe  450.    Dionys  und  Piaton  450.    Familie  des  Dionys  451. 

NettntesKapltel 452 

Erste  Zeit  der  Regierung  des  jüngeren  Dionys  452.  Dion  453.  Piaton  bei 
Dionys  453.  Entfernung  Dion's  453.  Entlassung  Platon's  454.  Dritte  Heise 
Piaton's  454.    Dion  nach  Syrakus  454. 

ZehntesKapltel 455 

Karkinos  455.  Philoxenos  456.  Archestratos  456.  Philosophen  in  Syrakus 
456.  457.  Der  Widder  457.  Stempelschneider;  Numismatisches  457-^59.  Dio- 
nysios  und  Dionysos  459. 

■ 

Elftes  Kapitel 460 

Kypsioß  460.  Topographisches  Über  Achradlna  461.  Pharax  461.  Dion's  Ge- 
Binilung46l.    Kallippos461.    Angebliche  Münzen  Dion's  462.  463. 

Zwölftes  Kapitel 463 

Timoleon  463.  Kallippos  463.  464.  Familie  des  Dionys  464.  Frühere  Geschichte 
Timoleon's  464.    Zeit  der  Eroberung  von  Syrakus  466.    Dionys  in  Korinth  466. 

Dreizehntes  Kapitel 467 

Die  Bruttier  467.  Umfang  der  Achradina  468.  Amphipolos  468.  Feldzug  gegen 
die  Karthager  469.  Der  Krimisos  470.  Friede  mit  Karthago  471.  Zur  Cha- 
rakteristik Timoleon's  472.    Münzen  des  Timoleon  473. 


XII  Inhaltavcrzcichaiss. 

Sechstes  Buch. 

Seite 

Erstes  Kapitel 474 

Ägathokles  474.    Jugend  des  Agathokles  474. 

Zweites  Kapitel 475 

AkrotatoB  475.    Schlacht  am^jEknomoB  475. 

Drittes  Kapitel 476 

Zug  des  Agathokles  nach  Afrika  476.  Weiss-Tunes  476.  Bomilkar  477.  Ky- 
rene  477.  Kephaloidion  und  Herakleia;  Numismatisches  477.  Die  £trusker 
478.     Das  Jahr  306  478. 

Tiertes  Kapitel 479 

Kleonymos  479.    Kerkyra  479.    Tod  des  Agathokles  480. 

Fttnftes  Kapitel 48o 

Timaios  480.  Dikaiarchos  480.  Euhemeros  481.  Pbilemon  482.  Kallias,  An- 
tandros  482.    Kunstwerke  483.    Münzen  des  Agathokles  483. 

Sechstes  Kapitel 485 

Die  MamerLiner  in  Messana  485.  Hiketas  487.  Phintia»  487*  Pyrrhos  in  Sici- 
lien  488.     Münzen  des  Pyrrhos  in  Sicilien  489. 

Siebentes  Kapitel. 490 

Pintia  und  Liparo  bei  Piautas  490.  Hieron  49u.  Philistis  491.  Chronologi- 
sches 492.     Genealogie  des  Agathokles  und  Hieron  494. 

Achtes  Kapitel 493 

Theokrit's  Leben  493.  Die  Bukolik  496.  Idyll  7  497.  Daphnis  498.  Orien- 
talisches in  Id.  18  499.  iMXXiop  500.  Bion  und  Moschos  500.  ßovxoXog  ßov- 
xoXftxCfn'  500.  501.    Moderne  Analogien  501. 

NeuntesKapitel 502 

Das  syrakusanische  Theater  502.  Inschriften  desselben  502.  Gegend  oberhalb 
des  Theaters  503.    Altar  504.    Festung  auf  Epipolae  504. 

IV.  Zu  den  Karten  unä  Plänen 505.  506 


Nachtrag  zu  S.  137. 

Dass  im  J.  393  Athen  bemüht  war,  sich  mit  Dionys  gut  zu  stellen,  sieht  man  aas 
dem  1802  gefundenen  Rathsbeschlusse,  in  welchem  Dionys  mit  seinen  zwei  Brüdern  und 
Philoxenos  geehrt  wird.  Siehe  Hermes  III,  157  mit  d.  Erläut.  Köhler's,  Schöne,  Griech. 
Reliefs  Nr.  49  und  Curtius  GGesch.  IIP  531.  Der  Antragsteller  Kinesias  zeigt,  dass 
man  an  die  poetischen  Liebhabereien  des  Diofiys  anknüpfte.  Ob  aber  nicht  dennoch 
statt  Philoxenos  Polyxenos,  Schwager  Dionys*,  zu  lesen  ißt?  Wenn  die  weibliche  Figur 
rechts  wirklich  eine  Fackel  trägt  (Bötticher,  Verz.  d.  AbgUsse,  Nr.  296),  kOnnte  sie 
doch  wohl  die  Sicilien  repräsentirende  Demeter  sein. 


Viertes  Bnch. 


Erstes  Kapitel. 


Erste  athenische  Expedition. 

Xn  den  ersten  Jahrzehnten  der  zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts 
w  Chr.  bot  Sicilien  einen  Anblick  ,  so  befriedigend,  wie  kaum  jemals  vorher 
oder  nachher.  Es  war  den  Griechen  gelungen ,  sich  zu  Herren  der  Insel  zu 
machen,  nicht  in  äusserlicher  Hinsicht  —  denn  viel  fehlte  daran,  dass  alle  Be- 
wohner derselben  sich  ihren  Geboten  gefügt  hätten  —  aber  wohl  in  geistiger 
Beziehung.  Nachdem  sie  unter  Gelon  den  Angriff  der  Karthager  zurück- 
geschlagen, nachdem  das  republikanisch  geleitete  Syrakus  die  aufstrebenden 
^ikeler  nicht  ohne  Anstrengung  gedemUthigt,  da  entfaltete  sich  frei  und  un- 
gehemmt die  Macht  der  hellenischen  Bildung  über  die  ganze  InseK  Und  diese 
Bildung  hatte  eine  hohe  Stufe  erreicht,  derjenigen,  auf  welche  das  Mutterland 
stolz  war,  wohl  zu  vergleichen.  Versetzen  wir  uns  im  Geiste  unter  die  Trüm- 
mer von  Akragas  und  Selinus,  wo  kürzliche  Ausgrabungen  gezeigt  haben,  dass 
erosige  und  umsichtige  Forschung  noch  sehr  viel  Wichtiges  an  diesen  alten 
Kulturstätten  zu  Tage  zu  fördern  vermag,  und  wir  stehen  vor  Monumenten 
von  ungemeiner  und  eigenthümlicher  künstlerischer  Bedeutung ;  erinnern  wir 
uns  in  Betreff  der  Literatur  an  die  aus  Sicilien  hervorgegangene  Rhetorik,  und 
wir  haben  zugleich  den  Beweis,  dass  die  sicilische  Kultur  keineswegs  bloss  ein 
Abglanz  derjenigen  des  Mutterlandes  war.  Als  in  Athen  im  Jahre  423  Aristo- 
phanes  in  seinen  Wolken  den  Stab  über  eine  ihm  verderblich  erscheinende 
kürzlich  aufgetauchte  Bildungsrichtung  brach,  da  veruitheilte  er  Bestrebungen, 
die  von  Sicilien  ausgegangen  und  von  Siciliern  nach  Athen  verpflanzt  waren. 
Die  griechische  Bildung  war  aber  um  diese  Zeit  nicht  auf  die  hellenischen 
Städte  der  Insel  beschränkt.  Wir  können  durch  die  Münzen  nachweisen  und 
haben  dies  bereits  im  ersten  Bande  angedeutet,  dass  Sikeler,  Elymer  und 
Phönicier  der  Insel  so  gut  wie  hellenisirt  waren.  Die  den  Griechen  keineswegs 
unterworfenen  Bewohner  von  Panormos  und  Motye  bezeichneten  ihre  Münzen 

Holm,  Gcficb.  Stcilienp.  II.  | 


^ 


2  Viertes  Bück     I.  Erste  athenisclie  Expedition. 

mit  hellenischeD  Inschriften;  ihnen  war  also  die  hellenische  Sprache  gelüuiig, 
und  sie  stellten  sich  dem  hellenischen  Wesen  nicht  schroff  gegenüber.  Ungeachtet 
einzelner  Feindseligkeiten  j  zumal  unter  den  Griechen  selbst ,  herrschte  denn 
auch  in  dieser  Zeit  grosser  Wohlstand  auf  der  Insel,  und  wir  haben  Grund  an- 
zunehmen ,  dass  die  Einwohners^ahl  eine  sehr  bedeutende  war  und  nicht  viel 
weniger  als  3^2  Millionen,  Freie  und  Sklaven  zusammengerechnet,  betrug. 

Etwa  äO  Jahre  später  ist  das  alles  anders  geworden.  Statt  des  Friedens 
Krieg,  statt  des  Wohlstandes  Elend,  statt  des  Ueberwiegens  des  Hellenenthums 
Umsichgreifen  der  Karthager.  Dennoch  sind  es  nicht  die  Karthager,  die  diese 
Epoche  der  Noth  und  Knechtschaft  für  Sicilien  herbeiführen,  es  sind  die 
Athener  mit  ihrem  Angriff  auf  Syrakus.  Wenn  auch  die  Syrakusaner 
aus  ihm  als  Sieger  hervorgehen,  so  hat  der  furchtbare  Krieg  doch  an  ihrer 
Kraft  gerüttelt,  und  als  nun  kurze  Zeit  darauf  die  Karthager  mit  ganz  anderem 
Nachdruck  über  die  Griechen  der  Insel  herfallen,  da  vermag  die  Freiheil 
keinen  Widerstand  mehr  zu  leisten,  und  Syrakus  wirft  sich  einem  Tyrannen 
zu  Füssen.  Auch  hier  hat  die  Uneinigkeit  der  Griechen,  ihr  alter  Fehler,  den 
Barbaren  den  Sieg  ermöglicht. 

Indem  wir  nun  zur  Erzählung  der  Begebenheiten  übergehen,  deren  Schau- 
platz seit  dem  Anfang  des  peloponnesischen  Krieges  Sicilien  war,  kann  es 
unsere  Absicht  nicht  sein ,  diesen  Krieg,  dessen  entscheidendste  Episode  die 
athenische  Expedition  nach  Syrakus  bildet,  in  seinem  übrigen  Verlaufe  zu 
erzählen.  Wir  müssen  uns  darauf  beschränken,  an  die  bekannte  Thatsache  zu 
erinnern ,  dass  seine  Ursache  der  Gegensatz  zwischen  den  beiden  Stämmen 
der  Dorier  und  lonier  war,  und  dass  die  Zusammensetzung  der  Bundes- 
genossenschaft^n  der  zwei  kriegführenden  Städte  hauptsächlich  auf  diesem 
Princip  beruhte.  Der  Streit  wurde  anfangs  nur  um  Interessen  des  hellenischen 
Mutterlandes  geführt,  aber  es  ist  klar,  dass  die  in  Hellas  begonnene  Bewegung 
sich  in  weitere  Kreise  verpflanzen  musste,  und  zu  den  Ländern ,  die  in  den 
Wirbel  hineingezogen  wurden,  gehörte  vor  allen  Sicilien. 

Hier  hatte  sich  der  stets  vorhandene  Gegensatz  der  beiden  Stämäie  nie- 
mals in  besonderer  Schärfe  geäussert,  obschon  es  an  Veranlassung  zum 
Streite  zwischen  Donem  und  loniem  nicht  fehlte.  Ihre  Macht  war  nicht  in 
gleicher  Weise  gewachsen.  Verschiedene  Umstände  hatten  bewirkt,  dass 
einige  dorische  Gemeinwesen  eine  Stellung  erlangten,  wie  sie  den  loniem  auf 
Sicilien  niemals  zu  Theil  wurde.  Doch  waren  Syrakus  und  Akragas  unter 
sich  nie  so  einig ,  dass  sie  an  eine  Verfolgung  des  ionischen  Stammes  als  sol- 
chen hätten  denken  können.  Erst  der  Ausbruch  des  peloponnesischen  Krieges 
brachte  die  auf  der  Insel  stets  vorhandenen  Spannungen  zwischen  einzelnen 
Stadtgemeinden  in  engere  Beziehung  zu  den  Nefgungen  und  Abneigungen ,  die 
sie  vermöge  ihrer  Herkunft  hatten,  ohne  jedoch  selbst  jetzt  eine  vollständige 
Spaltung  nach  Stämmen  hervorzurufen. 

Dagegen  ging  das  Bestreben  der  im  Mutterlande  kämpfenden  Griechen 
bald  dahin,  die  Kräfte  Siciliens  sich  nutzbar  zu  machen.  Bekanntlich  stritten 
die  Athener  an  der  Spitze  oder  mit  den  Mitteln  von  Unterthanen,  die  Spartaner 
als  Leiter  eines  Bundes  von  Stammesgenossen,  und  so  ist  es  erklärlich,  dass  die 
letzteren  zuerst  den  Versuch  machten,  die  Kräfte  der  ihnen  verwandten  sici- 


Peloponnesischcr  Krieg.     Syrakus.  S 

lischcD  Staaten  für  den  grossen  Kampf  zu  gewinnen.  Gieich  im  ersten  Kriegs- 
jahre, im  Frühling  434  ,  äusserten  die  Spartaner  die  Absicht,  eine  Flotte  von 
500  Schiffen  zu  sammeln,  von  denen  die  Bundesgenossen  in  Italien  und  Sieiiien 
einen  beträchtlichen  Thcil  liefern  sollten.  Sie  sollten  auch  Geldmittel  herbei- 
schaffen, fürs  erste  aber  sich  nicht  auf  Feindseligkeiten  gegen  die  Athener  ein- 
lassen, sondern,  so  lange  diese  sich  nur  mit  einseinen  Schiffen  in  den  sicili« 
sehen  Gewässern  sehen  liessen,  sie  freundlich  aufnehmen  wie  bisher.  Diese 
von  den  Korintfaern  eingegebenen  Pläne  kamen  niemals  2ur  Ausftlhrung.  Die 
entfernteren  Städte  Siciliens,  wie  Selinus  und  besonders  Akragas,  waren 
überhaupt  abgeneigt,  der  Aufforderung  Folge  zu  leisten,  und  Syrakus  setzte 
lieber  die  seit  einiger  Zeit  mit  Glück  eingeschlagene  Politik  fort,  sich  die  klei- 
neren Staaten  der  Insel,  zu  denen  auch  die  ionischen  gehörten,  zu  unterwerfen, 
eine  Politik,  die  dann  freilich  die  directe  Einmischung  der  Athener  nadi 
sich  zog. 

Syrakus  hatte  noch  ungefähr  denselben  Umfang  wie  zur  Zeit  Gelon's  und 
Hieron's.  An  Achradina,  das  mit  Ortygia  die  eigentliche  Stadt  ausmachte  und 
durch  Tyche  verstärkt  war,  lehnte  sich  eine  offene  Vorstadt,  deren  Mittelpunkt 
das  Heiligthum  des  temenitischen  Apollon  bildete;  jenseits- des  Anapos  um* 
gaben  Wohngebäude  den  Tempel  des  olympischen  Zeus.  Zu  Lande  wie  zur 
See  war  sie  mächtig.  Noch  immer  war  Megara,  wozu  Gelon  es  gemacht  hatte, 
ein  Kastell  der  Syrakusaner,  aber  die  sikelischen  Städte  beherrschte  Syrakus 
nicht  mehr  alle  wie  zur  Zeit,  da  Duketios  besiegt  war,  ohne  dass  wir  zu  sagen 
vermöchten,  wann  sidi  die  ferner  gelegenen  unabhängig  machten;  die  unter- 
worfenen zahlten  Steuern.  Syrakus  besass  eine  Kriegsflotte ,  für  welche  sich 
in  beiden  Häfen  Vorrichtungen  befanden  f  aber  sie  war  nicht  bedeutend,  und 
gerade  hierin  war  ein  ziemlicher  Rückschritt  gegen  die  Tyrannenzeiten  bemerk- 
bar. Der  Reichthum  der  Bürger  beruhte  hauptsächlich  auf  dem  Handel; 
Sieiiien  versorgte  den  Pelopoones  mit  Korn,  und  es  ist  nattlrlieb,  dass  Syrakus 
an  der  Arbeit  wie  an  dem  Gewinn ,  der  daraus  erwuchs ,  den  Hauptantheil 
hatte.  Die  Verfassung  war  demokratisch ;  über  die  wichtigsten  Angelegen*- 
bellen  entschied  die  Volksversammlung;  di^  Executive  lag  in  den  Händen  von 
4  5,  wohl  jährlich  gewählten  Feldherren.  Doch  gab  es  eine  nicht  unbeträcht-- 
liebe  aristokratische  Partei,  der  Heimath  eben  so  treu  ergeben,  wie  die  Anhänger 
der  herrschenden  Demokratie.^  Diese  Partei  wäre  nicht  abgeneigt  gewesen, 
den  Spartanern  und  Korinthern  beizustehen,  aber  der  Menge  sagte  eine  so  weit 
aussehende  Unternehmung  nicht  zu;  sie  zog  es  vor,  die  Ueberlegenheit  der 
Stadt  über  ihre  sioiliscben  Nachbarn  geltend  zu  machen. 

Ihre  ersten  Anstrengungen  waren  gegen  Leoniini  gerichtet,  und  während 
ihnen  die  übrigen  dorischen  Stttdte,  mit  einer  Ausnahme,  zur  Seile  standen, 
hatten  die  Leontiner  die  chalUdischen  Städte  und  Kamarina,  das  über  Mor- 
gantine  mit  Syrakus  in  Streit  war,  für  sich.  Auch  die  nächstgelegenen 
italischen  Städte  wurden  in  den  Krieg  verwickelt.  Rhegion  stand  auf  der 
Seite  des  stammverwandten  Leontini,  Lokri  dagegen  war,  wie  zur  Zeit  Hieron's, 
mit  Syrakus  verbündet.  Wann  die  Fehde  ausbrach,  wissen  wir  nicht;  im 
fünften  Sommer  des  peloponnesischen  Krieges  aber  (Ol.  8R,2  —  427  v.  Chr.) 
war  sie  bereits  für  die  Syrakusaner  so  weit  erfolgreich  gewesen,  dass  Leontini 


4  Viertes  Buch.    I.  Erste  athenische  Expedition. 

eingeschlossen  war  und  die  Leontiner  fürchten  mussten ,  zu  unterliegen.  Sie 
baten  Athen  um  Hülfe,  durch  eine  Gesandtschaft,  deren  angesehenstes  Mitglied 
Gorgias  war.  Die  Vorstellungen  der  Leontiner ,  von  einem  Manne  wie  Gor- 
gias  vorgetragen,  wirkten  auf  empfängliche  Gemüther.  Es  lag  der  Gedanke 
ausserordentlich  nahe,  dass  der  erfolgreiche  Kampf  der  Syrakusaner  gegen 
Leontini  die  Einleitung  zu  einer  Theilnahme  jener  machtigen  dorischen  Stadt 
am  Kampfe  gegen  Athen  sein  würde ;  dem  musste  vorgebeugt  werden.  Femer 
sagte  man  den  Athenern ,  dass  die  Flotte  der  dorischen  Städte  Siciliens  das 
Meer  beherrsche ,  und  auch  diesem  bedenklichen  Zustande  war  ein  Ende  zu 
machen.  Es  kam  der  Wunsch  hinzu,  die  Zufuhr  von  Getreide  aus  Sicilien  dem 
Peloponnes  abzuschneiden,  und  endlich  machte  sich  die  Meinung  geltend,  dass 
nunmehr  der  Moment  gekommen  sei;  die  Insel  Sicilien  mit  ihren  reichen  HUlfs- 
quellen  jeder  Art  in  den  athenischen  Unterthanenverband  hineinzuziehen. 
Denn  der  Gedanke  an  eine  Ausbreitung  ihrer  Macht  nach  dem  Westen  hin,  den 
sie  schon  zur  Zeit  der  PerserkiHege ,  als  man  an  die  Kolonisation  von  Siris 
dachte  und  später,  da  Tburii  gegründet  wurde ,  lebhaft  in^s  Auge  fassten, 
war  den  Athenern  besonders  seit  der  Zeit  geläufig  geworden,  wo  sie  mit  den 
Kerkyräem  ein  Bündniss  schlössen.  Damals  hatten  deren  Gesandte  sie  darauf 
aufmerksam  gemacht ,  wie  günstig  ihre  Insel  gelegen  sei ,  um  den  Verkehr 
zwischen  Sicilien  und  Griechenland  zu  beherrschen.  So  gingen  die  Athener 
auf  die  Bitte  der  Leontiner  ein  und  sandten  eine  kloine  Flotte  von  20  Schiffen 
^ unter  Laches  und  Gharoiades  nach  Sicilien. 

Die  Aufgabe  der  Feldherren  war  eine  doppelte.    Einmal  sollten  sie  den 
Leontinern  gegen  Syrakus  Hülfe  bringen,   dann  aber  auch  das  Terrain  für 
eine  etwa  nachfolgende  grössere  Expedition  recognosciren .  Die  Flotille  fuhr  nach 
Rhegion ,  wo  sich  die  Bundesgenossen ,   vor  allen  die  Rheginer  selbst ,   den 
Athenern  anschlössen,  und  das  hinfort  als  Stützpunkt  für  die  Angreifenden 
diente.    Im  Sommer  427  geschah  nichts,  und  dieser  Beginn  der  Expedition  gab 
ein  Abbild  im  Kleinen  des  gesammten  ersten  athenischen  Krieges,  der,  wie 
wir  sogleich  im  Einzelnen  sehen  werden,  höchst  kläglich  geführt  wurde.    Die 
athenischen  Feldherren  haben  keinen  der  beiden  Zwecke,  die  sie  verfolgen 
sollten ,  ordentlich  in^s  Auge  gefasst ,  sie  haben  ihre  Macht  in  kleinen  Unter- 
nehmungen ohne  Nutzen  verschwendet  und  die  zufüllig  erreichten  Vortheile 
nicht  einmal  zu  behaupten  gewusst.    Diesen  Charakter  trug  gleich  der  erste 
Zug,  den  sie  endlich  im  Winter  427/6  unternehmen,  und  der  gegen  die  lipari-- 
sehen  Inseln  gerichtet  war.    Man  wählte  den  Winter,  weil  man  auf  diesen 
Inseln,  bei  dem  Mangel  derselben  an  Quellen,  auf  das  in  Cistemen  gesammelte 
Regenwasser  angewiesen  war,  eine  Kriegführung  in  der  regenlosen  Sommer- 
zeit also  zu  schwierig  gewesen  wäre.     Doch  beschränkte  sich  der  Feldzug, 
welcher  den  Leontinern  wenig  nützte,  auf  die  Verwüstung  der  Aecker.    Wenn 
wir  nun  erfahren ,  dass  im  Anfange  des  folgenden  Sommers,    426  v.  Chr., 
Gharoiades  gegen  die  Syrakusaner  fiel ,  so  ist  es  möglich,  dass  dies  auf  einem 
mehr  nach  Leontini  zu  unternommenen  Zuge  geschah,  bei  welcher  Gelegenheit 
sich  die  Athener  auch  überzeugt  haben  werden ,  dass  viele  Sikeler  ihnen  bei- 
zustehen bereit  waren.  Nach  des  Gharoiades  Tode  dagegen  kümmerte  sich  der 
nunmehr  einzige  Feldherr  Laches  noch  weniger  um  Leontini.    Er  wandte  sieh. 


Kleioe  Unternehrnuagen  der  Athener.     Messana  gewonnen.  5 

als  käme  es~ nur  darauf  an,  -  überhaupt  das  Heer  zu  beschäftigen,  gegen  das 
messanische  Kastell  Mylai.  Die  Besatzung  baute  auf  einen  Hinterhalt,  den  sie 
den  an^s  Land  steigenden  Athenern  bereiten  wollte.  Der  Anschlag  misslang 
aber,  und  nun  ergaben  sich  die  Vertheidiger  der  Burg  und  zogen  sogar  mit  den 
Athenern  gegen  Messana.  Die  Bewohner  dieser  Stadt  waren  durchaus  nicht 
alle  auf  dorischer  Seite.  Das  chalkidische  Element  der  alten  Zankleer  war 
keineswegs  ausgerottet,  und  manche  Ein  wohner  hatten,  ihi*er  Herkunft  wegen, 
Sympathien  für  Athen.  So  kam  es,  dass  bei  der  Annäherung  der  Athener  die 
Messenier  zu  ihnen  übergingen  und  Geiseln  als  Unterpfänder  ihrer  Treue 
gaben.  Das  war  denn  allerdings  ein  Erfolg  für  die  Athener,  den  sie  für  weitere 
Fortschritte  in  Sicilien  hätten  benutzen  sollen.  Aber  statt  dessen  machten  sie 
zunächst  nur  einen  Einfall  in  das  Gebiet  von  Lokri,  wo  sie^das  kleine  Kastell 
Peripolion  am  Grenzflusse  Halex  nahmen.  Im  Winter  426  wurde  endlich  ver- 
sucht, dem  Feinde  auf  den  Leib  zu  rücken.  Man  griff  auf  den  Vorschlag  einiger, 
von  den  Syrakusanem  abgefallener  Sikeler,  die  dabei  ihre  eigenen  Interessen 
zu  fördern  suchten ,  das  syrakusanische  Kastell  Inessa  (Aetnaj  an.  Aber  dies 
Unternehmen,  das  erste ,  das  sie  überhaupt  in  die  Gegend  von  Leonüni  führte, 
missglückte  gänzlich. '  Den  Athenern  gelang  der  Rückzug ;  die  zuletzt  ab- 
ziehenden Bundesgenossen  aber  erlitten  durch  die  Besatzung  von  Inessa  grosse 
Verluste.  Laches  selbst  scheint  nicht  bei  dem  Zuge  gewesen  zu  sein,  wir 
sehen  ihn  bald  darauf  wieder  mit  den  beliebten  kleinen  Unternehmungen  im 
Norden  beschäftigt,  die  nur  beweisen,  dass  er  in  Verlegenheit  war,  wie  er  die 
Zeit  hinbringen  sollte.  Er  besiegte  am  italischen  Flusse  Kaikinos  ungefähr 
300  Lokrer  unter  Proxenos ,  um  dann  eine  ähnliche  Landung  im  Gebiete  von 
Himera  zu  unternehmen,  die  von  den  mit  den  Athenern  verbündeten  Sikelem 
durch  einen  Einfall  von  den  Gebirgen  des  Innern  aus  unterstützt  wurde.  Doch 
hatte  diese  Landung  ebenso  wenig  Erfolg,  wie  eine  dritte  auf  den  liparischen 
Inseln,  und  Laches  kehrte  nach  solchen  zweck-  und  planlosen  Thaten  ge- 
gen Ende  des  Winters  nach  Rhegion  zurück.  Hier  fand  er  einen  neuen  Feld- 
herm  vor,  den  Pythodoros,  den  die  Athener  mit  einigen  Schiffen  einer  grosse- 
ren, nach  Sicilien  bestimmten  Flotte  vorausgesandt  hatten,  und  der  dem 
Laches  den  Befehl  überbrachte,  nach  Athen  zurückzukehren,  wo  er  sich,  von 
Kleon  angeklagt,  verantworten  sollte. 

Der  Entschluss  der  Athener,  mit  mehr  Nachdruck  in  Sicilien  aufzutreten, 
war  durch  ein  neues  Bittgesuch  der  Leontiner  und  ihrer  Bundesgenossen  ver- 
anlasst worden,  welche  besonders  darauf  aufmerksam  machten,  dass  die 
Syrakusaner  eine  neue  Flotte  ausrüsteten.  Man  beschloss  deshalb  im  nächsten 
Frühjahr  40  Schiffe  unter  Sophokles  und  Eurymedon  nach  Sicilien  zu  schicken 
und  sandte  einstweilen  Pythodoros  vorauf.  Dieser  glaubte  sogleich  die  Athener 
in^s  Feld  führen  zu  müssen,  aber  schon  sein  erstes  Unternehmen  misslang.  Er 
griff  im  Gebiete  von  Lokri  dasselbe  Kastell  an ,  das  früher  Laches  genommen 
hatte,  wurde  aber  geschlagen  und  musst«  sich  zurückziehen. 

Die  von  den  Athenern  angekündigte ,  aber  noch  nicht  abgesandte  Flotte, 
welche  überdies  erst  spät  Sicilien  erreichen  sollte,  brachte  ihnen  zunächst  kein 
Glück ;  denn  die  Syrakusaner  wurden  dadurch  veranlasst,  noch  vor  der  An- 
kunft derselben  einen  Hauptschlag  zu  führen.     Der  einzige  Punkt  von  Be- 


6  VlerlcB  Buch.    I.  ferste  athenische  Expedition.     ^ 

<]eu(UQg7  den  die  Feinde  ein^^enommen  hatten,  war  Messana,  dessen  Spallung 
in  Kviei  entgegengesetzte  Parteien  nunmehr  den  Syrakusanern  zustatten  kam. 
Sie  knüpften  Verbindungen  mit  den  Unzufriedenen,  d.  h.  den  Doriern  daselbst 
an  und  verständigten  sich  mit  den  Lokrern ,  die  sich  bereit  erklürten,  durch 
einen  Einfall  in  das  Rheginische  den  Angriff  der  Syrakusaner  auf  Messana  zu 
unterstützen.  Der  Anschlag  gelang ;  die  Lokrer  siegten,  und  Messana  ging  zu 
den  Syrakusanern  über.  Wo  die  athenische  Flotte  war,  deren  Anwesenheit  in 
Messana  oder  wenigstens  in  Rhegion  jetzt  recht  nützlich  gewesen  wäre,  wissen 
wir  nicht.  Nach  erreichtem  Erfolg  zogen  die  Lokrer  ihr  Landheer  aus  dem 
verwüsteten  Gebiete  von  Rhegion  zurück  und  Hessen  nur  ihre  Schiffe  in 
Messana.  Die  Syrakusaner  machten  es  mit  den  ihrigen  ebenso,  und  ausserdem 
rüsteten  beide  Städte  neue  Schiffe  aus,  die,  mit  den  in  Messana  schon  vor- 
handenen vereinigt,  die  Athener  und  Rheginer  angreifen  sollten.  Man  hoffte 
noch  vor  Ankunft  der  neuen  athenischen  Flotte  die  Feinde  zu  besiegen.  Es 
kam  sogar  früher  zur  Schiacht,  als  die  Dorier  beabsichtigt  hatten ,  deren  Flotte 
jdoch  nicht  vollständig  versammelt  war.  Die  einander  in  der  Meerenge  gegen- 
überliegenden Streitkräfte,  30  dorische  und  24  feindliche  Schiffe  gertethen  um 
den  Besitz  eines  hindurchfahrenden  Handelsschiffes  in  Kampf.  Die  Athener 
siegten;  ihre  Gegner,  die  übrigens  nur  ein  einziges  Schiff  verloren,  da  die 
Nacht  dem  Kampfe  bald  ein  Ende  machte,  zogen  sich  schleunigst  zurück  und 
begaben  sich  in  den  Schutz  der  beiden  Lager,  des  syrakusanischen  an  der 
sicilischen  Küste  und  des  lokrischen  nördlich  von  Rhegion.  Dieser  Sieg  der 
Athener  hatte  nur  die  eine  gute  Folge  für  sie ,  dass  die  Lokrer  ihr  Land- 
heer zum  zweiten  Male  aus  dem  Gebiete  von  Rhegion  zurückzogen,  verleitete 
sie  aber  zu  weiteren  gänzlich  nutzlosen  Unternehmungen  gegen  die  Flotte  ihrer 
Feinde.  Die  Dorier  vereinigten  nämlich  ihre  Schiffe  am  Vorgebirge  Peloros, 
um  sie  unter  dem  Geleite  des  Landheeres  die  Küste  entlang  nach  Measana  zu 
schaffen.  Während  sie  nun  noch  dort  lagen,  versuchten  die  Athener  und 
Rheginer,  sie  zu  nehmen,  aber  ohne  Erfolg;  ein  athenisches  Schiff  wurde 
s<^ar  erobert ,  nur  die  Mannschaft  konnte  sich  durch  Schwimmen  reiten. 
Hierauf  lieissen  die  Syrakusaner  sieh  nach  Messana  schleppen.  Die  Athener 
erneuerten  ihi*en  Angriff,  aber  mit  eben  so  wenig  Glück.  Mit  geschickten 
Seitenwendungen  kamen  die  Dorier  den  Feinden,  deren  Bewegungen  so  nahe 
dem  Ufer  nicht  frei  waren,  zuvor  und  vernichteteki  wieder  ein  athenisches 
Schiff.  So  gelangten  sie  in  den  Hafen  von  Messana,  wo  sie  sich  eine  Zeitlang 
ruhig  hielten.  Dies  änderte  sich  aber,  als  die  Athener,  auf  die  Nachricht,  eide 
Partei  in  Kamarina ,  unter  der  Anführung  des  Archias,  gehe  damit  um ,  die 
Stadt  den  Syrakusanern  zu  überliefern,  dahin  abfuhren.  Nun  rückten  die 
Messenier,  begierig  eine  Kriegsthat  zu  vollführen ,  eilig  mit  Land«-  und  See^ 
macht  gegen  die  nächste  feindliche  Stadt,  gegen  Naxos.  Am  ersten  Tage 
verwüsteten  sie  das  naxische  Gebiet  nördlich  vom  Flusso  Akesines;  am  fol- 
genden das  südlich  davon  gelegene  und  griffen  die  Stadt  selbst  an;  da  kam 
den  Naxiern  eine  unerwartete  Hülfe.  Grosse  Massen  von  Sikelern  warfen  sich 
vom  Gebirge  auf  die  Messenier.  Die  Naxier  glaubten  nicht  anders,  als  dass  die 
Leontiner  Ihnen  zu  Hülfe  kämen,  brachen  aus  der  Stadt  hervor  und  fielen 
ebenfalls  über  die  Messenier  her,  die  nun,    von  zwei  Feinden  in  die  Mitte 


Kampfe  bei  Naxos.  Ankunft  der  alheuiscben  Flotte.  Congress  zu  Gela.   Friede.        7 

genommen ,  eine  voilstänüige  Niederlage  erlitten.  Sie  verloren  mehr  als 
tausend  Mann,  und  als  die  Uebrigen  eilends  nach  Hause  flohen ,  wurden  sie 
von  den  überall  den  schmalen  Uferpfad  beherrschenden  Höhen  herab  durch  die 
Sikeler  angegriffen  und  die  meisten  getödtet.  Die  Flotte  gelangte  unbeschädigt 
in  den  Hafen  von  Messana ,  wo  sie  sich  auflöste.  Inzwischen  war  auch  die 
athenische  Flotte  vonKamarina,  wo  sie  für  den  Augenblick  ihren  Zweck  erreicht 
halte,  zurückgekehrt  und  die  Befehlshaber  verabredeten  mit  ihren  Verbündeten 
einen  Angriff  auf  Messana.  Doch  wurden  die  zu  Lande  operirenden  Bundes- 
genossen geschlagen  und  nur  durch  die  Athener,  die  zur  rechten  Zeit  an's  Land 
stiegen,  gerettet.  Diese  errichteten  Siegeszeichen,  konnten  aber  die  Stadt 
nicht  erobern;  sie  gingen  nach  Rhegion,  ihrem  Lager-  und  Vorrathsplatze 
zurück  und  Hessen  die  Sikelioten  für's  erste  ihre  Fehden  allein  ausfechten. 

Mittlerweile  war  die  nach  Sicilien  bestimmte  athenische  Flotte  unter  Eu- 
rymedon  und  Sophokles  noch  durch  andere  Unternehmungen  aufgehalten 
worden;  anfangs  bei  der  Insel  Sphakleria,  wo  die  Gefangennahme  der  Spar- 
taner endlich  durch  Kleon  ausgeführt  wurde ,  sodann  bei  Kerkyra ,  wo  das 
Volk  Hülfe  gegen  die  aristokratische  Partei  brauchte,  und  so  kam  sie  erst  spät 
im  Jahre  42o  in  Sicilien  an ,  wo  sie  ohne  merklichen  Erfolg  am  Kriege  theil- 
nahm.  So  verging  der  Winter  4^5/i  und  ein  Theil  des  Sommers  des  Jahres 
424  ohne  wichtige  Vorfälle.  Die  Schuld  lag  theilweise  an  dem  Mangel  an  Unter- 
nehmungsgeist der  athenischen  Feldherren,  theilweise  aber  daran ,  dass  unter 
den  sicilischen  Verbündeten  der  Athener  eine  kältere  Stimmung  gegen  sie 
Platz  zu  greifen  anfing.  Der  Zweck,  den  sie  verfolgten,  als  sie  die  Athener 
herbeiriefen,  schien  erreicht ;  die  dorischen  Städte  bedrängten  sie  nicht  mehr. 
Diese  Städte  waren  allerdings  noch  lange  nicht  gedemüthigt;  Syrakus  ins- 
besondere hatte  noch  wenig  gelitten ,  aber  musste  das  überhaupt  geschehen  ? 
Führte  nicht  vielleicht  eine  Deraüthigung  der  Syrakusaner  durch  Athen  zu 
einem  gefährlichen  Uebergewicht  dieser  mächtigen  Stadt  auf  Sicilien  ?  Wenn 
die  Syrakusaner  dahin  zu  bringen  waren,  einen  festen  Frieden  mit  den.cbal- 
kidischen  Städten  abzuschliessen ,  war'  das  nicht  Alles,  was  diese  wünschen 
konnten?  Die  Athener  konnten  leicht  auch  später,  wenn  die  Noth  drängte, 
wieder  um  Hülfe  gebeten  werden.  So  dachten  Viele  in  den  chalkidischen 
Städten;  Kamarina  konnte  sich  ausserdem  noch  den  Vorwurf  machen,  mU 
loniem  gegen  dorische  Verwandte  gekämpft  zu  haben.  Andererseils  hatten 
aber  auch  die  Syrakusaner  eingesehen,  dass  sie  sich  umsonst  bemühten,  gegen 
Athener  und  Sikelioten  zugleich  zu  kämpfen;  sie  glaubten  nichts  zu  verlieren^ 
wenn  sie  einstweilen  mit  den  chalkidischen  Städten  Frieden  schlössen ,  falls 
nur  in  Folge  dieses  Friedens  die  Athener  nach  Hause  zurückkehrten.  Die 
Neigung  zum  Frieden  führte  den -Abschluss  desselben  baldherbeL  Von  Gela 
gingen  die  Verhandlungen  aus«  Die  Geloer  schlössen  zuerst  mit  Kamarina 
einen  Waffenstillstand,  dann  bewogen  sie  auch  die  übrigen  griechischen  Städte 
der  Insel,  Gesandte  nach  Gela  zu  einem  allgemeinen  Friedenscongresse  zu 
schicken.  Hier  vertrat  Syrakus  Hermokrales,  Hermon^s  Sohn,  ein  vornehmer 
Mann  und  einsichtsvoller  Politiker«  Seine  Auseinandersetzung  der  Lage  und 
der  Interessen  Siciliens  fiand  den  Beifall  der  Mehrheit.  Er  hob  besonders  her- 
vor, dass  es  gefährlich  sei ,  Athen  zu  iQächtig  auf  Sicilien  werden  zu  lassen, 


8        Viertes  Buch.    II.  Grosse  alheoische  Expedition.    Ursprung  und  Vorbereitungen. 

das  es  ja  doch  nur  unterjochen  wolle.  Er  appeliirte  an  den  siciiischen  Palrio- 
tismus  der  Gegner  von  Syrakus ;  nie  dürfe  man  Fremde  in  den  inneren  Streitig* 
ketten  zu  Hülfe  rufen.  Wenn  die  übrigen  Gesandten  auch  nicht  verkennen 
konnten,  dass  Hermokrates  vorzugsweise  zu  Syrakusens  Vortheil  seine  Theorie 
von  dem  Femhalten  der  Fremden  aufstellte ,  so  hatte  doch  die  Idee  des  ee- 
meinschaftlichen ,  meerumflossenen  Vaterlandes  etwas  sehr  Bestechendes  und 
sie  gingen  auf  den  Frieden  ein.  Er  wurde  unter  der  Bedingung  geschlossen, 
dass  jede  Stadt  im  Besitze  dessen,  was  sie  hatte,  bleiben  sollte  —  nur  Kama- 
rina  erhielt  gegen  eine,  den  Syrakusanern  zu  zahlende  Geldsumme  Morgantine. 
In  den  Vertrag  wurden  auf  den  Wunsch  der  chalkidiscben  Städte  auch  die 
Athener  eingeschlossen ;  die  Lokrer  allein  weigerten  sich,  mit  ihnen  Frieden  zu 
schliessen.  Bei  dieser  Einigkeit  der  siciiischen  Griechen  hatten  die  athenischen 
Heerführer  keine  Wahl ,  als  ebenfalls  den  Frieden  anzunehmen  und  mit  der 
Flotte  nach  Hause  zurückzukehren  f4S4  v.  Chr.' .  In  Athen  wurden  sie  schlecht 
aufgenommen.  Man  hatte  geglaubt,  eine  solche  Macht  würde  ganz  Sicilien 
unterwerfen,  und  beschuldigte  sie,  von  den  Feinden  bestochen  zu  sein.  Pytho- 
doros  und  Sophokles  wurden  verbannt,  Eur\'medon  mit  einer  Geldstrafe  belegt. 
Allerdings  zeigte  die  athenische  Demokratie  gegen  Feldherren  nicht  selten  eine 
launische  Strenge;  hier  Itesse  sich  aber  die  Frage  aufwerfen,  womit  sich  diese 
Feldherren  denn  eigentlich  den  W^inter  und  den  Sommer,  die  ihrer  Abfahrt  nach 
Athen  vorhergingen,  beschäftigten,  und  ob  man  eine  so  grosse  Flotte  ausgeschickt 
hatte,  damit  sie  Monate  lang  unthätig  in  Rhegion  liegen  sollte? 

Dies  war  der  Ausgang  des  ersten  Versuches  der  Athener,  sich  auf  Sicilien 
festzusetzen,  eines  Versuches,  der,  für  den  Augenblick  wenigstens,  die  Sike- 
lioten  nur  vereinigte.  In  dieser  Hinsicht  ist  das  Auftreten  des  Hermokrates  von 
grosser  Bedeutung ;  die  siciiischen  Griechen  fühlen  sich  als  die  Vertreter  von 
ganz  Sicilien,  wo  Sikeler  und  Phönicier  kaum  mitzShIen  und  Athener  Fremd- 
linge sind.  Es  ist  die  beste  EriSiuterung  des  im  Anfange  dieses  Abschtiitts 
Dargelegten. 


Zweites   Kapitel. 
Grosse  athenische  Expedition.    Ursprang  and  Torbereitnngen. 

Die  Einigkeit  unter  den  Sikelioten  dauerte  nicht  lange.  Stammeseifersucht 
und  Parteihass  versetzten  die  Sachen  schnell  wieder  in  den  Zustand,  der  im 
Jahre  427  zur  Herbeirufung  der  Athener  geführt  hatte.  Leontini  fiel  bald  in 
einer  vielleicht  nur  der  leontinischen  Volkspartei  unerwarteten  Weise  den 
Syrakusanern  in  die  Hände.  Nach  dem  Abzüge  der  Athener  aus  Sicilien  nah- 
men die  Leontiner  eine  grosse  Anzahl  neuer  Bürger  auf,  wir  wissen  nicht 
welcher  Herkunft,  und  es  wurde  von  der  Volkspartei  der  Plan  entworfen, 
durch  eine  neue  Vertheilung  der  Grundstücke  zugleich  den  Neubürgem  Besitz 
zu  schaffen  und  die  Aristokratie  zu  schwächen.  Schnell  verabredeten  sich  die 
Vornehmen  mit  den  Syrakusanern,  Hessen  eine  Anzahl  derselben  in  die  Stadt 


Leontiiii  verwüstet.   Erfolglose  Sendung  des  Pbfriax.  9 

und  vertrieben  Alle ,  die  nichl  zu  ihrer  Partei  gehörten.  Dann  verliessen  sie 
Leontini ,  das  sie  verwüsteten  und  zogen  nach  Syrakus ,  wo  sie  als  Bürger 
aufgenommen  wurden.  Es  war  dies  ganz  dasselbe  Verfahren  wie  damals,  als 
Gelon  Megara  und  Euboea  erobert  hatte ,  und  die  Verhältnisse  waren  auch  in 
der  Beziehung  ähnlich ,  dass  in  Syrakus  in  beiden  Fallen  keineswegs  die 
aristokratische  Partei  herrschte.  Nur  etwas  war  diesmal  nicht  geschehen,  was 
Gelon  gethan  hatte  und  was  ihm  alle  die  Unruhe  ersparte,  von  der  die  leon- 
tinischen  Vornehmen  nicht  verschont  blieben  :  sie  hatten  ihre  Mitbürger  nicht 
als  Sklaven  in's  Ausland  verkauft.  So  konnten  sie  keinen  Augenblick  sicher 
sein,  dass  die  Verbannten  nicht  die  Ländereien,  aus  denen  sie  ihre  Einkünfte 
zu  ziehen  beabsichtigten ,  überfielen  und  ausplünderten.  Wahrscheinlich  fiel 
bald  etw^as  Derartiges  vor ;  überdies  mochten  die  leontinischen  Aristokraten 
schnell  gewahr  werden,  dass  das  syrakusanische  Volk  sie  nicht  mit  besonders 
günstigen  Augen  betrachtete;  genug,  nach  kurzer  Zeit  verliessen  manche  von 
ihnen  die  neue  Heimath  und  kehrten  in  das  Gebiet  ihrer  Vaterstadt  zurück, 
wro  sie  Brikinniai,  ein  Kastell  in  der  Nähe  von  Leontini  —  vielleicht  den  Celle 
S.  Basilio,  der  sich  2^2  Million  nördlich  von  Scordia  am  Rande  der  Ebene  von 
Gatania  etwa  4  60  Meter  über  dieselbe  mit  einem  unteren  Unifange  von  6000 
Metern  erhebt  und  manche  Spuren  alter  Wohnsitze,  sowie  Ueberreste  von 
Befestigungen  zeigt  —  und  Pbokaiai,  einen  Theil  der  Stadt  Leontini  selbst, 
besetzten.  An  sie  schlössen  sioh  die  meisten  der  Verbannten  an,  und  gemein- 
sam führte  man  von  diesen  festen  Punkten  aus  Krieg  gegen  die  Syrakusaner. 
Die  leontiniscbe  Volkspartei  hatte  sich  wahrscheinlich  schon  gleich  nach 
ihrer  Vertreibung  aus  der  Stadt  an  die  Athener  gewandt  und  sie  um  Hülfe  ge- 
beten, aber  Athen  befand  sich  jetzt  nicht  mehr  in  einer  so  glücklichen  Lage, 
wie  damals,  als  die  erste  Expedition  nach  Sicilien  abging,  da  Brasidas  inzwischen 
angefangen  hatte,  es  in  Thracien  zu  bedrängen.  So  konnten  die  Athener  denn 
nicht  daran  denken ,  eine  grössere  Flotte  nach  Sicilien  zu  schicken ;  sie  be- 
gnügten sich  damit,  422  vor  Chr.  Phaiax  nebst  zwei  Andern  als  Gesandte  auf 
zwei  Schiffen  nach  Italien  und  Sicilien  zu  senden,  um  sich  eine  genaue  Kenntr- 
niss  der  dortigen  Verhältnisse  zu  verschaffen  und  zu  versuchen,  ob  nicht 
unter  den  Sikelioten  ein  Bund  gegen  Syrakus  zu  Stande  gebracht  werden 
lönne.  Phaiax  bewog  Lokri  zu  einem  Vertrage,  einer  späten  Vervollständigung 
des  den  Athenern  so  wenig  vortheilhaften  Friedens  von  Gela,  die  wir  nicht  als 
einen  Erfolg  des  Gesandten  bezeichnen  können.  In  Sicilien  fand  er  in  den 
^  Städten,  die  er  zuerst  besuchte,  Gehör.  Die  Kamarinäer  waren  zu  einem 
Bündnisse  gegen  Syrakus  bereit,  ebenso  die  Akragantiner.  Als  er  aber  nach 
Gela  kam,  zeigte  sich  ein  so  grosser  Widerwille  gegen  seine  Pläne,  dass  er  an 
dem  Erfolg  setner  Sendung  verzagte  und  durch  das  Innere  Siciliens,  durch 
sikelisches  Gebiet ,  Über  Brikinniai  und  Katane ,  wo  er  seine  Schiffe  vorfand, 
nach  Athen  zurückkehrte.  Er  traf  unterw  egs  ein  Schiff  mit  lokrischen  Kriegern, 
die  aus  Messana  heimkehrten.  Hier  waren  nämlich  nach  dem  Frieden  zu  Gela 
ebenfalls  neue  Streitigkeiten  zwischen  der  chalkidischen  und  der  dorischen 
Partei  ausgebrochen ,  und  die  letztere  hatte,  um  sich  zu  behaupten,  jetzt  sogar 
eine  lokrische  Kolonie,  die  als  Besatzung  dienen  sollte,  aufgenommen.  Diese 
war  aber  nach  einiger  Zeit  vertrieben  worden,  ohne  dass  jedoch  die  Stadt  des- 


10     Viertes  Buch.   II.  Grosse  alhcaiscbc  Eipedition.   Ui*spruQg  und  Vorbereitungen. 

halb  zu  den  chalkidischen  Städten  in  eine  innigere  Beziehung  getreten  wäre. 
Die  Athener  konnten  nach  dem  Berichte  ihres  Gesandten  keine  Lust  verspüren, 
sich  in  die  sicilischen  Angelegenheiten  zu  mischen,  und  verloren  bald  die  Insel 
ganz  aus  den  Augen.  Im  April  421  wurde  der  Friede  des  Nikias  geschlossen 
und  in  den  nächstfolgenden  Jahren  nahmen  die  wechselnden  Beziehungen  der 
griechischen  Staaten  zu  einander  die  ganze  Aufmerksamkeit  der  Athener  in 
Anspruch.  Als  allmUhiich  das  Yerhältniss  zu  Sparta  sich  wieder  unfreund* 
lieber  gestaltete ,  mochten  wohl  Manche  in  Athen  sich  daran  erinnern ,  dass 
man  vor  mehreren  Jahren  in  der  Herrschaft  1tf>er  Sicilien  ein  Vorzügliches 
Mittel  zum  Siege  über  Sparta  gesehen  hatte;  so  wie  es  sich  aber  darum  han* 
delte^  der  mächtigen  Nebenbuhlerin  einen  empiindlichen  Schlag  zu  versetzen, 
war  es  doch  eine  näher  gelegene  kleine  Insel,  die  Insel  Melos,  die  die  Athener 
überfielen.  Es  bedurfte  eines  neuen  Anstosses,  um  ihre  Blicke  auf  Sicilien  zu 
lenken. 

.  Im  Winter. des  Jahres  416  vor  Chr.  —  Ol.  91,1  —  gelangte  ein  Hülfs* 
gesuch  Segesta^s  nach  Athen.  Die  Egestäer  waren  wieder  einmal  mit  den 
Selinuniiern  in  Krieg.  Die  Veranlassung  dazu  hatten  theils  angebliche  Rec|its* 
Verletzungen  in  Heirathssacben,  theils  Grenzstreiligkeiten  gegeben.  Ein  Fluss, 
der  Halikyas  oder  der  Mazaras,  trennte  die  Gebiete  der  beiden  Städte ;  die 
Selinunüer  überschritten  ihn  zuerst  ^  bemächtigten  sich  des  Uferlandes  und 
machten  von  da  aus  weitere  Plünderungszüge  in  das  Gebiet  von  Segesla.  Die 
Egestäer  warfen  sich  nach  vergeblichen  Versuchen ,  die  Selinuntier  zum  Ab* 
Zuge  zu  bewegen ,  auf  die  Schaaren,  die  über  den  Fluss  g^angen  waren  und 
vertrieben  sie.  Nun  nahm  der  Streit  grossere  Verhältnisse  an ;  von  beiden 
Seilen  wurde  gerüstet,  und  es  kam  zu  einer  Schlacht,  in  welcher  die  Egestäer 
I)e6iegt  wurden.  Sie  sahea  sich  nach  Bundesgenossen  um ,  aber  die  Akragan«- 
tiner,  an  die  sie  sich  wandten,  z<^en  es  vor,  wie  damals  meistens,  neutral  zu 
bleiben,  und  die  Syrakusaner  traten  auf  die  Seite  der  Selinuntier.  Auch  nach 
Karthago  schickten  die  Egestäer  mit  der  Bitte  um  Hülfey  aber  auch  die'  Kartha* 
ger  wai'en  damals  nicht  geneigt  oder  nidit  im  Stande,  ihren  alten  Bundes«- 
genosaen  beizustehen ,  und  so  blieb  den  Egestäern  nur  noch  eine  Hoffnung : 
die  Hoffnung  auf- Athen.  Sie  traten  hier  im  Einvernehmen  mit  den  Leonlinem 
auf,  die  ihre  Bitten  um  Hülfe  bei  dieser  Gelegenheil  erneuerten.  Die  Ankia« 
gen,  welche  die  Egestäer  vorbrachten,  wurden  klüglich  besonders  gegen  die 
Syrakusaner  gerichtet,  deren  Ehrgeize  schon  Leontini  zum  Opfer  gefallen  sei| 
und  die  jetzt  auch  Segesla  vernichten  wollten.  Es  sei  zu  befürchten,  dass  bald 
ein  grosser  Bund  aller  dorischen  Staaten  Siciliens  und  Griechenlands  zu  Stande 
komme,  wejchem  Athen  nothwendig  unterliegen  müsse.  Deshalb  mdchten 
die  Athener  ihnen  Hülfe  leisten ,  was  sie  um  so  eher  thun  ki^nnten ,  da  sie 
selbst,  die  Egestäer,  jetzt  noch  im  Stande  seien,  durch  Geldbeiträge  die 
Kriegführung  zu  erleichtern. 

Nachdem  zu  wiederholten  Malen  die  Egestäer  in  der  Volksversammlung 
aufjgetreten  waren,  wurde  der  Beschluss  gefasst,  zuvtfrderst  Gesandte  nach 
Sicilien  zu  schicken ,  die  über  den  Stand  des  Krieges  zwiscb^a  Segesla  und 
Selinus  Erkundigungen  einzuziehen,  ganz  besonders  aber  sich  durch  den 
Augenschein  zu  überzeugen  hätten ,   ob  wirklich  die  Mittel  .der  Egestäer  so 


Hül(8ge$uch  Segesta's.  Athenische  Gesandtschaft  nach  Segesta.  Feldherren  der  Athener.    1 1 

reich  seien,  wie  sie  sie  darstellten.  Mansieht,  wohin  die  Neigungen  des  atheni- 
schen Volkes  gingen.  Die  Gesandten  kamen  im  Frühling 4 1 5  aus  Segesta  ziirtick 
mit  den  besten  Nachrichten  in  Folge  arger  Täuschung  durch  die  Egestäer.  Diese 
hatten  ihnen  zunächst  den  Staatsschatz  gezeigt  und  sie  dann  auf  den  Eryx  in 
den  Tempel  der  Aphrodite  geführt,  wo  sich  eine  Menge  von  Weibgeschenken 
befanden,  welche  in  stillschweigender  Uebereinkunft  als  Reservefonds  für 
den  Krieg  angesehen  wurden.  Hier  waren  den  Gesandten  eine  grosse  Anzahl 
von  Schalen,  Kannen  und  Weihrauchgeßlssen  vorgelegt  worden,  die,  oberfläch- 
lich betrachtet,  weit  kostbarer  zu  sein  schienen,  als  sie  in  Wirklichkeit  waren. 
Die  Bewohner  von  Segesta  hatten  ferner  begriffen  ,  dass  es  zur  Herbeiführung 
einer  günstigen  Entscheidung  von  grosser  Wichtigkeit  sei,  wenn  die  gesammte 
Mannschaft  der  Trieren,  die  aus  athenischen  Bürgern  bestand,  mit  einer  guten 
Meinung  von  Segesta  nach  Hause  kUme,  und  sie  hatten  sich  deshalb  um  die 
Wette  bemüht,  den  Leuten  durch  Gastmähler  den  Aufenthalt  angenehm  zu 
machen.  Um  nun  hierbei  einen  möglichst  grosset>  Luxus  entfalten  zu  können, 
hatten  sie  sich  gegenseitig  ihr  Gold-  und  Silbergeschirr  geliehen  ,  und  da  der 
Reichthum  der  Egestäer  nicht  gross  war,  so  hatten  siedergleichen  Geschirr 
auch  von  den  benachbarten,  ihnen  befreundeten  Städten  -*-  auch  griechischen, 
wie  Thukydides  sagt,  obwohl  wir  nicht  wissen,  welches  diese  griechischen 
Städte  waren  —  entlehnt.  So  waren  Führer  wie  Mannschaft  für  Segesta  ein- 
genommen. Sodann  kamen  neue  Gesandte  aus  Segesta,  die  nun  mit  bestimm- 
ten Vorschlägen  hervortraten.  Sie  baten  um  60  Schiffe  und  brachten  60  Ta- 
lente ungeroOnzten  Silbers  mit,  die  als  Sold  für  die  Flotteomannschaft  auf  einen 
Monat  dienen  sollten.  Nunmehr  wurde  eine  Volksversammlung  berufen,  in 
welcher  endgültig  über  das  Gesuch  der  Egestäer  entschieden  werden  musste. 
Hfer  berichteten  die  nach  Segesta  gesandten  Athener  über  die  dort  vorgefun- 
denen Schätze ;  unter  dem  Volke  al)er  befanden  sich  die  Seeleute ,  die  den 
Reichthum  der  Egestäer  mit  lauter  Stimme  priesen.  So  beschloss  denn  das 
seit  dem  ersten  siciliscben  Kriege  gegen  Syrakus  gereizte  Volk,  trotzdem  dass, 
wie  es  scheint.  Syrakusaner  den  Egestäern  entgegenwirkten,  dem  Gesuche 
derselben  zu  willfahren  und  zunächst  60  Kriegsschiffe  nach  Sicilien  zu  senden. 
Zu  Feldherren  wählte  mati  die  beiden  Führer  der  Hauptparteien  des  Staiates, 
Alkibiades,  den  Sohn  des  Kleinias,  den  Führer  der  Bewegungsparlei ,  und 
Nikias,  den  Sohn  des  Nikeratos,  das  Haupt  der  Aristokraten,  und  ausserdem  als 
dritten  den  kriegserfahrenen  Lamachos,  den  Sohn  des  Xenophanes*  Blan  gab 
den  Feldherren  den  Auftrag ,  den  Egestäern  gegen  Selinus  beizustehen ,  zur 
Wiederherstellung  Leontini's ,  w^nn  es  möglich  wäre,  beizutragen  und  über- 
haupt, wie  es  ihnen  gut  dünkte,  in  Sicilien  die  Interessen  Athens  zu  fördern. 
Es  musste  natürlich  der  Unternehmung  zum  Schaden  gereichen,  daas  statt 
eines  Oberfeldherren  deren  drei  ernannt  wurden ;  sollten  es  aber  einmal  drei 
sein,  so  konnte  man  nicht  besser  wählen,  als  geschah.  Lamachos,  arm,  schon 
in  Jahren  vorgerückt,  war  nur  Soldat  und  Feldherr,  tapfer  j  unternehmend, 
erprobt  in  Allem,  was  den  Krieg  betraf;  der  reiche  Nikias  war  ruhig  und  be- 
sonnen ,  schwer  zu  Entschlüssen  zu  bewegen,  aber  zäh  bei  dem  einmal  Er- 
wählten beharrend ;  der  ehrgeizige  und  unruhige  Alkibiades  endlich  war  kühn 
wie  Lamaciios,  aber  dabei  beredt  und  ein  kluger  Politiker,  der  in  Unterband- 


12     Viertes  Buch.   II.  Grosse  athenische  Expedition.    Ursprung  und  Vorbereitungen. 

lungen  mit  fremden  Staaten  seines  Gleichen  suchte  und  der  durch  seine  ge- 
winnende  Persönlichkeit   Erfolge    erzielen   konnte,    wo  Andere  scheiterten. 
Freilich  durfte  dann  von  diesen  Dreien  auch  keiner  dem  Unternehmen  wieder 
entzogen  werden,  das  in  seinen  Zielen  wie  in  den  anzuwendenden  Hittein 
ganz  ihrem  Gutdünken  überlassen  war,'  vorbehaltlich  natürlicherweise  der 
Ratification  des  Volkes.     Vier  Tage  nach  der  ersten  Volksversammlung  wurde 
eine  neue  gehalten ,  in  welcher  über  die  Ausrüstung  der  Flotte  das  Genauere 
bestimmt  werden  sollte,  in  der  aber  in  Wirklichkeit  durch  einen  unglücklichen 
Versuch  des  Nikias,  das  Beschlossene  rückgängig  zu  machen,  das  Unternehmen 
ein  viel  grösseres  wurde,  als  man  anfangs  beabsichtigt  hatte.    Nikias  war,  als 
Haupt  der  aristokratischen  Friedenspartei,  ein  Gegner  der  Unternehmung,  aber 
es  war  ihm  nicht  möglich  gewesen  ^  die  besonders  durch  Alkibiades  zu  den 
sanguinischesten  Hoffnupgen  aufgeregten  Athener  davon  abzubringen.  Alt  und 
Jung  dachte  an  nichts   als  an  Sicilien ,  die  Jünglinge  redeten  davon  in  den 
Palästren,  die  Erwachsenen  in  den  Werkstätten ,  LHden  und  Hallen,  in  denen 
sie  zusammenkamen.    Ueberall  sah  man  L^ute ,  die  beschäftigt  waren ,  über 
die  Lage  Siciliens,  seine  Häfen  und  Städte  zu  verhandeln  und  die  Gestalt  der 
Insel  und  die  Umrisse  der  nächsten  Küsten  in  den  Sand  zu  zeichnen.     Die 
Phantasie  der  Athener  beschränkte  sich  nicht  auf  die  Ausmalung  der  Vortbeile, 
die  der  Besitz  Siciliens  mit  sich  führen  würde,    sie  dachten  darüber  nach, 
welche  anderen  Länder  sie  dann  erobern  sollten,  es  war  ihnen  nicht  zweifel- 
haft, dass  Italien  und  der  Peloponnes ,  dass  Karthago  und  ganz  Afrika ,  ja  am 
Ende  alles  Land  bis  zu  den  Säulen  des  Herakles  und  das  ganze  mittelländische 
Meer  ihre  Herrschaft  würde  anerkennen  müssen.    Das  waren  Dummheiten; 
und  nur  Thoren  konnten  Karthago  mit  in*s  Spiel  ziehen  wollen.    Denn  wenn 
Athen  überhaupt  Syrakusens  Meister  wurde ,  so  konnte  das  nur  unter  Gonhi- 
Venz  von  Karthago  geschehen.     Aber  das  athenische  Volk  war  einmal  so 
geartet,  dass  es  einem  plötzlichen  Antriebe  leicht  folgte  und  sich  für  Utopien 
begeisterte.    Trotzdem  hatte  Nikias  nicht  versäumt ,  rechtzeitig  gegen  die  Be- 
willigung des  Gesuches  der  Egestäer  zu  wirken,  aber  er  hatte  nicht  einmal' bei 
^inen  Parteigenossen  kräftige  Unterstützung  gefunden.     Viele  W^ohlhabende 
fürchteten,  dass,  wenn  sie  gegen  das  Unternehmen  stimmten,  das  sie  viel 
Geld  kosten  musste,  das  Volk  es  ihnen  als  Geiz  auslegen  möchte,  und  schwiegen 
deshalb.    Dennoch  trat  Nikias,    als  über  die  Ausrüstung  der  Flotte  und  des 
Heeres  verhandelt  werden  sollte ,  von  Neuem  mit  seinen  Bedenken  gegen  die 
gesammte  Unternehmung  hervor.    Er  erinnerte  die  Atherier  daran ,  dass  es 
unklug  sei ,  ehe  sie  ihre  alte  Macht  wieder  erlangt  (die  früher  unter\iorfencn 
thrakischen  Städte   waren  noch  frei),  neue  Unternehmungen  zu  versuchen ; 
dass  die  Syrakusaner,  wenn  sie  einmal,  was  man  immer  als  das  Schlimmste 
hinstellte,  ganz  Sicilien  unterjocht  hätten,  ihnen  erst  recht  nicht  gefährlich 
wären ,  weil  sie  dann  eine  Menge  unruhiger  Unterthanen  hätten ;   dass  bei 
Manchen  persönliche  Interessen  die  Befürwortung  des  Unternehmens  veran- 
lassten.   Er  schloss  mit  der  Aufforderung  an  den  Vorsitzenden,  die  Frage ,  ob 
überhaupt  der  Zug  unternommen  werden  sollte,  noch  einmal  dem  Volke  vor- 
zulegen.   Damit  schlug  Nikias  etwas  Ungesetzliches  vor;  doch  war  schon  in 
anderen  Fällen  ein  gefasster  Beschluss  vom  Volke  wieder  aufgehoben.    Bedenk- 


Verhandlungen  über  das  UntemebmeD.  Reden  des  Nikias  und  Alkibiades.  13 

lieber  war,  dass  der,  welcher  zu  so  später  Stunde  gegen  das  Unternehmea 
sprach^  einer  der  Feldherren  war,  die  es  leiten  sollten,  und  dass  der  Haupt- 
gegner, den  er  angriff,  kein  anderer  war  als  sein  eigener  College  in  der  Feld- 
herrnschah.  Wenn  Nikias  £rfolg  hatte,  war  alles  gut,  und  in  diesem  Falle 
hätten  wir  nur  die  grossartige  Unbefangenheit  des  Altertbums  zu  rühmen ,  das 
da,  wo  man  jetzt  seine  Zuflucht  zu  Intriguen  nehmen  würde,  ein  oflenes  Auf- 
treten natürlich  fand.  So  kam  es  aber  nicht.  Nur  Wenige  wagten ,  sich 
Nikias  anzuschliessen ;  die  meisten  Redner  sprachen  für  das  Unternehmen^ 
und  den  grössten  Eindruck  machte  Alkibiades  selbst,  der  seine  Sache  auf  das 
Wärmste  vertheidigte.  Nikias  hatte  Recht  gehabt,  wenn  er  andeutete ,  dass 
Alkibiades  persönliche  Yortheile  von  dem  Zuge  erwarte.  Alkibiades  hatte  von 
jeher  das  Ausserordentliche  geliebt,  und  er  fand  in  dem  gewöhnlichen  Gange 
der  athenischen  Staalsgeschfifte  nichts  mehr ,  was  seinen  Ehrgeiz  befriedigte. 
Deshalb  wünschte  er  den  Zug  nach  Sicilien,  dessen  Eroberung  ihm  unzweifel- 
haft schien.  Er  begann  mit  einer  Vertheidigung  seines,  von  Nikias  angegriffe- 
nen Charakters  und  seiner  bisherigen  politischen  Wirksamkeit.  Zur  Sache 
übergehend,  suchte  er  die  Macht  der  Feinde  möglichst  gering  darzustellen. 
Es  lebten  in  den  sicilischen  Städten,  sagte  er,  grosse  Volksmassen  von  allerlei 
Herkunft,  und  es  sei  keine  Festigkeit  in  den  dortigen  Zuständen.  Die  Bürger 
hätten  kein  Interesse  an  der  Vertheidigung  ihrer  Heimath.  Jeder  sei  bereit,  mit  den 
gut  oder  schlecht  erworbenen  Reichthümern  anderswohin  zu  ziehen,  wenn  seines 
Bleibens  nicht  mehr  in  der  Vaterstadt  sei.  Die  Zahl  der  Schwerbewaffneten  sei 
nicht  gross,  und  die  Barbaren  der  Insel  würden  den  Athenern  beistehen.  In 
Griechenland  ständen  die  Sachen  nicht  so  schlimm  für  sie,  wie  man  behaupte, 
und  schliesslich  habe  Athen  dadurch  seine  Macht  gewonnen,  dass  es  stets  kühn 
vorangegangen  sei,  und  so  müsse  es  auch  diesmal  handeln.  Sollten  wir,  sagte 
er  zuletzt,  was  unwahrscheinlich  ist,  in  Sicilien  eine  Schlappe  erleiden,  so 
steht  uns  ja  mit  unserer  meerbeherrschenden  Flotte  jederzeit  die  Rückkehr 
frei.  Die  Rede  des  Alkibiades,  welche  eine  nicht  üble  Kenntniss  der  Zustände 
der  Insel  verrieth  —  wir  wissen,  wie  viel  politische  Experimente  man  mit  den. 
sicilischen  Grossstädlen  des  Ostens  vorgenommen  hatte  —  war  sehr  klug  der 
Stimmung  des  Volkes  angepasst.  Wie  hätten  die  Athener  es  nicht  gern  hören 
sollen ,  wenn  ein  bedeutender  Staatsmann  ihnen  bewies ,  dass  es  ihre  Pflicht 
sei,  fortwährend  neue  Eroberungen  zu  machen?  Da  nun  ferner  die  Egestäer 
und  Leonliner  nicht  unterliessen,  ihre  Klagen  von  Neuem  anzustimmen,  so  war 
bald  das  ganze  Volk  darüber  einig,  dass  der  Zug  jedenfalls  unternommen 
werden  müsse,  und  der  Antrag  des  Nikias  war  verworfen.  Nach  modernen 
Begriffen  wäre  nun  die  nothwendige  Folge  seines  Auftretens  gewesen ,  dass 
er  auf  den  Oberbefehl  in  einem  Kriege,  den  er  nicht  billigen  konnte,  verzichtet 
hätte ;  man  würde  es  bedenklich  finden.  Jemandem,  der  öffentlich  seine  Zwei- 
fel am  Erfolge  eines  projectirten  Zuges  ausgesprochen  hätte ,  die  Führung 
desselben  zu  lassen.  Dass  es  dennoch  geschah ,  daran  war  vorzugsweise  die 
persönliche  Stellung  des  Nikias  schuld,  der  in  seiner  Rede  nicht  einmal  seinea 
Mitfeldherrn  Alkibiades  geschont  hatte ,  während  dieser  sich  viel  vorsichtiger 
über  ihn  äusserte.  Er  galt  so  viel  in  Athen,  dass^  wenn  er  trotz  seiner  Ab- 
neigung  gegen    den    Zug  den    Oberbefehl   desselben  behielt,   er  erwarten 


14     Viertes  Buch.   II.  Grosse  athenische  Expedition.    Ursprung  und  Vorbereitungen. 

konnte,  dass  man  ihm  dafür  noch  dankbar  war.  Dennoch  ist  klar ,  dass  er  in 
dieser  Sache  eine  schiefe  Stellung  einnabm,  die  nur  Unheil  bringen  konnte,  und 
dies  gilt  besonders  von  dem  Schritte ,  den  er  nunmehr  that.  Er  hatte  sich 
überzeugt,  dass- er  durch  dtrectes  Abrathen  den  Zug  nicht  verhindern  würde, 
und  da  er  sich  immer  noch  nicht  an  den  Gedanken  gewöhnen  konnte,  dass 
das  Unternehmen  unvermeidlich  sei ,  so  dachte  er  durch  eine  Auiseinander- 
setzung  des  ungeheuren  Aufwandes,  den  ein  den  Absichten  des  Volkes  ent- 
sprechender Krieg  erfordern  i;\ürde,  sein  Ziel  anf  einem  Umwege  doch  noch 
zu  erreichen.  Gegen  die  sieben  feindlichen  St4ldlo  —  er  meinte  Syrakus, 
Messana,  Himera,  Kamarina,  Gela,  Akragas  und  Selinus  —  die  ja  eine  bedeu- 
tende Reiterei  hätten,  seien  sehr  viele  Hopliten  und  Leichtbewaffnete,  Viel 
Proviant  und  besonders  viel  Geld  erforderlich.  Wenn  Jemand  anders  denke, 
so  trete  er  ihm  gerne  den  Oberbefehl  ab.  Nikias  hatte  sich  sehr  getauscht, 
wenn  er  durch  solche  Worte  die  Athener  abzuschrecken  meinte ;  er  arbeitete 
damit  nur  Alkibiades  in  die  Hände.  Die  Majorität  der  Athener  wollte  den  Zug 
nun  einmal,  und  da  es  der  Stadt  und  den  Einzelnen  an  Mitteln  nicht  fehlte^  so 
war  dem  Volke  eine  grosse  Ausrüstung  gerade  i^echt ,  weil  sie  einen  günstigen 
Erfolg  um  so  sicherer  zu  garantiren  schien.  Ein  Volksredner,  Namens  Demo- 
stratos, sagte  zu  Nikias:  »Es  ist  jetxt  keine  Zeit  mehr,  Vorwände  zu  suchen  und 
um  die  Sache  herumzagehcn ,  sage  hier  vor  allem  Volke,  wie  gross  die  Macht 
sein  muss,  die  wir  zu  bewilligen  haben.«  Jetzt  nannte  Nikias  als  unbedingt 
Dothwendig  100  Trieren  und  öOOO  Hopliten  nebst  der  entsprechenden  Anzahl 
von  Leichtbewaffneten.  Sogleich  ward  der  Beschluss  gefasst,  dass  die  Be- 
stimmung über  die  Grösse  und  den  Umfang  der  Ausrüstung  den  Feldherren 
anheimgegeben  werden  sollte.  So  ist  Nikias  selbst  die  Veranlassung  ge- 
worden, dass  das  Unternehmen,  welches  er  durchaus  missbilligte,  die  gci- 
waltigsten  Verhältnisse  annahm. 

Es  ward  ein  Zug,  der  den  bedeutendsten  Einfluss  auf  die  Verhältnisse 
des  Westens  ausüben  konnte.  Diese ,  wie  sie  nun  einmal  standen,  beruhten 
auf  einer  Art  von  Gleichgewicht  zwischen  zwei  Parteien:  den  Karthagern  und 
Etruskern  einerseits,  den  Hellenen  unter  der  Führung  derSyrakusaner  anderer- 
seits. Nun  wollte  sich  Athen ,  die  grOsste  öetliche  Seemacht,  in  diese  Verbält- 
nisse mischen ,  Syrakus  vernichten  und  sich  an  dessen  Stelle  setzen  und  so 
einen  Staat  bilden,  dessen  Einfluss  auch  im  Westen  unberechenbar  gross  sein 
musste ,  ganz  abgesehen  ven  allen  phantastischen  Träumen  einer  Weltherr- 
schaft. Wie  stellten  sich  zu  diesem  Unternehmen  die  übrigen  Mächte  des 
Westens?  Das  war  eine  Frage,  die  sich  die  athenisdien,  Staatsmänner  vor- 
zulegen hatten.  Es  ist  uns  nicht  überliefert,  wie  sie  l>eantwortet  worden  ist, 
ja  nidit  einmal,  ob  sie  sie  Ubertiaupt  aufwarfen  ,  aber  w  ir  können  sagen,  wie 
sie  beantwortet  w*erden  musste.  Die  Etrusker  konnten  am  ersten  als  Bundes- 
genossen gewonnen  werden;  waren  sie  doch  alte  Feinde  von  Syrakus  und 
selbst  nicht  so  mächtig,  dass  sie  auf  Athen  hätten  eifersüchtig  sein  dürfen. 
Anders  stand  es  mit  Karthago.  Dies  war  an  eine  grössere  Politik  gewöhnt  als 
Etrurien.  Karthago  stand  schwerlich  Syrakus  bei,  von  dem  die  Schlacht  bei 
Himora  es  trennte ,  aber  war  es  darum  in  seinem  Interesse,  den  Athenern  die 
Bahn  zur  Uerrschiaift  im  Westen  zu  ebnen  ?    Die  Sachlage  zeichnete  Karthago 


Grossartige  Ausdehnung  des  ÜnterDehmens.   Die  Rüstungen  der  Athener.  15- 

seine  Politik  vor:  zunächst  Syrakus  und  Athen  sich  zeFfleidchen  lassen,  um 
dann  wo  möglich  selbst  Herrin  des  streitigen  Bodens  zu  werden.  Athen 
konnte  also  nur  wirklichen  Erfolg  hoffen ,  wenn  es  schnell  vollständig  siegte ; 
sonst  war  es  nicht  sicher,  dass  Karthago  nicht  dazwischen  trat,  fttr  das  es 
schliesslich  nur ,  die  Kastanien  aus  dem  Feuer  geholt  hätte.  Um  aber  sehneil 
zu  siegen,  waren  nur  wenige  Grundbedingungen  vorhanden,  die  meisten 
fehlten.  Zu  Statten  kam  Athen :  die  Grösse  der  Rüstung  und  die  Schnelligkeit 
der  Kriegsbereitschaft ,  die  in  einer  Z«it ,  wo  Nachrichten  nicht  im  Voraus  in 
alle  Städte  liefen,  noch  von  ganz  anderer  Bedeutung  war  als  jetzt.  Gegen 
Athen  aber  fiel  in  die  Wagsehale :  die  Entfernung  des  Kriegsschauplatzes,  wo 
dann  dieselben  mangelnden  Communicationon  sieb  in  entgegengesetztem  ^nne 
gehend  machten  und  der  vorauszusehende  Mangel  an  Bundesgenossen ;  denn 
was  wollten  die  Sikeler  mit  ihrer  Htllfe  besagen?  Athen  musste  Alles  allem 
thun ,  und  schnell ,  sonst  entging  ihm  sicher  die  Beute  und  es  erntete  nur 
Schaden.    Bedachte  man  das  in  Athen?   Wir  ftlrchten,  nein. 

Unverztlglich  begannen  die  Vorbereitungen.  Athen  hatte  eben  angefangen, 
sich  von  den  Nachwirkungen  der  Pest  und  des  langen  Krieges  zu  erholen,  und 
so  konnte  es,  ohne  sich  übermässig  anzustrengen,  Mannschaften  und  Geld  in 
hinreichender  Menge  liefern.  Die  Finanzen  des  Staates  hatten  sich  in  den  fünf 
Jahren  seit  dem  Friedensschlüsse  bereits  so  weit  wieder  erholt,  dass  sich  in 
der  Schatzkammer  eine  Summe  von  3000  Talenten  befand.  Die  Stadt  lieferte 
400  Trteren,  60  schnellsegelnde,  eigentliche  Kriegsschiffe,  und  40,  die  zum 
Transport  der  Schwerbewaffneten  bestimmt  waren ,  dazu  die  nothwendtgste 
Ausrüstung  der  Schiffe  und  den  Sofd  fQr  die  Schiffsmannschaft ,  eine  Drachme 
tägHdi  für  Jeden.  Der  Sold  war  hoch ,  aber  man  sicherte  sich  so  die  beste 
Mannschaft.  Dieser  grosse  Aufwand  von  Seiten  des  Staates  Hess  jedoch  auch 
den  Privaten  noch  viel  zu  thun  übrig.  Die  Trierarchen,  reiche  Bürger,  die  das 
Kommando  einer  Triere  als  ein  Ehrenamt  übernahmen,  hatten  die  Ausrüstung 
der  Schiffe  zu  vervollständigen ,  und  sie  pflegten  überdies  durch  Zulage  am 
Solde  das  Schiffsvolk  bei  guter  Laune  zu  erhalten,  die  Schwerbewafiheten 
aber  musslen  sich  sefber  ausrüsten.  Diesmal  zeigte  sich  unter  Allen  ein  be- 
sonderer Wetteifer.  Die  Trieratchen  suchten  die  besten  Ruderer  zu  gewinnen 
und  ihre  Schiffe  möglichst  schön  und  möglichst  schnellsegelnd  zu  machen ;  die 
von  Dienern  begleiteten  HopTiten  versahen  sich  mit  den  l)esten  Waffen  und 
allen  sonst  in  einem  langem  Feldzuge  brauchbaren  Gegenständen.  Kurz, 
Stadt  und  Bürger  schienen  bei  dieser  Gelegenheit  dem  übrigen  Griechenland 
geigen  zu  wollen,  wessen  Athen  fähig  sei.  Von  dieser  allgemeinen  Begeisterung 
blieben  Wenige  unberührt:  Sokrates,  den,  wie  man  meinte,  sein  Genius  ge- 
warnt halte ,  und  der  Astronom  Meton ,  der,  um  entweder  sich  s^bst,  oder, 
was  wahrscheinlicher  ist,  seinen  Sohn  von  der  Theilnahme  an  einem  Zuge  zu 
befreien,  den  astrologische  Experimente  ihm  als  unglttckbringend  verkündeten, 
sich  vvahnsinnig  stellte  und,  um  keinen  Zweifel  an  seinem  Wahnsinn  auf- 
kommen zu  lassen,  sein  Hau^  anzündete.  TJebiigens  fehlte  es  natürlich  nicht 
an  Vorzeichen  aller  Art,  guten  und  bösen ,  und  wenn  auch  wahrscheinlich  die 
guten  überwogen  —  das  beste  war  ohhe  Zweifei  das  vom  Jupiter  Ammon  ge- 
gebene, die  Athener  würden  alle  Syrokusaner  gefangen  nehmen  —  so  wurden 


16     Viertes  Buch.   II.  Grosse  athenische  Expedi^ian.    Ursprung  und  Vorbereitungen. 

später  natürlich  die  bösen  hervorgehoben.  Ein  Pallasbiid  in  Delphi,  das 
Athen  nach  dem  Perserkriege  dahin  gestiftet  hatte ,  wurde  von  Vögeln  enir- 
stellt  und  beschädigt ;  ein  Mensch  verstümmelte  sich  selbst  an  dem  Altar  der 
zwölf  Götter ;  die  Priesterin  der  Athene,  welche  man  nach  einem  Orakelspruche 
aus  Klazomehae  holte,  hiess  Hesychia  —  die  Ruhe;  während  def  Volksversamm- 
lungen ,  in  denen  über  den  Zug  nach  Siciiien  verhandelt  wurde ,  ertönten  in 
der  Stadt  die  Klagen  der  Frauen,  xdie  das  Adonisfest  feierten,  aber  die  schlimm- 
ste Vorbedeutung  war  eine  Begebenheit,  die  auch  in  ihren  Folgen  fUr  das 
ganze  Unternehmen  verhUngnissvoll  werden  sollte. 

Eines  Morgens ,  um  die  Mitte  des  Monats  Mai  415  v.  Chr. ,  kurze  Zeit  vor 
dem  zum  Abgang  der  Expedition  bestimmt^  ^'«'^g^i  fanden  die  Athener  zu 
ihrem  grössten  Entsetzen,  dass  fast  alle  Hermen,  die  in  den  Sirassen  der 
Stadt  standen ,  verstummelt  waren.  Diese  viereckigen  steinernen  Pfeiler,  auf 
denen  sich  Brust  und  Kopf  des  Gottes  Hermes  befanden ,  waren  in  ihrer  zahl-- 
reichen  Verbreitung  Über  die  Strassen  und  Plätze  Athens  ein  hochverehrter 
aller  Schifnuck  einer  auf  ihre  Gottesfurcht  stolzen  Stadt.  Es  war  ein  Frevel, 
der  dem  Gotteselbst  angethan  war,  und  den  er  nicht  ungeahndet  lassen  konnte. 
Aber  Niemand  hatte  die  That  verrichten  sehen,  die  doch  nur  von  eioem 
Haufen  Verschworener  ausgeübt  sein  konnte.  Das  Volk  gerieth  in  die  grösste 
Bestürzung,  und  es  wurden  bedeutende  Belohnungen  auf  die  Entdeckung  der 
Frevler  geseXzt.  Es  verbreitete  sich  schnell  die  Ansicht',  dass  die  That  als  ein 
Anzeichen  einer  weit  verzweigten  Verschwörung  zum  Sturze  der  Demokratie 
zu  betrachten  sei;  man  glaubte,  dass  eine  Gesellschaft  von  Menschen,  die  einen 
so  ruchlosen  Frevel  mit  solcher  Heimlichkeit  begeben  konnten ,  aufs  Aeus«- 
serste  zu  fürchten  sei.  Alle  wurden  aufgefordert  zu  sagen,  was  sie  davon 
wüssten,  aber  auch  üherhaupt  alle  in  jüngster  Zeit  begangenen  Frevel ,  die  zu 
ihrer  Kennlniss  gekommen  wären,  anzugeben.  Bei  der  allgemeinen  Aufregung 
dauerte  es  nicht  lange,  bis  Anzeigen  gemacht  wurden,  die  freilich  die  Uermen- 
verstUmmelung  nicht  betrafen,  aber,  da  sie  einen  der  ersten  MUnner  de^ 
Staates  als  einer  Gottlosigkeit  schuldig  darstellten ,  begierig  angehört  wurden. 
Andere  Bildnisse ,  so  ward  gemeldet ,  sollten  von  trunkenen  Menschen  schon 
früher  verstümmelt  und  bei  Trinkgesellschafteti  in  Privathüusern  die  eleusini- 
schen  Mysterien  spottend  nachgeäfll  worden  sein,  und  an  all  diesem  habe 
Alkibiades  Theil  genommen.  Diese  Angabe,  durch  dasZeugniss  von  Sklaven 
bestätigt,  war  das  Zeichen  zu  einem  allgemeinen  Angriff  auf  einen  Mann ,  der 
Vielen  ein  Dorn  im  Auge  war,  den  Einen  als  glänzende  Persönlichkeit,  den 
Andern  als  Führer  der  Volkspartei  und  schlimmster  Gegner  der  oligarchischen 
Faction ,  Manchen  endlich ,  weil  sie  ihn  wirklich  für  staalsgeföhrHoh  hielten. 
So  erhob  sieh  denn  bald  das  Geschrei,  Alkibiades  habe  nicht  bloss  das  gethan, 
was  Zeugen  von  ihm  aussagten ,  er  sei  auch  der  Urheber  des  Hcrmenfrevels, 
und  alles  das  beweise,  dass  er  es  auf  die  Vernichtung  der  athenischen  De- 
mokratie abgesehen  habe.  Dennoch  war  es  für  den  Augenblick  nicht  leicht, 
ihm 'beizukommen.  Die  Zahl  seiner  Freunde  war  gross  und  die  Bürger,  welche 
zur  Theilnahme  an  dem  Zuge  nach  Siciiien  auserlesen  waren  und  von  dem- 
selben Ruhm  und  Beute  erwarteten,  wollten  nicht  ihren  besten  und  gewandte- 
sten Führer  missen.    Ueberhaupt  galt  Alkibiades  als  Leiter  dor  Unternehmung; 


Die  Verstümmelung  der  Hermen«  Alkibiades  angeklagt.   Abfahrt.  17 

♦ 

und  man  masste  überdies  berücksichtigen ,  dass  durch  ihn  die  Arglver  und 
einige  Mantineer  bewogen  waren,  daran  tbeilzunehmen ,  dass  also  sein  Fehlen 
bei  dem  Zuge  auch  in  dieser  Hinsicht  Schaden  bringen  konnte.  So  machte 
sich  bald  die  Ansicht  geltend ,  dass,  was  auch  geschehen  mdge,  der  Zug  nach 
Sicilien  unter  Anführung  des  Alkibiades  nicht  verschoben  werden  dürfe. 
Diese  günstige  Stimmung  des  Volkes  glaubte  der  kühne  Mann  benutzen  zu 
können ,  um  die  ganze  Anklage  zu  beseitigen.  Er  forderte  augenblickliche 
Untersuchung.  Wenn  er  schuldig  befunden  werde ,  so  solle  man  ihn  mit  dem 
Tode  bestrafen,  ihn  aber  nicht  unter  einer  solchen  Anklage  zu  einpm  Feldzuge 
aussenden,  der  einen  Führer  von  unbescholtenem  Namen  fordere.  Das  Ver- 
langen des  Alkibiades  war  billig  und  zugleich  klug,  denn  er  wäre  ohne  Zweifel 
freigesprochen  worden.  Gerade  dies  aber  fürchteten  seine  Feinde,  und  sie 
machten  deshalb  darauf  aufmerksam ,  dass  .durch  eine  jede  Untersuchung  die 
Abfiahrt  der  Flotte  verzögert  werden  würde,  und  dass  es  sich  deshalb  empfehle, 
um  den  Alkibiades  nicht  von  dem  Unternehmen  zurückzuhalten,  seine  Sache 
erst  nach  seiner  Heimkehr  vom  Feldzuge  vorzunehmen.  Sie  waren  überzeugt, 
in  seiner  Abwesenheit  seine  Rttckberufung  durchsetzen  zu  können.  Diese 
Vorschläge  fanden  den  Beifall  des  Volkes,  das  den  Aufschub  der  Untersuchung 
beschloss. 

* 

So  kam  denn  die  Zeit  der  Abfahrt  heran.  Dem  grösseren  Theii  der  Bun- 
desgenossen war  der  Befehl  ertheilt  worden,  sich,  um  Zeit  zu  sparen,  in 
Kerkyra  einzufinden,  woselbst  auch  die  Proviant-  und  Lastschiffe  sich  ver- 
sammeln sollten.  Die  athenischen  Kriegsschiffe  sollten  an  einem  und  demsel- 
ben Tage  aus  dem  Peiraieus  abfahren.  Am  Morgen  desselben  zog  die  gesammte 
Mannschaft  nach  dem  Hafen,  und  fast  die  ganze  Bevölkerung  der  Stadt  be- 
gleitete sie,  die  Bürger,  um  von  ihren  Verwandten  und  Freunden  Abschied  zu 
nehmen,  die  Fremden  von  Neugierde  getrieben,  das  Schauspiel  der  Abfahrt 
einer  Flotte  zu  sehen,  die  an  prilchtiger  und  kostspieliger  Ausrüstung  ihres 
Gleichen  nicht  hatte.  Die  Stimmung  der  Athener  war  jedoch  an  diesem  Tage 
eine  andere ,  als  am  Tage  des  Beschlusses ;  sie  war  eine  aus  Hoffnung  und 
Furcht  gemischte.  Jetzt  erst  überdachten  sie  die  ganze  Bedeutung  einer  Unter- 
nehmung, die  ohne  Beispiel  in  Athen  war.  Freilich  waren  schon  eben  so  grosse 
Flotten  mit  noch  mehr  athenischen  Schwerbewaffneten  einst  nach  Epidauros 
und  nach  Potidaia  gefahren,  aber  das  waren  Fahrten  in  weniger  entfernte 
Gegenden ;  nun  sollten  Athener  auf  einer  Insel  Krieg  führen ,  auf  der  sie  von 
der  Heimatb  so  sehr  abgeschnitten  waren,  dass,  wie  Nikias  ihnen  sagte,  in 
den  vier  Wintermonaten  von  Mitte  November  bis  Mitte  März  nicht  einmal  Bot- 
schaft von  ihnen  nach  Hause  gelangen  konnte ! 

Als  alles  zur  Abfahrt  bereit  war,  wurde  mit  Trompetenstössen  Stille  ge- 
boten, und  ein  Herold  sprach  laut  im  Namen  Aller  die  gebriiuchlichen  Gebete. 
Mischkrüge  mit  Wein  und  goldene  und  silberne  Becher  standen  auf  den 
Schiffen  bereit,  und  Anführer^  Heer  und  Flottenmannschaft,  alle  spendeten 
von  dem  Tranke  den  Göttern  und  stimmten  Lobgesänge  an,  in  die  das  am 
Ufer  zuschauende  Volk  einfiel.  Dann  wurde  das  Zeichen  zum  Aufbruch  ge- 
geben ;  und  ein  Schiff  nach  dem  andern  verliess  den  Hafen ,  um  draussen  die 
übrigen  zu  erwarten.    Als  alle  versammelt  waren,  begannen  sie  die  Fahrt  mit 

Holm,  a«scli.  SidUeat.    II.  2 


18  Vieites  Bncli.    III.  Erste  Unlernehinnngen  der  Athener. 

einem  fröhlichen  Wetlrudern  nach  Aegina.  Noch  war  keine  üntemehmung 
der  Athener  mit  solcher  Zuversicht  begonnen,  und  keine  endete  jemals  so 
traurig. 


Drittes  Kapitel. 

Erste  Unternehmangen  der  Athener« 

• 

In  Kerkyra  hielten  die  drei. Feldherren  Musterung  über  das  Heer  and  die 
Flotte,  die  nun  vollständig  versammelt  waren.  Es  waren  434  Trieren  und 
zwei  rhodische  Fünfzigruderer,  400  Trieren  darunter  von  Athen  selbst  gestellt, 
60  Schnellruderer  und  40  Soldatentransportschiffe ;  die  übrigen  hatten  Ghios 
und  die  andern  Bundesgenossen  geliefert.  Schwerbewaffnete  zählte  das  Heer 
5400,  unter  denen  aber  nur  4  500  Athener  aus  dem  Hoplitenveraeichnisse  und 
700  ärmere  athenische  Bürger,  Theten,  waren,  denen  vom  Staate  eine  Rüstung 
geliefert  wurde,  und  die  am  Bord  der  Schiffe  als  sogenannte  Epibaten  dienten, 
die  übrigen  hatten  die  Bundesgenossen  gestellt,  theils  die  eigentlichen  Unter- 
thanen  der  Athener,  theils  dieArgiver,  von  denen  500,  und  die  Mantineer,  von 
denen  nebst  einigen  Söldnern  250  dabei  waren.  An  Leichtbewaffneten  besass 
das  Heer  480  Bogenschützen,  wofTunter  80  Kreter;  700  rhodische  Schleuderer 
und  420  andere  Leichtbewaffnete,  Verbannte  aus  Megara.  Reiter  hatte  man 
nur  30 ,  die  auf  einem  besonders  dazu  eingerichteten  Schiffe  fortgeschafft 
wurden.  30  mit  Proviant  beladene  Lastschiffe  hatte  der  Staat  geliefert ;  andere 
trugen  die  Bäcker,  Maurer,  Zimmerleute  und  die  zum  Mauerbau  nöthigen  Ge- 
räthschaften;  400  Privatleuten  gehörige  Handeisschiffe  waren  vom  Staate  auf- 
geboten worden ,  um  die  Lastschiffe  zu  begleiten  ;  viele  andere  Schiffe  hatten 
sich  endlich  der  Flotte  freiwillig  angeschlossen ,  in  der  Hoffnung  auf  reichen 
Gewinn  durch  den  Verkehr  mit  der  Flottenmann^chaft  und  den  Soldaten.  Wir 
können  hiernach,  wenn  wir  die  Mannschaft  der  Trieren  zu  200  Mann ,  die  der 
Fünfzigruderer  zu  420  Mann  annehmen  und  eine  angemessene  Anzahl  von 
Dienern  auf  die  Hopliten  rechnen ,  die  Gesammtzahl  der  an  der  Expedition 
Theilnehmenden,  im  wirklichen  Kriegsdienste  Stehenden,  mit  Ausschluss  der 
Mannschaft  der  Lastschiffe  und  der  Arbeitsleute,  auf  ungefähr  36000  Mann  ver- 
anschlagen. Es  war  eine  imposante  Macht,  die  nach  Westen  hin  ihren  Weg 
lenkte,  aber  eine  Macht,  die  in  zwei  Beziehungen  mangelhaft  organisirt  war: 
die  Zahl  der  Leichtbewaffneten  war  zu  gering  und  der  Mangel  an  Retterei 
konnte  nur  höchst  schädlich  wirken.  Man  wollte  diese  Lücken  in  Sicilien  er- 
gänzen und  bedachte  nicht,  dass  die  Schnelligkeit  der  Operationen,  der  wich- 
tigste Factor  des  Sieges,  darunter  leiden  musste. 

In  Kerkyra  wurde  noch  kein  Kriegsplan  entworfen.  Die  Feldherren 
wollten  erst  wissen,  hei  welchen  italischen  und  sicilischen  Städten  sie 
Unterstützung  und  .Aufnahme  finden  würden,    und  schickten   deshalb  drei 


Eindruck  der  Nachricht  in  Syrakus.  ]9 

Schiffe  voraus ,  die  überall  anfragen ,  vor  Allem  aber  noch  einmal  sich  in  Se- 
gesta  nach  den  vielgerUhmten  Schätzen  umsehen  sollten.  Dann  theilten  sie 
.die  ganze  Flotte  in  drei  Theüe,  deren  jeder  einem  der  drei  Feldherren  zu  be- 
sonderer Aufsicht  uutergeben  wurde,  und  fuhren,  ohne  die  Rückkehr  der  drei 
Schiffe  abzuwarten,  an  der  italischen  Küste  entlang  nach  Sicilien. 

Nach  Syrakus  waren  schon  seit  geraumer  Zeit  Berichte  über  die  der  Stadt 
drohende  Gefahr  gelangt;  es  wollten  aber  nur  Wenige  glauben,  dass  wirklich 
eine  grosse  athenische  Flotte  nach  Sicilien  abzusegeln  im  Begriff  sei,  und  die 
.  Expedition  war  bereits  in  See ,  als  man  sich  in  Syrakus  noch  in  völliger 
Sicherheit  wiegte.  Es  war 'das  Verdienst  des  Hermokrates,  des  Führers  der 
.ari^iokratischen  Partei ,  zuerst  seine  Mitbürger  zur  Wachsamkeit  ermahnt  zu 
haben.  Er  hatte  durch  seine  ausgebreiteten  Verbindungen  (die  persönlichen 
Beziehungen  der  reichen  Bürger  leisteten  unter  den  Griechen  die  Dienste,  die 
man  heutzutage  von  der  officiellen  Diplomatie  und  den  Zeitungen  erwartet), 
wahrscheinlich  durch  in  Athen  sich  aufhaltende  Syrakusaner  sichere  Nachrichten 
erbalten,  dass  die  Athener  wirklich  eine  ungeheure  Flotte  gegen  Syrakus  aus- 
gesandt hatten,  und  theilte  diese  Nachricht,  sowie  seine  Ansichten  über  die 
zu  ergreifenden  Hassregeln  in  einer  Volksversammlung  mit.  Man  müsse  die 
Verbindung  mit  den  Sikelern  fester  knüpfen ,  den  sicilischen  Griechen  die 
IJeberzeugung  von  der  Gemeinsamkeit  der  Gefahr  beibringen,  die  italischen 
dazu  bewegen,  dass  sie  entweder  den  Syrakusanern  beistünden  oder  doch 
neutral  blieben.  Man  müsse  nach  Karthago  Gesandte  schicken,  besonders 
aber  die  Spartaner  und  Korinther  um  Hülfe  bitten.  Der  beste  Kriegsplan  be- 
stünde darin,  alle  vorhandenen  Kriegsschiffe  flott  zu  machen.  Lebensmittel  für 
zwei  Mopate  einzunehmen  und  den  Athenern  nach  dem  Ionischen  Meere  ent- 
gegenzufahren. Das  befreundete  Tarent  würde  seinen  Hafen  bieten,  um  sie 
von  da  anzugreifen ,  und  wenn  sie  mit  ihren  Lastschiffen  in  langsamer  Fahrt 
herankämen,  seien  sie  l^cht  zu  überwinden.  Sollten  aber  nur  ihre  schnell- 
rudernden  Kriegsschiffe  die  Schlacht  annehmen  wollen ,  so  müsse  man  sich 
nach  Tarent  zurückziehen,  und  dann  könnten  die  Athener  ohne  Proviant- 
schiffe doch  nicht  weiter  kommen.  Sie  würden,  meinte  er,  von  Kerkyra  sich 
gar  nicht  weiter  vorwagen.  Jedenfalls ^  schloss  er,  müsse  Alles  zum  Kriege 
vorbereitet  werden. 

Diesie  Rede  versetzte  die  Volksversammlung  in  die  heftigste  Aufregung. 
Nur  Wenige  schenkten  dem  Hermokrates  Glauben.    Viele  meinten,  die  Athener 
lyttrden  leicht  zuri)ckgeschlagen  werden,  Manche  zweifelten  noch  immer  daran, 
..dass  sie  überhaupt  kämen.    Dass  aber  die  Vorschläge  des  Hermokrates  nicht 
nach  Gebflhr  aufgenommen  wurden ,  daran  war  vor  allen  Dingen  die  Persön- 
lichkeit des  Mannes  selbst  schuld,  den  das  Volk  in  Verdacht  hatte,  dass  er  mit 
seinen,  aristokratischen  Freunden  nach  dem  Umsturz  der  Demokratie  strebe. 
Man  konnte .  von  reichen  jungen  Leuten ,  die ,  eng  unter  einander  verbunden, 
den  Hermokrates  als  ihr,  politisches  Orakel  betrachteten ,  Klagen  über  die  be- 
, stabenden  Einrichtungen  hören,  welche  dem  Aermsten  und  Unbedeutendsten 
gleiche  Rechte  mit  dem  Reichsten  und  Angesehensten  gäben   und  durch  die 
Forderung  eines  bestimmten  Alters  für  obrigkeitliche  Aemter  es  Vielen  uumög- 
,  lieh  machten,  den  gebührenden  Antheil  an  der  Regierung  zu  nehmen.    Was 

2* 


r 
f 


2(j  Viertes  Buch.   III.  Erste  Unternehmungen  der  Athener. 

war  nalürlicher ,  als  dass  man  dieselben  Ansichten  bei  Herinokrates  voraus- 
setzte und  ihm  den  Wunsch  unterlegte,  die  Verfassung  zu  verändern?  Wenn 
er  nun  ausser^ewOhnliche  Massregeln  in  Vorschlag  brachte ,  so  konnte  leicht 
der  Argwohn  entstehen,  es  geschehe  nur  um  eine  günstige  Gelegenheit  zum 
Umstürze  der  Demokratie  zu  finden.  Diesen  Verdacht  sprach  der  wegen  seiner 
volksthUmlichen  Derbheit  stets  gern  gehörte  Athendgoras  unumwunden  aus. 
Wenn  die  Athener  wirklich  kämen,  was  noch  nicht  gewiss  sei,  so  würde  man 
ihnen  mit  den  gewöhnlichen  Mitteln  begegnen  können.  Uebrigens  hatten  die 
im  Amte  befindlichen  Feldherren  die  Aufgabe ,  für  die  Sicherheit  der  Stadt 
einzustehen.  Einer  derselben  benutzte  den  Wink ,  verhinderte ,  dass  noch 
Andere  über  diesen  dem  Volke  unangenehmen  Gegenstand  sprachen  und  ver— 
hie/s  im  Namen  seiner  Collegen,  für  den  Schutz  der  Stadt  zu  sorgen,  und  der 
Volksversammlung  das  Ergebniss  Hirer  Erkundigungen  mitzutheilen.  Hierbei 
beruhigte  man  sich.  Die  ausserordentlichen  Massregeln ,  die  Hermokrates  ge- 
wollt hatte ,  und  die  natürlich  nicht  die  Fahrt  der  Athener  über  das  Ionische 
Meer  verhindert,  aber  doch  die  Vertheidigung  von  Syrakus  wesentlich  erleich- 
tert hätten,  waren  also  abgelehnt. 

Als  anderweitige  Nachrichten  die  Worte  des  Hermokrates  bestätigten,  war 
es  zu  spät,  seine  Vorschläge  auszuführen,  auch  wenn  man  es  gewollt  hätte. 
Die  Athener  hatten  Italien  längst  erreicht.  Sie  wurden  hier  nicht  so  gut  auf- 
genommen ,  wie  sie  es  erwartet.  Dass  Tarent  und  Lokri  jeden  Verkehr  mit 
ihnen  verweigerten,  war  natürlich,  dass  aber  auch  die  nicht  dorischen  Städte 
ihnen  nur  ausserhalb  ihrer  Mauern  zu  landen  und  Wasser  einzunehmen  ge- 
statteten und  ihnen  nicht  einmal  Lebensmittel  verkauften,  zeigte,  dass  eine 
so  grosse  Macht  nur  Misstrauen  erweckte,  und  dass  sie  auch  in  Sicilien  ihre 
Erfolge  nur  ihrer  eigenen  Kraft  zu  verdanken  haben  würden.  Am  charakte- 
ristischsten war  ihr  Empfang  in  Rhegion.  Diese  Stadt,  welche  in  dem  vorigen 
Kriege  eine  athenische  Burg  gewesen  war,  wollte  sie  diesmal  nicht  in  ihre 
Mauern  lassen,  und  sie  mussten  draussen ,  bei  dem  Tempel  der  Artemis ,  ihr 
Lager  aufschlagen.  Der  einzige  Beweis  der  Theilnahme ,  den  die  Rheginer 
ihnen  gaben ,  bestand  in  der  Erlaubniss ,  sich  bei  ihnen  mit  Lebensmitteln  zu 
versehen ;  von  einem  Anschluss  an  Athen  und  einer  Theilnahme  an  dem  Kriege 
wollten  sie  nichts  wissen. 

Während  die  Athener  noch  bei  Rhegion  rasteten ,  kamen  die  drei  voraus- 
geschickten Schiffe,  die  ihren  Auftrag  besonders  dahin  verstanden  hatten,  dass 
sie  über  Segesta's  Geldmittel  berichten  sollten,  mit  der  wenig  tröstlichen  Nach- 
richt zurück ,  dass  trotz  der  glänzenden  Verheissungen  der  Egestäer  jetzt  nur 
die  geringe  Summe  von  30  Talenten  dort  vorhanden  sei.  Nikias,  der  nichts  1 
Besseres  erwartet  hatte,  war  nicht  darüber  erstaunt,  die  Bestürzung  seiner 
Collegen  und  der  Unwille  des  Heeres  waren  dagegen  um  so  grösser.  Doch 
wusste  man  nun,  woran  man  war,  und  konnte  um  so  unbefangener  den  Plan 
des  Feldzuges  entwerfen. 

Hier  wichen  die  Ansichten  der  drei  Feldherren  vollständig  von  einander 
ab.  Nikias  stimmte  für  das  Aufgeben  der  ganzen  Unternehmung.  Man  solle 
nach  Segesta  fahren  und  zunächst  noch  einmal  anfragen,  ob  die  Egestäer  Geld 
für  das  ganze  Heer  hätten ;    wenn  es  vorhanden  wäre ,   über  die  gegen  die 


BerdthuDg  des  Feldzugsplanes.  AlLibiades'  Vorschlag  wird  aogenommen.  21 

Selioualier  zu  ergreifenden  Massregein  von  Neuem  jn  Beralhung  treten ;  wenn 
es  aber  nicht  vorhanden  wäre,  was  ja  sicher  war,  verlangen,  dass  sie  wenig- 
stens den  von  ihnen  ursprünglich  geforderten  60  Schiffen  Unterhalt  verschafften, 
sodann  Selinus  auf  .irgend  eine  Weise  bewegen,  sich  mit  den  Egestäern  zu 
versöhnen ,  bei  den  übrigen  StäBlen  vorbeifahren ,  um  die  Macht  Athens  zu 
zeigen,  und  nach  einem  Versuche,  den  Leontinern  zu  helfen  oder  irgendeine 
andere  Stadt  zu  gewinnen ,  nach  Hause  zurückkehren.  Dieser  Vorschlag  des 
Nikias  widersprach  doch  zu  sehr  seinen  letzten  Reden  in  Athen ,  in  denen  er 
gerade  mit  Rücksicht  auf  die  wahrscheinliche  Lügenhaftigkeit  der  egestäischen 
Vorspiegelungen  eine  so  gewaltige  Rüstung  verlangt  hatte,  als  dass  er  Aussicht 
haben  konnte,  angenommen  zu  werden.  Ganz  das  Gegontheil  von  diesem 
Plane  war  der  des  Lamachos.  Man  müsse  sogleich  Syrakus  angreifen,  so  lange 
die  Syrakusaner  noch  in  dem  ersten  Schrecken  befangen  und  zu  einem  grossen 
Kriege  unvorbereitet  seien.  So  könne  man  auch  manche  von  den  draussen 
befindlichen  Einwohnern  gefangen  nehmen  und  manche  bewegliche  Habe  er- 
beuten. Als  Hafen  und  Lagerplatz  schlug  er  Megara  vor.  Dieser  Plan  war  der 
beste.  Die  Hauptsache  war,  Syrakus  zu  erobern,  sonst  hatte  der  ganze  Feldzug 
keinen  Sinn.  Wollte  man  es  aber,  so  musste  es,  wie  wir  sahen,  mögKchst 
schnell  überfallen  werden.  Allerdings  können  wir  nicht  wissen,  ob  die  athe- 
nischen Angriffsmittel  schon  zur  Eroberung  der  Stadt  ausreichten ,  aber  dann 
waren  sie  im  Laufe  der  Belagerung  zu  vervollständigen.  Man  hat  Beispiele 
genug,  dass  Städte,  die,  schnell  angegriffen,  gefallen  wären,  durch  das  Zögern 
der  Feinde  Gelegenheit  fanden ,  Ihre  Vertheidigungsmittel  so  zu  stärken ,  dass 
sie  erst  spät  oder  gar  nicht  genommen  wurden.  Sollte  aber  der  Plan  des 
Lamachos  angenommen  werden ,  so  musste  Alkibiades  sich  für  ihn  erklären. 
Aber  dieser  trat  mit  einem  dritten  Vorschlage  hervor.  Dem  Angriff  auf  Syrakus 
müsse  der  Versuch,  das  übrige  Sicilien  zu  gewinnen,  vorhergehen.  Es  müssten 
in  alle  griechischen  Städte  der  Insel,  mit  Ausnahme  von  Selinus  und  Syrakus, 
Gesandte  geschickt  werden;  es  müsse  versucht  werden,  die  Sikeler  zur  Liefe- 
rung von  Lebensmitteln  und  Truppen  zu  bewegen ;  vor  Allem  müsse  aber 
Messana  gewonnen  werden ,  das  den  passendsten  Stützpunkt  abgebe.  Erst 
wenn  man  so  Selinus  und  Syrakus  ihrer  Verbündeten  beraubt  habe,  dürfe 
man  diese  beiden  Städte  angreifen.  Dieser  Plan,  der  der  Klugheit  des 
Alkibiades  wenig  Ehre  machen  würde  (denn  Bundesgenossen  konnten  ebenso 
gut  gewonnen  werden,  wenn  man  sich  schnell  eines  festen  Punktes  dicht 
bei  Syrakus  bemächtigte),  sähe  man  nicht  deutlich,  dass  sein  Urheber  weiter 
nichts  damit  beabsichtigt  hatte,  als  möglichst  bald  seine  diplomatischen  Talente 
glänzen  zu  lassen,  wurde  als  der  mittlere  zwischen  den  von  Lamachos  und 
Nikias  vertretenen  Extremen,  besonders  aber  deswegen  angenommen,  weil 
Alkibiades  der  erste  der  drei  Feldherren  und  derjenige  von  ihnen  war,  dem 
das  Volk  den  überwiegenden  Einfluss  im  Rathe  zugedacht  hatte,  und  die  Aus- 
führung seines  diplomatischen  Theils  übernahm  Alkibiades  selbst.  Seine  Be- 
mühungen waren  jedoch  vergeblich.  Messana  wollte  die  Athener  nicht  in  die 
Stadt  lassen  und  erklärte  sich  nur  dazu  bereit,  ihnen  Lebensmittel  zu  ver- 
kaufen. So  kehrte  denn  Alkibiades  un verrichteter  Sache  zum  Heere  zurück, 
und  nun  wurde,  um  doch  etwas  zu  thun,   mit  60  Schiffen  eine  grosse  Recog- 


22  Viertes  Buch.   HI.  Erste  Unternehmungen  der  Athener. 

noscirung  nach  Syrakus  unternommen.  Die  Athener  legten  zuerst  bei  Naxos 
an,  wo  sie  es  durchsetzten,  dass  man  sie  in  die  Stadt  Hess.  In  Katane,  wohin 
sie  von  da  gelangten,  hatte  die  Partei  der  Syrakusaner  das  Uebergewichl,  und 
sie  wurden  nicht  zugelassen.  In  Syrakus  hatte  man  inzwischen  alle  in  der 
kurzen  Zeit  möglichen  Vorbereitungen  getroffen.  Man  hatte  die  VorrSthe  an 
Waffen  und  Pferden  vervollständigt,  in  die  Kastelle  auf  dem  Lande  frische 
Truppen  gelegt,  sich  der  unterworfenen  sikelischen  Städte  durch  Verstärkung 
der  Besatzung  versichert  und  die  unabhängigen  um  Hülfe  gebeten',  und  es 
blieb  nun  nichts  übrig,  als  abzuwarten,  was  die  Athener  tbun  würiden.  Als 
diese  bei  Syrakus  angekommen  waren,  nahmen  sie  vor  der  Stadt  Stellung  und 
sandten  10  ihrer  Schiffe  in  den  grossen  Hafen,  um  zu  erkunden,  ob  hier  schon 
liriegsschifle  in^s  Meer  hinabgelassen  wären,  und  zugleich  den  Leonttnem  in 
Syrakus  die  Anwesenheit  der  Athener  kund  zu  thun.  Ein  Herold  rief ,  die 
Athener  kämen,  um  als  Bundesgenossen  und  Stammverwandte  den  Leontinern 
beim  Wiederaufbau  ihrer  Stadt  zu  helfen,  es  möchten  deshalb  alle  in^Syrakus 
befindlichen  Leontiner  ohne  Scheu  zu  ihnen  kommen.  Natürlich  hatte  d!tese 
Aufforderung  keinen  unmittelbaren  Erfolg,  aber  sie  enthielt  eine  Eriegs- 
eiklärung  an  Syrakus,  insofern  sie  die  Athener  als  Verbündete  der  von  den 
Syrakusanern  bekriegten  Leontiner  kund  that,  und  war  deswegen  zweckmässig. 
Nachdem  sie  ihre  Aufträge  erfüllt,  und  noch  Tafeln  mit  den  syrakusanischen 
Bürger  Verzeichnissen  auf  einem  Schiffe,  das  sie  vom  Tempel  des  olympischen 
Zeus  nach  der  Stadt  brinigen  sollte^  erbeutet  hatten,  verliessen'  die  zehn  Schiffe 
den  Hafen,  und  alle  60  kehrten  nach  Katane  zurück.  Hier  hatte  indess  efne 
neue  Volksversammlung  statlgefundeW,  in  welcher  die  den  Athenern  günstfjgö 
Partei  wenigstens  so  viel  durchsetzte ,  dass  die  athenischen  Feldherren  in'  die 
Stadt  kommeii  durften,  um  dem  Volke  ihre  Wünsche  mitzutheilen.  Dies  geschah, 
und  alle  Katanäer  strömten  zusammen ,  um  den  berühmte^  Alkibiädes  reden 
zu  hören.  Inzwischen  fanden  die  draussen  gebliebenen  Athener  ein  schwaches 
Nebenthor  —  offenbar  wurde  ihnen  der  Ort  von  ihren  Anhängern  in  Katane 
verrathen  —  erbrachen  es  und  zeigten  sich  in  der  Stadt.  Als  dies  die  Freunde 
der  Syrakusaner  bemerkten,  verliessen  sie  erschrocken  die  Versammlung  und 
die  Meisten  von  ihnen  auch  die  Stadt,  und  das  Volk  beschloss  sogleich  das 
Bündniss  mit  den  Athenern  mit  dem  beigefügten  Wunsche ,  dass  der  Rest  des 
Heeres  ebenfalls  von  Rhegion  nach  Katane  kommen  möchte.  Natürlich  gab  es 
beim  Verkehr  mit  den  Athenern  viel  zu  verdienen.  So  fuhren  denn  die  atheni- 
schen Schiffe  nach  Rhegion ,  um  den  dort  Zurückgebliebenen  die  erwünschte 
Nachricht  zu  bringen,  und  das  gesammte  Heer  kam  nach  Katane,  wo  ein  Lager 
bezogen  wurde. 

Indess  waren  die  Katanäer  Chalkidier,  auf  die  man  von  vornherein  ge- 
rechnet hatte,  ein  bedeutenderer  Erfolg  hätte  in  der  Gewinnung  einer  dorischen 
Stadt  gelegen.  Und  wirklich  trafen  Nachrichten  ein,  dass  Kamarina,  dds  im 
vorigen  Kriege  den  Leontinern  beigestanden ,  vielleicht  durch  die  Anwesenheit 
der  athenischen  Flotte  von  Neuem  bewogen  werden  könnte,  sich  gegen  Syrakus 
zu  erklären.  Das  ganze  Heer  schiffte  sich  deshalb  ein  und  fuhr  bei  Syrakus, 
wo  immer  noch  keine  Vorbereitungen ,  die  Flotte  in's  Meer  zu  lassen,  bemerkt 
wurden,    vorbei  nach  Kamarina.    Die  Athener  hielten  in  einiger  Entfemutig 


Die  Atb.  beziehen  bei  Katane  ein  Lager.  Fahrt  nach  Kanißrina.  Alkibiades  znrij^ckberufen.    23 

vom  Lande  auf  der  Rhede  und  schickten  Abgeordnete  in  die  Stadt.  Die  Ant- 
wort war  aber  ungünstig.  Die  Verträge  geböten,  die  Athener  mit  einem 
Schiffe  zuzulassen ;  wenn  sie  eine  athenische  Flotte  wünschten ,  würden  sie  es 
schon  zu  wissen  thun.  So  mussten  die  Athener  wieder  abfahren ,  und  sie 
entschädigten  sich  für  die  erlittene  Täfuschung  dadurch,  dass  sie  im  Gebiete  von 
Syrakus  an's  Land  stiegen,  um  zu  plündern.  Sie  verloren  jedoch,  von  syraku- 
sanischen  Reitern  und  leichten  Truppen  angegriffen,  einige  Leute  und  muss- 
ten mit  wenig  Ruhm  und  gerioger  Reute  nach  Katane  zurückkehren.  Hier 
erwartete  sie  eine  schlimme  Rotschaft.  Das  Staatsscbifi  der  Athener,  die  Sa- 
taminia,  war  dort  angekommen  und  hatte  für  Alkibiades  und  einige  seiner 
eifrigsten  Anhänger  den  Refehl  mitgebracht ,  auf  der  Stelle  nach  Athen  zu-« 
rückzukehren ,  wo  sie  sich  wegen  der  ihnen  schuld  gegebenen  Verhöhnung 
der  Mysterien,  Einige  auch  wegen  des  Hermenfrevels  verantworten  sollten. 

Die  Feinde  des  Alkibiades  halten  ihre  Absicht  durchgesetzt.  Nachdem 
in  Athen  die  Aufregung  über  die  Abfahrt  der  grossen  Expedition  sich  gelegt 
hatte,  war  der  Gedanke,  dass  die  Urheber  des  Frevels  noch  immer  nicht  ent- 
deckt seien ,  den  Athenern  mit  ganzer  Schwere  aufs  Herz  gefallen ,  und  die 
Nachforschungen  begannen  von  Neuem ,  die  nach  manchen  Wechselfällen  zu 
dem  Resultate  führten ,  dass  die  vom  Redner  Andokides ,  der  behauptete,  in 
die  Sache  eingeweiht  gewesen  zu  sein,  sie  aber  missbilligt  zu  haben,  als 
schuldig  Rezeichneten,  so  \iel  man  ihrer  habhaft  werden  konnte,  hingerichtet 
wurden.  Nun  erinnerten  sich  die  Athener  an  die  übrigen ,  im  Anfang  der 
Untersuchung  gemachten  Aussagen  über  die  Entweihung  der  Mysterien  und 
wünschten  auch  dieser  Sache  auf  den  Grimd  zu  kommen.  Hierbei  handelte  es 
sich  besonders  um  Alkibiades;  aber  zur  Anklage  der  Gottlosigkeit,  die  somit 
gegen  ihn  erneuert  wurde,  kamen  noch  Verdachtsmomente,  die  die  vod 
Manchen  schon  lange  behauptete  Beschuldigung ,  er  habe  es  auf  den  Umsturz 
der  Verfassung  abgesehen,  zu  bestätigen  schienen.  Alkibiades  hatte  in  Argos 
angesehene  Männer  zu  Gastfreunden ,  die  um  dieselbe  Zeit  angeklagt  wurden, 
an  der  Beseitigung  der  Demokratie  in  ihrer  Vaterstadt  zu  arbeiten.  Auch  zeigte 
sich  gerade  damals  ein  iakedämonisches  Heer  am  Isthmus,  angeblich  um  den 
Röotern  zu  helfen ;  aber  Niemand  wusste ,  wozu  die  Böoter  Hülfe  bedurften, 
und  so  stieg  dem  Volke  der  Argwohn  auf,  dass  dieser  Zug  die  Folge  einer 
Verabredung  mit  Alkibiades  sei,  und  man  zweifelte  nicht  länger,  dass,  wenn 
man  nicht  schon  wegen  des  Hermenfrevels  Verhaftungen  vorgenommen  hätte, 
die  Verschwörung  zum  Ausbruch  gekommen  wäre.  Eines  Tages  war  in  Athen 
durch  Denunciationen  und  schlimme  Nachrichten  die  Furcht  so  lebhaft  an- 
geregt, dass  man  in  der  nächsten  Nacht  im  Tempel  des  Theseus  V^ache  hielt, 
um  gegen  jeden  Angriff  auf  der  Hut  zu  seio.  So  kam  denn  Vieles  zusammen, 
um  das  Volk  gegen  Alkibiades  zu  stimmen,  in  der  Absicht,  streng  gegen  ihn 
zu  verfahren,  schickte  man  die  Salaminia  nach  Sicilien,  mit  dem  Befehle,  ihn 
und  die  mit  ihm  Verklagten  nach  Athen  zu  bringen.  Doch  sollte  der  beliebte 
Feldherr  nicht  zur  Reschämung  de-s  athenischen  Heeres,  zum  Aergerniss  der 
Argiver  und  Mantineer  und  zur  Freude  der  Feinde  als  Gefangener  nach  Hause 
gescbafn  werden.  Er  und  seine  Mitangeklagten  sollten  auf  seinem  eigenen 
Schiffe  die  Salaminia  begleiten.    Sie  folgten  dem  Befehle,  aber  nur  bis  Thurii, 


24  Viertes  Buch.    III.  Erste  Unternehmuogeo  der  Athener. 

wo  sie  versch wanden.  Die  Leute  des  Slaatsschiffes  kehrten  nach  Athen  zurück. 
Hier  verurtheilte  man  die  Flüchtigen  zum  Tode. 

Das  Verfahren  gegen  Älkibiades  war  Athens  Unglück.  Als  er  sein  Uriheil 
hörte,  rief  er  aus :  Ich  werde  den  Athenern  zeigen,  dass  ich  noch  lebe,  und  er 
hielt  Wort.  Er  war  von  so  zügellosem  Sinn ,  dass  ihm  das  Böse  noch  leichter 
wurde  als  das  Gute,  und  er  hat  niemals^seiner  Vaterstadt  so  sehr  genützt,  wie 
er  ihr  jetzt  zu  schaden  verstand.  Wir  werden  bald  seine  unheilvolle  Wirksam- 
keit genauer  kennen  lernen,  seine  Verurtheilung  hatte  aber  auch  schon  sogleich 
.die  schlimme  Folge,  dass  sie  den  Eifer  des  in  Sicilien  befindlichen  Heeres 
lähmte.  Von  jetzt  an  war  Nikias  der  Hauptleiter  des  Unternehmens.  La- 
Ynachos  war  als  Anführer  in  der  Sdilacht  sehr  tüchtig,  aber  sonst  ohne  Autorität, 
schon  seiner  Armuth  wegen  ,  die,  wie  man  sagte,  so  gross  war,  dass  die 
Athener  ihn  öfters ,  wenn  er  zu  Felde  ziehen  sollte ,  erst  mit  den  nöthigen 
Kleidungsstücken  ausrüsten  mussten ,  während  dem  Nikias  schon  sein  grosser 
Reichtfaum  ein  bedeutendes  Ansehen  verlieh.  Nikias  war  aber  langsam  in 
Allem  und  dazu  abergläubisch,  und  so  war  sein  überwiegender  Einfluss  dem 
Unternehmen,  von  besonderen  Fällen  abgesehen,  nur  schädlich. 

Hatten  die  Athener  zuerst  den  Plan  des  Älkibiades  auszuführen  angefangen, 
der  darauf  beruhte,  Bundesgenossen  zu  gewinnen  ,  ehe  man  zum  Angriff  auf 
Syrakus  schritt,  so  kam  jetzt,  nach  dem  Fortgange  des  Älkibiades ,  der  des 
Nikias  wenigstens  in  einigen  Punkten  zum  Vollzug,  und  man  fuhr  nach  dem 
Westen  der  Insel.  Die  Fahrt  ging  längs  der  Nordküste.  Zuerst  wandten 
die  Athener  sich  nachHimera,  aber  die  Himeräer  wollten  sie  nicht  aufnehmen, 
dann  griffen  sie  die  sikanische,  den  Egestäern  aber  feindliche  Stadt  Hykkara 
#n  und  eroberten  sie.  Weil  egestäische  Reiter  an  dem  Kampfe  gegen  Hykkara 
Theil  genommen  hatten ,  wurde  die  Stadt  den  Egestäern  tiberlassen ,  die  Ein- 
wohner aber  nahmen  die  Athener,  um  sie  als  Sklaven  zu  verkaufen.  Nun 
theilten  sie  ihre  Macht.  Nikias  fuhr  mit  einigen  Schiffen  von  Hykkara  weiter 
nach  Segesta,  um  endlich  selbst  zu  sehen,  wie  es  dort  stünde,  die  Streitpunkte 
zwischen  den  Egestäern  und  Selinuntiern  genauer  kennen  zu  lernen  und  das 
Geld,  welches  Segesta  liefern  konnte,  abzuholen.  Es  waren  nur  die  30  Talente 
vorbanden,  die  schon  von  den  letzten  athenischen  Gesandten  in  Aussicht  ge- 
stellt waren,  und  er  kehrte  mit  dieser  Summe  so  schnell  als  möglich  nach  dem 
Lager  beiKatane  zurück.  Eine  andere  Flottenablheilung  brachte  die  gefangenen 
Bewohner  von  Hykkara,  für  welche  später  bei  dem  Verkaufe  120  Talente  ge- 
löst wurden ,  ebendahin.  Die  Landtruppen  endlich  wurden  mitten  durch  die 
Insel  zurückgeführt,  und  man  benutzte  die  Gelegenheit,  um  den  Sikelern  die 
Macht  Athens  zu  zeigen  und  mit  ihnen  freundschaftliche  Beziehungen  anzu- 
knüpfen. Bald  fuhr  dann  eine  Flotlenabtheilung  zu  den  Sikelern  der  Nord- 
küste ,  die  zu  den  soeben  gewonnenen  gehörten ,  um  sie  zur  Truppensendung 
aufzufordern ,  während  Landtruppen  den  Versuch  machten ,  eine  feindliche 
sikelische  Stadt  von  fester  Lage,  das  geleatische  Hybla,  das  heutige  Paternö, 
zu  erobern.    Der  Angriff  misslang  aber. 

Das  waren  die  Thaten  der  Athener  im  Sommer  des  Jahres  445.  Sie 
suchten  Bundesgenossen  zu  gewinnen  durch  Hin-  und  Herfahren  mit  der 
Flotte,  statt  durch  kräftige  und  nachdrückliche  Angriffe  auf  Syrakus,  und  sie 


Erster  Angriff  auf  Syrakas.  25 

gewannen  nicht  einmal  alle  die,  aaf  welche   sie  von  vornherein  gerechnet 
hatten,  sie  griffen  kleine  Städte  an  und  wurden  von  einer  zurückgeschlagen. 


Viertes  Kapitel. 
Erster  Angriff  auf  Syrakns. 

Bei  den  Syrakusanern  war  inzwischen  jegliche  Furcht  vor  den  Athenern 
verschwunden.  Sie  hatten  gez(igert,  Syrakus  anzugreifen,  sie  hatten  nicht 
einmal  das  kleine  Hybla  erobern  können ,  wie  konnte  man  von  einem  so  %'er- 
kehrt  operirenden  Feind  anders  als  mit  der  entschiedensten  Geringschätzung 
denken  ?  Wenn  die  Athener  es  denn  nicht  wagten ,  zu  ihnen  zu  kommen, 
meinten  die  Syrakusaner,  so  mUssten  sie  selbst  nach  Katane  marschiren ,  und 
die  Feldherren  waren  kaum  im  Stande ,  sie  zurückzuhalten.  Reiterschaaren 
schwärmten  häufig  bis  in  die  Nähe  von  Katane,  und  Einzelne  sprengten  an  die 
Lagerthore  und  fragten  höhnisch,  ob  denn  die  Athener  ihre  Absicht,  den 
Leontinem  zu  ihrer  Heimath  zu  verhelfen,  aufgegeben  hätten  und  jetzt  beab- 
sichtigten, sich  selbst  im  fremden  Lande  niederzulassen  ?  Solcher  Uebermuth 
gestattete  den  Athenern  nicht  langer,  unthatig  zu  bleiben.  Nikias  musste 
etwas  gegen  Syrakus  unternehmen,  wenn  er  auch  lieber  die  Zeit  mit  weiteren 
Vorbereitungen  hingebracht  hätte.  Die  Stimmung  der  Syrakusaner  gab  aber 
auch  den  athenischen  Feldherren  ein  Mittel  an  die  Hand,  ohne  jegliche  Gefahr 
eine  Landung  bei  Syrakus  zu  bewerkstelligen.  Sie  sandten  einen  Mann  aus 
Katane ,  der  den  Syrakusanern  als  ihr  Freund  bekannt  war,  sich  aber  neuer- 
dings den  Athenern  angeschlossen  hatte ,  mit  der  im  Namen  der  syrakusani-- 
sehen  Partei  Katane's  zu  machenden  Hittheilung  nach  Syrakus ,  dass  sich  jetzt 
eine  vortreffliche  Gelegenheit  darbiete,  die  Athener  zu  vernichten.  Es  hätten 
sehr  viele  von  diesen  die  Gewohnheit,  die  Nacht  in  der  Stadt  zuzubringen^ 
wenn  nun  die  Syrakusaner  an  einem  bestimmten  Tage  früh  morgens  sich  vor 
dem  athenischen  Lager  einfinden  wollten ,  so  würde  ihre  Partei  die  Stadtthore 
verschlossen  halten;  dann  seien  die  im  Lager  befindlichen  Athener  ab- 
geschnitten und  könnten  leicht  vernichtet  werden ,  indess  sie  selbst  die  im 
Hafen  von  Katane  befindlichen  Schiffe  anzündeten.  Die  Syrakusaner  gingen  in 
die  Falle.  An^  Vorabend  des  festgesetzten  Tages  brach  ihre  gesammte  Macht  mit 
einigen  inzwischen  eingetroffenen  Selinuntiero  und  andern  Bundesgenossen 
auf.  Sobald  die  Athener  die  Nachricht  von  dem  Ausmarsch  der  Feinde  erhalten 
hatten  ,  schifften  sie  schnell  ihr  ganzes  Heer  mit  allem  Zuzug,  der  ihnen  aus 
Sicilien  geworden  war,  ein  und  fuhren  nach  Syrakus.  So  erreichten  um 
Tagesanbruch  die  Athener  Syrakus,  während  zu  gleicher  Zeit  die  syrakusani- 
sehen  Reiter  beim  verlassenen  athenischen  Lager  anlangten.  Hier  merkten  sie 
den  Betrug  und  ritten  spornstreichs  zu  den  Ihrigen  zurück ,  die  natürlich  in 


Z.'i 


2&  Vieptes  Buch.  IV,  Erster  Angriff  auf  Syrakus. 

grösster  Eile  nach  Syrakus  marschirten.  Die  Athener  waren  in  den  grossen 
Hafen  eingelaufen,  und  hatten  hier  volle  Zeit  gehabt,  an  einem  Orte,  der  ihnen 
passend  schien,  ein  Lager  aufzuschlagen.  Wer  in  die  Meeresbucht  fuhr,  die 
der  grosse  Hafen  von  Syrakus  genannt  wurde,  hatte  die  Stadt  zur  Rechten, 
zur  Linken  die  niedrige  Halbinsel  Plemmyrion ,  gerade  vor  sich  aber  einen 
Höhenzug,  den  der  Tempel  des  Olympischen  Zeus  krönte,  dessen  Ueberreste 
noch  heute  im  Kornfelde  sichtbar  sind.  Diese  Höhe  konnte  als  Centralpunkt 
des  Hafens  fUr  eine  Occupation  geeignet  erscheinen ;  die  Athener  besetzten  sie. 
Sie  errichteten  ihr  Lager  südöstlich  vom  Olympieion  zwischen  dem  Sumpfe,  der 
die  Kyane  umgibt,  und  dem  Hafen.  Diese  schon  von  Natur  sichere  Stellung 
verbesserten  sie  noch  durch  besondere  Vorkehrungen.  Die  Schiffe  wurden 
durch  ein  Pfahlwerk  geschützt,  auf  Daskon ,  der  jetzigen  Punla  Caderini ,  ein 
Kasteil  errichtet  und  die  Anaposbrücke,  über  welche  von  Syrakus  aus  der 
ihren  Lagerplatz  vom  Olympieion  trennende  Helorinische  Weg  führte,  ab- 
gebrochen. Nun  befanden  sie  sich  in  einer  Stellung,  wie  sie  zur  Vertheidigung. 
nicht  besser  sein  konnte.  Sie  waren  im  Stande,  eine  Schlacht  nach  ihrem 
Wunsche  anzunehmen  oder  abzulehnen,  und  konnten  von  der  syrakusanisdien 
Reiterei  nicht  viel  leiden.  Sobald  die  Syrakusaner  zurückgekommen  waren, 
boten  sie  den  Athenern  eine  Sohlacht  an.  Diese  wollten  aber  nicht  gleich  den 
Kampf  beginnen,  und  die  Syrakusaner  gingen  deshalb  auf  die  andere  Seite  des 
Ueiorinischen  Weges  zurück,  wo  sie  die  Nacht  zubrachten.  Am  nächsten  Tage 
wurde  die  Schlacht  geliefert,  die  wir  nach  Thukydides  ausführlich  beschreiben, 
um  ein  Riid  einer  griechischen  Schlacht  dieser  Zeit  zu  geben.  Auf  athenischer 
Seite  nahmen  den  rechten  Flügel  die  Argiver  und  Mantineer  ein ,  den  linken 
die  übrigen  Bundesgenossen,  die  Mitte  die  Athener  selbst.  Die  eine  Hälfte  der 
Truppe  bildete  den  eigentlichen  Schlachthaufen,  der  acht  Mann  tief  aufgestellt 
war;  die  andere  stand  weiter  rückwärts  in  der  Nähe  der  Zelte  und  in  Form 
eines  länglichen  Vierecks ,  dessen  sämmtliche  Seiten  ebenfalls  acht  Mann  tief 
waren.  Diese  Reserve  nahm  das  Gepäck  und  dessen  Träger  in  die  Mitte  und 
erhielt  den  Befehl ,  sich  dahin  zu  wenden ,  wo  sie  die  Hauptmasse  des  Heeres 
in  Gefahr  sähe.  Die  syrakusanischen  Feldherren  stellten  ihre  aus  Syrakusanern 
m  sehr  grosser  Anzahl  und  wenigen  Bundesgenossen,  besonders  Selinuntiem, 
bestehende  Hoplitenschaar  16  Mann  tief  auf  und  Hessen  die  1200  Mann  starke 
Reiterei,  worunter  SOO  Geloer  und  20  Kamarinäer,  den  rechten  Flügel  ein- 
nehmen ,  auf  dem  auch  50  kamarinäische  Bogenschützen  und  einige  Speer- 
werfer standen.  Die  athenischen  Feldherren  beschlossen,  den  Syrakusanern 
mit  dem  Angriffe  zuvorzukommen,  und  Nikias  ermunterte  seine  Leute  durch 
eine  kurze  Ansprache.  So  begann  der  Kampf,  der  das  Uebergewicht  der  im 
Dienste  geübten  Athener  über  den  zwar  kampfbereiten,  aber  jeder  Schulung 
entbehrenden  syrakusanischen  Landsturm  glänzend  darlegte.  Obschon  die 
Syrakusaner  sich  für  diesen  Tag  auf  eine  Schlacht  vorbereitet  hatten ,  waren 
nicht  alle  von  ihnen  zu  rechter  Zeit  auf  dem  Platze ;  die  Stadt  war  eben  zu 
nahe  und  warum  sollten  sie  nicht  erst  noch  von  den  Ihrigen  Abschied  nehmen  t 
So  kam  es,  dass  Manche,  zu  spät  eintreffend,  sich  an  AbtheUungen  anschlössen, 
zu  denen  sie  nicht  gehörten.  Die  Schlacht  wurde  wie  gewöhnlich  von  den 
Schleuderern  und  Bogenschützen  beider  Theile  durch  Plänkeleien  eingeleitet. 


Schlacht  beim  Olympieion.     Rückkehr  der  Athener  nach  Katane.  27 

Dann  bräehtetr  df^  die  Heere  begleitenden  Weissager  die^Opferthiere  zum  Vor- 
schein, und'alä  die  Ofyfer  den  Begitm  des  eigentlichen.  Kampfes  gestatteten, 
\i^üitle  von'  beiden  S^ten  durch  Trompetenstdsse  das  Zeiehen  znm  Angriff 
gegeben.  EÜie^Zeit  iMig  war  die  Schlacht' unentschieden.  Pl5lzlteh  aber  entlud 
sich  ein  Gewitter  Über  den  Kämpfenden.  Viele  der  Syrabusaoer ,  die  zum 
e/t^n  Bfele  in  einer  Schlacht  waren  j  wurden  durch  das  Gewitter  erscbttttert ; 
Atid^r^  duf^  die  uherwartet  ruhige  und  unbekUimnerte  Haltung  der  an 
Kribgszucht  gewöhnten  Athener  betroffen.  So  kam  es,  dass,  eis  die  Argiver  in 
diesem  Augeüblieke  mit  grösserem  Nachdrucke  den  ihnen  gegenüberstehenden 
littketi  Flügel  dei*  Syrsikusaner  angriffen ,  dieser  zurückwich ;  die  Athener  im 
Centrüm  drängten  ebenfells  vorwärts,  und  bald  befand  sich  das  Heer  der 
Syrako^ner  auf  deth  Rückzüge.  Weit  konnten  die  Athener  sie  nicht  ver-- 
folgen ,  da  die  zahlreiche  syrakuSanische  Reiterei ,  die  kaum  an  dem  Kampfe 
Uatle  Theil'  nehmen  können',  sich  stets  von  Neuem  auf  die  nachrückenden 
Athener  warf ,  alle  den  Reihen  Voraneilenden  zurücktrieb  und  den  Siegern 
nur  in-  geschlossenen  Massen  vorzurücken  erlaubte.  Sie  kehrten  um  und  be- 
gnügten sich  damit,  auf  dem  Schlachtfelde  Siegeszeichen  zu  errichten.  Die 
Syrakusaner  san^melten-  sich  auf  dem  Helorinischen  Wege  und  ordneten  sieh 
Wfi^der ,  so  gut  sie  es  vermochten ,  dann  Hessen  sie  in  dem  Bezirk  des  Olym- 
l^feions  eine  Besatzung,  die  dte  Tempelschätze  gegen  etwaige  Plünderungs- 
versuche  der  Athener  schützen  seilte,  und  kehrten  nach  Syrakus  zurück.  Die 
Athener  machten  keinen  Verbuch ,  sich  des  Zeustempele  zu  bemächtigen ;  sie 
erftlllteh  die  voA  der  Religion  gebotenen  Pflichten ,  indem  sie  noch  an  dem- 
selben Tage  die  Leichen  der  fhrigen  sammelten  und  verbrannten,  ui^  die  der 
gefallenen  Syrakusaner  am  folgenden  Tage  während  eines  zu  diesem  Zwecke 
geschlossenen  Waffenstillstandes  ihren  Gegnern  auslieferlen.  Auf  athenischer 
S6i(e  waren  uhgefähr  50  Mann,  auf  syrakusanischer  260  gefellen^  Der  Anfang 
iöi^nte  immerhin  fttr  die  Athener  als  glückverheissend  betrachtet  werden ,  sie 
EbU^sten  jetzt  nur  die  errungenen  Vortheile  verfolgen.  Aber  das  geschah  nic^t. 
l^s  schien  ihnen  die  Jahreszeit,  der  Herbst,  nicht  günstig ,  um  eine  färmltdie 
B^tagerung  zu  beginnen ,  zu  der  sie  sich  ausserdem  bei  dem  Mangel  an  Rei- 
terei, der  sie  ja  auch  um  alle  Früchte  ihres  Sieges  gebracht  hatte ,  nicht  fähig 
glaubten.  Und  schliesslich  muss  man  fragen,  ob  denn  nicht  die  Wahl  des 
Oftes  eine  falsche  gewesen  war,  wenn  es  sich  um  eine  wirkliche  Belagerung 
von  Syrakus  handelte.  Wollten  sie  Syrakus  nehmen ,  so  mnssten  sie  es  ein- 
schliessen;  wo  sie  nun  stäfnden,  waren  sie  noch  durch  den  Anapos  von  der 
Stadt  getrennt  und  vermochten  ihr  nicht  näher  zu  kommen.  So  war  es  denn 
am  besten ,  wieder  abzuziehen.  Die  Feldherren  beschlossen,  augenblicklich 
nach  Kätane  zürüekstügehen,  und  dort  während  des  Winters  die  Rüstungen  zu 
vervollständigen,  um  beim  Beginn  des  Frühjahrs  kräftiger  gegen  Syrakus  auf- 
treten zu  können.  So  kehrte  man  denn  nach  Katane  zurück,  nach  einem  Zuge, 
der  nur  als  eihe  Recognoscirung  im  grössten  Stile  betrachtet  werden  kann. 
Abet*  als  solche  hatte  er  seinen  Nutzen.  Die  athenischen  Feldherren  sahen. 
Wo  Syrakus  angegriffen  werden  müsste ,  wenn  es  mit  Aussicht  auf  Erfolg  ge- 
schehen sollte. 

Bis  jetzt  hatten  die  Athener  keine  besondere  Triumphe  gefeiert.  Dennoch 


2S  Viertes  Buch.  IV.  Erster  Angriff  auf  Syrafcus. 

0 

halte  Uermokrates  Reehi  gehabt,  als  er  seinen  Mitbürgern  die  Ankunft  eines 
gewaltigen  Heeres  in  Aussiebt  stellte,  und  das  am  Olympieion  Vorgefallene 
zeigte  den  Syrakusanem,  dass  der  Feind  keineswegs  zu  verachten  sei.  Ihre 
Niederlage  machte  ihnen  klar ,  dass  Manches  bei  ihnen  nicht  so  war ,  wie  es 
sein  sollte ,  und  wenn  sie  längere  Zeit  mit  Uebermuth  auf  die  Feinde  herab- 
gesehen hatten,  so  wurden  sie  jetzt  recht  kleinmtithig.  Der  Augenblick  war 
gekommen,  wo  Hermokrates  mit  mehr  Beifall  seine  Rathschläge  ertheilen 
konnte.  ~  Gleich  in  der  nächsten  Volksversammlung  bemühte  er  sich,  den 
Muth  des  Volkes  wieder  zu  heben.  Nur  Mangel  an  Ordnung  und  Uebung  habe 
die  Niederlage  herbeigeführt,  die  nicht  schimpflich  sei ,  da  man  sie  von  den  in 
der  Kriegskunst  erfahrensten  unter  den  Griechen  erlitten  habe.  Eine  der 
Hauptursachen  der  Niederlage  sei  die  mangelhafte  Einrichtung  des  Oberbefehls 
gewesen  ,  eine  andere  die  Ungeübtheit  der  Soldaten.  Wenn  man  die  Führung 
wenigen  Erfahrenen  übertrüge,  wenn  man  im  Winter  für  einen  Kern  tüchtiger 
Hopliten  sorgte,  den  Aermereu  Waffen  gäbe  und  so  die  Zahl  der  Schwer-^ 
bewatfoeten  mi^giicbst  vermehrte,  dann  sei  alle  Aussicht  vorhanden,  dass 
Syrakus  die  Athener  überwinden  werde.  Das  Dringendste  sei  aber  die  Ein- 
setzung eines  weniger  zahlreichen  Feldherrencollegiums ,  dem  unbedingte 
Vollmacht  zu  ertheilen  sei;  das  Volk  müsse  sich  eidlich  verpflichten,  es  in  der 
Wahl  der  zu  treffenden  Massregeln  nicht  zu  beschränken.  Die  Syrakusaner 
sahen  die  Richtigkeit  dieser  Bemerkungen  ein.  Die  Zahl  der  Feldherren  wurde 
auf  drei  herabgesetzt  und  Hermokrates  selbst  zum  ersten  erwählt,  neben  ihm 
Herakleides  und  Sikanos.  Sodann  schickte  man  schleunigst  Gesandte  nadi 
Konnth  ^d  Lakedämon  ,  die  die  peloponnesischen  Staaten  um  Hülfe  bitten, 
aber  auch  die  Lakedämonier  antreiben  sollten,  offen  wieder  mit  den  Athenern 
Krieg  anzufangen,  damit  diese  entweder  ihr  Heer  aus  Sicilien  zurückziehen 
müssten,  oder  doch  wenigstens  sich  ausser  Stande  sähen,  es  zu  verstärken. 
Endlich  sorgte  man  im  Laufe  des  Winters  für  eine  bessere  Befestigung  der 
Stadl.  Nur  Ortygia ,  Achradina  und  wahrscheinlich  Tyche  waren  von  Mauern 
•umschlossen,  offen  war  die  Vorstadt,  die  sich  um  den  Tempel  des  Apollo 
Temenites  gebildet  hatte,  die  spätere  Neapolis.  Diese  umgaben  nun  die  Syra- 
kusaner mit  einer  Mauer,  die  wahrscheinlich  in  einiger  Entfernung  vom  grossen 
Hafen  sich  an  die  Achradinamauer  anschloss  und  die  Athener ,  wenn  sie  nach 
der  bei  Belagerungen  gebräuchlichen  Weise  die  Stadt  von  der  Landseite  ein- 
schliessen  wollten,  in  die  Noth wendigkeit  versetzte,  eine  sehr  lange  Mauer  zu 
bauen ,  an  deren  Vollendung  es  nicht  unmöglich  scheinen  konnte,  sie  zu  ver- 
hindern. Ausserdem  befestigten  sie  nördlich  von  Syrakus  das  verlassene  Me- 
gara  und  südlich  die  Vorstadt  am  Olympieion ,  um  den  Athenern  von  beiden 
Seiten  den  Marsch  nach  Syrakus  zu  verlegen,  und  rammten  überall ,  wo 
Landungsplätze  bei  der  Stadt  waren,  Pfähle  ein,  um^die  Schiffe  am  Anlegen 
zu  hindern. 

Indessen  waren  die  Athener  auch  nicht  ganz  müssig  geblieben,  Sie 
glaubten  nach  einigen  Anzeichen,  dass  Messana  jetzt  zu  ihnen  übergehen 
werde,  und  fuhren  mit  ihrer  gesammten  Streitmacht  dabin.  Da  zeigte  sich  aber 
die  erste  Wirkung  der  Feindschaft  des  Alkibiades.  Er  hatte  vor  seiner  Abfahrt 
den  Häuptern  der  syrakusanischen  Partei  in  Messana  die  Absichten  ihrer 


Vorkehrungen  d.  Syrakusaner.  Die  Athener  versuchen  umsonst  Kamarina  zu  gewinnen.    29 

Gegner  verrathen  ,  und  ehe  noch  die  Athener  dort  eintrafen,  waren  ihre  An- 
hänger aus  dem  Wege  geräumt,  und  die  Gegenpartei  verhinderte,  unter  Waffen 
stehend ,  das  Zustandekommen  jedes  Vertrages.  Dreizehn  Tage  "warteten  die 
Athener  vergebKch  in  der  Nahe  der  Stadt  auf  den  Sieg  ihrer  Anhanger;  endlich 
nöthigte  sie  das  schlechte  Wetter,  abzufahren.  Doch  verlegten  sie,  um  Messana 
naher  zu  sein  ,  ihr  Lager  für  die  nächste  Zeit  von  Ratane  nach  Naxos ,  worauf 
die  Syrakusaner  auf  einem  Plünderungszuge  das  verlassene  athenische  Lager 
mit  den  Zelten  ü.  s.  w.  verbrannten.  Die  Athener  sandten  nun  von  Naxos 
eine  Triere  nach  Athen ,  welche  Nachricht  von  dem  Stande  des  Unternehmens 
bringen  und  dafür  sorgen  sollte ,  dass  mit  dem  Beginn  des  Frtihlings  Reiterei 
und  Geld  nachgesandt  würden,  und  machten  dann  einen  neuen  Versuch,  Ka- 
marina zum  Bündniss  gegen  Syrakus  zu  bewegen.  Wahrend  aber  ihre  An- 
hänger in  Kamarina  es  durchsetzten ,  dass  athenische  Gesandte  vor  dem  Volke 
auftreten  durften,  machten  die  syrakusanisch  Gesinnten  die  Regierung  von 
Syrakus  darauf  aufmerksam ,  und  so  kam  es ,  dass  zu  gleicher  Zeit  aus  dem 
athenischen  Lager  Euphemos,  aus  Syrakus  Herraokrates  in  Kamarina  eintrafen. 
In  der  Volksversammlung  erhielt  zuerst  Hermokrates  das  Wort.  In  längerer 
Rede  warnte  er  vor  den  Machtgelüsten  der  Athener,  wies  darauf  hin,  dass 
nicht  einmal  Rhegion  sich  ihnen  angeschlossen  habe,  verkündigte,  dass  Hülfe 
aus  dem  Peloponnes  für  Syrakus  zu  erwarten  sei,  und  schloss  mit  Drohungen 
gegen  Kamarina  für  den  Fall,  dass  es  beschliessen  sollte,  neutral  zu  bleiben. 
Euphemos,  der  im  bisherigen  Verlaufe  des  Feldzuges  gelernt  hatte ,  wie  ein 
Athener  in  Sicilien  zu  sprechen  habe,  antwortete  mit  der  Behauptung,  dass  die 
Athener  nur  nothgedrungen  nach  Sicilien  gekommen  waren,  um  zu  verhindern, 
dass  die  Syrakusaner  sich  mit  den  Spartanern  gegen  sie  verbanden.  Ihre 
Bundesgenossenschaft  bestehe  aus  den  verschiedensten  Elementen,  und  manche 
derselben  seien  durchaus  frei.  Dauernd  in  Sicilien  zu  herrschen,  sei  ihnen  ja 
schon  der  Entfernung  wegen  unmöglich.  Unserer  Stadt  Tbatigkeit,  schloss- er 
grossartig  genug,  ist  grösser,  als  Manche  begreifen  können;  benutzt  uns,  so 
lange  es  möglich  ist.  Darum,  statt  immer  nur  die  Syrakusaner  zu  fürchten, 
versucht  auch  einmal,  mit  uns  vereint,  ihnen  Furcht  zu  erregen.  Die  Rede  des 
Euphemos  war  geschickt.  Dass  es  den  Athenern  um  den  Ruin  von  Syrakus 
zuthunwar,  wurde  ebenso  verheimlicht,  wie  Hermokrates  die  Besorgniss, 
Syrakus  könne  fallen,  nur  leise  angedeutet  hatte.  Dennoch  hatten  die  Be- 
mühungen der  Athener  keinen  Erfolg.  Zwar  war  Kamarina  im  Allgemeinen 
ihnen  zugethan,  aber  die  Furcht  vor  der  näheren  Stadt  erlaubte  nicht,  sich  offen 
für  sie  zu  erklären.  Bis  jetzt  waren  die  Kamarinaer  mit  einer  halben  Neu- 
tralität durchgekommen  —  die  nach  Syrakus  gesandte  geringfügige  Hülfe  war 
ein  Beweis  davon  —  und  so  dachten  sie  es  auch  in  Zukunft  zu  halten.  Um 
aber  den  für  den  Augenblick  siegreichen  Athenern  wenigstens  ausserlich  eine 
Concession  zu  machen,  gaben  sie  vor,  von  jetzt  an  eine  unbedingte  Neutralität 
beobachten  zu  wollen.  So  war  also  zum  zweiten  Male  der  Versuch,  Kamarina 
zu  gewinnen,  gescheitert,  und  die  Athener  sahen  sich  in  Sicilien  auf  die 
Bundesgenossenscbaft  der  Katanaer  und  Naxier,  der  Egestaer  und  eines  Theils 
der  Sikeler  beschrankt. 

Von  diesen  letzteren  waren  damals  die  der  Ostkttste  näheren  den  Syra- 


^ 


>  - 

* 

'30  Viertes  Booh.  IV.  Erster  Angnff  auf  Syrekas. 

kusanern  uaterworfen ,  die  im  Innern  ansässigen  und  die  an  der  NordLttsie 
wohnenden  unabhängig.  Diese  waren  grösstenibeils  freiwrliig  zu.  den  Athe- 
nern übergegangen ;  es  lebte  in  ihnen  noch  die  alte  Liebe  zur  Unabhängig- 
keit, die  Duketios  so  grossen  Erfolg  verschafft  hatte/ und  sie  hofilen,^  mit  Hülfe 
der  Fremden  leichter  ihre  Zwecke  ra  erreichen.  Jene  suchten  die  Athener  %\i 
gewinnen,  was  ihnen  auch  trotz  der  Wachsamkeit  der  Syrakusaner  bei'den 
meisten  gelang,  unter  denen  wahrscheinlich  auch  die  südlichen  Sikeler  waren. 
'  Von  den  Sikelem  erhielten  die  Athener,  die  im  Laufe  des  Wintera  wieder  in 
das  alte  Lager  bei  Ratane  übersiedelten,  hauptsächlich  Getreide,  daneben  auch 
ein  wenig  Geld  freiwillig  geliefert;  sie  legten  ihnen  .sowie  d^n  Egestäem  aus- 
serdem die  Liefernng  von  Pferden  zur  Bildung  einer  Reiterei  und  von  Zi^ln 
und  Eisen  zum  bevorstehenden  Mauerban  bei  Syrakus  auf. 

Ausserdem  sahen  sie  sich  in  noch  weiterer  Ferne  nach  Bundesgenossen 
um.  Sie  sandten  nach  Karthago  und  in  entgegengesetzter  Richtung  nach 
Etrurien,  wo  einzelne  Städte  eingedenk  der  alten  Feindschaft  zwischen  Etrurien 
und  Syrakus  sich  geneigt  zeigten,  ihnen  beizustehen. 

Um  dieselbe  Zeit  gewannen  die  Syrakusaner  einen  Beistand,  der  das 
Schicksal  des  Krieges  entscheiden  sollte,  ,und  zwar  durch  die  Vermittlung  des 
Mannes,  der  vor  allen  berufen  gewesen  war,  sie  zu  verderben.  Sie  hatten 
Gesandte  nach  dem  Peloponnes  geschickt.  Diese  riehleten  zuerst  ihre  Aufträge 
in  Korinih  aus,  wo  sie  die  besten  Verheissungen  erhielten,  und  von  wo  einige 
Bürger  sie  nach  Sparta  begleiteten.  Die  Spartaner  zeigten  sich  nur  zu  dem 
durchaus  nutzlosen  Dienste  bereit,.  Abgeordnete  nach  Syrakus  zu  schicken, 
die  den  Syrakusanern  kräftigen  Widerstand  anrathen  sollten»  und  die  Gesandten 
hätten  un verrichteter  Sache  nach  Hause  zurückkehren  müssen,  wenn  iimen 
nicht  in  Alkibiades  ein  Helfer  in  der  Noth  erschienen  wäre.  Dieser  war  #uf 
einem  Kauffahrteischiffe  von  Thurii  nach  dem  elischen  Kyllene  gelangt,  hatte 
dann  eine  kurze  Zeit  in  irgend  einer  neutralen  Landschaft  zugebracht  und  aeine 
Absicht,  Athen  zu  schaden,  so  offen  ausgesprochen,  dass  die  Spartaner  ihn 
ersucht  hatten ,  unter  freiem  Geleite  nach  Sparta  zu  kommen.  Entschlossen, 
seine  Vaterstadt  in  die  schlimmste  Lage  zu  versetzen,  unten^tützte  er  in 
Sparta  dringend  die  Vorschläge  der  Koriniher  und  die  Bitten  4ep  Syrakusaner, 
'  so  wie  er  es  auch  war ,  der  den  Lakedämoniern  den  Plan  eingab ,  Dekeleia  in 
AtUka  dauernd  zu  besetzen.  Er  behauptete,  dass  es  die  Absicht  der  Athener 
gewesen  sei  und  noch  sei ,  die  sicilischen  Griechen  zu  unterjochen ,  dann  die 
italischen  anzugreifen  und  zu  überwinden,  hierauf  sich  gegeln  Karthago  zu 
wenden  und  endlich,  wenn  dies  Alles  oder  auch  nur  das  Meiste*  glücklich  aus- 
geführt sei,  sich  mit  einem  ungeheuren,  aus  Griechen  und  Barbaren  bestehen- 
den Heere  auf  den  Peloponnes  zii  werfen ,  mit  einer  gewaltigen  Flotte ,  zu  der 
Italien  gutes  Material  liefern  werde,  ihn  ringsum  einzuschliessen  und  abzu- 
sperren, und  die  Städte  desselben  theils  im  Sturm,  theils  durch  langsame  Be- 
lagerung zu  nehmen.  Wären  die  Sikelioten  vereinigt,  so  ktonten  sie,  meinte 
Alkibiades,  sich  wohl  noch  retten.  Nun  sei  aber  Syrakus  allein  angegriffen 
und  schon  in  einer  Schlacht  besiegt,  und  wenn  es  gefallen  sei,  werde 4as 
übrige  Sicilien  und  Italien  bald  folgen.  Deshalb  müsaien  die  Spartaner  ein 
Heer  nach  Syrakus  schicken,  vor  allen  Dingen  aber  einen  angesehenen  Mann 


Die  Syraknsaner  werben  Bundesgenossen.  SpBHasendetGylipposd.Syrakusan.  zu  Hülfe.    31 

zur  Leitung  der  Vertheidigung.  Die  Rede  des  AJkibiades  gab  den  Aasschlag. 
Die  Läkedämonier  folgten  seinem  Rathe  und  erwählten  Gylippos,  den  Sohn 
des  Rleandridas,  einen  ihrer  tapfersten  nnd  erfahrensten  Männer  zum  Anführer 
für  die  Syrakusaner  und  wiesen  die  syrakusanischen  und  korinthischen  Ge- 
sandten an  ihn,  der  dafür  sorgen  werde,  dass  so  schnell  als  möglich  die  Hülfe 
abgebe;  Gylippos  gebot  den  Korinthem,  für's  Erste  zwei  Schiffe  nach  Asine, 
einem  messenischen  Hafen,  zu  schicken  und  die  übrigen  Schiffe,  die  sie  noch 
den  Syrakusanern  zu  senden  gedächten,  schleunigst  auszurüsten. 

Während  so  den  Syrakusanern  eide  Hülfe  vorbereitet  wurde,  die  an  Zahl 
der  Schiffe  und  Soldaten  geringfügig ,  doch  durch  den  neuen  Geist ,  der  mit 
ihr  in  Syrakus  einziehen  sollte ,  die  athenische  Unternehmung  zu  vernichten 
bestimmt  war,  beschlossen  die  Athener,  ihren  Feldherren  in  Sicilien  die  ge- 
wünschte Unterstützung  an  Reiterei  und  Geld  zu  senden.  Sie  sahen  wohl, 
dass  das  Unternehmen  noch  mehr  Opfer  erforderte ,  als  selbst  Nikias  ihnen 
zugemuthet  hatte,  aber  sie  bewilligten  das  Verlangte  ohne  Widerstreben. 


Fünftes  Kapitel. 

Besetasung  Ton  lipipolae.    Belagerung  von  Syrakus  bis  zur  Ankunft 

des  Gylippos« 

Als  der  Frühling  des  Jahres  414  anbrach,  waren  die  Athener  immer  noch 
nicht  bereit,  die  Belagerung  von  Syrakus  zu  beginnen.  Sie  machten ,  um  die 
Zeit  bis  zur  Ankunft  der  Verstärkungen  hinzubringen ,  vorerst  den  Versuch, 
Megara,  das  syrakusanische  Kastell,  das  den  Landweg  von  Katane  nach 
Syrakus  sperrte,  zu  erobern.  Er  misslang  aber,  und  sie  mussten  sich  mit  einer 
nutzlosen  Verheerung  des  Landes  und  der  Gefangennahme  einiger  Syrakusaner 
begnügen.  Ein  ähnlicher  Raubzug  in's  Innere  des  Landes  führte  sie  durch 
das  Gebiet  von  Inessa  und  Hybla ,  das  sie  verwüsteten ,  nach  Kentoripa ,  das 
sich  ihnen  anschloss,  und  das  für  einen  Krieg  im  Innern  der  Insel,  sowie  für 
Märsche  durch  dieselbe  wegen  seiner  festen,  ein  weites  Gebiet  beherrschenden 
Lage  allerdings  von  grosser  Bedeutung  war.  Bei  ihrer  Rückkehr  fanden  sie 
endlich  in  Katane  die  aus  Athen  erwartete  Verstärkung :  250  vollständig  ge- 
rüstete Reiter,  welche  mit  Pferden  in  Sicilien  versorgt  werden  mussten,  30 
berittene  Bogenschützen  und  eine  Summe  von  300  Talenten.  Nun  wurde  die 
Fahrt  nach  Syrakus  unternommen.  Die  Syrakusaner  erleichterten  ihnen  den 
Beginn  der  Belagerung  durch  ihre  eigene  Nachlässigkeit.  Was  sie  im  ver- 
flossenen Winter  zum  Schutze  ihrer  Stadt  gethan  hatten ,  war  zweckmässig, 
aber  noch  lange  nicht  ausreichend.  Sie  hatten  auf  die  Gestaltung  des  Etodens 
im  Westen  von  Tyche  und  Neapolis  nicht  die  gehörige  Rücksicht  genommen. 
Das  allmählich  ansteigend  Plateau  verengte  sich  hier  mehr  und  mehr,  bis  es 


32  /  Viertes  Buch.  V.  Besetzung  von  Epipolae. 

in  einer  Entfernung  von  etwa  V«  einer  deutschen  Meile  vom  Ufer  der  Achradina 
mit  einer  schroff  abfallenden  Spitze  schliesst.  Ein  Feind ,  der  dies  hoch- 
gelegene, nach  Norden  und  Süden  steil  abfallende  Terrain  besetzt  hatte,  war  im 
Stande ,  von  hier  aus  nach  Norden^  und  Süden  in  gleicher  Richtung  mit  den 
syrakusanischen  Westmauern  eine  Einschliessungsmauer  zu  ziehen.  So  konnte 
die  Stadt  ausgehungert  werden  ,  was  das  einzige  Mittel  war ,  sie  zu  nehmen. 
Die  Syrakusaner  hatten  dies  bedenken  und  frühzeitig  die  Höhe  von  Epipolae 
gegen  einen  Ueberfall  sichern  müssen.  Sie  hätten,  wenn  sie  es  nicht  für 
möglich  hielten,  dies  durch  Festungswerke  zu  thun,  wenigstens  von  dem 
Augenblicke  an ,  wo  die  Jahreszeit  den  Beginn  der  Belagerung  wahrscheinlich 
machte,  gute  Umschau  nach  der  athenischen  Flotte  halten  sollen,  um  zur 
rechten  Zeit  bedrohte  Punkte  zu  sichern.  Sie  dachten  aber  zu  spttt  an  solche 
Vorsichtsmassregeln,  und  das  brachte  ihnen  den  grössten  Schaden.  Endlich 
war  indess  doch  bei  ihnen  der  Gedanke,  dass  die  Zugänge  zu  Epipolae  ver- 
theidigt  werden  müssten,  durchgedrungen,  und  die  drei  Feldherren,  Hermo- 
krates,  Herakleides  und  Sikanos,  die  vor  nicht  langer  Zeil  ihre  Amtsführung 
begonnen  hatten ,  beriefen  das  ganze  bewaShete  Volk  zu  einer  Musterung  auf 
die  Wiese  neben  der  Mündung  des  Anapos.  Bier  wurde  bestimmt,  dass  eine 
äuserwählte  Schaar  von  600  Schwerbewaffneten  unter  Diomilos,  einem  Ver- 
bannten aus  Andres,  Epipolae  besetzen  sollte,  und  es  wurde  ihnen  zur  Pflicht 
gemacht,  auch  anderen  etwa  bedrohten  Punkten  schnell  zu  Hülfe  zu  eilen. 
Aber  schon  war  es  zu  spät.  Kaum  war  der  Besohluss  gefasst,  da  erhielten 
sie  die  Nachricht,  dass  die  Athener  bereits  auf  der  Höhe  von  Epipolae  sich 
befänden. 

Gerade  in  der  vorhergehenden  Nacht  war  die  athenische  Flotte  von  Katane 
abgefahren,  und  die  Absicht  der  Feldherren  ging  eben  dahin,  zuerst  Epipolae 
zu.  besetzen  und  sodann  auf  die  beschriebene  Weise  die  Stadt  einzuschliessen. 
Dazu  war  aber ,  da  Hegara  den  Landweg  sperrte ,  eine  Landung  in  nächster 
Nähe  von  Syrakus  nothwendig.  Es  wurde  deshalb  das  Heer  bei  Leon,  einem 
von  Epipolae  nur  6 — 7  Stadien  entfernten  Orte,  an'sLand  gesetzt  mit  dem 
Befehle,  schnell  nach  Epipolae  zu  marschiren.  Nachdem  die  Truppen  gelandet 
waren,  fuhren  die  Schiffe  nach  der  Halbinsel  Thapsos,  wo  sie  ein  Lager  auf- 
schlugen. Das  Heer  eilte  indess  raschen  Laufes  nach  Epipolae,  erstieg  jedoch 
die  steile  Anhühe  nicht  an  einem  der  Stadt  nahen  Punkte,  sondern  unfern  von 
der  westlichsten  und  höchsten  Spitze ,  da  wo  das  Plateau  in  eine  schmale 
Zunge  übergeht,  an  einem  Orte,  der  den  Namen  Euryelos  führte.  Die  Athener 
betraten  hier  das  Plateau,  weil  sie  hoffen  konnten,  an  dem  von  der  Stadt  ent- 
ferntesten Orte  am  wenigsten  Widersland  zu  finden.  So  war  es  in  der  That. 
Sie  konnten  ungehindert  sich  oben  aufstellen.  Natürlich  waren  von  den 
Syrakusanern  die  600  Auserwählten  am  ersten  zur  Stelle,  ihnen  folgten  die 
Uebrigen.  Nun  betrug  die  Entfernung  von  der  Wiese  bis  zum  Euryelos  25 
Stadien,  und  der  Weg  führte  auf  unbequemen  Pfaden  in  die  Höhe.  So  war 
es  natürlich,  dass  die  Syrakusaner  in  ziemlicher  Verwirrung  oben  anlangten, 
und  dass  der  Kampf  sich  gegen  sie  entschied.  Diomilos  selbst  fiel  und  mit 
ihm  gegen  300  Syrakusaner;  die  übrigen  mussten  sich  in  die  Stadt  zurück- 
ziehen.     Die  Athener  errichteten  ein  •  Siegeszeichen  und  gaben  nach  dem 


Die  Athener  siegen  in  einem  Gefecbt.     Beginn  der  Einschliessungsmauer.  33 

Gebrauch  den  Syrakusanern  ihreXodten  während  eines  WafFenstillstandes  zum 
Begräbniss  zurück.  So  war  es  ihnen  gelungen ,  eine  Stellung  zu  gewinnen, 
die  sie  zum  Beginn  der  Belagerung  fähig  machte,  die  einzige  Stellung,  von  der 
aus  Syrakus  wirklich  zu  erobern  war.  Sie  hatten  zugleich  klug  und  energisch 
gehandelt,  und  es  wird  erlaubt  sein,  das  Verdienst  dieser  Thätigkeit  dem  trei- 
benden Einflüsse  des  Lamachos  zuzuschreiben. 

Am  folgenden  Tage  rückten  sie  gegen  die  Stadt  vor,  aber  die  Syrakusaner 
nahmen  die  Schlacht  nicht  an ,  und  so  konnten  sie  sich  in  Müsse  auf  den 
Höhen  von  Epipolae  festsetzen,  an  einem  Punkte  von  ungemein  herrlicher  und 
geradezu  dominirender  Lage:  im  Rücken  das  Gebirgsland  des  südöstlichen 
Siciliens,  links  den  gewaltigen  Aetna  mit  seiner  stets  rauchenden  Spitze ;  vor 
sich  aber  das  ionische  Meer  und  die  Küsten  der  Insel  in  einer  Ausdehnung  von 
vielen  Meilen  und  unmittelbar  unter  sich  die  Stadt  Syrakus,  die  sie  belagern 
wollten,  und  von  der  ihre  Blicke  den  festländischen  Theil  beherrschten,  wahrend 
Ortygia  in  der  Ferne  wie  ein  Schiff  im  Meere  lag.  Ihre  Flotte  befand!sich  noch 
in  Thapsos,  und  mit  ihr  in  Verbindung  zu  bleiben  war  eine  wichtige  Aufgabe 
für  die  Athener ,  die  nun  nicht  mehr  nöthig  hatten ,  auf  dem  Umwege  über 
Eury.elos  die  Verbindung  zwischen  Epipolae  und  der  Flotte  zu  bewerkstelligen, 
sondern  auf  dem  nächsten  Wege  hinab  und  hinauf  steigen  konnten.  Eine  Be- 
festigung des  Theiles  des  Felsens,  über  welchen  der  Weg  führte,  war  also  von 
grosser  Wichtigkeit.  Sie  erbauten  zu  diesem  Zwecke  das  Fort  Labdalon ,  das 
am  äussersten  Nordrande  des  Piateau's  lag  und  richteten  es  zugleich  als  Zeug- 
haus für  die  Belagerung  ein.  In  dieser  Stellung  erwarteten  sie  die  Vervollstän- 
digung ihres  Heeres  durch  Reiterei ,  die  bald  eintraf.  Es  waren  300  Reiter 
aus  Segesta ;  aus  Naxos  und  von  den  Sikelem  gegen  100,  so  dass  mit  den  250 
athenischen  Reitern,  welche  von  Segesta  und  Katane  Pferde  bekommen  hatten, 
sich  die  Stärke  der  athenischen  Reiterei  auf  650  Mann  belief.  Nun  konnten 
sie  die  Einschliessung  der  Stadt  durch  eine  Mauer  beginnen.  Der  Isthmus, 
durch  welchen  Syrakus  (Achradina)  mit  Sicilien  zusammenhing,  war  aber 
mehr  als  13,000  Fuss  breit;  es  war  also  eine  gewaltige  Mauer  zu  errichten. 
Hierzu  kam,  dass  da,  wo  die  athenische  Mauer  im  Süden  den  grossen  Hafen 
berühren  musste ,  sich  eine  sumpfige  Niederung  hinzog ,  die  den  Bau  ausser- 
ordentlich erschwerte,  und  endlich  noch  die  Vorsicht  der  Syrakusaner,  die 
südwestlich  von  diesem  Sumpfe,  rechts  von  der  Mündung  des  Anapos,  beim 
Olympieion  ein  Fort  errichtet  und  daselbst  eine  Besatzung  gelassen  hatten. 
Dieser  vorgeschobene  Posten  musste  die  Athener,  wenn  sie  ihre  Arbeiten  nach 
der  Niederung  am  grossen  Hafen  fortsetzten ,  empfindlich  belästigen  und 
nöthigte  sie,  entweder  den  Versuch  seiner  Eroberung  zu  machen  oder  zwischen 
Epipolae  und  dem  grossen  Hafen  eine  doppelte  Mauer  zu  ziehen,  um  so  nach 
beiden  Seiten  geschützt  zu  sein.  Unter  diesen  Umständen,  einer  Stadt  gegen- 
über, die  viel  mehr  Bewaffnete  zählte  als  die  Belagerer,  in  der  Flanke  von 
einem  vorgeschobenen  Posten  bedroht  und  in  der  Noth wendigkeit ,  im  An- 
gesichte von  Feinden,  die  die  Furcht  nicht  immer  in  ihrer  Stadt  zurückhielt, 
eine  Mauer  von  einer  Gesammtlänge  von  mehr  als  3/4  einer  deutschen  Meile" 
zu  erbauen  ,  musste  ihre  erste  Sorge  sein ,  an  einem  wo  möglich  in  der  Mitte 
gelegenen  Punkte  der  herzustellenden  Linie  ein  Fort  zu  errichten.    Sie  bauten 

Holm,  Oesch.  Siciliens  II.  3 


34.  Viertes  Buch.   V.  Belagerung  von  Syrakus  bis  zur  Ankunft  des  Gylippos. 

eiD  rundes  Fort  an  einem  Orte ,  der  von  den  dort  wachsenden  FeigenbäuineD 
den  Namen  Syke  führte.  Die  Athener  waren  von  allen  Griechen  an>  erfahren- 
sten in  der  Belagerungskunst  und  besonders  im  Mauerbau,  und  diesmal,  von 
der  Furcht,  getrieben,  dass  ein  Angriff  der  an  Zahl  überlegenen  Feinde  sie 
schon  bei  diesem  ersten  Beginn  der  Arbeit  stören  möchte,  bauten  sie  mit  sol- 
chem Eifer,  dass  das  Werk  sich  wunderbar  schnell  aus  dem  Boden  erhob  und 
die  Syrakusaner  bei  seinem  Anblick  in  grosse  Bestürzung  geriethen.  Sie 
glaubten,  die  gefährliche  Arbeit  nicht  ruhig  ansehen  zu  dürfen,  und  folgten 
bereitwillig  dem  Rufe  ihrer  Feldherren  zu  einer  Schlacht.  Die  Athener  stellten 
sich  in  Schlachtordnung.  Die  Syrakusaner^  welche  wahrscheinlich  erwartet 
hatten,  dass  die  Feinde  Ueberraschung  zeigen  würden,  geriethen  nun  selbst  in 
Verwirrung,  und  ihre  Unruhe  nahm  einen  so  bedenklichen  Charakter  an,  dass 
ihre  Feldherren  es  für  gerathener  hielten ,  sie  in  die  Stadt  zurückzuführen. 
Um  ihren  Rückzug  im  Angesichte  des  Feindes  weniger  schimpßich  zu  machen, 
kessen  sie  eine  Abtheilung  Reiter  zurück,  die  die  Athener  beim  Mauerbau  be- 
lästigten. Gegen  diese  reichte  aber  die  athenische  Reiterei  und  eine  Phyle 
der  Schwerbewaffneten  aus.  Die  Syrakusaner  wurden  in  die  Stadt  zurück- 
getrieben, und  die  Athener  hatten  die  Genugthuung,  wegen  eines  siegreichen 
Reitergefechts  ein  Tropaion  aufstellen  zu  können. 

Die  Begebenheiten  dieses  Tages  stimmten  die  Syrakusaner  ausserordent- 
lich herab.  Sie  hielten  ihre  Uebermacht  nicht  mehr  für  hinreichend ,  um  dem 
Feinde  in  offener  Feldschlacht  zu  begegnen,  und  beschlossen,  durch  Gegen- 
werke seine  Absichten  zu  vereiteln.  Die  Athener  hatten  gleich  am  Tage  nach 
dem  Treffen  von  der  kreisförmigen  Festung  in  Syke  aus  den  Bau  der  Ein- 
schliessungsmauer  nach  Norden  begonnen.  Ein  Theil  der  Mannschaft  musste 
üolz  und  Steine  herbeibringen  und  diese  Materialien  auf  der  Linie  der  zu  bauen- 
den Mauer  niederlegen ,  während  andere  die  Mauer  selbst  errichteten.  Dass 
die  Athener  zuerst  nach  Norden  bauten,  hatte  seinen  Grund  in  dem  Umstände, 
dass  die  Flotte  sich  im  Norden  befand  und  also  durch  diese  Befestigung  die 
ganze  athenische  Stellung  am  besten  gesichert  wurde.  So  konnten  die  Syra- 
kusaner ihre  Gegenmauer  nicht  auch  im  Norden  bauen,  denn  es  musste  schwer 
halten,  ein  so  langes  und  schmales  Werk  gegen  die  Athener,  welche  es  von 
drei  Seiten  angreifen  konnten,  da  sie  in  dieser  Gegend  auch  das  Fort  Labdalon 
hatten,  auf  die  Dauer  zu  vertheidigen.  Ganz  anders  stand  die  Sache  südlich 
von  Syke,  wo  sie  nur  von  einer  Seite  Angriffe  zu  erwartet)  hatten.  Hatten  sie 
aber  hier  eine  Mauer  gezogen ,  welche  die  Linie  der  zukünftigen  athenischen 
Mauer  von  Syke  nach  dem  grossen  Hafen  durchschnitt,  so  konnten  sie  immer- 
hin die  Einschliessung  nördlich  von  Syke  sich  vollenden  lassen ,  sie  besassen 
im  Süden  eine  offene  Verbindung  mit  dem  Innern  Siciliens,  die  mit  Leichtig- 
keit durch  ihr  Fort  am  Olympieion  vermittelt  wurde.  Sie  errichteten  desshalb 
südlich  von  dem  Rundfort  von  der  Stadt  aus  eine  Mauer  mit  hölzernen  Thürmen 
und  einer  Palissadenreihe ,  zu  deren  Bau  sie  die  heiligen  Oelbäume  des 
apollinischen  Tempelbezirkes  fällten.  Die  Athener  Hessen  ihre  Feinde  ruhig 
fortbauen ,  welche  erst  dann  inne  hielten,  als  sie  ihr  Werk  weit  genug  geführt 
glaubten ,  um  den  Belagerern  die  Fortsetzung  ihrer  Arbeiten  nach  Süden  un- 
möglich zu  machen.    Dann  Hessen  sie  eine  Phyle  zur  Bewachung  zurück  und 


Erstes  und  zweites  syrakDsaoiscbes  Gegen  werk.  3& 

die  Uebrigen  begaben  sich  wieder  in  die  Stadt  Indess  recognoscirten  die 
Athener  das  Terrain  von  Epipolae  und  fanden  die  unterirdischen  Kanäle, 
welche  Trinkwasser  nach  Syrakus  führten ;  sie  zerstörten  sie  in  der  Hoffiaung» 
den  Syrakusanem,  für  deren  grosse  Anzahl  die  Aretbusa  unmöglich  ausreichen 
konnte,  einen  empfindlichen  Schaden  zuzufügen.  Zugleich  aber  spähten  sie 
unverdrossen ,  ob  sich  nicht  die  Syrakusaner  bei  der  Bewachung  der  Mauer 
lässig  zeigen  würden,  und  fanden  eines  Mittags  Gelegenheit,  sie  unvermuthet 
zu  überfallen.  Sie  konnten  von  ihrer  höheren  Stellung  aus  bemerken ,  dass 
ihre  Gegner  sich  hinter  der  Mauer  in  Zehe  zurückzogen ,  um  sich  gegen  die 
Mittagshitze  zu  schützen ,  und  dass  manche  sogar  ihre  Posten  ganz  verliessen 
und  sich  in  die  Stadt  .begaben ,  auch  die  zwischen  der  Mauer  und  dem  Pfahl- 
werk Aufgestellten  thaten  nur  lässig  ihren  Dienst.  Nuti  beauftragten  die  athe- 
nischen Feldherren  300  Hopliten  und  eine  Anzahl  leichter .  Truppen ,  in 
schnellem  Laufe  sich  auf  die  syrakusanischen  Werke  zu  werfen.  Das  übrige 
Heer  wurde  in  zwei  Haufen  getheilt ,  und  während  der  eine  nach  der  Stadt 
zu  rückte ,  um  den  etwa  herausstürmenden  Syrakusanem  entgegentreten  zu 
können ,  übernahm  der  andere  die  Aufgabe ,  seine  ganze  Anstrengung  gegen 
den  Theil  des  Pfahlwerks  der  neugebauten  syrakusanischen  Mauer  zu  richten, 
welcher  sich  vor  dem  Uauptthore  dieser  Mauer  befand ,  dem  Thore ,  welches 
die  Verbindung  der  Strecke  nördlich  von  der  Mauer  mit  der  südlich  von  ihr 
gelegenen  vermittelte.  Der  Plan  wurde  mit  Erfolg  ausgeführt.  Die  300  nah- 
men die  Palissadenreihe,  und  der  plötzliche  Ueberfall,  verbunden  mit  dem  Vor- 
rücken des  ganzen  athenischen  Heeres ,  erschreckte  die  Besatzung  der  Mauer 
so  sehr,  dass  sie  auch  diese  verliess  und  in  den  neu  befestigten  temenitischen 
Bezirk  floh.*  Die  [Athener  drangen  im  Eifer  der  Verfolgung  auch  in  diesen, 
doch  konnten  sie  sich  hier  nicht  halten.  Die  neue  Quermauer  aber  war  erobert, 
und  man  machte  sich  schnell  daran ,  sie  zu  zerstören  und  die  Pfähle  heraus- 
zureissen,  die  man  als  nützliches  Material  nach  den  eigenen  Verschanzungen 
irug.   Jtfan  verfehlte  natürlich  nicht,  ein  Siegeszeichen  zu  errichten. 

Der  misslungenc  Versuch  der  Syrakusaner  wies  die  athenischen  Feldherren 
darauf  hin ,  dass  sie  die  Seite  nach  dem  grossen  Hafen  besonders  in's  Auge  zu 
fassen  hätten,  und  es  erschien  ihnen  deshalb  zweckmässig,  die  nördliche  Mauer 
einstweilen  unvollendet  zu  lassen  und  die  nach  Süden  zu  beginnen.  Sie  be- 
festigten zunächst  den  Rand  des  südlichen  Abhangs  von  Epipolae  da,  wo  der- 
selbe am  wenigsten  weit  von  dem  Hafen  entfernt  war,  um  dann  durch  die 
Ebene  und  den  Sumpf  das  Ufer  zu  erreichen.  Da  begannen  die  Syrakusaner 
ihr  neues  Gegen  werk ,  das  sie  diesmal  durch  den  Sumpf  selbst  legten.  Sie 
verzichteten  auf  eine  Mauer,  die  dort  nur  mit  vieler  Mühe  gebaut  werden 
konnte,  und  beschränkten  sich  auf  die  Errichtung  einer  Palissadenreihe,  neben 
welcher  ein  Graben  herlief.  Das  Werk  wurde  vielleicht  vollendet  und  er- 
streckte sich  wahrscheinlich,  soweit  der  Sumpf  reichte.  So  wie  nun  die  Athe- 
ner ihre  Befestigungen  an  dem  Abhänge  vollendet  hatten ,  standen  sie  vor  der 
Aufgabe,  sich  der  neuen  syrakusanischen  Vertheidigungslinie  zu  bemächtigen. 
Nikias  war  gerade  krank,  und  Lamachos  unternahm  die  Führung.  Da  es  sich 
diesmal  darum  handelte,  in  einer  Gegend  Fuss  zu  fassen,  welche  dem  grossen 
Hafen  nahe  war,  so  wurde  der  Flotte,  die  noch  in  Thapsos  lag,  der  Befehl  zu- 

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36  Viertes  Buch.   V.  Belagerung  von  Syrakus  bis  zur  Ankunft  des  Gylippos. 

gesandt,  in  der  Nacht  die  Anker  zu  liebten,  um  am  Morgen  im  grossen  Hafen 
zu  sein.    Das  athenische  Heer  aber  stieg  bei  Tagesanbruch  die  Abhänge  von 
Epipolae  neben   der  so  eben  von  ihm  erbauten  Mauer  herunter  und  überfiel 
die  syrakusanische  Besatzung  des  Pfahlveerks.   Um  schnell  nach  demselben  zu 
kommen,  hatten  die  Athener  grosse  hölzerne  Schilde  und  breite  Bretter  mitge- 
bracht, welche  sie  auf  den  Sumpf  legten,  und  so  gelang  es  ihnen  vi^irklicb, 
gleich  einen  grossen  Theil  der  Verpfählung  zu  erobern.    Eine  Strecke  dersel- 
ben ward  jjßdoch  von  den  Syrakusanem  vertheidigt,  und  so  konnte  ihre  Haupt- 
macht aus  der  Stadt  zur  Hülfe  herbei  kommen.  Es  wurde  eine  Schlacht  gelie- 
fert, in  der  die  Athener  Sieger  blieben.     Das  syrakusanische  Heer  floh,  ein 
Theil  nach  der  Stadt  zu,  der  andere  am  Anapos  entlang ,  um  über  die  Brücke 
nach  dem  Olympieion  zu  entkommen.    Das  ausgewählte  athenische  Corps  der 
Dreihundert  machte  den  Versuch,  dieser  Abtheilung  den  Weg  über  die  Brücke 
zu  verlegen,  aber  ihr  Angriff  fiel  unglücklich  aus.   Die  Syrsrkusaner  entwickel- 
ten die  äusserste  Tapferkeit,  die  Dreihundert  mussten  sich  zurückziehen,  und 
die  Syrakusaner  wagten  es  sogar,  den  rechten  Flügel  des  athenischen  Haupt- 
heeres anzufallen.    Ueber  diese  unerwartete  Wiederkehr  der  Feinde  geriethen 
die  ersten  Athener ,  aufweiche  die  Syrakusaner  stiessen,  in  Verwirrung,  so 
dass  Lamachos  selbst  mit  den  Argivern  und  einigen  Bogenschützen  herbeieilte 
und  die  Feinde  zum  Stehen  brachte ;  aber  im  Eifer  des  Kampfes  wagte  er  sich 
zu  weit  vor  und  fiel  von  der  Hand  des  Raliikrates,  und  mit  ihm  fünf  oder  sechs 
der  Seinigen.    Schnell  bemächtigten  sich  die  Syrakusaner  der  Leichen,  mit 
denen  sie  sich  auf  das  rechte  Ufer  des  Anapos  zurückzogen ,  indem  sie  den 
Athenern  die  Ehre  des  Sieges  überliessen.    So  verloren  diese  am  Flusse  den 
einen  ihrer  Feldherm ,  und  zwar  den  kühnsten  und  eifrigsten ;  wenig  fehlte, 
so  hätten  sie  zu  gleicher  Zeit  auch  den  andern  und  ihr  Genta*aIfort  eingebüsst. 
Als  nämlich  die  nach  der  Stadt  geflohenen  Syrakusaner  bemerkt  hatten ,  dass 
die  Niederlage  der  Ihrigen  am  Anapos  sich  in  einen  Sieg  zu  verwandeln  schien, 
hatten  sie  Muth  gefasst  und  waren  ebenfalls  wieder  gegen  die  Athener  gerückt. 
Ein  Theil  derselben  aber  war  nach  Epipolae  hinaufgeeilt,  um  das  Gentralforl, 
in  dem  sie  nur  eine  geringe  Besatzung  vermutheten ,  durch  einen  schnellen 
Ueberfall  zu  nehmen.    Wirklich  war  in  Folge  einer  grossen  Nachlässigkeit  der 
Athener  nicht  genug  Mannschaft  darin,  um  den  Syrakusanem  Widerstand  lei- 
sten zu  können.     Diese  eroberten  das  4000  Fuss  breite  Vorwerk  und  waren 
im  Begriff,  in  das  Rundfort  selbst  einzudringen,  als  Nikias,  der  krank  darin 
zurückgeblieben  war,  die  wenigen  Diener,  welche  er  bei  sich  hatte ,  schnell 
eine  Masse  von  Holzwerk,  Leitern  und  anderes,  welches  dicht  vor  der  Mauer 
lag,  anzünden  Hess.    Das  Feuer  verhinderte  die  Syrakusaner,  die  Mauern  des 
Forts  zu  erklettern.   Sie^wichen  schon,  als  von  dem  athenischen  Heere  Abthei- 
lungen zur  Hülfe  herbei  kamen.  Als  nun  zu  derselben  Zeit  auch  die  athenische 
Flotte  in  den  grossen  Hafen  einlief,  zog  sich  das  ganze  syrakusanische  Heer  in 
die  Stadt  zurück,  daran  verzweifelnd ,  den  Bau  der  Mauer  zu  verhindern.  Na- 
türlich errichteten  die  Athener  für  die  gewonnene  Schlacht  ein  Siegeszeichen, 
lieferten  den  Syrakusanern  ihre  Todten  aus  und  empfingen  dafür  die  Leichen 
des  Lamachos  und  der  mit  ihm  Gefallenen. 

Diese  Schlacht  bezeichnet  das  Ende  der  Belagerungsperiode ,  in  der  die 


Fortsetzung  der  Einseht iessungsmaaer.  Die  Syrakusaner  denken  an  Ergebung.      37 

athenischen  Feldherm  wirklich  ihre  Schuldigkeit  thun.  Sie  ist  der  Gipfelpunkt 
des  Glückes  der  Athener.  Seit  der  Besetzung  von  Epipolae  bis  zu  dieser 
Schlacht  war  alles  gut  und  zur  rechten  Zeit  geschehen ;  von  jetzt  an  geschah 
nicht  immer  das  Richtige  und  dieses  nur  träge.  Es  ist  klar,  dass  der  Tod  des 
Lamachos  den  Unterschied  herbeigeführt  hat.  Nikias  hat  offenbar  vom  Werthe 
der  Zeit  keine  Ahnung  gehabt.  Er  fand  allerdings  Geschmack  an  der  Belage- 
rung, die  seinem  in  solchen  Dingen  erfahrenen  Sinne  zusagte.  Mannschaft  ge- 
nug war  jetzt  versammelt,  da  die  Besatzung  der  Flotte  beim  Mauerbau  sehr 
gut  verwandt  werden  konnte ,  und  Nikias  errichtete  mit  den  ihm  zu  Gebote 
stehenden  Mitteln  eine  doppelte  Mauer  zwischen  dem  Abhänge  von  Epipolae 
und  dem  grossen  Hafen.  Es  wäre  besser  gewesen,  wenn  er  sich  hier  einst^ 
weilen  mit  einer  einfachen  Mauer,  vielleicht  mit  einem  Pfahlwerke  begnügt 
und  statt  dessen  nördlich  von  dem  Rundfort  ebenfalls  durch  eine  einfache 
Mauer  die  Einschliessung  von  Syrakus  vollendet  hätte.  Aber  er  hielt  es  für 
unmöglich  ,  dass  die  glückliche  Lage,  in  der  er  sich  für  den  Augenblick  be- 
fand, durch  irgend  einen  Zwischenfall  gestört  werden  könnte;  er  glaubte,  dass 
ihm  überreichlich  Zeit  bleibe,  alle  Arbeiten  auf  das  vollkommenste  auszufüh- 
ren. Und  es  war  allerdings  der  Zustand  der  Athener  ein  ebenso  befriedigen- 
der, wie  der  der  Syrakusaner  ihnen  selbst  Besorgniss  erweckte.  Zahlreiche 
Schaaren  von  Sikelern  stiessen  zu  den  Belagerern,  die  mit  allem  Nöthigen  auch 
von  Italien  her  durch -Handelsschiffe  reichlich  versehen  wurden.  Von  den  im 
Anfange  des  Winters  ausgeschickten  Gesandtschaften  trug  nun  auch  wenig- 
stens Eine  Frucht.  Aus  Etrurien  kamen  drei  fünfzigruderige  Schiffe  den  Athe- 
nern zu  Hülfe.  Die  Syrakusaner  dagegen  verzagten  mehr  und  mehr.  Sie 
fühlten  nicht  mehr  so  viel  Muth  in  sich',  um  noch  einmal  in  offener  Feld- 
schlacht den  Athenern  entgegenzutreten  ,  ihre  sicilischen  Verbündeten  zeigten 
sich  wenig  geeignet,  kräftigen  Beistand  zu  leisten,  und  die  einzige  Hoffnung, 
die  ihnen  noch  geblieben  war,  schwand  auch  allmählich,  als  die  Hülfe  der 
Peloponnesier ,  um  die  sie  vor  mehr  als  einem  halben  Jahre  gebeten  hatten, 
immer  noch  nicht  eintreffen  wollte.  Bald  konnte  die  Einschliessungsmauer 
vollendet  sein ,  und  wenn  dann  auch  noch  Hülfe  kam,  wie  sollte  sie  in  die 
Stadt  gelangen?  Man  warf  die  Schuld  auf  die  Feldherren,  denen  es  an  Ge- 
schick oder  an  gutem  Willen  gefehlt  habe ;  sie  wurden  abgesetzt,  und  an  ihre 
Stelle . traten  drei  andere:  Herakleides,  Eukles  und  Tellias.  Unter  den  ver- 
schiedenartigen Ansichten  über  das  zu  Thuende  wagte  sich  allmählich  auch 
die  hervor,  dass  nichts  übrig  bleibe,  als  sich  zu  ergeben ;  man  sprach  darüber 
in  der  Stadt,  und  Einzelne  begaben  sich  sogar  zu  Nikias,  um  dessen  Meinung 
über  die  Bedingungen  der  Uebergabe  zu  erfahren.  Es  war  sogar,  als  noch 
Hermokrates  Feldherr  war,  zu  einer  Empörung  von  Sklaven,  die  Gleich- 
stellung mit  den  Bürgern  verlanjgten,  unter  der  Anführung  eines  gewissen 
Sosistratos  gekommen,  die  nur  durch  die  Schlauheit  des  Hermokrates  ge- 
dämpft wurde.  Er  gab  vor,  auf  ihre  Wünsche  eingehen  zu  wollen,  Sosistratos 
sollte  Mitfeldherr  und  die  Sklaven  gleichberechtigte  Bürger  werden.  Sosistratos 
ging  mit  anderen  Anführern  in  die  Falle;  sie  wurden  gefangen  genommen  und 
die  Sklaven  genöthigt,  zu  ihren  Herren  zurückzukehren;  nur  300  gingen  zu 
den  Athenern  über.    So  stiegen  die  Hoffnungen  der  Athener,  der  Zwiespalt  in 


38  Viertes  Bucb.    Vf.  Ankunft  des  Gylippos.   Veränderung  der  Lage. 

der  Stadt  wuchs,  und  Syrakus  schien  langsam,  aber  mit  Noth wendigkeit  sei- 
nem Falle  entgegenzugehen ,  als  die  durch  des  Nikias  Schlaffheit  nicht  verhin- 
derte Ankunft  des  Gylippos  Alles  mit  einem  Schlage  änderte. 


Sechstes   Kapitel. 
Ankunft  des  Gylippos.    Yerftndening  der  Lage. 

Es  war  viele  Zeit  verflossen,  bis  Gyiippos  von  den  Korinthem  so  viel 
Schiffe  und  Mannschaft  erhalten  hatte ,  dass  er  es  wagen  konnte,  nach  Sicilien 
abzufahren.  Als  er  dann  gegen  die  Mitte  des  Sommers  in  Leukas  angelangt 
war,  kam  aus  Sicilien  die  Botschaft,  dass  Syrakus,  von  allen  Seiten  einge- 
schlossen, sich  nicht  lange  mehr  halten  könne.  Sie  wurde  mit  solcher  Sicher- 
heit voi^etragen,  dass  selbst  Gylippos  alle  Hoffnung  für  Syrakus  aufgab.  Er 
erinnerte  sich  aber  der  von  Alkibiades  über  die  Pläne  der  Athener  gemachten 
Enthüllungen  und  hielt  es  für  seine  Pflicht,  wenigstens  in  Italien  nach  Kräften 
ihnen  entgegen  zii  wirken.  Er  gewann  den  Korinther  Pythen  für  seinen  Plan, 
und  sie  fuhren  mit  ihrem  kleinen  aus  zwei  lakonischen  und  zwei  korinthi- 
schen Schiffen  bestehenden  Geschwader  nach  Tarent,  während  die  zehn  übri- 
gen korinthischen  Schiffe  noch  zwei  leukadische  und  drei  amprakiotische  Fahr- 
zeuge abwarteten.  Von  dem  befreundeten  Tarent  fuhr  man  bald  weiter  nach 
Thurii,  zu  dessen  Bürgern  Gylippos  durch  seinen  Vater  Kleandridas,  der  dort 
eine  Zeit  lang  gelebt  hatte,  in  freundschaftlichen  Beziehungen  stand.  Doch 
blieb  sein  Bemühen,  die  Stadt  Zugewinnen,  ohne  Erfolg.  So  fuhr  er  denn 
weiter,  aber  ein  Sturm  ergriff  die  Schiffe  und  trieb  sie  nach  Tarent  zurück, 
wo  die  Beschädigungen  ausgebessert  werden  mussten.  Inzwischen  hatten  die 
Thuricr  dem  Nikias  gemeldet,  dass  Gylippos  nach  Sicilien  unterwegs  sei,  aber 
sie  hatten  zu  gleicher  Zeit  ihre  Meinung  ausgesprochen ,  dass  eine  so  gering- 
fügige Macht  unmöglich  den  Athenern  furchtbar  werden  könne ,  und  Nikias 
theilte,  zu  der  Syrakusaner  Heil,  diese  Meinung  und  vernachlässigte  die  noth- 
wendigslen  Vorsichtsmassregeln.  Als  die  Schiffe  ausgebessert  waren,  fuhr 
Gylippos  nach  Lokri,  und  hier  hörte  er,  dass  die  früheren  Nachrichten  falsch 
seien,  dass  die  Athener  keineswegs  Syrakus  vollständig  eingeschlossen  hätten, 
und  dass  es  noch  möglich  sei,  in  die  Stadt  zu  gelangen.  Zwar  erfuhr  nun 
auch  Nikias  bald ,  dass  Gylippos  Lokri  erreicht  habe,  er  schickte  deshalb  vier 
Schiffe  aus,  welche  bei  Rhegion  Stellung  nehmen  sollten ,  um  ihn  am  Ueber- 
gang  nach  Sicilien  zu  hindern ;  aber  ehe  sie  dort  ankamen ,  war  Gyiippos  be- 
reits weiter  gefahren.  Ihm  hatten  zwei  Pläne  vorgelegen.  Er  konnte  direct 
nach  Syrakus  gehen;  so  kam  er,  wenn  es  glückte,  am  schnellsten  in  die  be- 
lagerte Stadt ,  setzte  sich  aber  auch  der  Gefahr  aus ,  gefangen  genommen  zu 
werden.  Er  konnte  zweitens  von  der  Landseite  her  in  die  Stadt  zu  gelangen 
suchen ;  dann  musste  er  in  Himera  landen ,  und  er  hatte  zwar  Gelegenheit, 


Gylippos  in  Syrakas.  39 

Hillfstruppen  an  sich  zu  ziehen ,  aber  bei  der  Ausführung  dieses  Planes  ging 
vtei  Zeit  verloren.  Dennoch  zog  Gylippos  ihn  vor.  Es  war,  als  ob  er  ge^uset 
hätte,  der  athenische  Feldherr  würde  auch  in  der  Zeit,  die  der  Umweg  über 
Uimera  erforderte ,  die  Einschliessungsnnauer  nicht  vollenden.  Gylippos  lan- 
dete in  Himera,  dessen  Bewohner  ihm  ein  HUlfscorps  stellten  und  seine  Schiffs- 
ieute mit  Waffen  versahen.  Sogleich  schickte  er  Boten  zu  den  Selinuntiem, 
sie  sollten  mit  ihrer  ganzen  Mannschaft  ausziehen  und  ihn  an  einem  bestimm- 
ten Orte  an  dem  Wege  von  Uimera  nach  Syrakus  treffen.  So  wie  die  ersten 
Erfolge  der  Athener  ihre  Freunde  auf  Sicilien  ermuthigt  und  ihr  Heer  ver- 
grössert  hatten,  so  hob  nun  die  Ankunft  des  Gylippos  den  gesunkenen  Muth  der 
syrakusaniscben  Partei.  Die  Geloer  schickten  wiederum  einige  Truppen,  und 
sogar  unter  den  Sikelern  fand  Gylippos  Verbündete.  Es  war  nämlich  gerade 
um  diese  Zeit  der  Fürst  Archonides  von  Herbita  gestorben ,  nach  einer  langen 
Regierung,  wenn  es,  wie  nicht  zu  bezweifeln,  derselbe  ist,  der  um  446  v.  Chr. 
den  Doketios  bei  der  Gründung  von  Kaiakte  unterstützt  hatte  (Bd.  I  S.  260). 
Archonides  hatte  die  Politik  des  Duketios,  soweit  es  noch  möglich  war,  fortzu- 
setzen gesucht;  er  war  deshalb  Bundesgenosse  der  Athener  geworden.  Nach 
seinem  Tode  gewann  die  entgegengesetzte  Partei  die  Oberhand  und  unter- 
stützte Gylippos.  Als  dieser  nun  sein  Heer  beisammen  hatte,  zahlte  es  von 
den  mit  ihm  nach  Sicilien  gekommenen  Kriegern  und  bewaffneten  Seeleuten 
700,  von  den  Himeröem  4000  Fusssoldaten  und  400  Reiter,  eine  geringe  An- 
zahl von  selinuntischen  Leichtbewaffneten  und  Reitern,  einige  wenige  Geloer 
und  etwa  4000  Sikeler,  also  im  Ganzen  vielleicht  3000  Mann.  Mit  diesem 
Häuflein  zog  er  aus,  Syrakus  zu  befreien. 

Man  hat  mit  Recht  gesagt,  dass  manche  Unternehmungen,  denen  ihr 
glücklicher  Ausgang  den  Charakter  der  heldenmüthigen  Kühnheit  verliehen 
hat,  wenn  sie  gescheitert  wären,  den  gerechten  Vorwurf  des  Leichtsinns  tra- 
gen würden,  und  dass  manche  geschichtliche  Persönlichkeiten  nur  ihrem 
Glücke  es  verdanken,  dass  man  sie  nicht  als  verächtliche  Abenteurer  bezeich- 
net. Bei  der  sicilischen  Expedition  der  Athener  sorgte  das  Geschick  dafür, 
dass  das  Unternehmen  seinen  wahren  Charakter  nicht  durch  einen  unverdient 
glücklichen  Ausgang  verlor.  Die  Athener  mussten  es  wenigstens  für  möglich 
halten,  dass  ihre  peloponnesischen  Feinde  der  Stadt  Syrakus  Hülfe  zu  bringen 
versuchen  würden,  und  es  wäre  die  Pflicht  eines  guten  Feldherrn  gewesen, 
diese  Hülfe  um  jeden  Preis  zu  verhindern.  Aber  Nikias,  der  die  Bedeutung 
eines  jener  gefürchteten  Spartaner  wohl  kannte,  versäumte  seine  Pflicht  voll- 
ständig. Es  kam  mancherlei  zusammen,  was  ihn  lässig  machte.  Zunächst  lag 
eine  gewisse  Langsamkeit  in  seiner  Natur ,  sodann  stand  er  unter  dem  Ein- 
flüsse von  Wahrsagern,  und  endlich  quälten  ihn  körperliche  Leiden.  Dazu  kam 
aber  in  diesem  Falle  noch,  dass  er  sich  auf  geheime  Einverständnisse  verliess, 
die  er  in  Syrakus,  grösstentfaeils  wahrscheinlich  mit  ehemaligen  Leon tinern,  an- 
zuknüpfen gewusst  hatte,  und  deswegen  von  der  baldigen  Uebergabe  der  Stadt 
fest  überzeugt  war.  Es  hätte  eines  kräftigeren  Feldherren  bedurft,  um  ein  so 
gewagtes  Unternehmen  zu  einem  guten  Ende  zu  führen ;  des  Nikias  Lauheit 
machte  es  scheitern.  Und  dennoch  fehlte  nicht  viel ,  dass  Syrakus  sich  den 
Athenern  ergeben  hätte,  so  richtig  kann  bisweilen  die  Rechnung  dessen  sein, 


40  Viertes  Buch.  VI.  Ankunft  des  Gylippos,    Veränderung  der  Lage. 

der  seine  Pläne  statt  auf  seine  eigene  Thätlgkeit  vielmehr  auf  die  Dummheit 
der  Andern  baut.  Schon  war  ein  Tag  angesetzt,  an  welchem  die  Syrakusa- 
ner,  die  seit  einiger  Zeit  sich  an  den  Gedanken  der  Uebergabe  gewöhnt  hatten, 
die  Sache  öffentlich  in  der  Volksversammlung  besprechen  wollten ,  als  ein  ko- 
rinthisches Schiff  mit  Gongylos,  einem  der  von  dep  Rorinthern  erwählten 
Feldherren,  ankam,  mit  Nachrichten ,  die  Aller  Muth  belebten.  Korinthische 
Schiffe ,  meldete  er,  würden  bald  eintreffen ,  er  sei  zuletzt  von  Leukas  abge- 
fahren und  es  könnten  also  die  Uebrigen  nicht  mehr  fern  sein;  dazu  sende 
ihnen  Sparta  den  Gylippos  als  Feldherrn ,  der  durch  Sicilien  herbeimarschire. 
Nun  verbreitete  sich  auch  schon  das  Gerücht ,  Gylippos  sei  in  der  Nähe,  und 
die  ganze  bewaffnete  Mannschaft  der  Syrakusaner  zog  nach  Epipolae,  um  den 
ersehnten  Befreier  einzuholen.  Der  hatte  noch  eine  sikelische  Festung  genom- 
men, sein  Heer  in  der  Nähe  von  Syrakus  in  Schlachtordnung  gestellt  und  war 
so  auf  demselben  Wege,  den  einst  die  Feinde  eingeschlagen  hatten ,  über  den 
^uryeios,!  auf  die  Höhe  von  Epipolae  gelangt.  Hier  fand  er  die  Syrakusaner 
ihn  erwartend,  und  augenblicklich  führte  er  sie  gegen  die  Verschanzungen  der 
Feinde.  Diese  hatten  von  der  Doppelmauer,  die  vom  Abhang  Epipolae^s  nach 
dem  grossen  Hafen  lief,  schon  sieben  bis  acht  Stadien  vollendet,  und  es  fehlte 
nur  sehr  wenig ,  so  war  der  Hafen  erreicht.  Gerade  bei  diesem  Stücke  waren 
sie  jetzt  beschäftigt,  und  zwischen  diesen  Doppelmauern,  wo  sie  auch  ihrer  im 
grossen  Hafen  befindlichen  Flotte  am  nächsten  waren,  hielten  sie  sich  gewöhn- 
lich auf.  Oben  dagegen  ,  von  der  Mauer,  die  das  Rundfort  mit  dem  Trogilos- 
hafen  verbinden  sollte ,  und  die  jetzt  den  Einmarsch  des  Gylippos  verhindert 
hätte,  war  noch  nicht  viel  fertig.  Indess  war  eine  Menge  Material  zusammen- 
getragen und  in  der  Richtung  der  Mauer  niedergelegt,  theilweise  schon  halb 
bearbeitet.  Als  Gylippos  mit  den  Syrakusanern  ihnen  entgegen  rückte,  wur- 
den sie  anfangs  über  die  plötzliche  Erscheinung  des  Spartaners  betroffen, 
fassten  sich  aber  und  traten  den  Feinden  gegenüber.  Gylippos  schickte  ihnen 
einen  Herold  mit  der  Botschaft:  sie  sollten  fünf  Tage  Frist  haben,  wenn  sie 
Sicilien  verlassen  wollten ;  ein  eines  Spartaners  würdiger  Anfang  des  Krieges. 
Die  Athener  sandten  den  Herold  ohne  Antwoit  zurück  und  machten  sich  zur 
Schlacht  fertig.  Nun  ging  es  aber  den  Syrakusanern  wie  im  Anfang  der  Bela- 
gerung. Trotz  der  Anwesenheit  des  Gylippos  empfanden  sie  beim  Anblick  des 
wohlgeordneten  athenischen  Heeres  Furcht  und  waren  nicht  zu  einer  festen 
Aufstellung  zubringen.  Deshalb  führte  Gylippos  sie  zurück,  jedoch  nicht  in 
die  Stadt,  sondern  nur  in  eine  Gegend,  wo  ihre  Ueberzahl  mehr  zur  Geltung 
kommen  und  die  athenische  Stellung  durch  die  syrakusanischen  Reiter  leichler 
angegriffen  werden  konnte.  Nikias  folgte  dem  Feinde  nicht,  sondern  blieb  bei 
seiner  Verschanzüng  stehen.  Jetzt  zog  sich  Gylippos  für  die  Nacht  in  den 
temenitischen  Bezirk  zurück,  um  am  folgenden  Tage  seine  Operationen  gegen 
die  Athener  wirklich  zu  beginnen.  Epipolae  musste,  das  sah  er  ein,  den 
Feinden  entrissen  werden,  und  zwar  vor  allem  seine  Nordhälfte,  wo  nur  Lab- 
dalon  gefährlich  war.  Deshalb  führte  er  den  grössten  Tbeil  seines  Heeres  vor 
die  Mauern  der  Athener  und  zog  so  ihre  Aufmerksamkeit  von  einer  kleineren 
Schaar  ab,  die  nach  Labdalon  marschirte,  es  angriff  und  eroberte  und  die 
athenische  Besatzung  niedermachte.    Nun  waren  die  Athener  von  der  nörd- 


Nikias  besetzt  Plemmyrion.  41 

liehen  Hälfte  von  Epipolae  vollständig  verdrängt  und  der  Platz  für  Arbeiten 
der  Syrakusaner  gesäubert,  die  denn  auch  alsbald  in  Angriff  genommen 
wurden. 

Die  Aufgabe  der  Syrakusaner  war  noch  immer  dieselbe.  Sie  mussten 
durch  eine  von  der  Stadt  aus  geführte  Mauer  die  Einschliessung  derselben  un- 
möglich machen.  Dies  hatten  sie  zweimal  vergeblich  im  Süden  verstrebt;'  im 
Norden  es  zu  versuchen,  wäre  Labdalon's  wegen  überflüssige  Mühe  gewesen. 
Nachdem  dieses  aber  gefallen  war,  musste,  da  andererseits  die  Athener  ihre 
ganze  Land-  und  Seemacht  im  Süden  concentrirl  hatten ,  hier  im  Norden  der 
Bau  einer  Gegenmauer  versucht  werden.  Dazu  schritt  jetzt  Gylippos,  während 
die  Athener,  nach  Vollendung  der  Südmauer,  selbst  auch  den  Bau  des  Stückes 
vom  Rundfort  nach  Norden  begannen.  Da  nun  so  der  grössere  Theil  der  athe-^ 
nischen  Macht  nach  der  Höhe  von  Epipolae  gezogen  war ,  glaubte  Gylippos 
den  Versuch  machen  zu  können ,  sich  der  eben  vollendeten  südlichen  Mauer 
zu  bemächtigen,  und  rückte  in  der  Nacht  mit  den  Seinigen  dagegen.  Einige 
Stellen  derselben  waren  noch  weniger  hoch  und  Gylippos  hoffte  durch  einen 
Ueb^rfall  hier  einzudringen.  Aber  die  Athener  waren  auf  ihrer  Hut;  sie 
schlugen  den  Angriff  ab.  Das  schwächere  Stück  der  Mauer  wurde  nun  durch 
Erhöhung  verstärkt,  und  Nikias  ordnete  für  die  Zukunft  eine  regelmässigere 
Bewachung  der  Werke  an ,  indem  er  den  diesmal  bedrohten  Theil  den  Athe- 
nern, die  übrigen  den  Bundesgenossen  zuwies. 

Trotz  dieses  Misserfolgs  der  Syrakusaner  hatte  sich  durch  die  Ankunft  des 
Gylippos  die  Lage  der  Dinge  vollständig  geändert.  Hatten  vorher  die  Athener 
Aussicht,  die  Einschliessung  auf  der  Landseite  zu  vollenden,  so  war  diese 
Aussicht  jetzt  kaum  noch  vorhanden  ;  waren  bisher  die  Syrakusaner  offenen 
Feldschlachten  ausgewichen,  so  waren  es  nun  die  Athener,  die  dem  Feinde 
nicht  auFs  freie  Feld  folgen  wollten.  Aber  noch  schlimmer  für  die  Athener 
war  es,  dass  auch  ihr  üebergewicht  zur  See  zu  schwinden  anfing.  An  dem- 
selben Tage,  wo  Gylippos  Labdalon  eroberte,  hatten  die  Syrakusaner  sich  eines 
athenischen  Schiffes  bemächtigt,  das  in  den  grossen  Hafen  einfuhr,  und  nun 
begannen  sie  ihre  eigenen  Schiffe  in's  Meer  zu  lassen  und  zum  Kriege  aus- 
zurüsten. So  wurde  denn  auch  die  Aufgabe  der  athenischen  Flotte,  die  ihre 
Station  im  Innern  des  grossen  Hafens  bei  den  athenischen  Mauern  genommen 
hatte,  eine  immer  schwierigere.  Sie  sollte  verhindern,  dass  feindliche  Schiffe 
einliefen  und  den  Syrakusanern  Hülfe  brachten  —  wir  sahen,  wie  das  Schiff 
des  Gongylos  ihrer  Wachsamkeit  entging  —  sie  sollte  ferner  die  syrakusani- 
schen  Schiffe  verhindern,  in  See  zu  stechen,  und  doch  waren  die  Schiffswerf- 
ten der  Syrakusaner  im  kleinen,  nordöstlich  von  Ortygia  gelegenen  Hafen. 
Nikias  beschloss  deshalb,  den  Schiffen  ein  anderes  Lager  anzuweisen  und 
wählte  das  Ortygia  gegenüberliegende  Plemmyrion ,  dessen  Lage  allerdings  für 
die  Beobachtung  und  Belagerung  der  Stadt  Syrakus  und  ihrer  Häfen  eine  sehr 
zweckmässige  war,  und  dessen  Besetzung,  wenn  sie  aufrecht  erhalten  wäre, 
ebenso  gut  den  Fall  von  Syrakus  hätte  herbeiführen  können ,  wie  im  französi- 
schen Revolutionskriege  die  durch  Bonaparte  veranlasste  Besetzung  des  Tou- 
lon  in  derselben  Weise  gegenüberliegenden  Fort  L'Eguillette  den  Fall  von 
Toulon  wirklich  herbeigeführt  hat.    Aber  dieser  Lagerplatz  hatte  einen  grossen 


42  Viertes  Buch.   VI.  Ankanft  des  Gylippos.    Veränderung  der  Lage. 

Nachtheil.  Aaf  dem  Vorgebirge  war  keine  Quelie,  und  es  musste  das  Trink- 
wasser aus  weiter  Entfernung  geholt  werden,  was.  nicht  ohne  Gefahr  war. 
Denn  kaum  hatten  die  Athener  ihr  Lager  auf  dem  Plemmyrion  aufgeschla- 
gen und  drei  Forts  dort  gebaut^  iA  denen  auch  die  meisten  Vorräthe  des 
Heeres  untergebracht  wurden ,  da  schickte  Gylippos  den  dritten  Theil  der 
syrakosanischen  Reiterei  nach  dem  Oiympieion  zur  Verstärkung  der  dortigen 
Besatzung,  und  diese  Reiter  belästigten  die  athenischen  Seeleute,  so  oft  sie 
die  Festungen  auf  dem  Plemmyrion  verliessen ,  auf  das  empfindlichste.  Zu 
Lande  wurde  indess  das  Uebergewicht  der  Syrakusaner  immei'  entschiedener. 
Gylippos  Hess  an  der  syrakusanischen  Gegenmauer  eifrig  arbeiten,  gab  sich  aber 
zu  gleicher  Zeit  die  grttsste  Mühe ,  die  Seinigen  zu  einer  offenen  FeMschlacht 
geeignet  zu  machen.  Es  fehlte  den  Syrakusanem  und  ihren  sicilischen  Bpn-^ 
desgenossen  nicht  an  Muth,  wohl  aber  an  Disciplin  und  somit  an  jener  Sicher- 
heit ,  die  wohlgeübten  Truppen  ein  entschiedenes  Uebergewicht  verleiht. 
Deshalb  führte  er  das  gesammle  Heer  fast  täglich  hinaus,  den  Athenern  ge- 
genüber, die  ebenfalls  aus  ihren  Linien  hervorkamen.  So  gewöhnte  er  allmäh- 
lich die  Syrakusaner  an  den  Anblick  des  Feindes,  der,  statt  selbst  anzugreifen, 
ihren  Angriff  erwartete.  Endlich,  als  Gylippos  die  Seinen  hinlänglich  vorbe- 
reitet glaubte,  schritt  er  zum  Angriff.  Aber  es  war  noch  zu  früh ;  sie  waren 
auf  dem  durch  die  beiderseitigen  Verschanzungen  beschränkten  Raum ,  wo 
die  Reiterei  w^enig  gebraucht  werden  konnte,  den  Athenern  nicht  gewachsen 
und  wurden  geschlagen.  Bei  dieser  Gelegenheit  zeigte  sich  das  Feldherrn- 
talent des  Spartanei*s  im  glänzendsten  Lichte.  Er  nahm  vor  dem  gesammten 
Heei*e  die  Schuld  der  Niederlage  auf  sich  allein.  Er  habe  nicht  bedacht,  dass 
in  dem  engen  Raum  ihre  Reiter  und  Speerwerfei*  von  keinem  Nutzen  sein 
könnten,  und  er  denke  seinen  Fehler  bald  wieder  gut  zu  machen.  Die  Athener 
waren  durch  ihren  Sieg  von  der  fast  ängstlichen  Vorsicht,  die  sie  in  der  letzten 
Zeit  beobachtet  hatten ,  abgebracht  worden ,  und  Mkias  hatte  ausserdem  die 
naheliegende  Ueberlegung  angestellt,  dass  er  als  Belagerer  die  Verpflichtung 
habe ,  die  Fortsetzung  der  syrakusanischen  Gegenmauer  zu  verhindern ,  und 
dass  dies  nicht  anders  geschehen  könne  als  durch  die  Ueberwindung  der 
Feinde  in  einer  Feldschiacht.  Er  griff  also  den  Gylippos  an,  der  seine  Stel- 
lung so  genommen  hatte,  dass  seine  Reiter  und  Speerwerfer  die  linke  Flanke 
der  Athener  bedrohten.  Diese  Aufstellung  entschied  die  Schlacht.  Zuerst 
wurden  die  den  Angriffen  der  Reiterei  ausgesetzten  Athener  zurückgedrängt, 
und  als  sie  wichen,  mussten  auch  die  Uebrigen  sich  zurückziehen.  Nun  war 
die  Ueberlegenheit  der  Syrakusaner  zu  Lande  entschieden.  Gleich  in  der 
Nacht,  die  auf  das  Treffen  folgte,  bauten  sie  an  ihrer  Mauer  weiter  und  durch- 
schnitten mit  derselben  die  Linie  der  projectirten  nördlichen  athenischen 
Mauer,  sodass  diese  nicht  weiter  fortgesetzt  werden  konnte  und  den  Athe- 
nern alle  Hoffnung  schwinden  musste,  durch  eine  Einschliessung  die  Stadt  zu 
nehmen. 

Auch  zur  See  wurde  der  Stand  der  Dinge  für  die  Syrakusaner  immer 
besser.  Nikias  hatte  um  dieselbe  Zeit,  wo  er  das  Plemmyrion  besetzte,  auf  die 
Nachricht ,  dass  eine  Anzahl  korinthischer  Schiffe  von  Leukas  aufgebrochen 
sei,  zwanzig  der  seinigen  nach  der  Südspitze  von  Italien  geschickt,  um  dort 


Wachte ndes  Uebergewicht  der  Syrak  usaner.  43 

in  der  Gegend  von  Rhegion  und  Lokri  Wache  zu  halten.  Die  korinthische  Fio-* 
tille  war  aber  schon  lange  auf  der  Fahrt  begriffen  gewesen  und  kam  unge- 
fährdet nach  Syrakus.  Es  warai  zwölf  Schiffe  unter  der  Führung  des  Erasi- 
nides.  Diese  Verstärkung  war  für  die  Syrakusaner  ein  neuer  Antrieb  zur 
Ausrüstung  ihrer  eigenen  Fhüte.  Einstweilen  half  die  Mannschaft  des  Erasini-* 
des  beim  Bau  der  Gegenmauer.  Die  Athener  tbaten  nichts,  um  diesen  Bau  zu 
verhindern. 


Siebentes  Kapitel. 
Wachsendes  Uebergewicht  der  Syraknsaiier. 

Die  gute  Jahreszeit  des  Jahres  444  näherte  sich  ihrem  Ende.  B^ide 
Heere  waren  erschöpft  und  sehnten  sich  nach  Ruhe ;  beide  Feldheri*en  sahen 
ein,  dass  sie  mit  ihren  gegenwärtigen  Kräften  nicht  im  Stande  seien,  eine 
rasche  Entscheidung  herbeizuführen.  Deshalb  schickten  die  Syrakusaner  nach 
Lakedamon  und  Korinth,  um  frische  Truppen  zu  fordern,  und  Gylippos  selbst 
unternahm  eine  Rundreise  durch  Sicilien  zur  Rekrntirung  des  syrakusanischen 
Heeres  und  Gewinnung  neuer  Bundesgenossen.  Nikias  seinerseits  begriff, 
dass  nur  ein  zweites  grosses  athenisches  Heer  der  Sache  eine  bessere  Wen- 
dung geben  konnte.  Er  hätte  vernünftiger  gethan,  die  Belagerung  aufzuheben; 
er  glaubte  aber  seine  Schuldigkeit  besser  zu  thun  ,  wenn  er  den  Athenern  die 
Lage ,  in  der  er  sich  befand ,  darlegte  und  sie  selbst  entscheiden  liess ,  ob  er 
Hülfe  erhalten  oder  nach  Athen  zurückkehren  solle;  als  ob  die  Athener  im 
Stande  gewesen  wären ,  in  so  grosser  Entfernung  die  Aussichten  der  Belage- 
rung richtig  zu  beurtheilen.  Während  er  nun  bis  dahin  seine  Berichte  meist 
mündlich  durch  seine  Boten  hatte  bestellen  lassen ,  verfasste  er  diesmal  eine 
ausfuhrliche  schriftliche  Depesche ,  in  der  er  schilderte ,  wie  die  Athener  zu 
Lande  jetzt  selbst  die  Belagerten  geworden  waren,  und  wie  auch  die  athe- 
nische Seemacht  nicht  mehr  so  gut  sei  wie  früher.  Die  Schiffe  kannten ,  der 
drohenden  Angriffe  der  Syrakusaner  wegen,  nicht  mehr  an^s  Land  zum  Trock- 
nen gezogen  werden  und  fingen  deshalb  an  zu  verfaulen.  Unter  den  Dienern 
und  Fremden  weisse  Desertion  ein,  und  die  entstehenden  Lücken  seien  in  Sici- 
lien nicht  auszufüllen.  Die  Athener  möchten  entscheiden,  ob  er  das  Heer 
nach  Athen  zurückführen  solle,  oder  ob  sie  ihm  ein  zweites  Heer  auf  einer 
zweiten  Flotte,  beide  nicht  geringer  als  die  ersten ,  und  dazu  viel  Geld  nach- 
senden wollten.  Der  Entschluss  müsse  bald  gefasst  werden;  für  sich  selbst 
bat  er,  seiner  Kränklichkeit  wegen,  um  einen  Nachfolger.  Die  Athener  ent- 
schieden sich  für  die  Fortsetzung  des  Krieges  und  zwar  auf  die  energischste 
Weise  und  mit  den  besten  Feldherren,  die  man  hatte,  Eurymedon,  der  schon 
im  lafare  494  in  Sicilien  gewesen  war  und  also  das  Land  kannte,  und  Demo- 


44  Viertes  Buch.   VII.  Wachsendes  Uebergewicht  der  Syrakusaner. 

sthenes,  dem  Helden  von  Pylos.  Für^s  erste,  zur  Zeit  der  Wintersonnenwende, 
sollte  Eurymedon  mit  10  Kriegsschiffen  und  20  Talenten  Silbers  nach  Syrakus 
gehen  und  eine  bedeutendere  Hülfe  unter  Deniosthenes  fUr  den  Frühling  in 
Aussicht  stellen.  Nikias  sollte  im  Amte  bleiben,  aber  ihm  einstweilen  zu  sei- 
ner Erleichterung  die  Unterbefehlshaber  Menandros  und  Euthydemos  zur  Seite 
treten.  Wilhrend  nun  Demosthenes  die  Ausrüstung  seiner  Flotte  betrieb, 
sandten  die  Athener  noch  20  SchifTe  in  die  peloponnesischen  Gewisser,  die 
von  Naupaktos  jede  etwa  von  Korinth  nach  Syrakus  bestimmte  Hülfe  verhin- 
dern sollten.  Diese  von  Nikias  am  Schlüsse  seiner  Depesche  dringend  em- 
pfohlene Vorsichtsmassregel  erwies  sich  als  durchaus  nicht  überflüssig,  denn 
die  Korinther  hatten,  durch  den  Erfolg  des  Gylippos  errauthigt,  auf  das  er- 
neuerte Gesuch  der  Syrakusaner  beschlossen.  Schwerbewaffnete  nach  Sicilien 
zu  schicken  und  sich  mit  den  Lakedämoniern ,  die  dieselbe  Absicht  hatten, 
zum  Transport  derselben  auf  Handelsschiffen  zu  vereinigen.  Damit  nun  die 
Athener  bei  Naupaktos  nicht  dieses  Unternehmen  verhinderten ,  schickten  sie 
25  Kriegsschiffe  ebendahin.  Ausserdem  führten  die  Spartaner  im  Beginn  des 
Jahres  443  den  von  Alkibiades  so  dringend  angerathenen  Bau  der  Festung 
Dekeleia  in  Attika  aus,  der  den  Athenern  weitere  Hülfssendungen  nach  Sicilien 
erschweren  musste.  Zunächst  übrigens  hielt  er  sie  nicht  ab,  Demosthenes 
nach  Sicilien  abgehen  zu  lassen.  Ja,  die  Athener  thaten  noch  mehr.  Sie 
sandten  30  Schiffe  unter  Gharikles  aus ,  die  in  Argos  Hopliten  aufnehmen  und 
dann  auf  einige  Zeit  mit  Demosthenes  zusammen  wirken  sollten.  Demosthenes 
aber  erhielt  60  athenische  und  5  chiische  Schiffe,  1200  ausgewählte  athenische 
Hopliten  und  eine  grosse  Anzahl  Schwerbewaffnete  von  den  Bundesgenossen. 
Nachdem  er  sich  mit  Gharikles  vereinigt,  verwüsteten  die  beiden  Flotten  zu- 
er3t  das  Gebiet  von  Epidaurus  Limera  und  fuhren  dann  nach  dem  Kythera 
gegenüberliegenden  Theile  von  Lakonien,  wo  sie  eine  Landzunge,  die  ihnen 
wie  Pylos  in  Messenien  dienen  sollte ,  befestigten.  Hierauf  kehrte  Gharikles 
nach  Hause  zurück,  Demosthenes  aber  ging  weiter,  zunächst  nach  Kerkyra. 

Diesen  gewaltigen  athenischen  Rüstungen  gegenüber  waren  die  Pelopon- 
nesier  keineswegs  unthälig  geblieben.  Die  Lakedämonier  wählten  von  den 
Heloten  und  Neodamoden  (vor  kurzem  freigelassenen  Heloten)  die  besten  aus, 
bew^affneten  sie  wie  Hopliten  und  schickten  ihrer  600  ,  unter  der  Anführung 
des  Spartaners  Ekkritos  nach  Sicilien.  Früher  jedoch  als  die  lakedämonischen 
Truppen  brachen  die  ihrer  Bundesgenossen  auf,  zuerst  300  böotische  Hopli- 
ten unter  der  Anführung  der  Thebaner  Xenon  und  Nikon  und  des  Thespiäers 
Hegesandros ,  die  zu  Lande  nach  Lakonien  gezogen  und  vom  tänariscfaen  Vor- 
gebirge nach  Sicilien  fuhren.  Sodann  zogen  die  Korinther  aus^  500  Schwer- 
bewaffnete unter  der  Anführung  des  Alexarchos,  nebst  200  Schwerbewaff- 
neten, welche  die  Sikyonier  gezwungen  unter  der  Anführung  des  Sargeus 
mitschickten.     So  wurde  von  beiden  Seiten  für  Verstärkungen  gesorgt.  ;  v 

Aber  noch  ehe  aus  Griechenland  die  Truppen  des  Demosthenes  in  Sicilien 
eintreffen  konnten ,  hatten  die  Athener  einen  Schritt  weiter  auf  der  Bahn  des 
Verderbens  gethan.  Wir  erinnern  uns,  dass  Gylippps  in  die  sicilischen  Städte 
gereis^t  war,  um  sie  zu  grösseren  Truppensendungen  zu  bewegen.  Er  erreichte 
wenigstens  einigermassen  seinen  Zw*eck,  und  als  er  im  Beginn  des  Frühlings 


Seeschlacht.    Plemmyrion  von  den  Syrakusanern  genommen.  45 

wieder  in  Syrakus  angekommen  war,  machte  er  im  Verein  mit  Hermokrates 
einen  erfolgreichen  Versuch ,  die  Syrakusaner  zu  dem  schon  so  lange  in  Aus- 
sicht genommenen  Wagniss  einer  Seeschlacht  zu  bereden ,  mit  der  die  Bege- 
benheiten des  entscheidenden  Jahres  413  in  einer  für  die  Syrakusaner  Glück 
verkündenden  Weise  begannen.  Hermokrates  konnte  seine  Mitbürger  an  die 
Thaten ,  die  ihre  Vorfahren  zur  See  vollführt  hatten ,  erinnern ,  wie  sie  unter 
Hieron  die  Tyrrhener  bei  Kyme  schlugen ,  und  wie  spSiter  Apelles  mit  seiner 
Flotte  die  etruskischen  Küsten  verheerte.  Nun  war  freilich  lange  Zeit  hindurch 
von  den  Syrakusanern  keine  grössere  Unternehmung  zur  See  gemacht  worden, 
und  es  war  deshalb  in  Syrakus  nicht,  wie  in  Athen ^  eine  grosse  Masse  von 
Bürgern  vorhanden,  die  mit  dem  Seedienste  vertraut  waren,  aber  Hermokrates 
konnte  mit  vollem  Rechte  den  Syrakusanern  sagen ,  dass  der  Schrecken ,  den 
sie  durch  ein  kühnes  Auftreten  zur  See  den  Athenern  einflössen  mussten,  ihre 
Unerfahrenheit  vollkommen  aufwiegen  würde.  Und  allerdings  war  es  im 
Alterthum,  wie  die  Geschichte  der  punischen  Kriege  beweist,  nicht  so  schwer 
wie  heutzutage  für  ein  der  Seefahrt  unkundiges  Volk,  seetüchtig  zu  werden. 
Gewandtheit  im  Rudern  war  das  Haupterforderniss,  und  diese  sich  zu  erwer- 
ben, daran  durften  die  Syrakusaner  am  wenigsten  verzweifeln.  So  gingen  sie 
denn  bereitwillig  auf  den  Vorschlag  ihrer  Feldherren  ein.  Mit  der  Seeschlacht 
sollte  aber  auch  ein  Landangriff  auf  die  Forts  des  Plemmyrion  verbunden 
•werden.  Der  Plan  wurde  in  folgender  Weise  ausgeführt.  Die  syraku^anische 
Seemacht  befand  sich ,  in  zwei  Theile  getheilt,  halb  im  grossen,  halb  im  klei- 
nen Hafen.  Beide  erhielten  die  Weisung,  mit  Tagesanbruch  ihre  Stellungen 
zu  verlassen  und  sich  mit  einander  im  grossen  Hafen  in  der  Nahe  des  Plem- 
myrion zu  vereinigen ,  dann  die  athenische  Flotte  anzugreifen  und  zugleich 
beim  Angriff  auf  die  Forts  des  Plemmyrion  mitzuwirken.  35  Schiffe  zählte  das 
Geschwader  des  grossen,  45  das  des  kleinen  Hafens;  die  Athener  hatten  die- 
sen 80  Schiffen  für  den  Augenblick  nur  60  entgegenzustellen.  Als  sie  die 
Bewegung  der  syrakusanischen  Schiffe  im  grossen  Häfen  bemerkten,  schlössen 
sie  daraus,  dass  auch  von  der  andern  Seile  ihnen  Gefahr  drohe ^  begnügten 
sich  damit,  den  35,  25  ihrer  Kriegsschiffe  entgegenzuschicken  und  fuhren  mit 
den  übrigen  35  zum  grossen  Hafen  hinaus,  um  den  Syrakusanern  die  Einfahrt 
streitig  zu  machen.  Von  beiden  Seiten  wurde  tapfer  gekämpft,  und  der  Erfolg 
blieb  eine  Zeitlang  unentschieden ;  von  beiden  Seiten  verfolgten  die  am  Lande 
Zurückgebliebenen  den  Kampf  mit  stets  wachsender  Theilnahme.  Die  Athener 
auf  dem  Plemmyrion  sahen,  wie  nach  einiger  Zeit  innerhalb  wie  ausserhalb 
des  Hafens  die  Syrakusaner  das  Uebergewicht  bekamen  und  ihre  Gegner  zu- 
rückdrängten,  und  Hoffnung  und  Furcht  bewegten  sie  so  gewaltig,  dass  sie, 
ganz  der  Seeschlacht  zugewandt,  nicht  beachteten,  wie  Gylippos,  der  in  der 
Nacht  sein  ganzes  Heer  aus  der  Stadt  nach  dem  Olympieion  geführt  hatte, 
plötzlich  vor  den  drei  Festungen  stand.  Zu  spät  eilten  sie  auf  die  bedrohten 
Mauern;  die  Syrakusaner  waren  bald  in  der  grösseren  der  Festungen,  dann 
auch  in  den  beiden  andern.  Die  Besatzung  der  zuerst  eingenommenen  rettete 
sich  nur  mit  Mühe ;  die  Soldaten  warfen  sich  in  die  Transportschiffe  und  in 
ein  Kauffahrteischiff,  welches  gerade  da  lag,  und  fuhren  nach  dem  athenischen 
Lager  zwischen  den  Mauern,  wo  der  grösste  Theil  des  Heeres  sich  befand ;  sie 


46  Viertes  Bach.   VII.  Wachsendes  Ueberge wicht  der  Syrakusaner. 

wären  aber  fast  von  einem  schnellrudernden  Kriegsschiffe  der  Syrakusaner 
erreicht  und  gefangen  genommen  worden.  Denn  gerade  in  dem  Augenblick, 
wo  Gylippos  die  erste  Festung  einnahm,  siegten  die  Syrakusaner  in  und  vor 
deifa  Hafen,  und  die  Abtheilung  des  kleinen  üafens  erzwang  sich  die  Einfahrt 
in  den  grossen ,  so  dass  nun  das  Plemmyrion  auch  auf  der  Seeseite  von  den 
Syrakusanem  eingeschlossen  war.  Aber  das  dauerte  nur  kurze  Zeit ;  die  Sy- 
rakusaner hatten  zwar  die  Athener  überall  zurückgedrängt,  aber  sie  verloi*en 
die  Früchte  ihres  Sieges  durch  ungeschickte  Verfolgung  des  Feindes.  Die 
siegreiche  Abtheilung  des  kleinen  Hafens  beobachtete  bei  ihrer  Einfahrt  in  den 
grossen  keine  Ordnung  und  brachte  dadurch  auch  die  übrigen  syrakusani— 
sehen  Schiffe  in  Verwirrung,  sodass  die  AÜiener  wieder  vorwärts  ruderten 
und  die  Syrakusaner  nun  vollständig  zurücktrieben.  Elf  syrakusanische 
Schiffe  sanken  und  die  Besatzung  der  meisten  derselben  wurde  getödtet;  -^on 
dreien  von  ihnen  nahmen  die  Athener  sie  gefangen.  Dies  war  die  Zeit,  wo 
die  beiden  kleineren  Festungen  auf  dem  Plemmyrion  von  den  Syrak usanern 
genommen  wurden ,  und  so  konnte  ihre  Besatzung  Idchter  entkommen.  Die 
Athener  zogen  nun  die  Trümmer  der  zerstörten  feindlichen  Schiffe  ans  Land, 
und  errichteten  auf  einer  kleinen  ,  im  Eingang  des  grossen  Hafens  nahe  dem 
Plemmyrion  gelegenen  Insel ,  ein  Siegeszeichen.  Doch  waren  auch  drei  athe- 
nische Schiffe  im  Kampfe  zu  Grunde  gegangen.  So  verlief  die  erste  See- 
schlacht zwischen  den  Syrakusanem  und  Athenern.  Jene  waren  durch  eigene . 
Schuld  besiegt  worden  und  konnten  erwarten,  bei  einem  neuen  Versuche 
bessern  Erfolg  zu  haben.  Was  aber  die  Niederlage  zur  See  vollständig  auf- 
wog ,  war  die  Einnahme  der  Feslungen.  Hier  war  von  geringerer  Bedeutung 
der  Verlust  an  Leuten  und  an  Vorräthen,  sehr  schlimm  war  aber  für  die 
Athener,  dass  sie  von  nun  an  die  Einfahrt  in  den  grossen  Hafen  nicht  mehr 
mit  derselben  Leichtigkeit  wie  früher  bewerkstelligen  konnten,  denn  die  Sy- 
rakusaner legten  nun  auch  hier  eine  Flottenstation  an  und  machten  Miene, 
alle  ein>  und  ausfahrenden  Schiffe ,  und  besonders  die ,  welche  den  Athenern 
Proviant  brachten ,  anzugreifen ,  so  dass  diese  nicht  selten  die  Einfahrt  von 
Proviantschiffen  durch  einen  Kampf  erzwingen  mussten.  Gylippos,  der  na- 
türlich für  die  Eroberung  des  Plemmyrion  ebenfalls  Siegeszeichen  —  für  jede 
eroberte  Festung  eins  —  aufgestellt  hatte  ,  behielt  von  den  drei  athe- 
nischen Forts  nur  zwei,  die  er  noch  verstärkte;  das  dritte,  kleinere,  zer- 
störte er. 

Diese  Schlacht  hob  die  Zuversicht  der  Syrakusaner  so  sehr,  dass  sie  zwölf 
Schiffe  unter  Agatharchos  auszusenden  wagten.  Von  diesen  ging  eines  nach 
dem  Peloponnes,  mit  der  Botschaft,  dass  es  nunmehr  besser  mit  ihnen  stehe  ; 
die  elf  übrigen  fuhren  an  der  italischen  Küste  entlang,  lauerten  den  atheni- 
schen Proviantschiffen  auf,  vernichteten  die  meisten  und  verbrannten  eine 
Menge  zubereitetes  Schiffsbauholz  ,  welches  die  Athener  im  Gebiete,  von  Kau- 
lonia  liegen  hatten.  Auf  dem  Bückwege  liefen  sie  in  den  Hafen  von  Lokri  ein, 
wo  kurze  Zeit  nach  ihnen  eins  von  den  Kauffahrteischiffen ,  die  peloponne- 
sische  Soldaten  nach  Sicilien  brachten,  ankam;  es  trug  die  Hopliten  von 
Thespiae.  Die  Syrakusaner  nahmen  sie  auf  und  kehrten  dann  nach  Hause  zu-- 
rück.    Unterwegs  wurden  sie  bei  Megara  von  20  athenischen  Schiffen  ange- 


Seegefechte  im  grosse Q  Hafen.    Fftbrt  des  Demosthenes.  47 

falleD,  die  dort  ciuf  der  Lauer  lagen ;  aber  nur  ein  Schiff  fiel  mit  der  Besatzung 
in  die  Hände  der  Feinde;  die  übrigen  entkamen  nach  Syrakus. 

Hier  war  indessen  eine  Zeit  verhältnissmassiger  Ruhe  eingetreten,  welche 
nur  durch  geringfügige  Kämpfe  neuer  Art  unterbrochen  wurde.  Die  Erobe- 
rung des  Plemmyrion  hatte  die  Athener  genötbigt ,  ihr  Schiffslager  nach  dem 
Orte  zu  verlegen  y  wo  ihre  Mauern  an  den  Hafen  stiessen,  und  wo  sie  freilich 
ihrem  Landbeer  nahe  waren ,  aber  doch  nicht  mehr  die  Einfahrt  in  den  Hafen 
beherrschten.  Jetzt  waren  sie  den  alten  SchifiEshäusern  der  Syrakusaner,  die 
sich  zwischen  Ortygia  und  Achradina  im  grossen  Hafen  befanden,  sehr  nahe, 
und  da  hier  ein  grosser  Theil  der  syrakusanischen  Flotte,  meistentheils  freilich 
an's  Land  gezogen ,  häufig  aber  auch  vor  demselben  in  Schlachtreihe  aufge- 
stellt, sich  befand,  so  war  es  natürlich,  dass  die  Nähe  der  beiden  Flotten 
kleine  Gefechte  veranlasste.  Die  Syrakusaner  hatten  ihre  Station  durch  eine 
Reihe  von  eingerammten  Pfählen  geschützt,  und  die  Athener  versuchten,  diese 
zu  zerstören,  um  sich  so  einen  Zugang  zu  der  syrakusanischen  Flottenablheilung, 
die  schwächer  war  als  die  gesammte  athenische  Flotte,  zu  eröffnen.  Sie  wähl- 
ten ein  grosses  Schiff,  das  40000  Talente  tragen  kennte,  also  etwa  250  Tonnen 
nach  unserer  Rechnung  fasste,  und  erbauten  auf  demselben  hölzerne  Tbürme 
und  Seitenverschanzungen,  die  mit  Bogenschützen  besetzt  wurden.  Unter  dem 
Schutz  dieses  festungähnlichen  Schiffes,  dessen  Besatzung  Schüsse  mit  den 
Syrakusanern  wechselte,  ruderten  Leute  in  kleineren  Fahrzeugen  herbei, 
welche  Taue  um  die  Pfahle  legten  und  sie  herauszureissen  oder  abzubrechen 
suchten.  Andere  tauchten  unter  und  sägten  die  PfHhle  ab,  besonders  die  ge- 
fährlicheren ,  nicht  über  die  Obei^fläche  des  Wassers  hervorragenden.  Es  ge- 
lang den  Athenern  wirklich,  die  meisten  Pfähle  zu  entfernen.  Nun  hätte 
Nikias  schnell  einen  Angriff  auf  die  syrakusanische  Flotte  machen  müssen, 
aber  er  that  es  nicht.  Nikias  war  wieder  nicht  zur  rechten  Zeit  mit  seinen 
Vorbereitungen  fertig,  und  die  Syrakusaner  konnten  ungehindert  neue  Pfähle 
einrammen.    So  w^ar  die  Anstrengung  der  Athener  vergeblich  gewesen. 

Indess  machten  die  Syrakusaner  neue  Versuche,  sich  Hülfstruppen  zu 
verschaffen.  Syrakusaner,  Korinther,  Araprakioten  und  Lakedämonier  gingen 
in  die  Städte  Siciliens ,  verbreiteten  überall  die  Kunde  von  der  Einnahme  des 
Plemmyrion,  stellten  die  Seeschiacht  in  einem  für  Syrakus  vortheil haften  Lichte 
dar  und  baten  um  schnelle  Sendung  von  Hülfstruppen  und  Schiffen. 

Die  von  den  Athenern  erwartete  Verstärkung  unter  Demosthenes  war  in- 
dess noch  ziemlich  weit  entfernt.  Auf  seiner  Fahrt  von  der  lakonischen  Küste 
nach  Kerkyra  hatte  der  Feldherr  in  dem  elischen  Hafen  Phea  ein  Kauffahrtei- 
schiff getroffen ,  in  welchem  gerade  korinthische  Schwerbewaffnete  nach  Sici- 
lien  abfahren  sollten.  Er  bemächtigte  sich  des  Schiffes ;  die  Hopliten  kamen  aber 
an's  Land  und  gelangten  später  auf  einem  anderen  Fahrzeuge  nach  Syrakus. 
Weiter  war  er  nach  Zakynthos  und  Kephallenia  gefahren ,  wo  er  Hopliten  und 
Truppen  von  den  Messeniern  in  Naupaktos  aufnahm,  und  dann  nach  dem 
akarnanischen  Festlande,  auf  dem  Aiyzia  und  Anaktorion  den  Athenern  ge- 
hörten. Hier  traf  ihn  Eurymedon,  der  bereits  im  Anfange  des  Winters  in 
Sicilien  gewesen  war  und  nun  wieder  zurückkehrte,  um  sich  nach  seinem 
Mitfeldherm  umzusehen.     Er  hatte  Syrakus   noch  vor  der  Seeschlacht  ver- 


48  Viertes  Buch/  VII.  Wachsendes  Uebergewicht  der  Syrakusaner. 

lassen^  aber  von  dieser,  so  wie  von  dera  Verluste  Plemmyrion's  Nachricht  be- 
kommen, und  theilte  dies  dem  Demosthenes  mit,  dem  er  sich  nun  v^ieder 
anschloss.  Es  kam  ferner  Konon  bei  der  Flotte  an,  der  athenische  Befebls- 
haber  des  Geschwaders  in  Naupaktos,  der  über  die  Unzulänglichkeit  seiner 
Flotiile  klagte.  Deshalb  gaben  die  athenischen  Feldherren  von  den  nach  Sici- 
lien  bestimmten  Schiffen  \  0  der  besten  an  Konon  und  betrieben  desto  eifriger 
die  Vervollst^Sndigung  ihrer  eigenen  Ausrüstung,  indem  Eurymedon  den  Ker- 
kyräem  die  Lieferung  von  15  Kriegsschiffen  auferlegte  und  auf  Kerkyra 
Schwerbewaffnete  auswählte,  Demosthenes  dagegen  aus  Akarnanien  Schleu- 
derer  und  Speerwerfer  zusammenbrachte.  So  rückte  die  athenische  Flotte, 
deren  Beistand  dem  bedrängten  Nikias  dringend  nothwendig  war,  nur  sehr 
langsam  vorwärts,  und  sie  wüitie  ihn  wahrscheinlich  schon  vernichtet  gefun- 
den haben ,  wenn  nicht  ein  grosser  Sieg  der  den  Athenern  ergebenen  Sikeler 
über  die  Bundesgenossen  der  Syrakusaner  den  Eifer  dieser  letzteren  gedämpft 
hätte.  Als  Nikias  nämlich  die  Abreise  der  griechischen  Gesandten  in  die  sici- 
lischen  Städte  erfuhr ,  schickte  er  Boten  an  die  ihm  befreundeten  Sikeler,  be- 
sonders an  die  Kentoripiner,'Und  forderte  sie  auf,  den  beabsichtigten  Durchzug 
der  sicilischen  Hülfstruppen  mit  Gewalt  zu  verhindern.  Er  wusste,  dass  sie 
keinen  andern  Weg  einschlagen  konnten,  da  die  Akragantiner  eine  strenge 
Neutralität  beobachteten.  Wirklich  überfielen  die  Sikeler  unvermuthet  die 
marschirenden  Griechen,  von  denen  800  umkamen,  nebst  allen  Gesandten, 
die  sie  geholt  hatten,  bis  auf  einen  Korinther,  der  die  entronnenen  1500  nach 
Syrakus  führte.  Nun  fand  sich  allerdings  hier  eine  nicht  zu  verachtende  Zahl 
von  Hülfstruppen  zusammen.  Kamarina,  sich  jetzt  für  das  siegreiche  Syrakus 
entscheidend,  schickte  500  Hopliten,  300  Speerwerfer  und  300  Bogenschützen : 
Gela  200  Beiter,  400  Speerwerfer  und  einige  wenige  Schiffe,  wahrscheinlich  5. 
Da  nun  die  von  den  Sikelem  angegriffeneti  und  theilweise  niedergemachten 
Hülfstruppen  der  Lage  der  Städte  nach  nur  von  Selinus  und  Hioiera  geschickt 
sein  konnten,  so  kann  man  behaupten,  dass  jetzt  alle  Griechen  nichtionischer 
Abkunft  auf  der  Insel ,  mit  Ausnahme  der  Akragantiner,  sich  den  Syrakusa- 
nem  angeschlossen  hatten.  Aber  die  Zahl  allein  giebt  keine  Zuversicht,  wenn 
nicht  der  Glaube  an  die  eigene  Tüchtigkeit  hinzukommt.  So  dämpfte  die  ge- 
waltige Niederlage  durch  die  Sikeler  die  Unternehmungslust  der  Syrakusaner; 
sie  schoben  den  Angriff  auf  und  gewährten  so  dem  Demosthenes  Zeit,  bei 
langsamer  Fahrt  dennoch,  vor  dem  gänzlichen  Untergange  der  Athener  auf 
Sicilien  anzukommen. 

Er  fuhr  mit  Eurymedon  Über  das  ionische  Meer  nach  der  Südspitze  lapy- 
gien's,  und  von  da  nach  den  Choeraden,  zwei  kleinen,  dem  Hafen  von  Tarent 
gegenüberliegenden  Inseln  —  heute  S.  Pietro  und  S.  Paolo  —  wo  er  eine  Zeil 
lang  verweilte.  Er  erneuerte  mit  Artas ,  einem  Häuptling  der  lapygier ,  ein 
angeblich  früher  von  ihm  mit  den  Athenern  geschlossenes  Bündniss,  und 
empfing  von  ihm  einige  50  iapygische  Speerwerfer,  sowie  1 00  vom  Volksstamme 
der  Messapier.  Dann  fuhr  er  weiter  nach  Metapontion,  das  sich  bewegen  liess, 
300  Speerwerfer  und  2  Trieren  mitzuschicken,  und  gelangte  endlich  nach 
seiner  letzten  Hauptstation  vor  Syrakus,  nach  Thurii.  Hier  waren  vor  kurzem 
Parteikämpfe  zwischen  den  Anhängern  und  Gegnern  der  Athener  mit  der 


Neue  Seetaktik  der  Syrakusaner.  49 

Vertreibung  der  letztereo  beendigt  worden,  und  die  athenischen  Feld- 
herren wurden  auf's  freundlichste  aufgenommen.  Thurii  stellte  sogar  700 
Hopliten  und  300  Bogenschützen,  und  durch  sie  verstärkt  zog  nun  das  Land- 
heer eine  Strecke  weit,  von  der  Flotte  begleitet,  bis  zum  Flusse  Hylias  zu 
*  Lande  fort.  Am  Uylias  schifile  man,  da  die  Krotoniaten  den  Durchzug  verwei- 
gerten ,  sich  wieder  ein ,  besuchte  alle  griechischen  Küstenstädte ,  mit  Aus- 
nahme von  Lokri,  und  fuhr  schliesslich  vom  Vorgebirge  Leukopetra  nach 
Sicilien  hinüber. 

Hier  war  indess  Wichtiges  geschehen.  Die  Syrakusaner  hatten  sich  von 
ihrer  Bestürzung  über  den  Sieg  der  Sikeler  erholt  und  ihre  Vorbereitungen  zu 
einer  neuen  Seeschlacht  vollendet ,  Vorbereitungen,  die  wichtige  Neuerungen 
iu  der  Ausrüstung  der  Schiffe  umfassten.  Der  Angriff  in  den  Seeschlachten 
bestand  im  Hineinbohren  der  eisenbeschlagenen  Spitze  des  eigenen  Schiffes 
in  das  feindliche.  Da  aber  jedes  Schiff  an  der  Spitze  am  leichtesten  eine  Be- 
schädigung aushalten  konnte,  ohne  zu  sinken,  so  musste  der  eiserne  Schnabel 
die  Flanke  des  Feindes  treffen.  Um  sie  erreichen  zu  können ,  gab  es  zwer 
Mandver :  man  überflügelte  oder  man  durchbrach  die  feindliche  Schlachtreihe. 
So  hing  der  Erfolg  vom  geschickten  Mandvriren  ab ,  und  gerade  hierin  waren 
die  Athener  besonders  bewandert.  Nun  war  aber  im  syrakusanischen  Hafen 
zum  Manövriren  wenig  Raum,  und  es  war  deshalb  bei  einiger  Vorsicht  in  der 
Aufstellung  der  Syrakusaner  nicht  wohl  möglich,  ihnen  in  die  Flanken  zu 
fallen.  Diesen  VortheK  hatten  die  Syrakusaner  schon  in  der  früheren  See- 
schlacht genossen  y  und  sie  verdankten  höchst  wahrscheinlich  nur  ihm  das 
damalige  Zurückweichen  der  Athener.  Zu  einem  vollständigen  Siege  gehörte 
aber  mehr;  die  feindlichen  Schiffe  mussten  vernichtet  werden.  Das  wurde 
hier  nun  freilich  ebenfalls  durch  die  Oertlichkeit  den  Syrakusanern  erleich- 
tert. Denn  der  bei  weitem  grösste  Theil  der  Uferstrecke  gehörte  jetzt  wieder 
ihnen,  alle  athenischen  Schiffe,  die  an  diese  Strecken  getrieben  wurden,  waren 
verloren.  Aber  um  sie  zum  Weichen  zu  bringen,  mussten  sie  sie  stark  be- 
schädigen, und  da  kein  Platz  zum  Herumfahren  oder  Zwischenschieben  da 
war,  am  Vordertheilc ,  wozu  jedoch  die  bisherige  Stärke  des  eigenen  Vor- 
dertheiles  nicht  ausreichte.  Der  Korinther  Ariston  gab  das  Mittel  dazu  an. 
Die  Vordertheile  selbst  wurden  kürzer  und  dadurch  fester  gemacht,  und 
die  Epotiden,  zwei  Seitenbalken,  die  rechts  und  links  vom  Schiffsschna- 
bel abstanden,  und  an  welche  man  die  Anker  aufzuhängen  pflegte,  so  ver- 
ändert, dasssie  ebenfalls  mehr  nach  vom  standen  und. also  bei  einem  Stosse 
des  Schiffes  mit  dem  Vordertbeil  die  Gewalt  desselben  vermehrten.  Diese 
Sturmbalken  wurden  noch  durch  untergelegte  kräftige  Stützen,  die  sechs 
Ellen  lang  waren ,  und  sich  zum  Theil  innerhalb ,  zum  Theil  ausserhalb  des 
Schiffes  auf  seinem  Boden  ruhend  befanden,  verstärkt,  so  dass,  bei  einem 
Zusammenstoss  eines  syrakusanischen  und  eines  athenischen  Schiffes  mit  den 
Vorderlheilen ,  das  leichter  gebaute  athenische  Vordei1.heil  von  dem  festeren 
des  syrakusanischen  Schiffes  zertrümmert  werden  musste.  Dieselben  Vor- 
richtungen hatten  sich  bereits  den  Korinthern  in  einer  vor  kurzem  an  der 
Küste  Achaia^s  gelieferten  Seeschlacht  als  nützlich  bewährt.  Ueberdies  scheint 
noch  die  weitere  Veränderung  mit  dem  Schiffsschnabel  vorgenommen  zu  sein, 

Holm,  Qeseh.  BioaliMi.  II.  4 


.   I 


50  Viertes  Buch.   VII.  Wachsendes  üebergewichl  der  Syrakusaner. 

das  man  ihn  liefer  am  Schiffte  als  zuvor  anbrachte,  so  dass  das  Wasser  leicbler 
in  die  gemachte  Oeffnung  eindringen  und  das  Schiff  auf  den  Grund  ziehen 
konnte.  Mit  dem  Seekampfe  sollte  aber  auch  diesmal  wieder  ein  Angriff  auf 
die  Mauern  der  Athener  verbunden  werden.  Als  alle  Vorbereitungen  beendigt 
waren,  führte  Gylippos  das  syrakusanische  Heer  aus  der  Stadt  gegen  die  öst- 
liche Mauer  der  Athener,  während  zugleich  vom  Olympieion  die  dort  befind- 
lichen Hopliten,  Reiter  und  Leichtbewaffneten  der  Syrakusaner  gegen  die 
westliche  Mauer  anrückten  und  die  Flotte  sich  der  athenischen  Station  näherte. 
Die  Athener  hatten  75  Trieren,  die  Syrakusaner  80.  Es  wurde  einen  grossen 
Theil  des  Tages  hindurch  ohne  besondern  Erfolg  gekämpft.  Allerdings  bew iik- 
ten  die  neuen  Einrichtungen  an  den  syrakusanischen  Trieren ,  dass  ein  paar 
athenische  Schiffe, versanken,  im  Ganzen  aber  blieb  der  Kampf  unentschieden, 
und  die  syrakusanische  Flotte  zog  sich  endlich  zurück.  Das  Landheer,  das  vor 
den  Mauern  stehen  geblieben  war,  um  dort  einen  Theil  der  Athener  festzuhal- 
ten, verliess  ebenfalls  den  Kampfplatz.  Am  folgenden  Tage  verhielten  sich  die 
Syrakusaner  mhig,  und  die  Athener  konnten  keine  Vorbereitunjgen  zu  einem 
neuen  Angriffe  bemerken.  Trotzdem  hielt  Nikias  einige  Vorsichtsmassregeln 
für  angemessen.  Er  nöthigte  die  Trierarchen  ,  die  gern  für  ihre  Leute  einen 
vollständigen  Ruhetag  gehabt  hätten,  die  Beschädigungen  der  Schiffe  aus- 
zubessern und  Hess  seine  Station  noch  mehr  gegen  einen  Angriff  befe- 
stigen. Sie  war  durch  eingerammte  Pfähle  geschützt,  nun  liöss  Nikias 
vor  dieser  Pfahlreihe,  in  einer  Entfernung  von  200  Fuss  von  einander, 
grosse  Lastschiffe  vor  Anker  legen,  die  eine  Maschfnerie  zur  Beschädigung  der 
feindlichen  Schiffe  trugen,  an  langen  Stangen  befestigte  schwere  Metallstücke, 
sogenannte  Delphine,  die  man  auf  das  angreifende  Schiff  niederfallen  Hess, 
um  es  zu  zerschmettern.  Diese  Schiffe  sollten  ausserdem  den  Athenern  das 
sichere  Ein-  und  Auslaufen  erleichtern.  Am  folgenden  Tage  begann  der  von 
Nikias  erwartete  Angriff  der  Syrakusaner  zu  einer  ooch  fillheren  Stunde  als 
das  erste  Mal ,  übrigens  aber  auf  dieselbe  Weise.  Die  Landtruppen  rückl<'n 
gegen  die  Mauern,  und  die  Flotte  bot  eine  Seeschlacht  an.  Doch  kam  es  wie- 
derum anfangs  zu  keinem  ernstlichen  Gefechte,  und  der  grösste  Theil  des  Tages 
verging  unter  unbedeutenden  Plänkeleien.  Denn  die  Athener,  welche  wuss- 
ten,  dass  Demosthenes  und  Eurymedon  bald  eintreffen  raussten ,  hatten  kein 
besonderes  Interesse  daran ,  gegen  eine  überlegene  Streitmacht  zu  kämpfen  ; 
die  Syrakusaner  aber  waren  trotz  ihrer  vortrefflichen  Zurüstungen  ihres  Er- 
folges nicht  recht  sicher  und  auch  wohl  ein  wenig  durch  die  neuen  Vertheidi- 
gungsanstalten  ihrer  Feinde  unruhig  gemacht.  Da  gab  ihnen  der  schon 
erwähnte  Ariston  eine  List  an.  Die  Befehlshaber  schickten  Boten  an  die  Be- 
hörden der  Stadt  mit  der  dringenden  Bitte,  schnell  in  Syrakus  anzusagen,  dass 
Alle,  welche  Lebensmittel  zum  Verkauf  besässen,  sie  unverzüglich  an  den 
Strand  des  grossen  Hafens  bringen  und  dort  feilbieten  mochten ,  damit  die 
Flottenmannschaft,  ohne  sich  allzuweit  von  ihren  Schiffen  zu  entfernen,  ein 
Mittagsmahl  einnehmen  und  sich  dann  wieder  ohne  Verzug  zur  Erneuerung 
des  Kampfes  an  Bord  begeben  könnte.  Dies  geschah.  Die  Flotte  brach  den 
Kampf  ab y  ruderte  rückwärts  dahin,  wo  der  Verkauf  stattfand,  und  die  Be- 
satzung stieg  an's  Land,  um  zu  essen.  Nun  glaubten  die  Athener,  die  Syraku- 


Seesieg  der  Syrakusancr.  51 

saner  verzichteten  auf  den  weiteren  Kampf  an  diesem  Tage.  Sie  zogen  sich  in 
ihren  Hafen  zurück,  gingen  an^s  Land  und  begannen  ebenfalls,  aber  mit 
grösserer  Langsamkeit,  ihr  Mittagsmahl  einzunehmen.  Plötzlich  sahen  sie, 
wie  die  Syrakusaner  wieder  zu  Schiffe  stiegen  und  von  neuem  auf  sie  zufuh- 
ren. Nun  mussten  sie  schnell  den  Feinden  entgegen  fahren,  aber  die  Ein- 
schiffung geschah  tumultuarisch,  und  die  Meisten  hatten  noch  nicht  gegessen. 
Die  Syrakusaner  enthielten  sich  klüglich  jedes  Angriffes,  indem  sie  darauf 
rechneten ,  dass  die  Athener*,  unwillig  über  die  unangenehme  Störung,  selbst 
dazu  schreiten  und  sich  in  ihrem  Eifer  willkommene  Blossen  geben  würden. 
So  geschah  es.  Die  Athener,  die  auf  den  Gedanken  kamen,  dass  die  Feinde 
sie  durch  fortwSihrende  Angriffe  ermüden  wollten ,  begannen  unter  Kriegsge- 
schrei die  Schlacht.  Nun  zeigte  sich  die  lieber  legen  hei  t  der  Syrakusaner.  Mit 
den  starken  Schnäbeln  ihrer  Schiffe  fuhren  sie  gegen  die  Yorderlhcile  der 
athenischen  Trieren  und  zerbrachen  sie ;  auf  ihren  Verdecken  standen  Massen 
von  Speerwerfern ,  welche  den  Feinden  ihre  besten  Leute  tödteten,  und  end- 
lich griffen  die  allmählich  schon  ganz  keck  gewordenen  Syrakusaner  zu  einem 
Mittel,  von  dem  kaum  zu  begreifen  ist,  wie  es  überhaupt  angewandt  werden 
konnte,  wenn  nicht  die  Athener  ganz  verwirrt  und  eingeschüchtert  waren. 
Eine  Anzahl  entschlossener  Manner  warf  sich  in  kleine  Boote,  ruderte  an  die 
athenischen  Schiffe  und  beschädigte  die  Ruder;  einige  glitten  sogar  an  den 
Seiten  der  Schiffe  entlang  und  schössen  aus  ihren  Nachen  auf  die  Ruderer. 
Zuletzt,  nachdem  die  Athener  vielen  Schaden  gelitten  hatten,  gaben  sie  die 
Schlacht  verloren  und  zogen  sich  zwischen  den  Lastschiffen  hindurch  in  ihren 
Hafen  zurück.  Die  Syrakusaner  hatten  7  feindliche  Schiffe  in  den  Grund  ge- 
bohrt  und  eine  Menge  Menschen  getödtet  oder  zu  Gefangenen  gemacht.  In  der 
Freude  über  ihren  Sieg  verfolgten  sie  die  Athener  bis  an  die  bewaffneten  Last- 
schiffe, verloren  aber  durch  die  oben  erwähnten  Delphine  zwei  Trieren,  von 
denen  die  eine  mit  der  Mannschaft  in  die  Hände  der  Athener  gerieth.  Sie 
errichteten  für  beide  Seeschlachten  Siegeszeichen.  Ihr  Zweck,  die  Athener  zu 
vernichten  ,  war  freilich  nicht  erreicht,  aber  sie  waren  nun  von  ihrer  üeber- 
legenheit  zur  See  vollkommen  überzeugt  und  beabsichtigten,  ihre  Angriffe  in 
der  allernächsten  Zeit  zu  wiederholen. 

Da  kam  Demosthenes  mit  der  neuen  athenischen  Flotte,  und  für  einen 
Augenblick  war  die  ganze  Sachlage  vollkommen  umgewandelt. 


Achtes  Kapitel. 
Ankunft  des  Demosthenes.   ToUsti&ndlge  Niederlage  der  Athener. 

Die  Flotte ,  welche  Demosthenes  und  Eurymedon  nun  im  Augenblick  der 
höchsten  Bedrängniss  des  Nikias  in  den  grossen  Hafen  von  Syrakus  führten, 
bestand  aus  73  Kriegsschiffen ,  athenischen  und  fremden ,  mit  5000  Schwer- 
bewaffneten ,  und  einer  grossen ,  besonders  durch  Demosthenes ,  der  sich  als 

4» 


52     Viertes  Buch/  VUI.  Ankunft  des  Demosthenes.  VoUständige  Niederlage  der  Athener. 

Fuhrer  leichter  Truppen  auszeichnete,  herbeigezogenen  Anzahl  von  griechi- 
schen und  fremden  Speerwerfern  y  Schleuderero  und  Bogenschützen,  und  mit 
Vorräthen  und  Material  aller  Art.  Der  Zuwachs  an  leichten  Truppen  mussle 
den  Athenern  von  besonderem  Werthe  erscheinen ;  freilich  war  der  Fortgang 
der  Belagerung  so  eigenthUmlich,  dass  sie  wenig  zur  Geltung  kamen.  Für  den 
Augenblick  verbreitete  die  Ankunft  dieser  gewaltigen  Streitmacht  grosse  Be- 
stürzung bei  den  Syrakusanern.  Sie  hatten  sich  die  Flotte  so  bedeutend  nicht 
gedacht.  Was  war  hiergegen  alle  die  Hülfe,  die  sie  langsam  und  nur  mit  Mühe 
aus  den  sicilischen  Städten  erhalten  hatten ,  ja  der  vom  Peloponnes  geleistete 
Beistand?  Sie  verloren  die  Zuversicht,  die  sie  so  lange  aufrecht  erhalten  hatie. 
Ihre  Landtruppen  zogen  sich  hinter  die  Mauern,  ihre  Flotte  in  die  Häfen  zu- 
rück. Diese  Stimmung  konnte  den  Athenern  nicht  unbekannt  bleiben,  und 
Demosthenes  baute  darauf  seine  Pläne.  Noch,  sagte  er  sich,  war  er  den  Syra- 
kusanern ein  Gegenstand  der  Furcht,  deshalb  musste  ohne  Zeitverlust  ein 
Angriff  gemacht  werden.  Natürlich  konnte  dieser  mit  Aussicht  auf  Erfolg  nur 
von  der  Landseite ,  und  zwar  von  Epipolae ,  Statt  finden.  Hier  war  aber  der 
Stand  der  Sache  folgender.  Gylippos  hatte  die  von  ihm  begonnene ,  von  der 
Stadt  aus  durch  Eptpolae  nach  Westen  laufende  Gegenmauer  so  weit  geführt, 
dass  sie  den  Abhang,  wahrscheinlich  nördlich  von  der  Westspitze  des  Euryelos, 
erreichte.  Die  Athener  stabden  südlich  von  derselben  und  konnten  so  die  fort- 
währende Gommunication  der  Syrakusaner  mit  dem  Innern  der  Insel  nicht  ver- 
hindern. Sollte  die  Stadt  durch  eine  vollständige  Einschliessung  genommen  wer- 
den, so  mussten  die  Athener  sich  in  den  Besitz  dieser  Mauer  setzen,  und  zwar 
so  schnell  als  möglich.  Weno  es  gelang,  war  die  Belagerung  fortzusetzen  und 
endigte  ohne  Zweifel  mit  der  Eroberung  der  Stadt ;  misslang  es  aber,  so  hatte 
man  unverzüglich  den  Rückzug  anzutreten.  Dieser  Vorschlag  fand  den  Beifall 
der  übrigen  Feldherren,  und  nachdem  man  sich  zuerst  in  den  Besitz  des  offe- 
nen Landes  um  den  Anapos  gesetzt  hatte,  wobei  nur  die  Besatzung  des  Olym- 
pieion  die  Athener  zu  stören  versuchte,  fing  Demosthenes  an,  die  Kraft  seiner 
Belagerungsmaschinen  an  der  syrakusanischen  Mauer  zu  erproben.  Doch 
hiermit  richtete  er  nichts  aus.  So  beschloss  er  denn,  die  Mauer  zu  umgehen. 
Dies  war  aber,  da  sie  bis  an  den  steilen  Abhang  reichte,  nur  dadurch  möglich, 
dass  man  im  Flussthale  des  Anapos  aufwärts  zog,  dann  nördlich  ablenkte,  die 
hohe  Westspitze  von  Epipolae  umging,  und  ganz  nahe  bei  derselben,  also  an 
demselben  Punkte ,  wo  die  Athener  zuerst  und  später  Gylippos  hinaufgekom- 
men waren ,  Epipolae  erstieg.  Wenn  es  dann  gelang,  die  Syrakusaner  in  die 
Stadt  zurückzutreiben ,  konnte  man  sich  der  Mauer  leicht  bemächtigen.  Wie 
sollte  es  aber  möglich  sein ,  die  steilen  von  den  Syrakusanern  bewachten  Ab- 
hänge zu  erstürmen?  Demosthenes  kam  auf  den  Gedanken  eines  nächtlichen 
Ueberfalls,  und  seine  Mitfeldherren  billigten  sein  Vorhaben.  Er  übernahm 
selbst  mit  Eurymedon  und  Menandros  die  Führung  der  stürmenden  Abtiiei- 
lung ,  während  Nikias  mit  dem  übrigen  Theil  des  Heeres  in  der  alten  Stellung 
zwischen  den  Mauern  verweilte.  Die  Stürmenden  nahmen  Nahrungsmittel  auf 
fünf  Tage  mit  sich  und  Alles,  was  nöthig  war,  um  eine  Mauer  zu  errichten, 
deren  Bau  gleich  nach  der  Eroberung  von  Epipolae  begonnen  werden  sollte ; 
alle  Maurer  und  Zimmerleute  begleiteten  sie.    So  brachen  sie  in  den  ersten 


Nächtlicher  Angriff  des  Demosthenes  auf  Epipolae  und  Niederlage.  53 

Nachtstunden  aus  dem  Lager  auf,  kamen  unbemerkt  am  Fusse  des  Euryelos 
an,  erkletterten  den  Abhang,  und  stiessen  oben  auf  eine  syrakusaniscße  Ver- 
schanzung, die  sie  nahmen.  Zum  Glück  für  die  Syrakusaner  entging  ein  Theil 
der  Besatzung  dem  Tode.  Die  Entflohenen  warnten  die  Ihrigen.  Die  Syraku- 
saner  waren  auf  einen  Angriff  von  dieser  Seite  nicht  unvorbereitet ;  sie  hatten 
ausserhalb  der  Stadt  in  Epipolae  drei  befestigte  Lager,  eins  für  Syrakusaner 
allein ,  das  zweite  für  die  übrigen  sicilischen  Griechen ,  das  dritte  endlich  für 
die  sonstigen  Bundesgenossen.  Diese,  denen  dies  Lager  als  Quartier  diente, 
w*aren  in  der  Nacht  stets  da.  Ausserdem  hatten  die  Syrakusaner  die  früher 
erwähnte  Einrichtung  beibehalten,  dass  600  ausgewählte  Männer  aus  allen 
Phylen  sich  fortwährend  bereit  halten  mussten ,  und  diese  hatten  ihren  Posten 
jetzt  wieder,  da  Epipolae  von  Neuem  bedroht  w^ar,  in  dem  dortigen  syrakusa- 
nischen  Lager.  Sobald  der  Ueberfall  der  Athener  gemeldet  war,  sammelten 
sich  die  600  und  warfen  sich  den  Angreifern  entgegen.  Die  Athener  schlugen 
sie  in  die  Flucht  und  drangen,  ihren  Erfolg  benutzend ,  vorwärts.  Zugleich 
aber  eilten  einige  von  ihnen  nach  der  grossen  Gegenmauer,  um  deren  Erobe-^ 
rung  und  Yertheidigung  es  sich  besonders  handelte,  erkletterten  den  west- 
lichen Theil  derselben  und  vertrieben  die  Besatzung.  Sogleich  begannen  sie 
die  Zerstörung  der  Mauer  mit  dem  Abbrechen  der  Zinnen.  Nun  hatte  sich  aber 
auch  die  ganze  syrakusanische  Macht,  die  auf  Epipolae  war,  gesammelt  und 
rückte  unter  Anführung  des  Gylippos  den  Athenern  entgegen.  Der  unerwar- 
tete Ueberfall  der  Feinde  und  das  Ungewohnte  eines  nächtlichen  Kampfes 
machte  sie  anfangs  vefwiiTt,  und  sie  wichen  eine  Weile  vor  den  ungestüm  an- 
dringenden Athenern  zurück.  Je  länger  sie  aber  kämpften  ,•  desto  mehr  ge- 
wannen sie  ihre  Fassung  wieder  und  schlössen  sich  auf  dem  bekannten  Boden 
fester  an  einander,  während  die  Athener,  die  an  nichts  dachten^  als  sobald  als 
möglich  durch  das  ganze  syrakusanische  Heer  hindurchzudringen  und  ihm 
keine  Zeit  zur  Besinnung  zu  lassen ,  eben  durch  ihre  Hast  in  Unordnung  ge- 
riethen.  Bald  hörte  das  Weichen  der  Syrakusaner  auf.  Die  Böoter,  vor  kur- 
zem erst  angelangt,  hatten  den  Buhm,  zuerst  die  Athener  zum  Stehen  zu 
bringen,  dann  sahen  sich  die  Angreifer  genöthigt,  den  Bückzug  anzutreten, 
und  aus  dem  Bückzug  wurde  nach  kurzer  Zeit  Flucht.  Die  vollständigste  und 
furchtbarste  Niederlage  der  Athener  war  entschieden.  Der  Mond  schien  hell, 
vermehrte  aber  durch  sein  ungewisses  Licht ,  das  wohl  die  Umrisse  der  Kör- 
per, nicht  aber  die  Gesichtszüge  erkennen  Hess  und  es  unmöglich  machte, 
die  Befehle  der  Feldherren  genau  aufzufassen  und  richtig  zu  befolgen,  die 
Verwirrung  und  Bathlosigkeit  unter  den  Athenern.  Jeder  war  sich  selbst 
überlassen.  Während  ein  Theil  sich  schon  auf  der  Flucht  vor  den  Böotem 
befand ,  waren  Andere  noch  im  Vorrücken  begriffen ,  und  als  auch  diese  zu- 
rückgetrieben wurden  und  Alle,  die  bereits  auf  der  Höhe  angelangt  waren, 
sich  den  steilen  Pfaden ,  auf  denen  sie  heraufgeklommen  waren ,  zudrängten, 
da  kamen  ihnen  neue  Abtheilungen  der  Ihrigen  entgegen ,  die  noch  an  einem 
Siege  theilzunehmen  gedachten  und  nun  die  Verwirrung  nur  vermehrten. 
Viele  kamen  hier  um ,  indem  sie  an  ungangbaren  Stellen  sich  durch  Hinab- 
springen zu  retten  suchten.  Selbst  von  den  unten  Angelangten  wurden  nicht 
alle  gerettet.     Manche  der  vor  kurzem  erst  mit  Demosthenes  eingetroffenen 


^-■f- 


54     Viertes  Buch.  VIII.  Ankunft  des  Demosthenes.    Vollständige  Niederlage  der  Athener. 

•  « 

Soldaten  kannten  die  Gegend  noch  so  wenig ,  dass  sie  sich  verirrten  und  am 
nächsten  Morgen  von  den  syrakusanischen  Reitern  aufgejagt  und  getödtet 
wurden.  Noch  grösser  als  die  Zahl  der  Todten  auf  athenischer  Seite  (angeb- 
lich 2500)  war  die  der  erbeuteten  Schilde.  Die  Syrakusaner  errichteten  zwei 
Siegeszeichen,  eins  da,  wo  die  Athener  zuerst  von  den  Böotern  zum  Weichen 
gebracht  worden  waren ,  das  zweite  am  Abhänge  von  Epipolae.  Sie  hatten 
einen  ebenso  raschen  wie  entscheidenden  Erfolg  errungen  und  gingen  schnell 
von  Muthlosigkeit  zur  aussersten  Zuversicht  über.  Es  schien  ihnen  jetzt,  trotz 
der  vermehrten  Anzahl  der  Feinde,  wiederum  nicht  unmöglich,  sie  vollständig 
zu  veiiiichten,  und  sie  machten  zu  diesem  Zwecke  auf  der  Stelle,  um  ihre 
Streitkräfte  entsprechend  zu  vermehren,  weit  aussehende  Vorbereitungen. 
Gylippos  reis'te  von  neuem  nach  den  siciliscben  Städten,  und  nach  Akragas 
fuhr  sogar  eine  Flotte  von  \  5  Schiffen  unter  Sikanos.  Man  hatte  nSimlich  erfah- 
ren ,  dass  dort  Unruhen  ausgebrochen  waren ,  und  da  bis  jetzt  die  Stadt  sich 
durchaus  neutral  gehalten  hatte,  so  war  es  möglich,  dass,  wenn  die  herr- 
schende Partei  gestürzt  wurde,  die  neue  Regierung  einen  engen  Freund- 
Schaftsbund  mit  Syrakus  schloss. 

Die  athenischen  Befehlshaber  hatten  indessen  zu  erwägen,  welche  Mass- 
regeln nach  ihrer  Niederlage  auf  Epipolae  zu  ergreifen  seien.    Demosthenes 
hatte  den  Sturm  mit  dem  festen  Vorsatz  unternommen ,   wenn  er  misslänge, 
auf  schleunige  Rückkehr  nach  Athen  zu  dringen.    Die  Gründe  dafür  waren 
einleuchtend.    Syrakus  war  nicht  mehr  zu  erobern ,  und  im  Heere  herrschte 
nicht  nur  Muthlosigkeit,  sondern  in  Folge  der  Hitze  und  des  Aufenthaltes  in 
der  sumpfigen  Gegend  zwischen  den  Mauern  bösartige  Fieber.    Noch  erlaubte 
die  Ueberlegenheit  zur  See  die  Rückkehr.    Hiergegen  hatte  Nikias  Vieles  ein- 
zuwenden.   Er  war  zwar  auch  der  Meinung ,  dass  die  Sachen  schlecht  stän- 
den, aber  er  hielt  es  für  unpassend ,  dies  einzugestehen.     Eine  solche  Erklä- 
rung, meinte  er,  könne  den  Syrakusanern  nicht  verborgen  bleiben,  und  wenn 
dann  der  Beschluss  ausgeführt  werden  sollte,  würde  die  Hauptbedingung  des 
Erfolges,  die  Heimlichkeit,    nicht  mehr  vorhanden   sein.     Dies  waren  leere 
Worte,  denn  wenn  man  im  Kriegsrathe  nicht  den  Abzug  beschliessen  durfte, 
kam  man  überhaupt  nie  fort,   und  was  Nikias  ausserdem,  vorbrachte,   war 
ebenso  wenig  zutreffend.     Er  legte  grosses  Gewicht  auf  die  Anklagen  und 
Verleumdungen,  denen  man  sich  in  Athen  aussetzen  würde,  wenn  man  zu- 
rückkehrte,  ohne  dass  das  athenische  Volk  es  ausdrücklich  befohlen  habe; 
wenn  er  sterben  solle ,  so  wolle  er  lieber  von  der  Hand  der  Feinde  den  Tod 
erleiden.    Diese  Erhebung  der  öffentlichen  Meinung  über  die  Vernunft,  w^o  es 
sich  um  das  Leben  vieler  Tausende  von  Bürgern  handelte ,   verrieth  ebenso 
sehr  einen  krankhaft  aufgeregten  Geist,  wie  der  letzte  Theil  seiner  Rede  eine 
fast  unglaubliche  Verblendung.    W^enn  es  mit  ihnen  nicht  gut  stehe ,  so  stehe 
es  noch  schlimmer  mit  den  Syrakusanern.    Er  wisse  es  durch  seine  Verbin- 
dungen in  der  Stadt.     Die  Syrakusaner  hätten  zur  Besoldung  der  fremden 
Truppen,   zum  Unterhalt  der  von  ihnen  ausgesandten  Posten,   und  für  ihre 
Seemacht  schon  gewaltige  Summen  aufgewandt.  2000  Talente  seien  bereits  aus- 
gegeben, und  ausserdem  hätten  sie  bedeutende  Schulden  gemacht.  Die  Athener 
beherrschten  die  See  und  hätten  mehr  Geld  als  die  Syrakusaner ;  sie  könnten  es 


Nikias  widerselzl  sich  der  Abfahrt.    Mondflnsteroiss.  55 

deshalb  länger  aushalten  als  diese/ und  wären  die  Syrakusaner  erst  von  ihren 
Bundesgenossen  im  Stiche  gelassen ,  so  wdren  sie  verloren;  Allerdings  war 
dem  Niki^s  durch  sdne  Freunde  in  Syrakus  der  Geldmangel  der  Syrakusaner 
gemeldet  worden ,  ja  man  hatte  ihn  sogar  von  dort  aufgefordert,  nicht  von  der 
Belagerung  abzulassen,  aber  konnte  er  bei  der  traurigen  Lage  der  Athener 
auf  so  ungewisse  Nachrichten  Werlh  legen  ?  Als  nun  Demosthenes,  w^elchem 
Eurymedon  durchaus  beistimmte,  einsah»  dass  die  Gründe  des  Nikias,  der 
nach  dem  Fehlschlagen  des  Planes  des  Demosthenes  seinen  alten  Einfluss  im 
Feldherrnrathe  wiedergewonnen  hatte,  besonders  gegen  die  sofortige  Rückkehr 
nach  Hause  gerichlet*  seien ,  machte  er  in  der  festen  Ueberzeugung,  dass  ein 
längeres  Verweilen  im  grossen  Hafen  nur  das  Verderben  beschleunigen  könne, 
den  Vorschl^g,  das  Lager  wenigstens  nach  Tbapsos  oder  Katane  zu  verlegen, 
wodurch  mehrfache  Vortheile  erwachsen  würden.  Man  könne  von  da  aus 
besser  aus  dem  feindlichen  Lande  seinen  Unterhalt  ziehen ,  fUr  die  Flotte  aber 
sei  es  ein  ausserordentlicher  Gewinn^  nicht  in  dem  engbegrenzten  Räume  des 
syrakusanischen  Hafens ,  sondern  auf  dem  offenen  Meere  zu  kämpfen,  wo  die 
athenischen  Seeleute  ihre  reichen  Erfahrungen  verwerthen  würden.  Auch 
diesem  Vorschlage  widersprach  Nikias,  wenn  er  ihn  gleich  nicht  so  unbedingt 
abwies  wie  den  ersten.  So  blieb  Alles,  wie  es  war ,  und  das  Verderben  zog 
sich  über  den  Athenern  enger  zusammen.  Die  Sendung  des  Sikanos  nach 
Akragas  erwies  sich  zwar  als  erfolglos;  in  Gela  erfuhr  er,  dass  die  Unruhen 
in  Akragas,  auf  die  man  gerechnet,  bereits  mit  der  Vertreibung  der  syrakusa- 
nischen  Partei  geendigt  hatten,  und  er  kehrte  nach  Hause  zurück«  aber  Gylip- 
pos  brachte  eine  Anzahl  Truppen  aus  den  sicilischen  Städten  und  ausserdem 
noch  den  grössten  Theil  der  Schwerbewaffneten ,  die  im  Frühjahre  vom  Pelo- 
ponnes  auf  Kauffahrteischiffen  in  See  gegangen  waren  und,  um  den  Athenern 
auszuweichen ,  den  ungewöhnlichen  Umweg  über  Afrika  und  Selinus  einge- 
schlagen hatten.  Als  nun  auf  diese  Weise  die  Syrakusaner  sich  wiederum 
verstärkt  sahen,  rüsteten  sie  sich  zu  einem  entscheidenden  Land-  und  Seean- 
griff auf  die  Feinde. 

Da  Krankheiten  und  Mutblosigkeit  im  athenischen  Heere  immer  mebr  um 
sich  griffen,  war  nun  endlich  auch  Nikias  bereit,  seinen  Widerstand  gegen  den 
Abzug  aufzugeben ,  unter  der  Bedingung,  dass  die  Vorbereitungen  dazu  im 
Stillen  geschähen,  und  das  athenische  Heer  wäre  gerettet  worden,  wenn  nicht, 
als  eben  die  Abfahrt  stattfinden  sollte,  am  27.  August  413,  um  iO  Uhr  Abends, 
eine  Mondfinsterniss  eingetreten  wäre.  Nun  waren  die  Athener  nicht  bloss 
fromm ,  sondern  abergläubisch.  Die  grosse  Mehrzahl  der  Soldaten  sah  in  der 
Verfinsterung  des  Mondes  ein  böses  Omen ,  und  Nikias,  der  sehr  viel  Gewicht 
auf  Vorzeichen  legte  und  auch  nach  Sicilien  berühmte  Zeichendeuter  mitge- 
nommen hatte,  erklärte,  dass  man  unbedingt  erst  dreimal  9  Tage  warten 
müsse,  ehe  man  auch  nur  an  eine  Berathung  über  die  Abfahrt  denken  dürfe. 
So  überlieferte  der  Aberglaube  die  Athener  dem  Verderben.  Die  Syrakusaner 
erfuhren  bald  den  Entscbluss  der  Feinde ,  und  hielten  es  eben  deswegen  für 
nothwendig ,  sie  noch  im  Hafen  zur  Seeschlacht  zu  zwingen.  Als  Vorspiel 
diente  ein  Landangriff  auf  die  athenischen  Mauern,  bei  dem  sie  einen  unter 
den  gegenwärtigen  Umständen  für  die  Athener  sehr  schmerzlichen  Vortlieil 


56     Viertes  Buch.    VIII.  Ankunft  des  Demosth«ne8.  VoUständrge  Niederloge  der  Athener. 

errangen  :  70  athenische  Reiter  kamen  bei  einem  Ausfalle  uro.  Am  folgenden 
Tage  griffen  die  Syrakusaner  zu  Wasser  an.  Wahrend  das  Landheer  wieder 
gegen  die  Mauern  rückte,  fuhr  die  Flotte,  aus  76. Schiffen  bestehend ,  auf  die 
86  Segel  starke  Flotte  der  Athener  zu.  Die  Uebermacht  war  also  diesmal  auf 
athenischer  Seite,  und  dennoch  siegten  die  Syrakusaner.  Zuerst  wich  das  Cen- 
trum  der  Athener.  Ihr  rechter  Flügel  stand  unter  dem  Befehle  des  Euryme- 
don,  der  trotz  der  ungünstigen  Oertlichkeit  dennoch  das  beliebte  ManOver  der 
Umgehung  der  Feinde  versuchen  wollte.  Aber  er  kam  dem  Lande  zu  nahe, 
Tind  als  die  Syrakusaner  das  athenische  Gentrum  besiegt  hatten,  drängten  sie 
ihn  in  den  innersten  Winkel  der  Hafenbucht  und  vernichteten  seine  Schiffs- 
abtheilung, wobei  er  selbst  umkam.  Nun  war  die  Seeschlacht  für  die  Athener 
verloren.  Alle  athenischen  Schiffe,  welche  nicht  vernichtet  wurden,  mussten 
sich  an's  Land  zurückziehen,  wo  sie  gerade  waren.  Die  meisten  konnten  nicht 
die  schmale  üferstrecke  zwischen  den  athenischen  Mauern  eireichen,  sondern 
wurden  ausserhalb  derselben  an's  Land  getrieben,  und  dieser  Umstand  schien 
Gylippos  das  Mittel  zu  gewahren,  sie  vollständig  zu  vernichten.  Er  eilte  mit 
einem  Theile  seines  Heeres  an's  Ufer ,  da  wo  ein  schmaler  Streifen  festen  Bo- 
dens sich  zwischen  dem  Meere  und  dem  Sumpfe  Lysimeleia  hinzog ,  und  wo 
ein  grosser  Theil  der  athenischen  Flotte  sich  befand.  Aber  das  ziemlich  un- 
ordentliche Ueranstürmen  der  Syrakusaner  machte  den  Etruskem,  die  als 
Hulfstruppen  der  Athener  an  dieser  Seite  der  Mauer  (nach  dem  Flusse  Anapos 
zu)  die  Wache  hatten ,  Muth ,  herauszukommen  und  sich  auf  sie  zU  werfen. 
Sie  trieben  die  Vordersten  zurück  und  jagten  sie  theilweise  in  den  Sumpf. 
Bald  war  der  Kampf  hier  allgemein;  Syrakusaner  wie  Athener  eilten  in  grösse- 
rer Anzahl  herbei,  und  die  Athener,  deren  Kräfte  die  Gefahr  verdoppelte,  be- 
siegten das  syrakusanische  Heer  und  retteten  den  grössten  Theil  ihrer  Flotte, 
den  sie  glücklich  in  den  Hafen  schafften.  Das  Geschwader  des  Eurymedon 
war  und  blieb  verloren,  18  Schiffe  mit  der  ganzen  Besatzung.  Die  Syrakusa- 
ner machten  noch  einen  Versuch,  die  Flotte  zu  vernichten.  Sie  richteten  ein 
alles  Lastschiff  durch  eine  Masse  von  trockenen  Zweigen  und  Kienholz  zu 
einem  Brander  ein,  zündeten  es  an  und  Hessen  es  vom  Winde  gegen  die  athe- 
nische Flotte  treiben.  Aber  die  Athener  wussten  den  Brander  N'on  ihren  Schif- 
fen abzuhalten.  Sie  konnten  sich  die  schwache  Genugthuung  verschaffen, 
wegen  ihres  Sieges  am  Sumpfe  ein  Tropaion  zu  errichten;  mit  mehr  Grund 
thaten  es  die  Syrakusaner  für  den  Erfolg  des  vorhergehenden  Tages  über  die 
athenische  Reiterei,  und  besonders  wegen  des  Seesieges,  der  auf  Athener  wie 
auf  Syrakusaner  den  allergrössten  Eindruck  hervorgebracht  hatte. 

Die  Athener  wurden  immer  muthloser  und  fingen  jetzt  endlich  an ,  den 
ganzen  Zug  als  das,  was  er  war,  als  das  unbesonnenste  und  thörichtste  Unter- 
nehmen zu  betrachten.  Es  kam  ihnen  in  den  Sinn ,  dass  sie  ja  von  einem 
Kriege  gegen  Syrakus  schon  deswegen  keine  grossen  Erwartungen  hätten 
hegen  dürfen,  weil  diese  Stadt  eine  demokratische  Verfassung  hatte,  wie 
Athen  selbst,  und  also  keine  Partei  gefunden  werden  konnte,  von  der  von 
vornherein  Sympathie  mit  den  Angreifern  zu  erwarten  war,  weil  diese  Stadt 
ferner,  gerade  wie  Athen,  nicht  bloss  zu  Lande  stark  war,  sondern,  wenigstens 
in  früherer  Zeit,  eine  grosse  Seemacht  besessen  hatte.    Die  Syrakusaner  da- 


Zusammensetzung  der  beiden  Heere.  57 

gegen  stellten  sich  mit  der  mehr  und  mehr  wachsenden  Aussicht,  ihre  Feinde 
vollsldndig  zu  vernichten ,  den  Vorlheil  und  die  Ehre ,  die  ihnen  dadurch  er- 
wachsen würden,  immer  deutlicher  vor  Augen.  Sie  mussten  durch  die  Ueber- 
-windung  der  Athener  einen  gewaltigen  Einfluss  auf  Griechenlands  Geschicke 
ausüben.  Das  Uebergewicht  Athen's  war  gebrochen;  die  Unterthanen  konnten 
sich  befreien  und  die  Feinde  es  ohne  Bedenken  angreifen ;  es  unterlag  viel- 
leicht den  Doriern,  und  als  die  eigentliche  Veranlassung  seines  Sturzes  musste 
Mit-  und  Nachwelt  die  Syrakusaner  betrachten.  Syrakus  trat  durch  einen  so 
grossen  Sieg  mit  einem  Schlage  in  die  Reihe  der  leitenden  dorischen  Staaten, 
und  stand  den  Korinthern ,'  ja  den  Spartanern  gleich.  Wenn  die  Syrakusaner 
sich  einen  hohen  Begriff  von  der  Bedeutung  des  um  ihre  Stadt  geführten 
Kampfes  machten,  so  gab  schon  ein  kurzer  Ueberblick  über  die  bunte  Zusam- 
mensetzung des  beiderseitigen  Heeres  ihnen  das  vollkommenste  Recht  dazu. 
Es  schien ,  als  hätte  ganz  Griechenland  seine  Vertreter  nach  Sicilien  gesandt, 
^Is  sollte  hier  der  grosse  Kampf  zwischen  Athen  und  Sparta  entschieden  wer- 
den. Blind  genug  hatte  das  Schicksal  die  Kämpfenden  durch  einander  gewür- 
felt, und  wer  von  den  Völkerschaften  nur  die  Herkunft  und  Stammverwandt- 
^chaft  wusste ,  hcitte  oftmals  falsch  gerathen,  wenn  er  sie  darnach  den  beiden 
kämpfenden  Parteien  hätte  zuweisen  wollen.  Im  athenischen  Heere  befanden 
sich  als  lonier  und  Kolonisten  Athen's  Einwohner  der  Inseln  Lemnos  und  Im- 
bros  im  Norden  des  ägäischen  Meeres ,  von  Aegina ,  das  seit  geraumer  Zeit 
schon  Athener  statt  der  ursprünglichen  Dorier  zu  Bewohnern  hatte  und  He- 
stiäer  von  Euboea.  Als  tributpflichtige  Unterthanen  folgten  den  Athenern 
Eretrier ,  Chalkidier ,  Styrer  uud  Karystier  von  EubOa ,  Bewohner  der  Inseln 
Keos,  Andres,  Tenos  und  aus  dem  asiatischen  lonien  Milesier  und  Samier. 
Die  Ghier  waren  selbständig;  sie  hatten  Schiffe  gestellt  und  zahlten  keinen 
Tribut.  Von  allen  diesen  w-aren  nur  die  Karystier  keine  lonier,  sondern  Dryo- 
per ;  die  übrigen  kämpften  als  lonier  gegen  Dorier,  aber  nur  von  den  Athe- 
nern gezwungen.  Aeolischen  Stammes  waren:  Melhymnäer,  die  mit  eigenen 
Schiffen  da  waren ,  Männer  von  Tenedos  und  Aenos  als  tributpflichtige  Unter- 
thanen ,  endlich  Platäer,  die  von  gerechtem  Hass  gegen  ihre  bOotiscben  Stam- 
mesgenossen erfüllt,  ihm  auch  hier  Luft  zu  machen  Gelegenheit  hatten,  da  sie 
Böoter  unter  den  Bundesgenossen  der  Syrakusaner  fanden.  Von  Dörfern  wa- 
ren auf  athenischer  Seite  Bewohner  von  Kythera,  Kolonisten  von  Sparta, 
Rhodier,  denen  auf  syrakusanischer  Seit>e  Männer  aus  Gela,  der  Kolonie  von 
Rhodos,  gegenübei*standen ,  Bewohner  von  Kephallenia  und  Zakynthos,  die 
nicht  tributpflichtig  waren ,  aber  als  Inselbewohner  dem  meerbeherrschenden 
Athen  ihre  Hülfe  nicht  versagen  konnten ;  ferner  Kerkyräer,  die  als  Kolonisten 
von  Korinth  zwar  den  Schein  annehmen  mussten ,  als  machten  sie  den  auch 
gegen  ihre  Mutterstadt  gerichteten  Krieg  gezwungen  mit,  die  aber  in  Wirk- 
lichkeit gern  die  Gelegenheit  benutzten ,  dem  verhassten  Korinth  zu  schaden. 
Femer  waren  da:  Messenier  aus  Naupaktos  und  Pylos,  eine  Anzahl  megari- 
scher  Flüchtlinge ,  die  Selinuntieni,  Kolonisten  von  Megara ,  gegenüberstan- 
den; Argiver,  von  Hass  gegen  die  Lakedämonier  erfüllt,  Mantineef  und 
sonstige  A'rkadier ,  die  als  Söldner  der  Athener  gegen  andere,  mit  den  Korin- 
them  gekommene  Arkadier  kämpften ,  Kreter  und  Aetoler  als  SOldner,  und 


58     Viertes  Buch.   V[II.  Ankunft  des  Demosthenes.    Vollständige  Niederlage  der  Athener. 

Akarnanen ,  die  thoils  durch  Sold  angelockt,  theils  aus  Anhänglichkeit  an  De- 
mosthenes  mitgezogen  waren.  Aus  Italien  waren  Thurier  und  Metapontiner 
dabei,  von  Sicilien  Naxier  und  Katanüer,  und  eine  Masse  von  Sikelern,  end~ 
lieh  noch  einige  Etrusker,  alte  Feinde  von  Syrakus,  und  gemiethete  lapygier 
und  Messapier.  Welche  Menge  von  verschiedenartigen  Elementen  im  atheni- 
schen Heere !  Wie  schwer  musste  es  selbst  erfiihrenen  Fekiherren  werden,  im 
Unglücke  sie  zusammenzuhalten !  Wie  schwer  besonders,  die  gezwungen  Die- 
nenden zu  thfitigen  Streitern  für  eine  fast  schon  aufgegebene  Sache  zu  machen! 
Anders  stand  es  auf  syrakusanischer  Seite.  Waren  bei  den  Athenern  die  Mei- 
sten aus  Zwang  oder  um  des  Geldgewinnes  wegen  da,  so  hatten  die  Syraku- 
saner  grösstentheils  nur  Stammesgenossen  in  ihrem  Heere.  Aus  Sicilien  waren 
es  Bewohner  von  Kamarina,  Gela,  Selinus,  Himera ;  die  Spartaner  hatten  nur 
Heloten  und  Neodamoden  geschickt,  aber  der  eine  Spartaner  Gyiippos  wog  ein 
Heer  auf;  Korinther  waren  mit  Schiffen  Und  Landtruppen  gekommen  und 
hatten  Leute  aus  ihren  Kolonien  Leukas  und  Amprakia  mitgebracht;  die  Böo- 
ter  hatte  der  alte  Hass  gegen  Athen  getrieben,  Truppen  zu  schicken,  nur  die 
wenigen  Sikyonier  waren  gezwungen  mitgezogen,  und  als  Miethstruppen  stan- 
den nur  einige  Arkadier  bei  den  Korinthern ,  dazu  kam  endlich  noch  eine 
Anzahl  von  Sikelern.  Im  Vergleich  zu  den  aus  Griechenland  gekommenen 
Verbündeten  der  Syrakusaner  war  die  Anzahl  der  sicilischen  Griechen ,  die 
aus  nahe  gelegenen  volkreichen  Städten  nach  Syrakus  gezogen  waren,  gross; 
alle  Hulfstruppen  übertraf  aber  an  Zahl  das  Gontingent  der  Syrakusaner 
selbst.  Zwischen  diesen  Gegnern  sollte  es  nun  zum  entscheidenden  Kample 
kommen. 

Die  Syrakusaner  wollten  jetzt  dem  Kriege  ein  Ende  machen ;  die  athe- 
nische Flotte  sollte  den  Hafen  ihrer  Stadt  nicht  wieder  verlassen.  Sie  versperr- 
ten deshalb  den  wenig  über  1000  Meter  breiten  Eingang  desselben  zwischen 
Ortygia  und  Plemmyrion  durch  quer  vor  Anker  gelegte  grössere  und  kleinere 
Schiffe  und  rüsteten  sich  zu  einer  neuen  Seeschlacht.  In  dem  engen  Räume 
dos  Hafens,  wo  die  feindlichen  Flotten  nahe  bei  einander  Ingen,  konnte  nichts, 
was  der  Eine  vorbereitete,  dem  Anderen  verborgen  bleiben.  So  waren  die 
Athener  auch  bald  im  Klaren  über  die  Absichten  der  Syrakusaner,  und  die 
Feldherren  sahen  ein,  dass  schnell  ein  Entschluss,  womöglich  mit  allgemeiner 
Zustimmung  der  Officiere,  gefasst  werden  müsse.  Sic  hielten  deshalb  einen 
Kriegsrath,  dem  auch  die  Taxiarchen  [Unterbefehlshaber)  beiwohnten,  und  in 
dem  die  traurige  Lage  des  athenischen  Heeres  endlich  unverhohlen  eingestan* 
den  wurde.  Ein  sehr  schlimmer  Umstand  kam  hier  zur  Sprache.  Ais  vor 
einigen  Tagen  die  Athener  sich  zu  der  nachher  durch  die  Mondfinsterniss  ge- 
störten Abfahrt  gerüstet  hatten .  war  nach  Katane  der  seitdem  auffallender- 
weise nicht  zurückgenommene  Befehl  geschickt  worden,  keine  Lebensmittel 
mehr  zu  senden ,  und  so  fehlte  es  daran  jetzt  schon ;  die  Absperrung  des  Ha- 
fens aber  machte  alle  neuen  Sendungen  unmöglich.  Eine  Schlacht,  ohne  Ver- 
zug geliefert,  war  also  das  Einzige,  was  die  Athener  noch  retten  konnte.  Man 
boschloss ,  auf  der  Stelle  den  ganzen  oberen  Theil  der  Doppelmauer  aufzuge- 
ben, nur  den  unmittelbar  am  Hafen  gelegenen  beizubehalten,  den  Raum  zwi- 
schen-beiden  Mauern  durch  eilig  errichtete  Querwerke  nach  dem  Lande  hin 


VorbercituDgen  zur  Schlacht.  59 

zu  schützen,  und  auf  diesem  Platze  die  Kranken  und  alle  Vorrätbe  zu  bergen, 
alle  irgend  entbehrliche  Mannschaft  aber  auf  die  noch  brauchbaren  Schiffe  zu 
bringen  und  mit  diesen  eine  Seeschlacht  zu  liefern.  Siegte  man ,  so  wollte 
man  schnell  das  ganze  Heer  nach  Katane  bringen ;  verlor  man  aber  die 
Schlacht,  so  sollten  die  Schiffe  verbrannt  werden  und  das  Heer  auf  dem  Land- 
wege eine  befreundete  hellenische  oder  barbarische  Stadt  zu  erreichen  suchen. 
Der  Beschluss  wurde  ausgeführt,  110  noch  brauchbare  Schiffe  fanden  sich, 
und  alle  irgend  waffenfclhigen  Leute  wurden  eingeschifft,  besonders  setzten 
die  Feldherren  auf  die  Masse  von  Bogenschützen  und  Speerwerfern,  Akamanen 
und  Andere,  viel  Vertrauen.  Der  Versuch,  den  die  Athener  so  im  Drange  der 
Noth  machten,  die  gewohnte  Seeschlacht  durch  die  Aufnahme  einer  Menge  von 
Landtruppen  in  eine  Landschlacht  zu  verwandeln,  war  sehr  gewagt,  dennoch 
zeigte  sich  bei  den  athenischen  Truppen  durchgängig  Bereitwilligkeit,  da  Alle 
den  gegenwärtigen  Zustand  unertrilglich  fanden.  Nikias  hielt  vor  der  Schlacht 
eine  Anrede  an  sein  Heer,  das  nun  den  Entscheidungskampf  kämpfen  sollte. 
£r  wies  darauf  hin,  dass  nur  ein  Sieg  ihnen  die  Möglichkeit  geben  könne,  ihre 
Heimath  wieder  zu  erreichen;  um  ihn  sicherer  zu  erringen,  sei  die  Masse  von 
Landtruppen  auf  die  Schiffe  genommen.  Der  Wiederholung  gefährlicher  An- 
fahrten mit  den  starken  Vordertheilen  der  syrakusanischen  Schiffe  solle  durch 
eiserne  Haken  begegnet  werden,  mit  denen  man  die  feindlichen  Schiffe  fest- 
halten werde ,  worauf  dann  die  an  Bord  befindlichen  Landtruppen  die  feind- 
liche Besatzung  vernichten  müssten.  Die  Vorbereitungen  der  Athener  waren 
sogleich  von  den  Syrakusanern  bemerkt  worden,  die  auch  Eenntniss  von  den 
eisernen  Haken  bekommen  hatten ,  und  nun  als  Schutz  dagegen  die  Spitzen 
und  Ränder  der  Schiffe  mit  Feilen  bekleideten,  an  denen  die  Haken  nicht 
leicht  fassen  konnten.  Die  Anreden  der  Feldherren  wiesen  die  Syrakusaner 
besonders  darauf  hin,  dass  sie  die  seemächtigen  Athener  ja  schon  überwunden 
hätten  nnd  sie  sicher  auch  wieder  besiegen  würden,  da  die  Feinde  durch  die 
unerwartete  Niederlage  ganz  muthlos  gew^orden  seien.  Dann  fuhren  sie  hinaus 
zur  Schlacht. 

Als  Nikias  sah,  dass  der  letzte  Kampf  beginnen  sollte,  fürchtete  er,  in 
seiner  Anrede  noch  nicht  alles  Nöthige  gesagt  zu  haben.  Er  ging  noch  einmal 
zu  jedem  einzehien  Trierarchen  und  stellte  ihm  auf  das  eindringlichste  und 
beweglichste  vor,  was  er  von  ihm  erwarte,  nannte  einen  Jeden  in  der  feier- 
lichsten Weise  zugleich  bei  seinem  Vaternamen  und  seiner  Phyie  und  be- 
schwor die,  welche  sich  persönlich  ausgezeichnet  hatten,  ihren  erworbe- 
nen Ruhm  nicht  zu  verdunkeln,  die  aber,  welche  von  berühmten  Vor- 
fahren herstammten,  den  Glanz  und  die  Ehre  ihrer  Familie  aufrecht  zu 
halten,  und  bat  Alle,  an  ihre  Vaterstadt  Athen  zudenken,  mit  ihrer  unbe- 
dingten politischen  und  persönlichen  Freiheit,  und  an  die  Weiber  und  Kinder, 
die  sie  dort  zurückgelassen  hätten.  Dann  übernahm  er  selbst  den  Oberbefehl 
über  die  am  Lande  zurückbleibenden  Truppen ,  die  er  am  Meere,  so  weit  es 
irgend  möglich  war,  aufstellte,  während  Demosthenes,  Menandros  und  Euthy- 
demos  den  Befehl  über  die  Flotte  erhielten  und  sogleich  die  athenischen  Schiffe 
zur  Schlacht  hinausführten.  Sie  wollten  so  schnell  als  möglich  den  Ausgang 
aus  dem  Hafen  erzwingen.    Hiergegen  waren  die  Massregeln  der  Syrakusaner 


60      Viertes  Buch.   VIII.  Ankunft  des  Demo^thenes.   Vollständige  Niederlage  der  Athener. 


getroffen.  Die  Anznhl  ihrer  Schiffe  betrag  wieder  76,  wie  in  der  vorigen 
Schlacht,  und  von  diesen  waren  einige  am  Eingang  aufgestellt,  um  ihn  zu 
bewachen.  Die  übrigen  hatten  ihre  Stellung  ringsum  im  Hafen  in  der  Nähe 
des  Ufers  genommen,  um,  wenn  die  Athener  ihre  geschuttte  Stellung  verlas- 
sen hätten,  von  allen  Seiten  über  sie  herzufallen.  Zugleich  war  rings  um  den 
Hafen  das  syrakusanische  Landheer  aufgestellt  worden.  Die  Flotte  befehligten 
im  Centrum  Pythen  der  Korinther,  der  seine  Landsleute  um  sich  hatte,  auf 
den  beiden  Flügeln  die  Syrakusaner  Sikanos  und  Agatharchos. 

Die  Athener  fuhren  an  den  durch  Ketten  bewerkstelligten  Verschluss  des 
Hafeneingangs,  überwältigten  im  ersten  Anlauf  die  dort  aufgestellten  Schiffe 
und  machten  sich  daran,  die  Ketten  zu  lösen,  um  die  offene  See  zu  gewinnen, 
als  sie  auf  allen  Seiten  von  den  Syrakusanern  angegriffen  wurden.  Natürlich 
konnte  nicht  die  ganze  athenische  Flotte  zu  gleicher  Zeit  an  der  Hafenmündung 
sein ;  während  die  ersten  sich  dort  bemühten ,  die  Sperre  zu  durchbrechen, 
war  die  Mehrzahl  der  athenischen  Schiffe  noch  mitten  im  Hafen ,  und  indem 
jene  sich  nun  genöthigt  sahen,  den  Uebrigen  zu  Hülfe  zu  eilen,  zog  sich  bald 
der  ganze  Kampf  in  das  Innere  des  Hafens ,  wo  die  Athener  auch  selbst  vor- 
ausgesetzt hatten ,  ihn  führen  zu  müssen.  Es  war  eine  der  merkwürdigsten 
und  gewaltigsten  Seeschlachten,  die  im  Alterthum  geliefert  worden  sind. 
Gegen  200  Schiffe,  auf  einen  verhältnissmässig  geringen  Raum  zusammenge- 
drängt, und  nicht  im  Stande,  sich  frei  zu  bewegen,  kämpften  einen  Kampf  von 
äiisserster  Erbitterung.  Regelrechte  Angriffe  kamen  wenige  vor;  die  Schiffe 
stiessen  zusammen,  wie  gerade  der  Zufall  und  das  Gedränge  es  mit  sich 
brachte.  So  waren  denn  auch  nicht  überall ,  "^'ie  sonst  in  Seeschlachten ,  je 
zwei  Schiffe  mit  einander  im  Kampf  begriffen ,  sondern  oftmals  hatte  sich  eins 
gegen  zwei  oder  mehrere  feindliche  zu  vertheidigen,  und  die  Steuerleute  hat- 
ten die  grOsste  Schwierigkeit,  ihre  Pflicht  zu  erfüllen  und  ihre  Schiffe  so  zum 
Angriff  zu  lenken ,  dass  sie  nicht  zugleich  selbst  von  allen  Seiten  angegriffen 
wurden.  Wenn  sich  zwei  Schiffe  einander  näherten ,  wurde  mit  Pfeilen  und 
Wurfspiessen  geschossen  und  mit  Steinen  geworfen ,  und  wenn  sie  dicht  an 
einander  waren,  begannen  die  Schwerbewaffneten  auf  den  Verdecken  den 
Kampf  und  suchten  sich  des  feindlichen  Schiffes  zu  bemächtigen.  Der  Lärm 
war  entsetzlich.  Zu  den  Kommandorufen,  die  bei  der  Verwirrung,  in  der  die 
Schiffe  sich  befanden,  häufiger  erschollen  als  sonst,  traten  noch  die  Zurufe, 
die  der  Wetteifer  und  die  Nothwendigkeit,  die  Mannschaft  zu  ermuntern,  ver- 
anlassten. Den  Athenern  riefen  ihre  Refehlshaber  zu,  sie  sollten  die  Abfahrt 
erzwingen ,  es  gelle  die  Rettung  in  die  Heimath ,  den  Syrakusanern  die  ihri- 
gen, sie  möchten  den  Feinden  die  Flucht  versperren.  Ja  die  Feldherren  selbst 
wandten  sich  mitten  im  Kampfesgetümmel,  wenn  sie  irgendwo  eins  der  Schiffe 
zurückweichen  sahen,  mit  vorwurfsvollem  Ton  an  den  Trierarchen,  den  sie  mit 
Namen  nannten.  Eine  geraume  Zeit  hielt  sich  bei  grosser  Anstrengung  von 
beiden  Seiten  die  Schlacht  in  der  Schwebe.  Während  dessen  bedeckten  die 
Weiber  und  Kinder  der  Syrakusaner  die  Mauern  und  Dächer  der  Stadt,  und 
standen  die  Landheere  am  Ufer  und  schauten  dem  Kampfe  zu  in  einer  ausser- 
ordentlichen Spannung ,  und  einer  besonders  bei  den  Athenern  sehr  natür- 
lichen ,  gewaltigen  Aufregung.     Diese  befanden  sich  aber  nicht  auf  einem 


Die  Athener  werden  völlig  besiegt.  61 

Punkte,  von  wo  die  ganze  Schlacht  hätte  übersehen  werden  können,  und  so 
waren  die  Eindrücke ,  welche  zu  derselben  Zeit  Verschiedene  von  dem  Gange 
derselben  empfingen ,  ebenso  mannigfaltig  wie  die  Wechselfälle  des  Kampfes 
selbst.  Einige  sahen  siegreiche  athenische  Schiffe  vor  sich  und  begannen 
Math  zu  fassen  und  laut  die  Götter  anzurufen ,  dass  sie  sie  doch  nicht  zuletzt 
noch  zu  Grunde  richten  möchten ;  Andere  hatten  Niederlagen  der  Ihrigen  vor 
Augen,  und  diese  jammerten  laut  und  geberdeten  sich  muthloser  als  die  be- 
siegten Kämpfer  selbst;  noch  Andere  endlich  schauten  einem  unentschiede- 
nen Kampfe  zu  und  machten  abwechselnd  die  verschiedensten  GemUthsstim- 
mungen  durch.  So  bot  denn,  so  lange  der  Kampf  unentschieden  war,  das 
athenische  Heer  ein  eigenthUmliches~ Schauspiel.  Triumphgeschrei  und  Weh- 
klagen ,  Schlachtrufe  und  Laute  der  Verzweiflung ,  Alles  erscholl  zu  gleicher 
Zeit.  Endlich  siegten  die  Syrakusaner.  Sie  siegten  zuerst  an  der  Stadtseite 
des  Hafens,  wo  die  am  Ufer  aufgestellten  Btlrger  thätig  in  den  Gang  der 
Schlacht  eingriffen ,  und  als  erst  einmal  hier  die  Niederlage  der  Athener  ent- 
schieden war,  da  ward  der  ungestüme  Andrang  der  Syrakusaner  überall  un- 
widerstehlich für  die  Feinde ,  und  jedes  weichende  Schiff  mehr  vergrösserte 
die  Verwirrung  der  Besiegten.  Mit  Triumphgeschrei  jagten  die  Sieger  die 
Schiffe,  welche  sich  nicht  mehr  zu  vertheidigen  wagten,  an^s  Land.  Viele 
wurden  nun  noch  vernichtet  oder  genommen.  Die  Männer,  welche  sich  an's 
Land  retten  konnten,  eilten  in's  Lager,  und  das  ganze  athenische  Heer  gab  sich 
der  wildesten  Verzweiflung  hin.  Manche  mochten  sich  daran  erinnern,  dass 
sie  sich  jetzt  in  einer  ähnlichen  Lage  befanden ,  wie  vor  einigen  Jahren  die 
Lakedämonier  auf  der  Insel  Sphakteria ;  denn  mit  der  Vernichtung  der  Flotte 
war  alle  Aussicht  auf  Rettung  verschwunden. 

Nach  der  Beendigung  der  Schlacht  sammelten  die  Syrakusaner  die  Schifls- 
trümmer  und  die  Leichen  ^und  fuhren  nach  der  Stadt,  um  dort  ein  Siegeszei- 
chen zu  errichten.  Sie  wagten  nicht,  die  athenische  Verschanzung  anzugreifen. 
Sie  waren  ebenfalls  von  dem  langen  und  hartnäckigen  Kampfe  erschöpft,  wenn 
auch  bei  weitem  nicht  so  sehr  wie  ihre  Feinde,  die  so  niedergeschlagen  waren, 
dass  sie  die  ihnen  obliegende  Pflicht,  die  Auslieferung  der  Todten  von  den 
Siegern  zu  erbitten ,  versäumten.  Die  Athener  dachten  nur  an  schleunigsten 
Abzug.  Demoslhenes  versuchte,  eine  rühmlichere  Art  des  Abzugs,  als  die  von 
dem  Heere  beabsichtigte,  durchzusetzen.  Während  man  allgemein  die  Flotte 
als  durchaus  unbrauchbar  geworden  betrachtete  und  den  Abzug  zu  Lande  ohne 
Zögern  antreten  wollte,  machte  er  geltend,  dass  sie  recht  wohl  mit  allen  ihnen 
gebliebenen  Schiffen  noch  einmal  mit  Tagesanbruch  den  Versuch  wagen  könn- 
ten, die  Ausfahrt  zu  erzwingen;  sie  hätten,  wie  er  mit  Recht  bemerkte,  noch 
mehr  brauchbare  Schiffe  als  die  Syrakusaner,  denen  keine  50  geblieben  waren, 
während  sie  gegen  60  hatten,  und  ein  günstiger  Erfolg  sei  durchaus  nicht  un- 
wahrscheinlich. Nikias  gab  seine  Zustimmung,  aber  die  Ausführung  des  Planes 
scheiterte  an  dem  Widerstand  der  Seeleute ,  die  nicht  noch  eine  Seeschlacht 
bestehen  wollten.  So  blieb  denn  nichts  übrig,  als  die  Schiffe  preiszugeben 
und  zu  Lande  abzuziehen ,  und  zwar  sobald  als  möglich ,  wenn  es  geschehen 
konnte,  noch  in  derselben  Nacht. 


62  Viertes  Buch.   IX.  Rückzug  und  Untergang  der  Atbeoer. 


Neuntes   Kapitel. 
Bfiekzug  and  Untergang  der  Athener. 

Der  Gedanke,  dass  die  Athener  am  beslen  thun  würden ,  wenn  sie'  so- 
gleich das  Lager  verliessen ,  kam  auch  dem  Hennokrales ,  und  er  bescfaloss, 
die  Ausführung  desselben ,  falls  sie  wirklich  versucht  werden  sollle,  zu  ver- 
hindern. Er  forderte  die  Feldherren  auf,  sofort  mit  dem  ganzen  Heere  auszu- 
marschiren.  Diese  sahen  vollkommen  die  Zweckmiissigkeit  einer  solchen  Mass- 
regel ein,'  aber  sie  hielten  es  für  unmöglich,  sie  beim  Volke  durchzusetzen. 
Man  wollte  Ruhe  nach  der  Schlacht;  man  wollte  die  Freuden  des  unmiUelbar 
bevorstehenden  Heraklesfestes  nicht  opfern.  So  versuchte  denn  Hermokrates, 
den  gefUrchteten  Abzug  durch  eine  List  hinauszuschieben.  Er  wusste ,  dass 
Nikias  Ein  verstund  niss  mit  Leuten  in  Syrakus  unterhalten  hatte,  vorzugsweise 
mit  ehemaligen  Leonlinern ;  er  Hess  deshalb  einige  ihm  ergebene  Männer  bei 
einbrechender  Dunkelheit  nach  dem  athenischen  Lager  sprengen  und  den  dort 
aufgestellten  Posten  zurufen ,  sie  seien  Freunde  der  Athener,  man  möge  nicht 
in  der  Nacht  abziehen ,  denn  jetzt  seien  alle  Wege  von  den-Syrakusanern  be- 
setzt. Eine  so  plumpe  List  hi^tte  nicht  gelingen  sollen.  VVUre  es  nicht  wenig- 
stens der  Mühe  werth  gewesen,  sich  durch  Späher  von  d^r  Richtigkeit  der 
Mittheilung  zu  überzeugen?  Aber  die  athenischen  Feldherren  hielten  gerade 
das  Unerwünschteste  eben  deswegen  für  das  Wahrscheinlichste.  Sie  thaten 
noch  mehr,  als  ihnen  gerathen  war;  sie  beschlossen,  noch  einen  ganzen  Tag 
im  Lager  zu  bleiben ,  um  sich  auf  den  Abzug  vorzubereiten.  Natürlich  be- 
nutzten die  Syrakusaner  diese  Frist  besser  als  sie.  Das  Landheer  besetzte  und 
verschanzte  die  Wege ,  auf  denen  dec  Abzug  der  Athener  zu  erwarten  war, 
während  zu  derselben  Zeit  die  syrakusanische  Flotte  sich  der  am  Ufer  zurück- 
gelassenen feindlichen  Schiffe  bemächtigte  und  sie  im  Schlepptau  in  die  Stadt 
führte.     Einige  wenige  nur  hatten  die  Athener  verbrannt. 

Am  zweiten  Tage  nach  der  Seeschlacht  begannen  die  Athener  endlich  den 
Rückzug  landeinwärts,  nicht  nach  Katane,  wohin  man  nicht  direct  gelangen 
konnte,  da  gerade  die  dahin  führenden  Wege  von  den  Syrakusanern  besetzt 
waren,  sondern  ohne  ganz  bestimmtes  Ziel  in  westlicher  oder  südwestlicher 
Richtung,  wo  man  sikelische  Städte  oder  Heere  zu  finden  hofile,  und  beson- 
ders die  Möglichkeit  im  Auge  hatte,  Motyke  oder  H}bla  Heraes^  zu  erreichen. 
Dieser  Rückzug  hat  in  der  Geschichte  wenige  seines  Gleichen.  Es  war  noch 
immer  eine  Masse  von  40000  Menschen,  welche  die  feste  Stellung  verliess,  die 
ihnen  so  lange  sichern  Schutz  gewährt  hatte.  Sie  waren  gekommen ,  um  eine 
fremde  Stadt  zu  unterjochen,  auf  zwei  Flotten,  die  das  Erstaunen  ihrer  Gegner 
erregten,  und  nun  waren  alle  Schiffe  verloren,  und  sie  konnten  nicht  ^^issen, 
ob  sie  auch  nur  das  nackte  Leben  retten  würden.  Sie  Hessen  alles  zurück, 
was  die  Schnelligkeit  der  Bewegung  hemmen  musste,  und  trotzdem  waren  sie 
belastet  genug.  Es  fehlten  nicht  nur  Transportmittel,  wie  Heere  sie  brauchen, 
Wagen,  Maulthiere  —  die  zu  Schiffe  angekommenen  Athei.er  hatten  dergleichen 
nicht  —  es  war  auch  die  Zahl  der  einem  griechischen  Krieger  nothwendigen 


Zog  zum  akräischcn  Felsen.  63 

Gepäckträger  durchaus  ungenügend.  So  mussten  die  Athener  zur  Last  der 
Waffen  auch  noch  die  der  unentbehrlichsten  Vorräthe  auf  sich  nehmen ,  und 
wurden  hierdurch  um  so  weniger  geeignet,  während  des  Marsches  zu  kämpfen. 
Noch  trauriger  wurde  der  Abschied  vom  Lager  dadurch,  dass  sie  hülflose 
Kranke  und  Verwundete  zurückliessen ,  deren  ein  trauriges  Loos  von  den 
Händen  eines  erbitterten  Feindes  harrte.  Diese  klammerten  sich  wehklagend 
an  die  Fortgehenden  und  schleppten  sich  mit,  bis  sie  endlich,  von  ihren 
Klüften  verlassen,  jammernd  zusammenbrachen.  Unter  solchen  Umständi&n 
thaten  ermunternde  Zureden  noth,  und  Nikias,  der  selbst  an  schwerer  Krank- 
heit litt,  raffle  sich  auf,  um  in  dieser  trostlosen  Lage  einige  Hoffnung  bei 
den  Soldaten  wach  zu  halten.  Bei  den  Seinigen  hergehend,  rief  er  ihnen  zu, 
schon  aus  schlimmerer  Lage  seien  Heere  gerettet  worden.  Die  Götter  wtlrden 
sie  jetzt  hinlänglich  gedemUthigt  glauben;  sie  wären  noch  immer  zahlreich 
genug,  sie  möchten  nur  Ordnung  halten  ,  dann  würden  sie  eine  befreundete 
sikelische  Stadt  erreichen.    Eitler  Trost! 

Das  Heer  war  in  zwei,  von  Nikias  und  Demosthenes  geführte  Theile  ge- 
sondert, die  in  Vierecken,  das  Gepäck  in  der  Mitte,  marschiiten.  Uro  das 
von  Nikias  angedeutete  Endziel  zu  erreichen,  gab  es  zwei  Wege,  einen  directen 
kürzeren  und  einen  indirecten  längeren.  Jener  führte  sogleich  nach  Westen, 
dieser  zuerst  nach  Süden  und  dann  erst  nach  Westen.  Die  Feldherren  zogen 
den  ersteren  vor.  Unter  diesen  Umständen  lag  das  nächste  Ziel  des  Marsches 
jenseits  der  Berge,  deren  blaue  Linien  am  Horizonte  schimmerten.  Hatten  die 
Athener  ihren  oberen  Rand  erreicht,  so  waren  sie  auf  dem  Plateau  des  süd- 
östlichen Siciliens,  und  es  mussle  den  Syrakusanern  schwer  werden,  ihren 
weiteren  Zug  zu  verhindern.  Aber  den  ersehnten  Punkt  zu  gewinnen,  war 
nicht  leicht.  Die  Ersteigung  des  Plateaus  konnte  nur  in  einer  der  Schluchten 
geschehen;  welche  zugleich  als  Wege  für  die  Menschen  und  als  Bett  den  Berg- 
wassern dienten ;  und  bis  zu  diesen  Schluchten  und  in  denselben ,  wie  viele 
Gefahren  warteten  ihrer  I  Schon  ehe  man  den  Anapos  erreichte,  musste  Nikias 
seine  Autorität  anwenden,  um  Ordnung  zu  halten.  Am  Anapos  traf  man  zu- 
erst auf  die  Syrakusaner.  Noch  reichte  die  fiische  Kraft  der  Athener  hin,  die 
Gegner  aus  einander  zu  treiben,  sie  erzwangen  den  Uebergang.  Nun  begannen 
aber  die  eigentlichen  Leiden  des  Rückzugs.  Selbst  fast  ohne  Reiterei,  wurden 
sie  von  den  Reitern  und  den  laichten  Truppen  der  Syrakusaner  umschwärmt, 
und  nicht  weniger  als  der  Feind  quälte  sie  die  Hitze.  Am  Abend  lagerten  sie 
auf  einem  Hügel ,  östlich  von  dem  heutigen  Floridia.  Fortwährend  zum  Kampfe 
genöthigt,  hatten  sie  an  diesem  Tage  nicht  mehr  als  40  Stadien  —  4  deutsche 
Meile  —  zurückgelegt.  Am  nächsten  Tage  wurde  es  noch  schlimmer.  Die 
Athener  brachen  früh  auf,  zogen  $0  Stadien  weit,  stets  mit  den  Feinden 
kämpfend,  und  lagerten  dann  in  einer  ebenen  Gegend,  wo  einige  Häuser 
standen,  um  sich  hier  mit  Lebensmitteln  und  besonders  mit  Wasser  zu  ver- 
seifen, das  sie  auf  den  nun  zu  ersteigenden  Höhen  nicht  so  bald  wiederzufin- 
den erwarteten.  Das  nächste  Ziel,  nach  dessen  Erreichung  sie  sich  sehnten, 
war  der  akräische  Fels,  der,  am  Westende  einer  Schlucht  gelegen,  und  selbst 
von  Schluchten  eingefasst,  den  Anfang  des  Plateaus  bezeichnete.  Hatten  sie 
ihn  hinter  sich,  so  war  unendlich  viel  gewonnen.    Er  war  von  den  Syrakusa- 


Q4  Viertes  Buch.    IX.  Rückzug  und  Untergang  der  Athener. 

nern  besetzt.    Als  nun ,  um  ihn  zu  erreichen ,  am  andern  Morgen  —  so  mati 
waren  die  Athener  schon ,  dass  sie  sich  am  zweiten  Tage  mit  einem  Marsche 
von  einer  halben  deutschen  Meile  begnügen  mussten*—  als  am  andern  Morgen, 
also  am  dritten  Marschtage,  die  Athener  weiter  zogen,  da  wurden  sie  auf 
dem  durch  die  Schlucht,   welche  jetzt  Cava  di  Gulatrello  heisst,  nach  dem 
akräischen  Felsen  führenden  Wege  so  heftig  angegriffen ,  dass  sie  nach  einem 
langen  Kampfe  an  der  Möglichkeit,  für  jetzt  hier  vorwärts  zu  kommen,  ver- 
zagten und  nach  dem  Lagerplatze,  den  sie  in  der  vorigen  Nacht  inne  gehabt 
hatten,  zurückkehrten.   Hier  befanden  sie  sich  aber  in  einer  noch  schlimmerei» 
Lage  als  zuvor.    Sie  konnten  nicht  einmal  die  nahen  Wohnungen  erreichei> 
und  begannen  schon  im  Lager  Noth  zu  leiden.    Dennoch  wiederholten  sie  den 
so  unglücklich  abgelaufenen  Versuch,  zum  akräiscben  Felsen  vorzudringen, 
am  vierten  Marschtage  noch  einmal,  und  sie  gelangten  wirklich  durch  die 
Schlucht  bis  an  den  Fuss  des  Berges,  der  den  Anfang  des  rettenden  Plateaus 
bezeichnete.    Aber  auch  nur  bis  an  den  Fuss.    Vor  sich  sahen  sie  eine  Ver— 
schanzung,  die,  von  einer  Schlucht  bis  zur  andern  gebaut ,  den  ganzen  Weg 
abschnitt,  und  hinter  derselben  das  syrakusanische  Heer,  Massen  von  Schwer- 
bewaffneten ,  mehrere  Glieder  tief  aufgestellt.    Sie  konnten  die  Verschanzung 
nicht  erstürmen,  Hessen  ab  vom  Kampfe  und  zogen  sich  langsam  zurück.    Da 
brach  ein  heftiges  Gewitter  aus,  das  den  Athenern  als  ein  Beweis  des  Zornes 
der  Gotter  erschien.  Wie  sie  nun  still  .standen,  ohne  recht  zu  wissen,  was  sie 
thun  'Sollten ,  begann  sich  auch  auf  dem  von  Felswänden  eingefassten  Wege^ 
den  sie  herangezogen  waren,  eine  Verschanzung  zu  erheben  und  es  drohte 
EinSchliessung  von  allen  Seiten.  Doch  gelang  es,  diese  Schanzen  zu  zerstören ; 
sie  erreichten  die  Ebene  und  schlugen  hier  ein  Lager  auf.    Am  nächsten  Tage 
—  es  war  der  fünfte  ihres  Marsches  —  rückten  sie  wieder  vorwärts,  nicht 
auf  demselben  Wege,  den  sie  zwei  Tage  umsonst  eingeschlagen  hatten,  und 
nicht  wieder  auf  den  akräischen  Felsen  zu ,  sondern  in  einer  benachbarten 
Schlucht,  etwas  weiter  südlich.     Aber  die  Syrakusaner  umringten  sie  auch 
hier  und  bedrängten  sie  so,  dass  sie  nur  5  —  6  Stadien  an  dem  ganzen  Tage 
vorwärts  kamen.     Dann  mussten  sie  schon  Halt  machen  und  sich  ausruhen^ 
worauf  auch  die  Syrakusaner  ein  Lager  aufschlugen.    In  der  Nacht  beriethen 
Nikias  und  Demosthenes,  was  zu  thun  sei.     Die  Zahl  der  Verwundelen  war 
gross,  und  der  Mangel  an  Lebensmitteln  wurde  immer  empfindlicher.  Die  Ret- 
tung musßte  bald  kommen,  wenn  sie  überhaupt  kommen  sollte.   Landeinwärt« 
zu  gelangen,  war  hier  offenbar  unmöglich,  indess  konnte  man  vielleicht  auf 
einem  andern  Wege  doch  noch  den  Syrakusanern  entgehen.    Diese  bewachten 
die  auf  das  Bergland  führenden  Wege,   aber  mit  bedeutenden  Streitkräften 
doch  nur  die  nördlichsten.    Wenn  man  aber  jetzt  wieder  zum  Meere  zurück— 
kehrte ,  eine  Strecke  weit  an  demselben  nach  Süden  zog  und  dann  in  einem 
von  den  Thälem  der  hier  nach  Osten  strömenden  Bäche  hinanstieg,  so  konnte 
man  hoffen,  einen  weniger  stark  besetzten  Punkt  zu  treffen  und  glücklich  auf 
das  Plateau  zu  gelangen.     Die  Feldherren  beschlossen,  diesen  Plan  noch  in 
derselben  Nacht  auszuführen ,  und  Hessen  eine  grosse  Menge  von  Wachfeuem 
anzünden,  um  die  Syrakusaner  glauben  zu  machen,  dass  sie  an  Ort  und  Stelle 
geblieben  seien.     Doch  gerieth  bei  diesem  nächtlichen  Abzüge  das  athenische 


(jefangennahme  der  Abtbeitung  des  Demosthene^.  65 

Heer  in  leicht  erklärliche  Verwirrung.  Nikias,  der  voranzog,  hielt  noch  einiger- 
messen  die  Seinigen  zusammen,  aber  die  zweite,  von  Demosthene»  geführte 
Abtheilung  löste  sich  in  dem  peinlichen  Gefühl  ,  dass  sie  die  ersten  seien,  die 
der  Feind  erreichen  würde,  fast  gänzlich  auf.  Dennoch  kam  das  athenische 
Heer  mit  Tagesanbruch  zum  helorinischen  Wege  und  marschirte  hier  nach 
Süden  weiter;  es  war  der  sechste  Tag  des  Rückzugs.  Man  wollte  an  dem 
nächsten  grosseren  Bache,  dem  Kakyparis,  aufwärts  ziehen;  man  dachte  hier 
die  Sikeler,  zu  denen  man  geschickt  hatte,  zu  treffen.  Als  man  aber  den  Ka- 
kyparis erreichte,  fand  man  ihn  von  einer  Abtheilung  Syrakusaner  besetzt  und 
die  Furt  verschanzt.  Nikias  besiegte  sie  und  hätte  nun  im  Thale  emporklim- 
men sollen;  aber'er  that  es  nicht,  wie  Thukydides  sagt,  auf  den  Rath  der 
wegekundigen  Führer,  die  noch  weiter  in. der  Ebene,  nach  dem  nächsten 
Flusse,  dem  Erineos,  zu  ziehen  vorschlugen.  Das  Gefecht  am  Kakyparis  war 
nur  vom  Nikias  geliefert  worden,  der  dem  Demosthenes  und  seiner  Abtheilung 
immer  weiter  vorauskam.  Diese  letztere  hatte  deshalb  auch  ganz  allein  den 
ersten  Angriff  des  syrakusanischen  Hauptheeres  zu  bestehen ,  das  die  Athener 
um  Mittag  einholte.  Demosthenes,  von  Nikias  durch  eine  Strecke  von  mehr  als 
einer  deutschen  Meile  —  50  Stadien  —  getrennt,  wurde  bald  vollständig  von 
Feinden  eingeschlossen ,  und  die  syrakusanische  Reiterei  trieb  Alle  in  einen 
unordentlichen  Haufen  zusammen.  An  Weiterziehen  war  fttr's  erste  nicht  zu 
denken;  man  musste  Stand  halten  und  sich  vertheidigen.  Es  entstand  ein 
verwirrter  Kampf^  und  da  ganz  in  der  Nähe  ein  ummauerter  Baumgarten  war, 
das  polyzelische  Gehöft  genannt,  so  stürzten  die  Truppen  des  Demosthenes, 
ohne  auf  den  Feldherrn  zu  hören,  da  hinein.  Es  war  ihr  Verderben.  Sie 
waren  in  einer  Falle,  aus  der  es  kein  Entrinnen  gab.  Die  Syrakusaner  hüteten 
sich  wohl,  in  den  Garten  einzudringen;  sie  beschränkten  sich  darauf,  die 
Feinde  von  allen  Seiten  mit  Wurfgeschossen  zu  überschütten.  Am  Abend 
riefen  sie  ihnen  zu ,  die  Bundesgenossen  A^on  den  Inseln  dürften  den  Garten 
verlassen;  sie  sollten  frei  sein,  wenn  sie  zu  ihnen  übergehen  wollten.  Nur 
wenige  Contingente  machten  sich  diese  Aufforderung  zu  Nutzen.  Die  meisten 
blieben  zurück,  wahrscheinlich  in  der  Ueberzeugung,  dass  eine  gemeinschaft- 
liche Capitulation  vorzuziehen  sei  und  noch  erreicht  werden  könne.  Bald 
machten  denn  auch  die  Syrakusaner  Vorschläge  an  alle  in  dem  Garten  Einge- 
schlossenen, die  bereitwillig  angenommen  wurden.  Sie  ergaben  sich  unter 
der  Bedingung,  dass  sie  weder  durch  offene  Gewalt,  noch  durch  quälende 
Fesseln,  noch  durch  Entziehung  der  Lebensmittel  getödtet  werden  sollten.  Es 
waren  6000  Mann,  und  das  Geld,  welches  sie  ablieferten,  füllte  vier  Schilde. 
Demosthenes  selbst  wollte  sich  nicht  ergeben;  er  war  im  Begriff,  sich  zu 
tödten ,  als  die  Syrakusaner  sich  seiner  bemächtigten  und  ihn  entwaffneten. 
So  fand  das  Versprechen  der  Schonung  auf  den  Feldherrn  keine  Anwendung. 
Die  Gefangenen  wurden  sogleich  nach  der  Stadt  gebracht. 

Diese  Katastrophe,  die  nördlich  vom  Kakyparis  stattfand,  halte  dem  Nikias 
gestattet,  an  diesem  Tage  weiter  zu  kommen,  als  ihm  sonst  möglich  gewesen 
wäre.  Er  gelangte  bis  über  den  Erineos  und  schlug  jenseits  desselben  ein 
Lager  auf.  Er  hätte  an  ihm  in  die  Höhe  ziehen  sollen.  Er  that  es  nicht. 
Warum  ?  Das  vermögen  wir  nicht  zu  entscheiden.  Sollen  wir  annehmen,  dass 

Holm,   Goech.  Siciliens.    II. 


■••'    1 


^  Viertes  Buch.   IX.  Rückzog  «nd  Untergang  der  Athener. 

es  in  der  erusUich  erwogenen  Absicht  geschah ,  slaU  direoi  auf  das  Hateau  zu 
klimmen,  vielmehr  möglichst  weit  nach  Süden  zuziehen  und  dano  erst  in's 
Innere  abzubiegen?  Diese  Erkllii^ung  ist  möglich,  dennoch  glaube  ich  nicbl  an 
sie.  Ich  glaube,  dass  die  Athener,  und  vor  allen  Nikias  selbst,  durch  die  un- 
säglichen Leiden  des  Marsches  und  des  Kampfes  in  der  liiUie  schon  so  erschöpft 
waren,  dass  sie,  zu  vernünftiger  Ueberlegung  unfähig,  wie  Trunkene  vorwärts 
taumelten,  zufrieden,  wenn  sie  nur  weiter  kamen,  einerlei  wohin.  Wer  ver- 
mochte am  Ende  zu  entscheiden ,  ob  sie  nicht  ebenso  gut  gerettet  wurden, 
wenn  sie  nach  Süden  statt  nach  Westen  weiter  zogen,  denn  wer  kannte  so 
genau  das  fremde  Land?  In  der  That  werden  wir  sogleich  sehen,  dass  auch 
in  dieser  Richtung  es  nicht  unmöglich  war,  sich  zu  retteif.  Auch  an  diesem 
Ta^  war  die  Strecke ,  die  man  zurücklegte ,  eine  höchst  unbedeutende,  vom 
Millas^  an  kaum  eine  halbe  deutsche  Meile.  Alle  waren  aufs  äusserste  er- 
'schöpft.  Am  folgenden  Moi^n,  dem  Morgen  des  siebenten  Tages,  erreich- 
ten auch  diese  Schaar  die  Syrakusaner.  Sie  theilten  dem  Nikias  mit,  dass  das 
Heer  <les  Demosthenes  sich  ergeben  habe ,  und  forderten  ihn  auf,  das  Gleiche 
zu  thun.  Nikias  argwöhnte  zunächst  eine  Täuschung  und  verlangte,  sich  von 
der  Wahrheit  der  Nachricht  zu  überzeugen.  «Man  bewilligte  ihm  einen  Waffen- 
stillstand ,  und  ein  athenischer  Reiter,  den  er  zurücksandte,  brachte  die  Be- 
stätigung der  Unglücksbotschaft.  Nun  machte  er  den  Syrakusanern  den  An- 
ti'ag,  die  noch  übrigen  Athener  nach  Hause  zurückkehren  zu  lassen,  dafür 
sollte  dann  Athen  den  Syrakusanern  die  Kriegskosten  ersetzen,  und-für  jedes 
Talent  sollte,  bis  es  bezahlt  wäre,  ein  Athener  als  Geisel  dienen.  Die  Syraku- 
saner lehnten  den  Vorschlag  ab  und  erneuerten  den  Angriff.  So  wuixle  bis 
zum  Abend  gekämpft.  In  der  Nacht  dachte  Nikias  aubsubreclien,  um  wieder 
einen  kleinen  Vorsprung  zu  gewinnen,  und  die  Athener  hatten  schon  die  Waf- 
fen nufgenommen ,  da  gfierkten  die  unfern  lagetTKlen  Syrakusaner  ihre  Absicht 
und  stimmten  als  Zeichen,  dass  sie  auf  der  Hut  seien,  einen  Kriegsgesang  an. 
Nun  verloren  die  Athener  den  Muth  und  legten  die  Waffen  ab ;  nur  300  von 
ihnen  brachen  sich  Bahn  durch  die  feindlichen  Posten  und  entkamen  in's  Ge- 
birge, wo  sie  aufs  Gerathewohl  umherirrten.  Sobald  es  Tag  wurde  —  der 
achte  des  Marsches  —  zogen  die  Athener  weiter,  wie  zuvor  von  den  Syraku- 
sanern umringt  und  angegriffen.  Ihre  Kräfte  waren  gänzlich  aufgerieben. 
Schon  seit  einigen  Tagen  hatten  sie  ihren  Hunger  nur  unvollkommen  stil- 
len können.  Die  Hitze  erzeugte  den  entsetzlichsten  Durst,  der  nicht  zu 
löschen  war;  in  der  Nacht  war  an  Schlaf  nicht  zu  denken,  und  dabei  waren 
die  meisten  verwundet.  Dennoch  schleppten  sie  sich  kämpfend  vorwärts.  Als 
sie  aber  den  nächsten  Fluss,  den  Assinaros,  vor  sich  sahen,  da  war  ihr  ganzes 
Dichten  und  Trachten  nur  dahin  gerichtet,  ihn  zu  erreichen,  um  den  martern- 
den Durst  zu  stillen.  Sie  redeten  sich  ein,  dass  sie  jenseits  des  Flusses  weniger 
von  den  syrakusanischen  Reitern  zu  leiden  haben  würden.  Sie  stürzten  sich 
in  der  wildesten  Unordnung  in  das  Wasser.  Von  den  Feinden  bedrängt,  ward 
das  Heer  zu  einem  verworrenen  Knäuel  von  Menschen ,  die  sich  satt  trinken 
und  möglichst  schnell  an  das  andere  Ufer  kommen  wollten.  So  wurden  Viele 
von  ihren  eigenen  Gefährten  niedergetreten;  Viele  verwickelten  sich  in  die 
Geräthschaften,  die  sie  trugen  und  wurden  vom  Wasser  hinweggerissen.    Die 


i>}iederlage  des  Nikias  am  AdsLnaros.   Grösse  der  Niederlage  der  Athener.  .^t 

Syrakusaner  waren  vor  ihnen  am  steilen  jeAseiiigen  Ufer  und  schössen  von 
da  «,uf  .die  verwirrte  fiCeuge  ioi  Fluss ,  und  als  sie  gesehen  hatten ,  dass  die 
Athener .niobt  mehr  im  Stande  waren,  den  Aufgang  zu  erzwingen,  da  stiegen 
sie  selbst  in  den  Fluss  hinab  und  mordeten  dort  die  vor  (Erschöpfung  fast 
wehrlosen  Feinde ,  die  vor  ttbergrossem  Durste  sich  an  dem  durch  die  Ken- 
scheiunasse  getrübten  uud  durch  die  Verwundeten  und  GeUklteten  blutig  gc- 
wiopdenen  Wasser  nicht  satt  trinken  konnten.  Wer  aber  an^s  Ufer  gelangte, 
wurde  von  den  Reitern  .niedergemacht.  Da  liess  Nikias,  der  alles  verloren  sah, 
sieh  sum  Gylippos  führen ,  dem  er  als  einem  I^keditmonier  sich  lieber  anver- 
traute als  den  %rakusan6i*n ,  und  ergab  sich  ihm  auf  Gnade  .und  Ungnade 
unter  der  .einzigen  Bedingung,  dass  dem  Morden  Einhalt  gelhan  wjerde.  Gy- 
lippos gab  sogleich  Befehl,  die  noch  Uebrigen  zu  Gefangenen  zu  machen,  aber 
die  Zahl  derer,  die  so  zusammenkamen,  war  nicht  gross,  da  Viele  gefallen 
waren  und  Manche  Zufluchtsörter  gefunden  hatten,  von  wo  aus  sie  später  be- 
freundete Städte  erreichten.  Nach  der,Gapitnlation  des  >iikia$  schickte  Gylip- 
pos eiqe  Abtheilung  der  SeioigQn  .zur  Verfolgung  der  in  der  ^[aebt  entkomme- 
nen 300  Athener  au^;  sie  wurden  bald  als  Gefa^ngene  eingebracht.  Die 
Ges^mmtzahl  der  Gefangenen  betriig,  vyie  sich  später  herausstellte,  ungefähr 
7000 ,  und  da  mit  Demosthenes  sich  6000  Mßnn  ergeben  hatten ,  so  sind  mil 
Nikias  kaum  1000  gelangen  genommen  woj;den.  Soweit  waren  in  8  Tagen 
die  ,40,000  Mann  zusammengeschmolzen,  die  das  Lager  vor  Syrakus  verlassen 
hatten !  Täglich  sind  Taus^nde  gefallen ,  aus  Mattigkeit  liegen  geblieben  oder 
einzeln  entlaufen;  zuletzt  auch  noch  Manche  der  gemeinsamen  Beule  ent- 
zogen worden.  Wer  die  Gegend  kannte,  musste  übrigens  sagen,  dass  das 
Verderben  die  Athener  nicht  gar  weit  von  dem  Punkte  erreichte ,  wo  sie  ge- 
rettet werden. konnten.  .Kamen  sie  ein  paar  Meilen  weiter,  so  überschritten  sie 
den  Heloros,  und  dann  waren  sie  im  Gebiete  der  südlichen  .Sikeler;  es  war 
nicht  unmügUcb,  dass  sie  Motyke  erreichten.  Ja,  hätten  sie  gleich  anfangs 
diesen  Weg. eingeschlagen,  statt  an  den  akräischen  Felsen  Zeit  und  Kraft  zu 
verschwenden,  so  wären  wohl  noch  Tausende  von  ihnen  dem  Verderben  ent- 
ronnen. So  wurden  fast  nur  die  wenigen  Reiter  gerettet,  die  nach'Katane  ent- 
kamen. Aber  ihr  Anführer  Kallistratos  hielt  solche  Rettung  für  eine  Schande; 
er  ki^hrte,  nachdem  er  seine  Schaar  in  Sicherheit  gebracht,  selbst  nach  dem 
athenischen  Lager  bei  Syrakus  zurück  .und  fiel  dort  im  Kampfe.  Das  war  der 
Ausgang  des  ungeheuren  Unternehmens  des  atbeniscben  Volkes.  Es  hat  über 
SOO  Kriegsschiffe  und  m^hr  als  60,000  Mann  in  die  ferne  Insel  geschickt,  und 
kein  Schiff  nnd  wenige  Menschen  kehrten  ip  die  Heimath  zurück. 

Das  Unglück  der  Athener  in  Sicilien  steht  fast  beispiellos  in  der  Geschichte 
da.  in  dem  Feldzuge  der  Franzosen  moh  ;Rus8li(nd  betrug  die  Anzahl  der 
SQldßt^n  d^j^nigen  Corps,  die  die  Hauptarmee  bildeten,  etwa  500,000  Mann; 
von  diesen  fanden  $ich  im  Januar  4843  etwa  20,000  hinter  der  Weichsel  zu- 
sammen. Das  ist  ungefähr  dasselbe  Verhältniss  des  Verlustes  wie  bei  den 
Athenern  in  Sicjlien.  Wenn  wir  jedoch  nur  den  Rückzug  in  fietra^cbt  ziehen, 
der  überdies  in  dem  einen  wichtigen  Punkte  dem  der  Athener  analog  ist,  dass 
bei  beiden  der  ursprüngliche  Plan  geändert  werden  muss  •—  was  für  JNikias 
der  akri^ische  Fels ,  das  ist  für  Napoleon  Malojarosiawetz  — so  gestaltet  sich 

5* 


68  Viertes  Bach.   IX.  Rückzug  und  Gntergang  der  Athener. 

der  Vergleich  viel  ungünstiger  fOr  die  Athener.  Als  die  Franzosen  am 
48.  Oktober  Moskau  verliessen,  waren  sie  kaum  400,000  Mann  stark;  Anfang 
December  waren  die  geringen  Ueberreste  in  Sicherheil.  Der  Rücksug  dauerte 
etwa  6  Wochen  und  kostete  vier  Fünftel  des  Heeres;  in  Sicilien  wurden 
40,000  Mann  in  8  Tagen  vollständig  aufgerieben.  Das  verhältnissmSssig 
grössere  Unglück  in  Sidlten  war  bei  den  ungefähr  gleich  anzuschlagenden 
klimatischen  Einflüssen  eine  Folge  erstens  der  ungleichartigeren  Zusam- 
mensetzung des  athenischen  Heeres,  in  welchem  überdies  die  athenischen 
Bürger ,  wenngleich  tapfer,  dennoch  nicht  dieselbe  Fähigkeit  im  Ertragen  von 
Strapazen  hatten ,  wie  Berufssoldaten ,  sodann  der  Untüchtigkeit  des  obersten 
Feldherm ,  der  bei  dem  Rückzug  zwar  persönlich  seine  Schuldigkeit  that,  wie 
ein  gewöhnlicher  Krieger,  aber  die  Möglichkeiten,  in's  Innere  zu  kommen, 
nicht  gehörig  benutzt  bat,  endlich  aber  auch  der  besseren  Dispositionen  der 
Syrakusaner  im  Vergleich  mit  denen  der  Russen.  Denn  es  hat  doch  nur  an  den 
russischen  Feldherren  gelegen,  dass  die  Beresina  kein  Assinaros  wurde. 

Es  kam  in  Syrakus  zu  stürmischen  Verbandlungen  über  das  Schicksal  der 
beidon  Feldherren,  die  lebend  in  die  Hände  ihrer  Feinde  gefallen  waren,  und 
gegen  die  die  Syrakusaner  keinerlei  Verpflichtungen  hatten.  Wir  folgen  der 
Naohricht' des  Thukydides,  welcher  berichtet,  dass  Gylippos  sie  gerne  ver- 
schont  hatte  ,  um  sie  nach  Sparta  zu  bringen ,  dass  aber  die  Wuth  der  Syra- 
kusaner ihren  Tod  verlangte  und  durchsetzte.  Wohl  wäre  es  für  Spartaks 
Bürger  eine  grosse  Freude  gewesen ,  den  Athener,  der  vor  Allen  ihr  Unglück 
in  Pylps  und  Sphakteria  verursacht  hatte,  als  Gefangenen  in  ihrer  Mitte  zu 
sehen,  wogegen  die  Rettung  des  Nikias  einem  Spartaner  deswegen  am  Herzen 
liegen  konnte ,  weil  dieser  Mann  sich  immer ,  so  weit  es  für  einen  Athener 
möglich  war ,  als  Freund  Sparta's  gezeigt  hatte.  Aber  bei  den  Syrakusanern 
und  ihren  Verbündeten  mussten  ganz  andere  Rücksichten  überwiegen.  Unter 
den  ersteren  betrieben  gerade  die ,  welche  während  des  Krieges  mit  Nikias  in 
Verbindung  gewesen  waren,  mit  besonderem  Eifer  seine  Hinrichtung,  aus 
Furcht,  er  möchte  durch  seine  Angaben  auch  sie  in's  Verderben  reissen, 
während  unter  den  griechischen  Verbündeten,  zumal  den  Korinthem,  die  Be- 
sorgniss  herrschte,  er  könne  durch  seinen  Reichthum  Mittel  und  Wege  finden, 
aus  der  Gefangenschaft  zu  entkommen ,  und  so  drangen  auch  sie  auf  den  Tod 
dei'  beiden  Feldherren.  Hermokrates  dagegen  hat  sich  bemüht,  sie  zu  retten: 
als  er  sah ,  dass  sie  nicht  zu  retten  seien ,  hat  er  ihnen  Nachricht  von  dem 
über  sie  Beschlossenen  gegeben  und  zugleich  die  Mittel,  durch  eigene  Hand 
zu  sterben.  Ihre  Leichname  wurden  vor  den  Thoren  der  Stadt  zur  Schau 
gestellt. 

Der  Masse  des  athenischen  Heeres  harrte  ein  noch  traurigeres  Loos.  Die 
Syrakusaner  durften  sie  weder  durch  ofFene  Gewalt,  noch  durch  qualende 
Fesseln,  noch  durch  Hunger  tödten;  das  hatten  sie  versprochen.  Aber  es 
sollte  ihnen  darum  nicht  besser  gehen.  Sie  brachten  sie  in  die  Latomien,  jene 
Steinbrüche ,  die  jetzt  mit  ihrer  üppigen  Vegetation  dem  Wanderer  wie  eine 
erfrischende  Oase  erscheinen,  damals  aber  als  kahle  Abgründe  für  so  viele 
Tausende  monatelang  ein  schauerlicher  Aufenthalt  waren.  Hier  mussten  die 
Armen  leben,  allen  Unbilden  der  Witterung  ohne  den  geringsten  Schutz  aus- 


Grausame  Behandlung  der  Gefangenen.  69 

gesetzt.  Anfangs  quälte  sie  der  Sonnenbrand  und  die  erstickende  Hitze  des 
Tages,  und  später,  bei  vorgerückterer  Jahreszeit ,  ebenso  sehr  die  Kälte  der 
Nacht.  Das  geringe  Mass  der  Nabrungsuiittel ,  das  ihnen  die  wenig  grossmU- 
thigen  Syrakusaner  bew  illigten  —  täglich  eine  Kotyle  Wasser  und  zwei  Koty- 
len  Weizenbrod,  etwa  der  vierte  Theil  dessen,  was  die  Gefangenen  auf 
Spbakteria  erhalten  hatten  —  uiussle  auch  dazu  beitragen,  ihnen  die  Kräfte 
zu  rauben.  Der  Raum  war  so  eng  für  die  dort  zusammengedrängten  Tau- 
sende, dass  für  die  Verrichtung  der  not h wendigsten  Bedürfnisse  kein  geson- 
derter Platz  sich  finden  liess  und  in  der  Hitze  des  Herbstes  bald  der  uner- 
träglichste Gestank  die  Steinbrüche  erfüllte.  Ja,  die  Syrakusaner  trugen  nicht 
einmal  Sorge,  die  Todten  zu  entfernen,  und  doch  starben  Viele,  theils  an  ihren 
Wunden,  Iheils  an  Seuchen,  die  der  Ort  erzeugte.  Die  Leichen  wurden  über 
einander  gehäuft  und  verpesteten  die  Luft.  Ungefähr  70  Tage  Hessen  die  Sy- 
rakusaner die  ganze  Masse  der  Gefangenen  in  den  Steinbrüchen,  und  das  Volk 
ging  häufig  hin,  um  sich  am  Anblick  der  wie  wilde  Thierc  in  eine  Grube  ge- 
sperrten Feinde  zu  weiden.  Endlich  wurde  das  Elend  selbst  ihnen  unerträg- 
lich; vielleicht  fürchteten  sie  auch,  dass  diese  Todeshöhlen  Pestquellen  für 
ihre  Stadt  werden  möchten.  Sie  entfernten  die,  gegen  welche  sie  am  wenig- 
sten Hass  hegten,  d.  h.  Alle,  ausser  den  Athenern  und  den  wenigen  Italiolen 
und  Sikelioten,  und  verkauften  sie  als  Sklaven  an  Privatleute.  Die  Athener 
aber  und  die  aus  italischen  und  sicilischen  Städten  Gebürtigen  behielten  sie 
noch  fast  sechs  Monate  in  den  Steinbrüchen;  was  dann  aus  ihnen  wurde,  ist 
nicht  berichtet;  natürlich  haben  sie  die  Gefangenschaft  mit  der  Sklaverei  ver- 
tauscht. Die  zu  Sklaven  gewordenen  erhielten  das  Zeichen  eines  Pferdes  auf 
die  Stirn  gebrannt.  Später  aber  hatten  Manche  von  ihnen  ein  besseres 
Schicksal.  Das  Mitleid  mit  ihrem  Unglück  und  die  Achtung  vor  der  den  Athe- 
nern ganz  besonders  eigenen  Bildung  verschaßte  ihnen  eine  bessere  Behand- 
lung und  Einigen  Siogar  die  Freiheit.  Manche,  von  den  Familien ,  in  deren 
Dienst  sie  getreten  waren ,  freundlich  aufgenommen,  entschlossen  sich  dazu, 
für  immer  in  Sicilien  zu  bleiben.  Vor  allem  soll  die  Kenntniss  der  Dichtungen 
des  Euripides  manchem  Athener  Rettung  gebracht  haben.  Er  war  bei  den 
sicilischen  Griechen  ausserordentlich  beliebt,  und  es  heisst,  dass  Athener  die 
Freiheit  erhielten  zum  Dank  dafür,  dass  sie  ihre  Herren  eunpideische  Chor- 
gesänge  lehrten,  und  dass  andere  auf  der  Flucht,  im  Begriff  zu  verschmach- 
ten ,  von  den  Bewohnern  der  Häuser,  in  denen  sie  vorsprachen,  für  den  Vor- 
trag solcher  Gesänge  mit  Speise  und  Trank  erquickt  wurden.  Eutipidcs  selbst 
ward  später  in  Athen  von  den  so  Geretteten  als  Retter  begrüsst.  Man  hat  diese 
Nachricht  angezweifelt;  wir  sehen  nicht  ein,  weshalb.  Uneigennützige  Be- 
geisterung für  Kunst  und  Poesie  ist  im  Alterthum  nicht  selten  gewesen,  und 
wenn  der  Geschichtschreiber  Siciliens  so  viele  Härte,  so  viele  von  Griechen 
gegen  Griechen  verübte  Grausamkeiten  erzählen  muss,  warum  soll  er  den 
kleinen  Beweis  von  Humanität,  der  keineswegs  unglaublich  ist,  als  unwahr- 
scheinlich verwerfen?  Wenn  wir  noch  hinzufügen,  dass  nach  der  bald  in 
Athen  von  denen ,  welche  an  der  sicilischen  Expedition  Theil  genommen  hat- 
ten, und  über  deren  Schicksal  keine  bestimmten  Nachrichten  nach  Hause  ge- 
langt waren,  gebräuchlich  gewordenen  Redensart:    Er  ist  todt  oder  Lehrer  in 


70  Viertes  Buch.   IX.  RUckzbg  und  Untergang  der  Athener. 

SiciJicn,  die  athenische  Bildung  in  ausgedehhler  Weise  den  unglttcklicbeh 
Opfern  des  Krieges ,  die  mit  dem  Leben  davongekommen  waren ,  iht  hartes 
Loos  erleichterte,  so  haben  wir  alles  milgethöilt,  was  von  den  Schicksalen  der 
Ueberbleibsel  dieses  Zuges  bekannt  ist. 

Der  Jubel  der  Syrakusaner  war  gross  und  durfte  es  sein.  Was  sie  gethaii 
hatten ,  war  nicht  gering  anzuschlagen.  Die  erste  Seemacht  der  bekaünton 
Welt  hatten  sie  auf  ihrem  Elemente  besiegt;  sie  hatten  die  Unabhängigkeit 
ihrer  Stadt  und  damit  der  ganzen  Insel  gerettet.  Allerdings  w^ai^  es  nicht  ohne 
Gylippos  Erreicht ,  aber  mit  einem  feigen  und  kraftlosen  Volke  hätte  auch  ein 
Gylippos  nicht  die  Athener  überwunden.  Gleich  bei  der  Niederlage  des  Nikias 
hatten  die  Syrakusaner  die  Bäume  am  Flusse  Assinaros  mit  Rustungeh  der 
gefangenen  Athener  behängt,  nun  wurde  beschlossen  ,  dass  der  tag,  an  wel- 
chem dieser  Sieg  erfochten  war,  der  zwanzigste  des  Monats  Kameios,  nach 
gewöhnlicher  Annahme  der  fC,  richtiger:  ein  Tag  zwischen  dem  4S.  und 
it.  September  413  v.  Chr.,  als  Siegesfest  unter  dem  Naiven  Assinaria  jähr- 
lich gefeiert  werden  sollte. 

Es  ist  ein  nutzloses  und  verfehltes  Bemühen,  beim  Misslingen  einer 
grossen  geschichtlichen  Unternehmung  sich  in  Betrachtungen  darüber  zu  er- 
gehen, was  geschehen  wäre,  wenn  sie  Erfolg  gehabt  hätte.  So  wollen  Wir  es 
denn  unbesprochen  lassen,  wie  viel  von  ihren  phantastischen  PHtn^n  die 
Athener  nach  der  Eroberung  von  Syrakus  hätten  verwirklichen  köhn^M ,  i!ind 
nur  drei  Punkte  hervorheben ,  die  sich  auf  Syrakus ,  auf  deh  Westen  und  auf 
die  Griechenwclt  Überhaupt  böziehen.  Zunächst  dürfen  Wir  mit  ßestimmiheit 
aussprechen,  dass  der  Sieg  der  Athener  Niemandehi,  v^^dfer  Siege^h  noch  Be- 
siegten ,  Segen  gebracht  haben  wür^ä ,  und  dass  ihre  Niederlagö  e'ink  wohl- 
verdiente war.  Wer  konnte  Sympathien  für  den  Versuch  einer  Demok^ati6 
hegen,  die  hicht  etwa  eine  Aristokratie  oder  Despotie,  sondern  eine  andere 
Demokratie  in  stürzcti  und  zu  unterwerfen  bemüht  ist,  blossi  um  einer  tinter- 
thänigeh  Stadt  tnehr  zu  gebieten.  Später  hat  Bom  überall  das  durchgeführt, 
was  Athen  nicht  gelang,  aber  wir  brauchen  hiei*  nicht  auselnanderzusötien, 
wie  viel  geeigneter  der  conservative  Charakter  der  römischen  Politik  ^ar,  eine 
Weltherrschaft  vorzubereiten,  als  der  ewig  unruhige  der  athenischen.  Freilich 
hatte  die  syrakusanische  Freiheit  trotzdem  keine  lange  Dauer,  &s  ist  aber  nicht 
zu  bezweifeln ,  dass  selbst  die  Tyrannei  der  Dionyse  den  Bewohnfem  von  Sy- 
rakus als  eine  einheimische  Herrschaft  lieber  war,  als  die  Zwingherrschdfl 
Athien's.  Zweitens  ist  klar,  dasiä  die  Eroberung  von  Syrakus  durch  die  Athener 
in  alleti  interhationalen  Beziehungen  des  Westens  eine  ungeheure  Veränderung 
hervorgebracht  haben  würde.  Etrusker  und  Karlhager  auf  der  einten  Seile-, 
Syrakusaner  auf  der  andern,  das  war,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Grüppi- 
rung  der  Seemächte.  Der  Kampf  Athen's  gegen  Syrakus  fand  nicht  ohtae  eine, 
wenngleich  schwache  Theilnabme  Etrurichs  und  mit  halber  Billigung  Kartha- 
gers statt.  Das  siegreiche  At&en  hätte  anfangs  Etrurien  und  Karthago  Mi 
Freunden  gehabt,  aber  wie  lange?  Bald  hätte  die  Mächt  dei'  Verhälthiäse  den 
Wettstreit  dieser  Mächte  mit  Svrakus  auf  die  neue  Besitzerin  der  Stadt  über- 
tragen.  Und  wer  wird  glauben,  dnss  Syrakus  und  Sicllien  als  athetii&ches  üb- 
tehhanenland  besser  den  Karthagern  widerstanden  habeü  wtirden  ^Is  Diohyi? 


Bedeutung  der  Niederlage.   Fassung  der  Athener.  71 

Aber  noch  zu  einer  anderen  Betrachtung  giebt  die  sicilische  Expedition 
und  ihr  Ausgang  Veranlassung,  einer  Beiraohtung,  die  wenigstens  kurz  ange- 
deutet werden  soll.  Es  sind  zwei  grosse  Kreise,  in  welche  die  gesammte 
Griechenwelt  zerfällt:  Ostgriech^nland  und  Westgriechenland.  Jenes  ist  das 
eigentliche  Griechenland,  das,  um  das  agäische  Meer  gelagert,  der  Geschichte 
die  erhabenen  Gestalien  eines  Homer  und  Sophokles ,  eines  Phidias  und  Ue- 
rodol ,  das  politische  Kunstwerk  der  spartanischen  Verfassung  und  das  lehr- 
reiche Getreibe  des  athenischen  Demos  geliefert  hat.  Hinter  ihm  sieht  West- 
griechenland  mit  seinen  herrlichen  Handelsstädten,  mit  seinen  Philosophen  und 
Gesetzgebern  und  seinen  Tyrannen,  mit  den  ehrwürdigen  Denkmälern  einer 
grossariigen  Architeciur  und  den  Meisterwerken  in  manch  anderer  Kunst- 
Ubung.  In  jedem  der  beiden  Kreise  herrschen  enge  Beziehungen  bald  freund- 
lieber,  bald  feindlicher  Art.  Jedes  bildet  ein  Ganzes  für  sich.  Aber  zu  einem 
einzigen  Ganzen  haben  sich  die  beiden  nie  verschmolzen,  auch  nicht  fUr  einen 
Augenblick.  Der  athenische  Feldzug  ist  der  einzige  Versuch  dazu,  und  sein 
Misslingen  entscheidet  die  Sonderung  der  beiden  Kreise.  Nur  damals,  wenn 
überhaupt,  konnte  diese  Vereinigung  gelingen.  Athen  allein  war  durch  seine 
Anlage  fähig,  sie  zu  vollziehen ,  und  Athen  war  damals  auf  der  Höhe  seiner 
Macht.  So  ist  das  Scheitern  der  athenischen  Expedition  nach  Sicilieu  ein 
weltgeschichtliches  Factum  von  der  allergrössten  Bedeutung. 

Dass  in  der  besiegten  Stadt  die  ungeheuerste  Bestürzung  über  das 
schreckliche  Unglück  ausbrach,  versteht  sich  von  selbst.  Wie  hatten  die 
Athener  auch  ahnen  können,  dass  von  einer  Flotte  von  mehr  als  100  Schiffen 
und  einem  Heere  von  40,000  Mann  in  einer  einzigen  Woche  nichts  mehr  übrig 
sein  ^"ürde?  Den  ersten,  die  die  Niederlage  meldeten,  glaubte  man  nicht;  als 
an  der  Wahrheit  der  Berichte  nicht  mehr  zu  zweifeln  war,  zeigte  das  Volk 
Fassung  und  ehrte  die  in  Sicilien  gefallenen  Bürger ,  neben  denen  auch  die 
mit  Athen  stets  eng  verbundenen  Platäer  nicht  vergessen  wurden,  durch  eine 
Denksäule,  auf  der  jedoch  der  Name  des  Nikias  fehlte,  wie  es  heisst,  weil  er 
durch  seine  freivvillige  Ergebung  eine  eines  Soldaten  unwürdige  Handlung  be- 
gangen habe.  Aber  er  hatte  ja  dadurch  einer  grossen  Anzahl  von  Athenern 
das  Leben  gerettet,  und  so  müssen  wir  sagen,  dass  er  vielmehr  wegen  seiner 
gesammten  Leitung  des  Unternehmens,  besonders  seit  der  Rückzug  nothwen- 
dig  geworden  war,  diese  Schande  erlitten  hat,  als  wegen  seiner  Capitulation. 
Wenn  die  Athener  nach  dem  verfehlten  Angriff  des  Demosthenes  auf  Epipolae, 
wie  dieser  Feldherr  wollte,  den  Rückzug  angetreten  hätten,  so  wäre  der  Stadt 
Athen  ein  Heer  und  eine  Flotte  erhalten  worden,  die  sie  nun  schmerzlich 
vermisste. 


.^^jr^T 


72  Viertes  Buch.   X.  Die  Sikelioten  in  Asien. 

Zehntes  Kapitel. 
Die  Sikelioten  in  Asien. 

Mit  der  voUsiändigen  Niederlage  des  athenischen  Heeres  auf  Sicilien  war 
der  Krieg  zwischen  den  beiden  Städten  nicht  beendigt.  In  ganz  Griechenland 
herrschte  die  Ansicht,  dass  dieser  Schlag  Athen  vernichten  müsse,  und  als 
nun  alle  Feinde  der  bis  dahin  so  mächtigen  Stadt  die  Gelegenheit  benutzten, 
ihr  mit  vereinten  Kräften  den  Todesstoss  zu  versetzen ,  da  durfte  Syrakus  am 
wenigsten  zurückbleiben.  Es  musste  zeigen,  dass,  wenn  Athen  umsonst  ver- 
sucht hatte,  auf  Sicilien  Einfluss  zu  gewinnen,  die  Sicilier  ihrerseits  Griedien- 
lands  Geschicke  bestimmen  konnten.  Der  Schauplatz  des  erneuerten  Kampfes 
war  hauptsächlich  die  kleinasiatische  Küste  und  die  dieser  Küste  zunächst 
liegenden  Inseln.  Hier  waren  reiche  und  mächtige  Städte,  die  der  athenischen 
Bundesgenossenschaft  angehörten ,  und  die  zum  Abfall  zu  bringen  von  höch- 
ster Wichtigkeit  war.  Alkibiades  war  es,  der  den  Lakedämoniem  diesen  Weg 
wies.  Nun  fiel  das  Interesse  der  Lakedämonier  hier  mit  dem  der  Perser  zu- 
sammen,  die  nach  dem  Besitz  der  ionischen  Städte  tracliteten.  Deshalb  war 
schnell  ein  Einverständniss  zwischen  Sparta  und  den  persischen  Satrapen  des 
nordwestlichen  Kleinasiens,  Tissaphernes  und  Pharnabazos,  angeknüpft,  wobei 
Alkibiades  eine  wichtige  Rolle  spielte.  Es  folgten  Schlag  auf  Schlag  Ereignisse, 
welche  die  Hoffnungen  der  Spartaner  vollständig  zu  erfüllen  schienen.  Ghios, 
die  wichtigste  Verbündete  Athen's  im  Osten,  fiel  ab,  und  schnell  folgten  Ery- 
thrae,  Klazomenae,  Milet,  Lesbos.  Athen  aber  war  nicht  unthätig.  Lesbosward 
wieder  genommen  (412  v.  Chr.),  Samos  blieb  der  Mittelpunkt  der  athenischen 
Macht,  und  als  eine  neue  Flotte  von  48  Schiffen  unter  Phrynichos,  Onomakles 
und  Skironides  an  der  asiatischen  Küste  erschien,  wurde  von  der  Besatzung  der- 
selben sogar  ein  Versuch  auf  Milet  gemacht,  und  die  Athener  drangen  siegreich 
bis  zu  den  Mauern  dieser  Stadt  vor.  Da  traf  am  Abend  des  Tages,  an  wel- 
ehern  die  Schlacht  vor  Milet  stattgefunden  hatte ,  die  Nachricht  ein  ,  dass  eine 
neue  dorische  Flotte,  55  Segel  stark,  nahe  sei,  und  die  Athener  verliessen 
noch  in  derselben  Nacht  ihre  Stellungen.  In  dieser  dorischen  Flotte  befanden 
sich  ausser  33  peloponnesischen  Schiffen  auch  22  sicilische,  von  denen  Syra- 
kus 20,  Selinus  2  gestellt  hatte  und  deren  Anführer  Hermokrates  war,  auf 
dessen  dringendes  Betreiben  sich  die  Syrak  usaner  zu  dieser  fernen  Expedition 
entschlossen  halten.  Wenn  die  Verbündelen  nicht  so  viel  ausrichteten,  als  sie 
erwartet  haben  mochten,  so  lag  die  Schuld  theil weise  an  der  lakedämonischen 
i'ührung,  die  durch  eigene  Unfähigkeil  und  durch  die  Intriguen  des  Alkibiades 
und  Tissaphernes  nicht  im  Stande  war,  etwas  Gedeihliches  für  die  dorischen 
Interessen  zu  ieislen.  Uebrigens  that  das  sicilische  Conlingent  seine  Schuldig- 
keit und  seine  Anführer  mehr  als  das.  Darin  liegt  für  uns  das  Hauptinteresse 
dieses  Krieges,  den  wir  nur  ganz  kurz  besprechen  können,  da  er  Sicilien  selbst 
wenig  angeht. 

Zunächst  wurde  lasos  erobert,   wobei  sich  die  Syrakusaner  besonders 
auszeichneten;  dann  trat  schon  ein  Stillstand  ein.    Tissaphernes,   der  ver> 


1 


Hermokrates  und  Tissapharnes.  73 

heissen  hatte,  j^dem  von  dem  Schiffsvolk  taglich  eine  attische  Drachme 
auszahlen  zu  lassen ,  that  dies  nur  einen  Monat  lang  und  erklärte  dann, 
von  nun  an  nur  die  Hälfte ,  3  Obole ,  geben«  zu  können ,  bis  nicht  der  per- 
sische König  selbst  in  die  Auszahlung  einer  Drachme  gewilligt  habe.  Dies 
war  ein  Vertragsbruch,  zu  welchem  Alkibiades  die  Veranlassung  gegeben 
hatte,  der  den  Spartanern  verdächtig  geworden ,  sich  nun  desto  enger  an  den  • 
persischen  Satrapen  anschloss.  Er  gab  ihm  den  Rath,  sich  durch  Bestechung  des 
Einverständnisses  der  verschiedenen  Befehlshaber  der  dorischen  Contingenle 
zu  versichern,  und  es  heisst,  dass  es  ihm  bei  allen  gelang ,  mit  einziger  Aus- 
nahme des  Hermokrates,  der  die  Sache  sämmtlicher  Bundesgenossen  oSen  zur 
seinigen  machte.  Er  sprach,  wie  der  Lakedämonier  hätte  sprechen  sollen, 
und  setzte  wenigstens  soviel  durch ,  dass  Tissaphernes  sich  zur  Zahlung  von 
3  Talenten  monatlichen  Soldes  an  je  5  Schiffe  verstand,  was  immer  noch 
nicht  i  Obole  für  den  Mann  ausmachte.  Astyochos,  der  bald  als  Oberbe- 
fehlshaber eintraf,  trat  ebenso  wenig  kräftig  gegen  Tissaphernes  auf;  es 
hiess,  dass  auch  er  bestochen  sei.  So  geschah  denn  auch  nichts  bedeutendes, 
obgleich  den  Peloponnesiern  nach  einiger  Zeit  noch  eine  Hülfsflotte  aus  Westen 
zukam,  10  Kriegsschiffe  aus  Thurii  unter  der  Anführung  des  Rhodiers  Dorieus^ 
ein  lakonisches  Schiff  und  ein  syrakusanisches,  im  Ganzen  \2  Schiffe,  von  de-.  , 
nen  aber  bald  die  Athener  die  Hälfte  genommen  hatten.  Offenbar  war  wirklich 
die  nach  einigen  glänzenden  Erfolgen  —  auch  Rhodos  wurde  genommen  — 
bei  der  peloponnesischen  Flotte  eintretende  Thatlosigkeit  der  Verrätherei  der 
obersten  Feldherren  zuzuschreiben.  Auch  im  Jahre  414  geschah  zuerst  wenig. 
Während  in  Athen  die  oligarchische  Faction  der  Vierhundert  sich  der  Herr- 
schaft bemächtigte  und  in  Samos  eine  demokratische  Gegenrevolution  zum 
Ausbruch  kam,  an  welche  sich  auch  Alkibiades  anschloss,  war  die  peloponne- 
sische  Flotte  unthätig.  Tissaphernes  verzögerte  fortwährend  die  Ausführung 
seines  Versprechens,  eine  phönicische  Hülfsflotte  berbeizuziehen,  und  Astyo- 
chos wurde  von  seinem  eigenen  Heere  beschuldigt,  stets  den  rechten  Augen- 
blick zur  Seeschlacht  zu  versäumen.  Am  unwilligsten  über  die  UnU)ätigkeit 
waren  die  Syrakusaner,  die  freilich  auch  aus  der  grössten  Entfernung  herbei- 
gekommen waren.  Endlich  ging  Astyochos  nach  Samos,  kehrte  aber,  als  er 
hörte ,  dass  eine  athenische  Flotte  vom  Hellespont  angelangt  sei ,  mit  seinen 
112  Schiffen  wieder  nach  Milet  zurück.  Nun  fuhren  die  Athener  mit  108 
Schiffen  nach  Milet,  und  der  Spartaner  wagte  auch  hier  nicht,  den  Kampf  an- 
zunehmen. In  Folge  davon  kam  es  auf  der  lakedämonischen  Flotte  zu  einem 
Aufruhr.  Am  unruhigsten  waren  die  Thurier  und  Syrakusaner,  grösstentheils 
freie  Männer ,  während  sich  auf  den  peloponnesischen  Schiffen  viele  Sklaven 
iKifanden.  Sie  forderten  den  rückständigen  Lohn.  Astyochos  antwortete  hoch- 
fahrend, und  als  Dorieus  sich  der  Sache  seiner  Leute  annahm,  erhob  er  gegen 
ihn  den  Stock.  Das  war  mehr,  als  die  Seeleute  ertragen  konnten,  sie  fielen 
über  den  Oberbefehlshaber  her  und  hätten  ihn  erschlagen,  wenn  er  sich  nicht 
an  einen  Altar  gerettet  hätte.  Ebenso  waren  die  Syrakusaner  unter  der  Op- 
position gegen  die  spartanische  Führung,  als  die  Milesier  ein  Kastell  des  Tis- 
saphernes in  ihrer  Stadt  erobert  hatten  und  deswegen  von  den  Spartanern 
getadelt  wurden. 


*    74  Viertes  Buch.   X.  Die  Sikelioten  in  Asien. 

Bei  diesem  für  die  Peioponnesier  wenig  erfreulichen  Stand  der  Dinge  kam 
von  Sparta  Mmdaros  an  Stelle  des  Astyochos.  Nun  gingen  milesische  Gesandte 
nach  Sparta,  um  sich  über  Tissaphernes  zw  beklagen,  und  Hermokrates  schloss 
sich  ihnen  an.  Er  wollte  den  Spartanern  vorstellen,  dass  Tissaphernes  es  sei, 
der  durch  sein  verrUtherisches ,  von  Alkibtades  eingegebenes  Schwanken  zwi- 
« schon  Sparta  und  Athen  alte  Schuld  des  bisherigen  geringen  Erfolges  in  Klein- 
asien trage.  Dem  entgegen  schickte  auch  Tissaphernes  einen  besonderen 
Gesandten  nach  Sparta ,  den  Karier  Gauiites.  Wie  viel  Hermokrates  ausrich- 
tete, wissen  wir  nicht;  Thatsache  ist,  dass  die  peloponnesische  Flotte  sich 
bald  darauf  aus  dem  Gebiete  des  Tissaphernes  nach  dem  des  Phamabazos 
begab,  um  dort  den  Krieg  kräftiger  zu  führen.  Es  ist  möglich,  dass  die  Vor- 
stellungen des  Hermokrates  nicht  ganz  ohne  Einfluss  bJerauC  geblieben  sind; 
wenigstens  fasste  Tissaphernes  einen  dauernden  Hass  gegen  den  Syrakusaner 
tind  verfolgte  ihn  auch  später,  als  Hermokrates  aus  seiner  Vaterstadt  verbannt 
war,  mit  der  offenbar  lügnerischen  Beschuldigung,  seine  Feindschaft  gegen 
ihn  rühre  daher,  dass  er  Geld  von  ihm  verlangt,  aber  nicht  erhalten  habe. 

Im  Juli  des  Jahres  41  i  vor  Chr.  ging  Mindaros  nach  dem  Hellespont,  ver- 
einigte seine  Flotte  mit  dem  kleinen  dort  befindlichen  peloponnesischen  Ge- 
schwader und  entschtoss  sich,  mit  seinen  88  Schiffen  eine  Seeschlacht  gegen 
die  76  Segel  starke  athenische  Flotte  des  Thrasylos  und  Thrasybulos  zu  lie- 
fern.   Bei  Kynossema,  an  der  europäischen  Küste,  siegten  die  Athener.     Der 

.  Sieg  war  von  Bedeutung  für  sie  als  der  erste  Erfolg  nach  der  grossen  sicili- 
liscben  Niederlage,  ihr  materieller  Gewinn  aber  war  sehr  gering.  Sie  verloren 
selbst  1 5  Schiffe  und  nahmen  nur  24  feindliche ,  unter  ihnen  auch  eins  der 
Syrakusaner,  die  sich  tapfer  geschlagen  hatten.  Sie  brachten  sie  nach  dem 
Orte  Elaeus,  wo  die  unbrauchbar  gewordenen  von  den  Einwohnern  verbrannt 
wurden ;  die  übrigen  erbeuteten  die  Peloponnesier  nach  kurzer  Zeit  wieder. 
Gegen  Ende  des  Jahres  411  ward  in  derselben  Gegend,  bei  Dardanos,  noch 
eine  Schlacht  geliefert,  in  welcher  die  Peloponnesier  ebenfalls  besiegt  wur- 
den; die  Hauptentscheidung  für  die  nächste  Zeit  gab  aber  erst  im  Jahr  440 
die  Seeschlacht  von  Kyzikos,  Jn  der  Mindaros  ßel  und  die  ganze  peloponne- 
sische Flotte  genommen  ward ,  mit  einziger  Ausnahme  der  syrakusanlschen 
Schiffe,  die  von  ihren  Befehlshabern  verbrannt  wurden.  Nun  geriethen  zwar  Ky- 
zikos und  einige  andere  Orte  in  die  Gewalt  der  Athener,  denen  der  glänzende 

'  Sieg  grosse  Zuversicht  verlieh,  da  aber  die  Mannschaft  der  Schiffe  und  das  Heer 
gerettet  waren,  so  war  der  Nutzen,  den  der  Sieg  brachte,  nicht  so  bedeutend, 
zumal  da  Phamabazos  sein  Möglichstes  that,  um  den  Peloponnesiem  zu  helfm. 
Er  unterstützte  sie  mit  Geld  und  Kleidern,  forderte  die  Befehlshaber  der  Gon- 
tir^gente  auf,  sich  neue  Kriegsschiffe  durch  die  Mannschaft  in  Antandros  bauen 
zu  lassen  und  gab  ihnen  Geld  dazu  und  Holz  vom  Ida.  Auch  bei  dieser  Gele- 
genheit zeichneten  sich  die  Syrakusaner  aus;  sie  wussten  sich  mit  den  Bür- 
gern von  Antandros  in  das  beste  Einvernehmen  zu  setzen  und  halfen  ihnen 
bei  dem  Bau  ihrer  Stadtmauern,  und  da  Phamabazos  alle  Contingente  nun  als 
Besatzung  der  Küste  und  der  Küstenstädte  gebrauchte ,  erwarben  sieb  auch 
hierbei  die  Syrakusaner  die  meiste  Anerkennung,  so  dass  die  Antandrier 
ihnen  das  Bürgerrecht  verliehen.  So  hatten  die  Syrakusaner  überall  Ehre  ein- 


Absetzung  und  Verbannung  des  Hernookrates.  75 

{gelegt  und  tfermokrales  selbst  sich  als  einen  Mann  von  grosser  Rechtlichkeit 
bewiesen.  Dennoch  fandet)  er  und  seine  Milfeldberren  keine  Anerkennung  in 
Syrakus.  Seine  Partei  wurde  in  seiner  Abwesenheit  gestürzt  und  er  und  seine 
Collegen  verbanfti.  Beim  Empfange  dieser  Nachricht  riefen  die  Feldherren  ihre 
Mannschaft  zusammen,  theilten  ihnen  den  Beschluss  mit  und  forderten  sie  auf, 
sich  andere  Anführer  für  die  2{eit  bis  zur  Ankunft  der  aus  Syrakus  eintreffen- 
den zu  erwählen.  Die  ^Versammlung  rief  einstimmig,  sie  selbst  sollteh  den 
Oberbefehl  fortführen.  Hermokrates  erwiderte,  man  solle  sich  ja  vor  Unge- 
horsam gegen  die  Befehle  der  Stadt  hüten ,  und  bat  Alle,  welche  eine  Anklage 
gegen  sie  vorzubringen  wüsstefi ,  hervorzutreten ;  sie  wollten  sich  rechtferti- 
gen. Niemand  erhob  sich;  Alle  wiederholten  ihre  Bitte;  Hermokrates  und 
seine  Collegen  behielten  deshalb  den  Befehl,  bis  die  neuernannten  Feldherren, 
Dcmarchos,  Myskon  und  Potamis,  angelangt  waren.  Sie  benutzten  die  kura^e 
Frist,  um  sich  besonders  mit  den  Trierarchen  im  besten  Einvernehmen  zu 
erhalten ,  von  denen  die  meisten  ihnen  versprachen,  in  Syrakus  nach  Kräften 
für  ihre  Zurückberufung  zu  wirken.  Hermokrates  war  schon  bisher  im  Lager 
wegen  seiner  Leutseligkeit  beliebt  ge weisen.  Er  pflegte  die  angesehensten 
unter  den  Trierarchen ,  Steuerleuten  und  Soldaten  jeden  Morgen  und  joden 
Abend  um  sich  zu  versammeln  und  ihnen  im  Voraus  mitzutheilen,  was  er  zu 
t^un  und  zu  sagen  gedachte,  wobei  er  ihnen  anzugeben  pflegte,  was  er  von 
ihnen  erwarte,  und  es  ist  natürlich,  dass  er  auf  diese  Weise  stets  die  Mehr- 
zahl für  sich  hatte.  In  Milet  fand  die  Uebergabe  des  Oberbefehls  an  die  drei 
neuen  Feldherren  statt.  Hermokrates  selbst  traf  nicht  mehr  mit  ihnen  zusam- 
men; er  begab  sich  kurz  vor  ihrer  Ankunft  zum  Pharnabazos,  der  ihn  freund- 
lich aufnahm  und  mit  Geld  unterstützte ,  wofür  er  Schiffe  kaufte  und  Söldner 
miethete,  um  mit  ihnen,  wenn  andere  Miltel  nicht  ausreichten ^  seine  Rück- 
kehr nach  Syrakus  zu  erzwingen. 

Der  Krieg  wurde  indessen  von  den  Athenern  und  Peloponnesiern  eifrig 
fortgesetzt.  An  der  Spitze  einer  bedeutenden  Flotte  ging  Thrasylos  nach 
Asien  ab.  Nach  einem  kurzen  Aufenthalte  in  Samos  bemächtigte  er  sich 
Kolophon's  und  wandte  sich  von  da  gegen  Ephesos,  zu  dessen  Schutz  das 
sicilische  Gontingent  kräftig  mitwirkte,  welches  aus  den  neugebauten  22  Schiflen 
und  5  neu  hinzugekommenen  syrakusanischen,  unter  Eukles  und  Herakleides, 
bestand.  Thrasylos  wurde  geschlagen  und  musste  sich  mit  Verlust  einschiffen. 
Ganz  besonders  hatten  sich  auch  diesmal  wieder  die  Syrakusaner  und  Seli- 
nuntier  ausgezeichnet,  die  deshalb  von  den  Ephesern  vorzugsweise  geehrt 
wurden.  Sie  begnügten  sich  nicht  damit,  ihnen  Geschenke  zu  machen,  sie 
bewilligten  denen  unter  ihnen,  die  sich  in  Ephesos  niederlassen  wollten, 
Steuerfreiheit,  und  als  sie  später  hörten,  dass  die  Selinuntier  durch  die  Kar- 
thager hei  mathlos  geworden  waren,  beschenkten  sie  sie  mit  dem  ephesischen 
Bürgerrechte.  Auf  ihrer  Fahrt  nach  dem  Hellespont  gelang  den  Athenern  in- 
dess  ein  nicht  unbedeutender  Fang.  Als  sie  in  Methymna  vor  Anker  lagen, 
sahen  sie  die  25  syrakusanischen  Schiffe  in  nördlicher  Richtung  vorbeifahren. 
Schnell  verfolgten  sie  sie  und  nahmen  vier  mit  der  darauf  befindlichen  Mann- 
schaft; die  übrigen  kehrten  noch  zeitig  genug  um,  um  Ephesos  zu  erreichen. 
Auf  einem  dieser  Schiffe  befand  sich  der  gleichnamige  Vetler  des  beiilhmten 


1 


76  Viertes  Bach.   X.  Die  Sikelioten  in  Asien. 

Alkibiades,  der  mit  ihm  in  die  Verbannung  gegangen  und  den  Peloponnesiern 
treu  geblieben  war;  ihn  licss  Thrasylos  steinigen.  Die  Syrakusaner  aber 
wurden  als  Gefangene  nach  Athen  geschickt;  man  sperrte  sie,  zur  Vergeltung 
fUrdas,  was  den  Athenern  in  Syrakus  widerfahren  war,  in  , die  Steinbrüche 
des  Piraeus,  von  wo  es  ihnen  indcss  im  nächsten  Winter  gelang,  sich  zu  be- 
freien. Sie  gruben  sich  einen  unterirdischen  Weg,  durch  den  sie  zur  Nachtzeit 
in's  Freie  kamen.   Einige  von  ihnen  erreichten  Dekeleia,  Andere  Megara. 

Später  hören  wir  nur  noch  einmal  von  einer  Theilnahme  der  sicilischen 
Griechen  an  dem  Kriege  gegen  die  Athener :  5  si?^ili$che  Schiffe  waren  bei  der 
von  den  Spartanern  im  Jahre  409  glücklich  durchgeführten  Wiedereroberung  von 
Pylos.  Die  wichtigen  Begebenheiten  ,  deren  Schauplatz  um  diese  Zeit  SiciJien 
wurde,  und  die  wir  sogleich  erzüblen  werden,  waren  die  Ursache,  dass  Syra- 
kus sein  Gontingent  zurückrief;  die  Tapferkeit  der  Bürger  Siciliens  sollte  dem 
Vaterlande  zu  gute  kommen.  Der  letzte  Syrakusaner,  den  wir  in  diesen 
fernen  Gegenden  antreffen ,  ist  wiederum  Hermokrates ,  der  Abgesetzte  und 
Verbannte,  der  408  mit  seinem  Bruder  Proxenos  sich  einer  Gesellschaft  von 
athenischen,  argivischen  und  spartanischen  Gesandten  anschloss,  die  zuerst 
nach  Kyzikos  und  von  da  weiter  zum  persischen  Könige  wollten.  Bald  werden 
wir  auch  ihn  in  Sicilien  wiederfinden. 


Fünftes  Buch. 


Erstes  Kapitel. 
Einbruch  der  Karthager.   Fall  yon  Seiinas  nnd  Himera. 

Der  ungeheuren  Anstrengung,  welche  Syrakus  im  Kriege  mit  Athen 
gemacht  hatte,  sollte  keine  Zeit  der  Ruhe  folgen.  Wir  sprechen  hier  nur  von 
Syrakus,  denn  die  übrigen  SUidte  der  Insel  hatten  keine  irgendwie  ausser- 
gewöhnliche  Kraftentwickelung  gezeigt.  Die  Ghalkidier  untersttltzten  Athen 
nur  lau ;  Akragas  blieb  neutral ;  Gela ,  Kamarina ,  Himera  und  selbst  Selinus 
Hessen  die  Hauptlast  des  Krieges  auf  den  Schultern  der  Syrakusaner  ruhen. 
Wenn  diesen  nun  das  Loos  der  Athener  nach  den  Perserkriegen  beschieden 
gewesen  wäre,  die  keinen  übermächtigen  Feind  mehr  zu  fürchten  hatten  und 
deshalb  mit  frischer  Lust  am  Ausbau  ihrer  Verfassung ,  an  der  Verschönerung 
ihi'er  Stadt  und  an  der  Entwickelung  der  Künste  und  Wissenschaften  arbeiten 
konnten,  so  hätte  Syrakus  nach  dem  Jahre  413  eine  ähnliche  Periode  der 
Blüthe  erlebt,  wie  Athen  nach  480.  Dass  es  an  einer  guten  Grundlage,  einem 
tüchtigen  Volkscharakter,  nicht  fehlte,  beweist  der  Krieg  gegen  Athen,  und 
ganz  besonders  die  Art  und  Weise ,  wie  sich  die  Sicilier  in  Asien  benommen 
hatten.  Aber  der  furchtbare  Einbruch  der  Karthager  verdarb  Alles;  er  hat 
das  von  dem  soeben-  erst  beendigten  Kriege  noch  erschöpfte  Syrakus  und  in 
weiterer  Folge  die  ganze  Insel  in  die  Arme  eines  Tyrannen  geworfen. 

Wir  haben  im  vorigen  Buche  erzählt,  wie  lebhaft  sich  gleich  nach  dem 
Siege  die  Freude  der  Syrakusaner  äusserte.  Dass  sie  die  Verbündeten ,  und 
besonders  die  mit  Gylippos  Gekommenen  reich  beschenkt  entliessen  ,  versteht 
sich  von  selbst;  gegen  diesen  selbst  aber,  dem  sie  doch  vor  allen  ihre  Be- 
freiung verdankten,  wurden  bald  viele  Stimmen  laut,  die  ihn  der  Habsucht 
beschuldigten,  und  die  Syrakusaner,  spottsüchtig  wie  alle  Sikelioten,  erinner- 
ten sich  boshaft  des  Eindrucks,  den  er  zuerst  mit  seinem  kurzen  spartanischen 
Mantel  und  langem  Haare  auf  sie  gemacht  hatte,  und  sie  konnten  ihm  nicht* 
einmal  seine  heilsame  Strenge  verzeihen.  Ebenso  natürlich  wie  die  Beschen- 
kung  der  Verbündeten  ist  die  reiche  Ausstattung  der  Tempel  mit  Beutestücken 


78  Fünftes  Buch.   T.  Einbruch  der  Karthager.    Fall  von  Selinus  und  Himerd. 

und  die  Belohnung  derer,  die  sich  im  Kriege  hervorgetfaan  hatten.  Dann 
schritten  die  Syrakusaner,  nachdem  Hermokrates,  das  Haupt  und  die  Stütze 
der  Optima tenpartei,  nach  Kleinasien  gegangen  war,  zu  einer  Befestigung  der 
demokratischen  Verfassung ,  die  ihnen  der  Krieg  nur  noch  werther  gemacht 
hatte,  da  sie  es  gewesen  war,  welche  die  ebenfalls  demokratischen  Athener 
hindeiie,  sich  eine  Partei  von  wirklicher  Bedeutung  in  der  belagerten  Stadt  zu 
schaffen.  Sie  erwählten  einen  Gesetzgebungsausschuss ,  in-  welchem  Diokles  ^ 
der  hervorragendste  war,  ein  Mann,  der  schon  während  des  Krieges  sich  eines 
grossen  Ansehens  erfreut  und  einen  entscheidenden  Einfluss  auf  das  endliche 
Schicksal  der  gefangenen  Feldherren  ausgetlbt  hatte.  Leider  ist  von  den  ihm 
zugeschriebenen  Gesetzen  so  gut  wie  nichts  bekannt.  Wir  erfahren  nur,  dass 
von  jetzt  an  die  öffentlichen  Aemter  (natürlich  nicht  alle)  durch's  Loos  besetzt 
wurden,  dass  die  Gesetze  sehr  strenge  t^aren,  und  dass  sich  in  der  Sorgfalt, 
mit  welcher  für  alle  Verbrechen  eine  angemessene  Strafe  festgesetzt  ward, 
grosse  Gerechtigkeitsliebe  und  Menschenkenntniss  des  Gesetzgebers  kund  ihat. 
Obgleich  Diokles  bald  in  wenig  glücklicher  Weise  in  die  ParteikUmpfe  seiner 
Vaterstadt  eingriff,  wird  dennoch  behauptet,  dass  ihm  nach  seinem  Tode 
heroische  Ehren  01: wiesen  uod  ein  Tempel  erri<ihtet  .wor^^n  ^,  ^fiAionysios 
l)ei  seinem  Mauerbau  zerstörte.  Als  zur  Zeit  des  Timoleon  Kephalos  und  zu 
liieron^s,Z^.t  Polydoros  den  Syrakusanern  Gesetze  .gaben,  hallte  man  im  Gegen- 
sätze zu  Diokles  diese  Münncr  nur  Auslegqr  der  Gesetze  genannt,  da  iiiese,  in 
der  alten  Sprache  geschrieben ,  schwer  verständlich  gewesen  seien.  Sowoit 
Diodor.  Doch  ist  es  sehr  zweifelhaft,  ob  der  Gesetzgeber  Diokles  eine  uqd 
dieselbe  Person  ist  mit  dem  Volksführer  dieses  Namens.  Der  sagenhafte^  oiit 
dem  des  Charondas  übereinstimmend  berichtete  Tod  des  ersteran ,  4ie  in  alt^r 
Sprache  geschriebenen  Gesetze  und  ihr  strenger  Charakter  passen  weder  in 
die  Zeil  nach  dem  athenischen  Kriege ,  noch  zu  der  Person  'des  Voik^ftthrers 
Diokles;  ich  glaube  deshalb,  dass  es  ausser  derp  DQmpKr;Eiten  dje^es  Nßoiens, 
der  um  410  v.  Chr.  ;lc^te,und  die  Demokratie. durch  die  EinfUhcuQg.des  Aus- 
loosens  der  öffentliqhen  Aemter  befestigte,  schon  früher  einen  Diokles  in  Sy- 
rakus  gegeben  hat,  der  sich  durch  die  Zusammenstellung  von  Gesetzen  einen 
Namen  machte  und  als  Heros  verehrt  wurde. 

Ausser  durch  diese  Verfassungsänderung,  welche  die  Verbannung  des 
Heiimokrates  zur  Folge  hatte ,  waren  die  Syrakusaper  in  der  Zeit  nach  dem 
athenischen  Kriege  durch  eine  Fehde  mit  den.chalkidischen  Städten,  d.  b.  mit 
Kalane  und  Naxos,  in  Anspruch  genommen,  eine  Fehde,  in  welcher  die  weni- 
gen nach  Katane  geOüohteten  AVhener  zur  Vertbeidigung  der  Slaät.miA wirkten, 
und  schliesslich  nichts  Bedeutendes  erzielt  wßrd.  Denn  als  deriKampf  drei 
Jahre  ohne  sondj^rlichen  Erfolg  gedauert  hatte ,  roussten  die  Syrakusaner  ihn 
aufgeben,  weil  die  in  Sicilien  eingedrungenen  Karthager  auch  sie  bedrohten. 

Der  Einbruch  der  .Karthager  hatte  dieselbe  Veranlassung,  wie  der  der 
Athener^  den  fortwährenden  Streit  zwischen  Segesta  und  Selinus  über  Grenz- 
gebiete. Der  athenisahe  Krieg  hatte  die  Aufmeijisamkeit  der  Seliouniier  von 
diesem  Gegenstände  abgezogen;  nachdem  die  Athener  besi^t  wßiF90,  ging  ihr 
Strel>cn  wieder  dahin ,  das  streitige  Land  zu  gewinnen.  Die  Egestäer  wollten 
jed^  Vorwand  zu  einem  Kriege  mit  Selinus  vermeiden,  uip  njjobt  d^n  Doriern 


Die  Karthe^r  besch Hessen  den  Egesti^rn  zu  helfen.  '        79 

der  Insel  eine  erwünschte  Gelegenheit  zu  geben ,  vereint  über  sie  herzufallen 
und  an  ihnen  wegen  des  Einbruches  der  Atheuer  Boche  xu  nehmen ;  sie  Uber- 
Itessen  das  streitige  Land  ihren  Gegnern.  Die  SeUnuntier  aber,  sich  des  Vortheils 
ihrer  jetzigen  Lage  wohl  bewusst,  verbeerten  auch  das  anslossende,  ohne  alle 
Frage  Segesta  gehörige  Gebiet.  Nun  begriffen  die  Egestder,  dass  sie  durch  ihre 
Nachgiebigkeit  die  Feinde  nur  noch  kecker  gemacht  hatten ;  sie  glaubten  die 
Zeit  gekommen ,  Widerstand  zu  leisten  ,  und  da  sie  zu  erfolgreichem  Kampfe 
gegen  Selinus,  das  leicht  bei  Syrakus  Unterstützung  finden  konnte,  zu  schwach 
waren,  so  wandten  sie  sich  mit  der  Bitte  um  Hülfe  an  das  althefreundete 
Karthago. 

Was  sollten  die  Karthager  thun?  Seit  dem  unglücklichen  Kriege,  der 
ihnen  Himera's  Namen  zum  Gegenstande  des  Entsetzens  gemacht ,  hatten  sie 
sich  nicht  ernstlich  um  die  siciMschen  Angelegenheiten  bekümmert,  und  noch 
vor  kurzem  hatten  sie,  obschon  von  mehreren  Seiten  und  gerade  von  Segesta 
aufgefordert,  sich  am  Kriege  zu  betheiligen,  die  Neutralität  vorgezogen.  Nun 
stand  als  Siegerin  über  Athen  Syrakus,  mit  dem  ein  den  EgestHeru  geleisteter 
Beistand  Karthago  ebenfalls  in  Krieg  verwickeln  musste,  noch  gefUrohteter  da 
als  zuvor.  Das  sprach  für  Enthaltung  vom  Kriege.  Aber  für  Theilnahme  an 
demselben  sprachen  triftigere  Gründe.  Es  handelte  sich  darum ,  ob  Karthago 
zugeben,  sollte,  dass  Segesta  in  die  Hände  der  Griechen  fiel.  Die  Folgen  davon 
w^ren  für  Karthago  bedenklich  gewesen.  Das  Land  der  Elymer  lag  zwischen 
den. Gebieten  von  Motye  und  Panormos,  den  Hauptstädten  des  phönicischen 
Sicitien.  Ward  es  hellenisch,  so  konnten  diese  beiden  Städte  nur  noch  zur  See 
mit  einander  verkehren  und  fielen  leicht  selbst  den  Griechen  in  die  Hände. 
Und  für  Segesta  war  seit  Athen's  Niederlage  keine  Rettung,  wenn  nicht  Kar- 
thago eintrat.  Es  handelte  sich  aber  auch  darum,  ob  Karthago  gestatten  sollte, 
dass  Syrakus  sich  in  der  durch  den  Sieg  über  Athen  gewonnenen  Stellung 
befestigte  und  so  allmählich  zu  einer  Höhe  der  Macht  gelangte,  die  es  den  Kar- 
thagern äusserst  gefährlich  machen  musste.  Hätten  die  Athener  gesiegt,  so 
wären  sie  Karthagers  Feinde  geworden ;  jetzt  blieben  es  die  Syrakusaner,  und 
in  noch  höherem  Grade  als  je  zuvor.  Dies  alles  sprach  für  den  Krieg,  und  wer 
ihn  befürwortete  ,  konnte  hinzufügen  ,  dass  der  Kampf  mit  Athen  doch  sicher 
auch  Syrakus  heftig  angespannt  und  dadurch  für  den  Augenblick  erschöpft 
habe,  und  dass  deshalb  die  Gelegenheit,  in  Sicilien  kräftig  aufzutreten,  für 
Karthago  keineswegs  ungünstig  sei. 

Im  Rathe  der  Karthager  siegte  die  Kriegspartei.  Siebenzig  Jahre  lang 
hatten  die  reichen  Kaufmannsfamilien  mit  der  ihnen  natürlichen  Friedenspo- 
litik die  Oberhand  gehabt;  nunmehr  überwog  der  Einfluss  des  mächtigen 
Hauses  Magon^s,  das  dem  Staate  schon  manchen  bedeutenden  Feldherm  ge- 
schenkt hatte,  und  an  dessen  Spitze  der  eine  der  damaligen  Könige,  Hannibal, 
stand ,  der  natürliche  Führer  der  Partei ,  die  den  Staat  und  sich  selbst  durch 
Kriege  gefürchtet  und  reich  machen  wollte.  Der  karthagische  Senat  gab  den 
Gesandten  Segesta^s  den  Bescheid ,  dass  ihrer  Stadt  Hülfe  werden  solle ,  und 
übertrug  dem  Hannibal  die  Leitung  der  Sache.  Der  Entschluss  war  von  un- 
geheurer Bedeutung.  Er  leitete  eine  Aera  von  Kriegen  em ,  die  Sicilien  un- 
glücklich machten  und  zuletzt  Karthago  selbst  den  Untergang  bereiteten. 


80         Fünftes  Buch.   1.  Einbruch  der  Karthager.   Fall  von  Selinus  und  Himera. 

Uannibal  hatte  persönliche  Gründe ,  den  Krieg  gegen  die  Griechen  Sici- 
lien^s  eifrig  zu  betreiben.  Sein  Grossvater  Hamilkar,  dessen  Bruder  Hasdrubal 
in  Sardinien  umgekommen  war,  hatte  die  gewaltige  Niederlage  bei  Himera 
durch  Geion  erlitten,  und  während  Hasdrubal's  Nachkommen  in  Karthago 
mächtig  und  angesehen  geblieben  waren ,  hatte  sich  HaDailkar's  Sohn,  Hanno, 
nur  kurze  Zeit  eines  grossen  Einflusses  in  seiner  Vaterstadt  erfreut  und  war 
dann  gestürzt  und  verbannt  worden ,  und  sein  Loos  hatte  sein  Bruder  Gisgon, 
Hannibals  Vater,  getheilt.  Gisgon  hatte  sein  Leben  in  Selinus  beschlossen. 
So  war  es  natürlich,  dass  HannibaFs  Streben  dahin  gerichtet  war,  durch  Siege 
über  die  Griechen  die  Schande  seines  Grossvaters  auszulöschen.  Doch  dem 
Kriege  mussten  Verhandlungen  vorausgehen.  Die  Selinuntier,  das  sah  man 
bald,  waren  auch  den  Karthagern  gegenüber  nicht  geneigt,  den  streitigen 
Landstrich  aufzugeben;  es  handelte  sich  nur  noch  darum,  welche  Stellung 
Syrakus,  das  man  für  den  Augenblick  noch  nicht  zum  Feinde  zu  haben 
wünschte,  zu  der  Sache  einnehmen  würde.  Da  nun  die  Egestäer  Gesandte 
nach  Syrakus  schickten,  um  diese  Stadt  von  der  Gerechtigkeit  ihrer  Forderun- 
gen zu  überzeugen ,  that  Hannibal  im  Namen  Karthagers  dasselbe  und  liess 
den  Syrakusanem  die  Entscheidung  über  den  Streit  zwischen  Segesta  und 
Selinus  antragen.  Diese  Anerkennung  der  Bedeutung  ihrer  Stadt  schmeichelte 
den  Syrakusanern  und  verletzte  die  Selinuntier,  und  während  diese  dadurch 
Karthago  noch  feindlicher  gesinnt  wurden,  Hessen  die  Syrakusaner  sich  zu 
dem  ebenso  nichtssagenden  als  lächerlichen  Beschluss  herbei,  es  solle  bei  dem 
BUndniss  mit  den  Selinuntiern  und  bei  dem  Frieden  mit  Karthago  bleiben.  So 
hatte  Hannibal  seinen  Zweck,  Selinus  für^s  erste  zu  isoliren,  erreicht. 

Zunächst  begnügten  sich  die  Karthager  damit,  den  Egestäern  eine  massige 
Hülfe  zu  leisten,  die  Segesta  schützte  und  Syrakus  keinen  besondem  Argwohn 
einfldsste.  Sie  sandten  aus  Afrika  5000  Libyer  und  warben  in  Sicilien  800 
Kampaner,  die  von  den  chalkidischen  Städten  zur  Vergrösserung  des  atheni- 
schen Heeres  gemiethet,  aber  zu  spät  eingetroffen  und  nun  ohne  Beschäftigung 
waren.  Die  Karthager  kauften  ihnen  Pferde  und  sandten  sie  als  Reiterei  nach 
Segesta.  Die  Selinuntier  kümmerten  sieh  nicht  viel  um  diese  Vorbereitungen; 
sie  setzten  die  Verheerungen  des  egestäischen  Gebietes  fort,  anfangs  plan- 
massig  unter  Zusammenbaltung  der  Truppen ,  bald  aber  nachlässig  und  ohne 
die  erforderliche  Wachsamkeit.  Das  benutzten  die  egestäischen  Feldherren ; 
sie  fielen  mit  ihrem  verstärkten  Heere  über  die  Selinuntier  her  und  brachten 
ihnen  eine  vollständige  Niederlage  bei.  Sie  nahmen  ihnen  die  schon  gemachte 
Beute  ab  und  tödteten  ungefähr  1000.  In  Selinus  überwog  nach  dieser  Nie- 
derlage das  Gefühl ,  es  müsse  der  Krieg  fortgesetzt  und  Rache  an  den  Ege- 
stäern genommen  werden,  obwohl  es  an  Stimmen  nicht  fehlte,  die  davor 
warnten,  die  Karthager  zu  sehr  zu  reizen.  Man  war  der  Ansicht,  mit  Syra- 
kusens  Beistand  allen  Feinden  gewachsen  zu  sein ,  und  die  Syrakusaner  ver- 
sprachen Hülfe,  ohne  eine  Ahnung  vom  Ernste  der  Sache  zu  haben.  In  Kar- 
thago rüstete  man  zu  einem  grossen  Feldzuge  für  das  nächste  Jahr,  einem 
Feldzuge  unter  karthagischer  Leitung.  Hannibal  sammelte  in  Spanien  Söldner, 
hob  in  den  afrikanischen ,  Karthago  unterworfenen  Städten  die  beste  Mann- 
schaft aus  und  veranlasste  den  Eintritt  einer  nicht  geringen  Zahl  karthagischer 


AngrifT  auf  Selinus.  g  | 

Bttrger  in  das  Heer.  Die  afrikanischen  Städte  mussten^ach  ihren  Mitteln  Schiffe 
steilen.  Im  Frühjahr  409  v.  Chr.  war  die  gewaltige  Rüstung  vollendet.  60  Kriegs- 
schiffe  begleiteten  die  Transportflotte  von  1500  Segeln,  auf  der  nach  Ephoros 
200,000  Mann  zu  Fuss  und  4000  Reiter,  nach  Timaios  wenig  mehr  als  \  00,000 
Mann,  nebst  Kriegsmaterial  und  Beiagerungsmaschinen  nach  Sicilien  fuhren. 

Die  Karthager  begannen  den  Krieg  mit  mehr  Aussicht  auf  Erfolg  als  die 
Athener  vor  6  Jahren.  Hannibal  landete  am  Vorgebirge  Lilybaion  und  schlug 
bei  dem  berühmten  Brunnen  daselbst  sein  Lager  auf.  Einige  selinuntinische 
Reiter,  die  der  Annäherung  der  ungeheuren  Flotte  mit  Entsetzen  zugesehen 
hatten ,  meldeten  die  Landung  ihren  Mitbürgern ,  die  sogleich  nach  Syrakus 
um  schnelle  Hülfe  sandten.  Hannibars  erster  Schritt  war  darauf  berechnet, 
den  Syrakusanern  den  Gedanken  zu  nehmen ,  als  ob  der  Osten  der  Insel  sein 
Ziel  sei;  er  zog  die  Schiffe  in  der  Bucht  von  Motye  an^s  Land.  Dann  ging  er, 
verstärkt  durch  das  egestäische  Contingent  und  einige  andere  sicilische  Bun- 
desgenossen, schnell  vorwärts,  nahm  Mazara,  die  selinuntinische  Grenzfestung, 
und  stand  bald  vor  Selinus,  das  er  einschloss.  Einen  Theil  des  Heeres  stellte 
er ,  dem  damaligen  ks^rthagischen  Kriegsgebrauche  entsprechend ,  als  Reserve 
gesondert  auf.  Die  übrige  Mannschaft  rückte  vor  die  Stadt ,  die  mit  ganz  an- 
derer Energie  und  ganz  anderen  Mitteln  angegriffen  wurde,  als  Syrakus  von 
Nikias.  Der  Angriff  fand  besonders  im  Norden  statt,  wo  die  Höhe,  auf  der  Se- 
linus liegt ,  sich  an  die  Hügel  des  Innern  anschliesst  und  also  die  Mauern  am 
bequemsten  zu  erreichen  waren.  Sechs  eisenbeschlagene  Widder  erschütterten 
die  Mauern ;  sechs  hohe  Thürme ,  die  die  Mauern  überragten ,  wurden  an  sie 
hinangeschoben ;  Schleuderer  und  Bogenschützen  trieben  die  Vertheidiger  von 
den  Zinnen.  Leider  waren  die  Mauern  der  volkreichen  Stadt,  deren  Einwoh- 
nerzahl über  60,000  betragen  haben  muss,  in  schlechtem  Zustande;  man 
hatte  einen  so  gewaltigen  Angriff,  vielleicht  überhaupt  einen  Krieg  mit  den 
Karthagern,  denen  man  ja  bei  Himera  beigestanden,  nicht  für  möglich  gehal- 
ten. Doch  verlor  man  den  Muth  nicht;  es  musste  ja  Hülfe  aus  Syrakus  kom- 
men, und  bis  dahin  hoffte  man  mit  Aufgebot  aller  Kräfte  die  Stadt  zu  halten. 
Die  Jüngeren  besetzten  die  Mauern ;  die  Aelteren  sorgten  für  die  Instandhal- 
tung der  Waffen;  die  Frauen  trugen  den  Vertheidigem  Speise  und  frische 
Geschosse  zu.  Seinerseits  sah  Hannibal,  dass  er  Selinus  möglichst  schnell 
nehmen  müsse.  Er  versprach  seinen  Soldaten  die  Plünderung  der  eroberten 
Stadt.  Seine  besten  Truppen  lösten  sich  unter  rauschender  Musik  und  Kriegs- 
geschrei ab ;  die  Sturmböcke  erschütterten  die  Mauern.  Bald  stürzte  ein  Stück 
derselben,  und  die  kampanischen  Söldlinge  drangen  in  die  Bresche.  Aber  am 
ersten  Tage  sollte  Selinus  nicht  fallen.  Immer  zahlreichere  Schaaren  warfen 
sich  ihnen  entgegen ,  und  sie  mussten  sich  nach  grossen  Verlusten  zurück- 
ziehen. Beim  Beginn  der  Nacht  brach  Hannibal  den  Sturm*  ab.  Sogleich 
schickten  die  Selinuntier  neue  Eilboten,  die  besten  Reiter,  nach  Akragas,  Gela 
und  Syrakus.  Noch  hätte  Selinus  gerettet  werden  können,  aber  die  Griechen 
Zögerlen  statt  zu  handeln.  In  Akragas  und  Gela  waren  Hülfsmannschaften  be- 
reit, aber  bei  der  Grösse  des  karthagischen  Heeres  wollte  man  sie  nur  mit  den 
syrakusanischen  Truppen  zusammen  abschicken;  die  Syrakusaner  sammelten, 

IT  Ol  m ,  Oescb.  Sicilidns.  n.  Q 


82  Fünftes  Buch.    I.  Einbrach  der  Karthager.   Fall  von  Selinus  und  Himera. 

wie  sie  meinten  schnell  genug ,  eine  bedeutende  Streitmacht ,  und  diese  ging 
eben  nach  Selinus  ab,  als  die  Stadt  fiel.  Wären  die  Syrakusaner  gleich  nach 
Empfang  der  Nachricht  aufgebrochen ,  sie  hätten  noch  zur  rechten  Zeit  in 
Selinus  sein  können. 

Hier  hatte  Hannibal  den  Kampf  kräftigst  fortgesetzt.  Gleich  am  zweiten 
Morgen  war  die  Bresche  nach  Eroberung  der  nächsten  Mauerstücke  erweitert, 
gereinigt  und  so  stark  besetzt  worden ,  dass  die  Karthager  nicht  mehr  daraus 
zu  vertreiben  waren.  Dennoch  gelang  es  der  mit  der  Gefahr  steigenden 
Tapferkeit  der  Selinuntier,  das  weitere  Vordringen  der  Feinde  auch  jetzt  noch 
zu  vertiindern.  Tag  für  Tag  ward  weiter  gekämpft,  und  der  Verlust  war  auch 
auf  karthagischer  Seite  gross.  Mit  welch  ängstlicher  Sehnsucht  schauten  in- 
dess  die  Selinuntier  nach  den  Bergen  des  Ostens ,  ob  nicht  endlich  sich  auf 
ihrer  Höhe  die  Waffen  der  griechischen  Bundesgenossen  zeigten !  Aber  ver- 
gebens I  Am  neunten  Tage  drangen  die  Iberer  über  die  Bresche  vor,  und  die 
Selinuntier  zogen  sich  unter  lautem  Wehklagen  der  Frauen  in  die  Strassen  der 
Stadt  zurück.  Auch  hier  noch  versuchten  sie  den  Kampf  fortzusetzen.  Die 
Strassen  wurden  durch  Barrikaden  versperrt ,  die  Masse  der  Kampfunfähigen, 
Frauen  und  Kinder  eilten  auf  die  Dächer  und  schleuderten  Steine  auf  die  an- 
dringenden Karthager.  So  hielten  die  Selinuntier  sich  bis  zum  Abend,  da 
gingen  ihnen  die  Geschosse  aus,  und  nun  überflutheten  die  Feinde  die  ganze 
Stadt.  Eine  grosse  Zahl  von  Kriegern  ward  kämpfend  auf  den  Markt  gedrängt 
und  hier  niedergemacht.  Die  Sieger  mishandelten  die  Bewohner,  drangen  in  die 
Häuser,  raubten,  was  Werth volles  darin  war,  und  zündeten  die  ausgeplünder- 
ten, mit  Unglücklichen  gefüllten  an ;  was  sich  auf  die  Strassen  zu  retten  suchte, 
ward  dort  niedergemacht.  Karthagische  Soldaten  sah  man  Köpfe  auf  Speeren 
umhertragen,  behängt  mit  auf  Schnüren  gezogenen  Reihen  von  abgeschnittenen 
Händen.  Verschont  vnirden  nur  die  Weiber  und  Kinder,  die  sich  in  die  Tempel 
geflüchtet  hatten;  denn  die  Karthager  fürchteten,  sie  möchten,  von  Verzweiflung 
getrieben,  sie  anzünden  und  so  die  reiche  Beute  vernichten.  Es  heisst,  dass 
16,000  Menschen  von  der  Hand  der  Karthager  fielen,  mehr  als  5000  als  Ge- 
fangene hinweggeführt  wurden;  nur  2600  sollen  sich  nach  Akragas  gerettet 
haben.  Hier  wurden  sie  freundlich  aufgenommen ,  aus  Staatsmitteln  gespeist, 
und  alle  Bürger  kamen  der  öffentlich  erlassenen  Aufforderung,  den  Flüchtigen 
beizustehen,  mit  dem  grössten  Eifer  nach. 

Um  diese  Zeit  kamen  endlich  3000  Mann  auserlesener  syrakusanischer 
Truppen  in  Akragas  an.  Sie  schickten  Gesandte  an  Hannibal  mit  der  Auffor- 
derung, die  Gefangenen  gegen  Lösegeld  freizugeben  und  die  Tempel  von  Seli- 
nus zu  verschonen.  Der  Karthager  antwortete  barsch ,  da  die  Selinuntier  ihre 
Freiheit  nicht  hätten  vertheidigen  können ,  so  müssten  sie  jetzt  die  Sklaverei 
kennen  lernen,  und  was  die  Tempel  beträfe,  so  hätten  die  Götter  sie  und  die 
Stadt  Selinus  verlassen.  Etwas  mehr  Erfolg  hatte  eine  Gesandtschaft  der  ge- 
flüchteten Selinuntier  selbst ,  für  die  Empedion  das  Wort  führte ,  ein  Mann, 
der  als  Freund  der  Karthager  noch  in  der  letzten  Zeit  seine  Mitbürger  vor  dem 
Kriege  gewarnt  hatte.  Ihm  selbst  gab  Hannibal  sein  Vermögen  zurück ;  seine 
Verwandten  unter  den  Gefangenen  liess  er  frei  und  gestattete  allen  Flücht- 
lingen, sich  in  Selinus  wieder  anzusiedeln,  unter  der  Bedingung  einer  jähr- 


Angriff  auf  Himera.  83 

liehen  Abgabe  an  Karthago.    Die  Mauern  der  Stadt  fielen,  die  Tempel  wurden 
nicht  zerstört^  wenigstens  nicht  gänzlich. 

Nach  der  Ueberwäitigung  von  Selinus  wandte  sich  Hannibal  mit  der 
grössten  Schnelligkeit  gegen  das  reiche  und  blühende  Himera ,  dessen  Ein- 
wohnerzahl ebenfalls  wenigstens  60,000  betrug.  Himera  war  nicht,  soviel 
uns  bekannt  ist,  im  Kriege  mit  Karthago,  und  Hannibal  scheint  vom  Senate 
keinen  Auftrag  gehabt  zu  haben ,  es  anzugreifen ;  aber  die  Niederlage  seines 
Grossvaters  vor  Himera  war  für  ihn  Grund  genug  zum  Angriff  auf  dasselbe, 
und  er  konnte  überzeugt  sein,  d^ss  ein  Sieg  seine  Verantwortlichkeit  deckte. 
Er  errichtete  sein  Lager  in  einiger  Entfernung  von  der  Stadt  auf  einem  hohen 
Punkte  und  liess  40,000  Mann  darin;  mit  dem  übrigen,  grösseren  Theil  des 
Heeres,  das  noch  durch  einen  Zuzug  von  20,000  Sikanem  und  Sikelern  ver- 
mehrt wurde,  griff  er  die  Stadt  an.  Ein  Hauptmittel  der  Belagerung,  das  er 
bei  Himera  anwandte,  war  folgendes :  Man  unterwühlte  die  Mauer,  die  man 
mit  Balken  stützte,  zündete  hierauf  die  Balken  an,  und  nun  musste  die  Mauer 
einstürzen.  So  fiel  ein  Stück  derselben,  aber  als  die  Karthager  hier  einzudrin- 
gen versuchten,  wurden  sie  von  den  Himertteru,  welche  durch  das  für  Selinus 
bestimmte  syrakusanische  Contingent  und  einige  andere  Bundesgenossen ,  zu- 
sammen 4000  Mann  unter  Diokles,  verstärkt  waren,  in  kräftigem  Andrang 
wieder  zurückgeworfen.  Man  konnte  das  zerstörte  Mauerstück  wieder  auf- 
bauen ,  und  die  Himeräer  machten  sogar  am  nächsten  Tage  den  Versuch,  das 
Belagerungsheer  zu  überrumpeln.  Eine  Schaar  von  40,000  Mann  warf  sich 
auf  die  Karthager,  und  diese  flohen|;  6000,  nach  Ephoros  gar  20,000  fielen. 
Aber  aus  dem  karthagischen  Lager  brach  Hannibal  mit  seiner  Reserve  hervor, 
und  nun  unterlagen  die  Griechen;  3000,  die  nicht  mit  den  übrigen  in  die 
Stadt  fliehen  wollten,  wurden  niedergemacht.  In  diesem  Augenblicke  kam 
im  Hafen  von  Himera  die  nach  Diodor's  Angabe  35  Segel  starke  Flotte  an,  welche 
die  Syrakusaner  in  den  asiatischen  Gewässern  gehabt  hatten,  und  die,  nach 
Hause  berufen,  nunmehr  Himera  zu  Hülfe  geschickt  war.  Aber  die  Freude 
der  Himeräer  sollte  nicht  lange  dauern.  Es  verbreitete  sich  in  der  Stadt  ein 
Gerücht,  das  Anhänger  Karthago's  ausgestreut  hatten.  Die  ganze  syrakusanische 
Mannschaft ,  biess  es ,  sei  ausgezogen  um  Himera  zu  helfen ,  und  nun  wolle 
Hannibal  sich  mit  der  Elite  seines  Heeres  in  Motye  einschiffen ,  um  das  von 
Yertheidigern  entblösste  Syrakus  zu  überfallen.  In  Folge  davon  beschloss 
Diokles,  nach  Hause  zurückzukehren  und  gab  dem  Flottenführer  den  Rath, 
das  Gleiche  zu  thun.  Die  Himeräer  sahen  in  dem  Abzug  der  Bundesgenossen, 
den  sie  nicht  verhindern  konnten,  das  Signal  ihres  Untei^anges,  und  gingen 
mit  schwerem  Herzen  auf  den  Rath  ein,  den  ihnen  nunmehr  Diokles  gab, 
ebenfalls  ihre  Stadt  zu  verlassen.  So  ward  Himera  freiwillig  aufgegeben ,  ein 
solches  Grauen  hatten  die  Schauerscenen  der  Eroberung  von  Selinus  in  Sici- 
lien  verbreitet.  Die  Schiffe  nahmen  so  viele  Menschen  an  Bord,  als  sie  fassen 
konnten,  und  fuhren  ostwärts,  um  sie  ausserhalb  des  Bereiches  der  Karthager 
zum  weiteren  Zuge  nach  Messana  an^s  Land  zu  setzen  und  dann  schnell  nach 
Himera  zurückzukehren ,  wo  sie  die  Uebrigen  aufnehmen  sollten,  und  in  der- 
selben Nacht  verliess  Diokles  die  Stadt ,  ebenfalls  von  einer  Schaar  Himeräer 
begleitet.  Was  zu  fürchten  war,  traf  ein.  Am  nächsten  Tag  zwar  behaupteten 

6* 


g4  Fünftes  Buch.   I.  Einbruch  der  Karlbager.    Fall  von  Selious  und  Himera. 

die  zurückgelassenen  himeräischen  Krieger  noch  ihre  Stellungen,  aber  die 
Schiffe  blieben  aus,  und  am  zweiten  Tage,  als  die  Schiffe  in  Sicht  kamen, 
wurde  die  Stadt  erstürmt.  Ein  Stück  der  Mauer  fiel ,  und  die  Iberer  drangen 
zuerst  ein.  Nun  begann  das  Horden,  das  so  lange  währte,  bis  Hannibal  befahl, 
Gefangene  zu  machen.  Auch  die  in  den  Tempeln  Zuflucht  gesucht  hatten, 
wurden  gefangen  genommen.  Alle  Gefangenen  aber  wurden  in  zwei  Tbeile 
gesondert ;  die  Weiber  und  Kinder  wurden  in^s  Lager  geführt,  um  als  Sklaven 
nach  Afrika  geschafft  zu  werden  ;  die  Männer  aber,  ungefähr  3000,  Hess  Han- 
nibal nach  dem  Orte  bringen,  wo  sein  Grossvater  gefallen  war,  und  schlachtete 
sie  dort  nach  schimpflichei*  Züchtigung  den  Manen  Hamilkar's.  Dann  Hess  er 
die  Tempel  verbrennen  und  die  Stadt  dem  Boden  gleich  machen ;  sie  sollte 
nicht  einmal  als  abhängiger  Ort  fortbestehen. 

So  war  der  Zweck  seines  Peldzugs,  ja  seines  Lebens  erreicht;  er  war  alt 
und  wollte  einen  Krieg  nicht  weiter  führen,  der  ihm  höhere  Triumphe  zu  bieten 
nicht  vermochte.  Er  entliess  die  sicilischen  Bundesgenossen  und  die  Kampa- 
ner, sorgte  für  Besatzungen  in  den  unterworfenen  Städten  und  fuhr  mit  den 
übrigen  Truppen  nach  Afrika  zurück.  Bei  seiner  Ankunft  wurde  er  von  seinen 
Mitbürgern  feierlich  begrüsst;  hatte  doch  in  so  kurzer  Zeit  keiner  der  früheren 
grossen  Feldherren  Karthago's  gleich  Bedeutendes  geleistet. 

In  den  Verhältnissen  des  phönicischen  Siciliens  tritt  von  diesem  Jahre  an 
gegen  früher  eine  bedeutende  Veränderung  ein.  Es  giebt  von  jetzt  an  eine 
karthagische  Provinz  auf  Sicilien,  und  die  phönicischen  Städte  treten  in  grössere 
Abhängigkeit  zu  Karthago  als  bisher.  Es  ist  bezeichnend,  dass  nunmehr  Motye 
Kolonie  von  Karthago  heisst,  was  es,  wie  wir  wissen ,  ursprünglich  durchaus 
nicht  war.  Dennoch  behalten  diese  altphönioischen  Städte,  und  besonders 
Motye  und  Panormos,  noch  immer  eine  relative  Freiheit.  Fühlbar  machte  sich 
die  karthagische  Herrschaft  besonders  auf  dem  flachen  Lande ,  das  mit  jenen 
Städten  zusammen  nun  die  karthagische  Epikratie ,  wie  man  in  Sicilien  diese 
Provinz  nannte,  bildete.  Die  Verfassung  dieser  Provinz,  deren  Grenzen  wech- 
sehen,  ist  uns  unbekannt.  Die  Verschiedenheit  dieses  Zustandes  von  dem 
früheren  tritt  für  uns  besonders  klar  in  den  Münzverhältnissen  hervor ,  über 
die  wir,  da  sie  nicht  so  schnell  neugeordnet  sein  können,  erst  später,  bei 
Dionysios  und  dessen  Münzwesen  sprechen  werden.  Hier  nur  so  viel  davon^ 
dass  die  autonomen  Münzen  von  Motye  und  Panormos  verschwinden,  und  dass 
eine  karthagisch -sicilische  Landesmünze  eingeführt  wird,  die  sich  in  ihrem 
ganzen  Wesen  dem  syrakusanischen  Münzwesen  anschliesst. 

Sehr  bemerkenswert!!  ist  noch  die  Parteinahme  der  Sikaner  und  Sikeler 
für  Karthago ,  die  unmöglich  eine  rein  erzwungene  war.  Es  muss  bei  ihnen 
der  Gedanke  obgewaltet  haben,  durch  die  Karthager  die  Autonomie  wieder 
erreichen  zu  können,  welche  die  Griechen  ihnen  entrissen  hatten.  Die  Kar- 
thager verlangten  Steuern;  im  Uebrigen  Hessen  sie  die  Unterthanen  nach 
ihrer  Weise  leben.  Unfer  diesen  Verhältnissen  mochte  eine  Veränderung  der 
Herrschaft  den  Sikelem  wie  eine  Art  von  Befreiung  erscheinen,  freilich  nur  für 
kurze  Zeit. 

So  war  denn  nun  Sicilien  wieder  in  den  unseligen  Kreis  der  karthagi- 
schen Kriegspolitik  gezogen,  die  mit  ihrer  erdrückenden  Wucht  alle  Kräfte  des 


Die  karthagische  Epikratie.  ^  Hermokraies'  Rückkehr.  85 

Landes  in  Anspruch  nahm.  Wie  ganz  verschieden  halte  sich  die  punische 
Kriegführung  von  der  athenischen  gezeigt !  Hier  freie  Bürger,  langsam  unter 
möglichster  Schonung  der  Menschenleben  kämpfend ,  dort  Söldnerhaufen,  die 
2U  Tausenden  geopfert  werden ,  um  in  schrecklichem  Sturme  zu  siegen.  Die 
Athener  kamen  nie  wieder ,  um  Sicilien  zu  beunruhigen ;  für  die  Karthager 
war  der  kurze  und  glänzende  Feldzug  HannibaFs  nur  der  Anfang  von  vielen 
gewaltigen  Kämpfen ,  die  glücklicherweise  allmählich  den  Charakter  schauer- 
licher Grausamkeit  verloren,  der  den  Kampf  gegen  Selinus  und  Himera  zu 
«inem  so  entsetzlichen  macht. 


Zweites   EapiteL 
Fall  von  Akragas. 

Bald  nachdem  Himera  gefallen  war,  wahrscheinlich  im  Jahre  408  v.  Chr., 
kehrte  Hermokrates  nach  Sicilien  zurück.  Pharnabazos  hatte  den  Verbannten 
gut  aufgenommen  und  ihm  bedeutende  Geldsummen  geschenkt.  Mit  ihnen 
begab  er  sich  nach  Messana ,  liess  sich  dort  5  Kriegsschiffe  bauen  und  warb 
eine  Schaar  von  4000  Kriegern.  Er  trat  auf  wie  ein  beleidigter  Parteiführer, 
<ler  nichts  dagegen  hat,  im  Liebte  eines  künftigen  Herrschers  seiner  Vaterstadt 
zu  erscheinen.  Ungefähr  4  000  der  geflüchteten  Himeräer  stiessen  zu  ihm.  Er 
hatte  gehofft,  seine  Rückberufung  nach  Syrakns  schnell  durchsetzen  zu  können; 
4seine  Partei  war  jedoch  nicht  im  Stande ,  sie  zu  bewirken,  und  so  beschloss 
«r,  durch  eine  rasch  zu  erringende  bedeutende  Machtstellung  und  grosse  Ver- 
dienste um  die  griechische  Sache  das  ihm  noch  Verweigerte  zu  erzwingen. 

Die  dainalige  Lage  der  Insel  bot  einem  unternehmenden  Manne  günstige 
Aussichten.  Das  karthagische  Heer  war  abgezogen,  und  die  Griechen  im 
Westen  athmeten  auf.  Aber  es  war  kein  Führer  vorhanden,  kein  Mann,  der 
.gross  und  kühn  genug  gewesen  wäre,  für  die  griechische  Sache  alles  zu 
wagen.  Diokles  insbesondere  hatte  sich  als  Feldherr  in  einem  traurigen 
Lichte  gezeigt.  Nun  erschien  Hermokrates ,  der  schon  im  athenischen  Kriege 
bewiesen  hatte,  dass  er  ein  Mann  von  Einsicht  und  Energie  war.  War  es  ein 
Wunder,  wenn  man  ihm  zufiel?  Er  zog  nach  Selinus  und  ummauerte  einen 
Tbeil  davon.  Es  war  der  Burghügel ,  der  so  wieder  eine  hellenische  Festung 
wurde;  noch  jetzt  erkennt  man  die  von  Hermokrates  errichteten  Mauertheile 
<laran ,  dass  sie  in  den  in  sie  aufgenommenen  Gebäudefragmenten  die  deut- 
lichen Spuren  der  Eile  tragen,  womit  der  Bau  betrieben  werden  musste. 
Manche  SelinunUer  und  andere  Griechen  Hessen  sich  hier  nieder.  Dann  brach 
«r  mit  seinem  jetzt  auf  6000  Mann  angewachsenen  Heere  in  das  altpunische 
Gebiet,  schlug  die  Motyener  und  Panormitaner  und  verwüstete  das  Land. 
Das  war  schon  viel;   hatte  er  doch  eine  hellenische  Stadt  wiederhergestellt 


gg  Fünftes  Bach.  IL  Fall  vod  Akragas. 

und  den  Krieg  in  feindliches  Gebiet  getragen  I  Aber  diese  Erfolge  bewogen 
die  Syrakusaner  noch  nicht,  ihn  zurückzurufen.  Um  seinen  Zweck  zu  er- 
reichen ,  setzte  er  eine  That  in's  Werk ,  deren  Pathos,  wie  er  meinte,  auf  das 
Volk  im  gewünschten  Sinne  wirken  musste.  Diokles  hatte  Himera  so  schnell 
verlassen,  dass  er  nicht  einmal  die  dort  gefallenen  Syrakusaner  bestatten 
Hess.  Hermokrates  zog  dahin,  sammelte  die  Ueberreste  der  Gefallenen,  und 
sandte  sie ,  von  wenigen  der  Seinen  geleitet,  nach  Syrakus.  Nun  entstand  in 
der  Stadt  ein  heftiger  Streit.  Die  aristokratische  Partei  ^verlangte  ihre  Bestat- 
tung; Diokles  sagte,  es  sei  Betrug,  denn  woher  habe  Hermokrates  wissen 
können,  dass  die  Gebeine  Syrakusanern  angehörten?  Aber  Hermokrates  hatte 
das  Volk  richtig  beurtheilt ;  die  Syrakusaner  fühlten  ähnlich  wie  die  Athener 
zwei  Jahre  später ,  nach  der  Schlacht  bei  den  Arginusen ;  sie  bestatteten  die 
Körper  feierlich  und  verbannten  Diokles ;  —  aber  den  Hermokrates  riefen  sie 
darum  doch  nicht  zurück. 

Das  wiederholte  Fehlschlagen  seiner  theuersten  Hoffnungen  machte  den 
ehrgeizigen  Mann  ungeduldig  und  unbesonnen ;  er ,  den  sonst  nie  die  Leiden- 
schaft überwältigt  hatte ,  unternahm  auf  den  Wunsch  seiner  Anhänger  einen 
Handstreich.  Mit  3000  Soldaten  brach  er  von  Selinus  auf  und  zog  gen 
Osten.  In  seiner  Ungeduld  Hess  er  die  grosse  Masse  der  Seinigen  zurück  und 
kam,  nur  von  Wenigen  begleitet,  Nachts  an  dem  bestimmten  Versammlungs- 
orte, am  Thore  der  Achradina  an.  Seine  Freunde  erwarteten  ihn,  aber  es 
schien  unmöglich ,  etwas  auszurichten ,  bis  nicht  noch  mehrere  von  seinen 
Soldaten  angelangt  wären.  Inzwischen  verbreitete  sich  aber  in  Syrakus  die 
Nachricht,  dass  Hermokrates  mit  Bewaffneten  in  die  Stadt  gedrungen  sei.  Es 
entstand  grosse  Aufregung;  die  Tyrannis  schien  bevorzustehen.  Das  Volk 
sammelte  sich  auf  dem  Markte  und  warf  sich  auf  die  kleine  Schaar,  von  der 
die  meisten,  auch  Hermokrates  selbst,  den  Tod  fanden. 

So  endigte  ein  Mann  von  edlem  Sinne,*  einer  der  merkwürdigsten  Cha- 
raktere Siciliens.  Er  war  ein  rechter  Hüter  der  Macht  und  Unabhängigkeit  Si- 
ciliens  gewesen ;  tapfer,  rechtschaffen,  angesehen,  stets  zur  That  bereit;  auch 
wenn  ihm  kein  öffentliches  Amt  es  zur  Pflicht  machte,  für  Syrakusens  Sicher- 
heit besorgt.  Ohne  ihn  wären  die  Athener  nicht  so  vollständig  besiegt  worden ; 
vielleicht  hätten  sie,  wenn  er  nicht  gewesen  wäre,  trotz  des  Gylippos  gesiegt; 
denn  Gylippos  gab  die  Disciplin ,  den  Geist  konnte  er  nicht  geben,  der  musste 
aus  Syrakus  selbst  kommen;  ihn  hat  vor  allen  Hermokrates  den  Bürgern  ein- 
geflösst.  Und  wie  Syrakus  ihm  viel  verdankte,  so  würde  es  ihm  wahr- 
scheinlich noch  mehr  verdankt  haben ,  wenn  er  nicht  einen  vorzeitigen  Tod 
gefunden  hätte.  Es  ist  freilich  klar,  dass  er  sich  in  Syrakus  jetzt  nicht  anders 
halten  konnte,  als  wenn  er  sich  zum  Tyrannen  machte;  aber  der  TjTann 
Hermokrates  wäre  ein  zweiter  Gelon,  niemals  ein  Dionys  geworden.  Hermo- 
krates erinnert  in  mancher  Beziehung  an  Dion.  Beide  waren  von  Haus  aus 
Aristokraten,  beide  wurden  durch  die  Umstände  dazu  gedrängt,  ihren  Willen 
der  Stadt  aufzuzwingen ;  beide  kamen  bei  diesem  Versuche  um.  Doch  war 
Hermokrates  unendlich  thatkräftiger  als  Dion ;  Dion  war  mehr  Diplomat,  Her- 
mokrates Feldherr  durch  und  durch.  So  starb  er  denn  auch  den  Tod  eines 
Soldaten.  Die  von  seinen  Begleitern,  welche  die  Niederlage  überlebten,  wurden 


Tod  des  Hennokrates.    Hamibal  zam  zweiten  Mal  nach  SiciHen.  g7 

verbannt.  Unter  ihnen  hatte  sich  auch  der  künftige  Herrscher  der  Stadt, 
Dionysios,  der  Sohn  eines  andern  Uermokrates,  befunden.  Er  war  schwer 
verwundet,  und  seine  Freunde  gaben  ihn  fürtodt  aus;  so  kam  eS;  dass  er 
nicht  im  Verbanoungsdecrete  benannt  ward. 

Der  von  Hermokrates  bewirkte  Umschwung  in  den  gegenseitigen  Bezie- 
hungen der  Karthager  und  Griechen  auf  Sicilien  war  von  kurzer  Dauer.  Bald 
kamen  Nachrichten,  dass  jene  von  neuem  rüsteten,  und  die  Syrakusaner 
schickten  Gesandte  nach  Karthago ,  die  deswegen  Vorstellungen  machen  und 
Aufklärungen  verlangen  sollten.  Die  Karthager  gaben  ausweichende  Ant- 
worten, fuhren  in  ihren  Rüstungen  fort  und  gründeten  als  festen  Punkt  auf 
der  Insel  mit  Leuten  aus  Afrika  bei  den  warmen  Quellen,  unweit  des  zerstör- 
ten Himera,  die  Stadt  Therma,  das  jetzige  Termini ,  407  vor  Chr.  auf  und  an 
einem  in  das  Meer  vorspringenden  Felsen,  an  einem  Punkte ,  der  ein  grosses 
Stück  der  Küste  beherrscht  und  seitdem  nicht  wieder  verlassen  worden  ist. 
Doch  ist  die  Stadt  bald  aus  den  Händen  der  Afrikaner  in  die  der  Griechen 
übergegangen.  Im  folgenden  Jahre  (406  v.  Chr.)  kam  das  über  Sicilien  schwe- 
bende Unwetter  zum  Ausbruch.  Die  Erfolge  gegen  Selinus  und  Himera  hatten 
den  Karthagern  Zuversicht  gegeben,  und  ihr  Sinn  stand  jetzt  auf  die  Erobe- 
rung der  ganzen  Insel.  Hannibalj  der  Sieger  im  vorigen  Feldzug,  nahm  den 
Oberbefehl  diesmal  nur  unter  der  Bedingung  an ,  dass  ihm  sein  Vetter  Himil- 
kon,  Hannon's  Sohn,  zur  Seite  gestellt  wurde.  Den  Kern  des  Heeres  bildeten 
Karthager  und  Libyer,  dazu  kamen  Mauretanier  und  Numidier,  endlich  ibe- 
rische, balearische  und  kampanische  Söldner;  letztere  nicht  dieselben ,  vne 
vor  drei  Jahren ;  diese  waren ,  unzufrieden  mit  dem  empfangenen  Lohn ,  in 
griechische  Dienste  getreten.  Es  waren  im  Ganzen  nach  Ephoros  300,000 
Mann,  nach  Timaios  420,000,  die  auf  mehr  als  4000  Transportschiffen  nach 
Sicilien  hinüber  fuhren.  Die  zur  Erleichterung  der  Landung  vorausgeschickten 
40  Kriegsschiffe  wurden  von  einer  gleichen  Zahl  syrakusanischer  beim  Eryx 
geschlagen;  45  gingen  zu  Grunde,  die  übrigen  entkamen  bei  einbrechender 
Nacht.  Nun  fuhr  Hannibal  mit  50  Schiffen  nach  Sicilien,  und  die  Syrakusaner, 
voii  der  Gewaltigkeit  der  karthagischen  Macht  betroffen,  wagten  keinen  weiteren 
Widerstand  zur  See.  Sie  schickten  um  Hülfe  zu  den  Hellenen  in  Italien  und  im 
Peloponnes.  Hier  sieht  man ,  wie  inconsequent  man  in  Syrakus  in  Bezug  auf 
die  Marine  war.  Wo  waren  die  syrakusanischen  Flotten  geblieben,  die  gegen 
die  Athener ,  fast  4  00  Segel  stark ,  gefochten  hatten  ?  Aber  die  Syrakusaner 
waren  gar  nicht  die  zuerst  bedrohten,  das  waren  die  Akragantiner,  und  Akra- 
gas  hatte  überU^upt  keine  Flotte  I 

Akragas  hatte  nicht,  wie  Syrakus^  in  der  letzten  Zeit  grosse  Kriege  zu 
führen  gehabt;  ja,  man  muss  gestehen,  dass  es  seit  seiner  Gründung  nicht 
viele  kriegerische  Zeiten  gesehen  hat ,  wie  denn  auch  seine  Theilnahralosigkeit 
am  athenischen  Kriege  von  entschiedenem  Mangel  an  kriegerischem  Sinn  her- 
rührt, der  sich  nunmehr  schwer  rächen  sollte.  Die  Hauptbeschäftigungen 
seiner  Bürger  waren  Landbau  und  Handel.  Das  Gebiet  von  Akragas  war, 
ausser  an  Korn ,  besonders  reich  an  Wein  und  Oel ,  welche  Erzeugnisse  die 
Akragantiner  nach  Afrika ,  besonders  nach  Karthago ,  ausführten,  und  wofür 
sie  die  afrikanischen  Waaren,   d.  h.  namentlich  Gold  und  Elfenbein,   ein- 


.  1 


88  Fünftes  Buch.   II.  Fall  von  Akragas. 

tauschten.    Der  Reichtbum  von  Akragas  zeigte  sich  vor  allen  Dingen  in  den 
früher  beschriebenen  prachtvollen  Tempeln  und  dem  grossen  Fischteiche  von 
*7  Stadien  Umfang  und  20  Ellen  Tiefe.  Dazu  kam  noch  die  grosse  Zahl  anderer 
Denkmäler ,  unter  denen  den  Fremden  am  meisten  Monumente  auffielen ,  die 
Thieren  errichtet  waren.  So  hatten  Pferde,  die  in  Wettkämpfen  gesiegt  hatten, 
eigene  Denkmäler ,  andere  w  aren  von  Mädchen  zur  Erinnerung  an  Lieblings- 
Vögel  erbaut ;  Werke,  die  Timaios  sah,  und  die  also  die  Einnahme  von  Akra- 
gas durch  die  Karthager  überdauert  haben.    Viele  kunstvoll  gearbeitete  Bild- 
säulen zierten  die  Stadt,  auch  an  Gemälden  war  sie  reich,  worunter  eins  von 
Zeuxis'  Hand  am  bertlhmtesten  war,  eine  Alkmene,  die  der  Künstler  als  un- 
bezahlbar den  Akragantinern  geschenkt  hatte.     Viele  in  Akragas  gefundene 
Vasen  wurden  wahrscheinlich  in  dieser  Zeit  als  Gräberschmuck  benutzt,  und 
sicher  gehören  dem  5.  Jahrhundert  die  schönsten  akragantinischen  Münzen 
an ,  unter  denen  die  Serien  mit  den  zwei  Adlern  hervorragen ,  und  wo  auch 
Magistratsnamen:  Silanos  und  Straten ,  vorkommen.    Die  Fabrikthätigkeit  der 
Weberei  scheint  geblüht  zu  haben ;    von  den  bleiernen  Webestempeln ,   die 
man  in  Sicilien  gefunden  hat,  und  die  zum  Theil  offenbar  dem  5.  Jahrh.  v.  Chr. 
angehören,  weisen  einzelne  in  ihren  Symbolen  auf  Akragas  hin.  Höchst  glanz- 
voll und  üppig  war  das  ganze  Leben  der  Bürger.    Vor  wenigen  Jahren  war 
der  Akragantiner  Exainetos  als  Sieger  im  Stadion  von  Olympia  zurückgekehrt: 
er  wurde  von  seinen  Mitbürgern  in  einem  feierlichen  Zuge  eingeholt ,  in  wel- 
chem sich  300  Gespanne  von  je  zwei  weissen  Pferden,  alle  Akragantinern 
gehörig ,  befanden ,  wie  denn  gerade  die  Pferdezucht  von  Akragas  berühmt 
war.    Schmuck,  besonders  goldenen,  U*ugen  sie  mehr  als  sonst  die  Griechen ; 
sie  bedienten  sich  sogar  goldener  und  silberner  Striegeln  und  Oelgefässe 
in  den    Gymnasien.     Der  wahre  Repräsentant  des  akragantinischen  Luxus 
war  der  reiche  Gellias  oder  Tellias,    von  Person  unansehnlich,   aber  geist- 
reich und  von  königlicher  Munificenz.     In  seinem  Hause   waren  zahlreiche 
Fremdengemächer ,  und  an  seiner  Thür  standen  Sklaven ,  die  alle  des  Weges 
kommenden  Fremden  zu  ihm  einluden.    Zur  Winterszeit  kamen  einmal  500 
Reiter  aus  Gela  nach  Akragas ;  Gellias  nahm  sie  alle  in  sein  Haus  und  Hess 
auf  der  Stelle  an  jeden  ein  Ober-  und  Uniergewand,  die  in  seinen  Kisten 
bereit  lagen,  austheiien.    Seine  Weinkeller,  die  der  Schriftsteller  Polyklei- 
tos  als  Soldat  in  Sicilien  sah,   enthielten  300  in  den  Fels  gehauene  Fässer, 
von  denen  jedes  100  Amphoren  fasste  (4  Ämph.  =  7«  Ohm),  und  eine  grosse 
Kufe,  die  1000  Amphoren  hielt,  woraus  der  Wein  in  die  Fässer  floss.    Dass 
in  einer  Stadt,  die  so  sehr  auf  einen  reichgefullten  Weinkeller  hielt,  ein  massi- 
ges Leben  nicht  an  der  Tagesordnung  war,  versteht  sich  von  selbst ;  dass  aber 
den  Trinkern  viel  nachgesehen  wurde,   zeigt  die  folgende  Geschichte.    Eine 
Gesellschaft  von  Jünglingen  zechte  so  viel ,  dass ,  als  der  Boden  unter  ihren 
Füssen  zu  wanken  begann,  sie  sich  wie  Leute  auf  einem  schwankenden 
Schiffe  geberdeten,  die,  um  das  Fahrzeug  vor  dem  Untergang  zu  retten,  alles 
Schwere  über  Bord  werfen.  So  flog  denn  ein  Stück  des  Hausgeräths  nach  dem 
andern  zum  Fenster  hinaus ,  und  man  kann  sich  denken ,  mit  welchem  Jubel 
der  unten  versammelte  Pö))el  eines  nach  dem  andern  aufraffte  und  davontrug. 
Das  fast  Unglaubliche  bei  der  Geschichte  ist  aber,  dass,  als  am  folgenden  Tage 


Belagerung  von  Akragas.  S9 

die  Strategen  es  für  passend  hielten ,  den  Unfug  zu  untersuchen,  und  sich  zu 
diesem  Zwecke  in  das  Haus  begaben,  die  Junglinge  den  Spass  fortsetzten ,  die 
ehrwürdigen  Männer  als  Seegölter  anredeten  und  ihr  Benehmen  mit  der  Ge- 
walt des  Sturmes  entschuldigten;  auch  wenn  sie  erst  sicher  an's  Land  ge- 
kommen wären,  sie  als  Retter  zu  verehren  versprachen.  Es  scheint,  dass  die 
würdigen  Herren  den  Studentenstreich  nicht  übel  nahmen.  Von  diesem  Vor- 
falle hiess  seitdem  das  Haus  :  das  Schiff.  Man  sieht,  dass  das  Wort  des  Em- 
pcdokles  von  den  Akragantinern :  sie  bauten ,  als  ob  sie  ewig  leben ,  und 
assen,  als  ob  sie  morgen  sterben  sollten,  nicht  unverdient  war.  Ein  anderer 
durch  seine  Pracht  berühmter  Akragantiner  war  Antisthenes  mit  dem  Bei- 
namen Rhodos.  Bei  der  Hochzeit  seiner  Tochter  bevdrtbete  er  seine  Mitbürger 
auf  den  Strassen ,  jeden  vor  seinem  Hause ;  mehr  als  800  Wagen  begleiteten 
die  Braut,  und  von  Reitern  eine  ungeheure  Anzahl ,  zu  der  sich  auch  aus  den 
benachbarten  Städten  viele  zusammengefunden  hatten.  Das  Glänzendste  bei 
dieser  Feier  war  aber  folgendes :  Auf  alle  Altäre ,  in  den  Heiligthümern  und 
auf  den  Strassen ,  liess  Antisthenes  grosse  Haufen  Holz  legen  und  gab  ausge- 
wählten Sklaven  den  Befehl,  in  dem  Augenblicke,  wo  auf  der  Burg  die  Flamme 
aufleuchten  würde,  das  Holz  anzuzünden.  So  wurde  denn,  als  der  Brautzug 
begann  ,  die  ganze  Stadt  mit  einem  Male  auf  das  prächtigste  beleuchtet.  Dass 
eine  so  prachtliebende  Stadt,  die  übrigens  auf  ihre  Volkszahl  —  20,000  waf- 
fenfähige Bürger,  mit  Weibern,  Kindern,  Fremden  und  Sklaven  200,000  Men- 
schen —  stolz  war ,  in  ihrem  w^eichlichen  Leben  es  auch  im  Kriege  nicht  für 
nöthig  hielt,  dem  Luxus  zu  entsagen,  ist  begreiflich.  Doch  ist  es  arg,  wenn 
selbst  im  karthagischen  Kriege  das  Verbot  erlassen  werden  musste ,  dass  Nie- 
mand auf  die  Wache  mehr  als  ein  Unterbett,  ein  Oberbett,  eine  Decke  und 
zwei  Kopfkissen  mitbringen  dürfe.  Der  Schlag,  der  die  Akragantiner  nun 
treffen  sollte,  fiel  doch  nicht  unverdient,  wenn  anders  ernstes  Streben  mehr 
Anspruch  auf  Glück  verleiht^  als  üppiges  Nichtsthun. 

Die  Karthager  gelangten  ungehindert  nach  Sicilien  und  zogen  sogleich 
gegen  Akragas ,  dessen  Bewohner  schnell  die  Feldfrüchte  und  alle  bewegliche 
Habe  in  die  Stadt  brachten.  Der  Feind  nahm  eine  teste  Stellung  ein,  der  klei- 
nere Theil  des  Heeres,  die  Iberer  und  einige  Afrikaner ,  im  Ganzen  ungefähr 
40,900,  schlugen ^»auf  einigen  Hügeln«,  d.  h.  im  Osten  der  Stadt,  ein  festes 
Lager  auf,  während  der  grössere  Theil  näher  der  Stadt,  westlich  von  dersel- 
ben ,  ein  mit  W>11  und  tiefem  Graben  umgebenes  Lager  errichtete.  Nun  liess 
Hannibal  der  Form  wegen  die  Akragantiner  auffordern ,  stob  den  Karthagern 
anzuscbliessen  oder  wenigstens  neutral  zu  bleiben ;  sie  lehnten  es  ab,  und  der 
Kampf  begann. 

Akragas  war  nicht  so  schlecht  gertlstet  wie  Himera  und  besonders  Seli- 
nus  es  vor  drei  Jahren  gewesen  waren.  Die  waffenfähige  Mannschaft  theilte 
sich  in  zwei  Corps,  das  active  Heer  und  die  Reserve.  Dazu  kam  der  Lakedä- 
monier  Dexippos  mit  1500  Soldaten,  den  die  Akragantiner  aus  Gela,  wo  er 
lebte,  berufen  hatten,  und  die  oben  erwähnten  kampanischen  Söldner.  Die 
Lage  der  Stadt ,  deren  Kenntniss  vorausgesetzt  werden  muss ,  will  man  die 
Belagerung  derselben  verstehen,  ist  im  vorigen  Bande  geschildert  worden.  Ich 
erinnere  hier  besonders  an  zwei  wichtige  Punkte,  die  beide  durch  den  Plan 


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90  Fünftes  Euch.    II.  Fall  von  Akragas. 

der  Umgegend,  welcher  diesem  Bande  beigegeben  ist,  veranschaulicht  werden. 
Akragas  war  aus  zwei  Gründen  eine  äusserst  feste  Stadt.    Es  nahm  erstens 
eine  isolirte  Höhe  von  grosser  Ausdehnung  ein ,  und  sodann  überragte  diese 
Höhe  weit  die  ganze  Umgegend.    Nur  ari  einem  einzigen  Punkte,  nur  da ,  wo 
die  Stadt  an  die  Nekropolis  stiess ,  beim  sogenannten  Ponte  de'  Morti,  standen 
die  Mauern  nicht  auf  höherem  Boden ,  sondern  auf  gleichem  Niveau  mit  der 
Vorstadt.    Diesen  Theil  der  Mauer,  und  wahrscheinlich  zunächst  das  Stück  am 
Ponte  de'  Morti,  beschlossen  die  karthagischen  Feldherren  anzugreifen.    Zwei 
gewaltige  Belagerungslhürme  wurden  einen  Tag  lang  benutzt;  in  der  Nacht 
brachen  die  Akragantiner  hervor  und  zündeten  die  Thürme  an.    Nun  schlug 
Hannibai  einen  neuen  Weg  ein.   Er  liess  die  Erde  aufgraben,  um  einen  Danim 
zu  schütten,   auf  welchem  man  bequem  auf  die  Höhe  der  Mauer  gelangen 
wollte.    Unglücklicherweise  mussten  bei  dieser  Gelegenheit  viele  Gräber  um- 
gewühlt werden,  und  in  Folge  der  Blosslegung  der  Leichen  brachen  Seuchen 
im  Heere  aus.    Natürlich  sahen  die  Priester  darin  eine  Wirkung  des  göttlichen 
Zornes  über  die  Entweihung  der  Gräber,  und  der  Umstand,  dass  das  in  dieser 
Gegend  gelegene  Grabmal  Theron's  um  dieselbe  Zeit  [von  einem  [Blitzstrahl 
erschüttert  wurde,  ward  damit  in  Verbindung  gebracht.  Der  Schrecken  mehrte 
sich  noch ,  da  Hannibai  selbst  starb  und  die  Wachen  allnächtlich  von  Geister- 
erscheinungen gequält  wurden.  Aber  Himilkon  verstand  es,  den  Zorn  der  Götter 
zu  besänftigen.    Das  Niederreissen  der  Gräber  musste  aufhören,  dem  Eronos 
wurde  ein  Knabe  geopfert  und  für  Poseidon  eine  Menge  von  Sühnopfem  in's 
Meer  versenkt.    Als  sich  nun  Furcht  und  Krankheit  legten ,  ward  die  Belage- 
rung mit  um  so  grösserem  Eifer  fortgesetzt.    Man  fuhr  mit  Aufschüttungen, 
vielleicht  etwas  weiter  südlich ,  fort  und  brachte  so  Maschinen  an  die  Stadt- 
mauer. Indess  bereiteten  die  Syrakusaner  eine  kräftige  Diversion  vor.    Nach- 
dem Verbündete  aus  Messana  und  Italien  angelangt  waren ,  zog  eine  ansehn- 
liche Streitmacht  unter  Daphnaios  aus  und   vereinigte  sich  unterwegs  mit 
Kamarinäern,  Geloern  und  Sikelern.    Es  waren  zuletzt  30,000  Mann  zu  Fuss 
und   5000  Reiter.     Eine  Flotte  von  30  Schiffen  begleitete  das  Heer.     Ihm 
sandte  Himilkon  die  Ibere«  und  Kampaner  und  ausserdem  40,000  Mann  an- 
derer Truppen  entgegen.     Nicht  sehr  weit  von  Akragas  stiessen  die  Heere  auf 
einander.     Die  Griechen  siegten ;  6000  des  karthagischen  Heeres  fielen ;  die 
übrigen  ergriffen  die  Flucht ,  von  den  Griechen  verfolgt.    Doch  dachte  Daph- 
naios an  das  bei  Himera  Vorgefallene  und  dehnte  die  Verfolgung  nicht  zu  weit 
aus.    Dagegen  hätten  die  Akragantiner  die  Pflicht  gehabt,  als  die  geschlagenen 
Feinde  sich  der  Stadt  näherten,  sie  zu  überfallen.  Die  Soldaten  baten  dringend 
darum ,  aber  die  Feldherren  weigerten  sich  aus  Sorge  für  die  Stadt,  die  sonst 
in  diesem  Augenblick  von  Himilkon  genommen  werden  könnte.    So  brachten 
sich  die  Karthager  in  dem  grösseren  wohlgeschützten  Lager  bei  der  Stadt  in 
Sicherheit,  während  Daphnaios  das  andere,  von  den  Iberern  verlassene  mit 
seinen -Truppen  bezog.  Hierher  strömten  schnell  die  bewaffneten  Akragantiner, 
und  es  bildete  sich  eine  förmliche  Volksversammlung,  in  der  der  grtfsste  Un- 
wille tlber  die  Feldherren  laut  wurde ,  die  sie  nicht  zur  rechten  Zeit  hinaus- 
geführt hätten.    Der  Kamarinäer  Menes  machte  sich  zum  Wortführer  der  Un- 
zufriedenen ;  die  Feldherren  versuchten  vergebens,  sich  zu  vertheidigen.  Der 


Fall  von  Akragas.  9 1 

empörte  Haufe  griff  zu  dem  herkömmlichen  Mittel  der  Volks-  und  Soldaten- 
justiz —  zu  Steinen ,  und  vi^r  von  ihnen  wurden  getodtet.  Den  fünften,  Ar- 
geios,  rettete  seine  Jugend.  Dexippos,  den  man  als  Spartaner  nicht  anzutasten 
wagte,  musste  die  heftigsten  Schmähungen  hören.  So  viel  ist  klar:  da  die 
Akragantiner  in  dieser  Weise  vor  der  Stadt  tagten,  htttten  sie  auch  zum  Kampf 
herauskommen  können. 

Die  Griechen ,  welche  sich  jetzt  als  die  Stärkeren  fühlten ,  beabsichtigten 
anfangs  noch  einen  Angriff  auf  das  karthagische  Lager ,  als  es  sich  aber  als  zu 
fest  erwies,  begnügten  sie  sich  damit,  den  Feind  mit  ihrer  Reiterei  zu  um- 
schwärmen und  ihm  den  Proviant  abzuschneiden.  Bald  entstand  bei  den 
Karthagern  ein  Gefühl  der  Unbehaglichkeit ,  das  sich  in  Widerwillen  gegen 
Unternehmungen  äusserte,  und,  was  noch  schlimmer  war,  Mangel  an  Lebens- 
mitteln. Nachdem  die  Belagerung  Monate  gedauert  hatte  und  der  Winter  vor 
der  Thür  stand,  kam  es  vor,  dass  karthagische  Soldaten  Hungers  starben.  Ein 
solcher  Zustand  war  für  Söldner  unerträglich.  Viele  von  ihnen,  die  Kampaner 
an  der  Spitze ,  drängten  sich  vor  das  Feldhermzelt  und  forderten  ungestüm 
den  gebührenden  Proviant,  sonst  würden  sie  zu  den  Griechen  übergehen.  In 
dieser  Verlegenheit  entwarf  Himilkon  einen  Plan ,  dessen  glückliche  Ausfüh- 
rung alles  mit  einem  Schlage  änderte.  Er  hatte  gehört,  dass  von  Syrakus  Ge- 
treide nach  Akragas  geschidLt  wurde ,  erlangte  von  den  Söldnern  durch  Ver- 
pfändung der  goldenen  und  silbernen  Becher  der  im  Heere  dienenden  Karthager 
einige  Tage  Aufschub  und  griff  mit  40  schnell  aus  Panormos  und  Motye  her- 
beigeholten Kriegsschiffen  die  griechische  Flotte  an,  die  er  vollständig  besiegte. 
Acht  syrakusanische  Schiffe  sanken,  die  übrigen  flüchteten  an  den  Strand, 
aber  sämmtliche  Komschiffe  fielen  in  seine  Hände.  Nun  herrschte  im  Lager 
Jubel ,  in  Akragas  um  so  grössere  Niedergeschlagenheil.  Die  Hülfsvölker  be- 
gannen zu  glauben ,  dass  die  Stadt  sich  doch  nicht  werde  halten  können,  und 
rechtzeitig  gespendetes  karthagisches  Gold  bestärkte  sie  in  dieser  Ansicht. 
Die  Kampaner  waren  die  ersten ,  die  45  Talente  als  einen  angemessenen  Preis 
ihres  Uebergangs  ansahen,  sie  zogen  in's  karthagische  Lager.  Dann  machte  der 
Spartaner  Dexippos  für  andere  4  5  Talente  —  ein  Spartaner  war  natürlich  so  viel 
werth  wie  800  Kampaner  —  die  Entdeckung,  die  ersieh  beeilte  den  Feldherren  der 
Italioten  im  Heere  mitzutheilen,  dass  man  an  einem  so  schlecht  verproviantirten 
Platze  keinen  Krieg  führen  könne ;  Alle  fanden  deshalb,  dass  die  Zeit,  für  die 
sie  sich  verpflichtet,  abgelaufen  sei,  und  verliessen  mit  ihren  Truppen  die 
Stadt.  Nun  waren  nur  noch  sicilische  Hülfsvölker  in  Akragas.  Sie  forschten 
ihrerseits  dem  Proviant  nach,  und  es  zeigte  sich  selbstverständlich,  dass  er 
nicht  ausreichte,  woraus  sich  dann  ebenso  natürlich  der  Beschluss  ergab, 
gleichfalls  abzuziehen.  Der  Abfall  sämmtlicher  Bundesgenossen  brachte  die 
Akragantiner  von  Sinnen.  Statt  den  Versuch  zu  machen ,  die  nicht  einge- 
schlossene Stadt  besser  zu  verproviantiren  —  es  hätten  ja  Weiber  und  Kinder 
abziehen  können  —  ward  das  Unglaubliche  beschlossen,  Akragas,  dessen 
Mauern  noch  unerschüttert  standen,  zu  verlassen.  In  einer  Nacht  zog  fast 
Alles,  was  noch  gehen  konnte,  aus  Akragas  foK.  Die  Alten  und  Kranken  liess 
man  zurück ,  man  wäre  ja  sonst  mit  ihnen  umgekommen,  rechnete  sich  da- 
gegen die  Strapazen  des  Weges  hoch  an.  Die  Flüchtigen  gelangten  ohne  Unfall 


92  Fünftes  Buch.    HI.  Dionys.   Erster  Krieg  desselben  mit  den  Karthagern. 

nach  Gela ,  von  wo  sie  später  nach  dem  ihnen  von  den  Syrakusanern  über- 
iassenen  Leontini  übersiedelten.  —  Manche  hatten  es  jedoch  nicht  über^s  Herz 
bringen  können,  so  feige  die  Stadt  zu  verlassen;  sie  tödteten  sich  selbst. 
Einige  waren  in  die  Tempel  geflüchtet  oder  sonst  zurückgeblieben.  Als  nun 
bei  Tagesanbruch  Himilkon  in  die  Stadt  einzog,  liess  er  Alle,  die  er  fand,  auch 
in  den  Heiiigthümern,  tödten.  Gellias  hatte  sich  in  den  Tempel  der  Athene  zu- 
rückgezogen, in  der  Erwartung,  dass  der  heilige  Ort  ihn  schützen  werde; 
als  er  sah,  wie  die  Feinde  hausten,  verbrannte  er  sich  mit  dem  Tempel  und 
seinen  Schätzen. 

Die  Beute ,  welche  die  Karthager  in  Akragas  machten ,  war  ungeheuer ; 
Akragas  war  damals  wohl  die  reichste  aller  hellenischen  Städte.  Der  grösste 
Theil  des  Erbeuteten  ward  an  Ort  und  Stelle  verkauft ,  das  Werthvollste  aber 
schickte  Himilkon  nach  Karthago,  darunter  auch  den  Stier  des  Phalaris. 


Drittes  Kapitel. 
Dionys.   Erster  Krieg  desselben  mit  den  Karthagern. 

So  war  denn  nun  schon  die  dritte  grosse  Stadt  Siciliens  in  die  Hände  der 
Karthager  gefallen.  Der  Feind  trat  immer  gewaltiger  auf,  die  Vertheidigung 
der  Griechen  ward  immer  schlaffer.  Das  nur  von  seinen  Bürgern  veitheidigte 
Selinus  hatten  die  Karthager  in  neunUigigem  Sturme  genommen ;  in  Himera 
gaben  Hülfstruppen  das  Beispiel  der  Desertion ,  und  die  der  Hälfte  ihrer  Ver- 
theidiger  entblösste  Stadt  ward  erstürmt;  in  Akragas  endlich  waren  Alle,  die 
Hülfstruppen  wieder  an  der  Spitze,  schimpflich  geflohen.  Die  noch  freien 
Griechen  auf  Sicilien  mussten  ausser  sich  sein  vor  Entsetzen.  Dass  man  Muib 
hatte ,  dessen  war  man  sich  bewusst.  Woher  denn  die  schimpfliche  Nieder- 
lage, und  wie  war  ähnliches  in  Zukunft  zu  vermeiden?  Solche  Gedanken  er- 
füllten besonders  die  Syrakusaner,  die  sich  mit  Recht  als  die  Vorkämpfer  Sici«^ 
liens  betrachteten  und  jetzt  die  letzte  Hofi'nung  der  Sikelioten  waren.  Der 
Schrecken  in  Sicilien  war  so  gross,  dass  Manche  sogar  über  die  Meerenge 
nach  Italien  flohen;  Andere  aber  suchten  ihre  Zuflucht  in  Syrakus.  Hier 
sprachen  besonders  die  geflüchteten  Akragantiner  ihre  Meinung  dahin  aus, 
dass  die  Unfähigkeit  der  von  den  Syrakusanern  ausgesandten  Feldherren  die 
Schuld  des  ganzen  Unglücks  trage.  Den  Syrakusanern  kam  diese  Anklage 
nicht  ganz  unerwartet,  und  sie  waren  nicht  abgeneigt,  den  Anklägern  zu 
glauben.  Es  lag  sogar  in  diesen  Anklagen  etwas  ihnen  Wohlgefälliges:  das 
Eingeständniss ,  dass  Syrakus  die  erste  Stadt  der  Insel  sei ,  der  die  Verant- 
wortlichkeit für  Glück  und  Unglück  derselben  zufalle.  So  war  denn  in  der 
syrakusanischen  Volksversammlung,  als  man  zu  Verhandlungen  über  diesen 
Gegenstand  schritt ,  die  Stimmung  eine  ganz  eigenthümliche.  Die  Schuld  der 
Feldherren  lag  nicht  klar  vor,  andererseits  aber  war  das  Gefühl  allgemein, 


Auftreten  des  Dionys.  93 

dass,  wenn -man  auch  nichts  Einzelnes  zu  tadeln  wisse ,  doch  Alles  nicht  so 
gehe,  wie  es  sollte,  und  Alles  besser  werden  müsse.  Aber  wo  war  zu  ändern? 
Niemand ,  der  es  aufrichtig  meinte ,  hätte  es  auf  der  Stelle  sagen  können,  er 
hätte  denn  die  richtige ,  aber  entweder  überflüssige  oder  bedenkliche  Bemer- 
kung machen  wollen ,  dass  für  die  schwierige  Lage  der  rechte  Mann  zu  finden 
sei.  Und  dies  war  jedenfalls  das  Gefühl  des  Volkes ,  welches  das  Bedürfnis» 
empfand,  einem  Führer  zu  folgen,  ;dem  es  sein  volles  Vertrauen  schenken 
konnte. 

Diese  Lage  der  Dinge  verstand  Dionysios  zu  benutzen,  dem  wir  schon  als 
Begleiter  des  Hermokrates  begegnet  sind.  Er  war  von  guter,  jedoch  keines- 
wegs vornehmer  Herkunft  und  bekleidete  das  Amt  eines  Schreibers  einer 
Behörde ,  noch  jung ,  von  ausserordentlicher  Begabung  und  grosser  Keckheit. 
Er  hatte  es  verstanden ,  sich  bei  der  Partei  des  Hermokrates  in  Ansehen  zu 
setzen,  und  diese  unterstützte  ihn  bei  seinem  ersteo  Auftreten ,  da  sie  hoffen 
mochte,  selbst  an^s  Ruder  zu  kommen,  wenn  erst  durch  sein  ungestümes  An- 
drängen die  Demokraten  gestürzt  wären.  Als  nun  in  der  Volksversammlung 
Niemand  das  peinliche  Schweigen  der  Verlegenheit  brechen  wollte,  erhob  sich 
Dionys  und  klagte  laut  die  Feldherren  an.  Im  Verlaufe  der  Rede  wurde  er 
immer  heftiger  und  schloss  nlit  der  Aufforderung,  nicht  die  vorgeschriebene  Zeit 
der  Untersuchung  abzuwarten,  sondern  auf  der  Stelle  ihnen  eine  Strafe  aufzu- 
legen. Eine  solche  Aufforderung,  die  Gesetze  zu  verletzen ,  konnten  die  Vor- 
sitzenden nicht  ungerügt  lassen :  sie  belegten  Dionys  mit  der  für  diese  Fälle 
festgesetzten  Geldstrafe.  Hier  zeigte  sich  nun  die  Unvollkommenheit  einer  Ge- 
setzgebung, die  durch  solche  Mittel  den  Parteigeist  bannen  zu  können  meinte ; 
ein  reicher  junger  Mann ,  Philistos ,  der  spätere  Historiker ,  erhob  sich  und 
erklärte  laut,  er  werde  diese  Strafe  für  Dionysios  zahlen,  und  ebenso  alle  an- 
deren, die  er  sich  an  diesem  Tage  noch  etwa  für  seine  Reden  zuziehen  könne. 
Das  mehr  als  kecke  Auftreten  des  Philistos  erfüllte  seinen  Zweck  vollkommen, 
und  Dionys  konnte  in  seinen  Anklagen  fortfahren.  Die  Feldherren  hätten,  be- 
stochen von  den  Karthagern,  Akragas  zu  Grunde  geben  lassen;  es  seien  aber 
überhaupt  die  herrschenden  Parteiführer  in  Syrakus  anzuklagen ,  die  nur  nach 
der  Errichtung  einer  Oligarchie  strebten.  So  wurde  von  der  Partei  des  Her- 
mokrates den  Gegnern  derselbe  Vorwurf  zurückgegeben,  den  diese  im  An- 
fange des  athenischen  Krieges  gegen  ihn  erhoben  hatten.  Dionys  schlug  nun 
vor,  in  Zukunft  nicht,  wie  bisher,  die  Angesehensten  und  Reichsten  zu  Feld- 
herren zu  wählen,  sondern  die  dem  Volke  Wohlgesinnten,  wenn  sie  auch  arm 
wären.  So  wäre  man  am  sichersten,  treue  Diener  des  Staates  zu  haben.  Man 
that,  was  Dionys  beantragte,  wenigstens  zum  Theile :  die  Feldherren  wurden 
abgesetzt  und  neue  gewählt,  unter  ihnen  Dionys  selbst;  die  andern  neuge- 
wählten gehörten  jedoch  derselben  Partei  an  wie  die  alten. 

Für  Dionys  war  diese  Würde  nur  eine  Stufe  zu  Höherem.  Er  hielt  sich 
von  seinen  Mitfeldherren  durchaus  fern  und  verkehrte  nicht  einmal  in  Dienst- 
angelegenheiten mit  ihnen,  weil  sie,  wie  er  sagte,  mit  den  Karthagern  Ver- 
handtungen trieben,  die  er  nicht  billigen  könne.  Seine  zurückgezogene  Haltung 
erregte  unter  einem  Theile  der  Bürgerschaft  gerechten  Argwohn ,  der  grosse 
Haufe   dagegen  jubelte,   als  sei  nun  endlich  der  rechte  Führer  des  Staates 


V-.- 


94  Fünftes  Buch.   III.  Dionys.   Erster  Krieg  desselben  mit  den  Karthagern. 

gefundeq.  Sein  nächster  Schritt  war  sehr  klug,  da  er  durch  ihn  zugleich  seine 
Verpflichtungen  gegen  die  Partei  des  Hermokrates  erfüllte  und  seine  persön-  ^ 
liehen  Pläne  förderte.  Er  machte  dem  Volke  den  Vorschlag,  alle  Verbannten 
zurückzurufen.  Er  sagte  mit  vollkommenem  Rechte,  es  sei  sonderbar,  dass 
man  in  der  gefährlichen  Lage,  in  welcher  jetzt  Syrakus  und  ganz  Sicilien  sich 
befänden,  aus  dem  Peloponne's  und  Italien  Fremde  zu  Hülfe  hole  und  sich 
nicht  der  eigenen  Mitbürger  bediene ,  die,  aus  der  Heimat  verbannt  und  aller 
Lebensfreuden  beraubt,  dennoch  vorzögen ,  auf  fremder  Erde  umherzuirren, 
statt  den  Lockungen  der  Feinde  zu  folgen  und  gegen  grossen  Lohn  in  ihre 
Reihen  zu  treten.  Sie  würden  ihren  Dank  für  die  Rückberufung  dadurch  ab- 
tragen, dass  sie  die  Vaterstadt  vertheidigten.  Das  Volk  nahm  den  Vorschlag, 
dem  die  übrigen  Feldherren  nicht  entgegenzutreten  wagten,  an,  und  es  kamen 
Leute  wieder  nach  Syrakus  zurtlck,  die  bereit  waren ,  zum  Umstürze  der  Ver- 
fassung die  Hand  zu  bieten. 

Nach  diesem  ersten  Schritte  machten  es  die  auswärtigen  Verhältnisse  dem 
Dionys  bald  möglich ,  einen  zweiten  zu  thun.  Die  Stadt  Gela ,  die  nach  der 
Einnahme  von  Akragas  durch  die  Karthager  der  erste  Gegenstand  ihrer  An- 
griffe sein  musste,  bat  dringend  um  besseren  Schutz.  Dexippos  war  allerdings 
dort,  von  Syrakus,  das  als  die  Führerin  Siciliens  handelte,  zum  Gommandan- 
ten  der  im  übrigen  unabhängigen  Stadt  ernannt ,  aber  konnte  der  Verräther 
von  Akragas  Gela  schützen?  Dionys  wurde  mit  2000  Mann  zu  Fuss  und  400 
Reitern  dahin  geschickt.  Er  traf  die  Geloer  durch  innere  Streitigkeiten  heftig 
aufgeregt.  Es  herrschte  auch  hier  Hass  zwischen  den  Reichen  und  dem  ärme- 
ren Volke,  und  Dionys,  seinen  Vortheil  auch  hier  wahrnehmend,  spielte 
schnell  dieselbe  Rolle  wie  in  Syrakus ,  nur  mit  grösserer  Rücksichtslosigkeit 
und  vollständiger  Hintansetzung  der  aristokratischen  Partei.  Er  trat  als  Be- 
schützer des  Volkes  auf,  klagte  die  Reichen  öffentlich  des  verrätherischen  Ein- 
verständnisses mit  den  Karthagern  an,  betrieb  ihre  Verurtheiiung  und  Hess  sie 
rasch  tödten  und  ihre  Güter  einziehen.  Mit  dem  so  gewonnenen  Gelde  zahlte 
er  den  Truppen  des  Dexippos  ihren  rückständigen  Sold.  Zugleich  versprach 
er  den  mit  ihm  selbst  Gekommenen  für  die  Zukunft  das  Doppelte  der  von  Sy- 
rakus ausgesetzten  Löhnung.  So  wurden  die  Soldaten  ihm  gänzlich  ergeben, 
aber  auch  bei  den  Geloern  ward  er  so  beliebt,  dass  sie  ihm  aus  Staatsmitteln 
werthvolle  Ehrengeschenke  zuerkannten  und  Gesandte  nach  Syrakus  schick- 
ten ,  um  dem  Volke  dieser  Stadt  die  Wohlthaten ,  die  sie  von  Dionys  empfan- 
gen, und  die  Art,  wie  sie  ihn  dafür  geehrt,  mitzutheilen.  Es  scheint,  dass 
Dionys  anfangs  den  Plan  hatte ,  sich  in  Gela  eine  Herrschaft  zu  gründen,  und 
nur  durch  den  Widerspruch  des  Dexippos,  der  sich  weigerte,  dazu  mitzuwirken, 
an  der  Ausführung  seines  Planes  verhindert  wurde.  Genug,  nach  einiger  Zeit 
hatte  er  in  Gela  keine  Ruhe  mehr,  er  benachrichtigte  die  Geloer  von  seiner 
Absicht,  mit  seinen  Truppen  wieder  nach  Syrakus  zu  gehen,  und  als  sie,  das 
Schicksal  der  Akragantiner  fürchtend ,  ihn  dringend  baten,  sie  nicht  im  Stiche 
zu  lassen,  versprach  er  ihnen,  bald  mit  grösserer  Macht  wiederzukommen 
und  ging  nach  Syrakus.  Als  er  hier  ankam,  war  gerade  Theater  gewesen  und 
die  Volksmenge  auf  dem  Wege  nach  Hause.  So  wie  man  ihn  erblickte ,  fragte 
man  ihn,  was  es  Neues  von  den  Karthagern  gäbe.     Dionys  erwiderte,  sie 


Dtonys  einziger  Feldherr.  951 

schienen  zu  glauben,  die  Karthager  seien  ihre  gefährlichsten  Feinde.  Dem  sei 
nicht  so;  ihre  schlimmsten  Feinde  wären  in  Syrakus  selbst:  ihre  Fe1dheri*en, 
die  das  Geld  der  Stadt  in  die  Tasche  steckten  und  die  Truppen  unbezahlt 
liessen,  und  die,  während  die  Karthager  die  gewaltigsten  Vorbereitungen 
gegen  Syrakus  machten,  selbst  alle  Rüstungen  vernachlässigten.  Das  habe  er 
alles  auch  schon  früher  eingesehen ,  jetzt  sei  er  aber  der  Veranlassung  auf  die 
Spur  gekommen.  Denn  Himilkon  habe  einen  Herold  zu  ihm  gesandt,  dem  An- 
schein nach  wegen  der  Auswechselung  der  Gefangenen ,  in  Wirklichkeit  aber, 
um  ihm  sagen  zu  lassen ,  er  möge,  wenn  er  nicht  für  ihn  sein  wolle ,  wenig- 
stens nicht  gegen  ihn  handeln ,  und  sich  nicht  zu  viel  um  das,  was  vorfiele, 
kümmern.  Da  nun  so  die  Feldherren  ihr  Vaterland  verkauften,  wolle  er  nicht 
länger  ihr  Amtsgenosse  bleiben.  Die  durch  seine  Worte  Aufgeregten  verbrei- 
teten überall  in  der  Stadt  Angst  über  die  drohende  Zukunft.  Am  folgenden 
Tage  wurde  eine  Volksversammlung  gehalten,  und  in  dieser  brachte  Dionys 
dieselben  Beschwerden  gegen  die  Mitfeldherren  vor.  Sie  waren  nicht  ganz 
unbegründet;  die  Thatsache  wenigstens,  dass  Dionys  erst  die  Truppen  in 
Gela  mit  ganz  ausserordentlichen  Mitteln  hatte  bezahlen  müssen ,  sprach  ent- 
schieden gegen  ihre  Fähigkeit,  wenn  nicht  gegen  ihre  Redlichkeit,  auch  war  es 
wenigstens  seltsam ,  dass  man  Dexippos  als  Commandanten  in  Gela  gelassen 
hatte.  Als  die  Anhänger  des  Dionys,  der  damals  noch  unter  den  angesehensten 
Männern  Freunde  hatte ,  —  es  wird  besonders  eia  gewisser  Hipparinos  ge- 
nannt, von  dem  man  sogar  behauptete,  er  habe  ursprünglich  den  Dfonys  nur 
vorgeschoben,  um  seine  eigenen  Absichten  zu  erreichen  —  sahen,  dass  das 
Volk  seinen  Reden  Beifall  schenkte ,  wagten  sie  sich  mit  dem  Antrage  her- 
vor, die  gesammte  Vollmacht  des  Feldherrencollegiums  auf  ihn  allein  zu  über- 
tragen, den  einzigen,  der  die  Stadt  retten  könne ;  so  sei  einst  das  ungeheure 
Heer  der  Karthager  bei  Himera  von  Gelon  allein  geschlagen  worden.  Das 
Volk  stimmte  bei,  und  Dionys  war  einziger  Feldherr  der  Syrakusaner  mit  un- 
beschränkter Vollmacht  in  Allem ,  was  sich  auf  den  Krieg  bezog.  Er  trat  sein 
Amt  mit  dem  gern  bewilligten  Vorschlage  an,  den  Kriegern  doppelten  Sold  zu 
zahlen;  so  erfüllte  er  sein  in  Gela  gegebenes  Versprechen. 

So  war  denn  auch  der  zweite  Schritt  geschehen ;  Dionys  hatte  keine  Gol- 
legen  mehr;  ihm  fehlte  zur  Tyrannis  nur  noch  die  Leibwache.  Diese  ver- 
schaffte er  sich  durch  dieselbe  List,  die  einst  Peisistratos  angewandt  hatte.  Er 
gebot  allen  waffenfähigen  Syrakusanern  unter  40  Jahren,  mit  Lebensmit- 
teln für  30  Tage  und  ihren  Waffen  nach  Leontini  zu  kommen,  wo  damals 
viele  Verbannte  sich  aufhielten,  unter  denen  ^er  leicht  Anhänger  zu  finden 
hoffte.  Hier  entstand  in  der  Nacht  in  dem  im  Freien  dicht  bei  der  Stadt  auf- 
geschlagenen Lager  ein  grosser  Tumult.  Dionys  stürzte  aus  seinem  Zelt  her- 
vor, rief,  man  habe  ihn  ermorden  wollen  und  floh  auf  die  Akropolis,  wo  er 
Feuer  anzünden  liess  und  die  besten  seiner  Soldaten  um  sich  sammelte.  Am 
nächsten  Morgen  strömten  Alle ,  die  in  der  Nähe  w*aren  (von  dem  syrakusa- 
nischen  Auijgebote  fehlten  Manche ) ,  nach  Leontini  zusammen ;  Dionys  wie- 
derholte seine  Erzählung  von  dem  Mordversuche  und  brachte  die  Menge 
—  Syrakusaner,  Fremde,  die  Leontini  bewohnten,  endlich  Gesindel  aller 
Art  —  dazu,  ihm  eine  Leibwache  von  600  Mann  anzubieten,  die  er  sich  selbst 


96  Fünftes  Buch.   III.   Dionys.   Erster  Krieg  desselben  mit  den  Karthagern. 

auswählen  könne.  Er  wählte  über  4000,  bewaffnete  sie  gut  und  verhiess 
ihnen  ein  glänzendes  Loos ;  die  Miethstruppen  gewann  er  ebenfalls  durch  leut- 
seliges Betragen  und  glänzende  Versprechungen.  Nachdem  er  seinen  Zweck  er- 
reicht hatte,  blieb  er  noch  eine  Zeitlang  in  Leontini ;  dann  ging  er  nach  Syrakus 
(405  y.  Chr.).  Warum  aber  duldete  Syrakus  seine  Usurpation^  Die  Nachricht, 
dass  er  eine  Leibwache  habe,  dass  also  die  Tyrannis  fertig  sei,  musste  bald  in 
der  Stadt  verbreitet  sein ;  wenn  man  ihn  zum  Herrscher  nicht  wollte,  warum 
verschloss  man  nicht  die  Thore?  Wir  müssen  es  eingestehen:  dass  Dionys 
Alleinherrscher  von  Syrakus  wurde ,  geschah  nach  dem  Willen  der  Mehrzahl 
der  Syrakusaner,  die  in  ihm  den  Retter  der  Vaterstadt  erblickten.  Und  wenn 
das  bisherige  System  zum  Verluste  von  Selinus ,  Himera  und  Akragas  geführt 
hatte,  konnte  man  es  den  Syrakusanern  verdenken,  dass  sie  es  mit  einem  an- 
dern versuchen  wollten?  Dionys  war  noch  jung,  und  sehr  fähig  und  ener- 
gisch, warum  sollte  er  nicht  ein  neuer  Geion  werden'? 

Es  darf  hier  die  allgemeine  Bemerkung  gemacht  werden ,  dass  in  so 
aussergewöhnlichen  Lagen,  wie  die  war,  in  der  sich  Siciiien  damals  befand, 
die  unbeschränkte  Demokratie  sich  noch  stets  unfähig  gezeigt  hat.  Selbst  eine 
Aristokratie  wie  die  römische ,  die  doch  mehr  Zähigkeit  und  Tradition  besass^ 
wählte  dann  einen  Diktator.  Frankreich  hatte  seinen  Wohlfahrtsausschuss  und 
seinen  Bonaparte.  Siciiien,  von  den  Karthagern  mit  dem  Untergange  bedroht, 
konnte  nur  zur  Tyrannis  seine  Zuflucht  nehmen.  Dass  überdies  der  sicilische 
Charakter  die  Tyrannis  einigermassen  begünstigte ,  kann  nicht  geläugnet  wer- 
den. Die  Tyrannis  verhält  sich  zum  Königthum,  vWie  die  Sophistik  zur  Philo- 
sophie, und  beide  sind  in  gewisser  Weise  in  Siciiien  heimisch.  Endlich  ist 
noch  ein  Umstand  nicht  zu  übersehen ,  der  die  an  sich  für  einen  Nothfall  we- 
nigstens vorübergehend  nothwendige  und  ausserdem  in  Siciiien  sehr  natür- 
liche Tyrannis  im  vorliegenden  Falle  noch  begreiflicher  macht.  Bei  dem  Kriege 
der  Griechen  gegen  die  Karthager  musste  eine  centrale  Leitung  auf  giiechischer 
Seite  vorhanden  sein*  Sollten  verschiedene  unabhängige  Staaten,  die  Ja  da- 
mals in  Siciiien  noch  existirten,  einen  Bund  so  bilden,  dass  eine  Stadt  an  der 
Spitze  stand?  Das  war  unpraktisch;  nur  wenn  die  Leitung  einer  einzelnen 
Person  übertragen  wurde,  konnte  sie  die  nöthige  Kraft  entwickeln.  Es  liegt 
also  die  Nothwendigkeit  der  Tyrannis  in  diesem  Falle  wesentlich  in  dem  wich- 
tigen Umstände ,  dass  es  nicht  eine  Tyrannis  von  Syrakus,  sondern  von  Sici- 
iien war,  das  für  einen  wichtigen  Zweck  geeinigt  werden  musste,  und  doch 
keine  gemeinsame  Verfassung  besass.  Für  die  Gründung  der  dionysischen 
Tyrannis  muss  man  den  Siciliern  Absolution  ertheilen. 

Noch  von  Leontini  aus  hatte  Dionys  einige  wichtige  Massregeln  getroflen, 
zu  denen  ausser  der  Zusammenberufung  aller  erreichbaren  Söldner  auch  die 
Entlassung  des  Dexippos  gehörte,  der  seinen  Plänen  auch  jetzt  nicht  dienen 
wollte  und  es  vorzog,  nach  seiner  Heimath  zurückzukehren.  In  Syrakus  schlug 
er  —  ein  Zeichen  der  ergriffenen  Tyrannis  —  seinen  Wohnsitz  in  dem  wohl 
befestigten  Arsenal  auf.  Er  empfand  das  Bedürfhiss,  sich  mit  einer  angesehe- 
nen Familie  zu  verbinden,  und  heiratbete  deshalb  die  Tochter  des  berühmten 
Hermokrates ,  während  Polyxenos ,  der  Schwager  des  Hermokrates ,  sich  mit 
seiner  Schwester  vermählte.     Zugleich  wurden,   nach  Beschluss  der  Volks- 


Die  Karlhager  vor  Gela.  97 

Versammlung,  Daphnaios  und  Demarchos*,    seine  Hauptgegner,  hingerichtet, 
405  V,  Chr. 

Inzwischen  war  Himilkon  noch  in  Äkragas  geblieben ,  dessen  Häuser  er 
einstweilen  verschönt  hatte,  damit  sie  seinen  Soldaten  als  Winterquartiere 
dienten.  Als  aber  der  Frühling  des  nächsten  Jahres  (405  v.  Chr.)  anbrach, 
liess  er  die  Tempel  und  Häuser  der  Stadt  niederreissen  und  verbrennen  und 
alle  heiligen  Kunstwerke;  die  das  Feuer  verschonte,  vei*stUmme]n  und  rückte 
dann  mit  seiner  ganzen  Macht  gegen  Gela  und  Kamarina.  Dieser  Landstrich 
war  noch  unverheert  und  bot  den  Karthagern  reichlichen  Unterhalt.  .Sein 
Lager  schlug  er,  weit  er  es  zuerst  auf  das  näher  gelegene  Gela  abgesehen 
hatte,  an  dein  gleichnamigen  Flusse  nahe  bei  der  Stadt  auf.  Hier  stand  ausser- 
halb Gela's  auf  dem  jetzigen  Mte  Longo  ein  Tempel  des  Apollon  mit  einer 
prächtigen  ehernen  Bildsäule  des  Gottes.  Die  Karthager  entfernten  sie  aus 
dem  Heiligthum  und  schickten  sie  als  Zeichen  ihrer  Anhänglichkeit  an  die 
Mutterstadt  nach  Tyros.  Ihr  Lager  umgaben  sie  mit  einem  Graben  und  einer 
starken  Verschanzung,  da  sie  einem  Angrifife  des  Dionys  entgegensahen.  Auch 
die  Geloer  rechneten  fest  darauf,  dass  Dionys  sein  Versprechen  halten  würde, 
und  machten  sich  auf  einen  harten  Kampf  bis  zu  seiner  Ankunft  gefasst.  Sie 
entschlossen  sich  dazu,  alle  Weiber  und  Kinder  nach  Syrakus  in  Sicherheit 
zu  bringen,  aber  die  Weiber  Qüchteten,  als  man  den  Beschluss  ausführen 
wollte,  an  die  Altäre  des  Marktes  und  setzten  es  durch,  dass  sie  das  Schicksal 
der  Männer  theilen  durften.  Nun  begann  der  Kampf.  Die  Geloer  schickten 
Abtheilungen  aus,  welche  die  ausserhalb  des  Lagers  umherschweifenden  Kar^ 
thager  abfingen,  .Himilkon  aber  griff  Hiß  Mauern  der  Stadt  mit  seinen  Belage- 
rungsmaschinen  an.  Sie  hielten  nicht  gut  Stand,  aber  die  Tapferkeit  und 
Ausdauer  der  Geloer  ersetzte  Alles ;  was  am  Tage  niedergeworfen  war,  wurde 
in  der  Nacht  wieder  aufgebaut,  und  Weiber  und  Kinder  halfen  dabei.  End- 
lich kam  Dionys.  Sein  Heer  bestand  aus  der  Auswahl  d^r  syrakusanischen 
Jugend»  sicilischen  Bundesgenossen,  Hülfstruppen,  welche  die  italischen  Gi'ie- 
chen  geschickt  hatten,  endlich  aus  einer  Schaar  von  Söldnern.  Nach  Ephoros 
waren  es  im  Ganzen  50,000,  nach  Timaios  30,000  Mann  zu  Fuss  und  4000  Rei- 
ter ;  das  Heer  begleiteten  50  Kriegsschiffe.  Er  schlug  sein  Lager  in  der  Nähe  von 
Gela  am  Meere  auf  und  bemilht«  sich  eine  Zeitlang,  mit  seinen  leichten  Trup- 
pen und  seinen  Schiffen  den  Feinden  durch  Abschneiden  der  Zufuhr  Schaden 
zu  thun ;  nach  Verlauf  von  20  Tagen  aber,  als  er  sah ,  dass  ihn  diese  Art  der 
Kriegführung  nicht  wesentlich  förderte,  beschloss  er,  zum  Sturm  auf  das 
feindliche  Lager  zu  schreiten.  Der  mit  grosser  Ueberlegung  entworfene  Plan 
war  folgender:  Er  theilte  sein  Heer  in  drei  Theilo :  Sicilier,  Italier  .und 
Miethstruppen.  Die  ersten  sollten  Gela  nördlich  umgehen  und  von  da  die 
karthagische  Verschanzung  angreifen ;  die  Haiischen  Verbündeten ,  die  Stadt 
rechts  lassend,  am  Meere  entlang  gegen  die  Karthager  marschiren;  an  der 
Spitze  der  Miethstruppen  endlich  wollte  er  selbst  die  Stadt  durchziehen  und 
die  Mitte  der  feindlichen  Stellung  da ,  wo  die  Karthager  ihre  Belagerungsma- 
schinen hatten,  angreifen.  Dieser  dreifache  Angriff  sollte  endlich  noch  durch 
Reiterei  im  Norden  und  die  Flotte  im  Süden  unterstützt  werden.  Leider 
pflegen  Schlachtpläne,  bei  deren  Ausfühi*ung  es  auf  das  gleichzeitige  Eintreffen 

Holm,  a  eseli.  Siciliens  II.  7 


98  Fünftes  Buch.    IIT.  Dionys.    Erster  Krieg  desselben  mit  den  Karthagern. 

• 

verschiedener  Truppentheile  ankommt,  nicht  selten  zu  scheitern.  Das  war 
auch  hier  der  Fall.  Die  Angriffe  erfolgten  nach  einander,  statt  zu  gleicher  Zeit. 
Zuerst  waren  die  Schiffe  an  Ort  und  Stelle.  Sie  (O^iffeo  an ;  die  hei  der  Ge- 
gen  wehr  beschäftigten  Karthager  überraschle  die  Nachricht,  dass  die  Italier 
die  Verschanzungen  zu  erstürmen  begönnen.  Die  meisten  wandten  sich  gegen 
diesen  neuen  Feind,  und  nach  einem  hartnäckigen  Kampfe  wurden  die  schon 
in  das  Lager  Eingedrungenen  wieder  daraus  vertrieben.  Viel  zu  spät  kamen 
die  Sikelioten  nach  dem  längeren  Wege  um  die  Stadt  am  Lager  an,  und  als 
sie  ihren  Angriff  kaum  begonnen  hatten ,  waren  die  Karthager  schon  mit  den 
Ilaliorn  fertig  geworden ,  von  denen  sie  etwa  4000  niedermachten,  wnhrend 
die  grössere  Z^ahl,  durch  die  Geschosse  der  Schiffsbesatzung  geschützt,  sich 
zurückzog,  und  dieselben  Truppen ,  Iberer  und  Kampaner,  welche  gegen  die 
Italier  mit  Erfolg  gekämpft  hatten,  standen  nun  den  Uebrigen  gegen  die  Sike- 
lioten bei  und  trieben  sie  nach  Gela.  Der  Verlust  der  Sikelioten  betrug  600. 
Die  Reiterei  und  die  Geloer  konnten  unter  solchen  ümstiinden  wenig  leisten. 
Wo] war  aber  während  dieser  Zeit  Dionys  mit  seinen  Miethstruppen ?  Sie 
waren  angeblich  nicht  so  schnell,  als  sie  erwartet  hatten,  durch  die  Strassen 
der  Stadt  gekommen ,  fanden,  als  sie  in\s  Freie  gelangten ,  die  Sohlacht  schon 
zu  Ungunsten  der  Griechen  entschieden  und  wurden  von  Dionys  wieder  in's 
Lager  zurückgeführt.  So  war  denn  der  Erfolg  des  Tyrannen  kein  besserer,  als 
der  der  früheren ,  von  ihm  so  schwer  getadelten  Feldherren.  Man  warf  ihm 
Verrätherei  vor,  doch  ist  es  unglaublich,  dass  er,  wenn  es  ihm  m.öglich  gewe- 
sen wUre,  den  Ruhm  eines  Gelon  zu  erlangen,  darauf  verzichtet  4iabeD  sollte. 
Wir  müssen  annehmen,  dass  er  sich  absichtlich  die  beste  und  leichteste  Rolle 
vorbehalten  hatte .  die  des  Feldherrn ,  der  mit  frischen  Kräften  die  schwan- 
kende  Schlacht  zu  seinen  Gunsten  entscheidet,  und  dass  er  aus  übertriebener 
Vorsicht  den  rechten  Augenblick  versäumte,  denn  dass  er,  durch  die  Stadt 
marschirend,  nicht,  wenn  er  es  gewollt,  früher  hätte  auf  dem  Platze  sein 
können,  ist  unglaublich.  Er  beschloss  Gela  aufzugeben,  aber  die  Geloer  soll- 
ten nicht  in  die  Hände  der  Feinde  fallen.  Deshalb  durften  diese  nichts  davon 
wissen,  dass  er  fort  wollte.  Er  schickte  Boten  zu  ihnen,  um  für  den  morgen- 
den Tag  die  Aufsammlung  der  Todten  anzusagen ,  Hess  dann  aber  bei  Beginn 
der  Nacht  die  ganze  Bevölkerung  von  Gela  nach  Syrakus  aufbrechen  und 
folgte  einige  Stunden  später  mit  dem  grössten  Theile  seines  Heeres.  Nur  etwa 
SOOO  Mann,  leichte  Truppen  blieben  bis  zum  Morgen  iii  der  Stadt,  um  durch 
grosse  Feuer  und  Lärm  den  Karthagern  jeden  Gedanken  daran  zu  nehmen, 
dass  Heer  und  Volk  schon  abgezogen  seien,  und  ihnen  so  eine  wirksame  Ver- 
folgung unmöglich  zu  machen.  Bei  Tagesanbruch,  als  auch  die  letzten  grie- 
chischen Truppen  abgezogen  waren ,  drangen  die  Karthager  in  Gela  ein  und 
plünderten  es. 

Dionys  zog  zunächst  nach  Kamarina,  dessen  Bewohner  ebenfalls  nach 
Syrakus  wandern  mussten.  Die  Massregel  rechtfertigte -sich  aus  verschiedenen 
Gründen.  Es  konnte  nicht  zweckmässig  erscheinen,  vor  Kamarina  einen 
Kampf  zu  wiederholen,  der  vor  Gela  unglücklich  abgelaufen  war.  Dann  durf- 
ten aber  die  Kamarinäer  nicht  den  Karthagern  überlassen  werden.  Ausserdem 
war  es  vernünftig,  in  Syrakus,  auf  dem  ja  besonders  die  Rettung  Siciliens 


Bückzug  des  Dionys.  99. 

beruhte,  eine  möglichst  grosse  Kriegerzahl  zu  sammeln,  denn  nur  durch 
Goncentration  aller  Kräfte  konnte  man  hoffen ,  den  furchtBaren  Gegner  zu  be- 
siegen. Endlich  war  die  Massregel  im  speciellen  Interesse  des  Dionys,  der 
erwarten  durfte,  umso  mehr  Anbänger  zu  haben,  je  mehr  Fremde  er  nach 
Syrakus  brachte,  die  nur  durch  ihn  eine  neue  Heimath  erhalten  hatten.  Und 
in  der  Massregel  an  sich  lag  für  Sicilien  nichts  Befremdendes.  War  doch  auch 
unter  Gelon  und  Hioron  das  Verpflanzen  ganzer  Stadtgemeinden  etwas  Ge- 
wöhnliches gewesen.  Freilich  waren  im  Uebrigen  die  Verhältnisse  nicht  die- 
selben. Jetzt  geschah  die  Uebersiedelung  in  drängender  Eile,  fast  unter  den 
Augen  des  Feindes,  und  welches  Feindes!  Niemand  verschonten  .die  Kartha- 
ger; scheussliche  Misshandlung,  Kreuzigung  der  Gefangenen  war  das  Ge- 
wöhnliche. Daher  denn  auch  eine  fast  wahnsinnige  Verwirrung,  mit  der  man 
die  Heimath  verliess.  Manche  Messen  Hab  und  Gut  im  Stich ,  um  nur  die 
Eltern  und  Kinder  zu  retten ;  Andere  dachten  im  Gegentheil  an  nichts  als  an. 
ihre  Schätze,  schleppten  Massen  von  Gold  und  Silber  mit  sich  und  Hessen  in 
der  Furcht  vor  den  Karthagern  ihre  kranken  Verwandten  in  der  verödeten 
Stadt  zurück.  Wie  nun  im  syrakusanischen  Heere  die,  welche  schon  immer 
gegen  Dionys  Widerwillen  empfunden  hatten,  die  Bevölkerung  von  zwei 
grossen  Städten  in  dem  jammervollsten  Zustande  auf  dem  Wege  nach  Syrakus 
erblickten,  wurden  sie  von  Wutb  über  ihn,  dem  sie  das  ganze  Unglück  Schuld 
gaben,  ergriffen.  Vor  allen  waren  die  Reiter,  Jünglinge  aus  den  angesehenen 
und  wohlhabenden  syrakusanischen  Familien ,  heftig  gegen  Dionys  erbittert. 
Aber  auch  das  übrige  Heer,  mit  Ausnahme  der  Söldner,  wollte  von  einem 
Führer  nichts  mehr  wissen,' den  man  als  Verräther  betrachtete,  was  man  be- 
sonders dadurch  erwiesen  fand,  dass  der  Feind  ihn  nicht  verfolgt  hatte.  Die 
italischen  Hülfstruppen  verliessen  Dionys  und  zogen  der  Meerenge  zu,  die 
syrakusanischen  Reiter  aber  lauerten  auf  eine  Gelegenheit,  den  Tyrannen  un- 
terwegs anzufallen.  Als  sie  aber  sahen,  dass  seine  Söldner  ihn  zu  gut  schütz- 
ten ,  eilten  sie  nach  Syrakus  voraus ,  um  dort  mit  einem  Schlage  seine  Herr- 
schaft zu  stürzen.  Sie  kamen  des  Abends  an.  Man  wusste  noch  nicht,  was 
bei  Gela  geschehen  war;  so  konnten  sie  in  die  Schiffswerfte  und  in  das  feste 
Haus  des  Dionys  eindringen ,  wo  sie  sich  seiner  Schätze  bemächtigten  und 
aus  Wuth  darüber,  dass  ihnen  der  Tyrann  entgangen  war,  seine  Frau  so 
furchtbar  misshandelten,  dass  sie  bald  darauf  starb.  Sobald  Dionys  die  Ent- 
fernung der  Reiter  bemerkte,  beschloss  er  durch  die  grösste  Schnelligkeit  ihre 
Pläne  wo  möglich  noch  zu  vereiteln.  Mit  einer  kleinen  Schaar  von  Getreuen, 
400  Reitern  und  600  Fussgängern ,  langte  er  um  Mitternacht  vor  dem  Thore 
der  Achradina  an,  das  er  verschlossen  fand.  Aber  seine  Feinde  hatten  es 
nicht  für  nöthlg  gehalten.  Wache  zu  tbun ,  weil  sie  sich  einbildeten ,  dass  die 
auf  dem  Marsche  durch  die  Auflösung  des  Heeres  entstehenden  Verlegenheiten 
dem  Dionys  nicht  erlauben  würden ,  es  zu  verlassen.  Es  handelte  sich  also 
nur  darum,  das  Thor  zu  öCfncn.  Man  fand  Haufen  Rohr  liegen,  welches  die 
Syrakusaner  bei  Bauten  gebrauchten,  und  zündete  sie  an.  So  stürzte  das  Thor 
zusammen;  inzwischen  waren  aber  auch  noch  mehr  von  seinen  Soldaten 
nachgekommen.  Jetzt  erst  eilten  die  Reiter  herbei,  aber  in  zu  geringer  Zahl ; 
es  entspann  sich  ein  Kampf  auf  dem  Markte,  der  mit  einem  vollständigen  Siege 


100  FünTles  Buch.   III.  Dionys.   Erster  Krieg  desselben  mit  den  Karlbagern. 

des  Dionys  endigte.  Die  Söldner  umzingelten  die  Reiter  und  machten  sie 
nieder.  So  sicherte*  sich  Dionys  an  demselben  Platze  seine  Herrschaft,  wo 
er  drei  Jahre  vorher  in  einer  ähnlichen  Nacht  als  Theilnehmer  an  einer  ähn- 
lichen Unternehmung  verwundet  unter  den  Todten  liegen  geblieben  war.  Er 
nahm  schwere  Rache  an  seinen  Feinden.  Die  Wenigen,  die  aus  ihren  Häusern 
heraus  ihn  anfielen,  wurden  getödtet,  noch  in  derselben  Nacht  Haussuchung 
gehalten  und  seine  Gegner  theils  umgebracht ,  theils  aus  der -Stadt  entfernt. 
Eine  nicht  unbedeutende  Anzahl  der  ihm  feindlichen  Reiter  zog  nach  der  Stadt 
Aetna.  Am  nächsten  Morgen  kam  der  Rest  des  Heeres  in  Syrakus  an  und  fand 
den  Tyrannen  ebenso  mächtig  wie  zuvor;  die  Geloer  und  Kamarinäer  aber 
wollten  ihn  nicht  zum  Herrn  haben  und  zogen  nach  Leontini  zu  den  Akra- 
gantinern. 

Dies  ist  der  Wendepunkt  in  der  Geschichte  des  Dionys ,  ein  Wendepunkt 
.in  seiner  Parteistcllung  und  in  seiner  Handlungsweise  überhaupt.  Die  Reiter, 
die  ihm  feindlich  gegenübertreten,  sind  Mitglieder  der  aristokratischen  Partei, 
der  Dionys  anfangs  als  Anhänger  des  Hermokrates  angehört  hatte.  Aber  er 
war  ihr  nicht  lange  treu  geblieben.  In  Gela  hatte  er  den  Umschwung  begon- 
nen ,  indem  er  die  Reichen  der  Stadt  vernichtete.  Dass  er  einziger  Feldherr 
wurde  und  sich  eine  Leibwache  gab,  Hess  ihn  vollends  als  einen  Abtrünnigen 
und  zwar  der  gefährlichsten  Art  den  Aristokraten  erscheinen,  die  ihn  eben 
deswegen  um  so  mehr  hassten,  weil  sie  anfangs  auf  ihn  gezählt  hatten.  Daher 
die  Wutb,  mit  der  sie,  als  die  Gelegenheit  günstig  scheint,  über  sein  Haus 
herfallen  und  seine  Frau  misshandeln.  Dieser  Wuthausbruch  bringt  dann 
wieder  als  natürliche  Reaction  die  Grausamkeit  des  Dionys  gegen  seine  ehe- 
maligen Freunde  hervor.  Als  Renegat  gehasst ,  wird  er  von  den  Aristokraten 
empfindlich  verletzt ;  seitdem  verfährt  er  ebenso  gegen  sie  und  wird  der  Ty- 
rann, den  die  Geschichte  kennt. 

In  Folge  seines  Sieges  bei  Gela  und  der  Auflösung  des  grossen  Heeres  des 
Dionysios  konnte  Himilkon  über  Kamarina  bis  gegen  Syrakus  vordringen. 
Ohne  Zweifel  ging  er  mit  dem  Plane  um ,  auch  diese  Stadt  zu  belagern  und 
einen  neuen  Triumph  seinen  früheren  hinzuzufügen;  aber  eine  Pest  brach  in 
seinem  Heere  aus^  die  es  ihm  wünschenswerth  machte,  zu  einem  Friedens- 
schlüsse zu  kommen.  Dionys  ging  gern  darauf  ein,  und  der  Friede  wurde 
unter  folgenden  Redingungen  abgeschlossen :  Die  Karthager  behalten  ihr  und 
ihrer  Kolonisten  ursprüngliches  Gebiet  auf  Sicilien;  ihnen  gehorchen  ferner 
die  Sikaner;  die  Selinuntier  aber,  die  Himeräer,  Akragantiner,  Geloer  und 
Kamarinäer  können  in  ihre  Städte  zurückkehren ,  die  sie  jedoch  nicht  befesti- 
gen dürfen,  und  für  welche  sie  den  Karthagern  Tribut  zu  zahlen  haben; 
selbständig  sind  die  Leon tiner,  Messenier  und  alleSikeler;  Syrakus  endlich 
wird  als  dem  Dionys  unterthänig  anerkannt.  Eroberte  Schiffe  und  Gefangene 
sollen  von  beiden  Seiten  herausgegeben  werden.  Uebrigens  scheinen  die  Kar- 
thager im  Norden  der  Insel  doch  ihr  Gebiet  ein  wenig  ausgedehnt  zu  haben, 
wie  wir  alsbald  sehen  werden ,  wenn  von  Halaisa  die  Rede  sein  wird.  Der 
Punkt  von  der  Freiheit  der  Sikeler  ist  dagegen  ein  Reweis  der  Klugheit  des 
Dionys,  der  gerade  in  ihnen  sich  eine  feste  Stütze  seiner  Herrschaft  schaffen 
wollte.  — Nunmehr  fuhren  die  Karthager  nach  Afrika  zurück,  nachdem  sie 


Befestigung  der  Macht  des  Dionys.  101 

durch  die  Pest  mehr  als  die  Hälfte  ihrer  Truppen  verloren  hatten ;  aber  auch 
in  Afrika  wülhete  die  Seuche  noch  unter  dem  Heere  fort.  Dies  war  das  Ende 
des  ersten  Krieges  des  Dionys  mit  den  Karthagern,  aus  dem  er  zwar  nicht  mit 
dem  Ruhm  eines  Gelon ,  wohl  aber  mit  der  Sicherung  seiner  Herrschaft  in 
Syrakus  und  der  Anerkennung  derselben  durch  die  Karthager  hervorging. 
(Ol.  94,1  -404  vor  Chr.) 


Viertes   Kapitel. 
Befestigung  der  Macht  des  Dionys.    Seine  Rfistnngen. 

Zunächst  handelte  es  sich  für  Dionys  darum,  sich  in  Syrakus  gegen  jeden 
Handstreich  seiner  Feinde,  der  Aristokraten,  zu  sichern,  und  er  erreichte  dies 
durch  eben  so  rücksichtslos  wie  zweckmiissig  gewählte  Mittel.  Er  machte  Or- 
tygia  zum  Centrum  seiner  Macht.  Er  sonderte  es  nach  der  Landseite  durch  eine 
hohe  und  starke,  mit  vielen  festen  ThUrmen  versehene  Mauer  ab,  vor  der  er 
geräumige  Hallen  errichtete,  um  die  Verproviantirung  der  Insel  zu  ermög- 
lichen, ohne  dass  die  Verkäufer  bis  in  ihr  Inneres  zu  kommen  brauchten.  Die 
Mauer  umfasste  auch  das  nördliche  Ufer  des  kleinen  Hafens ,  wo  sich  das  Ar- 
senal mit  60  Kriegsschiffen  befand,  und  der  durch  von  beiden  Seiten  her 
gezogene  Dämme,  welche  nur  eme  schmale  Oeffnung  Hessen,  vollkommen  ge- 
schützt war.  Hier  sind  noch  die  Spuren  der  Schißshäuser  des  Dionys,  recht- 
eckige Fundamente  von  der  Breite  einer  Triere,  sichtbar.  Unmittelbar  an 
diesen  Kriegshafen  stiess  das  eigentliche  Residenzschloss ,  das  also  besonders 
den  Isthmus  eingenommen  bat  —  eine  Verbindung  von  Schloss  und  Arsenal, 
welche  die  Communication  nach  aussen  offen  hielt  und  unter  ähnlichen  poli- 
tischen Verhältnissen  in  dem  modernen  Neapel  ihre  Nachahmung  gefunden 
hat.  Aber  es  sollte  auf  der  Insel  auch  Niemand  anders  wohnen  als  seine  An- 
hänger. Die  bisherigen  Einwohner  wurden  entfernt  und  ihre  Häuser  seinen 
Söldnern  und  sonstigen  Getreuen  gegeben,  die  also  nur  durch  die  Vorhöfe 
und  Gänge  der  Burg  mit  der  übrigen  Stadt  in  Verbindung  waren.  Indessen 
genügte  es  dem  Dionys  nicht,  ein  riesiges,  gut  ausgerüstetes  Schloss  zu  haben, 
die  Bürgerschaft  der  Stadt  musste  ihm  ergeben  sein,  und  da  das  jetzt  nur  zum 
Theil  der  Fall  war,  musste  sie  reorganisirt  werden.  Sie  ward  zunächst  durch 
ihm  ergebene  Söldner  und  freigelassene  Sklaven  vermehrt  und  dann  eine  Neu- 
vertheilung  alier  Grundstücke  vorgenommen ,  wobei  natürlich  die  ihm  Erge- 
benen das  Beste  erhielten.  So  waren  die  feindlichen  Aristokraten ,  soweit  er 
'  sie  nicht  hatte  tödten  oder  entfernen  können ,  wenigstens  arm  gemacht.  Das 
Verfahren  widerstritt  nicht  dem  Staatsrecht  des  Alterthums,  welches  die  Om- 
nipotenz  des  Staates  allerdings  selten  so  weit  getrieben  hat. 

Als  Dionys  so  seine  Macht  in  Syrakus  selbst  befestigt  hatte ,  wandte  er 
sich  zu  neuen  Unternehmungen.    Er  wollte  das  nichtkarthagische  Sicilien  in 


»   ,  -  i- 


102  Fünrtes  Buch.    IV.  Befestigung  der  Macht  des  Dionys.    Seine  Rüstungen. 

seine  Gewalt  bringen ,  um  dann  gelegentlich  wieder  die  Karthager  angreifen 
zu  können.  Welches  im  Einzelnen  seine  wohlerwogenen  Pläne  waren,  lehrte 
später  die  That,  für's  erste  ward  er  in  ihrer  Verwirklichung  unangenehm  ge- 
stört. Er  zog  gegen  die  Sikeierstadt  ilerbessos.  Nun  waren  unter  seinen  Trup- 
pen syrakusaniscbe  Bürger,  bei  denen  manch  scharfes  Wort  gegen  den  Tyran- 
nen fiel.  Der  ünterfeldherr  Dorichos  suchte  anfangs  durch  Scheltworte  die 
Tumultuanten  zur  Ruhe  zu  bringen,  und  als  er  noch  schärfere  Antworten 
hören  musste ,  drohte  er  mit  Schlägen.  Da  wallte  der  Zorn  der  Beleidigten 
auf;  sie  erschlugen  Dorichos,  erklärten  Syrakus  für  frei  und  schickten  um 
Hülfe  zu  den  Reitern  in  Aetna.  Dionys  erschrak  über  diesen  Aufstand  und 
kehrte  schnt^U ,  wie  er  es  immer  in  Zeiten  der  Noth  zu  thun  pflegte,  mit  den 
ihm  treu  gebliebenen  Truppen  in  den  Sitz  und  die  Quelle  seiner  Macht,  die 
Burg  von  Syrakus,  zurück.  Die  Empörer  wählten  die  Mörder  des  Dorichos 
zu  Feldherren  und  errichteten  in  Gemeinschaft  mit  dei^  Reitern  aus  Aetna  ihr 
Lager  in  Epipolae,  von  wo  sie  Dionys,  der  auf  seiner  Insel  eingeschlossen  war, 
alle  Verbindung  mit  dem  Lande  abschnitten.  Dann  schickten  sie  nach  Messana 
und  Rhegion,  die  gerade  damals  eine  Flotte  von  80  Kriegsschiffen  unterhielten, 
und  erlangten  es,  dass  ihnen  diese  zu  Hülfe  geschickt  wurden.  Sie  begannen 
die  Belagerung  der  Insel,  setzten  einen  Preis  auf  den  Kopf  des  Tyrannen  und 
verhiessen  allen  Söldnern,  die  von  Dionys  abfallen  würden,  das  Bürgerrecht. 
Wirklich  begann  unter  diesen  der  Abfall  einzüreissen ,  und  Dionys,  muthlos 
geworden,  soü  seinen  Vertrauten  erklärt  haben,  er  habe  nur  noch  den  Wunsch, 
mit  Ehren  zu  sterben.  Da  erklärte  Heloris ,  nach  Einigen  sein  Adoptivvater, 
das  beste  Sterbekleid  sei  die  Tyrannis,  und  Polyxenos  schlug  vor,  Dionys 
möge  schnell  in^s  karthagische  Gebiet  eilen,  wo  noch  die  Kampaner  seien,  die 
iiimilkon  als  Besatzung  in  Sicilien  zurückgelassen  habe,  worauf  aber  Philistos 
bemerkte,  für  einen  Tyrannen  passe  es  nicht,  auf  flüchtigem  Rosse  zu  fliehen, 
sondern,  wenn  man  ihn  verdrängen  wolle,  sich  mit  aller  Macht  dagegen  zu 
sträuben.  So  beschloss  Dionys  denn,  auszuharren.  Er  Hess  den  Feinden  sagen, 
er  wolle  die  Insel  räumen,  wenn  man  ihn  mit  den  Seinen  unbehindert  ab- 
ziehen Hesse ;  zugleich  aber  machte  er  den  Kampanern ,  deren  Wohnsitz  das 
später  nach  Archonides  benannte  Halaisa  gewesen  zu  sein  scheint,  den  Antrag, 
zu  ihm  zu  stossen;  sie  sollten  den  Lohn  für  ihre  Hülfe  selbst  bestimmen.  Die 
Syrakusaner  erklärten  sich  wirklich  bereit,  den  Tyrannen  mit  fünf  Schiffen 
abziehen  zu  lassen  ,  schickten  die  Reiter  fort  und  lockerten  alsbald  ihre  Disci- 
plin  gänzlich,  gleich  als  ob  schon  Alles  vorbei  sei.  Die  Kampaner  waren  in- 
dess  auf  die  Vorschläge  des  Dionys  eingegangen.  Sie  zogen  zuerst  nach  Agy- 
rion,  mit  dessen  Herrscher  Agyris  sie  freundschaftliche  Beziehungen  un- 
terhielten und  Hessen  ihr  Gepäck  dort.  Dann  eilten  sie  —  es  waren  1200 
Reiter  —  schleunigst  nach  Syrakus.  ünvermuthet  überfielen  sie  die  Syraku- 
saner, durchbrachen  ihre  Werke  und  gelangten  zu  Dionys,  bei  dem  um 
dieselbe  Zeit  auch  300  Söldner  zu  Schiffe  eintrafen.  Nun  ehtstand  unter  den 
Syrakusanem  Uneinigkeit;  Einige  wollten  die  Belagerung  aufheben,  Andere 
sie  fortsetzen.  Das  benutzte  Dionys,  führte  seine  Schaaren  heraus  und  schlug 
die  Syrakusaner  in  Neapolis.  Es  kamen  nicht  viele  seiner  Gegner  um,  da 
Dionys ,  um  sie  zu  gewinnen ,  selbst  umherritt  und  dem  Morden  Einhalt  that. 


Büodoiss  des  Dionys  mit  Sparta.  103 

So  war  Syrakus  wieder  in  seioer  Gewalt.  Die  Geschlageneu  zerstreuten  sich 
anfangs  über  das  Land,  bald  aber  sammelten  sie  sich^  etwa  7000,  bei  den 
Reitern.  Dionys  liess  seine  gefallenen  Feinde  bestatten  und  die  Flüchtlinge  in 
Aetna  unter  dem  Versprechen  der  Schonung  zur  Rückkehr  auffordern.  Einige, 
die  in  Syrakus  ihre  Familie  zurückgelassen  hatten ,  folgten  der  Aufforderung, 
die  Uebrigen  aber  weigerten  sich  und  gaben  auf  die  Erwähnung  der  von 
Dionys  den  Gefallenen  erwiesenen  Ehre  die  höhnische  Antwort,  er  sei  derselben 
Ehre  würdig,  und  sie  wünschten ,  dass  sie  ihm  recht  bald  zu  Theil  werde. 
Uebrigens  behandelte  der  Tyrann  die  nach  Syrakus  Zurückkehrenden  gut. 
Die  Kampaner  entliess  er  reich  beschenkt.  Diese  zogen  nach  Enteila.  Freund- 
lich aufgenommen,  überfielen  sie  plötzlich  in  der  Nacht  die  Einwohner,  er- 
mordeten die  jüngeren  Männer  und  bemächtigten  sich  der  Frauen  und  Jung- 
frauen, die  sie  heiratheten.  So  gründeten  sie  sich,  ohne  viele  Umstände,  eine 
neue  Heimath.  Dies  ist  das  erste  Beispiel  gewaltsamer  Niederlassung  italischer 
Männer  auf  Sicilien ,  seitdein  Griechen  dort  wohnten;  das  erste  Zeichen  eines 
Umschwungs  in  den  Bevölkerungsverhältnissen  der  Insel  und  der  Machtstel- 
lung ihrer  Bewohner.  Aehnlicbes  wird  uns  bald  wieder  begegnen ,  und  die 
Bevölkeningsverhältnisse  der  Insel  werden  noch  mehrfach  der  Gegenstand 
unserer  Aufmerksamkeit  sein ;  hier  muss  nur  noch  bemerkt  werden,  dass  die 
Art  und  Weise,  wie  diese  Italiker  sich  in  der  fremden  Stadt  eine  Heitnath 
bereiten,  bei  ihnen  herkömmlich  war.  So  hatten  sie  es  in  Kyme  gemacht,  und 
Enteila  war  picht  die  letzte  Stadt,  die  so  behandelt  wurde. 

Seinen  neubefestiglen  Thron  sicherte  Dionys  besonders  durch  ein  enges 
Bündniss  mit  den  Spartanern.  Es  ist  bekannt,  wie  sehr  Sparta  früher  allen 
Tyrannen  feind  war,  damals  aber  befolgte  es  eine  ganz  verschiedene  Politik. 
Es  war  ihm,  statt  um  freie  Bundesgenossen,  vielmehr  um  Unterthanen  zu 
thun ,  und  wenn  die  Städte ,  die  es  sich  zu  unterwerfen  strebte ,  bis  dahin 
demokratisch  regiert  gewesen  waren,  so  setzte  es  ihnen  oligarchische  Gebieter 
ein,  aus  denen  leicht  Tyrannen  wurden.  Sparta  war  entartet  und  beförderte 
die  Entartung  bei  andern  Staaten.  So  tyrannisirten  die  Dreissig  im  Sinne 
der  Spartaner  Athen ;  so  unterdrückten  später  die  despotischen  Oligarchen^ 
welche  Pelopidas  stürzte,  im  Einverständniss  mit  Sparta  Theben,  und  so  be- 
günstigten auch  jetzt  die  Spartaner,  wenngleich  nicht  offen,  aber  darum  nicht 
weniger  kräftig,  den  Tyrannen  Dionys,  an  dem  sie  einen  treueren  Freund  und 
unter  Umständen  einen  ergebeneren  Diener  zu  haben  erwarteten ,  als  an  der 
syrakusaniscben  Demokratie.  Es  war  die  Politik  des  Lysander,  die  jetzt  auch 
im  Westen  zur  Anwendung  kam,  und  Lysander  selbst  bat,  wenn  auch  viel- 
leicht nicht  das  Bündniss  mit  dem  Tyrannen  von  f^yrakus  geschlossen,  so  doch 
bald  darauf  als  Gesandter  in  Syrakus  wesentlich  für  seine  Befestigung  gesorgt. 
Wir  hören  von  persönlichen  Beziehungen  privater  Art  zwischen  beiden  Männern. 
Einmal  machte  Dionys  dem  Spartaner  prächtige  Gewänder  für  seine  Töchter  zum 
Geschenk,  aber  Lysander  nahm  sie  nicht  an ;  ein  anderes  Mal  aber,  als  Lysander 
in  Syrakus  als  spartanischer  Gesandter  zwei  Gewänder  zur  Auswahl  für  seine 
Tochter  vorgelegt  erhielt,  nahm  er  sie  beide;  die  Tochter  werde  selbst  am 
besten  wählen.  Wie  es  auch  um  die  Authenticität  solcher  Geschichten  stehen 
mag,  von  denen  die  eine  ofiTenbar  nur  eine  Variation  der  anderen  ist,   die 


104         Fünftes  Buch.    IV.  Befestigung  der  Macht  des  Dionys.   Seine  Rüstungen. 

engen  Beziehnngen  zwischen  Dionys  und  Sparta  sind  ein  wichtiges  Factum. 
Wir  werden  spdter  sehen,  inwiefern  Sparta  daraus  Nutzen  zog ;  zunächst  hatte 
Dionys  Vortheil  davon,  einmal,  indem  er  so  im  Peloponnes  leichter  Söldner 
werben  konnte,  und  sodann  in  Syrakus  selbst,  wo  Sparta's  Einfluss  das  wi~ 
derstrebende  Volk  in  Schranken  hielt.  Durch  die  Verfolgung  einer  solchen 
Politik  trat  übrigens  Sparta  der  Mutterstadt  von  Syrakus ,  Korinth ,  das  stets 
ein  lebhaftes  und  uneigennütziges  Interesse  am  Gedeihen  seiner  mächtigsten 
Kolonie  bewies,  feindlich  gegenüber,  obschon  diese  Feindschaft  von  spartani- 
scher Seite  sorgfältig  versteckt  wurde.  Es  kam  sogar  in  Syrakus  selbst  zwi- 
schen beiden  zu  einem  Conflict ,  der  aber  in  aller  Heimlichkeit  verlief.  Der 
spartanische  Gesandte  Aristos  musste  scheinbar  auf  alle  Plane  der  Syrakusa- 
ner,  ihre  Freiheit  wieder  zu  erlangen,  eingehen,  im  Stillen  aber  ihnen  um  so 
kräftiger  entgegenarbeiten  und  die  Einwohner  an  den  Tyrannen  verrathen, 
und  als  der  Korinther  Nikoteies  im  Gegensatze  zu  ihm  gar  zu  sehr  die  republi- 
kanische Partei  in  Syrakus  ermuthigte,  sorgte  Aristos  dafür ,  dass  der  unbe- 
queme Freiheit^freund  ermordet  wurde.  Die  schmählichste  Rolle  war  diesmal 
nicht  die,  welche  der  Tyrann  von  Syrakus  spielte ,  welcher  um  dieselbe  Zeit, 
eifrig  beschäftigt,  durch  eine  neue  Mauer  um  seine  Burg,  durch  Herbeiziehung 
von  Söldnern  und  Ausrüstung  von  Kriegsschiffen  seine  Macht  zu  vermehren, 
die  Erntezeit,  wo  die  Bürger  auf  dem  Lande  waren,  benutzte,  um  ihnen  die 
noch  in  den  Häusern  versteckten  Waffen  wegzunehmen.  Sparta  hat  seine 
Rolle  als  offener  Freund  von  Syrakus  und  heimlicher  Gönner  de^  Tyrannis 
daselbst  so  lange  fortgeführt,  als  es  mächtig  genug  war ,  um  überhaupt  nach 
aussen  wirken  zu  können ,  und  als  es  Dionyse  in  Syrakus  gab.  Ebenso  treu 
ist  aber  auch  Korinth  der  selbstgewählten  Aufgabe  geblieben ,  diö  syrakusa- 
nische  Freiheit  zu  schützen ,  und  es  hat  zuletzt  noch  seiner  Pflanzstadt  den 
grössten  Dienst  geleistet^  indem  es  ihr  Timoleon  sandte.  Wir  werden  auf  die 
interessanten  Beziehungen  zwischen  den  syrakusanischen  und  hellenischen 
Verhältnissen  mehrfach  zurückkommen  und  wenden  uns  jetzt  wieder  zu 
Dionys. 

Dieser  dachte  im  nächsten  Jahre  (403  v.  Chr.  Ol.  94,2)  wieder  an  seine 
durch  den  Aufstand  der  Syrakusaner  unterbrochenen  Kriegspläne..  Diesmal  zog 
er  zuerst  gegen  Aetna ,  das  sich  ihm  ergeben  musste.  Dann  wandte  er  sich 
gegen  Leontini ,  das  uns  bei  dieser  Gelegenheit  wieder  als  chalkidische  Stadt 
bezeichnet  wird,  und  wohin  also,  entweder  in  Folge  des  Friedens  mit  den 
Karthagern  oder  schon  vorher  einige  von  den  alten  Bewohnern  zurückgekehrt 
waren.  Er  schlug  sein  Lager  am  Terias  auf  und  forderte  von  den  Leontinern, 
sich  ihm  zu  ergeben.  Sie  weigerten  sich,  und  da  Dionys  keine  Maschinen  mit- 
genommen hatte ,  so  begnügte  er  sich  mit  der  Verwüstung  des  Gebietes  und 
zog  dann  gegen  die  Sikeler,  wobei  seine  eigentliche  Absicht  war,  die  Katanäer 
und  Naxier  sicher  zu  machen ,  um  bei  günstiger  Gelegenheit  über  sie  herzu- 
fallen. Er  kam  in  die  Gegend  von  Henna  und  machte  mit  Aeimnestos,  einem 
angesehenen  Hennäer,  einen  geheimen  Vertrag  über  die  Herrschaft  dieser 
Stadt,  die  Aeimnestos  sich  erringen  und  mit  Dionysios  theilen  sollte.  Aeimne- 
stos führte  seinen  Anschlag  aus ,  war  aber  dumm  genug  zu  meinen,  er  könne 
Dionys  betrügen,  und  wollte  ihn  nicht  in  die  Stadt  lassen.    Nun  reizte  Dionys 


Katane  und  Naxos  unterworfen.    Halaisa  gegründet.  J05 

die  Hennäer  gegen  ihren  Herrscher.  Es  entstand  ein  Zusammenlauf  auf  dem 
Markt,  und  diesen  Augenblick  benutzte  Dionys,  um  in  Henna  einzudrin- 
gen; er  bemächtigte  sich  des  Aeimnestos  und  überlieferte  ihn  seinen  Feinden. 
Dann  verliess  er  die  Stadt ,  zufrieden ,  sie  zu  beeinflussen ,  ohne  sie  direct 
zu  beherrschen ;  er  wollte  den  sikelischen  Städten  Lust  machen ,  sich  ihm 
anzuvertrauen.  Nach  einem  vergeblichen  Versuche  gegen  Uerbita  zog  er  so- 
dann gegen  Katane,  dessen  Feldherr  Arkesilaos  ihn  in  der  Nacht  in  die  Stadt 
führte  y  worauf  Dionys  den  Bürgern  die  Waffen  nahm  und  eine  hinreichende 
Besatzung  zurückliess.  Ebenso  erwarb  er  durch  Verrath  des  Prokies  Naxos. 
Die  Stadt  wurde  geplündert,  die  Mauern  und  Häuser  niedergerissen,  die  Ein- 
wohner zu  Sklaven  gemacht.  Das.Gebiet  bekamen  die  Sikeler.  Die  Stadt  ist 
seitdem  nicht  wieder  bewohnt  worden.  Aehnlich  verfuhr  er  nachträglich  auch 
mit  Katane,  nur  Hess  er  die  Häuser  stehen,  die  er  Kampanern  als  Wohnsitz 
anwies:  zweites  Beispiel  der  Niederlassung  von  Italikern  in  Sicilien,  bald 
nach  der  Besetzung  von  Entella.  Nun  kehrte  Dionys  wieder  nach  Leontini  zu- 
rück und  fordeite  die  Einwohner  von  neuem  zur  Uebergabe  auf ;  er  wolle 
ihnen  gestatten,  in  Syrakus  als  Bürger  zu  wohnen.  Die  Leontiner  bedachten, 
dass,  wenn  ihre  Stadt  erobert  würde  ^  sie  dem  Schicksal  der  Katanäer.  und 
Naxier  nicht  entgehen  könnten ,  und  nahmen  die  Bedingungen  des  Dionys  an, 
der  sein  gegebenes  Wort  hielt.  Wir  müssen  gleich  hier  bemerken,  dass  er  im 
Jahre  404  v.  Chr.  um  den  Tempel  des  Hadranos  am  Aetna  die  Stadt  Hadranon 
gründete,  die  einerseits  verhindern  sollte,  dass  in  dem  nahen  Aetna  sich  wie- 
der Feinde  niederliessen ,  und  sodann  bestimmt  war,  den  Sikelern  einen  Be- 
weis zu  geben,  wie  sehr  der  Tyrann  ihre  Religion  und  ihre  Eigen thümlich- 
keiten  zu  achten  verstand.  So  zeigte  er  sich  denn  auch  schon  im  Jahre  403 
bereit,  mit  der  sikelischen  Stadt  Herbita,  dW  er  hatte  erobern  wollen,  einen 
Frieden  abzuschliessen.  Sie  war  unter  der  Regierung  des  Archonides  —  wohl 
eines  Enkels  des  früher  (S.  39)  erwähnten  Fürsten  dieses  Namens  —  mächtig 
und  volkreich.  Nun  hatte  Archonides  auch  Mielhstruppen  in  Sold  genommen, 
und  ausserdem  war  aus  Furcht  vor  Dionys  eine  Menge  Volkes  in  die  Stadt  gezo- 
gen, die  eine  sichere  Zufluchtsstätte  gegen  den  Tyrannen  von  Syrakus  zu  bieten 
schien.  All  dieses  Volk  wurde  nach  geschlossenem  Frieden  der  Stadt  zur  Last, 
und  Archonides  beschloss,  mit  ihm  eine  Kolonie  zu  gründen.  Er  wählte  einen 
nur  acht  Stadien  vom  Meere  an  der  Nordküste  unfern  von  dem  von  seinem 
Grossvater  mitterbaulen  Kaiakte  (Bd.  1.  S.  260)  gelegenen  Hügel,  auf  welchem 
bereits  vor  zwei  Jahren  jene  kampauischen  Söldner,  die  Himi  Ikon  beim  Frie- 
densschlüsse mit  Dionys  in  Sicilien  zurückgelassen  hatte,  eine  Stadt  unter 
dem  Namen  Halaisa  gegründet  hatten.  Sie  waren  nach  geleistetem  Dienste 
Herren  von  Entella  geworden ,  und  so  halte  der  Ort ,  der  nur  ein  Jahr  volk- 
reich gewesen  war ,  jetzt  keine  oder  wenige  Einwohner.  Archonides  nannte 
seine  Kolonie  nach  seinem  Namen  Halaisa  Archonideios,  wie  Diodor  sagt,  um 
sie  von  andern  sicilischen  Orten  desselben  Namens  zu  unterscheiden,  in 
Wirklichkeit  wohl  vielmehr,  um  sie  als  in  eine  ganz  neue  Epoche  eingetreten 
zu  bezeichnen.  Später  wurde  Halaisa  wegen  der  günstigen  Lage  am  Meere  und 
der  von  den  Römern  gegebenen  Steuerfreiheit  bedeutender  als  die  Mutterstadt, 
weshalb  die  Halaisiner  ihre  Abstammung  von  den  Herbitensem  zu  verläugncn 


106         KüDftes  Buch.    IV.  Befestigung  der  Macht  des  Dionys.    Seine  Rüstungen. 

pflegieD  y  obwohl  die  häufigen  Familien  Verbindungen ,  die  zwischen  beiden 
Städten  auch  in  späterer  Zeit  vorkamen,  und  die  Gleichartigkeit  der  Riten 
beim  apollinischen  Gultus  die  Verwandtschaft  bewiesen.  Noch  sind  auf  einer 
Anhöhe,  östlidi  von  der  Stadt  Tusa,  geringfügige  Ueberreste  des  alten  Halaisa 
vorhanden,  das  nach  den  Mauerresten  einen  Umfang  von  etwa  zwei  Millien  hatte. 
.  Wir  sind  nun  im  Stande ,  das  Princip,  nach  dem  Dionys  seit  der  Befesti- 
gung seiner  Macht  auf  Ortygia  in  seinen  Beziehungen  zur  Osthälfte  von  Sici- 
lien  verfuhr,  'zuerkennen  und  zu  würdigen.  Er  vernichtet  die  hellenischen 
Gemeinwesen ,  er  schont  die  sikeiischen  ,  er  grttndet  italische.  Wir  können 
seine  Tendenz  kurz  so  ausdrücken :  er  will  nicht  sowohl  Grieche  sein,  als  Si- 
cilier.  Deshalb  hat  er  nichts  dagegen ,  das  in  Sicilien  aufstrebende  italische 
Element  dadurch  zu  stärken ,  dass  er  die  alte  Griechenstadt  Katane  an  Kam- 
paner  gieht,  deshalb  gründet  er  beim  sikeiischen  Tempel  des  Hadranos  eine 
Stadt,  wie  einst  Duketios  eine  solche  am  See  dei*  Paliken  gegründet  hatte. 
Man  verstehe  uns  nicht  falsch.  Er  will  nicht  aufhören  ,  Grieche  zu  sein  ;  aber 
er  hat  eingesehen,  dass  zwischen  den  Hellenen  und  den  hellenisiiten  Sikelern 
kein  Rangunterschied  mehr  sein  darf,  und  dass  die  Sikeler  ebenso  gut  auf 
seinen  Schutz  Anspruch  haben ,  wie  die  Griechen ;  er  hat  gefunden,  dass  die 
Kampaner  sehr  gut  zu  den  stammverwandten  Sikelern  stimmen  und  deshalb 
ebenso  gut  wie  diese  in  das  grosse  sicilische  Reich  passen,  dessen  Herrscher 
er  sein  will.  So  hatte  einst  Phalaris  sich  den  Sikanern  gegen  die  Karthager  als 
Führer  angeboten.  Natürlich  spielte  Dionys  seine  Rolle  nicht  so,  dass  ihm  die 
Griechen  und  speciell  die  Syrakusaner  wegen  außallender  Bevorzugung  der 
Barbaren  hätten  gram  werden  können.  Syrakus  blieb  hellenisch ,  und  die 
Syrakusaner  hatten  seit  den  letzten  Kriegen  sich  als  die  einzig  bedeutenden 
Hellenen  Siciliens  belraciiten  gelernt.    , 

So  war  und  blieb  denn  auch  Dionys  der  von  den  Syrakusanern  aner- 
kannte Führer.  Sie  begriffen  mehr  und  mehr  seinen  wahren  Werth,  sie  sahen 
auch,  dass  er  nicht  grausam  war,  bloss  aus  Lust  am  ßlutvergiessen ;  hatte  er 
doch  zu  rechter  Zeit  auch  Milde  walten  zu  lassen  verstanden.  Er  blieb  trotz 
dem,  was  im  Kriege  mit  den  Puniern  vorgefallen  war,  immer  noch  der  geeig- 
netste Feldherr  gegen  Karthago,  und  da  der  Kampf  gegen/ die  Punier  allgemein 
als  eine  unvermeidliche  Sache  angesehen  wurde,  der  Mann  der  Situation. 
Aber  auch  seine  eigenen  Gedanken  w^iren  unaufhörlich  gerade  auf  diesen 
Punkt  gerichtet.  Es  lag  ihm  daran,  die  Scharte  von  Gela  auszuwetzen,  zu 
zeigen,  dass  er  kein  Verräther  gewesen  war,  dass  in  ihm  noch  das  Zeug  zu 
einem  Gelon  stecke.  Zunächst  jedoch  war  ihm  klar,  dass,  um  mit  den  Kartha- 
gern erfolgreich  kämpfen  zu  können,  noch  ganz  andere  Vorbereitungen  nötbig 
seien.  Vor  allen  Dingen  war  Syrakus  selbst  noch  nicht  hinlänglich  geschützt. 
Hier  hatte  schon  der  athenische  Krieg  werthvolle  Fingerzeige  gegeben.  Da- 
mals wäre  es  beinahe  durch  eine  Mauer  von  der  Verbindung  mit  dem  Lande 
abgeschnitten  worden ,  und  zwar  nur  deswegen,  weil  die  Höhe  von  Epipolae 
ausserhalb  der  städtischen  Befestigungen  lag.  Und  welchen  Schaden  hatte 
nicht  ihm  selbst  noch  vor  kurzem  Epipolae  zugefügt!  Dagegen  wai^  die  Stadt 
fast  uneinnehmbar,  wenn  Epipolae  mit  in  den  Bereich  der  Festungswerke  ge- 
zogen wurde,  die  sich  in  den  Händen  des  Gebieters  von  Syrakus  befanden. 


Befestigung  von  Syrakus.  107 

Dies  durchzuführen ,  war  das  Ziel  des  Dionys ;  die  Schwierigkeiten  der  Auf- 
gabe aber  waren  gross.  Der  Gipfelpunkt  von  Epipolae  ist  nicht  weniger  als 
^4  einer  deutseben  Meile  von  dem  Meere,  wo  die  Mauer  anzufangen  hatte, 
entfernt ;  welche  Arbeit,  welche  Kosten  erforderte  nicht  ein  solcher  Bau !  Wie 
wahrscheinlich  war  es,  dass  er,  in  gewöhnlicher  Weise  geführt,  durch  unvor- 
hergesehene  Hindernisse  unterbrochen  und  schliesslich  aufgegeben  werden 
musste !  Dionys  beschloss  deshalb,  zunächst  den  Nordabhang  zu  befestigen, 
und  zwar  mit  der  grössten  Schnelligkeit,  409,  Ol.  94,3.  Sein  Gebot  trieb  die 
ärmeren  Freien  des  syrakusanischcn  Gebiets  zusammen,  unter  denen  er  60,000 
der  kräftigsten  für  die  Arbeit  auswählte.  Die  ganze  zu  bauende  Strecke  vom 
Meere  bis  auf  die  Höhe  betrug  30  Stadien,  18,000  Fuss.  Sie  wurde  in  180 
Abschnitte  getheilt,  jeder  ein  Plelhron  —  400  Fuss  »lang,  und  für  jeden  dieser 
Abschnitte  wurden  200  Arbeiter,  über  die  ein  Maurermeister  die  Aufsicht 
führte,  angestellt;  den  Bau  von  je  6  Abschnitten  leitete  ein  Architekt.  So 
waren  36,000  Menschen  beim  Errichten  der  Mauer  beschäftigt,  die  Uebrigen 
hatten  die  Steine  zu  brechen  und  sie  auf  6000  Wagen  nach  den  Orten,  wo  sie 
gebraucht  werden  sollten,  zu  schaffen.  Das  Schauspiel  eines  von  so  viel  Men- 
schen ausgeführten  Baues  zog  natürlich  alle  Syrakusaner  als  Zuschauer  herbei, 
um  so  mehr,  da  Dionys  durch  sein  eigenes  Beispiel  die  Arbeitenden  anfeuerte. 
Er^ar  den  ganzen  Tag,  von  seinen  Vertrauten  umgeben ,  bei  dem  Baue  an- 
wesend, und  legte  selbst  Hand  an,  wenn  es  galt,  einen  Ermatteten  abzulösen. 
Der  Sold  war  ungewöhnlich  hoch.  Daher  war  auch  der  Eifer  so  gross,  dass 
Manche  noch  in  der  Nacht  weiter  arbeiteten.  Die  Mauer  wurde  in  20  Tagen 
vollendet.  Sie  bestand  aus  Quadersteinen  und  trug  in  abgemessenen  Zwi- 
schenräumen hohe  ThUrme.  So  war  denn  wenigstens  eine  Hälfte  der  nölhigen 
Bauten  fertig ;  das  Uebrige  behielt  der  Tyrann  sich  fUr  eine  gelegenere  Zeit 
vor.  Es  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln,  dass  die  Steine  zu  diesem  Bau  in  Syra- 
kus selbst  gebrochen  wurden ;  die  Latomie  BufTalaro  in  Epipolae  kann  damals 
angelegt  sein.  Die  Mauer  selbst  ist  noch  in  ihren  unteren  Lagen  vorhanden, 
von  denen  zu  wünschen  wäre,  dass  sie  sorgfältig  erhalten  würden,  und  dass 
man  durch  einen  daneben  angelegten ,  wenn  auch  nur  schmalen  Weg  es  dem 
forschenden  wie  dem  geniessenden  Reisenden  möglich  macht«,  ohne  allzu 
grosse  Beschwerden  auf  den  Spuren  der  Arbeit  des  Dionys  zu  wandern  und 
die  herrliche  Aussicht  zu  geniessen ,  die  sich  von  hier  auf  die  sicilische  Küste 
und  den  Aetna  darbietet. 

Nachdem  Dionys  dies  Vertheidigungswerk  beendigt  und  im  Jahr  404 
seine  Söldnerschaar  durch  eine  Anzahl  aus  Naupaktos  und  Kephallenia  von 
den  Spartanern  vertriebener  Messenier  vermehrt  hatte ,  begann  er  zwei  Jahre 
darauf,  399,  Ol.  95,2,  die  grossartigsten  Vorbereitungen  zu  einem  Offensiv- 
kriege gegen  die  Karthager,  die  gerade  damals  durch  eine  in  Afrika  herr- 
schende Pest  schwer  bedrängt  waren.  Ausserdem  war  ein  auswärtiger  Krieg 
die  beste  Ableitung  für  die  Unzufriedenheit  im  Innern  seines  Reiches ,  die  in 
einzelnen  Kreisen  der  Bevölkerung  so  gross  war ,  dass  manche  Griechen  das 
Exil  der  Knechtschaft  vorzogen ,  und  mit  Hab  und  Gut  in  die  Städte  des  pa- 
nischen Gebietes  auswanderten.  Grossartig  mussten  aber  die  Vorbereitungen 
besonders  in  einer  Beziehung  sein.    Die  Karthager  überwogen  in  den  Kriegen 


108  Fünftes  Buch.    IV.  Befestigung  der  Macht  des  Dionys.   Seine  Rüstungen. 

weniger  durch  die  Tapferkeit  der  gr()ssienlheils  gemietbeten  Soldaten ,  als 
durch  die  Vortrefflichkeit  des  Materials  und  die  Zahl  der  Truppen.  In  beiden 
Rucksichten  machte  Dionys  die  grössten  Ansti*engungen.  Die  erfahrensten 
Techniker,  durch  die  Verheissung  glänzender  Belohnungen  angelockt,  ström- 
ten aus  Italien ,  Griechenland ,  ja  sogar  aus  dem  karthagischen  Gebiet  nach 
Syrakus  zusammen.  Bei  dieser  Verfertigung  der  Waffen  ^und  Kriegsmaschinen 
ging  es  ebenso  wie  einige  Jahre  zuvor  heim  Bau  der  Mauern.  Die  Idee  des 
Dionys ,  in  ihrer  Nützlichkeit  begriffen ,  wurde  populär,  und  die  Syrakusaner 
verfolgten  ihre  Ausführung  mit  Theilnahme  und  förderten  sie  nach  Kräften. 
Ueberall  in  der  Stadt  sah  man  Waffen  schmieden;  die  Vorräume  der  Tempel 
fassten  die  Zahl  der  Arbeiter  nicht;  die  Markthallen,  die  Gymnasien  mussten 
dazu  verwandt  werden,  j«  die  angesehensten  Bürger  Hessen  in  ihren  Häusern 
arbeiten.  Der  Ehrgeiz  der  Techniker  wurde  durch  alle  Mittel  geweckt;  hohe 
Belohnungen  erwarteten  die  Tüchtigsten.  Wie  beim  Mauerbau  ging  Dionys 
täglich  überall,  wo  gearbeitet  wurde ,  aufmunternd  umher;  die  Ausgezeich- 
netsten wurden  in  seinen  Palast  geladen  und  zu  seiner  Tafel  gezogen.  Die  zu 
lösenden  Aufgaben  waren  äusserst  mannigfaltig.  In  der  Verfertigung  von 
Handwaffen  und  Panzern  musste  darauf  gesehen  werden ,  dass  für  die  ver- 
schiedenen unter  seinen  Miethstruppen  vertretenen  Nationen  die  ihnen  eigenen 
und  bekannten  Waffen  beschafft  wurden.  Die  Erfindungsgabe  der  Ingenieure 
wurde  besonders  in  der  Construclion  der  grösseren  Kriegsmaschinen  und  der 
Kriegsschiffe  auf  die  Probe  gestellt,  und  das  Resultat  war  dem  Wunsche  des 
Herrschers  entsprechend.  Aus  den  Berathungen  der  in  Syrakus  im  Jahre  399 
versammelten  Techniker  ging  die  Katapulte  —  das  weitschleudernde  Geschütz  — 
und  das  fünfrudrigc  Schiff  hervor.  Es  heisst,  dass,  als  man  dem  Dionys  mit- 
theilte ,  dass  in  Korinth  zuerst  die  Triere  gebaut  worden  sei ,  er  aussprach, 
dass  OS  der  wichtigsten  Pflanzstadt  Korinth's  zukomme,  wesentliche  Fort- 
schritte im  Bau  der  Kriegsschiffe  zu  machen.  Das  Holz  zum  Schiffbau  bezog 
er  theils  vom  Aetna,  theils  aus'Italien,  wo  es  mit  Thieren  ans  Meeresufer  ge- 
schafft und  9U  Flössen  zusammengebunden  wurde,  um  dann  nach  Syrakus 
gebracht  zu  werden.  Als  das  Holz  hier  angekommen  war,  liess  er  zu  gleicher 
Zeit  mehr  als  200  Schiffe  bauen  und  410  alte  in  Stand  setzen.  450  Schiffs- 
bäuser  gab  es  schon;  Dionys  liess  460  neue  errichten,  von  denen  die  meisten 
je  zwei  Schiffe  fassten.  Es  giebl  eine  Vorstellung  von  der  gewaltigen  Thätig- 
keit,  welche  damals  in  Syrakus  herrschte,  wenn  man  hört,  dass  440,000 
Schilde,  ebenso  viele  Schwerler  und  Helme  verfertigt  wurden,  und  über 
4i,000  vollständige  Panzer  von  verschiedenartigem  Muster,  theils  für  die 
Reiter,  theils  für  die  Oßiciere  des  Fussvolkes,  theils  für  das  Corps  seiner 
Leibwächter.  Die  Flotte  ward  zur  Hälfte  mit  Syrakusanern  bemannt,  znr  Hälfte 
mit  Fremden. 

Um  gegen  Karthago  mit  vollem  Nachdrucke  auftreten  zu  können ,  musste 
Dionys ,  wenn  nicht  der  Beihülfe ,  so  doch  der  Neutralität  der  nächsten  un- 
abhängigen Staaten  sicher  sein.  Dies  waren,  seitdem  Selinus,  Himera 
(Therma),  Akragas,  Gela  und  Kamarina  nur  noch  als  offene  Orte  exislirten 
und  Dionys  selbst  die  chalkidischen  Städte  Leontini ,  Katane  und  Naxos  ver- 
nichtet  hatte ,  Messana  und  Rhegion.     Diese  hatten  ihm  noch  in  demselben 


Beziehungen  des  Dionys  zuldessana  und  Rhegion.  109 

Jahre,  wo  er  die  eben  beschriebenen  gro3sen  BUslungen  begann,  ernste  Be- 
sorgnisse durch  ihre  Hallung  erregt,  ja,  es  fehlte  wenig,  dass  es  zum  Kriege 
gekommen  wUre.  Der  Anstoss  ging  von  Rhegion  aus,  das  durch  die  sich  dort 
in  grosser  Zahl  aufhaltenden  syrakusanischen  Flüchtlinge  sehr  feindlich  gegen 
Dionys  gestimmt  war.  Es  war  so  weit  gekommen,  dass  die  Rheginer  ihre 
Feldherren  mit  6000  Mann  zu  Fuss  und  600  Reitern  auf  50  Trieren  gegen 
Dionys  ausschickten.  Sie  fuhren  zuerst  nach  Messana,  um  des  Beistandes 
dieser  Stadt  sicher  zu  sein.  Die  Feldherren  Messana^s  vereinigten  aus  rein 
persönlichem  Antriebe  ihre  Streitmacht,  4000  Mann  zu  Fuss,  400  Reiter  und 
30  Trieren,  mit  der  der  Rheginer.  Aber  noch  war  das  Heer  nicht  weit  gekom- 
men ,  als  die  Messaner  über  den  ohne  Volksbeschluss  begonnenen  Krieg  be- 
denklich wurden  und  auf  die  Vorstellungen  eines  unt^r  ihnen,  des  Laomedon, 
nach  Hause  zurückkehrten.  Di^  Rheginer,  die  sich  allein  zu  schwach  fühlten, 
musslen  dem  Beispiele  der  Messaner  folgen,  und  so  führte  auch  Dionys  seine 
Truppen,  die  schon  an  der  Grenze  seines  Gebietes  standen ,  wieder  nach  Sy- 
rakus.  £r  ging  gern  auf  den  von  beiden  Städten  ihm  nunmehr  angebotenen 
Frieden  ein,  da  er  bei  seinen  Planen  gegen  Karthago  nach  dieser  Seite  hin  ge- 
sichert sein  musste ;  ja  er  that  noch  mehr ;  im  Jahre  398  trat  er  an  Messana 
eine  Strecke  Grenzland  ab,  Rhegion  aber  machte  er  das  Anerbieten,  der  Stadt 
eine  bedeutende  Erweiterung  ihrer  Grenzen  zu  verschaffen ,  und  bat  sich  da- 
gegen eine  ihrer  Bürgertöchter  als  Gattin  aus.  Aber  in  Rhegion  waren  die 
syrakusanischen  Ausgewanderten  immer  noch  zu  mächtig.  Die  Volksversamm- 
lung lehnte  sein  Gesuch  ab:  die  einzige  für  Dionys  passende  Frau  sei  die 
Tochter  des  Henkers.  Seinen  Hauptzweck,  die  Neutralität  Rhegion^s,  erreichte 
indess  Dionys.  Wenn  er  sich  in  Rhegion  eine  Frau  gesucht  hatte,  so  war  dies 
geschehen ,  weil  er  seine  Wiedervermahlung  zu  einem  Mittel  der  Verbindung 
mit  einem  auswärtigen  Staate  machen  wollte.  Hier  abgewiesen ,  wandte  er 
sich  an  Lokri ,  welches  er  hatte  berauben  wollen ,  als  er  den  Rheginern  eine 
Gebietserweiterung  verhiess.  Hier  gab  man  ihm  einen  günstigen  Bescheid,  und 
Dionys  erhielt  die  Doris,  die  Tochter  des  Xenelos,  des  angesehensten  Lokrers, 
zur  Gattin.  Zu  gleicher  Zeit  heirathete  er  noch  eine  zweite  Frau,  die  Syraku- 
sanerin  Aristomache,  die  Tochter  seines  Freundes  Hipparinos.  Um  die  Lokrerin 
nach  Syrakus  zu  bringen ,  diente  das  erste  eben  fertig  gewordene  fünfrudrige 
Schiff,  das  mit  Silber  und  Gold  reich  verziert  war;  die  Syrakusanerin  wurde 
mit  einem  Viergespann  weisser  Pferde  in  sein  Haus  geholt.  Die  sonderbare 
Doppelhochzeit  war  für  seine  Soldaten,  ja  für  einen  grossen  Theil  der  Bürger 
eine  Festzeit,  denn  damals  kam  ihm  das  Volk  freundlicher  entgegen,  als  je 
zuvor  oder  nachher.  Die  Gedanken  aller  waren  auf  den  bevorstehenden  Krieg 
mit  Karthago  gerichtet,  und  die  grossartigen  Vorbereitungen  zu  demselben 
mussten  Syrakus  einen  glänzenden  Namen  und  so  auch  ihrem  Urheber  Ach- 
tung und  Gunst  bei  den  Bürgern  der  Stadt  verschaffen.  Einige  Tage  nach  der 
Hochzeit  machte  Dionys  endlich  der  syrakusanischen  Volksversammlung  eine 
förmliche  Mittheilung  über  seine  seit  längerer  Zeit  schon  offenkundigen  Pläne. 
Die  Karthager,  die  Erbfeinde  der  Griechen,  und  besondei*s  der  Syrakusaner,  ver- 
hielten sich,  sagte  er,  jetzt  nur  deswegen  so  ruhig,  weil  sie  in  Afrika  entsetzlich 
von  der  Pest  litten;   sobald   sie  aber  wieder  zu  Kräften  gekommen  wären, 


^  • 


110  Fünftes  Buch.   V.  Eroberung  von  Mo tye.    Belagerung  von  Syraku9. 

würden  sie  sich  auf  Sicilien  werfen.  Deshalb  sei  es  zweckmässig ,  jetzt  den 
Kampf  gegen  sie  zu  beginnen  ,  wo  man  auch  noch  die  von  ihnen  unterjochten 
griechischen  Städte  zu  Rundesgenossen  habe.  Das  Volk  war  über  die  Mittbei- 
lung  höchlich  erfreut,  zum  Tbeil  aus  Gründen,  die  mit  dem  Ziele  des  Kampfes 
nichts  zu  tbun  hatten,  wie  denn  manche  dachten,  dass  die  Herrschaft  des 
Tyrannen  durch  einen  solchen  Krieg  milder  werden  würde,  und  andere  sich 
einbildeten,  dass  sie,  einmal  bewaffnet,  ihn  stürzen  könnten,  ganz  besonders 
doch  aber  aus  Hass  gegen  die  Karthager.  Dieser  Hass  äusserte  sich  sogleich  in 
Gewaltthütigkeiten  gegen  die  in  Syrakus  wohnenden  karthagischen  Kaufleute, 
ihr  Hab  und  Gut  wurde  vom  Volk  geplündert.  Das  Beispiel  fand  Nachahmung 
in  den  übrigen  SUidten  des  griechischen  Siciliens ,  und  diese  Vorfjflle  wurden 
den  unter  karthagischer  Herrschaft  schmachtenden  Hellenenstädten  das  Signal 
zu  einer  allgemeinen  Erhebung.  Der  lange  verhaltene  Grimm  brach  auf  die 
schrecklichste  Weise  aus.  Hier,  wie  z.  B.  in  Akragas,  in  Selinus,  wo  die  Er- 
innerung an  alle  von  den  Karthagern  verübten  Greuel  noch  lebendig  war, 
begnügte  man  sich  nicht  mit  der  Plünderung  des  Vermögens  der  Punier,  man 
ermordete  sie  unter  denselben  Martern ,  idie  sie  fiilher  die  Griechen  hatten 
erleiden  lassen.  Es  war  eine  eirste  sictiianische  Vesper,  vielleicht  noch  gräss- 
licher  als  die ,  in  der  die  Franzosen  umkamen.  Noch  war  aber  der  Krieg  an 
Karthago  nicht  erklifrt.  Das  geschah  im  Anfang  des  nächsten  Jahres,  397 
v.  Chr.,  Ol.  95,4,  durch  eine  Gesandtschaft,  welche  Dionys  im  Namen  derSy- 
rakusaner  nach  Karthago  schickte.  Sie  legte  dem  Rathe  der  Stadt  die  Forde- 
rung vor,  die  griechischen  Stitdte  auf  Sicilien  freizugeben,  wo  nicht,  solle 
Krieg  sein.  Dem  Rathe  wie  dem  Volke  von  Karthago  kam  der  Krieg  sehr  un- 
gelegen. Man  litt  in  Afrika  schrecklich  an  der  Pest  und  hatte  aus  diesem 
Grunde  gegen  die  offenkundigen  Pläne  des  Dionys  keine  kriegerischen  Vorbe- 
reitungen treffen  können.  Doch  blieb  nichts  übrig,  als  den  Krieg  zu  führen, 
so  gut  es  möglich  war.  Es  wurden  angesehene  Männer  ausgeschickt,  um  Söld- 
ner in  Europa  zu  sammeln. 


Fünftes  Kapitel. 
Eroberung  ron  Motye.    Belagemng  von  Syrakus. 

Gleich  nach  der  Rückkehr  der  Gesandten  begann  Dionys  den  Krieg.  Es 
galt  den  Karthagern  zuvorzukommen  und  ihre  Positionen  auf  Sicilien  zu  neh- 
men, ehe  sie  mit  ihren  Rüstungen  fertig  waren.  Sein  Heer  bestand  aus  aus- 
gewählten S>Takusanern  und  anderen  sicilischen  Griechen ,  sowie  aus  einer 
grossen  Masse  von  Söldnern  der  verschiedensten  Nationen,  worunter  in  Folge 
seiner  Freundschaft  mit  den  Spartanern  viele  Lakonier  waren.  Die  Zahl  seiner 
Truppen  wird  auf  80,000  zu  Fuss   und  über  3000  zu  Pferde  angegeben» 


Dionys  vor  Motye.  111 

worin  die  MannschafteD  aus  den  den  Karthagern  unterworfenen  ü;riechischen 
Stildten,  die  er  auf  seinem  Marsche  nach  dem  Westen  mitnahm,  einbegriffen 
zu  sein  scheinen.  Sein  Zug  ging  durch  das  Gebiet  von  Kamarina,  Gela,  Akra- 
gas  und  Selinus  —  die  Himeräer  von  Therma  (diese  Stadt  hatte  seit  7  Jah- 
ren griechische  £inwohner)  iiess  er  durch  Boten  auffordern,  zu  ihm  zu 
stossen  —  nach  dem  eigentlich  karthagischen  Gebiete.  Eitie  Flotte  von  fast 
200  Kriegs-  und  500  Lastschiffen,  die  auch  die  gewaltigen  Maschinen  trugen, 
begleitete  seinen  Marsch.  Seine  Zielpunkte  waren  Eryx  und  Motye,  die  beiden 
fesU?sien  Hauptsitze  der  karthagischen  Macht.  Die  Eryciner  ergaben  sich ,  die 
Motyener  dagegen  nahmen  eine  kleine  ,  aus  Karthago  eilig  zu  Hülfe  geschickte 
Besatzung  auf  und  verweigerten  die  üebergabe. 

Die  Lage  von  Motye  halte  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  von  Neutyros, 
und  Dionys  wie  Alexander  führten  die  Eroberung  auf  ähnliche  Weise  aus. 
Die  Entfernung  Motye's  vom  Lande  betrug  6  Stadien ;  die  Stadt  vs^ar  voll  hoher 
Hüuser,  die  Einwohner  reich  durch  Handel.  Den  schmalen  Damm,  der  die 
Insel  mit  dem  Festlande  verband ,  zerstörten  die  Motyener  noch  vor  der  An- 
kunft des  Dionys.  Dieser  bescbloss  nach  einer  Beraihung  mit  seinen  Ingenieu- 
ren ,  die  Siadl  durch  einen  neuen  Damm  zu  erobern.  Die  Mannschaft  der 
Flotte,  die  einstweilen  keine  andere  Verwendung  finden  konnte,  genügte  zu 
diesem  Zwecke.  Dionys  Hess  deshalb  die  Schiffe  in  den  Hafen  von  Motye  ein- 
laufen und  legte  die  Lastschiffe  vor  Anker ,  während  er  die  Kriegsschiffe  am 
Eingang  des  inneren  Hafens,  im  Norden  von  Motye,  ans  Land  zog.  Während 
nun  die  Schiffsmannsdhaft  unter  der  Aufsieht  seines  Admirals  Leptines  an  dem 
Damme  arbeitete,  zog  er  selbst  mit  dem  Landheere  gegen  die  übrigen  auf  kar- 
thagischer Seite  stehenden  Städte  und  Völkerschaften.  Doch  war  sein  Erfolg 
nicht  vollständig.  Die  Sikaner  zwar  unterwarfen  sich  ihm  sämmtiich,  die 
grössten  Städte  aber,  d.  h.  also  die  elymischen  und  punischen,  blieben  feind- 
lich ;  es  waren  Halikyai,  Solus,  Segesta,  Panormos,  Enteila.  Es  wollten  also 
auch  die  Kampaner  ihre  Unabhängigkeit  behaupten.  Segesta  und  Entella  be- 
rannte Dionys  mit  seinem  Heei:e ,  jedoch  vergeblich ,  voj)  den  übrigen  Städten 
verwüstete  er  nur  das  Gebiet  und  kehrte  bald  wieder  nach  Motye  zur  Belage- 
rung zurück.  Inzwischen  waren  die  Karthager  nicht  ganz  müssig  gewesen. 
Himilkon,  der  die  Leitung  der  sicilischen  Angelegenheiten  behalten  hatte, 
schickte,  selbst  noch. mit  der  Zusammenbringung  der  Streitkräfte  beschäftigt, 
seinen  Flottenführer  mit  40  Kriegsschiffen  nach  Syrakus,  um  so  Dionys  von 
Motye  abzuziehen.  Der  karthagische  Admiral  überfiel  in  der  Nacht  den  syra- 
kusaniscben  Hafen  und  vernichtete  die  dort  liegenden  Fahrzeuge;  auf  den 
Gang  des  Krieges  aber  hatte  diese  That  keinen  Einfluss,  da  Dionys  Motye  nicht 
verliess.  Nun  dachte  Himilko  einen  ähnlichen  Ueberfall  in  grösserem  Mass- 
stabe bei  Motye  auszuführen,  wo  ja  die  Kriegsschiffe  an's  Land  gezogen  waren. 
Er  örschien  plötzlich  mit  iOO  seiner  besten  Schiffe  bei  Tagesanbruch  vor 
Motye,  zum  grössten  Schrecken  der  Griechen.  Die  draussen  liegenden  Schiffe 
wurden  schnell  überwältigt,  und  Himilkon  stellte  seine  Flotte  dicht  vor  dem 
Hafen  auf.  Nun  war  die  Gefahr  der  Griechen  gross.  Wenn  die  Schiffe  auf 
dem  Lande  blieben,  nützten  sie  nichts,  Iiess  man  sie  aber  im  Hafen  in's  Meer, 
so  konaten  sie  im  engen  Wasser,  im  Angesicht  und  in  der  unmittelbaren  Nähe 


■i'V 


112 


Fünftes  Bach.   V.  Eroberung  von  Motye.    Belagerung  von  Syrakus. 


des  Feindes  nicht  vortheflhaft  manövriren.  Dionys  fasste  ieinen  kühnen  Ent- 
schluss.  Den  Ausgang  des  Hafens  bewachte  die  karthagische  Flotte ;  aber  nur 
eine  12000  Fuss  breite,  niedrige  Ländzunge  trennte  den  inneren  Theil  des  Ha- 
fens, wo  die  Flotte  lag,  vom  Meere.  Hier  wurden  schnell  unter  Leitung  der 
Ingenieure  hölzerne  Bahnen  gebaut  und  auf  ihnen  die  gewaltigen  syrakusani- 
sehen  Schiffe  aus  dem  Hafen  in^s  Meer  gezogen ,  an  einem  Tage  80  Schiffe. 
Dionys  selbst  stellte  sich  mit  dem  Landheer  neben  der  Hafenmttndung  auf. 
Während  die  Karthager  dies  mit  Staunen  ansahen,  wurden  sie  zugleich  vom 
Lande  durch  die  neu  erfundenen  schweren  Geschütze  in  einer  Entfernung,  die 
sie  für  unerreichbar  hielten ,  mit  einer  Masse  von  Geschossen  überschüttet, 
so  dass  sie  nicht  einmal  die  ihnen  zunächst  liegenden  Schiffe  kräftig  angreifen 
konnten.  So  sah  Himilkon,  wie  sich  draussen  im  Meere  eine  Flotte  zu  sammeln 
begann ,  die  ihm  endlich  sogar  den  Rückweg  nach  Afrika  abschneiden  konnte, 
und  er  fuhr  nach  Hause ,  Motye  seinem  Schicksale  überlassend.  Bald  darauf 
hatte  Dionys  den  Damm  vollendet. 

Nun  begann  die  eigentliche  Belagerung,  bei  der  die  Maschinen:  Kata- 
pulte, Widder,  auf  Rädern  laufende  Thürme  von  sechs  Stockwerken,  ihre 
Dienste  thaten.  Die  Bewohner  von  Motye  wetteiferten  ungebeugten  Muthes 
mit  Dionys  in  der  Erfindung  kriegerischer  Hülfsmittel.  So  hoben  sie  auf  d^n 
Mauern  an  der  Spitze  hoher  Mastbäume  wohlgeschützte  Männer  empor,  die 
Feuer  auf  die  Thürme  und  Maschinen  der  Syrakusaner  warfen.  Doch  gelang 
es  den  Griechen,  den  Brand  zu  löschen,  und  endlich  machten  die  Widder 
Bresche.  Nun  glaubte  Dionys  die  Stadt  erobert,  aber  er  hatte  sich  getäuscht ; 
die  Verzweiflung  gab  den  Einwohnern  neue  Kräfte,  und  sie  hatten  bald  die 
nächsten  Strassen  so  vollständig  verbaut  und  die  in  der  Nähe  der  Bresche 
stehenden  Häuser  so  gut  verschanzt,  dass  nun  ein  neuer,  noch  hartnäckigerer 
Kampf  entbrannte,  demjenigen  ähnlich,  der  im  Jahre  409  in  Selinus  getobt 
hatte.  Die  Griechen  schoben  die  Thürme  an  die  Häuser  und  drangen  auf  die 
Dächer,  die  von  den  verzweifelten  Motyenern  mit  der  grössten  Tapferkeit  ver- 
theidigt  wurden.  Dionys  sah  indess  voraus,  dass  Motye  bald  fallen  müsse,  und 
liess  deshalb  jeden  Abend  durch  Trompetensignale  seine  Leute  vom  Kampfe 
abrufen,  damit  sie  der  mühsamen  Belagerung  nicht  müde  würden.  Auch  die 
Motyener  hatten  Ruhe  nöthig,  und  so  hörte  mehrere  Tage  mit  Sonnenunter- 
gang der  Kampf  auf.  Zugleich  hatte  aber  Dionys  durch  das  Abbrechen  des 
Kampfes  die  Motyener  sicher  machen  wollen,  um  für  einen  nächtlichen  Ueber- 
fall  mehr  Aussicht  auf  Erfolg  zu  haben.  Sein  Plan  gelang.  Der  Thurier  Ar- 
chylos  erkletterte  in  einer  Nacht  mit  den  Auserwählten  des  Heeres  die  vorder- 
sten Häuser  und  andere  folgten  ihm.  Zwar  eilten  die  Motyener  zum  Widerstand 
herbei ,  aber  ihre  besten  Stellungen  waren  verloren ,  und  nach  schwerem 
Kampfe  ward  Dionys  Meister  der  Stadt.  Die  erbitterten  Griechen  nahmen 
Rache  für  die  von  den  Karthagern  in  den  griechischen  Städten  verübten 
Grausamkeiten.  Alle,  die  ihnen  in  die  Hände  fielen,  Alt  und  Jung,  Weiber 
und  Kinder,  fielen  unter  ihrem  Schwerte.  Dionys  hätte  lieber  zahlreiche  Ge- 
fangene gemacht,  aber  sein  Befehl,  mit  dem  Morden  einzuhalten,  ward  nicht 
beachtet,  und  er  musste  sich  damit  begnügen,  durch  Herolde  die  Motyener 
aufzufordern,  sich  in  die  ihnen  bezeichneten  Tempel  zu  flüchten.    Nun  hatte 


Grosse  karthagische  Rüstung.  113 

« 

das  Morden  ein  Ende  und  das  Plündern  begann.  Die  Beute  war  gross.  Als 
die  erste  Aufregung  des  Sieges  vorüber  war ,  übte  Dionys  sein  Feldherrnrecht 
und  belohnte  die  Tapfersten,  vor  allen  den  Archylos,  der  iOO  Minen  empfing. 
Die  gefangenen  Barbaren  wurden  verkauft ;  die  Griechen  aber ,  die  man  in 
der. Stadt  im  Dienste  der  Karthager  gefunden  hatte,  mit  ihrem  Anführer  Dai- 
menes  nach  grausamer  karthagischer  Sitte  an^s  Kreuz  geschlagen.  Dann  ver- 
Hess  er  Motye ,  wo  er  nur  eine  fast  ganz  aus  Sikelern  bestehende  Besatzung 
unter  dem  Syrakusaner  Biton  zurückliess.  Eine  Flotte  von  ISO  Schiffen  unter 
Leptines  sollte  ebenfalls  hier  verweilen,  um  die  Karthager  zu  beobachten,  und 
einige  Truppen  blieben  im  Gebiete  von  Segesta  und  Enteila  zur  Belagerung 
dieser  Städte;  mit  den  übrigen  zog  Dionys,  als  das  Jahr  zu  Ende  ging,  nach 
Syrakus.  Dodi  war  er  gleich  im  Anfange  des  nächsten  Frühjahres,  396  v.  Chr. 
Ol.  96,1  schon  wieder  im  karthagischen  Gebiete.  Diesmal  unterwarf  sich  auch 
Halikyai,  sodass  noch  Segesta,  Enteila,  Solus  und  Panormos  zu  erobern  waren, 
wenn  er  sein  Werk  vollenden  wollte.  Er  griff  zuerst  Segesta  an ,  erlitt  aber 
vor  dieser  Stadt  durch  die  Wachsamkeit  der  Einwohner  eine  grosse  Nieder- 
läge.  Sie  machten  bei  Nacht  einen  Ausfall ,  griffen  das  griechische  Lager  an 
und, steckten  die  Zelte  in  Brand,  wobei  die  meisten  Pferde  umkamen.  Das  so 
glänzend  begonnene  Werk  kam  in^s  Stocken. 

In  Karthago  hatte  man  indessen  die  Rüstungen  vollendet.  Wenn  die  Partie 
in  Folge  der  Uebernimpelung  schlecht  für  sie  geendigt  hatte,  so  sollte  die  Re- 
vanche lim  so  glänzender  werden.  Das  Heer,  wie  gewöhnlich  hauptsächlich 
aus  Afrikanern  und  spanischen  Söldnern  zusammengesetzt,  soll  nach  Ephoros 
300,000  Mann  zu  Fuss  und  4000  Reiter^  nebst  400  Streitwagen  ~  zum  ersten 
Male  in  Siciiien  genannt  —  enthalten  haben,  sowie  400  Kriegsschiffe  und  über 
600  Last-  und  Transportschiffe.  Timaios  freilich  lässt  nur  400,000  Mann  aus 
Afrika  herüberkommen,  zu  denen  noch  30,000  in  Siciiien  gekommen  seien» 
Dionys  hatte  Spione  in  Karthago,  das  wusste  Himilkon,  und  deshalb  gab  er  den 
Kapitänen  der  einzelnen  Schiffe  versiegelte ,  erst  beim  Auslaufen  zu  öffnende 
Befehle  über  den  Ort,  an  welchen  sie  das  Heer  bringen  sollten.  Die  Trans- 
portflotte hatte  die  Anweisung,  sich  bei'^der  Fahrt  nach  Panormos  von 
der  Küste  fern  zu  halten,  damit  bei  diesen  schwer  zu  vertheidigenden 
Schiffen  die  Gefahr  einer  Begegnung  mit  der  Flotte  des  Dionys  geringer  wäre ; 
die  Kriegsscliiffe  dagegen  sollten  bei  Lilybaion  Siciiien  berühren  und  von  d» 
längs  der  Küste  fahren.  Dionys  verweilte  gerade  in  der  Nähe  von  Panormos^ 
als  die  Transportflotte  in  Sicht  kam.  Er  schickte  Leptines  mit  30  Kriegsschiffen 
ihr  entgegen ,  aber  es  gelang  nur  50  Schiffe  mit  5000  Soldaten  in  Grund  zu 
bohren;  die  übrigen  entkamen  in  den  Hafen,  und  Dionys  zog  nach  Segesta* 
Nun  marschirte  Himilkon  nach  Westen ,  von  seiner  Flotte  begleitet.  Schnell 
waren  die  Erfolge  des  Dionys  zu  nichte  gemacht;  Himilkon  nahm  durch  Ver- 
rath  Eryx,  durch  eine  kurze  Belagerung  Motye,  Halikyai  ging  zu  ihm  über. 
Dionys,  den  die  Seinigen  zu  einer  Schiacht  zu  bewegen  suchten,  wollte  sich,, 
angeblich  wegen  zu  grosser  Entfernung  von  allen  befreundeten  Städten  und 
wegen  Mangel  an  Zufuhr  nicht  darauf  einlassen,  in  Wirklichkeit,  weil  er  kei- 
nen Grund  hatte ,  einen  Sieg  für  wahrscheinlich  zu  halten ,  eine  Niederlage 
aber,  so  fem  von  Syrakus,  ihm  leicht  verderblich  werden  konnte,  wenn  es 

Holm,  Gesell.  Siciliens.  II.  3 


'■I  .  .« 


114  Fünftes  Buch.   V.  Eroberung  von  Motye.   Belagerung  von  Syrakus. 

ihm  nach  derselben  nicht  gelang,  diesen  Sitz  seiner  Macht  zu  erreichen.  Er 
kehrte  nach  Hause  zurück  und  nöthigte,  um  den  Karthagern  möglichst  viele 
Bundesgenossen  zu  entziehen,  eine  Anzahl  von  Sikanern,.ihr  Land  zu  ver- 
lassen und  ihm  zu  folgen.  Er  versprach  ihnen  ebenso  viel  und  besseres  Land 
im  Osten  der  Insel  und  Wiedereinsetzung  in  ihr  früheres  Gebiet  nach  Beendi- 
gung des  Krieges.  Unterv^egs  verwüstete  er  die  Felder.  Himilkon  schlug  dies- 
mal einen  neuen  Weg  zur  Eroberung  der  Insel  ein.  Er  occupirte  zunächst  die 
Nordküste  und  wandte  sich  gegen  Messana ,  wohin  ihm  Verträge  mit  Thenna 
und  Kephaloidion  den  Weg  bahnten.  Messana  schien  ihm  mit  Recht  ein 
äusserst  wichtiger  Punkt.  Der  schöne  Hafen  konnte  die  ganze  karthagische 
Flotte  fassen,  und  die  Stadt  lag  überdies  sehr  günstig,  um  Syrakus  auswärtige 
Hülfe  abzuschneiden.  Himilkon's  Flotte  bemächtigte  sich  unterwegs  der  Insei 
Lipara,  deren  Bewohner  30  Talente  zahlen  mussten,  und  Landheer  wie  Flotte 
erschienen  bald  darauf  am  Vorgebirge  Peloris,  wo  die  Karthager  ein  Lager 
bezogen.  In  Messana  verbreitete  sich  die  grösste  Bestürzung.  Es  fehlte  an 
Mannschaft,  da  die  Reiterei  der  Stadt  sich  bei  Dionys  befand,  und  die  Mauern 
waren  in  einem  traurigen  Zustande.  Wenn  sich  die  Messaner  aber  auf  die 
Vertheidigung  beschränkt  hätten,  so  würden  sie  sich  dennoch  eine  Zeitlang 
haben  halten  können;  aber  die  Zuversicht  auf  die  zweifelhafte  Auslegung 
eines  alten  Orakelspruches:  »Karthager  würden  in  Messana  Wasser  tragen^, 
was  nach  der  Meinung 'einiger  Sanguiniker  bedeuten  musste,  sie  würden  dort 
Sklaven  sein ,  bewog  das  Volk  von  Messana ,  den  jüngeren  Leuten  einen  thö- 
richten  Ausfall  gegen  die  Feinde  zu  gestatten.  Kaum  zeigten  sie  sich  vor  den 
Mauern,  als  die  karthagische  Flotte ,  die  günstige  Gelegenheit  benutzend,  in 
den  Hafen  einlief  und  sogleich  die  Belagerung  der  Stadt  begann.  Das  kartha- 
gische Landheer  vollendete  die  Einschliessung ,  und  die  schwachen  Mauern 
brachen  zusammen.  Die  Stadt  fiel  in  die  Hände  der  Karthager;  die  Einwoh- 
ner aber  hatten  nicht  alle  das  traurige  Schicksal  der  Himeräer  und  Selinuntier. 
Weiber  und  Kinder  und  die  werthvollste  Habe  war  von  den  meisten  schon 
vorher  in  die  benachbarten  Städte  in  Sicherheit  gebracht  worden,  und  bei  der 
Eroberung  der  Stadt  gelang  es  wiederum  manchen,  theiis  in  eben  diese 
Städte,  theiis  in  die  auf  dem  Lande  zerstreut  liegenden  Kastelle  zu  ent- 
kommen. Mehr  als  200  sprangen  in^s  Meer  und  versuchten  nach  Italien  zu 
schwimmen.  Von  diesen  riss  die  meisten  die  Strömung  hinweg,  ungefähr  50 
gelangten  glücklich  an's  jenseitige  Ufer.  Gleich  nach  der  Eroberung  von  Mes- 
sana machte  Himilkon  den  Versuch,  die  Kastelle  um  die  Stadt  zu  nehmen.  Sie 
wurden  aber  von  ihren  Besatzungen  so  gut  vertheidigt ,  dass  die  Karthager, 
um  Zeitverlust  zu  vermeiden,  von  der  Belagerung  abliessen.  Wenn  aber  diese 
Burgen  in  den  Händen  der  Griechen  blieben ,  war  die  Stadt  schwer  zu  halten. 
Himilkon  beschloss  deshalb,  Messana  zu  zerstören. 

Mit  der  Macht  des  Dionys  war  indessen  eine  grosse  Veränderung^  voi^e- 
gangen.  Sein  freiwilliger  Rückzug  hatte  die  schlimmen  Folgen  einer  Nieder- 
lage gehabt.  Die  Sikeier  verliessen  ihn,  mit  Ausnahme  der  Assoriner,  wahr- 
scheinlich auch  viele  Hellenen ,  wenigstens  hielt  er  es  für  nöthig,  in  Syrakus 
die  Sklaven  freizulassen  und  zu  bewaffnen,  und  mit  ihnen  60  Schiffe  zu 
bemannen.     Es  wird  seine  damalige  Macht  auf  30,000  Mann  zu  Fuss,  über 


Messana  erobert.    Marsch  der  Karthager  nach  Süden.   Seeschlacht  bei  Katane.      1 1 5 

3000  Reiter  und  180  Schiffe,  von  denen  aber  nur  wenige  Dreiruderer  waren, 
angegeben ;  wo  der  Rest  seiner  Flotte  geblieben  war,  sieht  man  nicht.  Trotz- 
dem Hess  er  in  der  Sorge  für  den  Schutz  der  Stadt  und  des  Gebietes  nicht 
nach.  Die  Kastelle  versorgte  er  mit  Lebensmitteln  und  Geld  und  befestigte 
besonders  Leontini;,  die  in  Katane  wohnenden  Kampaner  siedelte  er  nach  dem 
festeren  Aetna  Ober;  dann  schlug  er  in  einer  Entfernung  von  160  Stadien  voa 
Syrakus,  also  am  Cap  S.  Groce,  sein  Lager  auf.  Himilkon  führte,  nachdem  er 
die  Zerstörung  von  Messana  vollendet  hatte,  sein  Landheer  und  die  unter  dem 
Befehl'  des  Magon  stehende  Flotte  gegen  die  Griechen.  Bis  zum  Berge  Tauros 
konnten  Heer  und  Flotte  neben  einander  ziehen ;  hier  aber  sah  sich  Himilkon 
durch  einen  frischen  Lavastrom,  der  sich  südlich  von  Naxos  in*s  Meer  ergossen 
hatte ,  am  Weitermarsch  verhindert.  Er  musste  den  Umweg  um  den  ganzen 
Aetna  machen  und  die  Flotte  ohne  den  Schutz  des-  Landheeres  nach  Katane 
schicken,  wo  er  mit  ihr  wieder  zusammentreffen  wollte.  Diesen  Umstand 
dachte  Dionys  zu  benutzen.  Er  rückte  mit  seinem  Heer  nach  Katane  und  Hess 
seine  Schiffe  unter  Leptines  die  karthagische  Flotte  angreifen.  Die  Karthager 
halten,  alle  kleinen,  aber  durch  eiserne  Spitzen  zum  Kampfe  tauglichen  Fahr- 
zeuge mitgerechnet,  etwa  500  Kriegsschiffe,  und  deshalb  erinnerte  Dionys  den 
Leptines  ausdrücklich  daran,  seine  geringe  Macht  unter  allen  Umständen  zu- 
sammen zu  halten.  Aber  Leptines  beachtete  die  Warnung  nicht  und  griff  mit 
den  dreissig  besten  seiner  Schiffe  die  feindliche  Flotte  an.  Bald  waren  sie  von 
den  Karthagern  umringt,  und  als  die  übrigen  ihnen  zu  Hülfe  kamen,  war  es 
zu  spät;  sie  wurden  mit  in's  Verderben  gezogen.  Das  Gedränge  war  so  dicht, 
dass  an  Manövriren  nicht  zu  denken  war,  sondern  man  auf  den  hart  an  ein- 
ander liegenden  Verdecken  wie  auf  festem  Lande  kämpfte.  Die  Griechen  un- 
terlagen; Leptines  selbst  entkam  mit  seinem  Schiffe,  die  meisten  andern 
griechischen  Fahrzeuge  wurden  aber  genommm  und  vernichtet.  Dionys  verlor 
über  400  Schiffe,  mit  mehr  als  SO, 000  Menschen.  Das  Meer  war  mit  Leichen 
und  Trümmern  bedeckt.  Nach  der  Schlacht  zogen  die  Karthager  die  erbeu- 
teten Fahrzeuge  an's  Land  und  besserten  sie  vor  den  Augen  der  Katanäer 
aus,  was  sie  ruhig  Ihun  konnten,  da  das  griechische  Landheer  nicht  lange  bei 
Katane  geblieben  war.  Dionys  führte  es  nach  Syrakus  zurück.  Während  des 
Marsches  erneuerten  die  Soldaten  ihr  altes  Andringen,  zur  Schlacht  geführt  zu 
werden.  Noch  wisse  Himilkon  nichts  von  dem  Siege  seiner  Flotte  und  sei 
leichter  zu  überwinden.  Dionys  zeigte  sich  persönlich  nicht  abgeneigt,  einen 
Kampf  zu  wagen;  die  Vorstellungen  seiner  Vertrauten  aber,  er  laufe  Gefahr, 
durch  eine  schnelle  Fahrt  des  Magon  Syrakus  mit  einem  Schlage  zu  Verlieren, 
überwogen,  und  er  begab  sich  zurück  in  seine  Burg,  wo  er  immer,  wie  An- 
taeus  in  der  Berührung  der  Erde,  die  erschöpfte  Kraft  zu  erneuern  pflegte. 
Nun  erklärten  fast  alle  Sikelioten ,  die  noch  bei  ihm  ausgehaiten  hatten ,  dass 
sie  sich  nicht  in  Syrakus  einschliessen  lassen  wollten,  und  verliessen  den  Ty- 
rannen. Zwei  Tage  darauf  kam  Himilkon  am  Strande  bei  Katane  an.  Er  liess 
•  die  Schiffe  an's  Land  ziehen  und  gönnte  seinem  Heere  einige  Ruhetage.  Er 
^benutzte  diese  Zeit  auch  zu  einem  Versuche,  die  Kanipaner  in  Aetna  zum  Ab- 
fall von  Dionys  zu  bewegen,  indem  er  ihnen  Land  und  Antheil  an  der  Kriegs- 
beute verhiess  und  sie  daran  erinnerte,  dass  ihre  Landsleut«  in  Entella  bereits 

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I 


116  Fünftes  Buch  V.  Eroberung  von  Motye.    Belagerung  von  Syrakus. 

ZU  ihm  übergegangen  seien.  Dies  lockte  die  Beatelusligen  wohl,  aber  ihre 
Anführe»  waren  als  Geiseln  bei  Dionys,  und  so  mussten  sie  auf  griechischer 
Seite  verharren.  Nun  rückte  Himilkon  mit  seiner  ganzen  Macht  vor  Syrakus. 
Die  Syrakusaner  sahen ,  wie  zuerst  208  Kriegsschifife,  griechische  Beutestücke 
zur  Schau  tragend,  prächtig  geschmückt,  in  schönster  Ordnung  in  den  grossen 
Hafen  einliefen  und  ihnen  dann  eine  ungeheure  Masse  von  Lastschiffen  folgte^ 
80  dass  fast  das  ganze  grosse  Hafenbecken  mit  Schiffen  gefüllt  war,  deren 
Zahl  man  auf  nahe  an  2000  schätzte.  Von  der  anderen  Seite  kam  Himilkon 
selbst  an  der  Spitze  des  Landheeres,  das  nach  Ephoros  300,000  Mann  zu  Fuss 
und  3000  Reiter  zählte,  und  mi|  dem  er  nur  12  Stadien  von  der  Stadt  ntU'dlich 
vom  Tempel  des  olympischen  Zeus  das  Lager  aufschlug.  Mit  Herausforderun- 
gen zur  Schlacht  begann  er  die  Belagerung.  Aber  weder  lockte  der  Anmarsch 
der  Landtruppen  gegen  die  Mauern,  noch  die  Fahrt  einer  Flotte  von  400 
Schiffen  gegen  die  syrakusanischen  Schiffshäuser  die  Griechen  hervor,  und  so 
beschäftigte  sich  Himilkon  einen  ganzen  Monat  mit  nichts  als  der  Verwüstung 
des  Landes. 

Die  Belagerung  von  Syrakus  durch  die  Karthager  nahm  einen  ganz  an- 
dern Charakter  an,  als  die  der  übrigen  grossen  Städte,  die  wir  erzählt  haben. 
Bei  diesen  waren  die  Feinde  schnell  zum  Sturm  geschritten,  bei  Syrakus  ver- 
suchten sie  es  mit  einer  Blokade.  Diese  Verschiedenheit  hatte  mehrere  Gründe. 
Syrakus  war  an  und  für  sich  durch  Lage  und  Grösse  sicherer  als  Akragas, 
Selinus  und  Himera,  es  war  aber  auch^  und  hierin  lag  der  Hauptgrund,  durch 
Dionys  aufs  voraUglichste  in  Vertheidigungszustand  gesetzt  worden.  Die  nach 
Epipolae  hinauf  gebaute  Mauer  erlaubte  den  Karthagern  nicht,  eine  domini- 
rende  Stellung  bei  der  Stadt  einzunehmen,  und  von  der  Gegend  aus,  wo  sie 
lagerten ,  Thürme  und  Widder  schon  jetzt  vorrücken  zu  lassen ,  das  verbot 
ihnen  die  Furcht  vor  den  gewaltigen  Maschinen  und  dem  schweren  Geschütz 
des  Tyrannen ,  dessen  Wirkung  sie  bei  Motye  erfahren  hatten.  So  war  denn 
auch,  wenn  nur  die  Verproviantirung  der  gewaltigen  Stadt  sich  bewerkstelli- 
gen Hess,  zu  hoffen,  dass  Syrakus  nicht  fallen  werde ;  und  es  war  auch  nicht 
ein  so  grosses  Unglück,  dass  die  Neapolis  von  den  Karthagern  besetzt  wurde. 
Was  sie  dort  und  sonst  um  Syrakus  thaten,  war  zu  ihrem  eigenen  NachtheiL 
Himilkon  Hess  die  hier  belegenen  Tempel  der  Demeter  und  Kora  plündern,  und 
als  zum  Behufe  der  Errichtung  einer  Mauer  um  sein  Lager  die  Erde  umge- 
wühlt wurde,  mussten  auch  die  vielen  Gräber,  die  dort  waren,  verschwinden, 
unter  andern  das  prachtvolle  Denkmal  des  Gelon  und  der  Demarete.  Was  die 
Folge  sein  musste,  ist  klar.  Die  Anordnungen  Himilkon^s  waren  im  übrigen 
den  Umständen  angemessen.  Er  Hess  drei  feste  Burgen  errichten,  die  das 
Ufer  des  grossen  Hafens  vollständig  beherrschten :  die  erste  beim  Tempel  des 
Zeus,  in  der  Vorstadt  Polichne,  die  zweite  an  der  Spitze,  welche  die  beiden 
Hafenbuchten  trennt,  die  dritte  auf  dem  Plemmyrion,  und  barg  in  ihnen  die 
Vorräthe,  die  er  noch  durch  Zufuhr  aus  Sardinien  und  Afrika  vermehrte. 

Während  so  die  Feinde  sich  ruhig  auf  eine  längere  Belagerung  vorberei- 
teten ,  erholten  sich  die  Syrakusaner  von  ihrer  anfänglichen  Bestürzung  und 
ßogen  an,  sich  mit  den  Truppen  Himilkon ^s  in  einzelnen  Scharmützeln  zu  mes- 
sen ,  welche  meistens  für  die  Griechen  günstig  ausfielen.     Dionysios  selbst 


Belagerung  von  Syrakus.   Freiheitsgelüste  der  Syrakusaner.  117 

tiatte  schon  vor  dem  Beginne  der  Belagerung  seinen  Schwager  Polyxenos  nach 
Italien  und  Griechenland,  besonders  zu  den  Korinihern  und  Spartanern,  mit 
der  Bitte  um  Hülfe  geschickt  und  Werbern  den  Auftrag  gegeben ,  im  Pelopon- 
nes  unter  dem  Schutze  Spartaks  Söldner  zu  sammeln.  Jetzt  kam  Polyxenos 
mit  30  Kriegsschiffen,  die  der  Lakedämonier  Pharakidas  befehligte,  zurtick, 
und  durch  diese  Hülfe  hob  sich  der  Muth  der  Syrakusaner  so  sehr,  dass  sie, 
als  Dionys  mit  Leptines  ausgefahren  war,  um  eine  Transportflotte  zu  geleiten, 
•es  wagten,  mit  fünf  Kriegsschiffen  über  einige  Proviantschiffe ^  die  den  Kar- 
thagern Zufuhr  brachten,  herzufallen.  Der  Streich  gelang  und  führte  zu  wei- 
teren Siegen.  Denn  40  karthagische  Kriegsschiffe  suchten  ihnen  ihren  Raub 
abzujagen;  aber  die  Syrakusaner  bemannten  schnell  alle  Schiffe,  die  sie 
hatten,  und  schlugen  die  Karthager,  nahmen  das  Admiralschiff  und  machten 
24  Fahrzeuge  kampfunfähig.  Die  übrigen  verfolgten  sie  nach  der  Flottensta- 
tion und  forderten,  keck  genug,  die  karthagische  Flotte  zum  Kampf  heraus. 
Die  bestürzten  Karthager  rührten  sich  nicht,  und  so  fuhren  die  Syrakusaner, 
die  erbeuteten  Schiffe  im  Schlepptau,  im  Triumph  nach  Hause.  Der  Umstand, 
dass  dieser  Sieg  in  Abwesenheit  des  Tyrannen  errungen  war,  gab  ihm  in  den 
Augen  der  Syrakusaner  doppelten  Werth.  Sie  bedachten ,  dass  ihnen  unter 
der  Anführung  des  Dionys  noch  nie  ein  Sieg  über  die  Feinde  gelungen  war 
—  denn  die  Eroberung  von  Motye  rechneten  sie  nicht  als  eine  Schlacht  — 
«ind  während  sie  sonst  den  Tyrannen  zwar  gehasst,  aber  für  unentbehrlich 
gegen  die  Karthager  gehalten  hatten,  sahen  sie  nun  zu  ihrer  freudigen  lieber- 
raschung ,  dass  sie  ohne  ihn  noch  stärker  waren  als  mit  ihm.  Der  Gedanke, 
sich  seiner  zu  entledigen,  trat  kräftiger  als  je  in  ihnen  hervor.  Lebhaft  wur- 
den alle  Klagen,  die  man  gegen  Dionys  vorbringen  konnte,  besprochen,  und 
als  er  nach  seiner  Rückkehr  dem  Volke  zu  dem  über  die  Karthager' erfochtenen 
Seesiege  Glück  wünschte  und  es  zur  Ausdauer  ermuntern  wollte,  fand  er 
höchst  unerwarteterweise  eine  wenig  gefügige  Versammlung.  Einer  von  den 
Rittern ,  Theodoros ,  hatte  ^en  Muth ,  was  gegen  ihn  gesagt  werden  konnte, 
offen  vorzubringen.  Er  schioss  seinen  Angriff  mit  der  Behauptung,  dass  die 
Bürger ,  wenn  sie  ihn  stürzen  wollten ,  jetzt  an  den  Korinthern  und  Lakedä- 
moniern  hülfsbereite  Bundesgenossen  hätten.  Es  werde  nicht  an  Syrakusa- 
nern  fehlen ,  denen  das  Kommando  gegen  die  Karthager  übertragen  werden 
könne ,  wenn  man  es  nicht  etwa  einem  Bürger  der  Mutterstadt  Korinth  oder 
Sparta's,  der  ersten  Stadt  in  ganz  Hellas,  anvertrauen  wolle.  Wenn  Theodoros 
gedacht  hatte,  mit  solchen  Worten  die  Gesinnung  der  Griechen  des  Mutterlan- 
des, welche  in  Syrakus  anwesend  waren ,  auszusprechen  oder  dieselben  we- 
nigstens dadurch  für  seine  Pläne  zu  gewinnen,  so  hatte  er  sich  in  betreff 
der  wichtigsten  unter  ihnen  getäuscht.  Die  Korinther  allerdings  hätten  wohl 
gerne  der  republikanischen  Partei  in  Syrakus  beigestanden ;  sie  hatten  schon 
früher  derartige  Absichten  gehegt ,  und  wenn  sie  bis  jetzt  durch  ihre  Abhän- 
gigkeit von  Sparta  verhindert  gewesen  waren ,  ihren  Neigungen  zu  folgen ,  so 
war  das  jetzt  anders  geworden.  Seit  dem  Jahre  395  beginnen  die  Versuche 
der  Korinther,  sich  der  spartanischen  Obmacht  zu  entziehen.  Aber  hier  in 
Syrakus  war  der  korinthische  Einfluss  unbedeutend  im  Vergleich  mit  dem 
spartanischen.  Hier  galt  das  Wort  eines  Spartaners  alles.   Und  Spartaks  Politik. 


118  Fünftes  Buch.    V.  Eroberung  von  Motyc.    Belagerung  von  Syrakus. 

in  Syrakus   war  durch   die  Niederlage    des  Dionys  nichl  geändert  worden. 

Gleich  nach  Theodoros  Irat  Pharakidas,  der  lakedamoniscfae  Admiral,  auf  und 
niil  dürren  Worten,  er  sei  abgeschickt,  um  Syrakus  und  Dionys  gegen 
lager  zu  helfen,  aber  nichl,  um  Dionys  zu  stürzen.  Diese  Erklärung 
schnell  den  Eifer  der  Gegner  des  Tyrannen.  Doch  hielt  dieser  es 
n  gegenwartigen  Umständen  fUr  passend,  die  milde  Seite  zu  zeigen, 
e  die  Hassen  durch  Leulseligkeii  zu  gewinnen  und  durch  Geschenke 
adungen  eiuflussreiche  Bui^er  auf  seine  Seile  zu  ziehen, 
brend  so  In  Syrakus  die  Zuversicht  wuchs,  gerieth  das  karthagische 
)iae  höchst  traurige  Lage.  Es  brach  eine  furchtbare  Seuche  aus,  deren 
in  der  Sumpflufi  der  Gegend,  wo  es  lagerte ,  und  wo  auch  die  Ätbe- 
h  Krankheit  in  derselben  Jahreszeil  gelitten  halten,  und  in  der  Um- 
;  der  Grüber  gcsuchl  werden  muss.  Die  schreckliche  Wirkung  soldier 
in  den  karlhagischen  Heeren,  die  wir  im  Verlaufe  dieser  Geschichte 
1  zu  beobachten  Gelegenheit  haben ,  im  Verhaltniss  zu  der  viel  gerin— 
irchtbarkeil,  mil  welcher  die  Krankheiten  an  denselben  Orlen  bei  den 
1  auftraten,  erkliirl  sich  am  beslen  durch  den  Unistand,  dass  da» 
he  Heer  grOssleutheils  aus  Bürgern  und  Bundesgenossen ,  das  kartha- 
ast  nur  aus  Söldnern  zusammengeseUt  war.  Auf  Gesundheit  und 
on  Säldnem  ward  nicht  viel  gesehen,  tnan  schonte  sie  nichl  im 
und  man  kUmmerie  sich  nichl  um  sie,  wenn  sie  krank  waren.  So- 
Krankheilskeime,  die  in  einem  BUrgerheere  unlerdrUcki  wurden,  in 
Sldnerbeere  zu  so  furchtbaren  Seuchen  fUhi-en,  wie  die  war,  die  nun 
Dungen  Himilkon's  zuscbanden  machte.  Sie  befiel  zuei'sl  die  Libyer, 
gepflegt  und,  wenn  sie  starben,  begraben  wurden.  Als  aber  alle,  die 
nken  in  Berührung  kamen,  ebenfalls  erlagen,  wollte  Niemand  sich 
ur  Krankenpflege  noch  zum  Begraben  der  Todten  hergeben ,  und  der 
der  unbegrabeoen  Leichen,  deren  Anzahl  bald  alle  Begrifle  ubei-stieg, 
die  Seudie  auf  eine  so  fürchterliche  Hohe,  dass  t>ei  manchen  die 
it  in  fbrmliche  Baserei  ausartete.  Diesen  Zustand  des  karlhagischen 
lenutzle  Dionys  zu  einem  klug  angelegten  Ueberfall.  Heer  und  Flotte 
sich  in  einer  dunkelen  Nacht  bereit  halten ,  und  wührend  die  Flotte 
iruch  des  Tages  abwartete ,  um  dann  sogleich  ihren  AngrilT  zu  begin— 
hrle  er  selbst  das  Heer  noch  in  der  Nacht  auf  einem  Umwege  ttber 
npel  der  Kyane  gegen  die  Kastelle  am  Ufer  und  das  mehr  landein- 
;elegene  karthagische  Lager.  Man  konnte  annehmeD,  dass  er  die 
impfgegend  der  Kyane  umgangen  und  so  von  SUden  her  die  kartha- 
osilion  angegriffen  habe.  Ich  glaube  das  nichl.  Er  hat  offenbar  den 
inen  Streich  versucht,  zwischen  dem  Sumpf  und  dem  Hauptarme  d^ 
nttrdlich  von  welchem  das  Lager  der  Feinde  war,  vorzudringen  und 
Keil  mitten  in  die  feindliehe  Macht  hineinzutreiben ,  der  sie  aus  ein- 
irengen  konnte.  Gelang  es  ihm  nichl,  sich  da  zu  halten,  so  warerals- 
retlbar  verloren ,  konnte  er  aber  dort  seine  Truppen  zum  Angriff  for- 
so  bestand  seine  Aufgabe  darin  ,  das  Lager  nur  zum  Schein  aniugrei- 
ne  ganze  Macht  aber  gegen  das  Polichnefort  zu  werfen.  Denn  das 
lar  so  ohne  weiteres  nicht  zu  nehmen,   wohl  aber,   wenn  man  an 


Vollständige  Niederlage  der  Karthager.  119 

passender  Stelle  angriff,  das  Polichnefort.    Und  diese  Stelle  war  offenbar  nur 
hier,  wo  das  Fort  sich  durch  das  gegenüberliegende  Lager  gesichert  halten 
musste,  nicht  im  Süden,  wo  die  Vertheidiger  der  Polichne  offenes,  feindliches 
Land  vor  sich  halten.    Dionys  schickte  also ,  während  er  selbst  über  den  Ab- 
fluss  der  Ryane  setzte  uild  sich  gegen  das  Polichnefort  wandte ,  die  Reiter  mit 
4  006  Söldnern  gegen  das  Lager.    Er  gab  aber  den  Reitern  den  Befehl,  gleich 
beim  Herausstürmen  der  Karthager  die  Flucht  zu  ergreifen  und  die  Söldner 
im  Stiche  zu  lassen ,  die  er  wegen  ihrer  zweifelhalten  Treue  eigens  zu  diesem 
Dienste  ausersehen  hatte.    So  wurden  die  Reiter  für  einen  andern  Angriff  frei, 
und  die  Karthager  waren  indessen  durch  den  Kamfif  mit  den  Söldnern ,  die 
alle  ßelen ,  beschäftigt.    In  dieser  Zeit  warf  sich  Dionys  schnell  auf  das  Fort 
am  Olympieion  und  eroberte  es;  die  Reiter,  von  einem  Theile  der  Flotte  un- 
terstützt, griffen  das  zweite,  bei  Daskon  gelegene  an  und  hatten  denselben 
Erfolg.  Dies  war  der  Augenblick,  wo  die  gesammte  griechische  Flotte,  freilich 
nur  80  Segel  stark ,  unter  Pharakidas  und  Leptines  am  Kampfe  Theil  nehmen 
sollte.    Das  Vorhergehende  war  mit  der  grössten  Schnelligkeit  noch  im  Mor- 
gengrauen ausgeführt  worden  und  hatte  die  Aufmerksamkeit  des  Lagers  nicht 
auf  sich  gezogen.     Jetzt,  wie  der  Tag  anbrach,  rief  das  Siegesgeschrei  der 
Griechen ,  die  sich  im  Besitze  zweier  Festungen  sahen ,  die  Karthager  aus  den 
Zelten.    Ehe  sie  noch  die  Grösse  ihrer  Verluste  überblickt  hatten,  gewahrten 
sie  die  heranrudernde  griechische  Flotte.    Blinde  Kampflust  siegt  über  ver- 
nünftige Ueberiegung;    sie  bemannen  schnell  die  Schiffe  und  nehmen  die 
Seeschlacht  an.    Aber  es  fehlt  ihnen  an  aller  Ordnung,  und  die  griechische 
Flotte  wird  schnell  über  sie  Herr.  Die  Griechen  verfolgen  ihren  Sieg,  springen 
auf  die  weniger  beschädigten  feindlichen  Schiffe  und  tödten  die  Mannschaft. 
Das  Ufer  bedeckt  sich  mit  Trümmern  und  Leichen.    Der  Erfolg  der  Flotte  be- 
geistert das  Landheer  zu  neuen  Anstrengungen.    Dionys  dringt  in  der  Gegend 
von  Daskon  weiter  vor  und  erblickt  in  einem  wohl  verschanzten  Schiffslager 
40  fünfzigrudrige  Schiffe.    Das  Lager  zu  erstürmen  ist  zeitraubend,  aber  man 
wirft  Feuer  hinein,  und  schnell  stehen  die  40  Schiffe  in  Brand.    Neben  diesen 
liegen  aber  Lastschiffe  und  weiterhin  Trieren.     Ein  heftiger  Wind  treibt  die 
Flammen  zu  den  Lastschiffen ;  die  Mannschaft  ist  nicht  im  Stande,  des  Feuers 
Herr  zu  werden ,  und  sucht  nur  das  eigene  Leben  zu  retten.    Nun  wilthen 
Sturm  und  Feuer  in  der  von  den  Menschen  verlassenen  Flotte;    die  Schiffe 
werden  gegen  einander  geworfen  und  zerschmettert,  und  die  Flammen  greifen 
immer  weiter  um  sich ,  laufen  an  den  Masten  in  die  Höhe  und  an  den  Raen 
entlang  und  bilden  bald  ein  grosses  wogendes  Flammenmeer.  Himilkon's  Heer 
und  die  Syrakusaner  sehen  dem  Schauspiel  mit  den  verschiedensten  Gefühlen 
zu.  Aber  Himilkon  kann  nichts  unternehmen,  er  muss  die  am  Ufer  aufgestellte 
Heeresabtheilung  sich  selber  überlassen ,  denn  er  muss  fürchten,  dass,  wenn 
er  mit  seinem  geschwächten  Heere  in  der  Richtung  nach  dem  Meere  zu  aus 
dem  Lager  hervorbricht,  die  Griechen  vom  Olympieion  her,  das  Dionys  jetzt 
zum  Centrum  seiner  eigenen  Aufstellung  gemacht  hat ,  in  sein  Lager  eindrin- 
gen und  sich  desselben  bemächtigen ;  während  aus  Syrakus  selbst  die,  wel- 
chen ihr  hohes  Alter  oder  ihre  zu  grosse  Jugend  nicht  am  Kampfe  Theil  zu 
nehmen  erlaubte,  Fährkähne  besteigen ,  in  den  Hafen  hinausrudern ,  aus  den 


120  Fiioftes  Buch.   V.  Eroberung  von  Motye.   Belagerung  von  Syrakus. 

unbrauchbar  als  Wrack  umherschwimmenden  Schifien  alles  WerUivoUe  weg- 
nehmen und  die  noch  brauchbaren  am  Schlepptau  nach  Syrakus  ziehen.  Alle 
aber,  die  in  Syrakus  zurückbleiben  müssen,  Kinder  und  Frauen  und  alle,  die 
keine  Boote  mehr  finden  kennen,  um  hinauszufahren,  besteigen  die  Dächer  der 
Häuser  und  betrachten  unter  Dankgebeten  das  gewaltige  Schauspiel ,  das  mit 
dem  ungeheuren,  noch  lange  fortgltthenden  Feuermeer  uAd  dem  Sieges-  und 
Jammergeschrei  der  Kämpfenden  eher  einer  Götter-  als  einer  Menscbenschlacfal 
gleicht.  Indess  wird  am  Lande  weiter  gekämpft,  denn  ausser  dem  Lager 
haben  die  Kailhager  noch  immer  das  Fort  auf  dem  Plemmyrion  und  eine  An- 
zahl unverletzter  Schiffe ,  «lis  wir  uns  in  der  Nähe  des  Lagers ,  nördlich  vom 
Anapos,  zu  denken  haben ;  aber  endlich  bricht  die  Nacht  herein,  und  Dionys 
giebt  den  Kampf  auf,  um  am  Tempel  des  olympischen  Zeus  sein  Lager  aufzu- 
schlagen. 

Nach  dieser  Niederlage,  deren  Verdienst  wir  dem  genialen  Feldherren- 
blicke des  Dionys  vor  allen  Dingen  beizumessen  haben ,  konnte  der  vollstän- 
dige Untergang  der  Karthager,  die  die  Abfahrt  nicht  mehr  erzwingen  konnten, 
und  auch  zu  Lande  abzuziehen  nicht  wagen  durften,  da  sie  weit  und  breit 
keine  befreundete  Stadt  hatten,  nicht  lange  mehr  ausbleiben.  Das  wusste  Hi- 
milkon,  und  deshalb  knüpfte  er  noch  in  derselben  Nacht  Unterhandlungen  mit 
Dionys  an.  Er  forderte  viel,  um  doch  etwas  zu  erlangen.  Er  bot  dem  Dionys 
300  Talente,  wenn  er  ihn  mit  seinem  noch  übrigen  Heere  nach  Kartiiago 
zurückkehren  Hesse.  Dies  konnte  Dionys  nicht  bewilligen ,  wenn  er  es  auch 
gewollt  hätte ;  weder  die  Syrakusaner,  noch  die  verbündeten  Griechen  wür- 
den es  gestattete  haben.  Er  bot  aber  dem  Himilkon  an,  ihn  heimlich  mit  allen 
karthagischen  Bürgern  im  Heere  zu  Schiffe  nach  Hause  zurückkehren  zu 
lassen.  Er  hätte,  wie  die  Syrakusaner  443  die  Athener,  so  das  ganze  kar- 
thagische Heer  tödten  oder  gefangen  nehmen  können;  dennoch  bewog  ihn 
zur  Schonung  nicht  etwa  blosse  Geldgier,  auch  nicht  der  Gedanke  allein, 
wenn  die  Karthager  nicht  vollständig  besiegt  seien,  in  ihrer  immer  noch 
furchtbaren  Macht  ein  Schreckmittel  für  die  Syrakusaner  und  so  eine  Stütze 
seiner  Tyrani^s  zu  haben,  sondern  eben  so  sehr  die  Erwartung,  die  Karthager 
durch  einen  so  wichtigen  Act  der  Milde  für  die  Zukunft  wenigstens  in  so  weit 
sich  zu  Freunden  zu  machen ,  dass  sie  lieber  den  Mann ,  der  ihre  Bürger  ge- 
rettet ,  an  der  Spitze  von  Syrakus  sähen ,  als  republikanische  Behörden ,  mit 
denen  solche  Verhandlungen  unmöglich  waren.  Wer  weiss,  ob  er  sich  nicht 
für  den  Fall ,  dass  er  aus  Syrakus  vertrieben  werden  sollte,  einen  Zufluchtsort 
bei  den  Karthagern  zu  sichern  gedachte ,  wie  Themistokles  ihn  bei  den  Per- 
sern fand?  Unter  dem  Yorwande,  dass  man  sich  von  den  Anstrengungen  des 
Kampfes  erholen  müsse,  führte  er  das  Heer  in  die  Stadt  zurück,  nachdem  er 
auf  die  vierte  Nacht  den  Abzug  der  Karthager  bestimmt  hatte.  Die  300  Talente 
würden  nach  Ortygia  gebracht,  und  zur  verabredeten  Zeit  floh  Himilkon  mit 
allen  karthagischen  Bürgern  im  Heere  auf  40  Kriegsschiffen.  Die  Abfahrt 
konnte  jedoch  nicht  so  heimlich  geschehen,  dass  nichts  davon  in  Syrakus  be- 
merkt worden  wäre.  Einige  Korinther  wurden  es  gewahr  und  meldeten  es 
dem  Dionys,  der,  um  die  Karthager  zu  retten,  Feldherren  und  Soldaten  ziem- 
lich lässig  zusammenrief^.  Die  ungeduldigen  Korinther  fuhren,  ohne  auf  Dionys 


Himilkon's  Abfahrt.  Noth  der  Karthager.  121 

zu  warten,  allein  den  Karthagern  nach,  konnten  aber  nur  wenige  Schiffe 
erreichen  und  vernichten.  Als  nun  Dionys  mit  seinem  Heere  ausgertickt  war, 
hatten  sich  schon  die  Sikeler  aus  dem  karthagischen  Lager  entfernt.  Bei  ihrer 
Kenntniss  des  Landes  gelangten  sie  in  ihre  Städte.  Nun  schickte  aber  Dionys 
auf  alle  Wege ,  die  vom  karthagischen  Lager  wegführten ,  Soldaten ,  und  die 
Jetzt  noch  flohen,  Überdies  der  Gegend  unkundig,  wurden  ergriffen  und  zu- 
rückgebracht. Die  im  Lager  gebliebenen  warfen  die  Waffen  weg  und  baten 
um  ihr  Leben,  mit  einziger  Ausnahme  der  Iberer,  die  eine  zu  hohe  Meinung 
von  sich  hatten,  um  sich  so  zu  deroüthigen.  Sie  boten,  unter  Waffen  stehend, 
dem  Tyrannen  ihre  Bundesgenossenschaft,  d.  h.  ihren  Dienst  an,  und  Dionys 
nahm  sie  unter  seine  Söldner  auf.  Als  die  Griechen  zum  Plündern  in^s  kar- 
thagische Lager  drangen,  fanden  sie  darin  nach  Ephoros  gegen  150,000  unbe- 
stattete  Leichen. 

Dies  Ende  nahm  die  gewaltige  karthagische  Expedition ,  die  die  Erobe- 
rung von  ganz  Sicilien  zur  Folge  haben  sollte.  Himiikon  beschloss  bald  sein 
Leben.  Nur  die  freiwillige  Busse,  welche  er  sich  auferlegte,  rettete  ihn  vor 
harter  Strafe.  In  schlechtem  Gewände  ging  er  in  Karthago  von  einem  Tempel 
zum  andern ,  sich  anklagend ,  dass  er  durch  seine  Gottlosigkeit  und  Tempel- 
schändung den  Untergang  des  Heeres  verursacht  habe.  Dann  zog  er  sich  in 
sein  Haus  zurück  und  tödtete  sich  durch  Enthaltung  von  aller  Nahrung.  Na- 
türlich hatte  die  Niederlage  für  Karthago  noch  weitere  traurige  Folgen.  Es 
entstand ,  wie  gewöhnlich  in  solchem  Falle ,  eine  allgemeine  Gährung  unter 
den  abhängigen  Völkerschaften  Afrika's.  Die  Empörer  vereinigten  sich  zu 
einem  grossen  Heere,  das  zuletzt^  aus  Freien  und  Sklaven  zusammengesetzt, 
wohl  9100,000  Mann  stark  war  und  Tunes  besetzte.  Die  Karthager,  in  einigen 
Schlachten  besiegt,  mussten  sich  auf  die  Mauern  ihrer  Stadt  beschränken.  In 
ihrer  Verzweiflung  gelobten  sie,  zur  Versöhnung  der  in  Sicilien  beleidigten 
Gottheiten ,  der  Demeter  und  Kora  ,  die  sie  früher  noch  nicht  verehrt  hatten, 
Tempel,  deren  Dienst  sie  den  angesehensten  der  unter  ihnen  wohnenden 
Griechen  anvertrauten.  Bald  nahm  der  Krieg  eine  bessere  Wendung.  Die 
Karthager  litten  in  ihrer  eingeschlossenen  Stadt  keine  Noth ,  weil  die  Verbin- 
dung mit  Sardinien  frei  war;  bei  den  Empörern  in  Tunes  aber,  die  keine 
Flotte  zur  Verfügung  hatten,  stellte  sich  bald  Mangel  ein.  Nun  brach  Zwie- 
tracht unter  dem  bunt  zusammengewürfelten  Haufen ,  dem  es  an  tüchtigen 
Führern  fehlte,  aus.  Einige  gingen  gegen  Geld  zu  den  Karthagern  über, 
zuletzt  hörte  alle  Ordnung  unter  ihnen  auf.  Schnell  hatte  das  ganze,  so 
eben  noch  furchtbare  Heer  sich  aufgelöst  und  Karthago  konnte  wieder  auf- 
athmen. 


122  Fünftes  Buch.  -VI.  Dionys  und  Italien.   Die  Lukaner.  Rhegion's  Fall. 


Sechstes  Kapitel. 
Dionys  und  Italien.    Die  Lnkaner.   Rhegion's  Fall. 

Durch  die  gewaltige  Niederlage  der  Karthager  war  faclisch  das  erreicht, 
was  Dionys  im  Jahre  397  verlangt  hatte :  .die  Befreiung  der  Griechen  Siciliens 
von  Karthago.  Nach  Selinus ,  Akragas  u.  s.  w.  kehrten  die  Geflüchteten  zu- 
rück ,  um  wieder  als  freie  Bürger  in  ihrer  Heimath  zu  leben.  Wenn  es  nun 
Dionys  wirklich  darum  zu  thun  gewesen  wäre,  die  griechische  Herrschaft  über 
ganz  Sicilien  auszudehnen,  so  musste  es  ihm  leicht  werden,  einen  neuen 
Kreuzzug  gegen  Panormos,  Segesta  und  was  sonst  noch  von  griechen- 
feindlichen Städten  auf  der  Insel  war ,  zu  Stande  'zu  bningen.  Er  that  es 
nicht.  So  hatte  auch  Gelon  seinen  Sieg  bei  Himera  nicht  dazu  benutzt ,  um 
die  punische  Hälfte  der  Insel  zu  unterwerfen.  Aber  Gelon  war  schon  älter, 
und  es  lag  ihm  nichts  an  einem  ausgedehnteren  Reiche.  Dionys  aber,  der 
noch  jung  war ,'  wollte  noch  mächtiger  werden.  Warum  wandte  er  sich,  statt 
die  ganze  Insel  zu  erobern ,  nach  Osten  und  trachtete  nach  der  Herrschaft 
über  die  Griechen  in  Italien  und  dem  überwiegenden  Einfluss  in  den  west- 
griechischen Gegenden  überhaupt?  Der  Grund  lag  in  der  vorsichtigen  Politik, 
die  Dionys  eigen  war.  Er  hielt  es  für  unklug,  die  Karthager  zu  sehr  zu  reizen, 
was  durch  den  kräftig  wiederholten  Versuch ,  sie  ganz  aus  Sicilien  zu  ver- 
treiben, ge'schehen  musste,  und  vor  allem  passte  es  ihm  damals  nicht,  sich  auf 
einen  solchen  Kampf  einzulassen,  und  zwar  deswegen,  weil  er  noch  zu  viele 
Feinde  im  Rücken  hatte :  die  syrakusanischen  Emigranten,  deren  Hauptquar- 
tier Rhegion  war.  Sie  waren  hier,  in  Siciliens  unmittelbarer  Nähe,  gegen  ihn 
thätig,  und  sammelten  um  sich  alle  übrigen  Gegner  des  Tyrannen.  So  musste 
Dionys  als  seine  nächste  Aufgabe  die  Beseitigung  der  Unabhängigkeit  Rhe- 
gion's betrachten,  die  Karthager  konnten  einstweilen  unberücksichtigt  bleiben. 
Rhegion's  Verbindung  mit  den  anderen  Griechenstädten  Italiens  führte  ihn  dann 
auch  gegen  diese,  und  so  kam  es ,  dass  Dionys  Karthago  mehr  und  mehr  aus 
den  Augen  verlor  und  seine  Kraft  auf  die  Besiegung  von  Grossgriechenland 
wandte. 

Zunächst  fand  er  jedoch  noch  mancherlei  in  Sicilien  uud  speciell  in  Sy- 
rakus  zu  ordnen.  Unter  seinen  Söldnern  war  ein  widerspenstiger  Geist  herr- 
schend geworden,  der  durch  ihren  Führer,  den  Lakedämonier  Aristoteles,  ge- 
nährt wurde.  Er  entschloss  sich  rasch,  andere  anzuwerben,  liess  Aristoteles 
verhaften,  theilte  den  unwillig  zusammenströmenden  Soldaten  seine  Absicht 
mit ,  ihn  nach  Sparta  zu  schicken ,  damit  seine  Mitbürger  über  ihn  richteten, 
und  versöhnte  sie  selbst  mit  ihrer  plötzlichen  Entlassung  dadurch,  dass  er 
ihnen  Stadt  und  Gebiet  von  Leontini  als  Eigenthum  verlieh,  eine  neue  Ansied- 
lung  von  Fremden  in  Sicilien.  Es  waren  10,000  altgediente  Soldaten,  die  die 
längere  Dienstzeit  mit  einem  lästigen  Selbstgefühl  erfüllt  hatte ,  und  die  nun 
für  den  glänzenden  Abschiedslohn  wieder  seine  ergebenen  Freunde  und  Ver- 
bündeten wurden.     Unter  das  neue  Söldnerheer  wurden  viele  Freigelassene 


Gründung  von  Tyndaris.   Angriff  auf  Tauromenion.  123 

und  Sklaven  aufgenommen.  Jelzt  konnte  er  auch  Messana  zu  einer  vollkommen 
abhängigen  Stadt  machen.  Die  herrliche  Lage  gebot  eine  Wiederherstellung; 
auch  mag  wohl  die  Zerstörung  durch  die  Karthager  nicht  so  vollständig  gewe- 
sen sein,  wie  sie  geschildert  wird.  Er  nahm  dort  1000  Lokrer,  4000  Medmäer, 
endlich  600  Messenier,  die  nach  der  Niederlage  Athen's  Zakynthos  und  Nau- 
paktos  hatten  verlassen  müssen,  auf.  Die  Aufnahme  ihrer  Feinde  in  eine  so 
wichtige  Stadt  verletzte  aber  die  Spartaner,  und  er  musste  sie  wieder  aus 
Messana  entfernen.  Nun  Uberliess  er  ihnen  im  Gebiet  von  Abakainon  einen 
Punkt  an  der  Ktlste,  wo  sie  die  Stadt  Tyndaris  gründeten ,  welche  sich  durch 
gute  Verwaltung  und  zweckmässige  Aufnahme  neuer  Bürger  bald  so  sehr  hob, 
dass  sie  in  kurzer  Zeit  5000  Einwohner  zählte.  Tyndaris,  nach  den  in  Mes- 
senien  hochverehrten  Dioskuren  benannt,  lag  auf  einem  Vorsprunge  der  Küste, 
der  noch  manche  Ueberreste  der  alten  Stadt  trägt,  obschon  zur  Zeit  des  Pli- 
nius  bereits  ein  Stüek  des  Berges  in's  Meer  gestürzt  war.  Die  Aussicht  ist 
überaus  herrlich :  auf  der  einen  Seite  erblickt  man  die  aeolischen  Inseln,  dann 
die  Küste  bis  zum  Cap  Rasiculmo,  weiter  rechts  das  neptunische  Gebilde,  end- 
lich im  Süden  hinter  den  Bergen ,  die  das  alte  Abakainon  trugen ,  die  Spitze 
des  Aetna,  des  Beherrschers  von  ganz  Sicilien. 

Dionys  verbesserte  indess  seine  Stellung  durch  die  Unterwerfung  einiger 
wichtiger,  mit  einer  Ausnahme  sikelischer  Städte:  Kephaloidion ,  Solus  und 
Henna  wurden  durch  Verrätherei,  Smeneon  und  Morgantine  durch  Eroberung 
sein;  zu  Herbessos  trat  er  in  freundschaftliche  Beziehungen,  ebenso  zu  Her- 
bita und  Assoros,  sowie  endlich  zu  Agyrion  und  Kentoripa,  zwei  Städten,  die 
von  Fürsten  Namens  Agyris  und  Dämon  beherrscht  wurden.  Die  Wie- 
derherstellung von  Messana  durch  Parteigänger  des  Dionys  brachte  übri- 
gens bald  die  Feindseligkeiten  zwischen  dem  Tyrannen  und  Rhegion  zi/m 
Ausbruch.  Die  Rheginer  sahen  darin  eine  dauernde  Gefahr  für  ihre  Unabhän- 
gigkeit und  bewirkten ,  um  ein  Gegengewicht  gegen  Messana  auf  der  Insel  zu 
haben ,  dass  die  noch  übrigen  der  ursprünglichen  Bewohner  von  Naxos  und 
Katane,  welche  durch  den  Tyrannen  ihre  Heimath  verloren  hatten,  Mylai  be- 
setzten, von  wo  Angriffe  auf  Messana  mit  Leichtigkeit  zu  machen  waren. 
Dann  sammelten  sie  ein  Heer,  zu  dessen  Anführer  sie  Heloris^  den  ehemaligen 
Freund  des  Tyrannen,  der  aus  uns  unbekannten  Gründen  von  ihm  abgefallen 
war,  machten,  und  rückten  vor  Messana.  Aber  die  Messaner,  mit  Söldnern 
des  Dionys  vereinigt,  überwanden  sie  und  tOdteten  ihrer  mehr  als  500.  Hierauf 
zogen  sie  selbst  gegen  Mylai  und  eroberten  es ,  entliessen  aber  die  dort  woh- 
nenden Naxier  ungeschädigt.  Diese  zerstreuten  sich  in  verschiedene  sicilische 
Orte.  Nun  beschloss  Dionys  Rhegion  anzugreifen.  Doch  war  ihm  noch  die 
sikelische  Gemeinde  im  Wege,  der  er  selbst  das  Gebiet  von  Naxos  eingeräumt 
und  die  sich  dann  auf  dem  Berge  Tauros  die  Stadt  Tauromenion  gegründet 
hatte.  Sie  hatte  sich  im  karthagischen  Kriege  an  die  Feinde  der  Griechen  an- 
geschlossen und  war  auch  jetzt  nicht  zu  einem  Bündnisse  mit  dem  Tyrannen 
zu  bewegen.  Dionys  lagerte  mit  seinen  Truppen  südlich  von  Tauromenion, 
nach  der  Seite  des  alten  Naxos  zu.  Er  hatte  erwartet,  dass  die  Sikeler,  ohne 
es  auf  eine  lange  Belagerung  ankommen  zu  lassen,  den  Ort,  den  sie  ja  noch 
nicht  lange  besassen ,  verlassen  würden.    Aber  gerade  an  dieser  Gegend  war 


•VT 

t 


124  Sechstes  Buch.    VI.  Dtonys  und  Italien.    Die  Lukaner.   RhegioD*^Fall. 

ihnen  viel  gelegen,  denn  sie  hatten  von  ihren  Vätern  gehört,  wie  hier  zuerst 
die  Griechen  sich  auf  Sicilien  niedergelassen  und  die  Sikeler  vertrieben  hätten. 
Die  Belagerung  zog  sich  in  die  Länge,  und  man  war  nicht  mehr  weit  von  Neu- 
jahr entfernt,  als  Dionys  durch  einen  Sturm  der  Sache  ein  Ende  zu  machen 
beschloss.  In  einer  dunkeln,  scbarfkalten  Nacht  erkletterte  er  mit  seinen 
Soldaten  mit  ausserordentlicher  Anstrengung  die  mit  Schnee  bedeckten  Ab- 
hänge der  von  der  Besatzung  nur  lässig  bewachten  Burg,  des  heutigen  Ca- 
stelle  di  Taormina,  das  die  Stadt  überragt.  Er  eroberte  sie  und  drang,  seinen 
Vortheil  rasch  verfolgend,  auch  in  die  eigentliche  Stadt,  konnte  sich  hier 
aber  gegen  die  kräftigen  Anstrengungen  der  Tauromenier  nicht  behaupten 
und  musste  einen  eiligen  Rückzug  antreten ,  auf  welchem  600  der  Seinigen 
den  Tod  fanden.  Er  selbst  iiel  auf  der  Flucht  zu  Boden  und  entging  nur  mit 
genauer  Noth  der  Gefangenschaft.  Fast  alle  seine  Soldaten  mussten  die  Waffen 
wegwerfen,  um  nicht  eingeholt  zu  werden ;  er  selbst  rettete  nur  seinen  Pan- 
zer. Diese  Niederlage  des  Tyrannen  machte  seinen  Feinden  neuen  Muth. 
Akragas  und  Kamarina,  wo  seine  Anhänger  vertrieben  wurden,  fielen  von  ihm 
ab;  sogar  die  Karlhager  machten  unter  Magon  einen  Versuch,  in  Sicilien 
wieder  mächtig  zu  werden.  Sie  fielen  in  das  Gebiet  von  Messana,  verwüste- 
ten es  und  zogen  sich  dann  in  die  Nähe  von  Abakainon  zurück,  welches  auf 
ihre  Seite  getreten  war.  Dionys  verfolgte  sie,  entschloss  sich  zu  einer  Sdilacht 
—  wahrscheinlich  waren  die  Aussichten  auf  den  Gewinn  derselben  glän- 
zend —  und  gewann  sie  wirklich.  Magon  ging  nach  einem  Verlust  von  800 
Mann  in  die  Stadt  Abakainon.  Nun  hätte  man  erwarten  sollen,  dass  Dionys 
seinen  Vortheil  verfolgt  hätte ;  er  begab  sich  aber  nach  Syrakus ,  und  als  er 
es  wieder  verliess,  geschah  es  mit  einer  Flotte  von  400  Trieren  und  einer  ent- 
sprechenden Landmacht,  womit  er  ^unvermuthet  Rhegion  überfiel,  indem  er 
ganz  richtig  voraussetzte,  dass  man  dort  seinen  Angriff  nicht  erwarte.  Es  war 
Nacht,  als  er  vor  der  Stadt  erschien  und  den  Eingang,  wie  einst  in  Syrakus, 
durch  Anzünden  der  Tbore  zu  erzwingen  gedachte.  Anfangs  versuchte  man 
das  Feuer  zu  löschen,  aber  Helens  gab  einen  andern  Ausweg  an.  Schnell 
wurde  aus  den  nächsten  Häusern  eine  ungeheure  Masse  Holz  herbeigeschafft 
und  in's  Feuer  geworfen,  so  dass  die  gewaltige  Gluth  es  den  Syrakusanern  un~ 
m(^lich  machte ,  einzudringen.  So  ward  Dionys  aufgehalten ,  bis  sich  eine 
hinreichende  Zahl  von  Vertheidigern  gesammelt  hatte.  Nun  begnügte  er  sich 
damit,  die  Umgegend  zu  verheeren,  und  kehrte  dann  nach  Syrakus  zurück. 

Der  plötzliche  Angriff  auf  Rhegion  hatte  ein  engeres  BUndniss  der  grie- 
chischen Städte  Italiens  zur  Folge.  Wir  müssen  bei  dieser  Gelegenheit  die 
Verhältnisse  Grossgriechenlands,  wie  sie  sich  etwa  um  das  Jahr  400  gestaltet 
hatten ,  kurz  darstellen  und  dabei  ihre  historische  Entwickelung  berücksich- 
tigen. Es  ist  im  ersten  Bande  der  Ursprung  und  die  Lage  der  Städte  geschil- 
dert. Daraus  ergiebt  sich  ein  wichtiger  Punkt,  der  eine  Eigenthümlichkeit  der 
Verhältnisse  dieser  Städte  im  Gegensatze  zu  Siciliens  Griechenstädten  er- 
klärt. Die  Hellenenstädte  Italiens  lagen  erstens  weiter  zerstreut  als  die  sici- 
lischen  und  zweitens  nur  am  Saume  eines  ausgedehnten,  ihnen  nicht  gehöri- 
gen Landes,  das  sie  zu  unterjochen  weder  hoffen  konnten,  noch  versucht 
haben,    während  den  sicilischen  Griechen  der  Besitz  der  ganzen,   von  der 


GrossgriechenJaDd.  125 

Natur  abgeschlossenen  Insel  erreichbar  dünken  musste  und  wirklich  erreich- 
bar schien.  So  waren  erstens  ihre  Beziehungen  unter  einander  nicht  so  enge, 
wie  die  der  Hellenen  Siciliens ,  und  zweitens  war  ihre  Existenz  eine  prekäre, 
in  ganz  anderer  Weise  als  die  der  Sikelioten.  Es  ist  deshalb  eine  gemeinsame 
Geschichte  der  Hellenen  Grossgriechenlands  kaum  zu  schreiben,  und  die  ein- 
zelnen Städte  bleiben  vielmehr  auf  sich  selbst  angewiesen.  Doch  lassen  sich 
gewisse  Gruppen  unterscheiden.  Eine  wird  gebildet  durch  die  Sicilien  näch- 
sten Städte  Lokri  und  Rhegion,  deren  Schicksale  mit  denen  der  Insel  eng  ver- 
knüpft sind;  eine  zweite  bilden  die  Städte  der  Mitte  des  tarentinischen  Golfes  : 
in  älterer  Zeit  Kroton  und  Sybaris,  später  Kroton,  Thurii,  Herakleia  und  Me- 
tapont ;  eine  dritte  Tarent  mit  den  messapischen  Städten ;  eine  vierte,  da  die 
südlichen  Kolonien  des  tyrrhenischen  Meeres,  wie  wir  im  ersten  Bande  gezeigt 
haben,  bis  nach  Pyxus  hinauf  von  Lokri,  Kroton  und  Sybaris  abhängig  waren, 
Elea  und  Poseidonia,  eine  fünfte  und  letzte  endlich  die  chalkidischen  Kolonien 
am  Fusse  des  Vesuv :  Kyme  und  Neapolis.  Je  weiter  nördlich  und  von  Sici* 
lien  entfernt ,  desto  wichtiger  werden  die  Beziehungen  zu  den  barbarischen 
Völkern,  wie  denn  Tarent  viel  mit  lapygiern  und  Messapiern  zu  schaffen  bat^ 
Kyme  aber  gar  in  die  römischen  Angelegenheiten  verwickelt  wird. 

Das  Ende  des  sechsten  Jahrh.  v.  Chr.  bezeichnet  einen  Abschnitt  in  der 
Geschichte  der  Hellenen  Italiens.  Sybaris  fällt,  aber  es  reisst  auch  die  Siegerin 
Kroton  mit  sich ,  die  seitdem  nie  wieder  so  bedeutend  und  berühmt  war  wie 
zuvor.  Und  Sybaris  verschwindet  nicht  ganz :  58  Jahre  nach  der  Zerstörung 
der  Stadt  versuchen  die  Sybariten  eine  Neugründung ,  wie  Diodor  ausdrück- 
lich überKefert  hat  (Ol.  81, 4],  aber  auch  schon  20  Jahre  früher  kommt  sie  in 
der  Geschichte  des  Hieron  und  Polyzelos  vor  (Bd.  I,  S.  213).  Endlich  veran- 
lassen die  Sybariten,  wie  wir  sogleich  sehen  werden,  die  Gründung  von 
Thurii  nach  derMitte  des  5.  Jahrh.  v.  Chr.  Aus  der  ersten  Hälfte  dieses  Jahrhun- 
derts sind  nur  wenige,  besonders  auf  Tarent  bezügliche  Thatsachen  bekannt: 
der  Krieg  der  Tarentiner  und  Rheginer  gegen  die  lapygier  zur  Zeit  des  Miky- 
thos,  wobei  nach  Diodor  die  lapygier  sogar  in  Rhegion  eindrangen,  und 
Kriege  derselben  Tarentiner  gegen  die  Messapier  und  Peuketier,  welche  in 
Delphi  Weihgeschenke  von  der  Hand  des  Ageladas  und  des  Onatas  veranlass- 
ten. Am  Perserkriege  nahm  mit  einem  einzigen  Schiffe  nur  Kroton  Theil. 
Nach  der  Mitte  des  Jahrhunderts  concentrirt  sich  das  politische  Interesse,  das 
die  grossgriechischen  Städte  erregen ,  um  die  Mündungen  der  Flüsse,  die  von 
den  lucaiiischen  Bergen  herab  sich  in  den  tarentinischen  Golf  eiigiessen,  und 
wo  mehr  als  eine  Hellenenstadt  schon  in  älterer  Zeit  zerstört  und  wieder  auf- 
gebaut war.  Zu  diesen  gehörten  Siris  und  Metapont,  deren  Geschichte  noch 
manche  dunkle  Stellen  zeigt.  Siris  bestand  nicht,  als  Metapont,  auf  Veranlas- 
sung der  Sybariten ,  von  Achäern  neu  colonisirt  wurde,  und  es  bestand  wie- 
derum nicht  zur  Zeit  der  Perserkriege,  wo  die  Athener  einen  Augenblick  daran 
dachten,  sich  hier  niederzulassen.  Als  Metapont  von  Achäern  unter  Leukip- 
pos  besetzt  wurde ,  war  es  von  Samnitern  zerstört.  Das  achäische  Metapont 
kann  aber  nicht  aus  dem  5.  Jahrh.  stammen,  wie  manche  gemeint  haben; 
nach  den  incusen  Münzen  zu  urtheilen,  war  es  älter.  Sollten  dann  aber,  etwa 
im  6.  Jahrh.  v.  Chr.  bereits  Samniter  so  weit  vorgedrungen  sein?    Man  kann 


126  Fünftes  Buch.  VI.  Dionys  and  Italien.  Die  Lukaner.   Rhegion's  Fall. 


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deshalb  annehmlBD,  dass  stall  der  Samniler  an  Choner  zu  denken  sei.  Wichti- 
ger aber  als  Siris  und  Metapont  wurde  für  diese  Gegenden  die  Stadt  Thurii, 
milderen  Anlage  die  Sybarilen  endlich  zur  Ruhe  zu  kommen  hofften  und  doch 
nicht  zur  Ruhe  kamen.  Wir  können  hier  natürlich  nicht  auf  die  chronologi- 
schen Fragen  in  Retreff  dieser  Gründung  eingehen ,  wir  haben  nur  auf  den 
Charakter  von  Thurii  aufmerksam  zu  machen.  Thurii  war  eine  Kolonie  nicht 
der  lonier  oder  der  Dorier,  sondern  der  Hellenen  überhaupt,  und  seine  Phylen 
bekundeten  in  ihren  Namen  die  bunte  Zusammensetzung  der  Rürgerschaft. 
Thurii  war  ferner  eine  regelmässig ,  nach  modemer  Weise  des  Milesiers  Hip- 
podamos  angelegte  Stadt,  wie  Mannheim  oder  Neu- York.  Es  wurde  eine  Zeit- 
lang der  geistige  Mittelpunkt  von  Grossgriechenland,  zumal  da  eine  Menge  be- 
deutender Männer  von  Osten  und  von  Westen  dahin  kamen.  Es  nahm  die 
sicilische  Rhetorik  in  der  Person  des  Tisias  und  die  östliche  Geschichtschrei- 
bung in  Herodol  und  Thukydides  bei  sich  auf,  und  jene  lernte  dort  Lysias 
der  Athener  kennen,  dessen  Vater  aus  Syrakus  stammte.  Aus  dem  Osten 
kam  ferner  Protagoras,  aus  dem  Westen  Empedokles  nach  Thurii,  um  dort 
eine  Zeitlang  zu  leben.  Wenn  es  möglich  war,  dass  Griechen  die  Slam- 
meseifersuchl  ablegten ,  so  mussten  in  einer  Stadt  wie  Thurii  sich  die  ersten 
Spuren  einer  milderen  Gesinnung  zeigen.  Aber  Thurii  griff  auch  krSfUg  in 
die  politischen  Verhältnisse  Italiens  ein.  Es  kam  in  Conflict  mit  Tarenl  über 
das  Gebiet  von  Siris.  Dieser  Krieg  ward  gleich  nach  Thurii's  Gründung  geführt 
(Ol.  84,  1 — 443  V.  Chr.)  und  hatte  zum  Resultat,  dass  Siris,  unter  dem  Titel 
einer  tarenlinischen  Kolonie,  Thurii  und  Tarenl  als  gemeinsamer  Besitz  zugespro- 
chen wurde.  Damals  war  Anführer  der  Thurier  der  Vater  des  Gylippos,  Klean- 
dridas,  der,  angeblich  von  Perikles  bestochen,  aus  Sparta  verbannt  war.  Ol. 
86,  4  gründeten  dann  die  Tarentiner  Herakleia,  d.  h.  sie  verlegten  Siris  etwas 
landeinwärts,  und  das  alte  Siris  diente  von  nun  an  nur  als  Hafenplatz.  Bald 
folgte  der  peloponnesische  Krieg  und  die  athenischen  Züge  nach  Sicilien ;  wir 
haben  oben  gesehen,  wie  sich  die  verschiedenen  italischen  Städte  hierzu 
stellten.  .  Gegen  das  Ende  der  grossen  Expedition  der  Athener  hatte  in  Thurii 
die  athenische  Partei  gesiegt ;  mit  der  Niederlage  der  Athener  unterlagen  auch 
ihre  Freunde  in  Thurii.  Um  dieselbe  Zeit  aber,  wo  die  südlichen  und  östlichen 
hellen]sch(en  Städte  Italiens  ihre  Augen  auf  Athen  und  Sparta ,  Syrakus  und 
Korinth  gerichtet  hielten,  zog  sich  im  Norden,  von  der  Mitte  der  Halbinsel 
her,  das  Ungewilter  zusammen,  das  mancher  griechischen  Stadt  den  Unter- 
gang bereiten  sollte,  und  die  nordwestlichen  Städte,  wie  Neapel  und  Kyme. 
begannen  schon  den  Kampf  um  ihre  Existenz. 

Samniler,  Bewohner  eines  Theils  der  Apenninen  südlich  vom  Sagrus  und 
Liris,  ein  Volk  echt  italischen  Charakters,  Sprösslinge  der  Sabiner,  setzten  die 
uralten  Völkerwanderungen,  die  sie  wie  andere  Völker  desselben  Stammes 
von  Osten  her  nach  Italien  geführt  hatten,  in  südlicher  Richtung  fort.  Ich 
habe  im  ersten  Bande  dieser  Geschichte,  als  ich  die  Gründung  der  hellenischen 
Kolonien  in  Sicilien  erzählte,  darauf  hingewiesen ,  wie  das  Volk  der  Hellenen 
eben  in  diesen  Kolonien  seinen  uralten  Wandertrieb  zum  letzten  Male  helhätigt 
hat.  Es  kann  nicht  genug  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  die  helle- 
nischen Kolonien  nicht  blosse  Ergebnisse  augenblicklicher  politischer  oder  öko- 


Die  Lukaner.  127 

Domischer  Verhältnisse  der  Mutterstädte  sind;  diese  boten  nur  die  äussere  Ver- 
anlassung: sie  sind  ein  Product  der  inneren  Natur  des  hellenischen  Stammes. 
In  entsprechender,  wenngleich  natürlich  in  Folge  des  verschiedenen  National- 
Charakters  etwas  abweichender  Weise  (die  Verschiedenheit  zeigt  sich  besonders 
darin,  dass  die  italischen  Auswanderungen  nur  zu  Lande  erfolgten),  fin- 
den wir  die  Wanderungen  unter  den  italischen  Völkerschaften  an  der  Ta- 
gesordnung. Wie  bei  den  Griechen  wurden  sie  mit  der  Religion  in  Verbin- 
dung gebracht.  Die  Ausgesandten,  die  ausserhalb  des  zu  eng  werdenden 
Vaterlandes  sich  eine  neue  Heimath  suchen  sollten,  waren  ein  heiliger  Früh- 
ling—  versacrum.  Solch  eine  Schaar  streitfähiger  Jugend  war  es,  die  um 
das  Jahr  438  in  besonders  grosser  Anzahl  und  mit  besonderer  Energie  aus 
ihren  Bergthälern  hervorbrach  und  die  Eroberung  der  näher  und  femer  gele- 
genen schönen  Ebenen  und  reichen  Städte  unternahm.  Sie  wandten  sich  nach 
Südwesten,  wo  die  fruchtbaren  Gefilde  um  den  Vesuv  sie  lockten.  Zuerst,  um 
das  Jahr  420,  fiel  Gapua  in  ihre  Hände  und  in  kurzer  Zeit  waren  sie  im  Besitz 
des  ganzen  Landes  Kampanien,  dessen  tuscische  Herrscher  ihrer  jüngeren 
Kraft  weichen  mussten.  Sie  nahmen  den  Landesnamen  an  und  nannten  sich 
selbst  Kampaner,  und  solche  samnitische  Kampaner  waren  es,  die,  noch  nicht 
zufrieden  mit  den  dort  gemachten  Erwerbungen,  wie  wir  6s  in  der  Geschichte 
der  Karthagerkriege  sahen ,  in  die  Dienste  der  verschiedenen ,  auf  Sicilien 
Krieg  führenden  Mächte  traten.  Die  Folge  der  Eroberung  Kampaniens  war, 
dass  sie  auch  die  Hellenenstädte  der  Küste  angriffen  ,  und  da  ward  die  älteste 
Griecbenstadt  Kyme  ihre  erste  Beute.  Strabon  tbeilt  uns  mit,  dass  sie  die 
Frauen  der  Stadt  für  sich  nahmen ,  ganz  in  derselben  Weise  verfuhren  später 
ihre  Stammesgenossen  in  Entella  (s.  oben  S.  \  03) ,  und  noch  ein  anderes  auf- 
fallendes Beispiel  desselben  Verfassers  wird  uns  im  Verlaufe  dieser  Geschichte 
begegnen.  Nach  Kyme  kamen  andere  hellenische  Kolonien  des  tyrrheni- 
schen  Meeres  in  die  Hände  der  Samniter ,  die  in  verhältnissmässig  kurzer  Zeit 
das  gesammte  Innere  von  Süd -Italien  bis  in  seine  beiden  Spitzen  über- 
schwemmten. Hier  aber  nahmen  sie  einen  andern  Namen  an;  sie  nannten 
sich  Lukaner,  und  nachdem  sie  die  alten  Italer,  Oenotrer  und  Choner  unter- 
worfen hatten ,  hörten  die  Namen  Italia  und  Oenotria  auf,  diese  Gegenden  zu 
bezeichnen,  und  man  sprach  hinfort  von  Lukanien  und  den  Lukanem  als  von 
einem  grossen  Lande  und  einem  mächtigen  Volke.  In  der  Blüthe  ihrer  Macht 
besassen  die  Lukaner  ebensowohl  die  westliche  wie  die  östliche  Halbinsel,  und 
jene  ist  erst  in  der  Mitte  des  4.  Jahrh.  v.  Chr.  durch  einen  Aufstand  der  Bret- 
tier,  ihrer  hier  wohnenden  Leibeignen,  ihnen  entrissen  worden.  Diese  Lu- 
kaner nun  waren  es,  welche  die  griechischen  Städte  bedrängten,  und  gegen 
welche  ebenso  sehr  wie  gegen  Dionys  der  Bund  der  Italioten  gerichtet  war. 
Dionys  und  die  Lukaner  wurden  Freunde ,  ein  neuer  Beweis  der  guten  Be- 
ziehungen, die  der  Tyrann  von  Syrakus  zu  den  Völkerschaften  italischen 
Stammes  unterhielt.  Freilich  genügte  der  wohlverstandene  Vorlheil  beider, 
um  das  Einvernehmen  zu  erklären. 

Die  verbündeten  Griechen  hatten  übrigens  Zeit,  sich  zu  rüsten,  da  der 
Tyrann  392  v.  Chr.  Ol.  97,  4  noch  einmal  durch  den  karthagischen  Feld- 
herrn Magon  mit  einer  bedeutenden,  wenn  auch  den  Heeren  Hannibal's  und 


Fünftes  Buch.   VI.  Dionys  und  Ilalien.   Die  Lukaner.   Rhegion's  Fell. 

i's  keineswegs  gleiuhkommeDden  Macht  angegriffen  wurde.  Das  Heer, 
kaoern,  Sarden  und  italischen  Barbaren  bestehend,  war  etwa  80,000 
ark.  Während  nun  die  Ksrlbager  anfangs  an  der  SeekUste  entlang 
ten  marscbirt  witren,  dann  Himilkon  den  Weg  längs  der  Nordktlsle 

halte ,  schlug  diesmal  Magon  ein  ganz  abweichendes  Verfahren  ein. 
ie  NordkUste  waren  offenbar  ausges<^en ,  der  karthagische  Feldbeir 
jhalb  von  der  wohlbegrUndeten  Gewohnheit  seines  Volkes ,  die  Koste 
zu  marscbiren,  ab;  er  zog  durch's  Innere,  und  wir  finden  ihn,  als 
[nil  20,000  Mann  heranrückte,  bei  Agynon  am  Ghrysas  unfern  des 
i^ntion  fuhrenden  Weges  gelagert.  Die  Entfernung  von  der  Proviant- 
jrd  sein  Verderben.  Dionys  verband  sich  mit  Agyris ,  dem  reichen 
n  von  Agynon,  einer  damals  höchst  volkreichen  Stadt  von  20,000 
,  wenn  anders  Diodor's  LocalpatrioUsniua  nicht  Übertreibt.  Die  leich- 
ipen  der  Verbündeten  hatten  bald  in  allen  Gefechten  über  die  zer- 
,  zum  Fouragiren  ausgeschickten  karthagischen  Abtheilungen  das 
wicht,  und  nach  kurzer  Zeit  gab  sich  im  feindlichen  Heere  ein  emp- 
r  Hangel  an  Lebensmitteln  kund.  Der  Plan  des  Dionys  war  nun 
keine  Schlacht  liefern,  sondern  die  Karthager  durch  Hangel  zu 
gehen  lassen.  Er  fand  aber  nicht  den  Beifall  der  Syrakusaner,  welche 
inter  Weise  eine  Schlacht  verlangten  und  endlich  aus  Zorn  über  die 
te  Verrütherei  des  Dionys  das  Heer  vcriiessen.  Dieser  war  anfangs 
!  Zukunft  in  Sor^e  und  ordnete  sogar  wieder  eine  Freilassung  von 

an,  um,  wenn  der  Krieg  fortdauern  sollte,   eine  Stütze  zu  haben. 

Karthager  befanden  sich  wirklich  in  einer  so  schlimmen  Lage,  dass 
'rieden  baten,  und  Dionys  bewilligte  ihn  gern,  besonders  da  die  für 
leilbafte  Bedingung  in  denselben  aufgenommen  wurde,  dass  die  Si- 
I  als  Herrn  anerkennen  und  Tauromenion  ihm  gehären  solle.  Das  war 
ys  ein  grosser  Fortschritt  gegen  den  Frieden  des  Jahres  tOi.  Dsnoats 
lessaner,  Leontiner  und  Sikeler  unabhängig  erklärt  worden;  jetzt 
eonüner  und  Messaner  schon  lange  dem  Dionys  unterworfen,  und  die 
wurden  eigens  als   seine  Unterthanen  anerkannt.     Jetzt  gab  Dionys 

soelien  befreiten  Sklaven  ihren  Herren  zurUck  und  eroberte  Tauro- 
Er  entfernte  aus  der  Stadt  die  meisten  der  sie  bewohnenden  Sikeler 
;te  dafür  eine  Anzahl  der  ihm  ergebensten  Söldner  ein.  Wir  ddrfen 
in,  dass  diese  Eroberung,  obwohl  Diodor  es  nicht  sagt,  erstin'sfol- 
hr  (391  V.  Chr.  Ol.  97,  i)  m\i.  Wir  haben  hier  wieder  die  richtige 
des  Dionys  anzuerkennen ,  der  die  Orte  seiner  NeugrUndungen  treff- 
ilte.  Tyndaris  und  Tauromenion  legte  er  an  hohen  und  sicheren, 
«  Nahe  des  Heeres  geschützten  Punkten  an ;  Hadranon  hatte  er  an 
rte  von  grosser  politischer  Bedeutung  erbaut. 

lahre  darauf  [390  v.  Chr.  Ol.  97,  3)  glaubte  er  im  Stande  zu  sein, 
1er  mit  Erfolg  gegen  Rhegion  zu  wenden.  Er  hatte  80,000  Hann  lu 
00  Reiter  und  100  Schiffe.  Im  Gebiete  des  befreundeten  Lokri  landete 
Uckle  mit  Heer  und  Flotte  vor  Rh^on,  das  Land  unterwegs  verwu- 
Nach  ihrem  vor  drei  Jahren  geschlossenen  Bunde  waren  die  italischen 

zum  Beistände  Rhegion's  vei^flichtel ,  und  es  lief  von  Kroton,  der 


Fetdzüge  des  Dtonys  tn  Grossgriechenland.  129 

mächiigsteo  grossgriechischen  Stadt ,  eine  Flotte  von  60  Schiffen  aus.  In  der 
Nähe  Rhegion^s  wurde  sie  von  Dionys  mit  50  der  seinigen  angegriffen.  Die 
Italioten  steuerten  erschrocken  dem  Lande  zu ;  Dionys  aber ,  die  Furcht  der 
Feinde  benutzend,  folgte  ihnen,  bemächtigte  sich  der  von  der  Mannschaft 
verlassenen  Fahrzeuge  und  war  schon  im  Begriff,  sie  am  Schlepptau  wegzu- 
führen, als  die  Rheginer  in  grossen  Schaaren  aus  der  Stadt  hervorbrachen  und 
Dionys  zurücktrieben.  Um  dieselbe  Zeit  erhob  sich  ein  heftiger  Sturm.  Die 
Rheginer  konnten  die  Schiffe  an's  Land  ziehen;  Dionys  musste  seine  Flotte 
anderswo  in  Sicherheit  zu  bringen  suchen.  Sieben  seiner  Schiffe  scheiterten 
an  der  italischen  Küste,  und  von  den  1500  Menschen,  die  sich  auf  ihnen  be- 
fanden, wurden  viele  von  den  Rheginern  gefangen  genommen,  andere  kamen 
im  Meere  um.  Dionys  selbst,  der  sich  auf  einem  grossen  Schiffe  mit  fünf  Ru- 
derreihen befand,  kam  erst  um  Mitternacht  im  Hafen  von  Messana  an.  Dieser 
Unfall  verleidete  ihm  für  dieses  Jahr  den  Krieg ;  er  kehrte  nach  Syrakus  zu- 
rück, nachdem  er  noch  mit  den  Lukanern  ein  förmliches  Bündniss  abgeschlossen 
hatte.  Diese  benutzten  den  Rest  des  Jahres  zu  einem  Angriffe  auf  Thurii.  Die 
Thuner  nahmen  Bundeshülfe  in  Anspruch,  die  bereitwillig  gewährt  wurde, 
denn  noch  war  die  vor  kurzer  Zeit  getroffene  Bestimmung  in  aller  Andenken, 
wonach  die  Feldherren  der  Stadt,  welche  Hülfe  zu  leisten  versäumte,  mit  dem 
Tode  bestraft  werden  sollten.  Aber  die  Thurier  begingen  die  Unvorsichtigkeit, 
die  Ankunfl  der  Bundesgenossen  nicht  abzuwarten ;  sie  rückten  allein  gegen 
die  Lukaner,  freilich  mit  der  bedeutenden  Macht  von  14,000  Mann  zu  Fuss  und 
etwa  iOOO  Reitern.  Die  Lukaner  zogen  sich  bei  ihrer  Annäherung  in  das 
bereits  früher  erbbei*te  Gebiet  am  tyrrhenischen  Meere  zurück.  Eine  luka- 
nische  Burg  nahmen  die  Thurier ;  als  sie  aber  gegen  Laos ,  das  ebenfalls  den 
Lukanern  gehörte,  vorrückten,  fielen  sie  in  einen  Hinterhalt  und  wurden  voll- 
stündig  geschlagen.  Die  Lukaner  machten  keine  Gefangene,  und  so  karnen 
über  10,000  Thurier  um.  Einige  flohen  auf  einen  Rerg  am  Meere,  wo  sie 
sich  vertheidigten ;  andere  schwammen  nach  gerade  vorbeifahrenden  Schiffen, 
die  sie  für  rheginische  hielten.  Es  waren  aber  syrakusanische  unter  Leptines. 
Den  Leptines  dauerten  die  Griechen;  er  nahm  die  Schwimmer  freundlich  auf, 
brachte  sie  an's  Land  und  übergab  sie  den  Lukanern  unter  der  Bedingung, 
dass  sie  nun  für  jeden  der  Tausend,  die  noch  auf  dem  Berge  und  in  den 
Schiffen  waren,  eine  Mine  als  Lösegeld  annehmen  sollten.  Soweit  handelte 
Leptines  zugleich  menschlich  und  klug.  Er  vermittelte  aber  auch  einen  Frie- 
den zwischen  den  Italioten  und  den  Lukanern,  und  das  war  gegen  den  Vor- 
theil  des  Tyrannen ,  der  auf  die  Bedrängniss  der  Griechen  seine  Pläne  gebaut 
hatte.  Daher  entsetzte  dieser  den  Leptines  seines  Amtes  und  gab  es  seinem 
zweiten  Bruder  Thearides. 

Das  Jahr  darauf  (389  v.  Chr.  Ol.  97,  4)  setzte  er  den  Krieg  in  Italien  fort 
mit  SO, 000  Mann  zu  Fuss,  3000  Reitern,  40  Kriegs-  und  ungefähr  300  Trans- 
portschiffen. Fünf  Tage  brauchteer,  um  nach  Messana  zukommen,  wo  er 
seinen  Truppen  einige  Erholung  gönnte.  Thearides  wurde  mit  30  Schiffen 
nach  Lipara  geschickt,  wo  iO  rheginische  Fahrzeuge  verweilen  sollten.  Er 
bemächtigte  sich  der  Flotille  mit  der  Mannschaft,  die  in  Messana  gefangen 
gesetzt  ward.   Dann  ging  der  Tyrann  nach  Italien.  Hier  suchte  er  zuerst  einige 

Holm,  Qescli.  SieilienB.    n.  9 


130  Fünftes  Buch.   VI.  Dtonys  und  lUlien.   Die  Laksner.    Rbegion*s  Fall. 

benachbarte  SUIdle  zu  unterwerfen ,    um  das  isoHrte  Rhegion  desto  sidierer 
zu  besiegen.    Er  griff  Kaulonia  an.    Alsbald  waren  aber  auch  die  italischen 
Griechen  uir  Bundeshttife  bei  der  Hand.    Kroton  ttbernahm  die  Führung,  als 
die  grösste  und  durch  die  Menge  der  dort  wohnenden  syrakusanischen  Flücht- 
linge (die  sich,  wie  man  sieht ,  aus  dem  schwer  bedrohten  Rhegion  weiter 
nach  Osten  in  Sicherheit  gebracht  hatten)  dem  Tyrannen  feindlichste  Stadt. 
Die  Krotoniaten  wählten  zum  Feldherren  den  schon  erwähnten  Heloris,  den 
früheren  Freund  und  jetzigen  Feind  des  Tyrannen ,   einen  in  militärischen 
Dingen  sehr  erfahrenen  Mann.    Heloris  rückte  mit  25,000  Mann  zu  Fuss  und 
2000  Reitern  zum  Schutze  von  Kaulonia  aus,  Dionys  zog  ihm  entgegen.    In 
der  Nähe  des  Flusses  Elleporos  kam  es  durch  die  Unvorsichtigkeit  des  Heloris 
zu  einer  für  die  Italioten   verderblichen  Schlacht.     Dionys  hatte,  ohne  dass 
seine  Feinde  es  wussten ,  sein  Lager  ungefähr  eine  Meile  von  Heloris  aufge- 
schlagen.   Nun  unternahm  dieser  noch  vor  Tagesanbruch  mit  500  Mann  eine 
Recognoscirung.    Dionys  aber ,  von  den  Bewegungen  der  Feinde  unterrichiet, 
führte  seine  ganze  Macht  dem  Heloris  entgegen,  der  in  eine  schlimme  Lage 
gerieth.    Statt  sich  zurückzuziehen,  liess  er  sein  Heer  nachkommen.    Es  war 
aber  schon  zu  spät,  er  ßel  mit  den  meisten  seiner  Abiheilung.    Das  italische 
Heer,  welches  in  grösster  Hast  herbeieilte ,   vermochte  ebenfalls  den  wohlge- 
ordneten Truppen  des  Tyrannen  nicht  lange  Widerstand  zu  leisten,  es  wandte 
sich  zur  Flucht  und  konnte  sich  für  den  Augenblick  nur  dadurch  retten, 
dass  es  eine  schwer  zu  erstürmende  Höhe  besetzte.    Der  Ort  bot  aber  kein 
Trinkwasser;  Dionys,  des  endlichen  Erfolges  sicher,  begnügte  sich  deshalb 
mit  seiner  Bewachung.     In  der  Thal  mussten  die  Italioten,   von  Hitze  und 
Durst  gequält,  sich  um  die  achte  Stunde  des  folgenden  Tages  auf  Gnade  und 
Ungnade  ergeben.    Sie  waren  auf  das  Schlimmste  gefasst.    Dionys  stand  am 
.  Abbange  und  zählte  die  bei  ihm  vorbeiziehenden  Feinde  wie  eine  Vieh-  oder 
Sklavenheerde,  indem  er  jeden  mit  seinem  Stocke  berührte;  es  waren  mehr 
als  40,000.    Wie  überrascht  waren  sie,  als  er  sie  plötzlich  ohne  Lösegeld  ent- 
liess,  nur  den  Wunsch  aussprechend,  mit  ihren  Städten,  die  er  gerne  als  un- 
abhängig anerkennen  wolle,  in  Frieden  zu  leben !    Die  meisten ,  wahrschein- 
lich auch  Kroton,  nahmen  sein  Anerbieten  an,  zum  Tbeil  wirklich  durch  seine 
Grossmuth  gewonnen,  die  doch  nur  Klugheit  war.     Wenn  die  Klugheit  ihn 
immer  zu  solchen  Handlungen  getrieben  hätte ,  so  würde  Mit  -  und  Nachwelt 
wenig  Tadel  für  ihn  gehabt  haben.    Aber  leider  verdiente  er  es  nicht  oft,  wie 
diesmal,    dass   von   ihm  Gerettete  ihn  mit  goldenen  Kränzen  ehrten,  und 
die  vereinzelte  That  der  Milde  hat  auf  das  Urtheil  über  ihn  keinen  Einfluss 
gehabt.   Der  Hauptvortbeil,  den  ihm  seine  Grossmuth  brachte,  bestand  in  der 
Isolirung  der  Rheginer.    Diese  dachten  nun  durch  Demüthigung  vor  dem  Ty- 
rannen seinen  Zorn  zu  entwaffnen.   Ihm  aber  war  es  um  zwei  Dinge  zu  thun: 
um  Rache  für  die  Beleidigung,  die  Rhegion  ihm  angethaa,  als  er  »eh  dort  eine 
Gattin  suchte,  ganz  besonders  aber  um  den  Besitz  der  für  Siciliens  Sicherheit 
wichtigen  Stadt.    Deshalb  stellte  er  sich ,  als  ob  er  den  Bitten  dar  Rheginer 
nicht  widerstehen  könne.    Er  gewährte  ihnen  Frieden  unter  der  Bedingung, 
dass  sie  300  Talente  zahlen,  ihre  ganze  aus  70  Segeln  bestehende  Flotte  ihm 
ausliefern  und  100  Geiseln  stellen  sollten.    Die  Rheginer  gingen  darauf  ein, 


isolirung  der  ftheginer.   Eroberang  von  Rhegion.  '  131 

ohne  zu  bedenkeo,  dass  sie  nun  gitnKlieh  in  der  Hand  des  Tyrannen  waren. 
Es  war  das  Verfahren  der  Römer  gegen  Karthago,  aber  Knrlhago  ging  besiegt 
solche  Bedingungen  ein,  wie  Rhegion  ohne  Kampf.  Jetzt  zog  Dionys  von 
neuem  gegen  Kaulonia ,  das  keinen  Widerstand  mehr  wagte.  Die  Stadt  ward 
zersU^rt  und  das  Gebiet  den  Lokrern  gegeben ;  die  Einwohner  mussten  nach 
Syrakus  übersiedeln,  wo  sie  das  Bürgerrecht  und  fünf  Jahre  Steuerfreiheit 
erhielten.  Ebenso  machte  er  es  im  nächsten  Jahre  (388  v.  Chr.  Ol.  98,  \]  imX 
der  am  nördlichen  Meere  gelegenen  Stadt  Hipponion. 

Nun  war  Rhegion  von  aller  Hülfe  entblösst  und  von  syrakusaniscfaem 
und  lokrischem  Gebiet  rings  umschlossen.  Es  war  die  Zeit  gekommen,  wo  es 
fallen  musste,  und  es  handelte  sich  nur  um  einen  Vorwand  zum  Angriffe. 
Dionys  führte  seine  Truppen  nach  der  Mterenge,  als  sollten  sie  nach  Sieilien 
übersetzen.  Dann  forderte  er  von  den  Bheginern  Lebensmittel  unter  dem 
Vorgeben,  er  werde  ihnen  bald  andere  zum  Ersätze  aus  Syrakus  senden.  An- 
fangs gaben  sie  das  Verlangte ,  als  er  aber  seine  Forderungen  wiederholte  und 
unter  allerlei  Vorwänden  die  Ueberfahrt  verzögerte,  sahen  die  Rheginer,  dass 
der  Tyrann  es  darauf  abgesehen  habe,  sie  auszuhungern,  und  sie  verweigerten 
fernere  Lieferangen.  Jetzt  spielte  Dionys  den  Beleidigten ;  er  schickte  ihnen 
ihre  Geiseln  zurück  und  belagerte  die  Stadt.  Trotz  täglicher  Angriffe  aber, 
trotzdem  dass  die  besten  und  gewaltigsten  Maschinen  die  Mauern  erschütter- 
ten, hatte  die  Belagerung  keinen  Fortgang.  Es  handelte  sieh  für  die  Rheginer 
um  Freiheit  und  Leben ,  und  sie  vertheidigten  sich  unter  der  Führung  des 
Phyton  mit  der  grössten  Tapferkeit.  Alle,  die  die  Waffen  tragen  konnten, 
kämpften,  und  es  wurden  Ausfälle  gemacht,  wobei  die  Belagerungsmaschinen 
litte!^  und  einmal  Dionys  selbst  verwundet  wurde.  Es  war  ihm  nicht  möglich, 
die  Stadt  zu  erobern,  aber  ebenso  w^nig  konaten  die  Rheginer  sich  von  dem 
ehernen  Ringe,  der  sie  einsohloss,  befreien,  und  so  musste  schliesslich  doch 
die  Zähigkeit  des  Tyrannen  den  Sieg  davon  tragen.  In  Rhegion  trat  Mangel  an 
Lebensmitteln  ein.  Bald  kam  es  so  weit,  dass  ein  Scheffel  Weizen  fünf  Minen 
galt;  dann  musste  man  die  Pferde  und  was  sonst  an  Thieren  in  der  Stadt 
war,  schlachten,  und  als  alles  Fleisch  aufgezehrt  war,  kochte  man  die  Häute 
nnd'ass  sie.  Endlich  waren  die  Rheginer  so  weit  gekommen,  dass  sie  scbaa- 
renweise  aus  den  Thoren  sohiiahen  und  sich  auf  das  Gras  warfen,  das  am 
Fusse  der  Mauern  wuchs,  um  ihren  Hunger  zu  stillen.  Aber  Dionys  liess  es 
unter  dem  Schutze  seiner  Soldaten  von  Thieren  abweiden.  Endlich  erreichte 
er  seinen  Zweck  ;  Rhegion  engab  sich  auf  Gnade  und  Ungnade,  387  v.  Chr.,  Ol. 
98,  2.  Als  er  in  die  überwundene  Sladt  einzog,  fand  er  Haufen  von  Leichen. 
Tausende  waren  Hungers  gestorben,  und  die  Ueberlebenden  waren  Todten 
ähnlich.  Es  waren  nur  ^OaO,  die  in  soine  Häi^le  fielen.  Er  gestattete  jedem, 
sich  für  eine  Mine  Silbers  zm  befreien;  die  es  nicht  zahlen  konnten,  wurden 
verkauft.  Während  so  die  Ma^se  der  unglücklichen  Rheginer  kein  schlimmeres 
Loos  zu  erdulden  haAte,  als  Knegsgefengene  überhai^t  bei  den  Griechen, 
richtete  sich  der  ganze  Zorn  des  Tyrannen  gegen  den  Feldherrn  Pliyton. 
Zuerst  liess  «r  ihn  an  eiae  der  höchsten  Maschinen  binden,  als  sollte  eine 
ganz  besonders  grausaime  Strafe  a»  ihm  vollzogen  werden.  Dann  verkündete 
man  dem  Unglücklichen,   driss  Dionys  am  vorigen  Tage  seinen  Sohn  habe 

9* 


132  Fünftes  Buch.   VI.  Dionys  und  Italien.   Die  Lukaner.   fthegion's  Fall. 

ersäufen  lassen.  Der  Feldherr  antwortete:  »Desto  besser,  so  ist  er  am.  einen 
Tag  glücklicher  als  sein  Vater.«  Als  Dionys  sah,  dass  Phyton  kein  Zeichen  der 
Schwäche  gab,  Hess  er  ihn  herabnehmen  und  mit  Geisseihieben  durch  die 
Stadt  tnnben.  Ein  Herold  verkündete,  dass  Dionys  ihn  so  strafe,  weil  er  seine 
Vaterstadt  zum  Kriege  verleitet  habe.  Phyton  aber  rief,  er  werde  so  gequält, 
weil  er  die  Stadt  nicht  habe  an  Dionys  verrathen  wollen,  aber  bald  werde  den 
Tyrannen  die  Rache  der  Götter  treffen.  Die  ganz  ungriechische  Art,  Gefan- 
gene zu  beschimpfen,  erregte  den  Unwillen  der  eigenen  Soldaten  des  Dionys. 
Er  musste  befürchten ,  dass  ein  Versuch  gemacht  werden  würde ,  Phyton  zu 
befreien,  und  Hess  ihn  schnell  mit  seiner  ganzen  Familie  ersäufen.  Aligemein 
wurde  das  Schicksal  des  Mannes  bedauert,  und  später  besangen  Dichter  seine 
Tugenden  und  sein  Unglück.  So  kaih  Dionys  in  don  Besitz  der  Stadt  Rhegion. 
Er  zerstörte  sie  und  gab  das  Land  wahrscheinlich  theilweise  an  die  Lokrer, 
denen  so  die  Herrschaft  über  fast  die  ganze  Südwestspitze  Italiens  vom  hippo- 
niatischen  und  skylietischen  Meerbusen  an  zu6el ;  die  Lokrer  aber  hingen  in 
Wirklichkeit  von  Dionys  ab. 

Nunmehr  ist  die  Macht  des  Dionys  gesichert.  Wir  werden  allerdings 
sehen,  dass  sie  sich  noch  etwas  weiter  ausgedehnt  hat,  aber  die  wesentliche 
Grundlage ,  der  eigentliche  feste  Kern  ist  doch  bereits  vorhanden.  Das  Jahr 
387  bezeichnet  somit  das  Ende  der  ersten  grossen  Periode  der  Regierung  des 
Tyrannen  von  Syrakus.  Und  wenn  seine  Macht  sich  auch  räumlich  noch  etwas 
erweiterte,  wenn  sein  Ruhm  auch  noch  wuchs,  celativ  waren  beide  damals 
am  grössten,  d.  b.  wenn  man  auf  die  augenblicklichen  Verhältnisse  der  Mit- 
telmeerstaaten Rücksicht  nimmt.  Das  Jahr  387,  in  welchem  Dionys  durch 
Rhegion *s  Fall  sein  Reich  sicherte,  ist  nämlich  noch  durch  eine  andere,  viel 
berühmtere  Begebenheit  merkwürdig,  durch  den  Frieden  des  Antalkldas,  und 
kurz  vorher  hatten  die  Gallier  Rom  erobert  und  standen  noch  gefürchtet  und 
mächtig  in  Mittelitalien.  Wenn  im  allgemeinen  als  die  Feinde  der  klassischen 
Kulturvölker  diese  drei  bezeichnet  werden  müssen :  die  Perser,  die  Karthager 
und  die  nordischen  Völkei^schaften,  und  unter  den  letztgenannten  zunächst  die 
Gallier,  so  stand  es  im  Jahre  387  v.  Chr.  folgendermassen  mit  ihnen  und 
ihrer  Macht.  Die  Griechen  des  eigentlichen  Hellas  opferten  den  Persern  ihre 
asiatischen  Stammesbrüder ;  die  Gallier  waren  kaum  aus  Rom  abgezogen  und 
noch  furchtbar  genug ;  nur  die  Karthager  wurden  von  ihren  speciellen  Gegnern, 
den  sicilischen  Griechen,  vollkommen  in  Schranken  gehalten.  Mit  anderen 
Worten :  die  Römer  hatten  kaum  eine  Demüthigung  überwunden ;  die  Spar> 
taner,  die  Führer  von  Hellas,  hatten  selbst  Griechenland  beschimpft  und  ge- 
demüthigt;  nur  Dionys  hielt  den  Kriegsruhm  der  Griechen  aufrecht,  und  Sy* 
rakus  war  am  Mittelmeer  für  den  Augenblick  der  einzige  wirklich  mächtige 
Staat.  Das  Jahr  387  bezeichnet  somit  den  Gipfelpunkt  der  sicilischen  Macht 
im  ganzen  Alterthum.  Und  einen  Beleg  dafür  geben  die  Beziehungen,  in  denen 
Dionys  zu  den  übrigen  Mächten  der  Zeit  stand.  Er  ging  mit  den  Galliern 
freundschaftliche  Verbindungen  ein  und  hat,  wie  wir  alsbald  sehen  werden, 
das  Seine  dazu  beigetragen,  dass  die  Hellenen  den  Frieden  des  Antalkidas 
annehmen  mussten.  Er  war  also  nicht  nur  im  directen  Bereiche  seiner  Wafien 
gefürchtet;  sein  Einfluss  reichte  fast  bis  an  die  Grenzen  der  civilisirten  Welt, 


Macht  des  Dionys.  133 

und  man  erkadnie  ihn  als  eine  Grossmachi  ersten  Ranges  an.  Er  nahm 
eine  Stellung  ein,  wie  in  Sicilien  in  späterer  Zeit  nur  König  Wilhelm  IL,  der 
Zeitgenosse  Friedrich  Barbarossa's.  Wenn  er  nun  so  in  seinen  Beziehungen 
zum  Osten  des  Miltelmeeres  und  zum  centralen  Italien  wohl  als  ein  höchst 
mächtiger  Fürst,  aber  keineswegs  als  ein  Hort  der  Givilisation  dasteht,  die  er 
vielmehr  durch  sein  BUndniss  mit  den  Galliern  und,  wenn  wir  dieses  bei  sei- 
nem bald  zu  erwähnenden  Charakter  hier  weniger  anführen  dürfen ,  jeden- 
falls durch  das  mit  Sparta  indirect  schädigt,  ist  er  dagegen  durch  die  einfache 
Thatsache  seiner  Macht,  die  die  Karthager  in  Schranken  hält,  die  wichtigste, 
ja  fast  die  einzige  Stütze  des  Hellenenthums  und  somit  der  Bildung  in  jener 
denkwürdigen  Epoche  gewesen.  Denn  was  wäre  geschehen,  wenn  es  im  Jahre 
387  nicht  ein  starkes  Syrakus  gegeben  hätte?  Die  Karthager  wären  von  Westen 
hervorgedrungen  wie  die  Perser  von  Osten ,  und  wer  kann  sagen ,  welches 
Schicksal  dann  das  Hellenen thum  gehabt  hätte? 


Siebentes  Kapitel. 

Des  Dionys  Macht  in  Italien.    Seine  Tlieilnalinie  an  den  Angelegen- 
heiten Griechenlands. 

In  Sicilien  hat  die  Macht  des  Tyrannen  von  Syrakus  sich  nach  dem  Jahre 
387  nicht  wesentlich  ausgebreitet.  Hin  und  wieder,  wenn  gerade  seine  Blicke 
nach  Osten  gerichtet  waren ,  mochte  ihm  eine  grössere  Ausbreitung  derselben 
auf  der  Insel  auch  gar  nicht  nOthig  erscheinen.  Wenngleich  nicht  alleiniger,  war 
er  doch  der  mächtigste  Fürst  Siciliens.  Das  Gebiet  der  Karthager  war  wenig 
ausgedehnt,  und  fast  alle  anderen  Bewohner  der  Insel,  Sikaner,  Sikeler  und 
Griechen,  mussten  ihn  mittelbar  oder  unmittelbar  als  Herrscher  anerkennen.  So 
konnte  man  ihn  als  Tyrannen  Siciliens  betrachten  und  Syrakus  als  die  Haupt- 
stadt der  Insel.  Syrakus  verdankte  ihm  unendlich  viel.  Er  hatte  Epipolae  an 
dpr  Nordseite  ummauert,  jetzt  ward  auch  der  Südabhang  durch  eine  Mauer 
eingefasst  und  so  ein  Ganzes  geschaffen,  das  fünf  grosse  Städte  umschliessend 
an  Umfang  alle  Stadtanlagen  von  Hellas  übertraf  und  auch  an  Einwohnerzahl 
alle  weit  hinter  sich  gelassen  haben  wird.  An  Schönheit  der  Denkmäler  konnte 
Syrakus  natürlich  nicht  mit  Athen  wetteifern,  aber  auch  in  dieser  Hinsicht 
that  Dionys  sein  Möglichstes,  und  es  wird  berichtet,  dass  er  am  Anapos  Gymna- 
sien baute  und  Tempel  und  andere  öffentliche  Gebäude  in  der  Stadt  errich- 
tete, l^irklich  unabhängig  von  ihm  waren  auf^der  Insel  nur  die  karthagischen 
Städte,  von  denen  Solus  unbedeutend  blieb,  wie  immer,  während  seit  Motye's 
Fall  Panormos  den  ersten  Platz  einnahm  und  ausserdem  eine  neue  Stadt  auf- 
zublühen begann,  Lilybaion,  welches  die  Karthager  kurze  Zeit  nach  dem  Falle 
Motye^s  als  Ersatz  dafür  am  westlichen  Vorgebirge  der  Insel  angelegt  hatten, 
das  heutige  Marsala. 


134  Fünffes  Buch.   VII.  Des  Dionys  Macht  in  Italien  und  Griechenland. 

Wahrend  so  die  Karthager  ihre  Stellungen  zähe  festtuhalten  wussten, 
gelang  dem  Tyrantien  die  Erweiterung  seiner  Macht  im  Nordosten  vortrefflich. 
Er  hatte  nach  seinem  Siege  am  Helleporos  die  italioten  durch  Milde  beschwich- 
tigt, weil  er  es  vorzog,  nur  mit  einem  Feinde  zur  Zeit  zu  thun  zu  haben; 
nachdem  er  aber  seinen  Zweck  erreicht  und  Rhegion  erobert  hatte ,  Hess  er 
nicht  lange  die  übrigen  Griechen  Italiens  unbelästigt.  Er  griff  Kroton  an  — 
wahrscheinlich  im  Jahre  379  v.  Chr.  —  und  bemächtigte  sich  der  Burg,  die,  auf 
einem  steilen  Felsen  am  Meere  gelegen,  ftlr  so  sicher  galt,  dass  man  kei^e 
starke  Befestigung  nothwendig  glaubte.  So  war  die  zweite  Stadt  ra  seine 
Hände  gefallen,  die  den  syrakusanischen  Verbannten  als  Zufluchtsort  und 
Operationsbasis  gegen  ihn  gedient  hatte,  und  die  Flüchtigen  mussten  ihren 
Wanderstab  weiter  nach  Osten  setzen  :  wir  werden  alsbald  sehen ,  wohin  sie 
gingen.  Kroton  war  indess  der  Endpunkt  der  Eroberungen  des  Tyrannen. 
Ein  Angriff  auf  Thurii  misslang  durch  einen  heftigen  Nordsturm  ,  der  die  aus 
300  Segeln  bestehende  syrakusanische  Flotte  vernichtete,  weshalb  die  Thurier 
den  Boreas  mit  dem  Bürgerrecht  ihrer  Stadt,  sowie  mit  einem  Hause  und 
einem  Acker  beschenkten  und  ihn  von  dieser  Zeit  an  besonders  verehrten. 
Für  diesen  Verlust  suchte  sich  indessen  Dionys  durch  einen  Besuch ,  den  er 
der  Here  in  ihrem  Tempel  auf  dem  Vorgebirge  Lakinion,  südlich  von  Kroton, 
abstattete,  schadlos  zu  halten.  Er  nahm  der  reichen  Göttin  ihre  werthvollsten 
Kostbarkeiten,  darunter  ein  Gewand,  das  einst  der  Sybarit  Alkisthenes  ihr  ge- 
schenkt hatte,  und  das  von  solcher  Pracht  war,  dass  Dionys  von  den  Karthagern 
120  Talente  dafür  erhielt.  Uebrigens  wurde  auch  bei  diesen  Eroberungen  Lokri 
bedacht,  welches  das  sonst  den  Krotoniaten  gehörige  Skylletion  bekam.  Tarent 
war  ausser  Lokri  die  einzige  grossgriechische  Stadt,  mit  der  Dionys  in  dauernd 
guten  Beziehungen  stand.  Die  Tüchtigkeit  und  Klugheit  ihres  ausgezeichnet- 
sten Bürgers,  des  Archytas,  flösste  ihm  Achtung  ein,  und  er  machte  keinen 
Versuch,  Tarent  zu  überwinden.  Das  hinderte  ihn  jedoch  nicht,  directen  Ein- 
fluss  im  adriatischen  Meere  zu  erstreben  und  wirklich  zu  erreichen.  Ein 
mächtiges  Tarent  hätte  das  nicht  geduldet ;  man  sieht,  dass  Tarent  zu  Syrakus 
in  einem  ähnlichen  Verhältnisse  stand ,  wie  später  so  viele  Königreiche  des 
Orients  zu  den  Römern. 

Gegen  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  v.  Chr.  erwachte  bei  den  Grie- 
chen ein  allgemeines  Interesse  für  das  adriatische  Meer,  das  allerdings  d^ 
Vorzug  geringerer  Entfernung  für  diejenigen  bot,  denen  es  um  neue  Wohnsitze 
und  um  gewinnbringende  Handelsbeziehungen  zu  thun  war.  Von  den  ver- 
schiedensten Seiten  strömten  die  Griechen  damals  dahin  zusammen.  Parier 
gründeten  mit  Hülfe  des  Dionys  eine  Kolonie  auf  der  Insel  Pharos,  jetzt  Lesina ; 
Syrakusaner,  die  der  Herrschaft  des  Tyrannen  zu  entfliehen  suchten,  und 
denen  die  schon  vorhandenen  griechischen  Städte  Italiens  nach  dem  Falle  von 
Rhegion  und  der  Unterwerfung  Kroton's  keine  genügende  Sicherheit  mehr 
boten,  legten  Ankon,  das  spätere  Ancona,  an ;  einige  scheinen  auch  gegenüber 
nach  der  Insel  Issa  (jetzt  Ltssa)  gegangen  zu  sein.  Dionys  ging  noch  nördlicher, 
wenn  er,  wie  wir  annehmen  müssen,  die  Stadt  Hatria  an  den  Pomündungen, 
von  denen  die  eine  noch  lange  nachher  fossa  Phiiistina  hiess,  kolonisirt  hat ;  die 
Besetzung  dieses  Punktes  war  ihm  wegen  des  von  hier  betriebenen  Bernstein- 


Kolonien  im  adriatiscben  Meere.    Dionys  in  Etrurien.    -^  135 

handeis  von  besonderem  Werihe.  Hauptsächlich  aber  richtete  er  sein  Augen- 
merk auf  die  Ostküste  des  adriatischen  Meeres,  wozu  ihn  sein  Verhältniss  zum 
Alketas,  einem  Fürsten  der  Molosser,  der  als  Verbannter  in  Syrakus  lebte, 
besonders  bewog.  Dionys  sah  bei  einer  Einmischung  in  die  epirotischen  An- 
gelegenheiten die  Möglichkeit  einer  Besetzung  und  Plünderung  des  Tempels 
von  Dodona^  und  die  Aussicht,  hier  reiche  Schätze  zu  gewinnen,  trug  gewiss 
das  ihrige  daxu  bei,  ihm  die  Unterstützung  des  Alkctas  als  zweckmässig 
erscheinen  zu  lassen.  Um  einen  festen  Punkt  an  der  Küste  zu  haben,  grün- 
dete er  die  Stadt  Lissbs  —  jetzt  Aiessio  —  an  der  Mündung  des  Drin  und 
schickte ,  als  ein  Krieg  der  lUyrier  mit  den  Moiossern  ihm  Gelegenheit  zum 
Vordringen  nach  Dodona  zu  geben  schien,  jenen  ein  Hülfscorps  von  SOOO  Sol- 
daten und  500  vollständige  hellenische  Rüstungen.  Diese  erhielten  die  besten 
unter  den  illyrischen  Kriegern,  und  die  2000  Syrakusaner  wurden  unter  das 
illyrische  He^  vertheilt.  So  vorbereitet  machten  die  Illyrier  ihren  Einfall  in 
Epiros,  von  Alketas  begleitet;  sie  siegten  in  einer  Sdilaeht,  in  der  über 
45,000  Molosser  fielen.  Dennoch  erreichte  Dionys  nicht  alle  seine  Zwecke. 
Als  die  Lakedflmonier  von  dem  in  Epiros  Vorgefallenen  hörten,  sandten  sie 
den  Moiossern  Hülfe;  so  ward  durch  das  Gewicht  des  lakedämonischen 
Namens  eine  Plünderung  des  dodonäischen  Tempels  verhindert,  und  Alke- 
tas auf  einen  kleinen  Theil  von  Epiros  beschränkt. 

Gleich  im  nächsten  Jahre  (384  v.  Chr.  OL  99,  4)  blatten  die  Syrakusaner 
Gelegenheit,  in  Illyrien  eine  edlere  Rolle  zu  spielen:  sie  halfen  griechischen 
Landsleuten  gegen  Barbaren.  Die  Parier  auf  Pharos  hatten  die  ursprünglichen 
Bewohner  der  Insel  in  ihren  ausserordentlich  festen  Wohnsitzen  gelassen  und 
selbsl  am  Meeresufer  eine  neue  Stadt  gegründet.  Anfangs  verhielten  jene  sich 
ruhig;  allmählich  aber  stieg  ihre  Zuversicht  wieder;  sie  fanden  bei  den  Illy- 
riern  Beistand,  und  plötzlich  ergossen  sich  unzählige  Massen  von  Barbaren,  die 
auf  kleinen  Booten  vom  Festlande  herübergekommen  waren,  über  die  Insel  und 
beunruhigten  die  Parier  aufs  äusserste.  Da  kam  der  Befehlshaber  der  syra- 
kusanischen  Flottenstation  in  Lissos  den  Bedrängten  zu  Hülfe  und  vernichtete 
mit  seinen  grossen  Kriegsschiffen  die  kleinen  Fahrzeuge  der  Illyrier,  von  denen 
mehr  als  5000  getodtet,  SOOO  gefangen  genommen  wui*den. 

Eine  solche,  Griechen  in  barbarischen  Ländern  geleistete  Hülfe  machte 
zwar  dem  Tyrannen  von  Syrakus  einen  guten  Namen,  aber  darum  war  es  ihm 
weniger  zu  thun  als  um  reiche  Beute,  und  da  der  Anschlag  auf  Dodona  einmal 
misslungen  war,  wünschte  Dionys  sich  anderswo  dafür  zu  entschädigen.  Die 
Etrusker  konnten,  wenn  auch  ihre  Macht  seit  einiger  Zeit  durch  die  Samniter 
und  neuerdings  durch  die  Gallier  einen  schlimmen  Stoss  erlitten  hatte ,  doch 
immer  noch  für  eine  mächtige  und  durch  ihre  Seeräubereien  gefährliche  und 
reiche  Nation  gelten.  Ueberdies  war  der  Kampf  gegen  sie  eine  alte  syraku- 
sanische  Tradition ,  die  Hieron  wie  die  Bepublik  mit  Glanz  aufrecht  gehalten 
hatten.  Deshalb  glaubte  Dionys  in  einem  Feldzuge  gegen  Etrurien  am  leichte- 
sten Ehre  und  Beute  gewinnen  zu  können ;  besonders  wenn  er  es,  wie  ge- 
wöhnlich, mit  der  Achtung'joi'  der  Beligion  nicht  genau  nahm.  Er  fuhr  noch  im 
Jahre  384  v.  Chr.  mit  60  Trieren  aus  und  verheerte  die  Küsten  von  Etrurien 
und  Gorsica.    Seine  beste  Beute  machte  er  in  Pyrgoi,  dem  Hafenorte  der  alten 


136  FünfleB  Buch.   VII.  Df^s  Dionys  Macht  in  Italien  und  Griecbeoland. 

Sladl  Caere  oder  Agylla.  Hier  stand  ein  reicher  Tempel  der  Eileithyia.  Dionys 
überfiel  ihn  in  der  Nacht  und  plünderte  ihn.  Am  andern  Morgen  kaineD  die 
Bewohner  von  Caere  in  Massen  herbei ,  um  die  Räuber  zu  züchtigen ;  aber 
Dionys  schlug  sie  und  machte  viele  Gefangene.  Dann  kehrte  er,  nach  WuDsch 
b<>reichert,  nach  Syrakus  zurück.  Die  im  Tempel  erbeuteten  Schatze  hatten 
einen  Werth  von  1000  Talenten;  der  Verkauf  der  Gefangenen  und  der  son- 
stigen Kriegsbeute  brachte  ihm  noch  500  Talente  dazu.  Der  Erfolg  des  Dionys 
in  Etrurien  hatte  übrigens  eine  grössere  Bedeutung  als  ein  gewöhnlicher 
glücklicher  Raubzug ;  es  war  ein  Schlag  für  die  etruskischen  Küstenstädte,  der 
im  Verein  mit  den  Schlägen,  die  die  Etrusker  damals  zu  Lande  durch  die  Gallier 
erlitten,  das  Seine  zum  vollständigen  Untergang  der  etruskischen  Macht  über- 
haupt beitrug.  So  hatte  einst  Hieron  durch  seinen  Sieg  bei  Kyme  Einfluss  auf 
Etruriens  Schicksal  für  längere  Zeit  ausgeübt  (Band  I,  S.  215). 

Dionys  war  nun  so  mächtig  geworden ,  dass  die  Gallier,  die  Feinde  der 
Etrusker  und  Römer,  ihm  ihr  Bündniss  anboten.  Er  lehnte  es  nicht  ab,  da  es 
ihn  nicht  dazu  verpflichtete ,  ihnen  beizustehen ,  sondern  im  Gegentheil  nur 
den  Sinn  hatte,  dass  der  Tyrann  von  ihnen  HülTstruppen ,  die  er  besolden 
musste,  erhielt ;  ein  Verhältniss,  ähnlich  dem,  welches  zwischen  dem  franzö- 
sischen Könige  und  den  Schweizern  bestand. 

Es  dehnte  sich  also  der  Kreis  der  Herrschaft  und  des  Einflusses  des  Ty- 
rannen von  Syrakus  über  Sicilien,  über  die  Sttdspitze  von  Italien  und  die 
Küsten  des  tyrrh'enischen  Meeres ,  besonders  aber  über  die  des  adriatischen 
Meeres  aus ,  so  dass  er  im  Grunde  genommen  Herr  des  gesammten  Hellenen- 
thums  von  Sicilien  und  Italien  war.  Denn  wenn  auch  Tarent  dem  Namen 
nach  unabhängig  dastand,  so  haben  wir  doch  schon  darauf  hingewiesen,  *dass 
es  in  Wirklichkeit  nur  ein  etwas  selbständigerer  Trabant  des  grossen  Gestirnes 
von  Syrakus  war,  dessen  Einfluss  sich  noch  unter  dem  jüngeren  Dionys  so 
mächtig  erwies ,  dass  es  die  Gründung  syrakusanischer  Kolonien  in  Apulien 
dulden  musste.  Nur  im  Nordwesten  Grossgriechenlands  gebot  nicht  Dionys, 
sondern  die  Samniter,  denen  sich  Neapel,  ehe  es  seinen  Vertrag -mit  den  Rö- 
mern schloss  (326  V.  Chr.),  factiscb  unterworfen  hatte,  wenn  es  auch  den 
Schein  der  Freiheit  bewahrte.  So  war  in  Wirklichkeit  Dionys  Herr  der  Helle- 
nen Italiens,  bis  auf  den  kleinen  Bezirk  am  Fusse  des  Vesuv  und  Thurii.  Aber 
auch  in  die  Angelegenheiten  des  hellenischen  Mutterlandes  griff  er  in  kräftiger 
Weise  als  Verbündeter  Spartaks  ein ,  so  dass  man  wohl  behaupten  darf ,  das 
Machtverhällniss  zwischen  Sicilien  und  Hellas  habe  sich  im  Vergleich  mit  den 
Zeiten  des  peloponnesischen  Krieges  umgekehrt.  Damals  schickten  Athen  und 
Sparta  Feldherren  und  Heere  nach  Sicilien,  jetzt  war  es  Dionys,  der  sie  nach 
Griechenland  sandte.  Und  er  hatte  gegründete  Veranlassung,  sich  den  Spar- 
tanern dienstwillig  zu  zeigen ;  da  Sparta  seinen  Einfluss  aufbot,  um  Dionys  in 
Syrakus  zu  halten ,  da  es  ihm  verstattete,  im  Peloponnes  Söldner  zu  werben, 
war  es  billig,  dass  er  gelegentlich  den  Spartanern  Hülfscorps  sandte,  obschon 
bereits  darin  ein  nicht  zu  unterschätzender  Gewinn  für  die  Spartaner  lag,  dass 
Syrakus,  die  Tochterstadt  von  Korinth,  in  den  griechischen  Wirren  der  ersten 
Hälfte  des  4.  Jahrh.  v.  Chr.  nicht  auf  korinthischer  Seite  stand  und  den  Fein- 
den^ Sparla's  nicht  seinen  mächtigen  Arm  lieh. 


Dionys  als  Buhdesgenosse  Sparta's.  ]  37 

Allerdings  ist  der  Versuch  gemacht  worden,  Dionys  von  Sparta  abwendig 
zu  machen.  Konen  und  sein  Freund  Cuagoras,  der  Herrscher  von  Salamis  auf 
Kypros  schickten  zu  Dionys  eine  aus  drei  Personen ,  Lysias,  Aristokrates  und 
Eunomos,  bestehende  Gesandtschaft,  um  ihn  für  Athen  zu  gewinnen,  und  Eua- 
goras  bot  dem  Tyrannen  von  Syrakus  seine  Schwester  zur  Frau  an,  393.  v.  Chr. 
Aber  es  war  umsonst.  Dionys  bh'eb  auf  spartanischer  Seite,  freilich  heisst  es, 
dass  er  den  Zuzug  zurückhielt,  den  er  schon  für  Sparta  bereit  hatte,  aber  er 
war  damals  im  Kiieg  mit  Karthago  und  in  seinen  Handlungen  nicht  frei ;  so  wird 
er  die  Hülfe  wohl  in  seinem  eigenen  Interesse  unterlassen  haben.  Das  erste 
Beispiel  einer  von  Dionys  den  Spartanern  wirklich  geleisteten  Hülfe  fällt  in 
das  Jahr  387,  und  diese  Hülfe  war  eine  höchst  gelegene  für  Sparta.  Seit  399 
waren  die  Spartaner  in  Asien  mit  den  Persern  in  Krieg  begriffen,  den  beson- 
ders Agesilaos  mit  Energie  und  Glück  führte.  Aber  der  spartanische  Ueber- 
niuth  brachte  eine  Goalition  aller  hellenischen  Mittelstdaten  gegeh  das  tyran- 
nische Haupt  der  Dorier  zuwege.  Athen  und  Theben,  Argos  und  Korinth 
erhoben  sich ;  Lysander  fand  seinen  Tod  bei  Haliartos,  und  Agesilaos  musste 
aus  Asien  zurückkehren.  Wahrend  er  aber  in  Hellas  mit  wenig  Erfolg 
kämpfte ,  gewannen  die  Perser  durch  den  Athener  Konon  eine  Macht  zur  See, 
die  den  Spartanern  sehr  gefährlich  zu  werden  drohte  (sie  erhielten  die  erste 
Nachricht  davon  durch  den  Syrakusaner  Herodas,  der  auf  seinen  Handels- 
reisen in  Phünicien  von  dem  Vorgefallenen  hörte) ;  und  Iphikrates  und  Gha- 
brias  kämpften  im  Osten  mit  grossem  Erfolg  gegen  Sparta.  Da  sahen  die 
Spartaner  ein,  dass  sie,  um  ihre  Stellung  in  Hellas  zu  retten,  Kleinasien  den 
Persoi*n  opfern  mussten,  die  sie  nicht  anders  den  Athenern  abwendig  machen 
konnten,  und  Antalkidas  ging  nach  Susa  zum  König.  Er  kam  im  Frühjahr  387 
mit  persischem  Golde  und  dem  persischen  Bündniss  zurück.  Als  er  an  der 
Küste  eintraf,  kamen  dort  20  syrakusanische  und  italische  KriegsschiQe  unter 
Polyxenos  an ,  von  Dionys  den  Spartanern  zu  Hülfe  gesandt.  Dionys  hatte 
ihnen  seine  Dankbarkeit,  sobald  er  konnte,  bewiesen,  und  er  vermochte  es  im 
Jahre  887,  da  er  damals  durch  die  Niederwerfung  Rhegion^s  seine  eigenen 
Angelegenheiten  zu  einem  befriedigenden  Abschlüsse  gebracht  hatte.  Dies 
Zusammentreffen  östlicher  und  westlicher  Hülfe  für  Sparta  entschied  die 
Sache;  Athen  und  die  andern  kriegführenden  StaaÜn  willigten  ein,  nach 
Sardes  Gesandte  zur  Anhörung  der  zwischen  Antalkidas  und  dem  Könige  ver- 
abredeten Bedingungen  zu  schicken.  So  hat  Dionys  zur  Annahme  des  antalki- 
dischen  Friedens,  d.  h.  zur  Sicherung  Spartaks,  nicht  wenig  beigetragen. 

Zum  zweiten  Male  wurde  die  Hülfe  des  Dionys  von  den. Spartanern  in 
einer  nicht  weniger  kritischen  Epoche  in  Anspruch  genommen  :  im  Jahre  373 
V.  Ghr.  Die  Athener,  die  nach  den  Bestimmungen  des  antalkidischen  Friedens 
nur  Imbros^  Skyros  und  Lemnos  besetzen ,  sonst  aber  keine  Bundesgenossen- 
schaft' haben  sollten ,  hatten ,  nachdem  durch  Theben's  Energie  zuerst  das 
spartanische  Uebergewicht  in  Hellas  gebrochen  war,  angefangen,  sich  wieder 
eine  solche  zu  gründen,  und  Timotheos  hatte  es  gewagt^  was  seit  vielen  Jahren 
nicht  geschehen  war,  mit  einer  athenischen  Flotte  im  ionischen  Meere  zu  er- 
scheinen. Die  Folge  davon  war  der  Beilritt  Kerkyra's  zur  athenischen  Bun- 
desgenossenschaft. Es  war  ein  Friede  zwischen  Sparta  und  Athen  gefolgt,  den 


138  Fiioftes  Buch.    VIl.  Des  Dionys  Macht  in  Italien  und  Griecheoiand. 

afaier  die  Spartaner  wegen  einer  angeblichen  Einmischung  des  Timolheos  in 
die  Angelegenheiten  von  Zakynthos  schnell  wieder  aufhoben.  Sie  fassten  den 
En(«ch1uss,  Kerkyra,  das  ihnen  für  ihre  Verbindung  mit  Sicilien  von  höchster 
Bedeutung  war,  zu  erobern,  und  brachten  eu  diesem  Zwecke  eine  Flotte  zu- 
sammen j  zu  der  sie  sich  auch  von  Dionys  ein  Gontingent  erbaten.  Ehe  dies 
aber  angekommen  war,  war  schon  Kerkyra  angegriffen,  beinahe  erobert  und 
durch  eine  rechtzeitig  über  Land  gekommene  athenische  Hülfe  vollständig  für 
die  Lakedämonier  verloren ,  so  dass  der  athenische  Feldherr  Iphikrates  bei 
seiner  Ankunft  mit  der  Flotte  Kerkyra  schon  befreit  fand.  Aber  er  kam  noch 
zur  rechten  Zeit,  um  das  syrakusanische  Geschwader  von  40  Schiffen,  welches 
eben  anlangte  und  von  der  Flucht  der  Lakedämonier  nichts  wusste,  zu  über- 
fallen. Er  überraschte  die  Syrakusaner  an  der  Nordküste  Kerkyra's  bei  einer 
etwas  zu  langen  Rast,  die  sie  sich  nach  der  Fahrt  über's  Meer  gönnen  zu 
dürfen  glaubten,  trotz  der  Warnungen  eines  unter  den  Kapitänen,  des  Rhodiers 
Melanippos,  der  seine  Leute  schnell  wieder  an  Bord  gehen  liess.  So  gelang  es 
nur  diesem,  sein  Schiff  zu  retten ;  die  andern  neun  wurden  mit  der  gesamm- 
ten  Mannschaft  eine  Beute  der  Athener.  Iphikrates  führte  die  eiroberten  Schiffe 
in  den  Hafen  von  Kerkyra  und  gewann  an  Lösegeld  von  der  Mannschaft  60 
Talente.  Das  vom  Admiral  Anippos  erwartete  Lösegeld  entging  ihm  aber,  da 
dieser  sich  aus  Gram  selbst  tödtete.  Es  scheint ,  dass  bei  dieser  Gelegenheit 
auch  einige  Gegenstände,  die,  für  zwei  griechische  Tempel  bestimmt,  sich  auf 
der  syrakusanischen  Flotte  befanden,  dem  Iphikrates  in  die  Hände  fielen,  der 
dann  zwischen  ihnen  und  der  übrigen  Beute  keinen  Unterschied  machte. 
Wenn  dies  aber  auch  nur  eine  unbegründete  Behauptung  gewesen  sein  sollte, 
so  gab  sie  jedenfalls  zu  einem  nicht  Übeln  Scherze  Veranlassung.  Man  erdich- 
tete nämlich  einen  Brief,  den  Dionys  wegen  dieses  Vorfalls  an  die  Athener 
geschrieben  habe,  und  worin  er,  der  so  manche  Heiligthümer  geplttnderl 
hatte,  den  Athenern  ihre  Gottlosigkeit  pathetisch  vorwarf.  Diesmal  hatte  also 
des, Dionys  Hülfe  den  Spartanern  wenig  genützt. 

Zum  dritten  Male  half  der  Tyrann  von  Syrakus  seinen  spartanischen 
Freunden  im  Jahre  369.  Damals  war  wieder  einmal  ein  Wechsel  in  den  poli- 
tischen Beziehungen  der  hellenischen  Staaten  zu  einander  eingetreten.  Athen, 
über  die  glänzenden  Erfbige  des  Epaminondas  und  der  Thebaner  stutzig  ge- 
worden, hatte  sich  mit  Sparta  verbündet  und  Korinth  sich  ebenfalls  dem 
Bündnisse  angeschlossen.  Epaminondas  drang  in  den  Peloponnes  ein.  Korinth 
war  von  dem  Athener  Chabrias  besetzt,  und  als  die  Thebaner  in  der  Nähe 
Korinth's  angekommen  waren,  versuchten  sie  sich  der  wichtigen  Stadt  zu 
bemächtigen,  aber  Chabrias  schlug  sie  zurück.  Um  dieselbe  Zeit  kamen  im 
Hafen  von  Korinth  die  von  Dionys  erbetenen  Hülfstruppen  auf  mehr  als  20 
Schiffen  an ;  es  waren  2000  Kelten  und  Iberer  und  etwa  50  Reiter.  Es  ge- 
schah nichts  wichtiges,  da  die  Athener  und  Korinther  die  feste  thebanische 
Stellung  nicht  anzugreifen,  wagten;  desto  mehr  Gelegenheit  hatten  die  von 
Dionys  geschickten  Reiter,  sich  in  Scharmützeln  auszuzeichnen.  Es  gewährte 
den  Griechen  ein  anziehendes  und  ungewohntes  Schauspiel ,  ihre  Geschick- 
lichkeit zu  beobachten.  Während  die  schwerfälligere  griechische  Reiterei 
ruhig  im  Lager  blieb,  neckten  sie  die  Thebaner,  zerstreuten  sich,  schössen, 


Dionys  als  Bundesgenosse  Sparta's.  -  139 

« 

wichen  vor  den  Feinden  zurück,  und  kehrten  sich  plötzlich  wieder  um  und 
schössen  wieder.  Dann  sprangen  sie  im  Angesicht  der  Feinde  von  den  Pferden 
und  ruhten  sich  aus ;  so  wie  man  aber  Miene *machte,  sie  anzugreifen,  waren 
sie  schnell  wieder  im  Sattel.  Die  sich  ihnen  entgegen  aus  dem  Lager  heraus 
wagten ,  wurden  mit  solcher  Schnelligkeit  angegriffen  und  so  heftig  bedrängt, 
dasfi  fast  das  ganze  feindliche  Heer  herauskam,  um  die  Seinigen  zu  schützen. 
Nach  kurzer  Zeit  entfernten  sich  die  Thebaner  aus  dem  Peioponnes.  Die  Sol- 
daten des  Dionys  beendigten  ihren  Feldzug  damit,  dass  sie  in  das  Gebiet  von 
Sikyon  einfielen ,  die  Sikyonier,  welche  70  Mann  verloren,  schlugen  und  die 
Burg  (Jeras  eroberten.  Dann  kehrten  sie  nach  Sicilien  zurück ;  sie  hatten  Sold 
auf  5  Monate  bekommen ,  waren  aber  wahrscheinlich  nicht  so  lange  Zeit  von 
Hause  entfernt  gewesen.  Auch  noch  im  folgenden  Jahre,  368  v.  Chr.,  schickte 
Dionys  den  Spartanern  Hülfe.  Sparta  war  damals  von  den  Arkadiern  be- 
drängt, welche  die  spartanischen  Besatzungen  aus  einem  grossen  Theile  von 
Messenien  vertrieben,  und  die  Spartaner  setzten  es  auf  dem  Congresse  der 
Verbündeten  zu  Korinth  durch,  dass  diese  Httlfstruppen  nicht,  wie  Athen 
vi^llte,  in  Thessalien  gegen  Pelopidas  verwandt,  sondern  Sparta  gegen  die 
Arkadier  zur  Verfügung  gestellt  wurden.  Archidamos  zog  mit  spartanischen 
und  diesen  fremden  Truppen,  welche  wiederum  theilweise  aus  Kelten  be- 
standen, nach  Arkadien  und  eroberte  unterwegs  Karyae,  dessen  Besatzung 
getodtet  wurde.  Von  da  fiel  er  in  das  Gebiet  der  Parrhasier  ein ;  als  aber 
arkadische  und  argiviscfae  Truppen  heranzogen,  lagerte  er  auf  den  Hügeln  bei 
Midea.  Hier  erklärte  Kissides,  der  Feldherr  des  Dionys,  dem  Archidamos,  dass 
seine  Zeit  abgelaufen  sei ,  und  er  begann  sogleich  seinen  Rückmarsch  ^nach 
Sparta.  Kaum  war  er  aber  eine  kurze  Strecke  marschirt,  so  wurde  er  in 
einem  Engpasse  von  Messeniern  angegriffen,  und  er  schickte  nach  Archidamos 
um  Hülfe.  Zu  gleicher  Zeit  verlegten  aber  auch  die  Arkadier  und  Argiver  den 
Spartanern  den  Rückweg  nach  Lakonien,  und  so  beschloss  Archidamos ,  mit 
den  siciliscfaen  Hülfstruppen  schnell  die  Feinde  anzugreifen.  Das  Feuer,  mit 
dem  alle  sich  auf  dieselben  stürzten,  war  so  gross,  dass  sie  gleich  beim  ersten 
Anprall  siegten  und  von  den  Feinden  eine  ungeheure  Masse  fiel,  während  von 
den  Spartanern  keiner  das  Leben  verlor.  So  hatten  Truppen  des  Dionys  zu 
einem  Siege  beigetragen,  der  das  Volk  von  Sparta  nach  den  bisherigen  Nieder- 
lagen so  sehr  ergriff,  dass  die  versammelte  Menge,  als  sie  die  Nachricht  empfing, 
in  Thränen  der  Freude  ausbrach.  Wegen  solcher  Hülfe  musste  der  Tyrann  bei 
den  Spartanern  in  gutem  Andenken  stehen ,  und  auch  die  gerade  mit  Sparta 
verbündeten  Athener  ehrten  ihn  wegen  dieser  Bundesgenossenschaft  im 
Jahre  368.  Wir  haben  eine  mangelhaft  erhaltene  Inschrift,  welche  ihn  und 
seine  beiden  Söhne  als  Wohlthäter  Athens  verewigt,  und  wir  wissen,  dass  die 
Athener  dem  Dionys  und  seinen  Söhnen  das  Bürgerrecht  bewilligten.  Ja  man 
ging  noch  weiter  in  Athen.  Man  schloss  ein  förmliches  Bündniss  mit  Dionys 
(Ol.  103,  i — 368/7  V.  Chr.),  dessen  Beistand  den  Athenern  gegen  etwaige  An- 
griffe der  Böoter  gar  nicht  unerwünscht  sein  musste ;  athenische  Gesandte  sind 
zu  diesem  Zwecke  seit  369  in  Syrakus  gewesen.  Es  ist  nach  den  vorhandenen 
Spuren  höchst  wahrscheinlich,  dass  Dionys  in  diesen  Urkunden  den  Titel  eines 
Königs  von  Sicilien  erhielt. 


r-st:^ 


140  Fünftes  Burh.   VII.  Des  Dionys  Macht  in  Italien  und  Griechenland. 

Aber  Dionys  wurde  von  den  Griechen  ausserhalb  Spartaks  nur  da  an- 
erkannt, wo  man  seiner  bedurfte;  im  übrigen  fand  der  Vemichter  der  syra- 
kusaniscbcn  Freiheit  nur  Hass  und  Verachtung.  Dies  zeigte  sich  am  auffallend- 
sten noch  vor  dem  ersten  Sparta  geleisteten  Beistande ,  bei  den  olympischen 
Spielen  des  Jahres  388  v.  Chr.,  Ol.  118.  Dionys  geizte  nach  dem  Ruhme  Hie- 
ron^s,  der  zu  Olympia  gesiegt  hatte  und  von  den  grössten  Dichtern  dafür 
verherrlicht  worden  war;  oder  vielmehr,  er  wollte  den  Ruhm  des  Siegers 
und  den  des  Dichters  vereinigen,  und  in  Olympia  zugleich  im  Wettfahren 
siegen  und  durch  seine  Gedichte,  auf  die  er  stolz  war,  die  Menge  entzücken. 
Er  schickte  eine  Festgesandtschaft,  die  durch  ihre  Pracht  alle  andern  übertraf. 
Die  Zelte  bestanden  aus  golddurchwirktem  Zeuge,  die  Viergespanne  waren 
von  vorzüglicher  Schönheit.  Die  besten  Rhapsoden  waren  mitgesandt,  um  die 
Gedichte  vorzutragen.  An  die  Spitze  'der  Gesandtschaft  hatte  er  seinen  Bru- 
der Thcarides  gestellt.  Aber  statt  des  gehoSten  Ruhmes  ward  dem  Ty- 
rannen nur  Schimpf  zu  Theil.  Seine  Gedichte  wurden  anfangs  wegen  des 
vortrefflichen  Vortrags  mit  Wohlgefallen  angehört;  bald  aber  brachte  der  ge- 
ringe Werth  derselben,  der  mit  den  für  ihre  Vorführung  aufgewandten  Miilein 
in  entschiedenem  MissverhdHnisse  stand,  in  Verbindung  mit  dem. allgemeinen 
Hass  gegen  den  Tyrannen ,  die  umgekehrte  Wirkung  hervor.  Man  verlachte 
sie.  •  Die  zweite  Kränkung  wurde  ihm  von  Lysias  bereitet,  der  in  hohem  Alter 
stehend  (er  war  72  Jahre  alt)  und  in  ganz  Griechenland  wegen  seines  Talentes 
und  seines  Charakters  geachtet ,  in  einer  Festrede  das  Volk  zum  Zorne  gegen 
ihn  aufregte.  Lysias  hatte  persönliche  Veranlassung,  die  syrakusanischen  An- 
gelegenheiten aufmerksam  zu  verfolgen.  Er  war  der  Sohn  eines  Syrakusaners 
Kephalos,  der  sich  nach  Athen  begeben  hatte.  Lysias  hatte  sich,  4  5  Jahre  alt, 
den  Gründern  von  Thurii  angeschlossen  und  in  dieser  Stadt  32  Jahre  gelebt, 
auch  den  Unterricht  des  Syrakusaners  Tisias  in  der  Redekunst  genossen.  Der 
mit  dem  Scheitern  der  athenischen  Expedition  gegen  Syrakus  verbundene 
Umschwung  in  den  Verhältnissen  Thurii's  bewog  ihn,  diese  Stadt  zu  ver- 
lassen und  er  lebte  seitdem ,  mit  kurzen  Unterbrechunjgen ,  in  Athen.  Lysias 
wies  in  seiner  Rede  auf  die  bedenklichen  Fortschritte  hin ,  welche  im  Osten 
und  Westen  Griechenlands  zwei  absolute  Herrscher,  der  König  von  Persien 
und  der  Tyrann  von  Syrakus,  in  der  Unterjochung  der  Griechen  machten. 
Jener,  sagte  er ,  hat  schon  viele  griechische  Städte  unterworfen ,  dieser  viele 
wüst  gelegt.  ))Warum  ahmt  ihr  nicht,«  so  rief  er  den  Griechen  zu,  i^euren  Vor- 
fahren nach ,  welche  die  Barbaren  in  ihrem  eigenen  Lande  überwunden  und 
die  Tyrannen  vertrieben  haben?  Besonders  über  euch  wundere  ich  mich,  ihr 
Lakedämonier,  dass  ihr,  die  Führer  Griechenlands,  Hellas  so  ruhig  vom  Brande 
verzehren  seht.  Wir  dürfen  nicht  länger  warten,  nicht  länger  den  Kampf  auf- 
schieben. Wir  müssen  jetzt  dem  Uebermiithe  des  Königs  und  des  Tyrannen 
ein  Ende  machen,  damit  nicht  nach  den  Andern  endlich  die  Reihe  an  uns 
komme  und  wir  ihnen  zur  Beute  werden.«  So  forderte  Lysias  die  Griechen 
zum  Sturze  des  Tyrannen  und  zur  Befreiung  Siciliens  auf;  es  war  im  Jahne 
vor  dem  Frieden  des  Antalkidas,  bei  dem  allerdings  der  Perserkönig  und  Dio- 
nys, aber  auch  die  Spartaner  als  Verbündete  erschienen.  Mit  solchen  Reden, 
wie  die  des  Lysias,  war  freilich  nichts  ausgerichtet;    die  reale  Politik  roble 


Des  Tyrannen  Niederlage  in  Olympia.  141 

auf  andern  Grundlagen  und  ward  damals  ebenso  wenig  wie  zu  andern  Zeiten 
durch  das  Publikum  gymnastischer  Feste  bestimmt.  Dionys  und  die  Perser 
waren  nicht  durch  Worte  von  Yolksrednem  zu  Überwinden,  und  im  Jahre  3HS 
konnte  Ubeixlies  Lysias  seinen  Tadel ,  wenigstens  in  Betreff  der  Perser ,  nicht 
an  die  Spartaner  richten;  damals  waren  es  noch  die  Athener,  die  des  Königs 
Freunde  waren.  Von  der  Bedeutung  des  Dionys  den  Karthagern  gegenüber 
hatte  Lysias  offenbar  keine  Ähnung.  Uebrigens  war  es  ihm  auch  wohl  mehr 
um  das  nun  folgende  zu  thun ,  wozu  der  bisherige  Theii  der  Rede  nur  eine 
Einleitung  sein  mochte.  Für  den  Augenblick,  fUgte  er  nämlich  mit  einer  dem 
Volkshaufen  sehr  angenehmen  Wendung  hinzu ,  müsse  man  seinen  Abscheu 
vor  Dionys  dadurch  kundgeben,  dass  man  seine  prilchtigen  Zelte  niederreisse^ 
die  nicht  verdienten,  auf  dem  heiligen  Boden  von  Olympia  zu  stehen.  Dieser 
Vorschlag  war  praktischer;  wirklich  machte  das  Volk  Miene,  dem  Rathe  des 
Lysias  zu  folgen  und  wurde  nur  mit  Mühe  von  den  Festordnern  zurückgehal- 
ten. Endlich  gab  Lysias  noch  den  Rath,  die  Gespanne  des  gottlosen  Tyrannen 
keinenfalls  zur  Miibewerbung  um  den  Preis  zuzulassen.  Er  fand  aber  auch 
hiermit  kein  Gehör.  Wenn  nun  Dionys  wenigstens,  wie  eitisl  Hieron,  gesiegt 
hätte !  Aber  er  hatte  hier  das  sonderbarste  Unglück.  Seine  schönen  Wagen 
mit  den  so  schnellen  Rossen  geriethen  theils  aus  der  Bahn,  theils  zerschellten 
sie  an  einander,  ,und  der  Preis  entging  ihm.  Als  nun  noch  das  Schiff,  welches 
die  Gesandtschaft  wieder  nach  Sicilien  zurückbringen  sollte,  bei  Tarent  schei- 
terte, war  das  Mass  des  Unglücks  für  den  Tyrannen  voll,  und  da  nach  dem 
Sprichwort  es  jetzt  nur  noch  an  Spott  fehlte ,  so  sorgten  die  aus  dem  Schiff- 
bruche geretteten  Seeleute  dafür ,  indem  sie  behaupteten ,  an  allem  seien  die 
schlechten  Verse  des  Tyrannen. schuld,  an  welchen  nicht  bloss  die  Kunst  der 
Rhapsoden,  sondern  auch  Wagen  und  Schiff  gescheitelt  seien. 

Uebrigens  befestigte  sich  im  griechischen  Volke  die  von  Lysias  ausge- 
sprochene Ueberzeugung ,  dass  der  Perserkönig  und  Dionys  die  beiden  Ver- 
derber Griechenlands  seien,  sosehr,  dass  man  bald  den  Tyrannen  beschul- 
digte, er  habe  mit  Artaxerxes  einen  Bund  geschlossen,  Griechenland  zu  erobern, 
und  als  dann  zu  gleicher  Zeit  Iphikrates  die  syrakusaniscbe  Flotie  bei  Kerkyra 
und  Timotheos  die  lakedämonische  bei  Leukas  besiegle  (s.  o.j,  da  jubeilen  die 
Griechen :  nun  habe  Athen  Hellas  gerettet. 


Achtes  KapiteL 
Ende  des  Dionys.   Charakter  und  Bedeutung  seiner  Regierung. 

Wir  haben  zwei  Perioden  in  Dionys'  Regierung  unterschieden,  die  Periode 
der  Gründung  seines  Reiches  und  die  der  Benutzung  der  errungenen  Stel- 
lung. Die  erste  geht,  wie  wir  sahen,  bis  zum  Jahre  387  und  zerfäillt  wie- 
derum in  zwei  Abschnitte,  im  ersten,  sich  bis  395  erstreckenden,  erkämpft  er 


142      Fünftes  Buch.    VIII.  Bude  des  Dionys.   Charakter  und  Bedeutung  seiner  Regierung. 

seinen  Platz  in  Sicilien  gegen  die  Karthager;  im  zweiten  unterwirft  er  sich 
einen  Theil  von  Italien.  Das  Jahr  387  bezeichnet  den  Gipfelpunkt  seiner 
Macht,  zumal  im  Vergleich  mit  der  gerade  damals  deutlich  hervortretenden 
Schwäche  sowohl  der  übrigen  Griechen  ,  wie  der  Römer.  Vom  iahre  387  an 
bis  zu  seinem  Tode  bat  er  seine  Macht,  wie  gezeigt  wurde,  hia  und  wieder  in 
Griechenland  zur  Geltung  gebracht.  Doch  verzichtete  er  dabei  nicht  auf  die 
Ueberwindung  der  Karthager,  falls  sich  ihm  dazu  eine  passende  Geiegenheii 
darbieten  sollte,  obschon  man  nicht  verkennen  kann,  dass  er  sie  nicht  eifrig 
suchte.  In  der  That,  nachdem  er  seine  Macht  im  östlichen  Sicilien  uod  süd- 
lichen Italien  fest  gegründet  hatte,  konnte  man  es  ihm  kaum  verdenken,  wenn 
er  die  Karthager  nicht  unnütz  reizte.  Sie  aus  Sicilien  ganz  vertreiben  za 
wollen,  hiess  ihren  energischen  Widerstand  hervorrufen,  und  Dionys  war 
nicht  sicher,  ob  er  sie  würde  besi^en  können.  So  werden  die  Kriege  zwi- 
schen Dionys  und  den  Karthagern,  die  wir  nun  noch  zu  berichten  haben,  Dicht 
als  Ausfluss  einer  nationalen  Idee  des  Dionys  zu  betrachten  sein ;  ihre  Ursachen 
waren  mehr  zufälliger  Art. 

Der  erste  (383  v..  Chr.,  Ol.  99,  2)  hatte  folgenden  Ursprung.  Dionys 
wusste  eine  Anzahl  Städte,  welche  den  Karthagern  unterworfen  waren,  zu  sich 
herüberzuziehen ,  wogegen  diese  sich  mit  den  Feinden  de^  Dionys  unter  den 
italischen  Griechen  in  Verbindung  setzten  und  grosse  Heeresmassen  nach  Sici- 
lien und  Italien  warfen,  um  auf  beiden  Seiten  Dionys  anzugreifen.  Aus  Liebe 
zur  Freiheit  verbanden  sich  also  damals  Hellenen  mit  den  Karthagern,  während 
Dionys  der  Vorkämpfer  der  griechischen  Nationalität  gegen  die  Barbaren  war. 
Es  ist  nicht  selten  im  Laufe  der  Geschichte  vorgekommen,  dass,  wer  den  na- 
tiionalen  Forderungen  gerecht  werden  wollte,  dem  Ideale  der  Freiheit  unireu 
werden  musste.  Andererseits  ist  höchst  bemerkenswerth,  dass  die  Karthager 
durch  ihre  Gegnerschaft  gegen  Dionys  jetzt  dazu  gebracht  werden,  sieh  sogar 
in  Italien  festzusetzen.  So  erweitern  die  Kriege  mit  d^n  aicilischen  Griechen 
ihren  politischen  Horizont.  409  und  406  ist  es  der  Süden  und  Westen  Sict- 
liens,  den  sie  überschwemmen;  396  suehen  sie  den  Syrakusanern  von  Mes- 
sana her  beizukommen ;  383  greifen  sie  bis  nach  Italien  bmüber.  Nicht  Italien 
selbst  ist  ihr  Ziel ,  sie  wollen  nur  von  da  Sizilien  fassen.  Uns  ist  aws  dem 
Kriege  nur  wenig  bekannt  geworden.  Magon,  der  karthagische  Fddherr,  fiel 
in  einer  grossen  Schlacht,  welche  Dionys  bei  Kabala,  einem  Orte  von  unbe- 
kannter Lage  gewann,  und  in  der  10,000  Karthager  getödtet,  5000  gefangen 
genommen  wurden.  Die  Besiegten  flohen  auf  einen  leicht  zu  vertheidigenden, 
aber  wasserlosen  Berg,  vielleicht  den  M.  Pellegrino  bei  Palermo.  Hier  hätten  sie 
ein  ähnliches  Schicksal  haben  können,  wie  die  italischen  Griechen  am  Elleporos, 
aber  sie  retteten  sich  durch  eine  List.  Sie  \Mdi$  Frieden  an,  und  als  Dionys,  sein 
Glück  ausbeutend,  die  Abtretung  aller  karthagischen  Besitzungen  auf  der  Insel 
verlangte,  hatten  sie  niohta  dagegesk,  meinten  aber,  das  k^wH  nur  in  Karthago 
selbst  entschieden  werden ;  er  möge  wenige  Tage  Frist  geben,  damit  sie  dahin 
sendeten.  Dionys  ging  wunderbarer  Weise  in  die  Falle,  and  die  K^lhager  ver- 
wendeten die  Frist  dazu ,  sich  zu  stärken.  Magon  ward  ehrenvoll  beatailet  und 
sein  Sohn ,  ein  vielversprechender  JtijngUng,  an  die  Spitze  des  Heeres  gestellt. 
Nach  Ablauf  des  WaflenstilLstandes  kam  es  zu  einer  zweiten  Schlacht  bei  Kix)- 


Neue  Kriege  mit  Karthago.  143 

nion,  das  heisst  doch  wohl  bei  dem  Berge,  auf  welchem  sie  sich  gelagieri  haUen. 
Hier  fiel  Leptines,  des  Tyrannen  Bruder,  worauf  seine  Abtbeilung  wich  und  die 
von  Dionys  selbst  geführte  mit  sich  in's  Verderben  riss.  Es  fielen  über  44,000 
Griechen ,  da  die  Karthager  keine  Gefangenen  machten ;  die  übrigen  hielten 
sich  in  dem  nahen  verschanzten  Lager.  Aber  auch  die  Karthager  bedurften 
der  Ruhe;  sie  zogen  sich  nach  Panormos. zurück.  Auf  beiden  Seiten  war  nun- 
mehr grosse  Bereitwilligkeit  zum  Frieden,  der  unter  der  Bedingung  geschlossen 
wurde,  dass  jetzt  wieder  Stadt  und  Gebiet  von  Selinus  und  das  akraganti- 
nische  Gebiet  westlich  des  Halykos  den  Karthagern  gehören  solle,  denen  Dionys 
ausserdem  4000  Talente  zu  zahlen  habe.  Deshalb  sagte  man  auf  griechischer 
Seite,  dass  Dionys  den  Karthagern  zinspflichtig  geworden  sei,  was  einen 
Schein  der  Wahrheit  hatte ,  wenn,  wie  wir  vermuthen  müssen,  Dionys  die 
Summe  in  Terminen  bezahlte.  Einige  Jahre  nachher  (379  v.  Chr.  Ol.  100,  2) 
erneuerten  die  Karthager  ihren  Versuch,  sich  in  Italien  festzusetzen,  indem  sie 
die  von  Dionys  zerstörte  Stadt  Hipponion  wieder  herstellten  und  die  noch 
lebenden  Hipponiaten  aufforderten,  sich  dort  unter  ihrem  Schutze  niederzu- 
lassen.  Aber  eine  Pest,  die  schon  so  oft  die  Karthager  in  ihren  Siegeszttgen 
aufgebalten  .hatte ,  vereitelte  nach  einiger  Zeit  ihre  Pläne.  Sie  mussten  froh 
sein,  dass  es  ihnen  gelang ,  in  Afrika  und  Sardinien  ausbrechende  Aufstünde 
zu  unterdrücken. 

In  diese  Zeit  gehört  wahrscheinlich  ein  gewaltiges  Project  des  Dionys.  Er 
wollte  ^ber  die  nur  20  Millien  breite  Landenge  zwischen  dem  hipponiatischen 
und  skylletischen  Meerbusen  eine  Mauer  mit  einem  Graben  ziehen,  angeb- 
lich um  den  Einfallen  der  Lukaner  ein  Ziel  zu  setzen,  in  Wirklichkeit  aber, 
um  die  südlich  wohnenden  Griechen  von  den  jenseits  wohnenden  zu  trennen 
und  jene  desto  leichter  zu, beherrschen.  Das  Werk  scheiterte  an  dem  Wider- 
stand der  Hellenen,  welche  ausserhalb  der  Mauer  geblieben  wären. 

Gegen  das  Ende  seiner  Laufbahn  war  ihm  dagegen  der  Kampf  mit  Kar- 
thago wieder  wichtiger  geworden,  und  der  letzte  Feldzug,  den  er' unternahm, 
wurde  gegen  sie  geführt.  Es  war  im  Jahre  368  v.  Chr.,  Ol.  403,  1.  Er 
glaubte  seine  Feinde  dui^ch  Krankheiten  und  Aufstände  hinlängUch  geschwächt 
und  gab  vor,  dass  er  sich  über  Einteile  aus  dem  karthagischen  Gebiet  zu  be- 
klagen habe.  Mit  30,000  Mann  zu  Fuss,  3000  Reitern  und  300  Kriegsschiffen 
zog  er  aus,  gewann  Selinus,  Entella  und  Eryx  und  wandte  sich  dann  zur  Be- 
lagerung von  Lilybdion.  Aber  diese  feste  Stadt  konnte  er  nicht  erobern.  Nun 
hörte  er,  dass  die  Schiffshäuser  im  karthagischen  Kriegshafen  durch  eine 
Feuersbrunst  vernichtet  seien,  und  glaubte,  dass  auch  die  Schiffe  verbrannt 
wären ,  er  sandte  deshalb  den  grössten  Theil  seiner  Flotte  nach  Syrakus  und 
liess  nur  130  der  besten  Schiffe  im  Hafen  von  Eryx.  Die  karthagische  Flotte 
war  aber  noch  unversehrt,  und  die  Karthager  überfielen  rasch  mit  SOO  Schiffen 
den  Hafen  und  entführten  die  meisten  der  syrakusanischen  Trieren.  Kurze 
Zeit  nach  dieser  Niederlage,  nachdem  der  Krieg  durch  den  Eintritt  der 
schlechten  Jahreszeit  unterbrochen  war,  starb  Dionys  nach  38jähriger  Herr- 
schaft, 367  v.^Chr. 

Er  ist  eine  der  merkwürdigsten  Erscheinungen  des  Alterthums.  Die  bis- 
herige Schilderung  seiner   kriegerischen   Laufbahn   hat  nur  eine  Seite  des 


¥^: 


■^i^'^ 


144       Fünftes  Buch.    VIII.  Ende  des  Dionys.    Charakter  und  Bedeutung  seiner  Begiernng. 


Hannes  hervorgehoben,  aber  sie  wird  schon  das  Unheil  des  Publ.  Scipio  als 
wohibegrttndet  erscheinen  lassen  ,  weicher  Dionys  zu  den  klügsten  und  kühn- 
sten Männern  rechnete,  die  er  kannte.  Wenn  wir  hier  seine  persönliche 
Tapferkeit  gar  nicht  in  Anschlag  bringen,  die  ihn  zweimal,  vor  Tauromenion 
und  vor  Rhegion,  gefährlichen  Verwundungen  aussetzte ,  so  zeigt  sich  seine 
Kühnheit  besonders  in  der  Schnelligkeit ,  mit  der  er  in  bedenklichen  Lagen 
energische  Entschlüsse  durchzuführen  verstand,  wovon  die  Eroberung  von 
Syrakus  nach  der  Schlacht  bei  (rela  ein  treffliches  Beispiel  giebt.  Für  seine 
Klugheit  und  Umsicht  legt  die  sorgfältige  Vorbereitung  für  jeden  Feldzug,  und 
überhaupt  seine  Organisation  des  Kriegswesens  Zeugniss  ab.  Seine  Ummaue- 
rung  von  Syrakus,  die  385  v.  Chr.  Ol.  98,  4  vollendet  zu  sein  scheint,  ist  in 
Anlage  und  Ausführung  eines  der  grossartigsten  Werke  des  Altertbums;  die 
von  ihm  veranlassten  Verbesserungen  im  Flotten-  und  im  Geschtttzwesen, 
und  die  gewöhnlich  nicht  genug  hervorgehobene,  von  ihm  erreichte  Vervoli- 
komünnung  der  Reiterei  machen  ihn  denkwürdig  in  der  Geschichte  der  Kriegs- 
kunst.  Als  Feldherrn  von  genialem  Blick  endlich  haben  wir  ihn  in  der  Schlacht 
t>ei  Syrakus,  396  v.  Chr.,  kennen  gelernt.  Von  seiner  Klugheit  und  Umsicht 
legt  aber  auch  schon  die  einfache  Thatsache  das  glänzendste  Zeugniss  ab,  dass 
er  als  ein  Mann,  der  mit  S5  Jahren,  nach  dem  Ausdrucke  des  Isokrates,  un— 
vernünftiger,  ja  wahnsinniger  Weise  nach  der  Tyrannis  strebte,  sein  Ziel  nicht 
allein  schnell  erreichte,  sondern  sich  auch  38  Jahre  lang,  bis  an  seinen  Tod, 
behauptete  und  sich  zuletzt  rühmen  konnte,  seinem  Sohne  eine  mit  dem'antnea 
Ketten  befestigte  Herrschaft  zu  hinterlassen. 

Seine  staatsmännische  Wirksamkeit  könnte  indess  nur  dann  vollkommen 
gewürdigt  werden ,  wenn  es  möglich  wäre ,  einen  genauen  Einblick  in  seine 
Finanzwirtbschaft  zu  thun.  Das  ist  jedoch  nur  in  äusserst  beschränktem  Masse 
der  Fall.  Ueberhaupt  ist  uns  von  dem  Haushall  der  sicilischen  Staaten  in  der 
vorrömischen  Zeit  sehr  wenig  bekannt,  hauptsächlich  wegen  des  Mangels  an 
öffentlichen  Urkunden  aus  jener  Zelt,  und  das  ist  der  Grund,  weshalb  wir 
nicht  im  Stande  gewesen  sind ,  diesem  Gegenstande  einen  eigenen  Abschnitt 
zu  widmen  und  uns  begnügen  müssen,  bei  Gelegenheit  des  Dionys  einige 
Worte  darüber  zu  sagen.  Ueber  Weniges  hierher  gehörige  finden  sich  gele- 
gentliche Notizen  bei  den  Schriftstellern ;  von  Dionys  selbst  sind  allerdings 
finanzielle  Kunstgriffe  und  Aushülfsmittel  überliefert.  Der  hauptsächlichste 
Anhaltspunkt  für  die  Kenntniss  der  Staatsfinanzen  Siciliens  in  der  griechischen 
Zeit  ist  uns  in  den  Steuerverhältnissen  der  sicilischen  Städte  zur  Zeit  der  Rö- 
merherrschaft gegeben,  über  die  wir  durch  die  Verrinen  einigermassen  unter- 
richtet sind.  Wir  können  nämlich  sicher  sein,  dass  die  zur  Römerzeit  vorhan- 
denen Einnahmequellen  diejenigen  umfassen,  welche  schon  vorher  vorhanden 
waren,  während  allerdings  nicht  zu  läugnen  ist,  dass  mit  der  Herrschaft  der 
Römer  neue  hinzugekommen  sein  können.  So  wird  mit  einiger  Vorsicht  von 
der  späteren  Zeit  auf  die  frühere  zu  seh  Hessen  sein.         * 

Nun  hatten  unter  der  Römerherrschaft  die  Sicilier  doppelt  zu  steuern,  an 
ihre  Städte  und  an  Rom.  Es  gab  in  den  einzelnen  Städten  Censoren,  und  die 
von  diesen  veranschlagte  Vermögenssteuer  floss  in  die  Stadtkassen;  wir  dür- 
fen annehmen,   dass  ähnliche  directe  Abgaben  schon  in  vorrömischer  Zeit 


Finanzen  des  Dionys.  145 

etisUrten.  Den  nach  Syrakus  verpflanzten  Kauloniaten  sichert  Dionys  für  fünf 
Jahre  Atelie  zu ;  die  übrigen  Syrakusaner  zahlten  also  Steuern.  Andererseits 
flössen  Rom  nicht  unbedeutende  Abgaben  zu:  Weidegeld,  Hafenzölle  und  vor 
allen  Dingen  der  Zehnte  vom  Kornertrage.  Von  dem  Zehnten  l^sst  sich  nach- 
weisen, dass  er  schon  vor  den  Römern  bestand;  von  den  Zöllen  und  dem 
Weidegeld  hindert  nichts,  dasselbe  anzunehmen.  InSyrakus,  das  so  lange 
Zeit  von  Tyrannen  regiert  war,  sind  die  Zehnten  jedenfalls  dem  Herrscher 
direci  gezahlt  worden,  und  es  ist  überhaupt  die  Annahme  unabweisbar,  dass 
alle  Abgaben  in  seine  Kasse  flössen ,  mit  andern  Worten ,  dass  es  keinen  Un- 
terschied zwischen  Stadtkasse  und  Staatskasse  gab.  In  den  übrigen  von  ihm 
abhangigen  Städten  wird  Dionys  wahrscheinlich  nur  directe  Vermögenssteuern 
den  Kassen  derselben  gelassen  haben ;  Zölle  und  Zehnten  hat  er  sich  sicher- 
lich selbst  voii>ehdlten. 

Aber  die  ordentlichen  Einnahmen  reichten  selten  bei  Dionys  für  die  Be- 
streitung seiner  Bedürfnisse  aus,  er  nahm  seine  Zuflucht  zu  ausserordentlichen, 
und  eben  über  die  in  dieser  Beziehung  von  ihm  angewandten  Mittel  sind  einzelne 
Berichte  aus  dem  Alterthum  erhalten ,  die  deswegen  von  den  Schriftstellern 
mitgetheilt  sind,  weil  sie  Dionys  in  dem  Lieble  eines  besonders  schlauen  Geld- 
eintreibers zeigen.  Das  einfachste  Mittel  in  der  Noth  waren  ausserordentliche 
directe  Auflagen.  So  forderte  er  bei  einem  beabsichtigten  Kriegsschiflsbau  von 
a.llen  Bürgern  eine  specielle  Abgabe,  so  führte  er  eine  Viehsteuer  ein,  und  als 
nun  mehr  Vieh  geschlachtet  wurde  als  sonst,  hob  er  sie  auf,  um  sie  bei  wie- 
der steigendem  Viehstande  von  neuem  einzuführen,  wobei  er  zugleich  das 
Verbot  erliess,  weibliche  Thiere  zu  schlachten.  Etwas  sonderbar  klingt  schon 
folgende  Geschichte.  Als  er  einmal  eine  ausserordentliche  Kriegssteuer  forderte 
und  die  Bürger  erklärten,  dass  sie  kein  Geld  mehr  hätten,  um  sie  zu  zahlen, 
nahm  er  die  Erklärung  ruhig  hin,  und  liess,  angeblich  um  selbst  das  nöthige 
Geld  herbeizuschaffen,  sein  Uausgeräth  versteigern.  Die  Bürger  gingen  in  die 
Falle,  kauften  und  zahlten,  erhielten  aber  das  Hausgeräth  nicht,  mit  dem  er  nur 
das  vorhandene  Geld  hatte  herauslocken  wollen.  Die  Syrakusaner  werden  hier 
allzu  dumm  geschildert,  und  die  Geschichte  ist  nur  dann  möglich,  wenn  man 
einen  längeren  Zeitraum  zwischen  der  Geldforderung  und  dem  Ausbieten  des 
Geräthes  ansetzt.  Femer  hat  Aristoteles  uns  die  Nachricht  aufbewahrt,  dass 
man  ihm  in  fünf  Jahren  das  ganze  Vermögen  habe  einzahlen  müssen ;  er  ver- 
langte also  jährlich  ^0  Procent.  Dergleichen  wäre  in  unsem  heutigen  Verhält- 
nissen unmöglich;  im  Alterthum  war  die  Macht  des  Kapitals,  mit  dem  man  12 
bis  48  Procent  jährlicher  Zinsen  zu  machen  pflegte,  grösser  als  jetzt,  und 
wenn  es  mehr  einbrachte,  konnten  auch  grössere  Abgaben  davon  bezahlt 
werden.  Offenbar  kann  hier  nur  vom  haaren  Gelde  die  Rede  sein,  auf  wel- 
chem im  Alterthum  tiur  zum  geringsten  Theile  die  Existenz  der  Menschen  be- 
ruhte, und  es  leidet  überdies  keinen  Zweifel,  dass  die  Geschichte  sich  nur  auf 
ausserordentliche  Fälle  bezieht.  Dionys  wird  in  einzelnen  Kriegsjahren  20  Pro- 
cent des  beweglichen  Vermögens  von  seinen  Unterthanen  verlangt  haben.  In 
Nothfällen  half  er  sich  mit  Münzen  aus  Zinn  statt  Silber,  denen  er  vierfachen 
Werth  gab)  oder  mit  Verdoppelung  des  Werthes  der  vorhandenen  Silbermttn- 
zen.   Ueber  eine  andere,  ihm  jetzt  gewöhnlich  zugeschriebene  dauernde  Erbö- 

Holm,  GeBcb.  Sieiliens.  11.  10 


146      Fünftes  Buch.   VlII.  Ende  des  Dionys.    Charakter  und  Bedeutung  seiner  Regierung^ 


huDg  des  Geldwerthes  spreche  ich  in  der  Anmerkang.  Endlich  nahm  er  auch 
zu  Anleihen  seine  Zuflucht,  die  in  Syrakus  nichts  unerhörtes  waren,  da  sie 
schon  im  athenischen  Kriege  vorkommen,  und  zwar,  dem  Charakter  seiner 
Regierung  gemäss,  zu  Zwangsanleihen.  Diese  werden  mehrfach  von  Aristo- 
teles in  seiner  Uebersicht  der  finanziellen  Schlauheiten  des  Dionys  erwähnt. 
Eine  specieüe  Art  der  Anleihe  war  es  nur,  wenn  er  einmal  alles  Waisengeld 
einfordene,  mit  dem  Versprechen,  es  bei  der  Mündigkeit  der  Kinder  zurück- 
zuzahlen. So  geniessen  bei  uns  Staatsanleihen  pupillarische  Sicherheit;  frei- 
lich zwingt  man  in  der  Regel  Niemand,  Mündelgelder  darin  anzulegen. 

Wenn  solche  finanziellen  Auskunftsmittel  von  zweifelhaftem  Werthe  sind, 
so  hat  er  dagegen  in  volkswirthschaftlicher  Beziehung  einen  wirklich  bedeu- 
tenden Gedanken  realisirt,  der  bisher  noch  nicht  erkannt  worden  ist.  Er  liess 
fUr  sein  ganzes  sicilisches  Herrschaftsgebiet  nur  eine  grosse  Münze  bestehen  : 
das  syrakusanische  Tetradrachmon  mit  dem  vveiblichen  Kopf  auf  der  einen 
und  dem  Gespann  auf  der  anderen  Seite.  Es  war  das  nur  ein  genauer  Aus- 
druck der  factischen  Verhältnisse.  Wo  sollte  in  der  That  ausserhalb  Syraku- 
sens  geprägt  werden  ?  Leontini  war  an  Söldner  gegeben ,  Katane  seiner  allen 
Einwohner  beraubt,  Naxos  zerstört,  Messana  ihm  unterworfen,  Akragas,  Gela 
und  Kamarina  sehr  schwach  und  von  ihm  durchaus  abhängig.  Allerdings 
haben  die  Kampaner  eine  selbständige  Prägung;  ob  dieselbe  aber  unter  Dio- 
nys 1.  fällt,  ist  nicht  sicher,  obschon  z.  B.  für  Enteila  demselben  nichts  im 
Wege  steht.  Dem  Beispiel  des  Dionys  folgten  die  Karthager,  indem  sie  in  Fa- 
normos  die  schönen  Tetradrachmen  mit  den  Legenden  Kart  Chadasat,  Macha- 
nat,  Mechasbim  ausprägten,  die  dem  4.  Jahrh.  v.  Chr.  angehören,  und  die  so 
gut  im  griechischen  Theile  von  Sicilien  genommen  werden  konnten ,  wie  die 
syrakusanischen  Tetradrachmen  im  karthagischen.  Vorher  hatten  die  Kartha- 
ger hauptsächlich  in  Motye  geprägt,  das  ja  auch  ihre  wichtigste  Stadt  war,  und 
sie  hatten  sich  ausserdem  für  ihren  Verkehr  in  Sicilien  der  mit  der  Inschrift 
aja  bezeichneten  Münzen  bedient,  bei  denen  sie  den  Gesichtspunkt  im  Auge 
hatten,  denselben  durch  die  auf  ihnen  befindlichen,  höchst  mannigfaltigen 
Typen  in  allen  den  St^idten  Zugang  zu  verschafien ,  welche  diese  Typen  zu 
gebrauchen  pflegten.  Doch  mussten  sie  bald  einsehen,  dass  dies  ein  unprakti- 
sches Verfahren  war,  und  sie  schritten  deshalb  zur  Ausprägung  der  oben  er- 
wähnten Tetradrachmen.  Doch  scheinen  in  die  letzte  Zeit  der  Prägung  mit  aja 
die  Tetradrachmen  mit  dieser  Inschrift  zu  gehören ,  die  ganz  den  syrakusani*- 
sehen  Münzen  entsprechen,  mit  dem  weiblichen  Kopf  einer-  und  dem  Gespann 
andererseits,  von  denen  einige  an  Schönheit  den  Tetradrachmen  von  Syrakus 
wenig  nachstehen. 

Bei  aller  Rücksichtslosigkeit  in  finanziellen  wie  in  politischen  Dingen  be- 
obachtete Dionys  dennoch  gewisse  Formen.  Mehrfach  werden  Volksversamtn- 
lungen  in  Syrakus  erwähnt,  denen  er  seine  Gedanken  und  Absichten  vortrug. 
Kr  wusste  dafür  zu  sorgen,  dass  man  ihm  nicht  widersprach. 

Wenn  wir  nun  den  leitenden  Gedanken,  das  treibende  Element  in  Diony- 
sens  Wesen  suchen,  so  haben  wir  es  in  dem  energischen  Streben  nach  Erhal- 
tung und  Befestigung  seiner  Herrschaft  zu  finden.  Zu  diesem  Zwecke  scheute 
er  kein  Mittel.     In  dieser  Hinsicht  ist  zunächst  die  oben  (S.  404)  geschilderte 


Argwohn  des  Dionys.  147 

Art  und  Weise,  wie  er  Ortygia  zu  einer  grossen  Festung  machte,  merkwtlrdig. 
Aus  demselben  Streben  gingen  aber  auch  die  Eigenschaften  hervor,    deren 
excentrische  Aeusserung  ihn  so  berüchtigt  gemacht  hat:  Argwohn  und  Grau- 
samkeit.   Wir  müssen,  wie  sehr  wir  auch  das  Anekdotenhafte  scheuen ,  doch 
das  von  den  Alten  in  dieser  Hinsicht  berichtete  Charakteristische  anführen.   Er 
wusste,   dass  seine  Feinde  jeden  Augenblick  zu  benutzen  suchten,  ihn  zu' 
tödten,  und  dass  er  Feinde  selbst  in  denen  haben  konnte ,   die  er  als  seine 
Freunde  betrachtete,  daher  die  übertiiebenen  Veranstaltungen,  sein  Leben  zu 
schützen,  daher  die  Verfolgung  nicht  bloss  des  Verdachtes ,  sondern  sogar  der 
blossen  Möglichkeit  der  Nachstellung  gegen  sein  Leben.    Er  richtete  die  Stein- 
brüche in  Epipolae  zu  Gefängnissen  ein,  und  wenn  erzählt  wird,  dass  Men- 
schen dort  so  lange  gefangen  gehalten  wurden ,  dass  sie  sich  verheiratheten 
und  Kinder  bekamen,  welchen  später,  als  sie  in  Freiheit  gesetzt  wurden,  der 
Anblick  von  Pferden  Schrecken  erregte ,  so  können  wir  diese  Geschichte,  die 
an  sich  nicht  unglaublich  ist,  nur  auf  die  Zeit  des  älteren  Dionys  beziehen. 
Wenn  wir  aber  annehmen,  dass  diese  Gefängnisse  in  Epipolae  waren,  so  be- 
finden wir  uns  im  Widerspruche  mit  der  Tradition,  welche  in  den  weitläufigen 
Steinbrüchen  an  der  Grenze  der  Achradina  c^ie  Gefängnisse  des  Dionysios  sieht. 
Hier  ist  die  gewundene  Höhle,   auf  deren  Aehnlichkeit  mit  dem  Gange  des 
Ohres  der  Maler  Michel  Angelo  von  Caravaggio  den  syrakusanischen  Antiquar 
Mirabella  aufmerksam  machte  und  welche  seitdem  den  Namen  »das  Ohr  des 
Dionystt  erhalten  hat.    Es  wird  am  Ende  dieses  Bandes  von  ihr  die  Rede  sein. 
Die  Zahl  der  auf  seinen  Befehl  Getödteten  war  ungeheuer,  und  der  geringste 
Verdacht  genügte  dem  Dionys,  ein  Todesurtbeil  auszusprechen.  Marsyas,  einer 
seiner  bevorzugten  Leibwächter,  träumte,  dass  er  den  Tyrannen  tödte  und 
war  so  unvorsichtig,  diesen  Traum  zu  erzählen;  Dionys  liess  ihn  hinrichten, 
weil  er,  um  dergleichen  zu  träumen,  oft  daran  gedacht  haben  müsse.   Als  sein 
Bruder  Leptines  einmal ,  um  ihm  die  Lage  eines  Ortes  durch  eine  Zeichnung 
im  Sande  deutlich  zu  machen,  einem  der  dabeistehenden  Leibwächter  seinen 
Speer  nahm ,  wurde  Dionys  auf  seinen  Bruder  heftig  erzürnt  und  liess  den 
Wächter,  der  die  Lanze  hergegeben  hatte,  tödten.    Ein  ander  Mal  wollte  er, 
was  er  gerne  that ,  Ball  spielen ,  legte  sein  Gewand  ab  und  gab  einem  Jüng- 
ling, den  er  liebte,  sein  Schwert  zur  Aufbewahrung.    Da  sagte  einer  der  An- 
wesenden :  Diesem  vertraust  du  also  doch  dein  Leben  an ,  und  der  Jüngling 
lächelte  bei  diesen  Worten.    Da  liess  Dionys  beide  tödten,  jenen,  weil  er  den 
Weg  angegeben ,  ihn  zu  morden ,  diesen ,  weil  er  die  Andeutung  durch  sein 
Lächeln  gebilligt.    Als  charakteristische  Beweise  seiner  Furcht  vor  Nachstel- 
lungen werden  folgende  Geschichten  erzählt.    Natürlich  vertraute  er  sich  kei- 
nem Barbier  an.  Anfangs  liess  er  sich  von  seinen  Töchtern  scheeren,  als  diese 
aber  herangewachsen  waren,  liess  er  sich  von  ihnen  mit  glühenden  Wallnuss- 
schalen  den  Bart  absengen.  In  der  Volksversammlung  sprach  er  nicht  von  der 
gewöhnlichen  Rednerbühne  herab;   er  hatte   sich   zu  diesem  Zweck   einen 
besondem  Thurm  bauen  lassen.    Endlich  hatte  er  sein  Bett  mit  einem  Graben 
umgeben  lassen ,   über  welchem  als  Zugbrücke  ein  Brett  lag ,    das  er  am 
Abend  wegnahm.    Man  sieht  in  diesen  Geschichten  die  Thätigkeit  der  Sagen- 
bildung, und  überdies  ist  bei  den  Erzählungen  von  seinen  übertriebenen  Vor- 

10* 


14g      Fünftes  Buch  VlII.  Ende  des  Dionys.  Charakter  und  Bedeutung  seiner  Regierung. 

Sichtsmassregeln  der  eine  wichtige  Punkt  nicht  zu  übersehen ,  dass  es  Zeiten 
gab,  wo  er  gar  nicht  argwöhnisch  sein,  wenigstens  nicht  scheinen  konnte. 
Wenn  er  die  Waffenschmiede  vor  dem  Foldzuge  nach  Motye  besuchte ,  wer 
schützte  ihn  da  vor  einem  meuchlerischen  Anfalle?    Also  beziehen  sich  die 
Geschichten  von  seiner  Vorsicht,  soweit  sie  überhaupt  wahr  sind ,  auf  gewisse 
Perioden  seiner  Regierung ,  wo  er  sich  vom  Volke  besonders  gehasst  wusste. 
Er  verliess  sich  dann  zu  seinem  Schutze  ausser  auf  seine  eigene  Kraft  und 
seine  Waffen ,  die  er  selten  ablegte ,  wie  er  denn  stets  einen  .eisernen  Panzer 
trug,  auf  seine  Leibwache,  die,  aus  Fremden  und  Sklaven  —  Leuten,  die  kein 
anderes  Interesse  kannten ,  als  ihn  zu  vertheidigen  —  bestehend  ^  blindlings 
seine  Befehle  ausführte.    Um  die  Stimmung  unter  der  Bevölkerung  der  Stadt 
zu  beobachten  und  etwaige  Verschwörungen  aufzuspüren ,  hatte  er  nach  Hie- 
ron's  Beispiel  eine  Schaar  von  Spionen,  Prosagogeis  genannt;  auch  Weiber, 
Potagogides,  waren,  wie  bei  Hieron,  darunter.   Sein  Verdacht  verschonte  Ver- 
wandte und  Freunde  nicht.    Phiiistos,  dessen  Hülfe  er  seine  Herrschaft  ver- 
dankte, bekleidete  bei  Dionys  das  wichtige  Amt  eines  Commandanten  seiner 
Burg  und  Leibwache,  und  es  hiess,  dass  er  mit  stillschwe^ender  Duldung  des 
Tyrannen,  der  Liebhaber  der  Mutter  desselben  war.    Als  dieser  aber,  ohne 
Wissen  des  Herrschers,  die  Tochter  des  Leptines  geheirathet  hatte ,  verbannte 
Dionys  beide  aus  seinem  Reiche.    Sie  gingen  anfangs  nach  Thurii,  von  wo 
Leptines,  der  ihm  unentbehrlich  war,    bald  zurückkehren  durfte  und  die 
Tochter  des  Dionys  heirathete,,   während  PhUistos  noch  weiter  nach  Hatria 
ging ,  wo  er  den  grössten  Theil  seines  Geschichtswerkes  schrieb.     Ein  Kanal 
an  der  Pomündung  ward  nach  ihm  benannt.    Polyxenos,   der  Gemahl  der 
Schwester  des  Dionys,  Theste,   floh  aus  Furcht  vor  seinem  Schwager  nach 
Syrakus.  Weder  Brüder  noch  Söhne  durften  zu  ihm  kommen,  ohne  sich  vor  den 
Wachen  vollständig  entkleidet  und  andere  Gewänder  angelegt  zu  haben,  damit 
sie  keine  verboi^enen  Waffen  mitbringen  könnten,  und  wenn  er  zu  seinen 
Frauen  ging,  musste  alles  vorher  genau  durchsucht  werden.    Den  schlimmsten 
und  für  den  Bestand  seiner  Dynastie  verderblichsten  Argwohn  bewies  er  aber 
bei  der  Erziehung  seines  ältesten  Sohnes,  der  sein  Nachfolger  wurde.    Dieser 
wurde  im  Palaste  eingeschlossen  gehalten  und  von  seinem  Vater  nicht  nur 
nicht  in  den  Ötaatsgeschäften  unterrichtet,  sondern  so  sehr  aller  Gelegenheit 
zu  würdiger  Beschäftigung  beraubt,  dass  er  sich  in  seiner  Einsamkeit  mit 
Tischler-  und  Stellmacherarbeit  beschäftigte.    Vielleicht  war  übrigens  Dionys 
nicht  einmal  fest  entschlossen ,  ihn  zu  seinem  Nachfolger  zu  ernennen ;  we- 
nigstens lassen  die  mit  seinem  Tode  verbundenen  näheren  Umstände  etwas 
derartiges  ahnen.    Gegen  die  mütterliche  Familie  dieses  Sohnes  hatte  sich  sein 
Argwohn  schon  in  anderer  Weise  heftig  geäussert.    Dieser  Sohn  war  von  der 
Lokrerin  geboren.    Seine  syrakusanische  Frau  dagegen  blieb  längere  Zeit  un- 
fruchtbar, und  die  Mutter  der  Lokrerin,  deren  Veranstaltung  er  dies  zuschrieb, 
musste  dafür  sterben.    Wie  sehr  der  Tyrann  sich  der  steten  Gefahr  seiner 
Lage  bewusst  war  und  wie  geistreich  er  dieselbe  darzustellen  verstand,  liegt 
in  der  bekannten  Geschichte  von  Damokles  ausgedrückt.    Dagegen  stimmt  die 
andere,  ebenso  bekannte  Geschichte  von  der  Bürgschaft,  die  ein  Freund  für 
den  andern  übernahm,  der  sterben  sollte,  und  der  sich  wirklich  zu  rechter  Zeit 


Gottlosigkeit  des  Dionys.  149 

dem  Tyrannen  stellte,  worauf  dieser  sie  l>at,  ihn  als  Dritten  in  ihre  Freund- 
schaft aufzunehmen,  nur  dann  mit  dem  Charakter  des  Tyrannen  überein, 
wenn  die  Anklage  gegen  den  Einen,  dass  er  Dionys  nach  dem  Leben  getrachtet 
habe,  eine  absichtlich  erdichtete  war,  um  die  Freundschaft  der  beiden  Pytha- 
goreer  zu  prüfen,  und  auch  dann  hat  die  Angabe,  'dass  der  Tyrann  Dionys  II. 
gewesen  sei ,  bei  einem  Vergleiche  der  Charaktere  des  Vaters  und  des  Sohnes 
grössere  Wahrscheinlichkeit. 

Aber  Argwohn  und  Grausamkeit  gingen  nicht  aus  einem  furchtsamen, 
ängstlichen  Gemüthe  hervor;  sie  waren  Folge  eines  einmal  angenommenen 
Systems.  Das  sieht  man  aus  einer  andern  Eigenschaft,  die  für  ihn  charakteri- 
stisch ist,  aus  seiner  Freiheit  von  aller  religiösen  Scheu,  besonders,  wo  es  sich 
um  Geld  handelte,  und  dem  gotteslästerlichen  Humor,  mit  dem  er  seine  Tem- 
pelräubereien zu  betreiben  pflegte.  Er  behauptete ,  von  Demeter  den  Befehl 
an  alle  Frauen  erhalten  zu  hdben ,  ihren  sämmtlichen  Schmuck  in  ihren  Tem- 
pel zu  bringen ;  als  er  dort  war,  Hess  er  ihn  auf  der  Stelle  einschmelzen.  Der 
Statue  des  Zeus  nahm  er  einen  goldenen ,  85  Talente  schweren  Mantel,  den 
sie  von  Gelon  erhalten  hatte,  weil  er  doch  im  Winter  zu  kalt^  im  Sommer  zu 
faeiss  sei  und  Hess  ihr  einen  wollenen  umhängen,  der  sie  besser  schützen 
werde.  Als  die  Arbeiter  sich  scheuten,  zuzugreifen ,  legte  er  selbst  Hand  an. 
Ein  Aeskulapbild  beraubte  er  des  goldenen  Bartes ,  denn  es  schicke  sich  nicht 
für  den  Sohn ,  einen  Bart  zu  tragen ,  da  doch  der  Vater  (Apoll)  unbärtig  sei.  • 
Die  silbernen  und  goldenen  Tische,  welche  in  den  Tempeln  standen,  wusste 
er  unter  verschiedenen  Vorwänden  sich  anzueignen.  Es  war  Gebrauch,  das 
Mahl  mit  einem  kleinen  Trunk  ungemischten  Weines  zu  beschliessen,  welcher 
der  Trunk  des  Guten  Gottes  ganannt  wurde.  Dann  wurden  die  Tische  ent- 
fernt. So  trank  Dionys  auch  dem  Asklepios  diesen  Trunk  des  Guten  Gottes  zu 
und  Hess  dann  den  goldenen  Tisch  entfernen.  Ein  ander  Mal,  wenn  solche 
Tische  den  Guten  Göttern  geweiht  waren ,  nahm  er  sie  im  Vertrauen,  wie  er 
sagte,  auf  ihre  Güte  an  sich.  Goldene  und  silberne  Victorien ,  Schalen  und 
Kränze ,  welche  die  Gottheiten  auf  den  ausgestreckten  Händen  trugen,  nahm 
er  regelmässig  in  Besitz;  er  empfange,  sagte  er,  nur  das  Gegebene,  denn 
wozu  streckten  die  Gottheiten  diese  Gegenstände  hin,  als  um  sie  den  Menschen 
zu  schenken?  Oder  er  Hess  Eigenthum  der  Tempel  verkaufen,  nahm  das  Geld 
und  befahl  dann,  dass  jeder  das,  was  er  an  Tempeleigenthum  im  Hause  habe, 
an  den  Tempel  wieder  zurückliefern  solle.  Er  plünderte  in  Lokri  den  Tempel 
der  Proserpina ,  und  als  er  dann  bei  günstigem  Winde  mit  den  Schätzen  nach 
Syrakus  zurückfuhr ,  sagte  er  zu  seinen  Begleitern :  Seht  ihr ,  eine  wie  gün- 
stige Fahrt  die  Götter  dem  Tempelschänder  geben? 

Die  Herrschsucht  war  aber  auch  seine  einzige  Leidenschaft.  Er  war 
massig  in  allen  Genüssen ,  denn  auch  Trunksucht  ist  ihm  wegen  der  noch  zu 
erwähnenden  angeblichen  Veranlassung  seines  Todes  nicht  zuzuschreiben. 
Ein  besonderes  Lob  verdient  sein  Familienleben;  wir  hören  nicht  von  Un- 
einigkeiten, die  zvnschen  ihm  und  seinen  beiden  Frauen  ausgebrochen  wären, 
und  es  ist  gewiss  ein  ausreichender  Beweis  seiner  Charakterstärke ,  dass  er 
die  sonderbare  Doppelehe  so  gut  zu  führen  wusste.  Er  speis'te  regelmässig 
mit  beiden  Frauen  zusammen,  die  in  seinem  Palaste  abgesonderte  Wohnungen 


150      Fünfies  Buch.   VIII.  Ende  des  Dionys.    Cfaaratler  und  Bedeutuag  seiner  Regierang. 

hatteD.  Dionys  halte  sieben  Kinder,  zwei  Sohoe  und  eine  Tochter  von  der 
Lokrerin ,  zwei  Sohne  und  zwei  Tochter  von  d^r  Arislomache.  Die  letzteren 
nannte  er  in  eigenthUmlidier  Laune  Sophrosyne  und  Arete  —  MässiguDg  und 
Tugend.  Jene  verheirathele  er  mit  ihrem  Halbbruder  Dionysios ,  diese  xu- 
ersi  mit  seinem  eigenen  (Bruder  Thearidcs,  und  nach  dessen  Tode  mit 
Dion,  dem  Bruder  der  Aristomache.  Die  Namen  der  leiblichen  Geschwister 
des  jüngeren  Dionys  waren  Hermokritos  und  Dikaiosyne.  Die  beiden  Stihne 
der  Aristomache  hiessen  Hipparinos  und  Nysaios.  Aus  lauter  Kraft  war  aber 
doch  der  Charakter  des  Tyrannen  nicht  zusammengesetzt.  Er  hatte  eine 
Schwäche  and  iwar  eine  bei  einem  Griechen  sehr  verzeihliche ;  er  hielt  sich 
wie  der  Kardinal  HicheÜeu,  dessen  Charakter  überhaupt  mit  dem  des  Dio- 
nys eine  grosse  Aehnlichkeit  bat,  für  einen  Dichter  und  beschäftigte  sich ,  seit 
die  Karthager  ihm  nicht  mehr  so  viel  Sorge  bereiteten,  gern  mit  Versemachen. 
Er  sorgte  dafür,  dass  Männer,  die  sich  auf  die  Kritik  dichterischer  Werke  ver- 
standen, an  seinem  Hofe  waren,  und  benutzte,  wie  Richelieu,  ihr  Urtheil ;  aber 
der  Despot  kam ,  gerade  wie  bei  dem  französischen  Kardinal ,  darin  wieder 
zum  Vorschein,  dass  er  eine  unbedingte  Verwerfung  seiner  Gedlchl«  nicht 
ertragen  konnte;  er  ahndete  sie  mit  seinen  gewöhnlichen  schweren  Strafen. 
An  seinem  Hofe  hielt  sich  der  Dilhyrambendicbter  Philoxenos  auf,  der,  als  bei 
einem  Trinkgelage  Gedichte  des  Tyrannen  vorgelesen  wurden ,  auf  die  Frage 
.  des  Dionys,  wie  er  sie  finde,  eine  Antwort  gab,  welche  mehr  den  FreimuÜi 
des  Mannes  als  seine  Zufriedenheit  mit  dem  Vorgetragenen  bewies.  Dionys, 
der  auf  seine  Verse  stolzer  war,  als  auf  seine  Eroberungen ,  liess  den  Frechen 
sogleich  in  die  Steinbrüche  bringen.  Am  andern  Tage  ind^ss  versöhnte  er 
sich,  von  seinen  Freunden  beredet ,  wieder  mit  ihm.  Aber  dem  armen  Phi- 
loxenos  blieb  eine  zweite  Probe,  unter  ahnlichen  Umständen  wie  die  erste, 
nicht  erspart.  Bei  einem  neuen  Trinkgelage  kamen  wieder  Verse  des  Tyran- 
nen vor,  und  dieser  fragte  wieder:  Wie  findest  du  die  Gedichte?  Philoxcnos 
antwortete  dem  Tyrannen  nichts,  wandte  sich  zur  Leibwache  und  sagte: 
Bringt  mich  wieder  in  die  Steinbrüche.  Dionys  selbst  musste  über  diese 
Wendung  lachen.  Indess  drangen  die  Freunde  des  Tyrannen,  die  auch  die 
des  Philoxenos  waren,  in  ihn,  den  Dionys  doch  auch  einmal  durch  eine  gele- 
gentliche Anerkennung  seines  Dichtertalentes  zu  erfreuen ,  und  Philoxenos 
versprach  es  unter  der  Versicherung,  dass  er  dabei  der  Wahrheit  nichts  ver- 
geben werde.  Als  nun  Dionys  ihm  Gedichte  von  sich  vorlesen  liess,  die  eine 
Schilderung  kläglicher  Leiden  enthielten,  antwortete  er  auf  die  Frage,  wie  ihm 
die  Verse  vorkamen :  Traurig.  So  musste  der  kluge  Dionys  sich  verspotten 
lassen.  Der  Tragiker  Antiphon  soll  sich  übrigens  durch  allzu  herben  Tadel  der 
Gedichte  des  Tyrannen  den  Tod  zugezogen  haben.  Es  fehlte  ihm  nicht  an 
Schmeichlern ,  welche  ihm  vorstellten ,  dass  alles  Schöne  anfangs  Gegenstand 
des  Neides  sei,  und  ihn  so  auch  über  die  in  Olympia  mit  seinen  Gedichten 
erlittene  Niederlage  trösteten;  er  fuhr  also  fort  zu  dichten.  Er  schrieb  be- 
sonders Tragödien ,  z.  B.  einen  Adonis,  eine  Leda.  Er  galt  als  ein  Feind  des 
Lachens,  weshalb  man  die  Angabe,  dass  er  auch  Komödien  geschrieben  habe, 
in  Zweifel  zieht;  bei  dem  Humor,  den  er,  wie  wir  sahen,  unter  Umsl^inden 
entwickeln  konnte,  ist  es  indess  nicht  unbedingt  als  wahr  aniunebmen,  dass  er 


Dionys  als  Dichter.  151 

ein  Feind  des  Lachens  war.  Er  erwarb  die  Scbreibtafel  des  Aescbylos ,  viel- 
leicht um  dadurch  auch  etwas  vom  Geiste  dieses  grossen  Dichters  in  sich 
übergehen  zu  lassen.  Wir  haben  bei  Athenaios  aus  Athanis  eine  Anzahl  von 
Wörtern,  die  Dionys,  offenbar  der  ältere,  erfunden  haben  soll,  und  es  ist  na- 
türlich, dass  er  sie  in  seinen  Schriften  angewandt  hat.  Sie  zeichnen  sich 
grOsstentheils  durch  eine,  hoffentlich  nicht  unfreiwillige  Komik  aus,  und  es  ist 
schwer  zu  glauben ,  dass  er  in  einer  Tragödie  die  Mauselöcher  Mysterien  ge- 
nannt haben  sollte,  weil  ein  Mauseloch  mys  terei;  d.  h.  Mäuse  enthält.  Man 
fühlt  sich  versucht,  auch  in  solchen  Witzen  einen  Anklang  des  ihm  eigenthüm- 
liehen,  gotteslästerlichen  Humors  wiederzufinden.  Mochten  die  Tragödien  und 
sonstigen  Gedichte  des  Dionys  aber  auch  wenig  vorzüglich  sein,  so  wusste  sich 
sein  Sohn  und  Nachfolger  später  im  Gespräche  mit  Philipp  von  Macedonien 
beim  Weine  auf  den  richtigen  Standpunkt  ihrer  Beurtheilung  zu  stellen,  in- 
dem er  auf  die  spöttische  Frage,  wie  denn  sein  Vater  Zeit  gehabt  habe,  so  viel 
zu  schreiben,  antwortete:  Es  war  die  Zeit,  die  du  und  ich  und  alle  soge- 
nannten glücklichen  Menschen  beim  Weine  zubringen.  Er  handelte  nach  dem 
von  ihm  selbst  aufgestellten  Grundsatz :  Eine  Bogensehne  reisst ,  wenn  sie  zu 
viel  gespannt  wird,  die  menschliche  Seele  aber  geht  zu  Grunde,  wenn  sie  un- 
gespannt bleibt ,  wie  er  denn  auch  versicherte,  dass  er  niemals  müssig  sei. 
Wenn  er  aber  in  einer  seiner  Tragödien  den  Vers  anbrachte :  Die  Tyrannis  ist 
Mutter  jeder  Ungerechtigkeit ,  so  ist  das  nur  ein  Beweis  seiner  grenzenlosen 
Verachtung  der  Menschen.  Mit  seinen  Stücken ,  die  er  nach  Athen  zur  Preis- 
bewerbung zu  schicken  pflegte,  erhielt  er  lange  Zeit  nur  zweite  und  dritte 
Preise,  und  ein  unerwarteter  Sieg  an  den  Lenäen  des  Jahres  367  soll  sogar  die 
Ursache  seines  Todes  geworden  sein.  Dass  dieser  Sieg  übrigens  nicht  die 
Folge  der  Vortrefilichkeit  des  Stückes,  »die  Auslösung  Hektor's«  war,  sondern 
dass  politische  Gründe  ihn  veranlassten ,  lässt  die  kräftige  Unterstützung ,  die 
er  369  und  368  den  verbündeten  Athenern  und  Spartanern  hatte  angedeihen 
lassen,  errathen.  Als  nun  die  Richter  dem  Dionys  den  ersten  Preis  zuerkann- 
ten, kam  einem,  der  im  Chore  mitgesungen  hatte,  der  gescheidte  Einfall,  dem 
Tyrannen  die  Nachricht  von  seinem  Siege  zuerst  zu  überbringen.  Er  fuhr 
schnell  nach  Korinth,  hatte  das  Glück,  dort  [ein  Schiff  zu  treffen,  welches 
gerade  nach  Syrakus  unter  Segel  ging ,  und  brachte  so  wirklich  Dionys  die 
erwünschte  Botschaft,  die  ihm  reichen  Lohn  eintrug.  Dionys  aber  veranstal- 
tete zur  Feier  seines  Sieges  grosse  Festlichkeiten ,  bei  denen  er  so  unmässig 
trank,  dass  er  in  ein  hitziges  Fieber  fiel,  an  welchem  er  starb.  Die  boshaften 
Syrakusaner  erzählten  sich  nun ,  dies  $ei  die  Erfüllung  eines  Orakelspruchs, 
dem  der  Tyrann  immer  zu  entgehen  gesucht  habe.  Es  sei  ihm  prophezeit 
worden ,  er  werde  sterben ,  wenn  er  einen  überlegenen  Gegner  besiegt  habe. 
Er  habe  selbst  diesen  Orakelspruch  auf  die  Karthager  bezogen  und  deshalb 
stets  seine  Siege  über  sie  schlecht  verfolgt  und  sich  sogar  freiwillig  von  ihnen 
besiegen  lassen.  Nun  zeige  sich  aber  der  wahre  Sinn  des  Orakels.  Denn  er, 
der  schlechte  Dichter,  habe  die  besseren  überwunden,  und  so  habe  er  sterben 
müssen.  Dass  diese  ganze  Geschichte  mehr  Dichtung  als  Wahrheit  enthält, 
leidet  keinen  Zweifel. 

So  wie  er  sich  selbst  Dichter  zu  sein  dünkte ,  liebte  er  es  auch ,  Dichter 


1 52      Fünftes  Buch.   VIII.  Ende  des  Dionys.    Charakter  und  Bedeutung  seiner  Regierung. 

und  Philosophen  an  seinem  Hofe  zu  haben.  Philoxenos  ist  schon  erwähnt 
worden,  der  in  dem  Steinbruchgefängniss  seinen  Kyklopen  gedichtet  und  darin 
den  Tyrannen  unter  der  Gestalt  des  Kykiopen  dargestellt  haben  soll.  Ein 
anderer  Dichter  seines  Hofes  war  der  jüngere  Karkinos,  der  Enkel  des 
alleren  Dichters  dieses  Namens,  der  aus  Agrigent  stammte,  sich  aber  in  Athen 
niedergelassen  hatte.  Der  Freund  des  Dionys  war  seines  Beschützers  wUrdig, 
denn  wir  hören,  dass  er  460  Stücke  schrieb  und  ein  eiuEiges  Mal  siegte. 
Ae  seh  in  es,  der  Sokratiker ,  verweilte  längere  Zeit  bei  Dionys  in  Syrakus, 
ein  armer  Mann,  der  aber  vielleicht  vom  Tyrannen  ebenso  hoch  gehalten 
wurde,  .wie  der  berühmte  Aristippos,  der  Gründer  der  kyrenäisdien 
Schule,  der  sich  das  üppige  Leben  am  syrakusanischen  Hofe  schmecken  Hess, 
und  das  Unangenehme,  das  dabei  vorfiel,  mit  dem  grössten  Gynismus  ertrug. 
Die  Diener  des  Tyrannen  bespritzten  ihn  einmal  mit  Wasser,  und  er  Hess  es 
sich  ruhig  gefallen.  Antiphon ,  dem  seine  Unklugheit  später  das  Leben  ko- 
stete, verspottete  ihn  darüber.  Aristipp  aber  erwiderte  ruhig:  Soll  ein 
Fischer  sein  Geweii>e  aufgeben,  weil  er  dabei  nass  wird?  Der  Mimendichter 
Xcnarchos,  Sophron^s  Sohn,  liess  sich  von  Dionys  zu  politischen  Zwecken 
gebrauchen. 

Es  ist  übrigens  nicht  ganz  leicht ,  sich  von  dem  Leben  und  Treiben  am 
Hofe  des  Dionys  eine  klare  Vorstellung  zu  machen.  Dass  seine  eigenen  Sitten 
rein  waren,  sahen  wir  schon;  trotzdem  liebte  er  es,  verworfene  und  lieder- 
liche Menschen  um  sich  zu  haben,  und  dies  hoben  sowohl  der  Geschichtschrei- 
ber Theopompos ,  als  auch  der  komische  Dichter  Eubulos ,  der  den  Tyrannen 
in  einem  besonderen,  Dionysios  genannten  Stücke  verspottete,  hervor.  Es 
passte  allerdings  in  eine  Tyrannenherrschaft,  die  über  verworfene  Menschen 
am  besten  regiert.  Dem  Tyrannen  konnte  unmöglich  daran  liegen,  Tugend 
und  Sittlichkeit  bei  seinen  Unterthanen  zu  befördern.  Dies  müssen  wir  im 
Auge  behalten,  wenn  wir  folgende  zwei  Geschichten,  die  von  ihm  erzählt 
werden ,  richtig  verstehen  wollen.  Er  hörte,  dass  ein  Syrakusaner  Geld  ver- 
maben  habe  und  liess  es  sich  ausliefern.  Der  Mann  hatte  aber  etwas  davon  an 
die  Seite  zu  bringen  gewusst,  entfernte  sich  aus  Syrakus  und  kaufte  mit  dem 
Geborgenen  ein  Gut.  Nun  liess  Dionys  ihn  zu  sich  kommen  und  gab  ihm  auch 
das,  was  er  ihm  genommen  hatte,  zurück.  Ich  sehe  mit  Vergnügen,  sagte  er, 
dass  du  gelernt  hast,  das  Geld  zu  gebrauchen,  wie  es  gebraucht  werden  soll. 
Ferner  war  er  sonst  streng  in  der  Bestrafung  von  Missethätern ,  nur  eine  Gat- 
tung von  Dieben  schonte  er  auffallend,  die,  welche  den  Leuten  in  der  Dun- 
kelheit die  Mäntel  auf  der  Strasse  stahlen,  eine  im  Alterthum  sehr  verbreitete 
Galtung  von  Spitzbuben.  Die  Syrakusaner,  sagte  er,  sollen  von  ihnen  lernen, 
dass  es  sich  nicht  schickt,  spät  im  Rausche  nach  Hause  zu  kommen.  Wir 
würden  sehr  irren,  wenn  wir  hier  Dionys  im  Lichte  eines  Beförderers  bürger- 
licher Tugend  sehen  wollten.  Die  Lection  über  den  Gebrauch  des  Geldes  hatte 
nur  den  Zweck,  vom  Vergraben  abzuschrecken,  womit  dem  Tyrannen  am 
allerwenigsten  gedient  war.  Er  wusste  recht  wohl,  dass  die  meisten  ihr  Gdd 
nicht  zum  Ankauf  von  Land,  sondern  zum  Luxus  anwenden  würden.  Die 
Lection  über  den  Nachtheil  der  Trunkenheit  ist  aber  nichts  als  ein  praktischer 
Beweis  seines  übermüthigen  Humors.    Er  war  es ,  der  durch  die  Entziehung 


Menschenverachtiing  des  Dionys.   Piaton  in  S^Takus.  153 

■ 

der  politischen  Thätigkeit  die  Syrakusaner  auf  das  Wohlleben  hinwies,  und 
zum  Danke  dafür ,  dass  sie  ihm  seinen  Willen  thaten  und  so  ihöricht  waren, 
ihre  Kraft  in  Schlemmereien  zu  vergeuden ,  Hess  er  den  guten  Betrunkenen 
noch  ihre  Mäntel  stehlen  I  Die  Verachtung  der  inneren  Bedeutung  von  Religion 
und  Moral  ist  von  Niemandem  weiter  getrieben  worden ,  als  von  Dionys,  der 
zugleich,  wie  kaum  ein  anderer ,  eingesehen  hatte,  welche  Kraft  die  Beherr- 
schung seiner  selbst  dem  Menschen  verleiht.  Dionys  beförderte  bei  seinen 
Unterthanen  ein  ausschweifendes  Leben ,  hielt  sich  selbst  aber  zu  einem  ar- 
beitsamen und  sittenstrengen  an,  und  er  handelte  so,  weil  er  wusste,  dass  er 
auf  diese  Weise  stark  und  zum  Herrschen  geeignet ,  sie  schwach  und  fügsame 
Sklaven  wurden.  Indem  er  die  praktische  Bedeutung  der  Tugend  seiner  Selbst- 
sucht dienstbar  machte,  würdigte  er  sie  mehr  herab  und  dachte  schlechter 
von  ihr,  als  wenn  er  selbst  schlecht  gelebt  hfttte.  Er  wollte  sein  ganzes  Volk 
zu  Heloten  machen,  und  die  Folge  lehrte,  dass  es  ihm  nicbt  ganz  misslang. 

Es  ist  klar,  dass  an  den  Hof  eines  Mannes  wie  Dionys,  der  mit  der 
'grössten  Schärfe  des  Verstandes  die  entschiedenste  Rücksichtslosigkeit  ver- 
bandj  ein  idealer  Philosoph  wie  Piaton  nicht  passte ,  dessen  kurzer  erster  Be- 
such in  Syrakus  eine  interessante  Episode  in  der  Geschichte  des  Dionys  ist,  eine 
Episode,  die  freilich  mit  dem  übrigen  Leben  des  Tyrannen  in  keinem  weiteren 
Zusammenhange  steht.  Dass  es  bloss  ein  äusserer  Anlass — der  Wunsch,  einen 
Ausbruch  des  Aetna  zu  beobachten  —  gewesen  sein  sollte,  der  Piato  nach  Sici- 
lien  führte,  ist  sehr  zu  bezweifeln.  Er  scheint  sich  vorher  in  Italien  aufgehalten 
zu  haben  und  mit  den  dortigen  Pythagoreem  in  Verbindung  getreten  zu  sein, 
deren  Haupt  Archylas,  der  Tarentiner,  ein  nicht  nur  in  seiner  Vaterstadt,  son- 
dern in  ganz  Grossgriechenland  ausserordentlich  angesehener  Mann  war. 
Archytas,  der  in  nicht  unfreundlichen  Beziehungen  zu  Dionys  stand,  machte 
ihn  auf  Piaton  als  auf  einen  Mann ,  der  eine  Zierde  seines  Hofes  sein  würde, 
aufmerksam,  offenbar  in  der  Absicht,  durch  Plato  dem  Regierungssystem  des 
Tyrannen  eine  bessere  Richtung  zu  geben.  Dionys  Hess  wirklich  Piaton  auffor- 
dern, nach  Syrakus  zu  kommen,  und  wir  dürfen  annehmen,  dass  er  nach  dem 
Frieden  mit  Karthago,  388  oder  387,  wo  der  Tyrann  einige  Müsse  hatte,  sich 
mit  Philosophie  zu  beschäftigen ,  dahin  gegangen  ist.  Er  war  von  der  Ueber- 
zeugung  durchdrungen,  dass  die  gewöhnlichen  griechischen  Verfassungen,  vor 
allen  die  zügellose  Demokratie,  ebenso  verderblich  seien,  wie  die  Tyrannis, 
und  sah  nur  darin  Heil  für  die  Menschheit,  wenn  entweder  Philosophen  an 
die  Spitze  der  Staaten  träten  oder  die  Herrscher  zu  Philosophen  würden.  An- 
fangs fand  Dionys  an  dem  freimüthigen  Wesen  Platon's  grosses  Ge&Uen  und 
unterhielt  sich  gerne  mit  ihm ;  als  aber  der  Philosoph  dem  Tyrannen  gegen- 
über seine  Grundsätze  immer  deutlicher  aussprach  und  die  Ungerechtigkeit 
und  Feigheit  des  tyrannischen  Lebens  auseinandersetzte ,  wurde  Dionys  ihm 
bald  entfremdet.  Dagegen  gewann  Piaton  einen  der  mächtigsten  Verwandten 
des  Tyrannen,  den  Dion,  ganz  und  gar  für  seine  Ideen.  Dion  war  Sohn  des 
Hipparinos ,  des  Freundes  von  Dionys,  und  Bruder  der  Aristomache ,  der  sy- 
rakusanischen  Gemahlin  des  Tyrannen.  Schon  in  früher  Jugend  war  der 
Palast  des  Dionys  seine  Heimath ;  er  zeigte  vielen  natürlichen  Verstand  und 
wurde  deswegen  vom  Tyrannen  mit  grossem  Wohlwollen  behandelt.    Er  war 


154      Fünftes  Buch.   VIII.  Ende  des  Dlonys.    Charakter  und  Bedeulang  seiner  Regierung. 

von  Hause  und  durch  Geschenke  des  Dionys  reich,  von  stattlichem  Aeusseren 
und  von  stolzem  und  männlichem  Sinn.  Er  hatte  noch  nicht  das  zwanzigste 
Lebensjahr  erreicht,  als  Piaton  nach  Syrakus  kam,  und  schloss  sich  mit 
grossem  Eifer  dem  berühmten  Schüler  des  Sokrates  an.  Bei  keinem  andern 
jungen  Manne  fand  Piaton  jemals  neben  grosser  Lembegierde  eine  solche  Fähig- 
keit, das  Gehörte  richtig  aufzufassen,  wie  bei  Dion.  Er,  der  bis  dahin  in  den 
Genüssen,  die  die  weichliche  sicilische  Lebensweise  und  besonders  der  Hof 
des  Dionys  darbot,  das  höchste  Ziel  seines  Daseins  gefunden  hatte,  strebte  von 
nun  an  nur  nach  Tugend  und  dachte  in  jugendlicher  Begeisterung,  dass  es 
möglich  sein  raüsste ,  auch  Dionys  durch  Piaton  für  die  Philosophie  und  die 
Tugend  zu  gewinnen.  Das  war  aber  unmöglich.  Auf  die  anf^nglidie  Bewun- 
derung Platon's  folgte  bei  Dionys  bald  Zorn  über  die  Anmassung  des  Mannes, 
der  ihn  selbst  für  feig  zu  erklären  wagte.  Als  er  ihm  auf  seine  Frage ,  wes- 
halb er  denn  eigentlich  nach  Sicilien  gekommen  sei,  die  Antwort  gab:  einen 
guten  und  tugendhaften  Mann  zu  suchen,  erwiderte  er  erzürnt:  und  bis  jetzt 
scheinst  du  noch  keinen  gefunden  zu  haben !  Und  endlich  suchte  er  sich  des 
lästigen  Philosophen  um  jeden  Preis  zu  entledigen.  Nach  einer  Nachricht  Hess 
er  ihn  ergreifen  und  als  Sklaven  in  Syrakus  verkaufen ;  die  dortigen  Philoso- 
phen kauften  ihn  aber  für  SO  Minen  und  schickten  ihn  mit  der  wohlgemeinten 
Erinnerung  nach  Griechenland,  ein  Philosoph  müsse  mit  Tyrannen  so  wenig 
als  möglich  verkehren  oder  sich  ihnen  möglichst  angenehm  machen.  Nac^ 
einer  andern  glaubwürdigeren  Nachricht  aber  sorgte  Dion  dafür ,  dass  Piaton 
zur  rechten  Zeit  auf  einer  Triere,  welche  den  spartanischen  Gesandten  Pollis 
nach  Griechenland  führte,  mitgenommen  wurde.  Dionys  aber  bat  Pollis,  Piaton 
unterwegs  zu  tödten,  wo  nicht ,  ihn  als  Sklaven  zu  verkaufen ,  mit  seiner  ge- 
wöhnlichen Ironie  hinzufügend,  der  Philosoph  werde  ja  doch  stets  glücklich 
sein,  wenn  er  auch  Sklave  wäre.  So  soll  denn  Pollis  den  Piaton  auf  der  Insel 
Aegina,  die  sich  damals  mit  Athen  in  Krieg  befand,  und  wo  das  Volk  be- 
schlossen hatte,  dass  jeder  Athener,  dessen  man  habhaft  würde,  Sklave  wer- 
den solle,  verkauft  haben.  Piaton  soll  in  Sklaverei  geblieben  sein,  bis  ihn  An- 
nikeris  von  Kyrene  freikaufte.  Dion  blieb  nichtsdestoweniger  in  Gunst;  der 
Tyrann  hörte  die  freimüthigen  Bemerkungen  seines  jungen,  stolzen  Verwandten 
ohne  Zorn  an,  und  liess  es  sich  unter  anderen  gefallen,  dass  Dion  ihm  auf 
einen  unpassenden  Spott  über  Gelon  erwiderte :  »Du  solltest  dich  hüten,  über 
Gelon  zu  spotten ,  denn  durch  ihn  bist  du  Tyrann  und  Herrscher :  deinetwe- 
gen aber  wird  man  nie  wieder  Jemand  zum  Herrscher  wollen,  a  Dionys  wusste 
seine  grossen  Talente  besonders  bei  Gesandtschaften  zu  verwenden.  Als  er 
auf  dem  Todbette  lag,  versuchte  Dion,  Zutritt  zu  ihm  zu  erlangen,  um  mit 
ihm  über  das  künftige  Loos  der  Kinder  der  Arislomache  zu  sprechen.  Das 
verhinderten  aber  die  Aerzte  im  Interesse  des  Sohnes  der  Lokrerin ,  der  be- 
fürchten mochte^  dass  sein  Vater  sich  einer  Abänderung  der  Thronfolge  ge- 
neigt zeigte,  ja,  nach  Timaios  sollen  sie  durch  einen  Schlaftrunk  den  Tod  des 
Entkräfteten  beschleunigt  haben.  Wir  werden  bald  Dion's  weitere  Schicksale 
erzählen.  Für  jetzt  haben  wir  zur  Schilderung  des  Charakters  und  des  Lebens 
des  älteren  Dionys  nur  noch  wenige  Züge  nachzutragen.  Er  war,  wie  die 
sicilischen  Tyrannen  vor  ihm  und  besonders  Gelon,  Hieron  und  Theron,  ein 


Geschichtliche  Stellung;  des  Dionys.  155 

Freund  der  Rossezucht,  begnügte  sieb  aber  nicht  mit  der  vortrefflichen  sicili- 
schen  Race,  sondern  bevorzugte  besonders  die  veneiische,  die  durch  ihn  auch 
in  Griechenland  berühmt  wurde.  Ihm  persönlich  eigen  war  aber  die  Neigung 
zur  Medicin  und  Chirurgie,  und  wenn  er,  wie  es  heisst,  selbst  schnitt  und 
brannte,  so  mögen  die  von  seinen  Unterthanen,  'an  denen  er  seine  Kunst  aus- 
zuüben geruhte,  nicht  immer  zu  beneiden  gewesen  sein. 

Es  bleibt ,  nachdem  wir  den  Charakter  des  Tyrannen  dargestellt  haben, 
nur* noch  übrig,  ihn  in  seiner  Bedeutung  für  die  Geschichte  seiner  hei math* 
liehen  Insel  und  des  griechischen  Volkes,  dem  er  angehörte,  kurz  zu  würdigen. 
Die  einzelnen  Punkte,  auf  die  es  hier  ankommt,  sind  bereits  im  Verlaufe  seiner 
Geschichte  zur  Sprache  gekommen ;  es  handelt  sich  hier  darum,  sie  zusam- 
menzufassen. Dionys  erscheint  vor  allen  Dingen  als  der  Fortsetzer  der  Bestre- 
bungen, die  schon  vor  ihm  in  den  wichtigsten  Perioden  der  sicilischen  Ge- 
schichte zu  Tage  getreten  waren.  Seit  dem  Beginne  der  historischen  Zeit  hatte 
sich  auf  der  Insel  das  griechische  Element  gegen  das  semitische  zu  verthei- 
digen ,  das  mit  stets  wachsender  Energie  die  Herrschaft  an  sich  raffte.  Von 
Phalaris,  dessen  ähnliche  Bestrebungen  wir  nachgewiesen  haben,  nicht  zu 
reden ,  hatte  Gelon  zum  ersten  Male  die  Karthager  glänzend  überwunden, 
und  dies.  Werk  der  Abwehr  der  Punier  ist  es ,  das  Dionys,  wenn  auch  mit 
geringerem  Glück  als  Gelon ,  doch  mit  ausserordentlicher  Ausdauer  fortsetzt. 
Und  seine  Leistungen,  die  ohne  Zweifel  ihm  persönlich  verdankt  werden,  sind 
bei  der  grossen  Macht  Karthagers  durchaus  nicht  unbedeutend.  Als  er  die 
Regierung  antrat,  waren  Himera  und  Akragas  in  den  Händen  der  Karthager; 
als  er  starb,  gehörten  diese  Landstriche  wieder  den  Griechen.  Er  ist  aber, 
wie  wir  sahen,  keineswegs  bloss  Fortsetzer  der  Geionischen  Idee  gewesen;  er 
hat  einen  neuen  Gedanken  in  die  sicilische  Politik  eingeführt.  Vor  ihm  trat 
der  Gegensatz  zwischen  Hellenen  und  Sikelern  auf  der  Insel  scharf  hervor. 
Dieser  Gegensatz  hatte  sich  noch  in  Duketios  besonders  kräftig  gezeigt.  Dionys 
sucht  ihn  zu  verwischen,  indem  er  auf  Kosten  des  hellenischen  Elementes  das 
altsikelische ,  sowohl  durch  Anlehnung  an  dasselbe^  als  durch  Begünstigung 
der  italischen  Kampaner,  Stammverwandten  der  Sikeler,  zu  stärken  sucht. 
Vor  ihm  gab  es  auf  Sicilien  drei  feindliche  Gruppen :  Griechen,  Sikeler,  Kar- 
thager. Dionys  erkannte,  dass  als  Fremde  nur  die  Karthager  zu  betrachten 
seien,  und  dass  nur  der  Herrscher  in  vollem  Sinne  ein  sicilischer  Herrscher  sei, 
der  Griechen  und  Sikeler  zu  vereinigen  wüsste.  So  nimmt  er  seinen  Vorgängern 
gegenüber  bei  aller  Aehnlichkeit  mit  ihnen  doch ,  auch  wieder  eine  durchaus 
eigenthümliche  Stellung  ein;  er  ist  der  Gründer  eines  hellenistischen,  d.  h. 
hellenisch -barbarisjchen  Staates  im  Westen,  und  er  muss  als  Vorläufer  der 
Bestrebungen  betrachtet  werden,  welche  nach  ihm  in  grösserem  Massstabe 
von  Alexander  durchgeführt  worden  sind.  Diese  Priorität  des  hellenistischen 
Gedankens,  der  für  den  Orient  so  fruchtbar  werden  sollte,  im  Westen  und 
zwar  durch  den  ersten  Dionys  ist  ein  merkwürdiges ,  bisher  nicht  erkanntes 
Factum.  Blicken  wir  dagegen  auf  die  Mittel ,  die  er  anwendete,  so  sehen  wir 
ihn  durchaus  seine  Vorgänger  nachahmen.  Die  gewaltsame  Umwerfung  aller 
Bevölkerungsverhältnisse,  das  Wüstelegen  von  ganzen  Städten,  das  Verpflan- 
zen  ganzer  Einwohnerschaften  nach  Syrakus,    das  Wegschenken  kleinerer 


iatlM  Buch.   IX.  Diony-s  U.  Piaton  in  Syrakus.  Dion's  Verbannung  und  Rückkehr. 

mit  ibren  Feldmacken  an  Söldner  konnte  er  von  Gelon  und  Hieron 
die  er  in  der  Sorge  für  die  Befestigung  und  Verscböoerung  von  Svra- 
h  übertraf.  Die  systematische  Unterdrückung  der  Freiheit  des  Volkes, 
Qtsittlichung  durch  ein  ausgebreitetes  Spionirsj'stem  stammt  auch  be- 
n  Hieron  her.  Neu  ist  in  Betreff  seines  persönlichen  Verhaltens  gegen 
ntertbanen  und  gegen  Fremde  nur  seine  Gottlosigkeit ,  mit  der  er  im 
3  und  spateren  Hellenenthum  fast  einzig  dasteht,  in  volkswirthscbaft- 
«ziebung  aber  die  der  syrakusanischen  HUnze  eingerüumle  Herrschaft, 
r  Charakter  hervorragender  Menschen  wurzelt  in  ihrer  Zeit.  Die  Rolle, 
Dionys  im  Westen  spielte,  konnte  in  seiner  Zeit  im  Osten  Niemand 
hren;  das  erlaubten  die  Umstände  nicht.  Aber  die  Grundsätze,  nach 
Tim  einzelnen  verfuhr,  konnten  auch  Anderen  als  Bicht^chnor  vor- 
an. Und  in  diesem  Sinne  und  mit  solcher  Einschränkung  ist  es  eriaubt, 
mys  den  Lysander  zu  vei^leichen.  Für  beide  ist  besonders  der  Hanget 
irklich  idealen  Momentes  charakteristisch.  Als  rein  praktische  Staats- 
wenden sie  jegliches  Mitlei  an ,  um  ihre  Zwecke  zu  erreichen,  die  bei 
;r  allerdings  in  der  Herrschaft  seines  Staates,  nicht  seiner  eigenen,  be- 
Aber  auch  der  Spartaner  hatte  eine  Tyrannis  nicht  verschmäht,  wenn 
;lich  gewesen  wäre.  Jedenfalls  war  der  lakedämonische  Einfluss  in 
Dland  da ,  wo  er  gewaltsam  überwog ,  nicht  besser  als  der  des  Dionys 
kus. 

!  acbtunddreissigjährige  Tyrannis  des  Dionys  bat  die  Syrakusaner,  die 
lern  Auftreten  ebenso  gut  wie  andere  Griechen  einer  Bepublik  föbig 
gründlich  verdorben  und  dadurch  in  Sicilien's  Hauptstadt  eine  freie 
ing  fast  unmt^lich  gemacht.  Dass  dem  sovtar,  wird  die  Geschichte 
bsten  150  Jahre  lehren.  Hah  halte  uns  nicht  Timoleon  entgegen.  Als 
usserordentliche  Mann  gestorben  war,  bestand  die  von  ihm  gegründete 
k  nicht  lange  mehr.  Andererseits  ist  jedoch  nicht  zu  verkennen,  dass, 
en  Karthagern  ein  dauernder  und  für  die  ganze  hellenische  Welt  heil- 
^'iderstand  entgegengesetzt  werden  sollte,  diesen  nicht  eine  Republik 
:  organisiren  konnte.  Es  war  ein  Dionys  nödiig,  dessen  ungemeine 
iten  wahrlich  keinen  Augenblick  geschlummert  haben.  Und  so  müssen 
enngleich  mit  Bedauern  zugeben,  dass  diese  Tyrannis  ein  wesent- 
nicbt  auf  andere  Weise  zu  ersetzendes  Moment  in  der  Geschichte  des 


Neuntes   EapiteL   . 

s  n.   Platon  in  Syrakns.   Dion's  TerlMmnnDg  and  BBekkehr. 

Besitz  der  Burg  und  einer  grossen  Zahl  ei^ebener  Söldner  folgte  Dionys 
;ere  seinem  Vater  in  der  Regierung  eines  Reiches,  das  sich  über  einen 
Theil  von  Sicilien  und  die  Sudwestspitze  von  Italien  erstreckte,  ohne 


Dionys  11.  und  Dion.  I57 

dass  sich  irgendwo  Widerstand  gegen  ihn  erhob.  Wenn  sein  Vater^  von  der 
Natur  mit  Herrschergeist  ausgestattet)  durch  eigene  Arbeit  die  Tyrannis  errun- 
gen und  sich  erhalten  hatte ,  so  fiel  sie  dem  Sohne  von  selber  zu,  und  doch 
war  er  weniger  als  irgend  Jemand  im  Stande,  ihre  Last  zu  tragen.  Wir  sahen 
schon,  dass  der  Argwohn  des  Vaters ,  der  vielleicht  noch  nicht  mit  sich  voll- 
kommen einig  war,  ob  er  den  ältesten  Sohn  oder  einen  der  anderen  zum 
Nachfolgeri bestimmen  solle,  ihm  keine  eines  künftigen  Herrschers  wUrdige 
Erziehung  zu  Theil  werden  liess ;  wir  werden  an  das  Verfahren  Ferdinand's  II. 
von  Neapel  gegen  seinen  Sohn  Franz  erinnert,  welches  diesem  denselben  Aus- 
gang bereitete,  wie  der  war,  welcher  Dionys  erwartete.  Der  lebhafte  Geist 
des  Jünglings  blieb  unbeschäftigt,  und  der  Sohn  des  mächtigen  Fürsten 
brachte  die  langen  Tage  mit  Handarbeiten  hin  und  zerstreute  sich  durch  Aus- 
schweifungen, wie  sie  das  üppige  sicilische  Leben  bot.  Freilich  liess  der  Vater 
es  an  Warnungen  nicht  fehlen.  Als  er  einmal  erfuhr,  dass  der  Jüngling  ein  Lie- 
besverhältniss  mit  der  Frau  eines  Bürgers  unterhielt,  fragte  er  ihn  zornig,  ob 
er  dergleichen  von  ihm  je  gehört  habe.  Der  Jüngling  erwiderte  keck :  Dein 
Vater  war  auch  kein  Herrscher.  Und  dein  Sohn,  versetzte  der  Alte,  wird  es 
ebenso  wenig  sein,  wenn  du  so  fortfährst.  Aber  solche  W^arnungen  fruchteten 
wenig.  Der  junge  Dionys  war  etwa  28  Jahre  alt,  als  er  die  Regierung  antrat. 
Es  eröffnete  sich  ihm  plötzlich  eine  neue  Welt.  Er  hatte  nun  die  Mittel,  sein 
Leben  nach  den  Begriffen,  die  er  sich  vom  Glücke  machte,  einzurichten ;  aber 
er  hatte  andererseits  die  grosse  Sorge  für  die  Erhaltung  seiner  Herrschaft,  der, 
wie  er  sich  selbst  sagen  musste,  es  an  Feinden  und  Neidern  nicht  fehlte. 
Weder  Erfahrung,  noch  Erziehung  hatten  ihn  mit  Grundsätzen  ausgerüstet; 
er  hatte  keine  Abneigung  gegen  das  Gute  und  keine  Vorliebe  für  das  Schlechte ; 
aber  er  wollte  geniessen ,  und  doch  verlangte  seine  Stellung  von  ihm  Arbeit. 
Was  konnte  ihm  lieber  sein,  als  wenn  sich  Jemand  fand,  der  ihm  die  letztere, 
soweit  es  möglieh  war,  abnahm?  Daher  empfand  er  eine  lebhafte  Freude  über 
das  Auftreten  Dion's  gleich  nach  dem  Tode  seines  Vaters.  Der  Mann,  dem  es 
nicht  gelungen  war,  seine  Pläne  zu  Gunsten  seiner  Neffen  durchzusetzen,  hielt 
sich  nicht  etwa  von  dem  neuen  Herrscher  fern,  sondern  gewährte  ihm  im  Ge- 
gentheil  die  voUe  Unterstützung  seiner  reichen  Erfahrung  und  seines  grossen 
Ansehens.  Dionys  I.  war  in  einer  kritischen  Zeit,  mitten  im  Kriege  mit  Karthago 
gestorben.  Es  war  also  die  erste  Aufgabe  des  neuen  Herrschers,  sich  über  die 
Sachlage  möglichste  Klarheit  zu  verschaffen ,  einen  Entschluss  zu  fassen  und 
den  gefassten  kräftig  durchzuführen.  Während  nun  die  übrigen  Käthe  über 
dem  Bemühen,  den  noch  unbekannten  Neigungen  des  Fürsten  zu  schmeicheln, 
ganz  und  g^r  versäumten  bestimmte  Rathschläge  zu  ertheilen,  und  so  Dionys 
noch  unsicherer  machten ,  spielte  Dion  unerwartet  die  Rolle  eines  einsichts- 
vollen und  doch  bescheidenen  Rathgebers.  Indem  er  die  Entscheidung  über 
Krieg  und  Frieden  der  Einsicht  des  Tyrannen  überliess,  beschränkte  er  sich 
darauf  anzugeben,  was  Dionys  in  dem  einen  oder  andern  Falle  zu  thun  habe. 
Falls  er  Frieden  sdiliessen  wolle  j  erklärte  er  sich  bereit,  nach  Karthago  als 
Gesandter  zu  gehen,  ^und  stellte  durch  seine  dortigen  Beziehungen  nicht  un- 
günstige Bedingungen  in  Aussiebt;  ziehe  er  aber  die  Fortsetzung  des  Krie- 
ges vor,  so  versprach  er,  ihn  mit  50  auf  eigene  Kosten  ausgerüsteten  Trieren 


:»•»  i-/ 


15S     Fünftes  Buc}i.   IX.  Dionys  11.  Platon  in  Syrakus.  Dion's  Verbannung  und 'Rückkehr. 

zu  unterstülzen.  Von  dem  Verlangen  erfüllt,  sich  seiner  Macht^und  seines 
Reichthums  zu  erfreuen,  Wählte  Dionys  den  Frieden.  Die  Bedingungen  werden 
Aufrechthaltung  des  Status  quo  gewesen  sein.  Indem  so  Dionys  II.  im  Grunde 
nur  dieselbe  Stellung  zu  den  Karthagern  einnahm ,  die  sein  Vater  die  längste 
Zeit  hindurch  behauptet  hatte ,  setzte  er  auch  dessen  hellenische  Politik  w^e- 
nigstens  insoweit  fort,  als  er  die  Macht  von  Syrakus  am  adriatischen  Meere 
nach  Beendigung  eines  Krieges  gegen  die  Lukaner  durch  die  Gründung  zweier 
Kolonien  in  ApuHen  befestigte.  Dies  Factum  ist  in  mancher  Beziehung  von 
Wichtigkeit  und  weniger  beachtet  worden,  als  es  verdient..  Wir  finden  gegen 
das  Ende  des  4.  Jahrh.  v.  Chr.  Apulien  in  die  hellenische  Kultur  in  auffallen- 
der Weise  hineingezogen.  Es  wird  ein  ganz  hellenistisches  Land,  wie  Münzen 
und  Vasen  zeigen.  Die  Veranlassung  dieser  Umwandlung  ist  bisher  nicht 
erkannt  worden,  und  doch  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Ko- 
lonien Dionys^  des  jüngeren  den  grOssten  Antheil  daran  haben.  Dupch  sie  ist 
zuerst  der  Grund  zu  der  hellenischen  Kultur  Apulien^s  gelegt  worden,  die 
dann  ihre  Nahrung  allerdings  nicht  sowohl  aus  Syrakus,  als  \ielmehr  aus  dem 
näheren  Tarent  gezogen  hat. 

Für  die  Friedensvermittlung  war  Dionys  dem  Dion  Dank  schuldig,  und  er 
bemühte  sich  wirklich,  ihn  abzustatten.  Seine  für  alle  Eindrücke  äusserst  em- 
pfängliche Natur  Hess  ihn  eine  grosse  Vorliebe  für  den  Mann  fassen ,  der  ihm 
die  ersten  und  schwierigsten  Zeiten  der  Herrschaft  so  sehr  erleichterl  hatte. 
Er  schenkte  ihm  sein  Vertrauen ,  hörte  nicht  auf  Verleumder,  die  sich  bald 
gegen  Dion  fanden,  und  freute  sich ,  dass  er  Zeit  hatte ,  nach  Herzenslust  in 
allen  Genüssen  zu  schwelgen.  Er  liess  viel  von  der  Strenge  seines  Vaters  nach 
und  machte  sich  so  eine  kurze  Zeit  beim  Volke  beliebter,  als  dieser  je  gewesen 
war,  aber  so  lange  nur,  bis  man  eingesehen  hatte,  dass  es  hauptsächlich  Sorg- 
losigkeit und  Unerfahrenheit  war,  was  den  Herrscher  zur  Milde  bewog.  Er 
soll  sich  einmal  neunzig  Tage  nach  einander  betrunken  haben,  und  auch  sonst 
war  an  dem  früher  viel  ernsthafteren  Tyrannenhofe  nur  der  Lärm  lustiger 
Lieder  und  der  Jubel  von  Tanzenden  und  Zechenden  zu  hören. 

Von  diesem  Treiben  hielt  Dion  sich  fern.  Ihm  schwebte  das  Ideal  des 
sokratischen  Weisen  vor,  der,  frei  von  Leidenschaften,  nur  für  das  Wohl 
seiner  Mitmenschen  lebt ;  aber  er  gab  diesem  Ideal  einen  Zusatz  von  vorneh- 
mer Abgeschlossenheit,  den  es  weder  in  Sokrate$\  noch  in  Platon*s  Sinne 
hatte.  Er  verzweifelte  sogar  noch  nicht  ganz  an  der  Möglichkeit,  aus  dem 
Dionys  einen  guten  Menschen  zu  machen,  und  hörte  deshalb  nicht  auf,  ihn  auf 
die  Nothwendigkeit  eines  anderen  Lebens  hinzuweisen.  Und  hierbei  kannte  er 
keine  Rücksicht  auf  die  etwaigen  Folgen  solcher  Freimüthigkeit.  Er  sah  aber 
auch  nichts  Böses  darin,  dem  Tyrannen  zu  dienen,  eben  weil  er  seine  Stellung 
so  kräftig  zu  Ermahnungen  benutzte,  imd  weil  er  in  der  Gewinnung  eines 
Tyrannen  für  die  Tugend  ein  besseres  Mittel  zur  Herstellung  einer  vernünf- 
tigen Staatsverfassung  erblickte,  als  in  dem  Sturze  desselben.  Und  als  die 
Aufgabe,  Dionys  zu  bessern,  endlich  doch  ihm  selber  unlösbar  erscheinen 
wollte,  hielt  er  es  noch  für  möglich ,  dass  ihre  Lösung  dem  Platon  gelingen 
könne.  Platon  aber,  das  wusste  Dion ,  würde  nicht  zum  zweiten  Male  nach 
Syrakus  kommen,  wenn  ihn  nicht  Dionys  selbst  einlud.   Er  musste  deshalb  in 


Dion'a  Einfluss  auf  Dionys.  159 

Dionys  eine  lebhafte  Begierde  entzünden ,  den  Philosophen ,  den  er  als  Knabe 
bei  seinem  ersten  Auftreten  in  Sicilien  gesehen  hatte,  wiederzusehen.  Er 
wusste  geschickt  gerade  die  Punkte  zu  berühren ,  an  denen  ein  Eindruck  auf 
Dionys  möglich  war.  Er  stellte  dem  jungen  Manne ,  dessen  Gedanken  auf  ein 
glückliches  Leben  gerichtet  waren ,  vor,  dass  er  das  wahre  Glück  nur  durch 
ein  tieferes  Eindnngen  in  die  philosophischen  Lehren  erreichen  künne ;  dass 
aber  ein  Leben  nach  den  Vorschriften  der  Philosophie  nicht  nur  ihn  selbst 
glücklich  machen,  sondern  auch  das  Regieren  ihm  ausserordentlich  erleichtern 
würde,  da  die  Unterthanen  dem  vollkommenen  Herrscher  am  freudigsten  ge~ 
horchten.  So  werde  er  aus  einem  Tyrannen  ein  König  werden.  Sein  Vater,  sagte 
er  weiter,  habe  von  demantnen  Fesseln  gesprochen,  mit  denen  er  die  Syrakusa- 
ner  unterworfen, halte  und  er  habe  damit  die  Furcht  der  Unterthanen  gemeint; 
diese  Fesseln  seien  aber  lange  nicht  so  stark,  wie  die  Liebe  des  Volkes,  hervor- 
gerufen durch  die  Tugend  des  Königs.  Endlich  stellte  er  ihm  vor,  wie  schimpf- 
lich es  sei,  wenn  sich  ein  Fürst  nur  seiner  Macht  und  nicht  auch  seiner  Bil- 
dung rühmen  könne;  wenn  er  aber  auch  hierdurch  alle  zu  übertreffen 
wünsche,  so  müsse  er  Piaton  ersuchen,  zu  ihm  zu  kommen.  Dion  hatte  seine 
Gründe  in  sehr  gut  gewählter  Steigerung  vorgebracht.  Ob  die  Tugend  ihn 
selbst  glücklicher  machen  würde  als  der  Genuss,  erschien  vielleicht  dem 
Djonys  kaum  einer  Probe  werth;  oh  sie  ein  Mittel  war,  die  Herrschaft  noch 
mehr  zu  sichern,  als  die  von  seinem  Vater  angewandten,  konnte  dem  Tyraa- 
nen  schon  eher  der  Mühe  werth  scheinen ,  untersucht  zu  werden ,  besonders 
da  er  sich  schwerlich  die  militärischen  Fähigkeiten  zutraute,  welche  sein  Vater 
besessen  hatte;  dass  es  ihm  aber  grosse  Ehre  bringea  musste,  wenn  er  an 
Bildung  seine  ganze  Umgebung  übertraf,  das  leuchtete  dem  jungen  Manne  ein, 
dem  es  nicht  verborgen  bleiben  konnte,  wie  vieler  Hülfsquellen  ihn  seine  ver- 
nachlässigte Erziehung  beraubte ,  und  der  vor  bedeutenden  und  durch  Bil-* 
düng  ausgezeichneten  Männern  eineix  natürlichen  Respect  hatte.  So  wurde 
•der  Wunsch,  Piaton  in  Syrakus  zu  sehen,  bei  ihm  bald  ebenso  lebhaft  wie 
bei  Dion  selbst.  Er  schrieb  an  Piaton  und  ersuchte  ihn ,  zu  ihm  zu  kommen, 
weil  er  seiner  Belehrung  bedürfe,  und  seine  Bitte  ward  durch  Briefe  des  Dion 
und  der  Pythagoreer  in  Italien  dringend  unterstützt ,  welche  den  Philosophen 
auf  die  einzige  Gelegenheit  aufmerksam  machten,  durch  die  Rettung  eines 
Menschen  ein  ganzes  Land  zu  retten. 

Piaton,  der  sich  ein  Bild  eines  unausführbaren  Idealstaates  gemacht  hatte, 
war  doch  auf  den  Gedanken  gekommen,  die  Grundzüge  eines  Staates  zu  ent- 
werfen, der  sich  dem  Ideal  nähere  und  dennoch  möglich  sein  sollte,  und  er 
hatte  auch  die  Frage  über  die  Einführung  eines  solchen  Musterstaates  in  die 
Wirklichkeit,  d.  h.  die  Verwandlung  eines  bestehenden,  schlecht  organisirten 
Staates  in  einen  gut  geordneten  erwogen.  Er  beantwortete  sie  dahin:  Je 
grösser  die  Zahl  der  Machthaber  in  einem  schlecht  geordneten  Staate  ist,  desto 
schwerer  ist  seine  Reorganisation.  Sie  ist  am  leichtesten  möglich  in  einer  Ty- 
rannis.  Wenn  der  Tyrann  jung  und  von  gutem  Naturell  ist  und  ihm  ein 
wahrer  Gesetzgeber  zur  Seite  tritt ,  so  kann  ein  den  Anforderungen  der  Phi- 
losophie entsprechender  Staat  hergestellt  werden.  Als  nun  Piaton  der  Ruf  aus 
Sicilien  zu  Ohren  kam,  musste  er  sich  sagen ,  da3s  die  von  ihm  gewünschten 


160     Fünftes  Buch.   IX.  Dionys  II.  Platon  in  Syrakus.  Dion's  Verbannung  und  Räckkebr. 

BediDgUDgen  hier  vorhanden  seien.  Jang  war  Dionys,  wie  es  schien  lernbe- 
gierig und  lenksam;  er  selbst  oder  durch  ihn  Dion  konnte  als  Gesetzgeber 
auftreten.  Wäre  es  nicht  tadelnswerth  gewesen,  diese  Gelegenheit,  seine  Phi- 
losophie an  der  Wirklichkeit  zu  erproben,  vorübergehen  zu  lassen?  PiatoD 
ging  also  auf  die  Einladung  ein  und  fuhr  auf  einer,  ihm  von  Dionys  gesandten 
Triere  nach  Syrakus,  wo  ihn  am  Landungsplätze  ein  königlicher  Wagen 
erwartete.  Die  Begeisterung  des  Dionys  für  Piaton  zeigte  sich  in  unzweideu- 
tiger Weise.  Gleich  nach  seiner  Ankunft  liess  der  Fürst  ein  Dankopfer  bringen, 
dann  begann  der  Unterricht.  Der  Hof  des  Tyrannen  erhielt  ein  verändertes 
Aussehen;  die  Schenktische  und  Trinkbecher  verschwanden,  und  die  Ge- 
mächer wurden  mit  Sand  bestreut,  in  den  der  Tyrann  und  sein  Gefolge  geo- 
metrische Figuren  zeichneten,  um  unter  der  Anleitung  Platon*s  durch  die 
Pforte  der  Geometrie  in  die  Hallen  der  Philosophie  einzutreten.  Die  Herrschaft 
des  Dionys  wurde  immer  milder,  und  es  konnte  sogar  einen  Augenblick  schei- 
nen, als  beabsichtige  er,  sie  ganz  niederzulegen.  Es  war  am  Hofe  des  Tyran- 
nen ein  Familienfest,  an  welchem  dem  Herkommen  gemäss  ein  Herold  das 
Gebet  aussprach,  dass  die  Tyrannis  noch  viele  Jahre  unerschtlttert  fortbestehen 
möge.  Als  dies  Fest  einige  Zeit  nach  der  Ankunft  Platon's  in  Syrakus  gefeiert 
wurde  und  der  Herold  dieses  Gebet  sprach,  rief  Dionys:  Höre  auf  uns  zu 
fluchen!  Bald  aber  erlahmte  der  Eifer  des  Tyrannen.  Es  gab  genug  Mänoer 
an  seinem  Hofe,  die  in  der  Herrschaft  der  Philosophie  nichts  weiter  erblickten^ 
als  das  kürzeste  Mittel,  die  Tyrannis  auf  schmähliche  Weise  zu  verlieren ,  und 
die  den  jungen  Fürsten  um  jeden  Preis  in  die  Traditionen  seines  Vaters  zu- 
rückzubringen suchten.  Diese  Partei  hatte  ihr  Haupt  in  Philistos,  der  vom 
älteren  Dionys  verbannt,  vom  Sohne  aber  bald  nach  seinem  Regierungsantritt 
zurückgerufen  war.  Den  Philistos  wussten  die  Anhänger  der  Tyrannis  jetzt 
durch  die  nicht  ungeschickte  Wendung  bei  dem  jungen  Dionys  in  Gunst  zu 
setzen ,  dass  sie  ihn  als  einen  gelehrten  und  redekundigen  Mann,  der  er  auch 
war,  rühmten,  von  dem  der  Tyrann  deswegen  viel  mehr  lernen  könne  als  von 
Platon,  da  er  ein  erfahrener  Staatsmann,  Platon  ein  unpraktischer  Schwärmer 
sei.  Sobald  die  Gegner  der  beiden  Freunde  wieder  Gehör  bei  Dionys  fanden^ 
wussten  sie  den  Tyrannen  besonders  gegen  Dion  einzunehmen,  als  dessen 
Werkzeug  sie  Platon ,  der  an  und  für  sich  unschädlich  sei,  darzustellen  such- 
ten. Vor  mehr  als  50  Jahren,  hiess  es,  wollten  die  Athener  Syrakus  erobern; 
aber  es  gelang  ihnen  nicht ,  und  alle  Schiffe  und  Soldaten  gingen  zu  Grunde, 
und  nun  schicken  sie  einen  einzigen  Sophisten,  und  der  sollte  es  durchsetzen, 
dass  Dionys  seine  unzähligen  Söldner  und  seine  Kri^sschiffe  verlässt,  um  io 
der  Akademie  dem  zweifelhaften  höchsten  Gut  nachzujagen  und  im  Studium 
der  Geometrie  sein  Glück  zu  finden?  Die  Herrschaft  würde  natürlich  Dion 
übernehmen,  der  mit  seinen  Neffen  schon  zu  regieren  wissen  werde.  Dion,  so 
hiess  es  weiter,  habe  sich  schon  mit  Theodotes  und  Herakleides  (Feldherren 
des  Dionys)  über  den  Sturz  des  Tyrannen  verständigt.  Er  habe  nur  deshalb 
dem  Dionys  gleich  zuerst  50  Trieren  angeboten ,  um  eine  Gelegenheit  zu 
haben ,  die  Herrschaft  auf  der  See  an  sich  zu  reissen  und  dann  Dionys  ganz 
zu  verdi*ängen.  Die  fortgesetzten  Einflüsterungen  verfehlten  ihr  Ziel  nicht. 
Dionys  wurde  mehr  und  mehr  von  dem  Gedanken  durchdrungen ,  dass  von 


Dion  verbannt.  161     \ 

allen  politischen  Veränderungen  der  Vortheil  schliesslich  nur  Dion  zufallen 
würde.  Dabei  gewann  er  jedoch  zu  Platon^s  edler  Persönlichkeit  eine  stets 
wachsende  Zuneigung.  Er  kam  auf  den  mehr  schlauen  als  wirklich  gescheidten 
Gedanken  —  oder  sollen  wir  annehmen ,  dass  er  ihm  von  der  Partei  des  Phi- 
listosy  der  Camarilla,  wie  wir  sagen  würden,  eingegeben  worden  sei?  —  sich 
des  Dion  zu  entledigen,  den  Piaton  aber,  dessen  Bleiben  als  ein  gutes  Zeugniss 
für  den  Tyrannen  gelten  konnte,  bei  sich  zu  behalten.  Ein  Vorwand  war  bald 
gefunden.  Er  war  schon  über  mancherlei  Angelegenheiten  mit  Dion  in  Hader 
gerathen,  als  er  durch  seine  Spione  einen  von  ihm  an  die  karthagischen  Ge- 
sandten in  Syrakus  geschriebenen  Brief  erhielt,  worin  Dion  sie  ersuchte,  nicht 
ohne  ihn  mit  Dionys  zu  verhandeln,  da  er  die  Angelegenheiten  am  best^i  und 
sichersten  zu  Ende  bringen  würde.  Diesen  Brief  zeigte  der  Tyrann  dem  Phi- 
listos  und  einigle  sich  mit  ihm  über  das  zu  beobachtende  Verfahren.  Er  liess 
Dion  zu  sich  kommen  und  sprach  mit  ihm  über  Gegenstände,  die  ihn  angeb- 
lich beschäftigten.  Im  Laufe  des  Gespräches  führte  er  ihn  an's  Ufer  des  Heeres 
und  dort,  als  sie  allein  waren,  hielt  er  ihm  den  Brief  vor  und  beschuldigte  ihn, 
sich  mit  den  Eartbagem  gegen  ihn  verschworen  zu  haben.  Dion  wollte  sich 
vertheidigen,  der  Tyrann  aber  rief  einen  Schiffer,  der  mit  einem  Fahrzeuge  auf 
den  Befehl  des  Dionys  in  der  Nähe  war,  liess  Dion  an  Bord  bringen  und  nach 
Italien  schaffen. 

Dies  Verfahren  brachte  die  verschiedenartigsten  Wirkungen  hervor.  Im 
Palast  herrschte  Bestürzung  und  Trauer,  denn  Dion  war  ja  der  Gemahl  der 
Schwester  des  Dionys;  das  Volk  von  Syrakus  aber  war  nicht  unzufrieden, 
denn  es  hoffte ,  dass  solche  Zwistigkeiten  in  der  Familie  des  Tyrannen  bald 
weitere  für  die  Freiheit  günstige  Folgen  nach  sich  ziehen  würden.  Dionys 
erwiderte  den  sich  beschwerenden  Freunden  Dion's,  er  sei  nicht  verbannt, 
sondern  nur  in  seinem  eigenen  Interesse  eine  Zeitlang  aus  Sicilien  entfernt 
worden,  damit  er  nicht  in  den  Fall  komme,  eines  Tages  wegen  seines  hoch- 
müthigen  Benehmens  bestraft  zu  werden.  Er  stellte,  um  zu  beweisen,  dass 
er  ihn  nicht  als  seinen  Feind  betrachte ,  den  Freunden  Dion's  zwei  Schiffe  zur 
Verfügung,  auf  denen  sie  so  viel  von  seiner  Habe  und  seinen  Sklaven,  als  sie 
wollten,  ihm  nach  dem  Peloponnes,  wohin  er  von  Italien  gegangen  war,  nach- 
schicken durften.  Dion  besass  ein  bedeutendes  Vermögen  und  hatte  stets  . 
grosse  Pracht  entfaltet,  und  da  ihm  nun  alles  irgend  Fortzuschaffende  nachge- 
schickt wurde,  auch  die  Frauen  aus  der  fürstlichen  Familie  und  seine  Freunde 
ihm  aus  eigenen  Mitteln  vieles  zusandten ,  so  konnte  er  im  Peloponnes  mit 
nicht  weniger  grossem  Glänze  auftreten  als  zu  Hause,  und  er  lebte  dort  wie 
der  Vertreter  eines  grossen  Fürsten,  der  dessen  Macht  im  Auslande  durch 
seinen  Aufwand  zeigen  soll.  Alles  dieses  war  von  Dionys  und  seinen  Rath- 
gebern  klug  angeordnet.  Wenn  Dion  im  Peloponnes  in  glänzehden  Verhält- 
nissen lebte,  so  erschien  er  nicht  wie  ein  unglücklicher  Flüchtling,  der  das 
Mitleid  der  Menschep  erweckt ,  und  überdies  hatte  Dionys  dadurch ,  dass  er 
die  Frau  und  die  Rinder  des  Dion  zufückbehielt,  Geiseln  in  Händen,  die  ihm 
für  des  Verbannten  Treue  bürgten. 

Piaton  musste  indess  in  Syrakus  zurückbleiben.    Dionys  liess  ihn  in  der 
Burg  wohnen,   damit  er  nicht  entkomme  und  in  Griechenland  ungUnslii^e 

Holm,  Gesch.  Siciliena  II.  \l 


eh.   IX.  Dionys  11.  PlatoD  In  Syrokus.  Dion's  Verbannung  u.  Rtickkehr. 

ihn  verbreite.  Der  TyraDn  wollte  aber  auch  wirUicb  den  l'm- 
lopben  noch  langer  geniessen,  und  zwar  allein.  Er  stellte  ihm 
t  der  Tyrannis  zur  Verfügung,  wenn  er  ihn  dem  Dion  venire, 

doch,  dass  es  damit  nicht  so  stand,  wie  er  wünschte,  und  dass 
reundschaft  nicht  eifrig  genug  entgegen  kam,  und  Hess  ihn  des- 
Zora  empfinden ,  aber  nur,  um  stcii  bald  wieder  mit  ihm  lu 
rld  war  er  stolz  darauf,  Platon's  Schüler  zu  sein,  bald ,  wenn 
SS  er  deswegen  verspottet  werden  konnte,  schämte  er  sich,  sich 

bekennen.     Dieser  für  Piaton   unerfreuliche  Zustand  dauerte 

da  musste  Dionys  wegen  eines  Krieges,  von  dem  uns  nichts 
U  ist,  Syrakus  verlassen  und  es  war  daher  nicht  möglich,  Platon 
ubalten.  Er  entliess  ihn  mit  dem  Versprechen ,  in  einer  be- 
Dion  wieder  zurüdczurufen.  Als  aber  die  Zeit  gekommen  war, 
Erfüllung  desselben  bis  auf  den  Frieden  auf,  und  bat  Plston 
•.n  Einfluss  auf  Dion  inzwischen  dahin  gellend  zu  machen,  dass 

ihn  unternehme.  Piaton  bemühte  sich  wirklich,  Dion  zu  be- 
s  gelang  ihm.  Dion  hielt  sich  eine  Zeitlang  in  Athen  auf,  wo  er 
iallippos  wohnte.  Er  kaufte  sich  ein  Landgut,  das  er  spater  dem 
enkte,  einem  Schiller  Platon's,  mit  dem  er  am  liebsten  umging, 
h  sein  Benehmen ,  welches  von  Stolz  wie  von  Sucht  nach  Po- 
;leich  weit  entfernt  war,  in  Athen  beliebt,  und  man  sab  es  gern, 
n  einmal  die  Aufgabe  zugefallen  war ,  'einen  Chor  von  Knabeo 
Dion  die  Mühe  und  alle  Kosten  für  Piaton  übernahm.  Er  he- 
1e  andere  griechische  Städte  und  soll  damals  von  den  Sparta- 
i  mit  Dionys  befreundet  waren ,  das  seltene  Geschenk  ihres 
srbalten  haben.  Allmählich  aber  cinderte  sich  das  Verhatten  des 

gestattete  nicht  mehr,  dass  ihm  seine  Einkünfte  nachgescbicki 
telegte  seine  Güter  mit  Sequester.  Nach  Piaton  dagegen  wurde 
it  wieder  rege.  Dazu  trug  besonders  der  Umstand  bei,  dass  er 
ran  Philosophen  und  Dichtem,  den  er  von  seinem  Vater  her  an 
Btte  und  den  er  zu  vergrOssem  bestrebt  war,  als  Plaloniker 

und  doch  noch  oft  genug  seine  Unwissenheit  in  der  Hiilosophie 
iegeobeit  fand.     Andererseits  war  die  Rücksicht  auf  Dion  ein 

die  diesem  Hanne  befreundet  waren ,  dem  Plalon  zuzureden, 
ingenden  Einladungen  des  Dionys ,  nach  Syrakus  zum  drillen 
tn,  annehmen  mochte,  und  ein  Grund  für  Ptaton  selbst,  daraof 
imal  da  Dionys  in  seiner  Einladung  bemerkte ,  die  Erfüllung 
es  sei  das  einzige  Mittel  für  Piaton,  alles,  was  er  wolle,  für 
tn.  Dazu  kamen  die  wiedertiollen  Bitten  der  Schwester  Dion's 
•tin,  und  Botschaften  von  Arcfaytas  und  den  Pythagoreern  in 
1  Dionys  aufgefordert  waren ,  ihren  Einfluss  auf  Piaton  gellend 

oss  sich  denn  Piaton,  detn  sein  Aller  und  das  Fehlschlagen  der 
tiseu  triftige  Gründe  für  die  Ablehnung  eioer  dritten  an  die 
Italien,  noch  einmal,  wie  Odysseus,  »die  verderbliche  Charybdis 
i.a    Speusippos  begleitete  ihn.     Der  Empfang  in  Syrakus  war 


Dritter  Aufenthalt  Platon's  ir  Svrakus. 


163 


ebenso  glänzend  wie  das  vorige  Mal.  Piaton  genoss  das  Vorrecht,  undurch- 
sucht  zum  Tyrannen  gehen  zu  dürfen,  er  wurde  mit  Geschenken,  die  er  nicht 
annehmen  wollte,  überhäuft,  so  dass  Aristipp  spöttisch  bemerkte,  die  Gross- 
muth  des  Tyrannen  sei  woh)bef*echnet ,  da  er  ihm  nicht  so  viel  gebe  als  er 
wünsche,  Pia  ton  dagegen,  der  nichts  nehmen  wolle,  fortwährend  etwas  an- 
biete. Es  war  aber  alles  nur  Schein,  und  die  Syrakusaner  hatten  sich  umsonst 
auf  die  Aussicht  gefreut,  dass  Piaton  den  Philistos,  und  die  Philosophie  die 
Tyrannis  überwinden  werde.  Sobald  Piaton  von  Dion  sprechen  wollte,  wurde 
anfangs  das  Gespräch  darüber  auf  eine  andere  Zeit  vertagt,  später  führte  es  zu 
heftigen  Erörterungen.  Eine  Zeitlang  dachten  beide  noch,  ihren  Zweck  zu  er- 
reichen, und  der  Tyrann  bemühte  sich,  durch  Aufmerksamkeiten  aller  Art 
Piaton  von  der  Freundschaft  mit  Dion  abzuziehen,  während  der  Philosoph 
unermüdlich  für  seinen  Freund  wirkte,  ohne  gegen  andere  sich  über  {las 
Sinken  seiner  Hoffnungen  auszusprechen.  Endlich  aber  musste  das  unhaltbare 
Verhältniss  sich  auflösen.  Aristipp  merkte  die  wahre  Sachlage  und  sprach  sie 
in  seiner  Weise  aus.  Helikon  aus  Kyzikos ,  einer  der  Schüler  Piaton^s ,  hatte 
eine  Sonnenfinsterniss  vorausgesagt,  und  als  sie  eingetroffen  war,  von  dem 
Tyrannen  zum  Lohn  ein  Talent  Silbers  als  Geschenk  erhalten.  Aristipp  be- 
hauptete nun,  er  wisse  auch  etwas  merkwürdiges  vorauszusagen  und  das  sei, 
dass  binnen  Kurzem  Dionvs  und  Platon  Feinde  sein  würden.  Dazu  kam  es 
bald.  Dionys  zog  das  Vermögen  Dion's  ein  und  liess  Platon,  der  bis  dahin  in 
dem  Garten,  welcher  den  Palast  umgab,  gewohnt  hatte,  an  einen  von  demselben 
etwas  ferneren  Ort  unter  die  Aufsicht  der  Söldner  bringen ,  w^elche  ihm  schon 
lange  nach  dem  Leben  trachteten,  weil  er  bemüht  war,  Dionys  zur  Abschaf- 
fung seiner  Leibwache  zu  bewegen.  Die  Nachricht  von  dem  veränderten  Be- 
nehmen des  Tyrannen  gegen  Platon  drang  bald  zu  den  Ohren  des  Archytas, 
der  ja  auf  des  Dionys  Wunsch  Platon  zur  Reise  nach  Syrakus  bewogen  hatte 
und  also  Bürge  dafür  war,  dass  dem  Philosophen  kein  Leid  widerfuhr.  Er 
schickte  ein  dreissigrudriges  Schiff  mit  der  Forderung,  sogleich  Platon  auf  dem- 
selben abreisen  zu  lassen.  Dionys  war  auf  der  Stelle  bereit  dazu  und  suchte 
durch  Feste  und  Freundlichkeiten  aller  Art  Platon  wie  den  Gesandten  jeden 
Gedanken  zu  nehmen,  als  habe  er  es  auf  das  Verderben  des  Philosophen  ab- 
gesehen gehabt.  Vor  der  Abreise  fragte  er  Platon :  Du  wirst  nun  wohl  bei 
denen,  die  mit  dir  philosopbiren ,  mich  sehr  herabsetzen?  worauf  Platon 
lächelnd  erwiderte:  Ich  will  nicht  hoffen,  dass  es  uns  in  der  Akademie  so  sehr 
an  Gegenständen  der  Unterhaltung  fehlen  wird,  dass  wir  auf  dich  zu  sprechen 
komknen.  So  scheiterte  der  merkwürdige  Versuch  Platon's,  eine  Stätte  für 
seinen  idealen  Staat  zu  finden. 

Zugleich  war  nun  auch  alle  Hoffnung  auf  Versöhnung  zwischen  Dionys 
und  Dion  geschwunden,  und  der  Tyrann  zeigte  bald  durch  einen  neuen  Schritt, 
dass  er  Dion  auch  nicht  mehr  fürchtete.  Er  gab  seine  Schwester  Arete,  die 
Gemahlin  Dionys ,  die  mit  ihrem  und  Dion's  jungem  Sohne  in  Syrakus  zurück- 
geblieben war ,  einem  seiner  Günstlinge,  Timokrates,  gegen  ihren  Willen  zur 
Frau.  Er  handelte  hier  schlechter  als  sein  Vater  in  einem  ähnlichen  Falle,  an 
den  man  nun  allgemein  in  Syrakus  erinnerte.    Als  nämlich' Pol yxenos,  der 


164      Fünftes  Buch.   IX.  Dionys  II.   Plalon  in  Syrakus.   Dion's  Verbannung  u.  Rückkehr. 

Gemahl  der  Theste ,  -  der  Schwester  des  alleren  Dionys ,  vor  dem  Zorn  des 
Tyrannen  aus  Sicilien  geflohen  war,  liess  dieser  seine  Schwester*  zu  sich  kom- 
men und  schalt  sie ,  dass  sie  ihm  die  beabsichtigte  Flucht  ihres  Mannes  nicht 
vorher  mitgetheilt  habe.  Sie  aber  erwiderte  unerschrocken :  Hältst  du  mich 
für  eine  so  schlechte  Frau ,  dass  ich,  wenn  ich  von  der  Flucht  meinem  Man- 
nes Kenntniss  gehabt  hätte,  nicht  mit  ihm  geflohen  wäre?  Es  ist  doch  ein 
besserer  Name  für  mich,  die  Gattin  des  verbannten  Polyxenos  als  die  Schwe- 
ster des  Tyrannen  zu  heissen.  Dionys  bewunderte  den  Freimuth  seiner 
Schwester  und  liess  sie  ihrem  Gatten  treu  bleiben,  und  es  heisst,  dass  auch 
die  Syrakusaner  die  Theste  wegen  ihres  Huthes  so  hoch  schätzten ,  dass  sie 
sie  nach  dem  Umstürze  der  Tyrannis  in  gewohnter  königlicher  Weise  leben 
Hessen  und  ihre  Leiche  später  in  grossartigem  Zuge  zu  Grabe  geleiteten.  Das 
andere  Verfahren  des  jüngeren  Dionys  gegen  seinen  Schwager  trug  nicht 
wenig  dazu  bei,  dass  dieser  sich  endlich  zu  offenem  Kampfe  entschlos^. 

Von  nicht  geringem  Einfluss  auf  seine  Entschlüsse  waren  die  Berichte, 
die  er  von  Speusippos  nach  dessen  Rückkehr  aus  Syrakus  erhielt.  Dieser  hatte 
weniger  mit  dem  Tyrannen  und  mehr  mit  den  Syrakusanem  verkehrt,  als  Pia- 
ton, und  stets  die  Stimmung  derselben  gegen  Dionys  undDion  erforscht.  Anfangs 
war  man  ihm  gegenüber  zurückhaltend  gewesen,  weil  man  in  dem  unbekannten 
Fremden  einen  Spion  des  Tyrannen  fürchtete ;  dann  aber ,  als  man  ihm  ver- 
trauen lernte,  hatte  man  ihm  überall  den  Wunsch  ausgesprochen ,  Dion  möge 
zurückkommen,  allein,  ohne  Kriegsschiffe,  ohne  Soldaten;  alle  Sikelioten 
würden  ihm  zufliegen  und  unter  seiner  Führung  mit  leichter  Mühe  den  Ty- 
rannen vertreiben.  Speusippos  selbst  und  die  meisten  Freunde  Dion's  redeten 
ihm  deshalb  zu ,  das  Unternehmen  zu  wagen ;  Piaton,  der  nach  seiner  Rück- 
kehr aus  Sicilien  in  Olympia  mit  Dion  zusammengetroffen  war  (360  v.  Chr.], 
stimmte  nicht  in  solche  Rathschläge  ein;  er,  der  die  Gastfreundschaft  des 
Tyrannen  in  so  reichem  Masse  genossen  hatte  und  von  ihm  nie  verletzt  wor- 
den war,  konnte  nicht  an  einer  Verschwörung  zu  seinem  Sturze  Theil  nehmen. 
Dion  dagegen,  der  schon  immer  Syrakus  eine  vernünftige  Regierung  hatte 
geben  wollen ,  der  seit  der  zweiten  Rückkehr  Platon's  jede  Möglichkeit  abge- 
schnitten sah,  dieses  Ziel  durch  Dionys  zu  erreichen,  der  von  Dionys  schwer 
gekränkt  war,  bereitete  nunmehr  alles  zum  Angriffe  auf  den  Tyrannen  vor. 
Er  wollte  aber  doch  nicht  kommen,  wie  die  allzu  sanguinischen  Syrakusaner 
es  gemeint  hatten,  allein,  ohne  Waffen  und  ohne  Kriegsschiffe.  Er  hätte  wohl 
gerne  von  Korinth  Hülfe  gehabt  (dass  er  wenigstens  auf  Korinth  rechnete, 
sieht  man  daraus,  dass  er  nach  seinem  Siege  Gesetzgeber  aus  dieser  Stadt 
kommen  lassen  wollte),  aber  in  den  Zeiten  nach  der  Schlacht  bei  Mantineia 
und  dem  Tode  des  Epaminondas  herrschte  überall  in  Griechenland  eine  gewisse 
Abspannung,  und  er  musste  auf  Korinth's  Thei Inahme  verzichten.  So  be- 
schloss  er  denn,  Söldner  zu  sammeln.  Einige  Philosophen,  besonders  der 
Kyprier  Eudemos,  ein  Freund  des  Aristoteles,  Timonides  aus  Leukas,  endlich 
der  Thessalier  Miltas ,  der  als  Seher  und  Weissager,  ein  in  Krieg  und  Frieden 
unentbehrliches  Amt,  den  Zug  begleitete,  waren  ausser  seinem  Bruder  Me- 
gakles  und  dem  schon  oben  genannten  Athener  Kallippos,  seine  hauptsäch- 


i 


Rüstungen  und  Abfahrt  Dion's.  165 

liebsten  Begleiter.  Er  hätte  gerne  recht  viele  von  den  übrigen  durch  Dionys 
aus  Sicilien  Verbannten  bei  sich  gehabt;  aber  von  1000,  die  er  auffordern 
Hess,  fanden  sich  nur  25^  die  den  Math  hatten,  ihm  zu  folgen. 

Er  sammelte  in  aller  Stille  in  Zakynthos  Söldner ,  nicht  persönlich ,  son- 
dern durch  Vermittlung  anderer,  und  diesen  Söldnern,  die  zu  den  besten  und 
erfahrensten  ihrer  Klasse  gehörten,  tvurde  der  Zweck  des  Unternehmens  sorg- 
fältig verborgen  gehalten ,  damit  nicht  Dionys  davon  höre  und  es  im  Keime 
ersticke.  Die  Zahl  der  Söldner  betrug  nicht  ganz  800.  Als  diese  hörten,  dass 
die  Expedition  den  Sturz  des  Dionys  zum  Ziele  habe,  waren  sie  heftig  erzürnt, 
da  sie  es  für  unmöglich  hielten,  mit  einer  so  kleinen  Schaar  eine  so  grosse  und 
seit  vielen  Jahren  so  fest  gesicherte  Macht  zu  stürzen.  Dion  stellte  ihnen  jedoch 
vor ,  dass  es  sich  in  Wirklichkeit  für  sie  nur  darum  handele,  die  Führer  der 
Sikelioten  abzugeben ,  die  vor  Begierde  brennten,  das  Joch  des  Dionys  abzu- 
schütteln ,  und  er  wurde  aufs  kräftigste  von  einem  unter  den  Söldnern  sehr 
geachteten  Manne,  Alkimenes  aus  Achaja,  unterstützt.  Der  Abschied  von 
Griechenland  war  feierlich.  Dion  zog  an  der  Spitze  seiner  im  vollsten  Waffen- 
schmuck prangenden  Söldnerschaar  nach  dem  Tempel  Apollon^s  und  brachte 
dem  Gotte  ein  prächtiges  Opfer,  dann  gab  er  allen  im  Stadium  der  Zakynthier 
ein  glänzendes  Mahl ,  bei  welchem  die  Menge  der  silbernen  und  goldenen 
Becher  und  Tische  das  Erstaunen  der  Soldaten  erregte ,  welche  auf  den  na- 
türlichen Gedanken  kamen,  dass,  wenn  ein  so  über  alle  gewöhnlichen  Begriffe 
reicher  und  übrigens  besonnener  und  nicht  mehr  junger  Mann  sich  auf  eine 
scheinbar  so  gewagte  Unternehmung  einlasse,  dieselbe  doch  sichere  Aussichten 
auf  günstigen  Erfolg  darbieten  müsse.  Das  Fest  hatte  einen  eigen thümlichen 
Schluss.  Es  war  schon  Nacht  geworden  (am  9.  August  357  v.  Chr.)  und  so 
eben  die  üblichen  Spenden  und  Gebete  an  die  Götter  beendigt ;  Alle  waren 
noch  versammelt,  als  der  klare  Vollmond  sich  verfinsterte.  Für  Dion  und  seine 
philosophischen  Freunde  war  dies  Naturereigniss  kein  Gegenstand  der  Ueber- 
raschung  und  der  Besorgniss,  wohl  aber  für  die  Soldaten ,  welche  darin,  wie 
die  Athener  vor  Syrakus,  ein  Zeichen  sehen  konnten,  dass  die  Götter  das  Un- 
ternehmen missbilligten.  Aber  der  Seher  Hiltas,  der  sogleich  auftrat,  um  zu 
den  Soldaten  zu  sprechen ,  wusste  ihre  aufkeimende  Besorgniss  in  Zuversicht 
umzuwandeln.  Es  sei  allerdings  ein  göttliches  Zeichen,  aber  es  bedeute,  was 
es  vorstelle ,  das  Verschwinden  von  etwas  glänzendem.  Nun  gebe  es  nichts 
glänzenderes,  als  die  Tyrannis  des  Dionys;  diese  werde  also  fallen.  Man  hätte 
ihm  erwidern  können,  der  Mond  komme  ja  aber  wieder  hervor,  um  von  neuem 
zu  glänzen,  und  wirklich  scheint  der  Seher  dem  Dion  selbst  und  seinen  Freun- 
den eine  ganz  andere  Prophezeiung  als  der  Menge  gegeben  zu  haben:  er 
fürchte,  dass  das  Unternehmen  zwar  eine  Zeitlang  Erfolg  haben,  zuletzt  aber 
doch  misslingen  werde.  Wir  müssen  zur  Charakteristik  der  Zeit  auch  die 
schlimmen  Zeichen  berichten,  welche  um  dieselbe  Zeit  der  Tyrann  erhielt. 
Ein  Adler  entriss  einem  der  Trabanten' die  Lanze  und  warf  sie  in^s  Wasser; 
das  bedeutete,  dass  Jupiter  dem  Tyrannen  die  Herrschaft  nahm.  Das  die 
Mauern  der  Burg  bespülende  Meer  war  einen  Tag  lang  süss  und  trinkbar,  das 
war  für  die  Syrakusaner  ein  Zeichen,  dass  auf  die  bitteren  Zeiten  der  Tyran- 
nis die  süssen  der  Freiheit  folgen  würden.    Endlich  warfen  in  den  Ställen  des 


166      Fünftes  Buch.   IX.  Dionys  II.   Piaton  in  Syrakus.   Dion's  Verbannung  u.  Rückkehr. 

Tyrannen  die  Säue  Ferkel  ohne  Ohren ;  das  hiess  ^  die  Ünierlhanen  würden 
nicht  mehr  den  bisherigen  Gehorsam  beobachten. 

Die  Soldaten  Dion's  nahmen  zwei  grössere  und  ein  kleineres  Lastschiff 
auf,  zwei  Dreissigruderer  folgten  zum  Schutze.  Ein  bedeutender  Yorralh  von 
Lebensmitteln  und  Waffen,  worunter  2000  Schilde,  wurde  mitgenommen. 
Ein  angesehener  Syrakusaner,  einst  Feldherr  des  Diony3,  aber  nun  verbannt, 
Herakleides,  war  unter  denen,  welche  sich  an  Dlon  angeschlossen  hatten;  er 
wollte  aber  eine  gesonderte  Fahrt  nach  Siciiien  unternehmen  und  blieb  noch 
etwas  länger  im  Peloponnes  zurück.' Dion  schlug  nicht  den  gewöhnlichen  Weg 
längs  der  italischen  Küste  ein ,  um  nicht  Kriegsschiffen  des  Dionys  zu  begeg- 
nen, die  in  dieser  Gegend  gewöhnlich  kreuzten.  Wirklich  war  Philistos  mit 
einer  Flotte  an  der  iapygischen  Küste.  Er  fuhr  deshalb  quer  über  das  offene 
Meer  und  befand  sich  am  dreizehnten  Tage  nach  der  Abfahrt  im  Angesichte 
des  Vorgebirges  Pachynos.  Der  Führer  der  kleinen  Flotte  erklärte  nun,  dass 
man  so  schnell  als  möglich  an*s  Land  gehen  müsse ,  denn  wenn  man  sich  erst 
vom  Vorgebirge  wegtreiben  Hesse ,  werde  man  sobald  nicht  wieder  die  Küste 
der  Insel  erreichen,  da  in  der  Sommerszeit  der  Südwind  hier  selten  sei.  Dion 
aber  hielt  es  für  unzweckmässig,  so  nahe  bei  Syrakus  zu  landen  und  Hess 
seine  Schiffe  das  Vorgebirge  Pachynos  umfahren.  Da  erhob  sich  ein  mit 
stari^em  Gewitter  verbundener  Nordsturm ,  welcher  die  Flottille  nach  Süden 
trieb.  Kaum  konnten  die  Seeleute  verhindern ,  dass  die  Schiffe  gegen  die  bei 
Afrika  liegende  Insel  Kerkina  geworfen  wurden;  mit  grosser  Anstrengung 
hielten  sie  sich  mit  Stangen  von  dem  felsigen  Ufer  fem.  Als  der  Sturm  sich 
gelegt  hatte,  erfuhr  man,  dass  man  in  der  Nähe  der  grossen  Syrte  war.  Hier 
hatte  man  durch  l^indstille  einigen  Aufenthalt,  bis  sich  endlich  ein  schwacher, 
allmählich  aber  zunehmender  Südwind  erhob ,  der  die  Schiffe  in  fünf  Tagen 
nach  der  Stadt  Minoa  in  SidHen  brachte.  Sie  war  im  Besitz  der  Karthager  und 
Synalos  oder  Paralos,  ein  Grieche  von  Herkunft  und  Dion's  Gastfreund,  war  dort 
Befehlshaber.  Er  versuchte,  wie  es  seine  Schuldigkeit  war,  die  Landung  der 
Fremden  zu  hindern ;  aber  Dion's  Soldaten  trieben  schnell  die  Karthager  in 
die  Flucht  und  eroberten,  ohne  Jemand  zu  tödten,  wie  Dion  es  ihnen  vorge- 
schrieben hatte,  die  Stadt.  Nun  trat  eine  Verständigung  ein.  Der  Karthager 
erhielt  seine  Stadt  wieder,  nahm  aber  dafür  die  Soldaten  freundlich  auf  und 
versorgte  sie  mit  allem,  was  ihnen  für  ihren  weiteren  Marsch  von  Nutzen  war. 
Es  konnte  nur  dem  karthagischen  Interesse  entsprechen,  wenn  Dionys  gestürzt 
wurde.  In  Minoa  erfuhr  man,  dass  der  Tyrann  sich  für  den  Augenblick  mit 
einer  Flotte  von  90  Schiffen  in  den  italischen  Gewässern  befinde.  Die  Soldaten 
Dion's  wollten  deshalb  nichts  von  Ausruhen  nach  der  beschwerlichen  Meerfahrt 
wissen,  sondern  bestanden  darauf,  sogleich  nach  Syrakus  geführt  zu  werden. 
Dion  gab  Synalos  die  ,von  ihm  mitgebrachten,  für  die  Syrakusaner  bestimmten 
Waffen,  die  er  ihm  nachfahren  zu  lassen  versprach ;  dann  brach  er  nach  Sy- 
rakus auf  und  fand  schon  auf  seinem  Wege  durch  das  Gebiet  von  Akragas 
und  Gela  vielen  Zuzug;  unter  anderen  aus  der  Gegend  am  Berge  Eknomos 
200  Reiter.  Je  mehr  er  sich  Syrakus  näherte,  desto  grösser  wurde  sein  Heer. 
Sikaner  und  Sikeler  kamen  zu  ihm,  auch  viele  aus  Kamarina.  Nach  Me&sana, 
welches  wieder  frei  gewesen  zu  sein  scheint,  und  nach  Italien  wurde  um  Bei- 


Marsch  nach  Syrakus.  1 67 

Stand  geschickt,  und  auch  von  hier  kam  Hülfe.  Dion's  Beer  soll  sich,  ßls  er  die 
Grenze  des  syrakusanischeh  Gebietes  erreichte,  schon  auf  S0,000  Bewaffnete 
belaufen  haben.  Das  war  freilich  wenig  im  Vergleiche  mit  der  Macht,  die  man 
dem  Tyrannen  zuschrieb:  gegen  400,000  Mann  zu  Fuss,  10,000  Reiter,  400 
Kriegsschiffe ;  aber  die  Unfähigkeil  des  Dionys  zum  Kriegfuhren  und  der  Hass 
der  Syrakusaner^  gegen  ihn  ersetzten  dem  Dion  reichlich ,  was  ihm  an  Krie- 
gern fehlte.  Auch  der  Umstand,  dass  Dionys  sich  nicht  in  Syrakus  befand, 
war  dem  Unternehmen  günstig.  Ueberdies  verzögerte  sich  des  Tyrannen 
Rückkehr  mehr,  als  nOthig  gewesen 'wäre.  Timokrates,  der  neue  Schwager 
des  Dionys,  der  des  Tyrannen  Stelle  in  seiner  Abwesenheit  vertrat,  schickte, 
sobald  er  von  der  Landung  des  Dion  hörte ,  einen  Boten  nach  Kaulonia ,  wo 
Dionys  sich  gerade  aufhielt.  In  der  Nähe  dieser  Stadt  begegnete  er  einem  Be- 
kannten, der  Opferfleisch  trug,  und  dieser  schenkte  ihm  etwas  davon.  In  der 
Nacht  ruhte  er  ein  wenig  im  Walde  nahe  dem  Wege ,  da  kam  ein  Wolf  und 
entriss  ihm  das  Fleisch,  das  in  dem  Ranzen  steckte,  in  welchem  auch  der  Brief 
aufbewahrt  war,  und  Ranzen  und  Brief  dazu.  Der  Mensch  wagte  nicht  ohne 
Brief  zum  Tyrannen  zu  kommen  und  lief  davon.  Es  ist  freilich  ebeqso  wahr- 
scheinlich, dass  TioK)krates  seine  Saumseligkeit,  Dionys  von  der  Landung 
Dion's  zu  unterrichten ,  durch  eine  von  ihm  erfundene  Geschichte  bemäntelt 
hat.  Timokrates  war  nicht  im  Stande,  zu  verhindern ,  dass  die  kampanischen 
Söldner,  welche  die  Städte  Leontini  und  Aetna  zu  Wohnsitzen  hatten,  auf  das 
von  Dion  absichtlich  ausgesprengte  falsche  Gerücht,  dass  er  sich  zuerst  gegen 
diese  Orte  wenden  werde,  ihre  Posten  in  der  Burg  von  Syrakus  verliessen  und 
sich  zum  Schutze  ihrer  Häuser  und  Familien  entfernten.  Dion  hörte^  den  Er- 
folg seiner  Kriegslist  in  Akrai,  mitten  in  der  Nacht.  Schnell  liess  er  sein  Heer 
sich  versammeln  und  zog  eilig  nach  Syrakus.  Am  Morgen  machte  er  am  Ana- 
pos, 40  Stadien  von  der  Stadt,  Halt.  Beim  Sonnenaufgang  opferte  er,  sprach 
ein  feierliches  Gebet,  und  Hess  durch  seine  Weissager  dem  Unternehmen  einen 
glücklichen  Ausgang  verkündigen.  Das  Feierliche  der  Scene,  im  Angesichte 
der  von  der  Morgensonne  beschienenen  Stadt ,  die  zu  befreien  sie  gekommen 
waren ,  ergriff  Alle ;  sie  bekränzten  sich ,  wie  sie  den  Feldherm  des  Opfers 
wegen  bekränzt  sahen,  und  eilten  unter  Jubelgeschrei  der  Stadt  zu.  Von  Sy- 
rakus aas  hatte  man  schon  gesehen,  dass  Dion  mit  den  Seinigen  da  war,  und 
alle  Syrakusaner  erfasste  die  grösste  Aufregung.  Die  ganze  Stadt  erhob  sich 
gegen  ihren  Tyrannen,  und  wie  es  immer  in  solchen  Fällen,  besonders  in  Si- 
cilien  gebt,  wandte  sich  der  erste  Grimm  des  aufgebrachten  Volkes  gegen  die 
gemeinsten  Werkzeuge  der  Tyranner,  die  Polizeispione,  die  auf  grausame 
Weise  getödtet  wurden.  Timokrates,  der  nicht  in  der  Burg,  sondern  vielleicht 
in  dem  weniger  starken  Fort  auf  Epipolae  war,  wurde  durch  den  plötzlichen 
Aufruhr  der  Weg  nach  der  Akropolis  abgeschnitten ,  und  statt  auf  einem  Um- 
wege hinein  zu  gelangeti ,  was  ihm  nicht  schwer  fallen  konnte ,  warf  er  sich 
auf  ein  Pferd  und  fioh,  indem  er  überall,  um  seine  eigene  Feigheit  zu  verber- 
gen, die  MaAt  Dionys  noch  grösser  darstellte,  als  sie  war.  Indessen  hatten  die 
angesehensten  Syrakusaner  sich  festlich  gekleidet  und  gingen  Dion  entgegen, 
der,  da  die  Partei  des  Tyrannen^  ihrer  Führer  beraubt,  nichts  zu  unternehmen 
wagte,    einen  triumphirenden  Einzug   in  Syrakus  halten    konnte.     Voran 


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16S      Fünftes  Buch.   IX.  Dionys  II.    Piaton  in  Syrakus.   Dion's  Verbannung  u.  Räckkehr 

schritten  Dion,  sein  Bruder  Megakles  und  der  Athener  Kallippos,  alle  drei  be- 
kränzt, und  von  100  auserwählten  Söldnern,  einer  Art  von  Leibwache, 
begleitet.  Dann  folgten  die  tlbrigen  Soldaten,  festlich  geschmückt.  Innerhalb 
des  temenitischen  Thores  angekommen ,  liess  er  durch  Trompetenstösse  Stille 
gebieten  und  feierlich  verkündigen,  dass  er  und  sein  Bruder  Megakles  gekom- 
men seien ,  um  die  Syrakusaner  und  die  übrigen  Griechen  auf  der  Insel  von 
dem  Tyrannen  zu  befreien.  Dann  zog  er  weiter  durch  Achradina.  Schnell 
errichteten  die  begeisterten  Syrakusaner  an  beiden  Seiten  des  Weges,  durch 
welchen  er  ziehen  musste,  Altäre,  stellten  Opfertische  und  Mischkrtige  auf 
und  opferten  ihm  unter  Gebeten  wie  einem  Gotte.  Er  h^tte  die  Absicht,  selbst 
noch  zu  den  Syrakusanem  zu  sprechen ,  und  um  zu  gleicher  Zeit  dex  Be- 
satzung in  der  Burg  zu  zeigen,  dass  er  sie  nicht  fürchte ,  wählte  er  zum  Orte 
der  Volksversammlung  einen  freien  Platz  immittelbar  neben  der  Burg  und 
dem  Thore  derselben,  welches  Pentapyla  hiess,  wo  ein  Sonnenzeiger  auf  einer 
grossen  steinernen  Basis  angebracht  war.  Aiif  diese  trat  Dion,  ermahnte  die 
Syrakusaner,  tapfer  die  Freiheil  zu  schützen,  und  forderte  sie  auf,  sich  Feld- 
herren zu  wählen.  Sie  erwählten  ihn  und  Megakles ,  fügten  aber  auf  Dion  s 
ausdrückliche  Bitte  noch  SO  andere  hinzu ,  von  denen  die  Hälfte  zu  den  mit 
Dion  aus  der  Verbannung  Zurückgekehrten  gehörte.  Auch  diese  erste  Hand- 
lung Dion's  in  Syrakus  gab  den  Weissagern  Gelegenheit  zu  guten  und  bösen 
Vorhersagungen.  Dass  er  auf  dem  vom  Tyrannen  errichteten  Monument  bei 
seiner  Anrede  an  das  Volk  gestanden ,  sei  ein  gutes  Omen ,  dass  dies  Monu- 
ment aber  gerade  eine  Sonnenuhr  gewesen,  ein  bedenkliches ;  es  deute  einen 
Wechsel  des  Glückes  an. 

Die  erste  Waffenthat  Dion's  war  die  Eroberung  des  Forts  von  Epipolae, 
wo  die  Gefangenen  befreit  wurden.  Nach  einigen  Tagen  kamen  auch  die  Rü- 
stungen an,  welche  Synalos  seinem  Versprechen  gemäss  auf  Wagen  nach 
Syrakus  geschafft  hatte.  Sieben  Tage  nach  Dion's  Ankunft  kehrte  Dionys  nach 
seiner  Hauptstadt  zurück.  Er  fand,  dass  die  Sachen  für  ihn  nicht  günstig 
standen,  dass  aber  noch  kein  Grund  sei,  zu  verzweifeln.  War  doch  sein  Vater 
in  noch  schlimmeren  Lagen  gewesen.  Er  dachte  wieder  List  und  Gewalt  zu 
verbinden.  Zuerst  versuchte  er,  Dion  durch  grosse  Versprechungen  von  der 
Sache  der  Syrakusaner  abwendig  zu  machen ,  und  als  dies  nicht  gelang  und 
Dion  den  Tyrannen  auffordern  liess ,  mit  den  Syrakusanern ,  welche  jetzt  frei 
wären,  zu  verhandeln,  liess  er  diesen  die  natürlich  mit  Verachtung  zurückge- 
wiesene Zumuthung  machen ,  sich  ihm  unter  der  Bedingung  wieder  zu  unter- 
werfen, dass  sie  geringere  Steuern  zu  zahlen  hätten  und  eine  freie  Verfassung 
erhielten.  Es  wurde  den  Boten  des  Dionys  von  Dion  eröffnet,  dass  man  nur 
auf  der  Grundlage  seiner  Abdankung  mit  ihm  unterhandeln  könne ;  wenn 
diese  zugestanden  wäre,  werde  er  ihm  als  Verwandter  möglichst  gute  Bedin- 
gungen zu  verschaffen  suchen.  Dionys  liess  erwidern,  er  willige  in  alles;  es 
möchten  sich  Bevollmächtigte  bei  ihm  einfinden  ^  um  das  Weitere  zu  bespre- 
chen. Als  diese  gekommen  waren,  liess  Dionys  sie  gefangen *setzen  und 
machte  mit  einer  grossen  Soldatenschaar  einen  Ausfall  aus  der  Burg.  Dion 
hatte  gleich  nach  der  Eroberung  von  Epipolae  durch  eine  vom  grossen  nach 
dem  kleinen  Hafen,  d.  h.  an  die  Werften,  welche  ja  noch  in  die  Befestigung 


Kampf  in  S>rakus.  ~  Sicilien's  Cultur.  169 

von  Ort ygia  eingeschlossen  waren,  gezogene  Mauer  die  Burg  abgesperrt  und 
die  Sladt  geschützt ;  gegen  dieses  Werk  richtete  Dionys  seine  Anstrengungen. 
Seine  Soldaten,  durch  ungemischten  Wein  angefeuert,  warfen  sich  mit  Tages- 
anbruch auf  die  syrakusanische  Yerschanzung,  die  sie  im  ersten  Anlauf  er- 
oberten. Die  Syrakusaner  flohen  grOsstentheils ,  aber  Dion's  Söldner  hielten 
Stand,  und  es  entspann  sich  ein  hitziger  Kampf,  den  Dion  durch  seine  eigene, 
fast  tollkühne  Tapferkeit  entschied.  Er  warf  sich  mitten  unter  die  Feinde,  und 
wurde  im  heftigen  Kampfe  an  der  Hand  verwundet  und  zu  Boden  geworfen. 
Aber  die  Seinigen  retteten  ihn  und  nun  überliess  er  den  Oberbefehl  in  der 
Schlacht;  die  durch  sein  kräftiges  Vordringen  eine  bessere  Wendung  erhalten 
hatte,  seinem  Freunde  Timonides  und  ritt  selbst  in  die  Stadt,  um  die  Syra- 
kusaner wieder  zu  sammeln  und  zum  Kampfe  zu  führen.  Auch  einige  von 
seinen  Söldnern,  die  sich  in  der  Achradina  befanden,  eilten  noch  herbei,  und 
die  Truppen  des  Dionys  zogen  sich  schnell  in  die  Burg  zuiilck.  In  diesem 
Kampfe  waren  auf  Dion's  Seite  74  gefallen;  von  den  Soldnern  des  Tyrannen 
aber  auch  eine  grosse  Anzahl.  Die  erfreuten  Syrakusaner  errichteten  ein  Sie- 
geszeichen, ehrten  Dion  mit  einem  goldenen  Kranze  und  schenkten  seinen 
tapferen  Soldaten  400  Minen  Silbers  als  Belohnung.  ' 


Zehntes  Kapitel. 
Sicilien's  Caltnr  anter  der  Dionysischen  Dynastie. 

Wir  haben  den  ersten  Sieg  Dion's  über  Dionys  erzählt,  und  unsere  Ge- 
schichte wird  bald  den  völligen  Sturz  der  Dionysischen  Dynastie  zu  berichten 
haben.  Die  Zeit,  die  ihr  noch  beschieden  ist,  bringt  sie  in  unruhigen  Kämpfen 
hin.  Wenn  sie  noch  regiert,  so  ist  doch  ihr  Glanz  getrübt,  und  sie  muss  alle 
Kräfte  auf  die  Yertheidigung  werfen.  Es  ist  daher  angemessen,  jetzt  den  Gang 
der  Erzählung  zu  unterbrechen  und  sich  zu  fragen ,  was  aus  den  48  Jahren 
des  Bestehens  der  Dynastie  sich  für  die  Culturgeschichte  Siciliens  gewinnen 
lässt.  Es  ist  wenig  genug,  und  auch  hier  zeigt  sich  die  Dionysische  Tyrannis 
in  einem  weniger  günstigen  Lichte  als  die  der  Deinomeniden.  Damals  ein 
glänzender  Hof,  aber  auch  geistiges  Leben  ausserhalb  des  Hofes,  neue  Wege 
werden  in  Poesie  und  Prosa  gebahnt;  jetzt  ein  Hof,  dem  der  argwöhnische 
Charakter  des  Despoten  einen  nur  zw^eifelhaften ,  unsichem  Glanz  gestattet, 
und  ausserhalb  des  Hofes  4eine  bedeutenden  Fortschritte  in  Kunst  und  Lite- 
ratur, von  denen  wir  Nachricht  hätten.  Einiges  davon  haben  wohl  die  furcht- 
baren Kriege  mit  den  Karthagern  verschuldet^  aber  bei  weitem  nicht  alles. 
Mehr  Schuld  ist  den  ungeheuren  Veränderungen  beizumessen ,  die  die  vielen 
Verpflanzungen  ganzer  Einwohnerschaften  und  die  dauernde  Verleihung  von 
früher  selbständigen  Städten  an  Söldnerschaaren  zur  Folge  hatten  ;  denn  wenn 


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170  Fünftes  Buch.   X.  Sictlien's  CuUur  unter  der  Dionysischen  Dynastie. 

auch  unter  Gelon  und  Hieron  schon  dasselbe  geschehen  war,  so  war  doch  die 
Zahl  der  fremden .  nach  Sicilien  gezogenen  Söldner  unter  der  Dionysischen 
Dynastie  eine  weit  grössere,  und  durch  ihr  Eindringen  mussten  alle  Verhältnisse 
gründlich  verwirrt  werden.  Die  Hauptschuld  trägt  aber  die  Tyrannis  selbst. 
Es  fehlt  nicht  an  Namen  von  Schriftstellern,  die  dieser  Zeit  angehören.  Wir 
wollen  hier  an  das  schon  oben  erwähnte  nur  vorübergehend  erinnern,  wie 
Dionys  der  ältere  selbst  Trauerspieldichter  war,  wie  Xenarchos  nach  dem 
Vorbilde  seines  Vaters  Mimen  dichtete ,  und  wie  die  Familie  des  Karkinos, 
eines  aus  Akragas  eingewanderten  Tragikers  sich  in  Athen  und  in  Sicilien  ohne 
Glück  in  der  Tragödie  versuchte.  Karkinos  hatte  vier  Söhne,  die  als  schlechte 
Dichter  und.  lächerliche  Persönlichkeiten  auPs  äusserste  von  den  Komikern 
verspottet  wurden,  Xenotimus,  Xenarchos,  Datis  und  den  namhaftesten,  Xe- 
nokles,  der  Ol.  91  mit  einer  Tetralogie  über  Euripides  siegte.  Sein  Sohn  war 
der  jüngere  Karkinos ,  den  wir  schon  erwähnten,  und  der  auch  am  Hofe  des 
jüngeren  Dionys  verweilte.  Auch  Philo xenos,  der  Ditbyrambendichter,  ist 
schon  genannt  worden ,  und  wir  würden  ihn  hier  nicht  wieder  zu  erwähnen 
haben ,  da  er  als  Kytherier  Sicilien  nur  durch  seinen  Aufenthalt  i^  Syrakus 
angehörte ,  wenn  uns  nicht  in  seinen  Dichtungen  Spuren  siciliscber  Einflüsse 
entgegenträten.  Er  soll  24  Dithyramben  verfasst  haben,  von  denen  der  schon 
erwähnte  Kyklop  der  berühmteste  war.  Der  Dithyrambus  ist  ein  bakchisches 
Gedicht;  aber  wir  haben  den  älteren  Dithyrambus,  der  von  Arion  ausging  und 
seine  Bedeutung  im  Wesentlichen  einbüsste ,  als  aus  seinem  kyklischen  Chore 
die  Tragödie  hervorgegangen  war,  von  dem  jüngeren  Dithyrambus  zu  unter- 
scheiden, der  anfangs  nur  ein  phantastisches  musikalisches  Spiel  war,  bis  ihm 
gerade  Philoxenos  eine  neue  festere  Richtung  gab.  Durch  ihn  wurde  der  Di- 
thyrambus selbst  zu  einem  dramatischen  Gemälde.  Philoxenos,  der  Sohn  des 
Eulytidas,  war  um  die  86.  Olympiade  in  Kythera  geboren.  Er  gerieth  früh  in 
Sklaverei,  entweder  in  athenische,  als  Nikias  424  v.  Chr.  Kythera  eroberte, 
oder  in  spartanische,  wenn  die  Spartaner  vielleicht  nach  dem  Frieden  des 
T^ikias  Rache  an  der  Gegenpartei  in  Kythera  genommen  haben  sollten.  Er 
kam  in  den  Besitz  des  Ditbyrambendichters  Melanippides ,  der  die  Fähigkeiten 
des  Jünglings  bemerkte  und  ihn  zur  lyrischen  Poesie  hingeführt  haben  wird. 
Später  hielt  er  sich  an  den  verschiedensten  Oi*ten  auf;  am  berühmtesten  ist 
aber  sein  Aufenthalt  in  Sicilien  am  Hofe  des  älteren  Dionysios.  Wir  sahen,  dass 
er  wegen  seiner  unbequemen  Freimüthigkeit  in  die  Steinbrüche  geworfen 
wurde ,  wo  er  sein  Gedicht ,  d^r  Kyklop,  verfasst  haben  solU  Es  war  ein 
Scbäferspiel ,  in  welchem  aber  Dionys  persifflirt  wurde.  Es  handelte  sich 
darum,  dass  dem  Polyphem  durch  Odysseus  die  Galateia ,  seine  Geliebte ,  ge- 
raubt  wurde,  und  wir  hören,  dass  Polyphem  den  Dionys  bedeuten  solle,  den 
Philoxenos  um  seine  Geliebte,  welche  Galateia  hiess,  betrogen  hatte.  Es  wird 
hinzugefügt,  dass  der  Zorn  des  Tyrannen  über  diese  Kränkung  eine  Haupt- 
veranlassung war,  dass  Philoxenos  in's  Gefängniss  wanderte.  Der  Kyklop  war 
offenbar  eine  Art  von  Oper;  während  sonst  der  Dithyramtbus  nur  aus  einem 
gesungenen  Chore  bestand ,  legte  Philoxenos  von  einzelnen  Sängern  vorgetra- 
gene Arien  hinein,  welche  sicherlich  die  Hauptsache  wurden.  Das  Stück  trägt 
in  mehreren  Beziehungen  die  Zeichen  seines  sicilischen  Ursprungßs  zur  Schau. 


PhiloxeDos.  171 

Einerseits  war  schon  das  Hirtengedicht  eine  der  Insel  recht  eigentlich  ange- 
hörende Gattung,  wovon  später  noch  ausführlich  die  Rede  sein  wird,  sodann 
ist  aber  die  humoristische  Wendung,  welche  der  Mythe  gegeben  wird ,  voll- 
kommen dem  munteren  Charakter  der  Sikelioten- angemessen.  Schon  Epichar- 
mos  hatte  ja  zu  ihrer  Freude  seine  mythologischen  KomOdien  gedichtet,  unter 
denen  sich  ^  wie  wir  wissen ,  ebenfalls  ein  Ryklop  befand.  Noch  deutlicher 
aber  zeigt  sich  der  Einfluss  Siciliens  auf  Philoxenos  in  seinem  zweiten  be- 
, rühmten  Werke,  dem  Gastmahl.  Es  ist  die  Schilderung  eines  prächtigen 
Schmauses,  in  welchem  die  schönstea  und  ungewöhnlichsten  Erzeugnisse  des 
Luxus  und  der  Rochkunst  auf  die  Tafel  kommen,  ein  Werk,  welches  die  ein- 
zige Leetüre  eines  grossen  Theiles  des  müssigen ,  gemeinen  Publikums  war. 
Wir  brauchen  uns  hier  nur  an  einige  Stücke  des  Epicharmos  zu  erinnern ,  an 
die  »Hochzeit  der  Hebe,«  an  »Land  und  Meer^a  um  einzusehen,  nach  welchen 
durchaus  nationalen  Vorbildern  Pbiloxenos  den  Ton  seines ,  freilich  in  eine 
andere  Dichtungsart  gehörigen  und  durchaus  von  Musik  begleiteten  Werkes 
wählte.  Die  bisher  beobachtete  Aehnlichkeit  zwischen  Epicharmos  und  Phi- 
loxenos wird  es  gestatten ,  dass  wir  ein  anderes  Stück ,  den  Komastes  oder 
bakchiscben  Schwärmer,  in  welchem,  wie  es  scheint,  Antigenides,  ein  Schüler 
des  Philoxenos  auftrat,  mit  Erinnerung  an  die  Komasten  des  Epicharmos  für 
ein  Philoxenisches  Stück  erklären.  Sollten  wir  endlich  nicht  auch  den  Muth- 
willen  des  Dichters  in  kühnen  Zusammensetzungen  und  Wortbildnerei ,  die 
wir  bei  Empedokles  und  Gorgias  fanden ,  auf  sicilischen  Einfluss  zui'ückfüh- 
ren  dürfen  ?  Es  ist  schwer,  für  die  Gestalt  des  Philoxenos  die  richtigen  Züge 
aus  den  Nachrichten  des  Alterthums  herauszulesen ,  weil  eine  Verwechselung 
mit  gleichnamigen  Parasiten  ausserordentlich  nahe  liegt,  besonders  wegen  des 
von  dem  Dithyrambiker  verfassten  Gastmahls.  Es  werden  von  einem  Philoxe- 
nos manche  Geschichten  erzählt,  die  ihn  als  einen  grobsinnlichen  Spassmacber 
darstellen ,  und  man  könnte  wegen  der  behaglichen  Hervorhebung  des  guten 
Essens  und  Trinkens >  die  im  Gastmahl  des  Dichters  herrschte,  leicht  ihn  für 
einen  Menschen  erklären,  der  nur  für  solchen  Genuss  Sinn  gehabt.  Dass  der 
Dichter  aber  ein  unabhängiger  Charakter  war,  zeigt  sowohl  seine  Differenz  mit 
Dionys,  als  auch  die  Nachricht,  dass  er  das  Landgut,  welches  er  in  Sicilien 
besass,  nicht  behielt,  sondern  die  Insel  verliess,  weil  ihm  der  Mangel  an  Bil- 
dung und  die  Ueppigkeit  der  Bewohner  nicht  zusagte.  Da  es  nun  keinem 
Zweifel  unterworfen  sein  kann ,  dass  Philoxenos  ein  gutes  Leben  nicht  ver- 
schmähte ,  so  können  wir  diese  Nachricht  Über  den  Charakter  des  sicilischen 
Wesens  nur  so  verstehen^  dass  den  dortigen  Griechen  nach  seiner  Ansicht 
über  dem  Wohlleben  der  Sinn  für  geistige  Genüsse  fast  gänzlich  abhanden 
gekommen  war,  und  wir  haben  dies  als  die  Ansicht  eines  Mannes,  der  von 
sittlichem  Rigorismus  sehr  weit  entfernt  sein  musste  —  Dionys,  schenkte  ihm 
die  Buhlerin  LaYs,  die  er  mit  sich  nach  Korinth  nahm  —  wohl  zu  beachten. 
Die  Werke  des  Philoxenos  standen  bei  den  Alten  in  grossem  Ansehen,  obwohl 
die  Musik  etwas  bunt  und  von  der  Einfachheit  der  früheren  fern  gewesen  zu 
sein  scheint.  Seine  Dithyramben  waren  unter  den  Dichterwerken,  welche  sich 
Alexander  der  Grosse  nach  Asien  nachsenden  Hess.  —  Es  ist  eigenthümlich, 
dass  ein  anderer,  ungefähr  gleichzeitiger,  aus  Sicilien  selbst  gebürtiger  Dithy- 


172  Fünftes  Buch.   X.  Sicilien's  CuUur  unter  der  Dionysischen  Dynastie. 

rambendichter,  der  Selinunlier  Telestes,  das  Komische  mehr  als  PhiloxcDos 
vermieden  und  sich  enger  an  den  Mythos  angeschlossen  zu  haben  scheint.  Er 
blühte  um  die  95.  Olympiade,  und  gewann  im  Jahre  401  v.  Chr.  in  Athen 
den  Preis.  Als  Titel  seiner  Werke  werden  Argo,  Asklepios,  Hymenaios  ange- 
geben. Der  Komiker  Theopompos  soll  ihn  in  einem  Stucke  Althaia  verspottet 
haben.  Auch  seine  Schriften  wurden  dem  Alexander  nach  Asien  zugeschickt. 
Dagegen  gehört  Sicilien  auch  durch  den  von  ihm  behandelten  Gegenstand  an 
Archestratos  aus  Gela,  der  in  der  Dionysischen  Zeit  lebte  und  in  Hexame- 
tern einen  gastronomischen  Cursus  unter  dem  Titel  Hedypatheia  schrieb.  Es 
war  dies  eine  Art  von  culinarischer  Geographie ,  eine  Reise  um  die  Welt,  mit 
alleiniger  Rücksicht  auf  die  guten  Gerichte,  die  Land  und  Meer  überall  boten, 
im  feinen  und  geistreichen  Tone  des  Weltmannes  geschrieben.  Es  ist  also  der 
Beitrag,  den  die  Dionysische  Periode  zur  poetischen  Literatur  der  Griechen 
liefert ,  keineswegs  ein  besonders  reichlicher ;  das  materielle  Leben  erstickte 
das  geistige  und  Hess  nur  Weniges  emporkommen,  was  nicht  in  jenem  seinen 
eigentlichen  Grund  gehabt  hätte.  Nicht  viel  besser  stand  es  um  die  Prosa,  wo 
ein  Schriftsteller,  freilich  als  ein  bedeutender  Meister  in  seiner  Gatiung  aner- 
kannt, fast  allein  genannt  werden  kann.  Es  ist  Phiiistos,  der  Freund  des 
Tyrannen ,  von  dem  wir  schon  manches  berichtet  haben,  und  dessen  Tod  im 
Verlauf  der  Geschichtserztthlung  seine  Stelle  finden  wird. 

Phiiistos  war  der  Sohn  des  Archomenides  oder  Archonides,  ein  geborener 
Syrakusaner.  Er  muss  um  Ol.  86  oder  87,  circa  434  v.  Chr.  geboren  sein 
und  konnte  als  Augenzeuge  von  der  Wirksamkeit  des  Gylippos  bei  der  Be- 
freiung der  Stadt  Syrakus  Zeugniss  ablegen.  Als  er  im  Jahre  406  v.  Chr.  die 
Gründung  der  Dionysischen  Tyrannis  auf  so  originelle  Weise  durch  sein  Auf- 
treten beförderte,  handelte  er  wie  ein  Mann,  der  noch  jung  genug  ist,  um  mit 
beispielloser  Keckheit  in  die  Geschicke  des  Staates  einzugreifen,  und  doch 
schon  alt  genug,  um  nicht  von  seinen  Gegnern  verlacht  zu  werden.  Seitdem 
gehörte  er  lange  Zeit  hindurch  zu  den  vertrautesten  Freunden  und  Bathgebern 
des  Tyrannen,  und  nach  der  gewöhnlichen  Annahme  wird  ihm  das  warnende 
Wort  über  die  Pflichten  eines  Tyrannen  zugesehrieben ,  welches  dem  Dionys 
in  schlimmer  Lage  neuen  Muth  einflösste  (S.  10S).  Wir  haben  ferner  schon 
berichtet,  dass  und  aus  welchen  Gründen  der  vielleicht  auch  durch  das  Durch- 
fallen seiner  Gedichte  in  Olympia  gereizte  Tyrann  Phiiistos  verbannte,  und 
dass  dieser  grösstentheils  in  der  Verbannung  sein  Geschichtswerk ,  die  Stütze 
seines  Nachruhms,  schrieb,  über  dessen  Inhalt  und  Charakter  bereits  im  An- 
hange des  4 .  Bandes  (S.  308)  gehandelt  worden  ist.  Sonst  hat  Sicilien  in  dieser 
Zeit  keinen  namhaften  Schriftsteller  hervorgebracht.  Am  Hofe  des  jüngeren 
Dionys  waren  viele  Sophisten,  unter  denen  auch  ein  Polyxenos  genannt 
wird ,  der  natürlich  nicht  mit  dem  Schwager  des  älteren  Dionys  zu  verwech- 
seln ist.  Unter  den  Philosophen  der  damaligen  Zeit  waren  einige  Sikelioten ;  es 
ist  wohl  nicht  zufällig,  dass  zwei  derselben  der  megarischen  Schule  angehörten. 

Wenn  wir  so  über  die  Literatur  der  Dionysischen  Zeit  nicht  im  Stande 
sind,  viel  zu  berichten,  so  können  wir  über  die  gleichzeitige  Kunst  noch  we- 
niger sagen.  Zu  Ol.  98,  4  giebt  Diodor  an,  dass  der  ältere  Dionys  Schiffs- 
häuser  für  200  Trieren,  Gymnasien  am  Anapos  und  Tempel  baute.    Von  allen 


Telestes.  Philistos.   BefesUgungsmauer.   Münzen.   Pylhagoreer.  173 

diesen  Bauten  ist  nichts  mehr  erhalten ,  doch  möchten  wir  besonders  auf  die 
Gymnasien  am  Anapos  als  Mwas,  das  der  Stadt  zur  Zierde  gereichen  musste, 
hinweisen.  Gymnasien  waren  nicht  selten  ausserhalb  der  Stadtlhore ,  an 
Flüssen  wie  hier,  und  dann  immer,  und  das  ist  auch  hier  zu  vermuthen ,  von 
anmuthigen  Baumgruppen  umgeben.  Zu  demselben  Jahre  bemerkt  Diodor 
aber  auch ,  dass  Dionys  die  Stadt  mit  einer  so  grossen  Mauer  umgab,  dass  sie 
dadurch  die  grösste  alier  griechischen  Städte  wurde.  Da  wir  nun  wissen, 
dass  Dionys  im  Jahre  402,  Ol.  94,  3  die  Nordseite  des  Felsabhanges  von 
Tyche  und  Epipolae  befestigt  hat,  so  müssen  die  um  Ol.  98,  4—385  v.  Chr. 

—  denn  dass  nicht  alles  in  dem  Jahre  gemacht  ist ,  wo  Diodor  es  angiebt, 
versteht  sich  von  selbst  —  errichteten  Mauern  den  Südabhang  nach  dem 
Anapos  zu  geschützt  haben.  Von  dem  Standpunkt,  welchen. die  bildende 
Kunst  in  Syrakus  damals  einnahm,  haben  wir  nur  eine  sichere  Spur ,  da  der 
berühmte  syrakusanische  Widder  in  Palermo  ohne  Grund  in  die  Dionysische  Zeit 
gesetzt  wird:  die  herrlichen  Münzen,  von  denen  die  schönsten  gerade  dieser  Zeit 

—  specieli  dem  ersten  Viertel  des  vierten  Jahrhunderts  v.  Chr.  —  angehören. 
Es  ist  eigen thüm lieh,  dass  gerade  sie,  was  sonst  so  selten  im  Aiterthum  ist, 
Künstlernamen  tragen.  Man  sieht,  dass  die  berühmtesten  und  ausgezeichnet- 
sten syrakusanischen  Stempelschneider  Kimon  und  Euainetos,  die  Schöpfer 
der  Dekadrachmen,  waren ,  von  denen  dieser  auch  für  Katane  gearbeitet  hat. 
Femer  zeichneten  sich  aus:  Eükleidas,  Euthymos,  Eumenos,  Phrygillos, 
Soson ;  in  Kamarina  finden  wir  Exakestidas  und  wiederum  Eumenos ;  in  Ka- 
tane Herakleidas,  Choirion  und  Prokies;  letzteren  auch  in  Naxos.  Aus  dem 
Umstände,  dass  dieselben  Künstler,  die  für  Syrakus  so  herrliche  Werke  schu- 
fen, auch  für  Naxos  und  Katane  gearbeitet  haben,  ergiebt  sich,  dass  im 
Wesentlichen  bereits  um  440 — 400  die  Stempelschneidekunst  in  Sicilien  ihre 
höchste  Höhe  erreicht  hat.  Es  wäre  lohnend,  hier  auch  eine  Betrachtung  ihres 
Emporsteigens  zu  dieser  Höhe,  wie  es  im  Laufe  des  fünften  Jahrhunderts  statt- 
fand, anzuknüpfen,  aber  eine  solche  ist  ohne  Beigabe  der  betreffenden  Abbil- 
dungen unthunlich.  Dagegen  ist  es  ebenso  belehrend  wie  genussreich ,  die 
Reihe  der  syrakusanischen  Tetradrachmen  in  reichen  Sammlungen  zu  durch- 
mustern, und  auch  von  den  übrigen  Städten  bieten  manche,  wie  z.  B.  Kalane 
und  Akragas,  Stoff  zu  interessanten  kunsthistorischen  Betrachtungen. 

Ueber  den  allgemeinen  Bildungsstand  der  Sikelioten  in  der  Dionysischen 
Zeit  haben  wir  bereits  aus  der  Geschichte  des  Philoxenos  ein  sehr  ungünstiges 
Zeugniss  gehört.  Damit  stimmen  die  Nachrichten  in  den  dem  Piaton  zuge- 
schriebenen Briefen  vollkommen  überein ,  wo  geschildert  wird,  wie  dem  Phi- 
losophen das  nur  auf  sinnliche  Genüsse  gerichtete  italische  und  siciiiscbe 
Leben  zuwider  war  und  er  es  für  unmöglich  hielt,  dass  dabei  Jemand  tugend- 
haft und  weise  werden  könne.  Das  Leben  in  diesen  westlichen  griechischen 
Städten  bot  aber  die  grössten  Gegensätze  dar.  Wenn  der  allgemeine  Charakter 
desselben  der  soeben  angegebene  war,  so  gab  es  doch  Menschen,  die  das 
Treiben  der  Welt  nicht  befriedigte,  und  die  nach  Höherem  trachteten.  Dies 
waren  die  Pythagoreer,  die  einen  fest  geschlossenen  Bund  bildeten,  der,  ohne 
sich  absichtlich  in  politische  Angelegenheiten  zu  mischen,  und  ohne  insbeson- 
dere irgendwie  nach  dem  gewaltsamen  Sturze  des  Tyrannen  zu  trachten, 


174  Fünftes  Bach.   X.  Sicilien's  Coltar  unter  der  Dionysischen  IXynastie. 

dennoch  ira  Sinne  der  Freiheit  wirkte.  Von  dem  Tarenliner  Archytas' sahen 
i?iir  schon ,  dass  er  seine  freundschafUicben  Beziehungen  zu  dem  syrakusani- 
sehen  Tyrannen  zu  einer  friedlichen  Umwandlung  der  Verfassung  Yon  Syra- 
kus  zu  benutzen  suchte.  £ine  von  Jamblichos  ausNeantbes,  einem  Schrift- 
steller, der  etwa  um  250  v.  Gbr.  blühte,  erhaltene  Geschiebte  zeigt  recht 
deutlich  den  eigenthUmlichen  Contrast,  in  welchem  die  pythagoreische  Sekte 
zu  dem  Leben  der  damaligen  Zeit  stand.  Es  soll  nämlich  Dionys  der  ältere 
fortwährend  von  dem  entschiedenen  Wunsche  beseelt  gewesen  sein,  mit 
ii^end  einem  Pythagoreer  Freundschaft  zu  schliessen:  aber  afle  seine  Be- 
mühungen waren  umsonst,  mit  dem  Tyrannen  wollte  keiner  etwas  zu  schaffen 
haben.  Um  nun  seine  Absicht  mit  Gewalt  durchzusetzen ,  schickte  er  Enr^- 
menes,  den  Bruder  Dion^s,  mit  30  Soldaten  aus,  um  in  der  Gegend  zwischen 
Tarent  und  Metapont  zu  lauem.  Er  kannte  nSmlich  die  Gewohnheit  der  Py- 
thagoreer, nicht  das  ganze  Jahr  an  demselben  Orte  zu  bleiben,  sondern  den 
Jahreszeiten  angemessen  ihre  Wohnsitze  zu  wechseln.  Als  nun  eine  kleine 
Anzahl  von  Pythagoreern  (etwa  40),  nahe  bei  den  im  Hinterhalte  liegenden 
Soldaten  des  Dtonys  auf  dem  Wege  nach  Metapont  vorbeikamen ,  fielen  diese 
schnell  über  sie  her.  Die  Pythagoreer,  welche  sahen,  dass  sie  den  Bewaffneten 
nicht  Widerstand  leisten  könnten ,  flohen,  und  wären  den  durch  ihre  Waffen 
im  Laufen  behinderten  Soldaten  entkommen ,  wenn  ihr  Weg  sie  nicht  an  ein 
mit  blühenden  Bohnen  bepQanztes  Feld  geführt  hatte.  Es  war  ein  Gebot  des 
Pythagoras,  Bohnen  nie  zu  berühren; und  da  sie  deswegen  nicht  weiter  fliehen 
konnten,  so  ergriffen  sie,  was  sie  fanden,  Stangen  und  Steine,  und  setzten 
sich  damit  zur  Wehr.  Sie  kamen  in  dem  hitzigen  Kampfe  sammtUch  um  aod 
Eurymenes  liess  sie  durch  seine  Leute  begraben,  als  er  noch  zwei  Pythagoreer 
gewahr  wurde ,  die  den  andern  nicht  hatten  folgen  können,  den  Rrotoniaten 
Myllias  und  seine  Frau,  die  Lakedämonierin  Timycha.  Er  liess  sie  greifen  und 
dem  Dionys  bringen,  der  ihnen  glanzende  Anerbietungen  machte,  wenn  sie 
ihm  ihr^  Freundschaft  schenken  wollten.  Sie  schlugen  es  aber  ab,  und  Dionys 
verlangte,  wenigstens  Eines  zu  wissen,  nSmlieh,  weshalb  seine  Freunde  lieber 
gestorben  wären,  als  die  Bohnen  berührt  hatten.  Myllias  erwiderte:  Ich  will 
lieber  Bohnen  anrühren,  als  es  dir  sagen,  lieber  diese  Antwort  erschrak 
Dionys,  und  da  er  überzeugt  war,  dass  er  von  Myllias  nichts  erfahren  würde, 
so  liess  er  ihn  entfernen  und  seine  schwangere  Frau  foltern,  von  der  er  leichter 
etwas  zu  erfahren  hoffte.  Sie  aber  biss  sich  die  Zunge  ab,  um,  wenn  sie  durch 
die  Folterqualen  dazu  gebracht  werden  sollte ,  den  Muth  zu  verlieren,  nicht 
mehr  im  Stande  zu  sein,  das  Geheimniss  zu  verrathen.  Wenn  nun  diese  Cha- 
rakterfestigkeit, die  immerhin,  wenn  auch  die  Geschichte  selbst  nur  theilweise 
wahr  sein  sollte,  die  Eigenthümlichkeit  des  pythagoreischen  Bundes  zeichnel, 
schon  zum  Wesen  des  alteren  Dionys  im  Gegensatze  stand,  wie  vielmehr  zu  dem 
des  jüngeren,  dessen  Streben  nur  auf  Genuss  gerichtet  war!  Hierüber  haben 
wir  eine  interessante  Nachricht  in  einem  Fragniente  des  Aristoxenos,  wo 
der  Lüstling  Polyarchos ,  der  als  Gesandter  des  jüngeren  Dionys  nach  Tarent 
an  Archytas  und  die  Pythagoreer  geschickt  worden  ist,  seine  Ansicht  über 
natürliches  und'  unnatürliches  Leben  auseinandersetzt  und  im  Gegensatz  zu 
dem  Streben  der  Pythagoreer  nach  Tugend  das  Streben  nach  Genuss  als  das 


Luxus  in  Syrakus.    Materielles  Gedeihen. 


175 


allein  natttriiche  bezeichnet.  Da  scheint  ihm  das  Ideal  das  Leben  des  persi- 
schen K(^nigs  zu  sein,  dem  alle  Reich thttmer  Asiens  zu  Gebote  stehen.  Dann 
kommt,  wie  er  meint,  als  zweiter  auf  der  Stufenleiter  der  Glückseligkeit,  aber 
freilich  in  grosser  Entfernung,  sein  Herr,  der  Tyrann  Dionysios.  So  kommen 
auch  hier  wieder  Perserkönig  und  Tyrann  von  Sicilien  zusammen.  Unter  den 
Lastern  des  jüngeren  Dionys  ist  besonders  seine  Trunksucht  bertichtigt  gewe- 
sen ,  und  es  wird  als  ein  besonderer  Beweis  •  von  Gemeinheit  der  Gesinnung 
seiner  Schmeichler  angeführt,  dass  sie  sich  alle  ebenso  kurzsichtig  stellten,  wie 
er  es  durch  das  viele  Trinken  geworden,  war.  Dieselbe  Geschichte  wird  übri- 
gens auch  von  Hieron's  Schmeichlern  erzählt. 

Das  Uel^erhandnehmen  der  sinnlichen  Richtung  unter  der  Dionysischen 
Herrschaft  fand  seinen  Ausdruck  in  dem  Aufschwünge,  welchen  der  Cultus 
des  Dionys  und  der  weiblichen  Gottheiten  in  dieser  Zeit  in  den  der  Familie 
unterworfenen  Landschaften  nahm.  Was  über  das  Verfahren  des  Dionys  in 
Lokri  erzählt  wird,  erklart  sich  nur  dadurch,  dass  der  Tyrann  die  im  Cultus 
der  Stadt  vorhandenen  sinnlichen  Elemente,  die  lange  Zeit  zurückgedrängt 
gewesen  wai'en,  betonte  und  wieder  hervorhob.  Auf  eine  von  oben  herab  be- 
günstigte Verbreitung  des  orgiastischen  Cultus  der  Gottesmutter  deutet  der 
Umstand,  dass  Dionys  sowohl  Piaton  wie  Aristipp  mit  weiblichen  Kleidern 
beschenkt  haben  soll ;  in  seinem  Alter  soll  dann  Dionys  bei  seinem  Aufenthalt 
in  Korinth  selbst  als  Priester  der  Gottesmutter  im  Lande  herumgezogen  sein, 
was  durchaus  nicht  unglaublich  ist.  Wir  haben  endlich  eine  Nachricht,  dass 
es  eine  Statue  des  Dionys,  natürlich  des  jüngeren,  als  Dionysos  gab. 

Wenn  wir  uns  nun  daran  erinnern ,  wie  in  der  letzten  Periode  des  pelö- 
ponnesischen  Krieges  die  Sikelioten  in  Asien  durch  ihre  Rechtschaffeuheit  und 
Uneigennützigkeit  sich  unter  allen  Hellenen  auszeichneten,  so  müssen  wir 
\vieder  und  wieder  die  traurigen  Folgen  der  Dionysischen  Tyrannis  beklagen, 
die  das  geistige  und  das  sittliche  Leben  Siciliens  in  gleicher  Weise  geschä- 
digt hat. 

Der  materielle  Wohlstand  der  Insel  litt  nicht  durch  das  Sinken  des  geisti- 
gen Niveau's,  er  scheint  vielmehr  unter  den  Tyrannen,  soweit  nicht  die  Kriege 
mit  den  Karthagern  es  verhinderten,  ziemlich  erfreulich  gewesen  zu  sein,  ins- 
besondere dürfen  wir  die  Handelsbeziehungen  von  Syrakus  als  im  Aufschwung 
begriffen  ansehen ,  was  schon  durch  die  Unternehmungen  des  älteren  Dionys 
im  adriatischen  Meere,  zu  denen  er  sicherlich  auch  durch  die  dorthin  gerich- 
tete ?ahrt  syrakusanischer  Schiffe  veranlasst  wurde,  bewiesen  wird.  Wir 
sahen ,  dass  es  hier  ganz  im  Norden  dem  Bemsteinhandel  galt,  der  bis  dahin 
mehr  von  tarentinischen  Schiffen  betrieben  worden  zu  sein  scheint.  Noch 
deutlicher  geht  die  Lebhaftigkeit  des  adriatischen  Handels  von  Syrakus  aber 
aus  dem  hervor,  was  über  die  ersten  Regierungsjahre  Dionys  des  jüngeren 
erzählt  wird^  in  denen  er  in  Apulien  zwei  Städte  gründete,  um  auf  dem  ioni- 
schen und  adriatischen  Meere  den  Schiffen  Sicherheit  gegen  die  seeräuberi- 
schen Barbaren  zu  verschaffen.  Diese  StHdte  werden  auch  den  Landverkehr 
in  Apulien  selbst,  und  diesen  ganz  besonders,  zu  vermitteln  gehabt  haben. 
Ferner  ist  uns  durch  eine  Demosthenische  Rede  Verkehr  zwischen  Syrakus 
und  Massalia  bezeugt,  der  auch  vielleicht  in  den  massaliotischen  Münzen  sich 


176  Fünftes  Buch.  Xi.  Dion'9  weitere  Theten  und  s«in  Ende. 

kuod  Ihul,  so  wie  Export  von  Gelreide  von  Syrakus  nach  AUien.  Haodelsver- 
bindungen  Ewischen  Sicilieo,  specieil  Syrakus  und  Spanien,  insbesondere  Em- 
poriae,  möchten  wir  wegen  Aebnllchkeit  der  Münzen  annehmen,  die  allerdings 
besonders  zur  Zeit  des  Timoleon  hervortritt,  und  sodann,  weil  in  Rosas  ia 
Spanien  kleine  syrakusanische  MUnien  in  grosser  Zahl  gefunden  worden  sind. 
Man  darf  sagen,  dass  unter  der  Dionysischen  Tyrannis  Syrakus  das  ma- 
terielle Centrum  der  Weslhetlenen  war,  das  nach  eilen  Seilen  seine  müchtigeo 
Arme  ausstreckte  und  auch  durch  manche  KunstUbung  überall  imponirle. 
An  Grösse  und  an  Glanz  scheint  aber  in  der  Periode  zwischen  dem  Sluiie 
Akragas'  und  demjenigen  Athen's  einerseits  und  dem  Aufkommen  Alexandria's 
andererseits  die  Stadt  Syrakus  alle  anderen  Städte  nicht  nur  von  Hellas,  son- 
dern  der  Länder  des  Mitte Imeeres  überhaupt  tibertroffen  zu  haben.  Was  Athen 
im  fünften  Jalirhundert  v.  Chr.,  was  Alexandria  im  dritten,  zweiten  und  ersten, 
was  Rom  seit  Augustus,  das  war  Syrakus  im  vierten  Jahrhundert  v.  Chr.,  die 
Stadt,  auf  die  man  von  allen  Seiten  mit  Bewunderung  blickte.  Dass  freilich 
derj Glanz  einer  Weltstadt,  insofern  er  vorzugsweise  einem  Fürsten  verdankl 
wird,  kein  reiner  ist  und  von  den  Einwohnern  selbst  mit  den  grttsslen  Opfern 
erkauft  werden  muss,  das  bat  in  neuester  Zeil  Paris  gezeigt. 


Elftes   Kapitel. 

Biony's  weit«r«  Thsten  tuid  Min  Ende. 

Die  Tyrannei  des  Dionys  war  von  den  Bürgern  nicht  durch  eigene  Krall 
gestürzt  worden  ;  fremde  Söldner  hatten  das  beste  gelhan.  Freilich  waren  es 
keine  Barbaren,  wie  die  meisten  derer,  welche  dem  Tyrannen  dienten,  aber 
sie  hatten  darum  kein  grösseres  Interesse  fUr  die  Freiheit  der  Stadt,  ja  nicfai 
einmal  dauernde  AnhaDglichkeit  anDion,  dem  sie  nur  dienten,  weil  er  gut 
zahlte.  Dion  selbst  befand  sich  von  vornherein  in  einer  falscbeu  Stellung.  Er 
hatte  die  Syrakusaner  aufgefordert,  die  Freiheit  zu  gründen ,  aber  er.  den  sie 
zu  ihrem  Feldherrn  erwählt  halten ,  war  einer  der  nächsten  Verwandten  des 
Tyrannen,  ehemals  wegen  seines  Stolzes  bekannt,  und  jetzt,  trotzdem  dass 
er  den  Tyrannen  bekämpfte,  selbst  von  einer  Leibwache  umgeben.  Wares 
den  Syrakusanem  zu  verargen ,  wenn  sie  kein  unbedingtes  Vertrauen  zu  ihm 
fassen  konnteji?  Wer  vermochte  überdies  zu  sagen,  in  welchem  Sinne  Dion 
das  Wort:  Befreiung  von  Syrakus,  verstand'?  Allerdings  handelte  es  sich  zu- 
nächst Docb  um  den  Sturz  des  Dionys,  aber  was  sollte  geschehen,  wenn 
Dionys  gestürzt  war?  Dion  sprach  sieb  darüber  noch  nicht  aus,  und  man  war 
auf  Vermuthungen  angewiesen.  Wollte  Dion  den  Syrakusanern  allein  die 
Ordnung  [ihrer  Angelegenheiten  überlassen?  Des  war  kaum  anzunehmen. 
Und  wenn  er  selbst  Einfluss  auf  dieselben  behielt ,  hatte  da  nicht  Syrakus, 
statt  frei  zu  werden,  einfach  den  Herren  gewechselt? 


Dion  und  seine  Gegner.  177 

Dionys  sah  das  Zweideutige  in  der  Stellung  seines  Schwagers,  und  suchte 
es  für  seine  Zwecke  zu  benutzen.  Wahrend  er  seine  gefallenen  Söldner  pracht- 
voll, mit  Purpurgewändern  und  goldenen  Kränzen  geschmückt,  bestalten  Hess 
und  an  die  übrigen  grosse  Belohnungen  vertheiite,  Hess  er  unter  Briefen,  die 
von  den  Frauen  seiner  Familie  geschrieben  waren,  auch. einen  an  Dion  gelan- 
gen, der  der  Aufschrift  nach  von  Dion's  Sohn,  Hipparinos  (nach  Timaios  Are- 
taios)  war.  Die  andern  Briefe  wurden  sogleich  Öffentlich  verlesen,  den  Brief 
des  Sohnes  wollte  das  Volk  anfangs  nicht  hören ,  aber  Dion  bestand  darauf, 
dass  er  erbrochen  und  öffentlich  verlesen  werden  sollte,  und  da  zeigte  sich, 
dass  er  von  Dionys  selber  war  und  darauf  berechnet,  Dion  beim  Volke  zu 
verdächtigen.  Dionys  erinnerte  seinen  Schwager  darin  an  alles,  was  er  früher 
zur  Yertheidigung  der  Tyrannis  gethan  hatte ,  drohte ,  er  werde  sich  an  der 
Familie  Dion's ,  die  in  seinen  Händen  war ,  für  das ,  was  er  gegen  ihn  unter- 
nehme, rächen,  und  stellte  ihm  endlich  in  Aussicht,  wenn  er  sich  mit  ihm 
gegen  das  Volk  verbinden  wolle ,  Theilnehmer  seiner  Herrschaft  zu  werden ; 
es  sei  ein  undankbares  (Geschäft,  Menschen  zu  befreien,  von  denen  man  doch 
nur  gehasst  werde.  Die  List  des  Dionys  verfehlte  ihren  Zweck  nicht  ganz. 
Das  Volk  begann  zu  fürchten,  dass  Dion  es  nicht  ehrlich  meine,  und  von  die- 
sem Augenblick  beginnt  der  bald  offene,  bald  stille  Kampf  zwischen  Dion  und 
der  Majorität  der  Syrakusaner,  der  Dion  das  Leben  und  Syrakus  die  Freiheit 
gekostet  hat.  Das  Volk  sah  sich ,  noch  im  Beginne  des  grossen  Kampfes  mit 
dem  Tyrannen,  nach  andern  Führern  um.  Da  bot  sich  ihm  Herakleides  dar, 
der  sich  im  Peloponnes  an  Dion  angeschlossen ,  ihn  aber  dann  hatte  voraus- 
fahren lassen ,  um ,  wenn  Dion  erst  sein  Glück  versucht  haben  würde ,  mit 
besserer  Aussicht  auf  Erfolg  als  selbständiger  Helfer  zu  erscheinen.  Herakleides 
war,  wenn  wir  uns  auf  die  im  siebenten  platonischen  Briefe  gegebenen  Nach- 
richten verlassen  können ,  seiner  Feldherrnstelle  im  Dienste  des  Dionysios  zur 
Zeit  des  zweiten  Aufenthaltes  Platon^s  beim  jüngeren  Dionys  dadurch  verlustig 
geworden,  dass  er,  als  eine  Anzahl  von  Söldnern  sich  wegen  einer  von  dem 
Tyrannen  beabsichtigten  Herabsetzung  des  Soldes  empört  hatte ,  in  den  Ver- 
dacht gekommen  war,  diese  Empörung  angestiftet  zu  haben.  Er  kam  kurze 
Zeit  nach  dem  Siege  Dion's  über  die  Truppen  des  Tyrannen  mit  7  Trieren 
und  3  Transportschiffen  nach  Plularch,  mit  20  Trieren  und  4500  Soldaten 
nach  Diodor,  in  Syrakus  an,  wusste  sich  bald  beim  Volke  durch  dieselben 
Künste,  die  ihn  zu  einem  guten  Tyrannendiener  gemacht  hatten ,  beliebt  zu 
machen  und  blieb  anfangs  mit  Dion  in  gutem  Einvernehmen. 

Der  Krieg  mit  Dionys  wurde  das  Jahr  357  hindurch  weiter  durch  keine 
merkwürdigen  Vorfälle  bezeichnet.  Die  Syrakusaner  verschafften  sich  eine 
Flotte,  während  Dionys  zur  See  allerdings  noch  mächtig  war,  aber  dennoch 
nicht  viel  ausrichtete.  Freilich  war  der  grösste  Tbeil  seiner  Flotte  mit  Philistos 
in  Italien ;  es  ist  aber  schwer  einzusehen,  weshalb  sie]  nicht  eher  zurückkam, 
oder  wenn  sie  dort  zur  Verhinderung  der  vielleicht  noch  aus  Griechenland  zu 
erwartenden  Hülfe  für  die  Syrakusaner  nicht  entbehrt  werden  konnte ,  wes- 
halb Dionys  nicht  auf  eine  andere  Weise  für  eine  Flotte  in  der  Nähe  seiner 
Hauptstadt  sorgte.  Die  Syrakusaner  erwählten  Herakleides  zum  Befehlshaber 
ihrer  allmählich  anwachsenden  Seemacht,    von  der  sie  grosse  Erwartungen 

H  0 1  n ,  Gesch.  Sicilien«.  11.  1 2 


178  Klinnes  Buch.  XI.  Dion's  weiten  Thateo  und  sein  Ende. 

b^ten,  und  diese  Wahl  legte  den  ersten  Grund  2u  den  traurigen  Zwistigkeilen 
zwischen  Dion  uod  Herakleides.  Dion  beklagte  sieb  tlber  die  Wahl  als  über 
einen  Eingriff  in  die  ihm  übertragenen  Reofate  und  nOlhigte  das  Volk,  sie 
wieder  zurückzunehmen.  Dann  liess  er  Herakleides  in  sein  Haus  kommen, 
machte  ihm  Treundschaftliche  Vorwürfe,  dass  er  sieb  von  seinem  Ehi^eize 
habe  verleiten  lassen ,  auf  die  WUnscbe  des  Volkes,  die  nur  seiner  volistBndi- 
gen  Befreiung  hinderlich  sein  konnten,  eintugehen,  und  ernannte  ihn  scbltess- 
lieb  selbst  in  einer  neuen,  eigens  zusammenberufenen  Versammlung  cum  Ad- 
miral,  veranlasste  auch  das  Volk,  ihm  eine  ähnliche  Leibwache  zu  bewilligen, 
wie  er  selber  sie  balle.  Ohne  Zweifel  war  Dion  im  Rechte,  wenn  er  die  Ein- 
heit des  Oberbefehls  aufrecht  hielt,  aber  sein  Verfahren  musste  Herakleides 
beleidigen.  Von  nun  an  stellte  sieb  dieser  zwar,  als  ob  er  dem  Dioa  durchaus 
ergeben  sei,  insgeheim  aber  verleumdete  er  ihn,  und  madite  den  Argwohn, 
der  im  Volke  einmal  erweckt  war,  durch  seine  Uqilriebe  immer  von  neuem 
wieder  rege.  Bald  fanden  sich  auch  andere ,  die  einen  Vortbeil  darin  sahen, 
Dion  anzufeinden  und  seine  Beseitigung  zu  versuchen.  Ein  gewisser  Sosis 
trat  eines  Tages  in  der  Volksversammlung  auf',  wies  mit  hfibnischen  Worten 
darauf  hin,  dass  die  Syrakusaner,  nicht  zufrieden  mit  einem  trunkenen  und 
schläfrigen  Tyrannen,  im  Begriffe  wären,  sieb  einen  wachen  und  sehr  beson- 
Qenen  zu  geben ,  und  bezeichnete  endlich  mit  dürren  Worten  Dion  als  den 
Feind  des  Volkes.  Am  andern  Tage  stürzte  er  mit  blutendem  Kopfe  auf  den 
Harkt  und  schrie,  dass  ihn  einige  von  den  Stfidnern  Dion's  so  zugericblel 
hätten.  Schon  begann  das  Volk  aufgeregt  zu  werden,  als  Dion  in  der  Ver- 
sammlung erschien  und  durch  einige  wohl  überlegte  Worte  die  Menge  be- 
ruhigle. Sosis,  sagte  er,  sei  der  Bruder  eines  der  Leibwächter  des  Tyranneo, 
und  es  sei  das  Ganze  off'enbar  nur  darauf  angelegt,  das  Volk  seines  Fahrers 
zu  berauben  und  so  die  Tyrannen  wieder  einzusetzen.  Nun  fanden  sich  auch 
andere  Beweise  des  Betruges.  Aerzte  untersuchten  die  Wunde  und  fanden  sie 
viel  zu  oberflächlich,  als  dass  sie  von  einem  Schwertbiebe  herrühren  konnte. 
Es  war  eine  Wunde ,  die  Jemand  sich  selber  beibringt,  der  vor  Schmerz  auf- 
bort und  wieder  ansetzt  und  doch  nicht  tief  schneidet.  Endlich  kamen  auch 
Leute  mit  einem  Scheermesser ,  das  sie  da  unter  einem  Felsen  gefunden,  wo 
Sosis  nach  seiner  eigenen  Behauptung  von  den  Soldaten  überfallen  war.  Nun 
'  sagten  auch  einige  seiner  Sklaven  aus,  dass  er  mit  dem  Scheermesser  in  der 
Nacht  aus  dem  Hause  gegangen  sei ;  und  das  Volk  sah  ein ,  dass  es  gelauscht 
war.  Sosis  wurde  zum  Tode  verurtheilt.  Dennoch  blieb  die  Stimmung  gegen 
die  Sttldner  eine  feindliche,  und  da  inzwischen,  besonders  seil  dem  Anfange 
des  Jahres  336  v.  Chr.,  die  Hauptentscheidung  vom  Lande  auf  die  See  ttbei^ 
gegangen  zu  sein  schien ,  so  begann  man ,  die  Söldner  als  eine  überflüssige 
Last  zu  betrachten. 

Und  allerdings  wurde  das  Schicksal  des  Dionys  zur  See  entschieden. 
Philistos  rüstete  60  Kriegsschiffe  ans  und  lieferte  mit  ihnen  einer  gleichen 
Zahl  syrakusanischer  Schiffe,  welche  Herakleides  befehligte,  eine  Seeschlacht. 
Anfangs  war  Philistos  im  Vortheil ,  endlich  aber  siegten  die  Syrakusaner,  und 
Philistos  fand  seinen  Tod.  Nach  Ephoros  tadtete  er  sich  mit  eigener  Hand,  um 
nicht  seinen  Feindeo  in  die  Hände  zu  fallen,  nach  Timonides,  dem  Begleiter 


Tod  des  Pbilistos.  Dion  nach  Leontini.  179 

Dion's,  der  dem  Speusipp  einen  Bericht  über  die  Begebenheiten  in  Sicilien 
abstattete,  wurde  das  Schiff,  auf  welchem  sich  Philistos  befand,  an^s  Land 
getrieben  und  er  selbst  gefangen  genommen.  Da  sollen  Ihn  die  Feinde  zuerst 
verhöhnt,  dann  ihn  getödtet  und  seinen  Leichnam  Knaben  gegeben  haben,  die 
ihn  durch  die  Achradina/ schleiften  und  in  die  Latomien  warfen.  Nach  Timaios 
schleiften  sie  die  Leiche  bei  dem  lahmen  Fusse  durch  die  Stadt ,  im  Andenken 
an  das  Wort,  das  er  zum  älteren  Dionys  gesprochen  haben  soll,  ein  Tyrann 
müsse  den  Fuss  nachschleifen ,  wenn  man  ihn  aus  der  Herrschaft  verdrängen 
wolle.  Nach  dem  Tode  des  alten  Philistos  hatte  Dionys  keinen  Feldherrn  mehr, 
auf  den  er  sich  verlassen  konnte ,  und  er  ftthlte  sich  selbst  nicht  im  Stande, 
den  Krieg  weiter  zu, führen.  Er  machte  deshalb  dem  Dion  das  Anerbieten, 
ihm  die  Burg  unter  gewissen  Bedingungen«  zu  denen  ausser  freiem  Abzüge 
besonders  der  Genuss  eines  am  Meere  gelegenen ,  Gyas  genannten  Landgutes 
gehörte,  zu  überliefern.  Dion  wies  ihn  an  die  Syrakusaner,  welche  in  der 
Hoffnung,  den  Tyrannen  gefangen  nehmen  zu  können,  von  keinen  Bedingun- 
gen hören  wollten.  Da  entfernte  sich  der  Tyrann  heimlich  mit  einigen  Be- 
gleitern und  seinen  Schätzen  aus  der  Burg,  wo  er  die  Söldner  und  seinen 
Sohn  Apollokrates  zurückliess,  und  entkam  zu  Schiff  nach  Italien.  Nun  ent- 
stand in  Syrakus  grosse  Verwirrung.  Viele  tadelten  Herakleides  heftig,  dass 
er  seine  Pflicht  als  FlottenfUhrer  versäumt  und  den  Tyrannen  habe  entkommen 
lassen,  und  Herakleides  wusste  wieder  das  Volk  gegen  Dion  aufzustacheln.  In 
seinem  Auftrage  musste  ein  Volksführer ,  Namens  Hippon ,  die  alte  Massregel 
der  Neuvertheilung  sämmtlicher  Ländereien  unter  alle  Büi^er  beantragen. 
Dion  widersprach,  aber  das  Volk  stimmte  bei,  und  da  es  einmal  den  Math  ge- 
habt, gegen  Dion's  Willen  eine  Massregel  zu  beschliessen ,  so  ging  es  gleich 
einen  Schritt  weiter  und  enthob  Dion  seines  Amtes  als  Feldherm.  Man  glaubte 
seiner  nicht  mehr  zu  bedürfen.  Den  Söldnern  wurde  der  Sold  verweigert  und 
eine  Versammlung  berufen ,  in  welcher  an  Dion's  Stelle  S5  neue  Feldherrn 
erwählt  werden  sollten.  Wir  erfahren,  dass  keine  bösen  Omina,  die  fortwäh- 
rend eintraten,  wie  z.  B.  Ungewitter,  ein  wüthender  Ochse,  der  die  Volksver- 
sammlung im  Theater  aus  einander  trieb,  das  Volk  von  seinem  Entschluss  ab- 
bringen konnte.  Unter  den  25  neuen  Feldherren  war  auch  Herakleides.  Jetzt 
wurden  sogar  Versuche  gemacht,  die  Söldner  unter  dem  Versprechen  der 
Theilnahme  an  den  bürgerlichen  Rechten  von  Dion  abzuziehen ,  und  als  sie 
ohne  Erfolg  blieben  und  die  Söldner,  unter  Dionys  Führung,  nach  Leontini 
abzogen,  schaarte  sich  der  Pöbel  zusammen  und  machte  Miene,  über  sie  her- 
zufallen. Bitten  und  Beschwörungen  Dion's,  der  darauf  hinwies,  wie  die  Sol- 
daten des  Tyrannen  auf  den  Mauern  der  Burg  ständen  und  sich  über  die  Un- 
einigkeit ihrer  Feinde  von  Herzen  freuten,  fruchteten  nichts;  als  aber  die 
Söldner,  ohne  die  Waffen  zu  brauchen,  mit  Geschrei  sich  gegen  die  tumultua- 
rische  Menge  wandten^  zerstreuten  sich  die  Volkshaufen,  und  Dion  konnte  mit 
den  Seinen  ungehindert  die  Stadt  verlassen.  Statt  sich  zu  schämen,  dass  sie 
Dion  angegriffen ,  schämten  sich  die  Syrakusaner  vielmehr,  dass  der  Angriff 
nicht  gelungen  war,  und  sie  erneuerten  ihn,  ohne  dass  die  Feldherm  es  zu 
verhindern  suchten.  Beim  Uebergang  über  einen  Fluss  fielen  sie  mit  grosser 
Uebermacht  Dion  an,  aber  ein  kräftiger  Angriff  der  Söldner  genügte,  um  sie 

12* 


180  Füaftes  Buch.  XI.  Dion's  weitere  Thatea  und  sein  Ende. 

zum  zweiten  Male  in  die  Flucht  zu  jagen.  Manche  fielen ,  viele  wussten  sieb 
durch  das  Voi^eben,  dass  sie  eigentlich  für  Dion  seien ,  dem  Tode  zu  ent- 
ziehen, und  endlich  gab  Dion  alle  Gefangenen  ohne  Lösegeld  frei. 

Wahrend  Dion  in  Leontini  gute  Aufnahme  fand  und  die  Stimmung  in  den 
übrigen  griechischen  Städten  der  Insel  ebenfalls  ihm  günstig  war,  stieg  in  Sy- 
rakus  die  Zuversicht  immer  höher.  Das  Volk  meinte  schon  alles  erreicht  za 
haben ,  und  doch  sollte  es  seine  Schw&che  bald  genug  bitter  empfinden.  Es 
war  Nypsios  aus  Neapel  von  Dionys  mit  Schiffen,  Geld  und  Lebensmitteln  der 
Besatzung  der  Burg  zu  Hülfe  geschickt  worden,  und  die  Syrakusaner  hatten  das 
Glück  gehabt,  ihn  in  einer  Seeschlacht  zu  besiegen,  in  der  er  vier  Schiffe  ver- 
lor. Nun  dachten  sie  an  nichts  als  an  Festlichkeiten ,  und  über  Jubel  und 
Trinkgelagen  versäumten  sie  die  Bewachung  der  Posten ,  ohne  dass  die  Feld- 
herren, die  nur  die  Bolle  von  Dienern,  des  Pöbels  spielten ,  etwas  dagegen  zu 
thun  vermochten.  Diesen  Zustand  der  Dinge  benutzte  Nypsios  zu  einem 
Ueberfalle.  Mit  den  Soldaten,  die  in  der  Burg  waren,  und  deren  Zahl  40,000 
überstieg ,  bemächtigte  er  sich  in  einer  Nacht ,  wahrscheinlich  gegen  Tages- 
anbruch ,  der  von  Dion  angelegten  Mauer ,  und  nun  drangen  seine  Banden  in 
die  Stadt,  wo  die  überraschten  Bürger  nur  schlecht  Widerstand  leisteten.  Die 
Feldherren  waren  vollkommen  rathios.  Die  Soldaten  überwanden  die  einzeln 
sich  gegen  sie  Vertheidigenden ,  brachen  in  die  Häuser  und  raubten  und 
plünderten  dort.  Fast  die  ganze  Stadt  fiel  in  die  Hände  der  Söldner, 
nur  das  Plateau  von  Achradina  hielt  sich  noch.  In  dieser  Lage  überkam  die 
Syrakusaner  das  Gefühl  ihrer  Hülflosigkeit,  und  zuerst  von  wenigen,  dann 
von  immer  mehreren  wurde  der  Name  Dion's  ausgesprochen ,  als  des  einzigen 
Betters  aus  der  Noth.  Es  blieb  nichts  anderes  übrig,  als  ihn  um  Hülfe  zu 
ersuchen,  und  es  wurden  zu  diesem  Zwecke  von  den  syrakusanischen  Reitern 
Hellanikos  mit  vier  andern  ,  von  den  Verbündeten  Archonides  und  Telesides 
nach  Leontini  geschickt,  wo  sie  gegen  Abend  ankamen.  Unter  Tbränen  er- 
zählten sie  dem  Dion  das  Vorgefallene,  und  als  nun  auf  die  Nachricht,  dass 
aus  Syrakus  wichtige  Botschaften  angelangt  seien,  viele  von  den  Söldnern  und 
eine  grosse  Zahl  Leontiner  in  Dion's  Hause  zusammenströmten ,  beschworen 
sie  auch  die  Söldner,  das  ihnen  angethane  Unrecht  zu  vergessen,  da  die  Syra- 
kusaner ja  schon  härter  dafür  bestraft  worden  seien ,  als  sie  es  selbst  ge- 
wünscht haben  würden.  Alle  blickten  auf  Dion  und  erwarteten  gespannt 
seine  Entscheidung ;  als  er  dann  heftig  ergriffen  erklärte,  dass  er  es  für  seine 
Pflicht  halte,  seinen  Mitbürgern  beizustehen,  waren  sie  ebenfalls  dazu  be- 
reit, und  Dion  be^chloss,  noch  in  der  Nacht  mit  ihnen  nach  Syrakus  aufzu- 
brechen. 

Um  dieselbe  Zeit,  wo  Dion  sich  zum  Marsche  rüstete,  zogen  sich  die  Sol- 
daten des  Tyrannen  wieder  zur  Nachtruhe  in  die  Burg  zurück,  und  die  Volks- 
führer  hielten  die  Gelegenheit  für  passend,  um  die  Berufung  Dion's  rückgängig 
zu  machen.  Das  Volk  scheint  auch  hierzu  seine  Zustimmung  gegeben  zu 
haben.  Aber  während  die  Feldherren  Dion  Boten  entgegensandton ,  um  ihn 
zur  Umkehr  aufzufordern ,  sandten  die  Beiter  und  die  übrigen  angesehenen 
Bürger  zu  ihm,  er  möchte  doch  jedenfalls  nach  Syrakus  kommen.  Da  indess 
die  Gegner  Dion's  die  Thore  besetzt  hielten ,  so  würde  er  nicht  in  die  Stadt 


Schlacht  in  Syrakus.   Dion  wieder  Feldherr.  Igl 

gelangt  sein,  wenn  nicht  Nypsios  gegen  Morgen  wieder  mit  seinen  Soldaten 
aus  der  Burg  hervorgebrochen  wäre  ubd  nunmehr  auch  den  Versuch  gemacht 
hätte,  Syrakus  in  Brand  zu  stecken.  Pion  war  langsamer  marschirt,  sobald  er 
die  Nachricht  empfangen  hatt^ ,  dass  die  Soldaten  wieder  in  die  Burg  zurück- 
gekehrt seien.  Bald  aber  kamen  Boten  mit  der  Meldung,  dass  es  noch  schlim- 
mer stehe  als  am  vorigen  Tage ,  und  endlich ,  als  Dion  noch  60  Stadien  vom 
Thore  entfernt  war,  kam  der  Bruder  des  Herakleides  mit  seinem  Oheim  Theo- 
dotes,  von  Herakleides  geschickt,  Dion  entgegen,  flehentlich  bittend,  möglichst 
schnell  zu  kommen ,  da  Herakleides  selbst  verwundet  sei  und  Niemand  mehr 
den  Feinden  Widerstand  leisten  könne.  Nun  liess  Dion  die  Seinen  so  schnell 
als  möglich  vorwärts  eilen  und  erreichte  die  Stadt  bei  dem  Thore ,  welches 
von  den  sechs  auf  einander  folgenden  Oeffnungen  Hexapyla  genannt  wurde. 
Hier  fand  er  Tausende  von  Greisen,  Weibern  und  Rindern  ihn  erwartend,  die 
ihn  auf  die  rührendste  Weise  beschworen,  die  Stadt  zu  retten.  Nahe  dem 
Thore  lag  ein  Raum ,  welcher  den  Namen  Hekatompedos  führte ;  hier  ordnete 
er  seine  Truppen,  reihte  die  zu  ihm  gestossenen  Syrakusaner  ein  und  sandte 
die  leichten  Truppen  voraus,  um  den  Bedrängten  Muth  zu  machen.  Dann  zog 
er  unter  grossem  Jubel  des  Volkes  durch  die  Stadt  vorwärts  gegen  die  Feinde. 
Es  war  aber  schwer  sich  einen  Weg  zu  ihnen  zu  |>ahnen ,  da  überall  Häuser 
in  Flammen  standen  und  brennende  Trümmer  auf  die  Strasse  stürzten.  End- 
lich gelang  es  ihm,  durch  Rauch  und  Flammen  zu  ihnen  vorzudringen,  und 
nun  bedurfte  es  keiner  grossen  Anstrengung  mehr.  Die  Dionysischen  Söldner^ 
die  ja  schon  durch  das  Anzünden  der  Stadt  gezeigt  hatten ,  dass  sie  sie  nicht 
zu  behaupten  gedachten,  zogen  sich  in  die  Burg  zurück. 

Die  erste  Sorge  der  Syrakusaner  war ,  die  weitere  Verbreitung  der  Flam- 
men zu  verhindern,  aber  welchen  Anblick  bot  nun  die  Stadt  dar!  Ueberall 
Trümmer  und  Leichen,  kaum  war  das  grosse  und  prachtvolle  Syrakus  wieder- 
zuerkennen. Als  der  Schutt  einigermassen  aufgeräumt  war  und  man  anfing, 
sich  wieder  wohnlich  einzurichten,  bedachte  man  die  politische  Lage.  Die 
Syrakusaner  sahen  den  Beweis  ihrer  Unfähigkeit ,  sich  aus  eigener  Kraft  zu 
befreien ,  vor  Augen ;  es  war  allen  klar  geworden ,  dass  sie  ohne  Dion  nichts 
vermochten.  Dion  musste  ihr  Feldherr  bleiben;  aber  er  war  durch  die  Ret- 
tung der  Stadt  mehr  geworden  als  das,  er  war  jetzt  ihr  Herrscher.  Mit  Be- 
sorgniss  erwarteten  seine  bisherigen  Gegner  seine  Entschlüsse.  Wie  würde  er 
wohl  mit  den  Volksführern  verfahren?  Die  übrigen  entflohen  aus  Furcht  vor 
seiner  Rache ,  Herakleides  und  Theodotes  aber ,  die  auf  die  Nachsicht  Dion^s 
rechneten ,  überlieferten  sich  ihm  freiwillig.  Lebhaft  wurde  ihm  von  seinen 
Freunden  vorgestellt,  er  möchte  diese  Gelegenheit  benutzen,  die  Soldaten 
durch  die  Auslieferung  des  Herakleides  zu  befriedigen  und  die  Stadt  von 
einem  schlimmen  Demagogen  zu  befreien.  Dion  aber  wollte  solchen  Rath 
nicht  befolgen.  Ich  habe,  sagte  er,  von  Piaton  gelernt,  dass  der  schwerste  und 
ruhmvollste  Kampf  der  gegen  die  eigene  Leidenschaft  ist,  und  dass  der  Sieg 
über  dieselbe  sich  dadurch  zu  beweisen  hat,  dass  man  gegen  seine  Feinde  mild 
und  versöhnlich  verfährt.  Wenn  Herakleides  aus  Neid  treulos  und  schlecht  ge- 
worden ist,  soll  Dion  aus  Zorn  ebenso  schlecht  werden  ?  Wie  sollte  ein  Mensch 
so  roh  sein ,  dass  er  nicht  gegen  den ,  der  ihn  fortwährend  mit  Wohlthaten 


1S2  Fünftes  Buch.   XI.  Dion's  weitere  Thatea  ttod  seio  Ende. 

überhäuft,  endlich  seinen  Hass  ablegte?  So  entging  Herakleides  der  drohenden 
Gefahr,  weil  Dion  sich  nicht  dazu  entschliessen  konnte,  öfifentiiche  Verbältnisse 
nach  andern  Gesichtspunkten  zu  bebandeln,  als  denen  der  abstracten  Moral. 

Dion  sah,  dass  die  erste  Arbeit  die  sein  musste,  die  grt^sstenlheils  von 
den  Soldaten  des  Nypsios  zerstt^rte  syrakusanische  Verschanzung  wieder  her- 
zustellen. Weil  aber  ein  Mauerbau  geraume  Zeit  in  Anspruch  nahm,  ^iess  er 
sämmtliche  Syrakusaner,  jeden  einen  Pfahl  zuhauen  und  dahin  tragen,  wo  die 
Verschanzung  stehen  sollte,  und  seine  Söldner  errichteten  sie  dann  unter 
seiner  Aufsicht  in  einer  einzigen  Nacht,  so  dass  Syrakusaner  wie  Feinde  die 
Schnelligkeit  der  Ausführung  bewunderten.  Nach  dem  feierlichen  Begräbnisse 
der  Gefallenen  und  der  Auslosung  der  ungefiihr  2000  in  die  Burg  geschlepp- 
ten Bürger^  berief  er  eine  Volksversammlung,  in  welcher  Herakleides  ihn 
als  unumschränkten  Befehlshaber  zu  Wasser  und  zu  Lande  vorschlug.  Der 
bessere  Theil  der  Syrakusaner  stimmte  zu ,  die  Seeleute  aber,  entschiedene 
Demokraten,  denen  Dion  zu  vornehm  war,  und  die  von  Uerakleides  ihre  Lo- 
sung empfangen  hatten ,  schrieen ,  dass  Herakleides  den  Oberbefehl  zur  See 
haben  müsse.  Dion  gab  in  diesem  Punkte  nach,  widerstand  aber  dem  Willen 
der  Syrakusaner  in  einer  andern  Angelegenheit.  Als  das  Volk  zur  Vertheilung 
der  Ländereien  und  Häuser  schreiten  wollte ,  brachte  er  es  dahin ,  dass  der 
früher  gefasste  Beschluss  wieder  aufgehoben  wurde.  Er  ward  dadurch  so- 
gleich wieder  bei  dem  niederen  Volke  uxibeliebt,  und  Herakleides  wusste  dies 
zu  benutzen.  Er  ging  mit  der  Flotte  nach  Messana  und  hielt  dort  Volksver- 
sammlungen, in  denen  er  die  Seeleute  gegen  Dion,  der  nach  der  Tyrannis 
strebe,  aufreizte,  während  er  zu  gleicher  Zeit  selbst  durcS  den  Spartaner 
Pharax  ein  heimliches  Einverständniss  mit  Dionys  anknüpfte.  Durch  diese 
Umtriebe  entstanden  so  heftige  Streitigkeiten  im  Heere,  dass  sogar  die  Ver- 
proviantirung  von  Syrakus  litt  und  Dion  von  seinen  Freunden  die  schärfsten 
Vorwürfe  hören  musste ,  dass  er  nichts  thue ,  um  einen  so  unruhigen  Kopf, 
wie  Herakleides,  unschädlich  «zu  machen. 

Pharax  scheint  für  Dionys  ein  Heer  in  Sicilien  selbst  geworben  zu  haben, 
mit  welchem  er  in  der  Nähe  der  akragantinischen  Stadt  Nea  ein  Lager  auf- 
schlug. Dion  führte  die  Syrakusaner  gegen  ihn ,  schob  aber  eine  Schlacht 
längere  Zeit  auf.  Darüber  erhob  sich  grosses  Geschrei  von  Herakleides  und 
den  Seeleuten,  welche  mit  der  Flotte  die  Operationen  des  Landheeres  unter- 
stützten und  nunmehr  behaupteten,  Dion  ziehe  nur  deshalb  den  Krieg  in  die 
Länge,  um  desto  länger  Oberbefehlshaber  zu  sein.  Dion  hielt  es  für  eine 
Ehrensache,  nun  schnell  eine  Schlacht  zu  liefern.  Er  unterlag  jedoch ,  weil 
die  Truppen  seine.  Anordnungen  nicht  unbedingt  befolgten.  Indess  war  die 
Niederlage  unbedeutend,  und  er  hatte  schon  wieder  alles  auf  den  nächsten 
Tag  zu  einer  neuen  Schlacht  bereit  gemacht,  als  er  um  Sonnenuntei^ang  die 
Nachricht  empfing,  dass  die  Flotte  nach  Syrakus  abgefahren  sei.  Er  sah,  dass 
Herakleides  es  darauf  abgesehen  hatte ,  ihn  aus  der  Stadt  aüszuschliessen, 
versammelte,  schnell  entschlossen,  seine  tüchtigsten  Leute,  und  ritt  mit  ihnen 
in  solcher  Eile  nach  Syrakus,  dass  er  die  700  Stadien,  die  ihn  von  dieser  Stadt 
trennten,  eher  zurückgelegt  hatte,  als  die  Flotte  dort  angekommen  war. 

Was  aus  dem  Kriege  mit  Pharax  wurde ,  wissen  wir  nicht ;  wahrschein- 


Auflösung  der  Flotte.  183 

lieb  lief  sein  Heer  aus  einander.  Herakleides  fuhr  mit  der  Flotte  ab  und  fand 
einen  andern  Spartaner,  der  sich  eine  Zeitlang  zu  seinem  Werkzeuge  hergab. 
Es  war  Gaisylos,  welcher  vorgab ,  aus  Lakedämon  gekommen  zu  sein,  um, 
wie  einst  Gylippos,  die  Syrakusaner  zu  oommandiren.  Dion  Hess  sich  jedoch 
durch  den  Spartaner,  der  von  einem  Herolde  des  Herakleides  angemeldet 
wurde,  nicht  irre  machen.  Es  gebe  genug  Syrakusaner,  welche  im  Stande 
seien,  den  Befehl  zu  führen,  und  wenn  durchaus  ein  Spartaner  nOthig  sei,  so 
sei  er  selber  ein  solcher.  Er  hatte  bekanntlich  das  spartanische  Bürgerrecht. 
Gaisylos  war  vernünftig  genug,  einzusehen,  dass  hier  nichts  auszurichten  sei. 
Er  glaubte^  Herakleides  einen  bessern  Dienst  zu  leisten,  wenn  er  ihn  mit  Dion 
versöhnte.  Herakleides  schwur  die  höchsten  Eide,  dass  er  dem  Dion  treu 
bleiben  werde,  und  Gaisylos  verbürgte  sich  für  ihn.  Zugleich  wurde ,  wohl 
auf  Antrieb  Dion's,  der  sehr  vernünftige  Beschluss  gefasst,  die  Seemacht, 
welche  unter  den  gegenwärtigen  Umständen  von  keinem  .Nutzen  mehr  sein 
konnte,  wohl  aber  bedeutende  Kosten  machte  und  detn  Herakleides  fortwäh- 
rend Gelegenheit  zu  Umtrieben  gab,  aufzulösen.  Wir  müssen  bei  dieser  Gele- 
genheit darauf  hinweisen,  wie  im  Alterthum  die  Marine  eine  weit  weniger 
beständige  Macht  war  als  heutzutage.  Ein  Kriegsschiff  war  ein  im  Ganzen 
recht  unbequemes  Werkzeug,  mit  welchem  man  sich  so  wenig  wie  möglich  zu 
thun  machte.  Schiff  und  Mannschaft  waren  öfter  auf  dem  Lande,  als  in  ihrem 
Elemente.  Wenn  die  Schiffe  an  der  Küste  entlang  fuhren,  was  sie  fast  immer 
thaten,  so  stieg  die  Mannschaft,  wo  es  nur  irgend  thun  lieh  war,  allnächtlich 
an^s  Ufer,  um  dort  zu  schlafen.  Die  Schiffe  wurden  so  viel  wie  möglich  an's 
Land  gezogen ,  damit  sie  nicht  fapiten.  Kurz ,  von  einer  Anhänglichkeit  der 
Seeleute  an  ihr  Schiff,  von  einer  erprobten  Seetüchtigkeit  der  Fahrzeuge  war 
wenig  die  Rede.  Ausserdem  gab  es  keine  festen  Gadres,  in  welche  die  See- 
leute eingestellt  wurden,  und  die  einen  Kern  Erfahrener  bilden  konnten.  Die 
Mannschaft  wurde  für  die  gerade  beabsichtigte  Expedition  ausgehoben ,  und 
wenn  sie  beendigt  war,  wieder  entlassen.  Daher  die  plötzliche  Veränderung 
in  der  Stärke  der  Flotten  mitten  im  Kriege ,  die  wir  in  der  Geschichte  der 
athenischen  Unternehmung  gegen  Syrakus  und  in  der  der  Kriege  des  älteren 
Dionysios  gefunden  haben.  So  erklärt  sich  denn  auch  eine  Massregel,  wie  die 
vorliegende,  die  Auflösung  einer  ganzen  Seemacht,  eine  Massregel,  die  nach 
unsem  modernen  Begriffen  einer  Entsagung  auf  maritimen  Einfluss  für  lange 
Zeit  gleich  kommen  würde.  Wenn  nur  Geld  da  war,  konnte  jede  Seestadt  in 
kürzester  Zeit  sich  eine  Flotte  neu  schaffen. 

Die  Syrakusaner  betrieben  mit  desto  grösserem  Eifer  die  Belagerung  der 
Burg  von  der  Landseite.  Den  Eingeschlossenen  kam  keine  Hülfe ;  Nahrung3- 
mittel  fingen  an  spärlich  zu  werden;  die  Söldner  wurden  unruhig,  und  so 
entschloss  sich  endlich  ApoUokrates,  der  Sohn  des  Dionys,  dem  Dion  die  Burg 
mit  allen  Kriegsvorräthen  zu  überliefern ,  und  selbst  mit  seiner  Mutter  und 
seinen  Schwestern  und  soviel  Schätzen,  als  er  auf  fünf  Schiffen  bergen  konnte, 
zu  seinem  Vater  zu  flüchten.  Die  Zeiten  hatten  sich  geändert :  Dion  nahm  die 
Capitulation  an,  ohne  dass  das  Volk,  das  nun  nicht  mehr  mit  demselben 
Uebermuthe  wie  früher  unbedingte  Uebergabe  verlangte,  sich  zu  widersetzen 
*  wagte.     Und  es  war  im  Grunde  genommen  froh  genug,  dass  es  so  weit 


Ig4  Füoftes  Buch.  XI.  Dioo's  weitere  Tbaten  und  sein  Ende. 

gekommen  war.  Es  betrachtete  mit  Recht  den  Tag  der  Abfahrt  des  Apollo- 
krates  als  einen  Festtag ,  und  nannte  diejenigen  unglücklich,  die  ihn  nicht 
hatten  erleben  können.  Wohl  hatte  das  Volk  Ursache  sich  zu  freuen,  dass  die 
furchtbarste  und  mächtigste  aller  Tyrannenherrschaften  Griechenlands  in  so 
kurzer  Zeit  vernichtet  worden  war.    Dies  geschah  im  J.  355  v.  Chr.,  Ol.  406,2. 

Es  war  ein  eigenthümiiches  Wiedersehen ,  das  zwischen  Dion  und  seiner 
Gattin.  Als  er  in  die  Burg  kam,  traten  ihm  seine  Schwester  Aristomache,  die 
Wittwe  des  alteren  Dionys ,  mit  Dion  s  Sohn  an  der  Hand ,  und  hinter  ihnen 
seine  Gattin  Arete,  ihre  Tochter,  entgegen.  Er  umarmte  zuerst  seine  Schwester 
und  seinen  Sohn,  dann  nahm  Aristomache  ihre  Tochter  bei  der  Hand  und 
sprach  zu  ihm :  Wir  waren  unglücklich,  so  lange  du  dich  in  der  Verbannung 
befandest,  nun,  da  du  wiedergekommen  bist,  sind  wir  froh ;  nur  diese  Arme 
nicht,  die  ich  Unglückliche  gegen  ihren  Willen  mit  einem  andern  Manne  habe 
vermählen  sehen.  Nun  weiss  sie  nicht,  ob  sie  dich  noch  ihren  Mann  nennen 
darf.  Dion  umarmte  unter  Thränen  seine  Gattin,  übergab  ihr  ihren  Sohn  und 
w*ohnte  mit  ihnen  in  seinem  früheren  Hause  in  der  Stadt.  In'  der  Burg  wollte 
er  nicht  wohnen,  um  den  Syrakusanern  keine  Veranlassung  zum  Argwohn 
zu  geben. 

Mit  der  Beseitigung  der  Tyrannis  war  der  Boden  gesäubert,  auf  dem  sich 
Neuschöpfungen  zu  erheben  hatten.  Ueber  ein  halbes  Jahrhundert  hindurch 
hatten  Tyrannen  Syrakus  regiert;  jetzt  sollte  die  Stadt  eine  freie  Verfassung 
erhalten.  Wie  sollten  die  Grundzüge  derselben  sein?  Wenn  man  einfach  zu 
der  Verfassung  vor  405  zurückkehrte,  war  die  Sache  nicht  schwierig,  aber  das 
schien  nicht  thunlich,  wenigstens  dachte  Dion,  der  hauptsächlichste  Inhaber 
der  Macht  in  Syrakus ,  nicht  daran.  Der  Freund  Platon^s  musste  den  Ehrgeiz 
besitzen ,  eine  den  Forderungen  der  Philosophie  entsprechende  Verfassung  für 
seine  Vaterstadt  zu  entwerfen.  Und  dennoch  war  die  ihm  so  zufallende  Auf- 
gabe, die  an  sich  nicht  leicht  war,  ganz  besonders  schwer  für  einen  Mann  von 
seiner  Vergangenheit.  Als  nächster  Verwandter  des  Tyrannen  an  seinem  Hofe 
aufgewachsen ,  war  er  nur  durch  ideale  Begriffe  von  menschlichem  Glück  und 
durch  selbsterlittene  Kränkungen  zu  der  Absicht  gebracht,  den  Tyrannen  zu 
stürzen.  Nicht  die  Demokratie,  sondern  eine  nahe  an  Oligarchie,  vielleicht  an 
Monarchie  streifende  Aristokratie  wünschte  er  für  Syrakus.  Aber  wie  sollte  er 
seinen  Wunsch  realisiren  ?  Er  war  nicht  bewandert  genug  in  dem  Leben  und 
Treiben  eines  freien  Staates ,  um  die  Mittel  zu  kennen ,  eine  Partei  für  seine 
Absichten  zu  gewinnen  und  mit  ihrer  Unterstützung  als  Gesetzgeber  seine 
Pläne  durchzuführen.  Und  wenn  er  es  gekonnt  und  ausgeführt  hätte,  hätte  er 
dann  nicht  selbst  auf  die  höchste  Macht  verzichten  müssen  ?  Das  wusste  er, 
und  gerade  dies  war  es ,  was  ihn  schwankend  machte.  Er  traute  dem  Volke 
nicht  die  Kraft  zu ,  sich  dauernd  selbst  zu  regieren ,  und  glaubte  sich  stark 
genug,  es  zu  beherrschen.  Die  Folge  davon  war,  dass  er  ein  Definitivum  einzu- 
führen zauderte,  dass  er  eine  geregelte  Verfassung  für  seine  Vaterstadt  wollte, 
und  doch  seine  ausserordentliche  Macht  nicht  nur  auf  unbestimmte  Zeit  bei- 
behielt, sondern  sogar  unmerklich  noch  vermehrte.  Er  hatte  seinen  Blick  so 
sehr  auf  das  Ideale  gerichtet,  dass  er  in  den  gewöhnlichen  Verhältnissen  des 
öffentlichen  Lebens  einer  freien  Stadt  vollkommen   unpraktisch  war.    -Das 


Dion  and  Herakleides.   Ermordung  des  Herakleides.  185 

zeigte  sich  besonders  in  seinen  Beziehungen  zu  Herakleides  und  vor  allem  in 
der  letzten  Katastrophe  derselben. 

Herakleides  setzte,  sobald  durch  den  Abzug  des  Apollokrates  die  Tyrannis 
vollständig  gebrochen  war,  seine  alte  Opposition  gegen  Dion  fort,  die  er  jetzt 
unter  dem  Anschein  der  Vertheidigung  des  Volkswohles  verbarg.  Dion ,  der 
wohl  wusste ,  dess  die  Augen  der  ganzen  hellenischen  Welt  auf  den  Befreier 
von  Syrakus  gerichtet  waren,  und  der  sich  bemühte,  des  Beifalls  der  Akade- 
mie würdig  zu  handeln,  suchte  durch  sein  ganzes  Auftreten  den  leichtfertigen 
und  veränderlichen  Bewohnern  von  Syrakus  zu  imponiren ,  und  hielt  sich  so 
zurückgezogen,  dass  er  durch  sein  vornehmes  Wesen  die  Anhänglichkeit  ver- 
lor, die  er  sich  durch  seine  Thaten  erworben  hatte.  Er  widersetzte  sich  allen 
Massregeln,  durch  welche  das  Volk  aufgeregt  werden  konnte.  Das  Volk 
wünschte,  das  Grabmal  des  älteren  Dionys  zu  zerstören,  Dion  litt  es  nicht;  es 
wünschte ,  dass  die  Bürg  abgebrochen  werden  möchte ,  Dion  gab  auch  dies 
nicht  zu.  Mochten  seine  Absichten  auch  die  allerbesten  sein,  so  wusste  er  so 
gut  wie  das  Volk,  dass  die  Burg,  statt  die  Sicherheil  der  Stadt  gegen  äussere 
Feinde  zu  vermehren,  nur  ein  Mittel  zur  Unterjochung  der  Bürger  war.  Wenn 
er  sie  also  besetzt  hielt,  auch  ohne  selbst  darin  zu  wohnen,  yvas  konnte  das 
Volk  anderes  argwöhnen ,  als  dass  er  sich  die  Möglichkeit,  mit  Gewalt  über 
Syrakus  zu  herrschen,  vorbehalten  wolle?  Es  musste  also  der  Widerstand 
des  kerakleides  gegen  ein  solches  Verfahren  Dion's  vollkommen  berechtigt 
erscheinen.  Wenn  er  sich  wenig  freundlich  gegen  Dion  zeigte,  und  z.  B.  auf 
seine  Aufforderung ,  sich  seinem  geheimen  Rathe  anzuschliessen,  die  Antwort 
gab,  er  beanspruche  nichts  weiter  als  das  Recht,  wie  die  übrigen  Bürger  seine 
Meinung  in  der  Volksversammlung  auszusprechen ,  eine  Antwort ,  in  welcher 
der  Vorwurf  lag,  dass  Dion  sich  zu  wenig  um  den  Willen  des  Volkes  küm- 
mere, so  durfte  Dion  als  Philosoph  sich  hierdurch  am  allerwenigsten  verletzt 
fühlen.  Er  widersetzte  sich  aber  auch  mit  aller  ELraft  den  Plänen,  welche  Dion 
die  theuer'sten  waren.  Dieser  dachte  immer  ernstlicher  an  die  Einführung 
einer  monarchisch -aristokratischen  Verfassung,  und  setzte  sich  zu  diesem 
Zwecke  mit  dem  aristokratisch  regierten  Korinth  in  Verbindung ,  von  wo  er 
angesehene  Männer  nach  Syrakus  ziehen  wollte,  die  dann  mit  Ausschluss  der 
Syrakusaner  ihm  in  der  Ordnung  der  syrakusanischen  Angelegenheiten  zur 
Seite  gestanden  hätten.  Der  Widerstand  des  Herakleides  gegen  die  Ausfüh- 
rung dieser  Pläne  entschied  sein  Schicksal.  Als  Herakleides  sich  vor  einiger 
Zeit  freiwillig  seinen  Gegnern  überliefert  hatte,  war  die  allgemeine  Ansicht 
von  Dion's  Freunden  dahin  gegangen,  dass  er  sterben  müsse.  Dion  aber  hatte 
ihm  das  Leben  geschenkt.  Seitdem  hatte  er  sich  wiederholt  als  seinen  Feind 
gezeigt,  und  auch  nach  der  durch  Gaisylos  vermittelten  Versöhnung  war  er 
gegen  ihn  aufgetreten.  Dass  .Dion's  Freunde  ihre  Rathschläge  wiederholten, 
ist  nicht  zu  verwundem ,  aber  ebenso  wunderbar  wie  betrübend  ist  es,  dass 
Dion  jetzt,  wo  am  wenigsten  Veranlassung  dazu  vorlag,  ihrem  Drängen  nach- 
gab. Er  Hess  es  zu ,  dass  Herakleides  durch  Meuchelmörder  getödtet  wurde. 
Man  kann  sich  die  Bestürzung  der  Syrakusaner  denken.  Es  war  nicht  die 
Person  des  Herakleides,  die  ihnen  Mitleid  einflösste ;  sie  standen  der  schreck- 
lichen, nicht  wegzuläugnenden  Thatsache  gegenüber ,  dass  auch  Dion  in  die 


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Fünftes  Bach.  XI.  Dion's  weitere  Thaten  und  sein  Ende. 


Fusstapfen  des  Dionysios  treten  wollte.  Wenn  Widerstand  gegen  die  Pläne 
sl}.;;  Dion's  genttgte,  um  den  Tod  zu  verdienen ,  wer  war  dann  noch  seines  Lebeos 

r^.K  sicher?    Und  was  Dion  nach  der  Ermordung  des  Herakleides  that,  beweist 

wieder  seinen  wunderbaren  Mangel  an  Einsicht  in  die  Bedingungen  des  prak- 


tischen Lebens.  Er  veranstaltete  dem  Manne,  den  er  hatte  ermorden  lassen, 
ein  feierliches  Begräbniss,  wobei  er  mit  seinem  ganzen  Heere  folgte,  und  hielt 
dann  eine  R^de  an's  Volk  Ober  seine  Zwistigkeiten  mit  dem  Ermordeten,  aus 
der  dasselbe  ersehen  musste ,  dass  eine  Verständigung  zwischen  beiden  un- 

r^s|. '  .  möglich  gewesen  war.  Wenn  uns  nicht  das  ganze  Leben  Dion's  die  Ueberzeu- 

gilng  gewahrte,  dass  er  in  allem,  was  er  that,  aufrichtig  war,  so  würde  dieser 
eine  Zug  genügen ,  um  uns  einen  dauernden  Widerwillen  gegen  ihn  einzu- 

^r.^    '  flössen.    Welcher  Hohn  konnte  grosser  sein,  als  den,  den  man  hat  ermorden 

lassen,  mit  den  Zeichen  des  Bedauerns  zu  Grabe  zu  geleiten^  wenn  dieses 
Bedauern  kein  aufrichtiges  ist?  Und  was  wäre  eines  rechtschaffenen  Menschen 
unwürdiger,  als  solcher  Hohn?  Dion  muss  also,  da  er  dem  Herakleides  ein  so 
feierliches  Leichenbegängniss  veranstaltete,  ihn  für  keinen  schlechten  Men- 
schen gehalten  haben.  Wenn  dies  aber  so  ist,  wie  konnte  er  ihn  ermorden 
lassen  ?  Herakleides  ist  sein  Nebenbuhler ,  sein  Feind ,  er  sucht  ihn  zu  ver- 
derben: Dion  überwindet  ihn  und  verschont  ihn;  er  föhrt  fort,  gegen  ihn  zu 
intriguiren:  Dion  versöhnt  sich  mit  ihm;  er  widersetzt  sich  seinen  Verfas- 
\sungspUlnen  und  vertheidigt  die  Demokratie,  und  Dion  lässt  ihn  ermorden 
und  erkennt  dann  seinen  Werth  durch  ein  prächtiges  Leichenbegängniss  an! 

Diese  That  steht  in  einem  so  entschiedenen  Widersprudi  mit  dem  sonst 
so  edlen  Verfahren  Dion^s,  dass  sie  nur  durch  die  äusserste  Verlegenheit,  in 
der  er  sich  über  den  in  Zukunft  einzuschlagenden  Weg  befand,  und  durch 
eine  jetzt  hervortretende  Charakterschwäche  erklärt  werden  kann.  Er  war  so 
rathlos,  dass  der  schlechteste  Bath  seiner  Freunde  bei  ihm  Eingang  fand,  und 
hatte  so  sehr  allen  inneren  Halt  verloren ,  dass  er  einen  Augenblick  glauben 
konnte,  kein  Tyrann  zu  sein,  wenn  er  einen  politischen  Gegner  ermorden  Hess. 
Es  gab  offenbar  keinen  Menschen ,  der  weniger  zum  Herrchen  geeignet  war, 
als  Dion ,  und  es  ist  zu  bedauern,  dass  er  die  Stellung  eines  diplomatischen 
und  militärischen  Bathgebers,  für  die  er  geschaffen  war,  nicht  bei  einem  tüch- 
tigen Herrscher  hat  einnehmen  können.  Er  hat  sich  durch  den  Mord  des  Hera- 
kleides sein  eigenes  Todesurtheil  gesprochen. 

Doch  überraschte  ihn  das  Verderben  nicht  plötzlich.  Das  Verbrechen 
that  langsam  seine  Wirkung«  Seine  Kraft,  die  schon  gebrochen  war,  als  er  es 
beging,  sank  in  Folge  der  That,  die  nur  Beue  zurücklassen  konnte,  immer  mehr. 
Eine  seiner  ersten  Massregeln  war  die  gewesen,  dass  er  alle  seine  Freunde  und 
Anhänger,  alle  seine  Soldaten  glänzend  belohnt  hatte ;  nur  ihnen  zeigte  er  sich 
hinfort  von  der  freundlichen  Seite,  gegen  die  Bürger  war  er  streng.  Seine  An- 
hänger, von  denen  die  besseren  im  Kriege  gefallen  waren,  erkannten  bald  die 
Lage  Dion's,  wie  sie  war.  Ohne  wirklichen  Halt  in  den  Herzen  der  Syrakusaner, 
hielt  er  sich  trotz  aller  der  Stadt  geleisteten  Dienste  nur  durch  die  Will&hrigkeit 
und  den  Gehorsam  seiner  Söldner.  Und  diese  fürchteten  ihn  nicht  einmal,  weil 
er  gegen  sie  nicht  strenge  war,  und  liebten  ihn  noch  weniger,  weil  er  nach  einer 
Tugend  strebte,  deren  Werth  sie  nicht  begriffen.  Sie  mussten  ihn  schwach  und 


Dion  und  Kallippös.  187 

incoDsequent  finden,  und  waren  nur  so  lange  für  ihn,  als  er  sie  gut  besoldete. 
Aber  Dion's  Mittel  waren  nicht  die  des  Dionys.  Da  er  zu  gewissenhaft  war,  um, 
wie  der  Tyrann,  durch  Raub  sich  das  Geld  zur  Bezahlung  seiner  Söldner  zu  ver- 
schaffen, so  musste  er  sein  eigenes  Vermögen,  endlich  auch  das  seiner  Freunde 
erschöpfen,  die  nicht  einmal  die  Genugthuung  haben  konnten,  sich  zu  sagen, 
dass  sie  mit  diesen  Opfern  irgend  Jemand  nützten.  So  entstand  unter  seinen 
eigenen  Anhängern  das  unbehagliche  Gefühl,  dass  sie  für  einen  Mann  wirkten, 
der  nichts  mehr  zu  erreichen  im  Stande  war.  Beim  Volke  nicht  beliebt,  yon 
seinen  Söldnern  weder  verehrt  noch  gefürchtet,  seinen  Freunden  fast  zur  Last, 
gab  er,  sowie  er  mehr  und  mehr  zum  Bewusstsein  seiner  Lage  kam,  endlich 
selber  den  Math  auf  und  verschlimmerte  seine  Lage  dadurch  noch  mehr.  Er 
wurde  argwöhnisch,  wie  Dionys  es  gewesen  war,  aber  der  Argwohn  hatte  nur 
die  Wirkung,  ihn  niedergeschlagen  zu  machen. 

Diese  Stimmung  benutzte  der  Athener  Kallippös ,  der  mit  ihm  nach  Sici- 
lien  gekommen  war,  zu  einer  ebenso  schlau  angelegten,  wie  abscheulichen 
Intrigue.  Der  Mann  war,  wie  Dion,  ein  Schüler  Platon^s,  aber  Piaton  verwahrte 
sich  nach  seiner  Unthat  dagegen,  dass  in  der  Akademie  die  Freundschaft  zwi- 
schen beiden  geschlossen  sei;  er  schrieb  sie  gemeinschaftlicher  Theilnahme 
an  Mysterien  und  anderen  geheimen  Verbindungen  zu.  Wie  dem  auch  sein 
mag,  er  genoss  das  Vertrauen  des  Dion  und  baute  darauf  seinen  Plan.  Er 
wusste,  dass,  wenn  Dion  einmal  aus  dem  Wege  geräumt  war,  Niemand  sich 
rühren  würde,  ihn  zu  rächen,  und  dass  er  dann  mit  leichter  Mühe  sich. zum 
Herrn  von  Syrakus  machen  könne.  Die  Herrschsucht  wird  genügt  haben,  ihn 
zu  seiner  That  anzuspornen,  ohne  dass  wir  zu  der  Vermuthung  unsere  Zuflucht 
zu  nehmen  brauchen,  dass  er  von  den  Feinden  Dion's  dazu  bestochen  worden 
sei.  Doch  kann  er  immerhin  sich  bereits  vor  der  That  mit  ihnen  in  Einver- 
nehmen gesetzt  und  von  ihnen  die  zur  Ausführung  seines  Vorhabens  unent- 
behrlichen Geldmittel  (man  sagte  20  Talente)  empfangen  haben.  Es  gelang 
ihm,  das  seit  dem  Morde  des  Herakleides  unruhige  und  mit  sich  selbst  zer- 
fallene Gemüth  Dionys  mit  Argwohn  gegen  eine  Menge  seiner  Soldaten  zu  er- 
füllen. Er  hatte  stets  etwas  zu  berichten,  was  dieser  oder  jener  Söldner  über 
ihn  gesagt  haben  sollte,  und  wusste  sich  dadurch  bei  Dion  den  Anschein  be- 
sonderer Treue  zu  verschaffen.  Er  überredete  ihn,  dass  es  dringend  noth- 
wendig  sei,  zu  erfahren,  auf  wen  er  rechnen  könne,  auf  wen  nicht;  dies  könne 
aber  nicht  anders  geschehen,  als  wenn  Jemand  sich  stelle,  als  ob  er  eine  Ver- 
schwörung gegen  ihn  unternehmen  wolle.  Er  bot  sich  selbst  zu  diesem 
Freundschaftsdienste  an ,  und  Dion  war  schon  so  tief  gesunken ,  dass  er  das 
Anerbieten  annahm.  Hatte  er  durch  den  Mord  des  Herakleides  sich  in  die  Bahn 
der  Tyrannei  begeben,  die  er  zu  stürzen  gekommen  war,  so  schritt  er  nun  auf 
derselben  fort,  indem  er  das  Spionirsystem  der  Tyrannen  in  die  Beziehungen 
zu  seinen  Söldnern  übertrug.  Nun  hatte  Kallippös  leichtes  Spiel.  Er  setzte 
sich  mit  allen  Unzufriedenen  in  Verbindung  und  organisirte  die  Verschwörung 
unter  den  [Augen  Dion's,  der  von  mehreren  ihm  treu  gebliebenen  gewarnt 
wurde ,  aber  in  der  Ueberzeugung,  dass  Kallippös  nur  das  mit  ihm  Verab- 
redete ausführe,   nichts  gegen  ihn  unternahm. 

Dionys  Stimmung  wurde  indess  immer  trüber,  wozu  ein  grosser  Unglücks- 


1S8  Fünftes  Buch.  XI.  Dion's  weitere  Thaten  und  sein  Ende, 

fall  viel  beitrug.  Sein  Sohn ,  der  nach  einigen  von  Dionys  vor  der  Zeit  zum 
Theilnehmer  seiner  Ausschweifungen  gemacht  worden  war  und  sich  dem 
Trünke  ergeben  hatte ,  starb  durch  einen  pl&tzlichen  Sturz  vom  Dache  seines 
bauses.  Kallippos  wusste  auch  diesen  Vorfall  zu  benutzen.  Er  streute  in  Sy- 
rakus  das  Gerücht  aus,  Dion  habe  die  Absicht,  da  er  nun  kinderlos  geworden 
sei,  Apollokrates,  den  ISohn  des  Dionys,  zu  adoptiren.  Dionys  Seelenzustand 
wurde  ein  so  düsterer,  dass  ihm  die  Aeusserung  entfuhr,  er  werde  froh  sein, 
den  Tod  zu  finden,  denn  er  sei  es  müde,  nicht  bloss  vor  seinen  Feinden,  son- 
dern jetzt  auch  vor  seinen  Freunden  fortwahi*end  auf  der  Hut  sein  zu  müssen. 
Er  wurde  von  schrecklichen  Visionen  gequält;  Als  er  eines  Abends  allein  in  der 
Halle  seines  Hauses  in  Nachdenken  versunken  sass ,  sah  er  plötzlich  am  ent- 
gegengesetzten Ende  derselben ,  im  ungewissen  Dämmerlichte  eine  gewaltige 
Frauengestalt,  den  Erinnyen  der  Tragödie  ähnlich,  erscbeipen,  welche  mit 
einem  Besen  das  Haus  auskehrte.  In  seiner  Aufregung  rief  er  schnell  seine 
Hausgenossen  herbei  und  beschwor  sie,  ihn  nicht  allein  zu  lassen,  damit  nicht 
die  Erscheinung  wiederkehre. 

Wachsamer  als  Dion  waren  seine  Schwester  und  seine  Frau.  Schon 
langst  war  Kallippos  ihnen  verdächtig ,  und  sie  beobachteten  alle  seine  Hand- 
lungen. Kallippos  aber  betheuerte  ihnen  unter  Thränen,  dass  er  nichts  Böses 
gegen  Dion  vorhabe,  und  erbot  sich  zuxien  höchsten  Eiden.  Sie  verlangten 
den  Eid  bei  der  Demeter,  der  geleistet  wurde,  indem  der  Schwörende  im 
Tempel  der  Göttinnen  (der  sogenannten  Thesmophoren )  mit  dem  Purpurge- 
wand bekleidet,  eine  brennende  Fackel  in  der  Hand  hielt.  Kallippos  leistete 
den  verlangten  Eid  und  fürchtete  die  Folgen  desselben  so  ^enig,  dass  er  die 
Kureen,  ein  Fest  der  Demeter  und  Persephone,  zur  Vollführung  seiner  Unihat 
auserwählte,  er,  der  noch  dazu  in  Athen  als  Mystagog  den  fremden  Dion  in  die 
eleusinischen  Mysterien  eingeweiht  hatte.  Die  Mörder  suchten  Dion  in  seinem 
Hause  auf;  er  befand  sich  in  einem  Gemache  desselben  mit  einigen  Freunden. 
Die  Verschworenen  theilten  sich ;  die  Hälfte  bewachte  die  Thüren  von  aussen, 
die  übrigen  drangen,  jedoch  unbewaffnet,  um  aUen  Argwohn  zu  vermeiden, 
hinein  und  tiberfielen  Dion.  Von  den  bei  ihm  befindlichen  versuchte  Niemand 
ihm  zu  helfen ,  jeder  dachte  durch  Theilnahmlosigkeit  sein  eigenes  Leben  zu 
retten.  Die  Mörder,  zakynthische  Söldner,  hatten  ihn  mit  den  Händen  zu  er- 
drosseln gedacht;  aber  es  wollte  ihnen  nicht  gelingen.  Keiner  wagte  aber 
auch  die  Thür  des  Gemaches  zu  öffnen  und  ein  Schwert  zu  holen,  weil  sie 
fürchteten ,  dass  dann  die  im  Zimmer  befindlichen  Freunde  Dion's  entlaufen 
und  Lärm  machen  möchten ;  so  hielten  sie  eine  Zeitlang  Dion  fest,  wie  ein 
Opferthier,  das  geschlachtet  werden  soll,  bis  der  Syrakusaner  Lykon  einem 
der  Zakynthier  durch  ein  Fenster  einen  Dolch  hineinreichte,  mit  weichem  Dion 
gelödtet  wurde. 

Das  Unternehmen  hatte  vollständigen  Erfolg;  Niemand  rächte  den  Tod 
Dion's.  Wenn  es  wahr  ist,  dass  ihm  ein  prächtiges  Leichenbegängniss  veran- 
staltet wurde,  dem  das  Volk  in  grosser  Anzahl  beiwohnte,  so  war  die  Vergel- 
tung für  den  Tod  des  Herakleides  vollkommen.  Aristomache  und  Arete,  Dion's 
Schwester  und  Gattin,  wurden  in  ein  Gefängniss  geworfen,  in  welchem  die 
letztere  von  einem  Sohne  entbunden  wurde. 


Ermordung  Dion^s.  Stellang  und  Charakter  desselben.  1S9 

So  kam  Dion  um ,  ein  Mann  von  au^ezeichnetem  Charakter,   aber  luv 
Begrtindung  der  Freiheit  in  Syrakus  aus  verschiedenen  Gründen  wenig  ge- 
eignet.   Er  war  erstens  Anbänger  einer  unpraktischen  Philosophie  und  zwei- 
tens durch  sein  früheres  Leben  nicht  an  die  Formen  eines  freien  Staates  ge^ 
wohnt.    Sein  Ideal  war  ein  falsches ,  und  er^ymsste  Überdies  nicht  die  Mittel 
zu  finden,  es  in's  Leben  zu  rufen.    An  der  Wahiiieit  des  ersten  Satzes  kann 
unmi^glich  gezweifelt  werden.     Wenn  eine  vernünftige  Aristokratie  das  Ziel 
war,  worauf  er  hinarbeitete,  bedachte  er  dann  wohl ,  dass  es  in  einer  Stadt,, 
die  wie  Syrakus  seit  Jahrzehnten  beständige  Veränderungen  in  ihrer  Ein- 
wohnerschaft erlitten  hatte,  an   allen  Elementen   einer  wahren  Aristokratie 
fehlte,  und  dass  man  eine  Aristokratie  nicht  schaffen  kann,  wie  man  einen 
Senat  oder  ein  Ephorenkolleg  schafft?  Und  wäre  sie  möglich  gewesen,  so  ver- 
stand Dion  nicht,  sie  zu  organisiren.  Er  hatte  nicht  einmal  die  Pläne  fertig,  als 
es  Zeit  war,  sie  anzuwenden,  und  verstand,  an  einem  Tyrannenhofe  aufgewach- 
sen, noch  weniger,  einem  freien  Volke  seine  Ideen  annehmbar  zu  machen, 
obschon  er  sich  so  lange  in  Griechenland  aufgehalten  hatte.    Aber  nicht  nur 
seine  politische  Richtung  und  sein  ganzer  Bildungsgang  machten  ihn  ungeeig- 
net zum  Begründer  der  Freiheit  von  Syrakus ,  die  Thatsache  seiner  Herkunft 
genügte  dazu.    Er  war  der  Oheim  des  letzten  Tyrannen  und  langjähriger  Mi- 
nister beider  Dionyse.   Nun  war  er  allerdings  das  Haupt  der  Truppen,  welche 
den  jüngeren  Dionys  gestürzt  hatten,  aber  das  reichte  nicht  aus,  um  dem 
Volke  von  Syrakus  Vertrauen  zu  ihip  einzuflössen.    Welche  Garantien  hatte  er 
denn  gegeben ,  um  demselben  die  Ueberzeugung  beizubringen ,  dass  es  ihm 
wirklich  nicht  um  seinen  eigenen  Vortheil,  sondern  nur  um  das  Beate  der 
Stadt  zu  thun  war?  So  musste,  auch^ohne  den  Conflict  mit  Herakleides,  sein 
Versuch  scheitern,  wie  in  unserer  Zeit  Versuche  ganz  ähnlicher  Art  gescheitert 
sind,  Versuche,  in  Ländern,  welche  lange  absolut  regiert  waren ,  dadurch  der 
Einführung  der  Republik  auszuweichen ,  dass  man  einer  liberaleren  Seiten- 
linie des  vertriebenen  Hauses  den  Thron  verschaffte.   Dion's  Herrschaft  in  Sy- 
rakus entspricht  der  Idee  nach  etwa  der  Herrschaft  der  Orleans  in  Frankreich. 
So  wie  Dion  die  entschiedene  Demokratie  nicht  wollte  und  sich  zuletzt  nicht 
anders  halten  konnte ,  als  indem  er  zu  Massregeln  der  Tyrannis  seine  Zuflucht 
nahm,  so  sollte  Louis  Philippe^s  Regierung  Autorität  und  Freiheit  vereinigen, 
und  sie  fiel,  weil  sie  auf  künstliche  Weise  den  ihr  entschlüpfenden  Einfluss 
wieder  zu  gewinnen  suchte.  Die  Franzosen  wussten  nicht  recht,  ob  Louis  Phi- 
lippe, weil  öder  obgleich  Bourbon,  Frankreich  beherrsche,  und  so  vfar  es  auch 
den  Syrakusanem  nicht  klar,  ob  sie  in  Dion  ein  Mitglied  des  Hauses  der  Dio- 
nyse oder  einen  Gegner  desselben  zum  Herrscher  hatten.  Dion  musste  an  dem 
Conflict  seiner  Rolle  mit  seiner  Herkunft  zu  Grunde  gehen. 

Aber  der  Versuch  Dion's  ist  denüoch  von  grosser  Bedeutung  für  Syrakus 
gewesen,  insofern  er  den  Anfang  einer  Reaction  gegen  das  Dionysische  System 
nach  innen  und  nach  aussen  bezeichnet.  Nach  innen  durch  die  von  Dion  den 
Syrakusanem  gewährte  grössere  Freiheit,  nach  aussen  dadurch,  dass  an  Stelle 
von  Sparta  Korinth  wieder  als  massgebende  hellenische  Stadt  betrachtet 
ward.  Didn  w^oUte  Gesetzgeber  aus  Korinth  kommen  lassen.  Aber  es  war 
eben  nur  ein  Anfang  in  beiden  Beziehungen.     Im  Innern  waren  die  freiheit- 


190        Fünftes  Bucb.  XH.  Neae  Bedrttngnisse  von  Syrakus.  Timoleon  nach  Sicilien. 

liehen  Anwandlungen  Dion's  nicht  überall  zum  Vollzag  gekommen ,  und  Ko- 
rinth's  Einfluss  war  mehr  gewünscht  als  erreicht  worden.  Auf  andere  Weise 
musste  Syrakus  befreit  werden. '  Statt  der  halben  Freiheit  musste  der  Stadt 
die  ganze  geboten  werden,  statt  einer  künstlichen  Aristokratie  die  Demokratie. 
Aber  auch  der  Befreier  musste  ein  anderer  Mann  sein ,  ein  Mann ,  der  nicht 
bloss  wirklich  uneigennüUig  war,  sondern  auch  über  jeden  Verdacht  des 
Eigennutzes  erhaben,  ein  Mann ,  der  schon  Proben  hoher  Uneigennützigkeit 
gegeben  hatte.  Das  so  lange  gektiechtete  Syrakus  konnte  nur  ein  Rorinther 
befreien. 


Zwölftes  Kapitel. 
Nene  BedräBgnisse  yon  Syrakus.   Timoleon  nach  Sicilien« 

Die  Begierung  eines  kräftigen  Despoten  kann  einem  Staate  manchen 
momentanen  Nutzen  bringen;  die  schlimmen  Folgen  treten  später  um  so 
deutlicher  hervor.  Wehe  dem  Reiche ,  in  welchem  beim  Erloschen  oder  dem 
Sturze  eines  Despotenhauses  keine  hervorragenden  Staatsmänner  vorhanden 
sind ;  es  fällt  der  schlimmsten  aller  Despotien ,  der  wechselnden  Herrschaft 
militärischer  Führer,  anheim.  So  ging  es  in  England  nach  dem  Tode  Crom- 
welFs,  so  in  den  spanischen  Kolonien ,.  nachdem  die  Herrschaft  des  Mutter- 
landes aufgehört  hatte.  In  Sicilien  führte  der  Sturz  des  Dionys  ähnliche  Zu- 
stände herbei.  Er  war  nicht  von  den  Syrakusanern ,  sondern  durch  fremde 
Söldner  besiegt  worden ,  und  daher  herrschten  diese  durch  ihre  Feldherren. 

Der  erste  war  Dion  gewesen,  aber  Dion  war  weder  zum  Tyrannen,  noch 
zum  freien  Bürger  geschaffen.  Er  wollte,  ohne  die  Kraft  zur  Durchführung 
seiner  Pläne  zu  besitzen,  das  Nützliche  der  Monarchie  mit  dem  Edlen  der 
republikanischen  Freiheit  verbinden  und  wurde  von  seinen  Söldnern  getödtet; 
sein  Nachfolger  wurde  sein  Mörder  Kallippos. 

Dieser  hielt  es  anfangs  für  zweckmässig,  den  Schein  anzunehmen,  als  ob 
er  aus  Liebe  zur  Freiheit  gehandelt  habe,  und  schrieb  in  diesem  Sinne  einen 
Brief  an  seine  Vaterstadt  Athen ,  in  welchem  er  den  angeblichen  Tyrannen- 
mord seinen  Mitbürgern  frech  genug  selbst  anzeigte.  Wenn  er  zuerst  in 
Syrakus  wegen  seiner  anerkannten  Tapferkeit  bei  manchen  beliebt  gewesen 
war,  so  zeigte  er  sich  bald  in  seiner  wahren  Gestalt  als  Militärdespot  und 
machte  sich  so  bei  Allen  verhasst.  Seine  Herrschaft  dauerte  nur  43  Monate 
(354—53  V.  Chr.,  Ol.  406,  3  und  4).  Er  verlor  Syrakus  bei  dem  Versuch, 
sich  anderer  sicilischer  Städte  zu  bemächtigen.  Als  er  Katane  angriff,  brach 
ein  Aufstand  in  Syrakus  aus,  und  diesen  benutzte  Hipparinos,  der  Bruder  des 
jüngeren  Dionys  und  Sohn  der  Aristomache ,  um  sich  von  Leontini  aus  der 
Stadt  zu  bemächtigen.  Wie  lange  Kallippos  Katane  besessen  hat,  die  Käsereibe, 
wie  er  es  spöttisch  nannte,  ist  nicht  klar.  Später  machte  er  einen  vergeblichen 


RegierungswQohsel  in  Syxakus.  '191 

Versuch,  Messana  zu  erobern,  und  endlich,  als  er  in  Sicilien  keinen  Ort  mehr 
fand,  der  ihn  aufnehmen  wollte,  gelang  es  ihm  noch,  Rhegion  zu  überrumpeln 
(Ol.  407,  2 — 351  V.  Chr.).  Hier  traf  ihn  dann  endlich  die  Nemesis;  er  wurde 
von  seinen  Genossen  Leptines  uud  Polysperchon  ermordet,  wahrscheinlich 
nach  350  und,  wie  man  sagte,  mit  demselben  Messer,  mit  dem  Dion  getddtet 
^'orden  war,  und  das  man  an  seiner  eigenthümlichen  Verzierung  erkannte. 

Diese  Schicksale  des  Kallippos  geben  schon  einen  Begriff  davon,  welche 
Zustande  in  dem  ehemaligen  Reiche  des  Dionysios  seit  seinem  Sturze  herrsch- 
ten. Es  zerfiel  in  seine  Bestandtbeile,  wie  das  Reicb  Alexander^s  des  Grossen, 
nur  mit  dem  Unterschiede^  dass  nicht  ganze  Königreiche,  sondern  nur  einzelne 
Städte  der  Schauplatz  der  Usurpationen  ehrgeiziger  Generale  waren. 

Aber  das  Dionysische  Haus  bestand  noch  und  suchte ,  wenn  auch  das 
grosse  Reich  unwiederbringlich  verloren  war ,  wenigstens  die  Stadt  Syrakus 
sich  zu  erhalten.  Hipparinos  herrschte  zwei  Jahre  (353  —  54  v.  Chr.,  Ol. 
4  06,  4  —  407,  2);  er  kam  um,  wie  er  gelebt  hatte ,  im  Rausche.  Nach  ihm 
führte  sein  Bruder  Nysaios  in  derselben  Weise  die  Herrschaft  in  Syrakus,  bis 
er  von  Dionys  II.  vertrieben  wurde,  der  nach  zehnjähriger  Abwesenheit  sich 
346  wieder  zum  Herrn  der  Stadt  machte.  Die  ganze  Familie,  die  Sohne  der 
Aristomache,  wie  die  Söhne  der  Doris,  hatten,  ohne  die  geringsten  Herrscher- 
talente zu  besitzen,  sich  das  Verfahren  von  Räubern  zum  Vorbild  genommen, 
die  eine  eroberte  Stadt  nach  Kräften  und  in  möglichster  Eile  ausplündern, 
weil  sie  wissen,  dass  sie  sie  nicht  lange  besitzen  werden.  Sie  führten  alle  ein 
so  viehisches  Leben,  dass  wir  die  unglücklichen  Opfer  ihrer  Herrschaft  nicht 
genug  bedauern  können.  Dionysios  selbst  hatte  es  in  der  Fremde  noch  ärger 
getrieben  als  in  Syrakus.  Er  besass  hauptsächlich  Rhegion  und  Lokri.  Zuerst 
und  so  lange  er  noch  einige  Aussicht  zu  haben  glaubte,  bald  wieder  nach  Sy- 
rakus zurückzukehron,  wohnte  er  in  dem  von  seinem  Vater  zerstörten  Rhe- 
gion ,  wovon  er  einen  Theii  unter  dem  Namen  Phoibia  wieder  herstellte.  Im 
Jdhre  352  muss  er  von  da  nach  Lokri  sich  begeben  haben,  worauf  354  Rhegion 
durch  Kallippos  seine  Selbständigkeit  wieder  erhielt,  d.  h.  aus  den  Händen 
eines  Tyrannen  in  die  eines  andern  überging.  Lokri,  woher  ja  die  Mutter  des 
jüngeren  Dionys  stammte,  war  bis  dahin  verhältnissmässig  selbständig  ge- 
blieben ,  freilich  unter  überwiegendem  Einfluss  der  Verwandten  der  Doris. 
Von  diesen  wurde  der  Tyrann  gastlich  aufgenommen,  und  er  lohnte  die 
Freundlichkeit  der  Lokrer  damit,  dass  er  durch  Ueberfall  der  Burg  sich  zum 
Herrn  der  Stadt  machte,  und  dort  den  scheusslichsten  Uebermuth  beging, »dem 
später,  als  er  nach  Syrakus  zurückkehrte,  eine  eben  so  unmenschliche  Rache 
folgte.  Dionys  hatte  von  seiner  Familie  nur-  seinen  älteren  Sohn  ApoUokrates 
mitgenommen,  seine^Frau  aber,  zwei  Töchter  und  einen  jüngeren  Sohn  in 
Lokri  zurückgelassen.  Die  Lokrer  vertrieben  die  Besatzung  des  Dionys ,  be- 
mächtigten sich  der  Familie  des  Tyrannen  und  tödteten  sie  unter  den  grau- 
samsten Martern ,  von  denen  sie  durch  keine  Anerbietungen  des  Dionys  und 
keine  Fürsprache  der  Tarentiner  zurückgehalten  werden  konnten. 

Auch  in  Syrakus  wüthete  Dionys  noch  schlimmer  als  während  seiner 
ersten  Herrschaft,  und  die  zur  Verzweiflung  getriebenen  Bürger,  besonders 
die  aristokratische  Partei,  wandte  sich  mit  der  Bitte  um  Hülfe  an  Hiketas,  den 


Fönfles  Bocb.    Xll.  Neue  Bedrängnisse  von  Syrakus.  TimoleoD  nicb  Sicilien. 

scher  von  Leontiai.  Diese  Stadt  war  schoD  im  Jabre  356  v.  Chr.  von 
I  abgefallen ,  und  damals  voa  Pliilistos  mit  einer  betrachtlicbeii  Streit- 
,  SOOO  Fiisssoldaten  uod  über  1000  Reitern,  jedoch  vergeblidt  aoge- 
wordeD.  Dann  batte  sich ,  wie  wir  wissen ,  Dion  von  Syrekus  dabin 
:gezogen,  auch  Dion's  Anhänger,  die  sich  nach  seinem  Tode  g^en  Kal- 
erboben,  waren,  besiegt,  dahin  geflohen,  und  endlich  war  Leontini  in 
wall  des  Hikctas  gekommen  ,  der  ein  geborener  Syraknsaner  und  ehe- 
r  Freund  Dion's  war.  Dass  er  aber  ebenso  schlecht  war  wie  alle 
inber  dieser  Zeit,  beweist  das,  was  er  an  der  Familie  seines  Freundes 
Ms,  wohl  schon  vor  dem  Sturze  des  Katlippos,  Dion's  Gattin,  Schwester 
Dhn  aus  dem  Geföngniss  entlassen  wurden,  nahm  Hiketas  ^e  unter  sei- 
cbutz,  und  behandelte  sie  anfangs  gut.  Dann  mussten  sie  ein  Schiff 
jen,  das  sie  nach  dem  Pelt^nnes  in  "Sicherheit  bringen  sollte,  und  nn- 
ts  wurden  sie  auf  seinen  Befehl  in's  Meer  geworfen.  Zu  ihm  nahm 
IS  seine  Zuflucht,  um  der  Tyrannei  des  Dionys  zu  entgehen,  und  es 
en  sogar  viele  Vornehme  nach  Leontini  tlber. 

Var  die  Lage  von  Syrakus  höchst  traurig ,  so  war  die  der  Übrigen  sicili- 
Stadte  nicht  viel  besser.  In  Katane  herrschte  als  Tyrann  Hanaerkos,  ein 
von  italischer  Herkunft,  aber  gracisirt,  da  er  Tragttdien  und  andere  Ge- 
schrieb;  in  Apollonia  und  Engyion  Leptines,  von  dem  schon  bei  Bbe- 
lie  Rede  war,  in  Kentoripa  Nikodemos,  in  Agyrion  Apolloniades ,  alles 
therrscher.  Der  einzige  tüchtige  und  gute  Mann  unler  den  damaligen 
;hen  Dynasten  war  Andromacbos  von  Tauromenion ,  der  Valer  des  Ge- 
tscbreibers  Timaios,  welcher  um  Ol.  105,  3  —  358  vor  Chr.,  kura 
;m  Sturze  des  jüngeren  Dionys,  mit  den  Uefoerblei bsein  der  Bew(^ner 
llen  Nasos  die  Stadt  Tauromenion  auf  dem  Berge  Tauros  gegrtmdet 
.ielmehr  neu  gegründet  hatte,  denn  auf  demselben  Berge  hatten  vor 
chon  Sikeler  und  Söldner  gewohnt.  Alle  Schrecknisse  des  Krieges 
en  die  Insel,  auslandische  Miethstnippen,  die,  als  die  Dionyse  ihr  grosses 
noch  beherrschten,  doch  wenigstens  in  strenger  Zucht  gehalten  wurden, 
pltlndemd  umher,  und  verwüstete  Aecker,  verSdete  Städte  zeigten,  wie 
las  Land  in  diesen  Zeiten  zurückgekommen  war.  Tapfere  und  unler- 
;Dde  Menschen,  denen  endlich  das  Land  nicht  genug  Beule  mehr  darbot, 
i  zu  Schiffe  und  fuhren  an  der  Küste  Italiens  auf  Raub  entlang.  Das 
les  Unglücks  wurde  voll  durch  einen  neuen  Einfall  der  Karthager.  Diese 
sich  seit  dem  Tode  des  alteren  Dionys  ruhig  verhalten ,  theils  in  deib 
le ,  dass  sie  der  syrakusanischen  Macht  nicht  gewachsen  seien ,  Iheiis 
ie  abwarten  wollten ,  ob  nicht  die  Griechen  sich  unter  einander  aurrie- 
Das  schien  allmählich  einzutreten.  Dazu  kam,  dass  ein  im  Jahre  3tS 
r.  mit  den  Römern  abgeschlossener  Handelsvertrag  ihre  Beziehungen 
nittleren  Italien  regelte  und  sie  so  fähiger  machte ,  ihre  Aufmerksamkeil 
n  wieder  zuzuwenden.  Die  Auflösung  des  Dionysischen  Reiches  balle 
t  grossen  Bofl'nungen  erfüllt,  und  als  nat^  einander  alle  Beherrscher  von 
US  gestürzt  wurden  und  in  ganz  Sicilien  die  Anarchie  immer  mehr  zu- 
,  da  glaubten  sie  die  Zeil  gekommen ,  die  Eroberung  der  ganzen  Insel 
assicht  auf  Erfolg  wieder  zu  versuchen ,  und  sie  rüsteten  sich  zu  einem 


Die  Sytakosaner  bitten  Korintii  um  Hülfe.  193 

gewaltigen  Feldzuge.  Unter  Magon^s  Oberbefehl  (Diodor  nennt  Hannon]  stell- 
ten sie  150  Kriegsschiffe,  50,000  oder  60,000  Soldaten,  800  Wagen;  über 
2000  MaaleseTgespanne  waren  dazu  bestimmt,  die  Masse  der  Lebensmittel 
und  Kriegs vorräthe  fortzuschaffen.  Mit  richtiger  Ueberlegung  knüpften  sie 
mit  den  Tyrannen  der  Insel  freundschaftliche  Beziehungen  an ,  nur  iiicht  mit 
Dionys,  auf  dessen  Besitz,  die  Burg  von  Syrakus,  sie  es  besonders  abgesehen 
hatten.  Dagegen  schloss  Hiketas  sich  ihnen  an,  den  die  Syrakusaner  so  eben 
zu  ihrem  Feldherm  gegen  Dionys  erwählt  hatten.  Wenn  die  Pläne  der  Kar- 
thager sich  verwirklichten,  so  war  es  um  die  Griechen  auf  Sicilien  geschehen ; 
Punier  und  italische  Söldner,  jene  oft  genannte  Verstärkung  des  einheimischen 
Elementes  der  Sikeler,  wurden  die  Herren  der  Insel,  und  die  Weissagung,  die 
der  Verfasser  des  achten  Platonischen  Briefes,  gewiss  nach  dem  Vorgange 
At)derer,  ausspricht,  dass  bald  die  griechische  Sprache  auf  Sicilien  verstum- 
men werde,  musste  in  ErfüHung  geben. 

In  dieser  Noth  erinnerten  sich  die  Syrakusaner,  welche  noch  nicht  wuss- 
ten ,  das»  ihr  Beschützer  Hiketas  sich  mit  den  Karthagern  verbunden  hatte, 
daran,  dass  es  noch  ein  Korinth  gab,  dass  ihre  Mutterstadt  stets  ein  warmes 
Herz  für  ihr  Interesse  gehabt  hatte,  und  dass ,  wenn  irgendwo ,  stets  bei  ihr 
Theilnahme  zu  finden  gewesen  war,  und  sie  beschlossen,  die  Korinther  um 
Hülfe  zu  bitten,  die  sich  mit  ziemlichem  Glücke  durch  eine  gemässigte  Oligar- 
chie von  Tyrannenberr^chaft  frei  %u  halten  gewusst  hatten.  Hiketas  konnte 
nicht  umhin ,  das  Hülfsgesuch  Öffentlich  zu  billigen ,  in  der  stillen  Hoffnung, 
dass  die  Korinther  nicht  im  Stande  sein  würden,  darauf  einzugehen. 

In  Griechenland  war  soeben  der  heilige  Krieg  durch  den  plötzlichen  Ein- 
bruch des  Königs  Philipp  von  Makedonien  und  die  Deberwindung  der  Phokier 
beendigt  worden,  und  es  war  ein  Friede  hergestellt  (Ol.  408,  3  —  346  v.  Chr.), 
den  nicht  einmal  die  Athener  zu  brechen  wagten.  Korinth  bedrängte  kein 
Feind,  und  deshalb  konnte  es  dem  Wunsche  der  Syrakusaner  willfahren. 
Freilich  wai*  die  Hülfe,  welche  es  leisten  konnte,  eine  recht  beschränkte.  Es 
vermochte  nicht,  Tausend©  von  Kriegern  nach  Sicilien  zu  werfen,  durch 
welche  der  Masse  der  karthagischen  Soldaten  em  Gleichgewicht  geschaffen 
wäre ;  es  konnte  im  besten  Falle  einen  guten  Feldherm  mit  wenigen  Kern- 
truppen senden.  Das  war  aber  in  Wirklichkeit  die  beste  Hülfe.  In  den  Heeren 
des  Alterthums,  wo  Muth,  Kraft  und  Gewandtheit  des  Einzelnen,  zusammen- 
gehalten durch  eine  gute  Führung,  über  den  Erfolg  entschieden,  konnte  durch 
einen  ausgezeichneten  Feldherrn,  der  einige  ausgewählte  Krieger  bei  sich 
hatte,  das  Wunderbarste  geleistet  werden.  Wenn  noch  dazu  der  Feldherr 
durch  seine  Herkunft  Achtung  gebot ,  so  konnte  er  auf  einen  fast  sicheren  Er- 
folg rechnen.  Hieraus  erklärt  sich  die  Bedeutung,  welche  einzelne  Spartaner 
im  Auslande  erlangten,  bei  denen  der  ihnen  vorangehende  Ruf  der  lakedämo- 
nischen  Tapferkeit  und  Kriegserfahrung  die  individuellen  Leistungen  wesent- 
lich erhöhte.  So  war  Syrakus  einst  durch  Gylippos  gerettet  worden.  Dass  die 
Syrakusaner  sich  aber  jetzt  nicht  an  Sparta  wandten,  war  sehr  natürlich. 
Sparta  war  ein  ganz  anderes  geworden,  und  die  Syrakusaner  hatten  das  zu 
ihrem  Schaden  erfahren.  Es  hatte  den  älteren  Dionys  fortwährend  gestützt, 
und  die  Spartaner,  welche  seit  dem  Ende  des  peloponnesischen  Krieges  nach 

Holm,  Gesell.  Siciliens.  II.  13 


194       FUnfies  Buch.   XII.  Nene  Bedraogoisse  von  Syrakas.    Timoleon  nach  Sicilien. 

"'  '"  i  gekommen  waren,  hatten  sich  tlieils  als  unbedeutend,  wie  Gaisy- 
leils  als  grundschlecht  gexeigt,  wie  Pharax.  Die  meisten  Spartaner, 
der  ersten  Halfle  des  i.  Jahrhunderle  v.  Chr.  im  Auslände  eine  Rolle 
1 ,  waren  Menschen  vom  Schlage  Lysander's,  nur  ohne  seine  tüditlgen 
chaften.  Es  war  viel  eher  in  Eorinlh  als  in  Sparta  ein  Mann  zu  finden, 
t  militärischer  Begabung  und  Erfahrung  die  nOthige  Selbstverläi^ung 
d,  um  Syrakus  zu  retten,  ohne  sich  selbst  auf  Kosten  der  Stadt  gross 
:hen. 

Is  die  Korinlher  darüber  herietben,  wem  der  Oberbefehl  anvertraut 
1  solle ,  nannte  eine  Stimme  aus  dem  Volke  den  Namen  des  Timoleoo, 
gleich  stimmten  alle  in  den  Ruf  ein.  Timoleon  war  der  Sohn  des  Timo- 
oder  Timainetos  und  der  Demarista ,  aus  einer  angesehenen  koriothi- 
^n  Familie.  Er  war  etwa  um  das  Jahr  Hi  v.  Chr.,  Ol.  92,  S  geboren. 
:  ebenso  besonnen  wie  tapfer  und  galt  schon  fiilh  viel  bei  seinen  Hil- 
n.  Der  HauptzUg  seines  Charakters  war  seine  Liebe  zum  Vaterlande 
ir  Freiheit,  ein  Gefühl,  aus  dem  eine  ebenso  erhabene  wie  schreckliche 
ervoi^ing.  Er  hatte  einen  alteren  Bruder  Timopbanes,  der  von  Ebrgeii 
len  nach  der  Tyrannis  strebte.  Trotzdem  gab  Timoleon  ihn  nicht  auf; 
e  ihm  in  einer  Sdilacht  gegen  Argos  und  Kleonai,  in  welcher  Timophanes 
inem  scheu  gewordenen  Pferde  mitten  unter  die  Feinde  geschleudert 
las  Leben  gerettet  und  bemUhte  sich  farlwtthrend,  sowohl  ihn  von  Usar- 
der  Herrschaft  zurückzuhalten  ,  als  sein  oft  verdachtiges  Benehmen  bei 
olke  zu  entschuldigen.  Endlich  fand  sich  für  Timophanes  eine  Gelegeo- 
■einen  Plan  auszuführen.  Seine  Partei,  die  besonders  aus  Leuten  der 
n  Volksschicht  bestand ,  welche  er  durch  Freigebigkeit  an  sich  gefesselt 
setzte  es  durch,  dass  im  Jabre  366,  als  die  Thebaner  ihren  dritten  Feld- 
den  Peloponnes  unternahmen,  aus  Hisstrauen  gegen  die  verbandelen 
!r  iftO  Söldner  angeworben  und  Timophanes  zum  Anführer  derselben 
It  wurde.  Er  hatte  nun  eine  Leibwache  und  war  thatsachlicb  Tyraoa 
ndt,  Vei^eblich  waren  Timoleon's  Bemühungen,  ihn  zu  bestimmen,  die 
ais  niederzulegen.  Als  er  sah,  dass  seine  Mahnungen  nichts  fruchteten, 
«dete  er  sich  mit  Aischylos,  dem  Bruder  der  Frau  des  Timophanes,  uod 
eher  Satyros  oder  Orthagoras,  und  sie  gingen  zusammen  auf  die  Bui^. 
«schworen  sie  Timophanes  noch  einmal ,  der  Stadt  die  Freiheit  wteder- 
m ;  aber  er  verlachte  sie,  und  als  sie  weiter  in  ihn  drangen ,  gerietb  er 
n.  Da  trat  Timoleon  bei  Seite  und  verhüllte  weinend  sein  Antlitz:  die 
I  andern  aber  zogen  ihre  Schwerter  nnd  stiessen  Timophanes  nieder, 
ie  That,  von  vielen  und  angesehenen  Bürgern  gebilligt ,  halle  das  ver- 
enartigste  Urtheil  über  Timoleon  zur  Folge.  Wahrend  die  einen  die 
itsliebe  des  Mannes,  die  alle  anderen  Gefühle  zurückgedrängt  hatte,  be- 
irten,  sahen  andere,  die  die  Tyrannenherrschaft  der  Aristokratie  voro- 
n  ihm  nur  einen  BrudermQrder ,  und  zum  Unglück  für  Timoleon  war 
eigene  Mutler  von  diesem  Gefühle  so  gSnzlich  beherrscht,  dass  sieibn 
!ss  und  verfluchte.  Dies  machte  auf  Timoleon  einen  furchtbaren  Eio- 
.  Er  wollte  sich  aller  Nahrung  enthalten  und  so  seinem  Leben  ein  Ende 
n  und  konnte  nur  durch  die  dringenden  Zureden  seiner  Freunde  von 


RüstuBgen  TimoleoD's.  195 

diesem  Entschlüsse  abgebracht  werden.  Aber  er  war  nicht  dazu  zu  bewegen, 
an  dem  öffentlichen  Leben  der  Stadt  Tbeil  zu  nehmen ;  er  lebte  einsam  auf 
dem  Lande  und  vermied  den  Umgang  mit  Menschen.  £s  bedurfte  eines  grossen 
Ereignisses,  um  ihn  wieder  aufzurichten. 

Timoleon  hatte  gegen  zwanzig  Jahre  in  der  ZurUckgezogenheit  gelebt,  als 
das  Bittgesuch  der  Syrakusaner  in  Rorinth  eintraf.  Das  Volk  erwählte  ihn  zum 
Feldherm,  und  der  angesehenste  Mann  der  Stadt,  Telekleides,  der  ein  Gegner 
seines  Bruders  gewesen  war,  wusste  ihn  durch  geschickte  Hinweisung  auf  den 
Mord  des  Timophanes  zur  Annahme  des  Auftrages  zu  bewegen.  Wenn  du  in 
diesem  Streite  tapfer  kämpfest,  sagte  er  ihm,  wird  man  sagen,  dass  du  damals 
einen  Tyrannen ,  nicht  einen  Bruder  getödtet  hast.  Timoleon  nahm  das  Amt 
an;  die  Aufgabe,  Syrakus  zu  retten,  verdiente  das  Opfer  seiner  Trauer,  ja 
seines  Lebens.  Er  war  eifrig  damit  beschäftigt,  Soldaten  zu  sammeln  und 
alles  sonst  zur  Expedition  Nöthige  zu  beschaffen,  als  ein  Schreiben  von  Hiketas 
eintraf,  das  mit  seiner  klar  ausgesprochenen  Absicht,  die  korinthische  Hülfe- 
leistung  zu  verhindern,  den  Eifer  dafür  noch  steigerte.  Er  hatte  sich  in  seiner 
Erwartung,  das  Gesuch  der  Syrakusaner  werde  unberücksichtigt  bleiben,  ge** 
täuscht  gesehen  und  schrieb  deshalb ,  man  möge  sich  nicht  mehr  die  Mühe 
und  die  Kosten  machen,  Truppen  nach  Sidlien  zu  schicken,''da  er  schon  genö- 
tbigt  gewesen  sei,  beim  Ausbleiben  der  korinthischen  Hülfe  sich  an  die  Kar- 
tbager  zu  wenden,  und  diese  es  nicht  dulden  wollten,  dass  korinthische  Schiffe 
nach  Syrakus  kämen.  Während  dieses  Schreiben  die  Korinther  noch  mehr 
anfeuerte,  gaben  'günstige  Vorzeichen  die  besten  Aussichten  auf  das  Gelingeu 
des  Unternehmens.  Den  Priesterinnen  der  Köre  erschienen  Demeter  und  Per- 
sephone  im  Traume ,  zur  Reise  gerüstet  und  mit  den  Worten ,  dass  sie  mit 
Timoleon  nach  Sicilien  fahren  wollten.  Deshalb  wurde  eine  von  den  Trieren 
Timoleon^s  den  beiden  Göttinnen  geweiht.  Timoleon  selbst  ging  nach  Delphi 
und  opferte  dem  Apollo,  und  als  er  hier  in  das  Heiligthum  hinabstieg,  fiel  eine 
unter  den  Weihgeschenken  aufgehängte  Binde,  auf  welcher  Kränze  und  Sie- 
gesgöttinnen eingewebt  waren ,  herab  und  .auf  das  Haupt  Timoleon's ,  der  so 
vom  Gotte  selbst  bekränzt  zu  seinem  Unternehmen  entlassen  wurde.  Und  als 
die  Vorbereitungen  beendigt  waren  und  er  mit  seiner  kleinen  Flotte  von  7  ko- 
rinthischen, 2  kerkyräischen  und  einem  leukadischen  Schiffe  zur  Nachtzeit  mit 
günstigem  Winde  in  See  stach  (334  v.  Chr.),  da  öffnete  sich  über  den  Schiffen 
der  Himmel  und  goss  eine  Masse  Feuers  aus,  und  eine  Fackel,  den  in  den  My- 
sterien der  Demeter  gebräuchlichen  ähnlich ,  sphwebte  vor  den  Schiffen  her 
und  zeigte  ihnen  den  Weg  nach  Italien.  Es  wurde  ilen  Wahrsagern  nicht 
schwer,  dies  Wunder  so  zu  erklären,  dass  die  Göttinnen  wirklich,  wie  sie .  im 
Traum  den  Priesterinnen  in  Korinth  mitgetheilt,  Timoleon  nach  Sicilien,  ihrer 
heiligen  Insel,  geleiteten. 

Hier  war  indessen  Hiketas  offen  zu  den  Karthagern  übergegangen,  welche 
mit  ihrer  grossen,  vorhin  näher  angegebenen  Macht  allmählich  nach  dem  Osten 
der  Insel  vorrückten.  Sie  wandten  sich  zuerst  gegen  Enteila,  das,  wie  wir 
wissen,  Kampaner  bewohnten.  Diese,  der  karthagischen  Macht  nicht  gewach- 
sen, hielten  sich  in  ihren  Mauern,  und  sandten  um  Hülfe  in  befreundete  Städte. 
Die  Furcht  vor  den  Karthagern  war  aber  so  gross,  dass  nur  Galeria  1000  Sol- 

13* 


196       FiinftesBuch.   Xl[.  Neue  Bcdroogoiwe  von  Syrakus.  Timoleon  nacb  Sicillea. 

daten  schickte,  und  diese  überfielen  die  Karthager  Dniarwegs  mit  po^er 
Uebermacht  und  hieben  sie  sfimmtlieh  nieder.  Hierdurch  wurden  auc^  die 
Kflmpaner  in  Aetna ,  die  als  Landsfeule  der  Bewohner  von  Enteila  daran  ge- 
dacht hatten,  ihnen  Beistand  zu  leisten,  davon  at^esdtrackt,  und  Entella  blieb 
eingeschlossen.  Hikelas  selbst  fahrte  den  Krieg  g^en  Diooys  mit  Glttcfc.  Er 
cog  gegen  Syrakus  und  verschanzte  sicä  beim  Tempel  des  olympischen  Zeus, 
in  der  Nahe  des  grossen  Hafens.  Hock  gingen  ihm  bei  der  Bel^erung,  die 
sich  in  die  Lange  zog,  die  Von^he  aus,  und  er  entst^loss  sich ,  wieder  nach 
Leontini  lurtlck zukehren.  Dionys  verfolgte  ihn  und  griff  den  Nachtrab  des 
Heeres  an,  ward  aber  vollständig  geschlagen.  3000  seiner  Söldner  fielen ;  die 
Ulwigen  Qohen,  und  Uiketas  drang  zugleich  mit  den  GesohlBgeneo  in  Syrakos 
ein  und  bemächtigte  sich  der  Stadt,  mit  Ausnahme  der  Burg  auf  der  lus^. 
Ehe  er  noch  diesen  Erfolg  errungen  halte,  schickte  er  schon  ein  karthagisches 
Kriegsschiff  dem  Timoleon  entgegen,  welebes  diesen  in  Metapont  traf,  und 
dessen  Befehlshaber  sieb  vergebens  bemühten ,  Timoleon  von  der  Fortseliung 
seiner  Fahrt  abzubringen.  Er  fahr  vielmehr  so  schMell  als  mSglicfa  nach  Kbe- 
.  ^on ,  dessen  Bürger  ihn  gerufen  hatten ,  und  kam  dort  drei  Tage  nach  der 
Einnahme  von  Syrakus  sn.  Von  hier  war  er  bereits  im  Begriff,  nach  Sicilien 
hinüberzugehen,  als  neue  Hessr^eln  der  Karthager  und  des  Hiketas  ihn  idid 
Verweilen  ntithigten.  Es  kamen  Boten  von  Hiketas  auf  karthagischen  Schißea, 
mit  der  Aufforderung  an  Timoleon ,  allein  zum  Hiketas  za  kommen  und  ibei 
mit  Bath  und  That  bei  der  Vertreibung  des  Dionys  beizustehen ;  das  grie- 
chische Heer  sei  erstens  überflüssig,  weil  Dionys  doch  bald  Überwunden  sein 
werde,  und  zweitens  kttnne  es  nicht  auf  die  Insel  gelangen ,  da  die  Karthsger 
sich  ntfthigenfalla  mit  Gewalt  seinem  Uebergang  widersetzen  würden.  SO  kar- 
thagische Trieren  lagen  unweit  Rbegion's,  und  die  Befehlshaber  des  Gesobwa- 
ders  bestätigten  die  Worte  der  Bolen  des  Hiketas.  Gross  wie  der  Unwille  Ober 
die  VerräÜierei  des  Despoten  von  Leontini  und  das  Mitieid  mit  den  verrathe- 
nen  und  verkauften  Syrakusanern  war,  so  befanden  sich  Timoleon  und  die 
Seinen  dennoch  nicht  in  der  Lage,  ihren  Uebergang  nach  Sieilien  erzwingen 
tu  können.  Han  musste  seine  Zuflucht  zu  einer  List  nehmen. 

Timoleon  erwiderte,  es  bleibe  ihm  dann  freilich  nidits  anderes  übrig,  ab 
sich  zu  fügen  and  nach  Hause  zurückzukehren.  Da  es  sich  hier  aber  ganz  be- 
sonders um  das  Schicksal  der  Stadt  Syrakus  handele,  für  die  Hiketas  sorgen 
zu  wollen  vorgebe ,  so  sei  es  angemessen ,  dass  die  Verhandlungen  hierüber, 
nach  deren  Beendigung  die  Korinlher  sich  erst  zurückziehen  könnten ,  in  der 
Versammlung  des  Volkes  von  Rhegion,  als  eines  vollgültigen  Zeugen,  siattlün- 
den.  Man  ging  auf  den  Vorschlag  ein,  und  als  die  Versammlang  beginn«! 
sollte,  verschlossen  die  Rheginer  die  Thore,  angeblich,  damit  die  Berathungen 
durchaus  ungestört  blieben,  io  Wirklichkeit,  damit  nur  diejenigen  die  Stadt 
veriassen  kSnnlen,  denen  sie  es  erlaubten.  Sie  waren  mit  Timoleon  im  Ein- 
verstündoiss ;  auch  Bhegion  hatte  ein  Interesse  daran,  dass  nicht  die  Karthager 
ihre  Nadibarn  würden.  Als  nun  alle  Betheiligten  versammelt  waren,  eröffneten 
die  Feldherren  von  Bhegion  die  Berathungen  und  redeten,  einer  nach  dem 
andern,  mit  mdglichster  WeitläufigkeR  über  die  Sache.  Timoleon  stand  neben 
der  RednerhUbne,  und  es  schien  jeden  Augenblick,  als  werde  er  nun  selbst 


Timoleon  nach  Tauromenion.  Timoleon  bei  Hadranon.  197 

duftreien.  Unterdessen  aber  verliess  ein  korintbiscbes  Schiff  nach  dem  andern 
den  Hafen,  und  die  karthagischen  Schiffe,  deren  Leute  grösstentheils  am  Lande 
waren,  konnten  nichts  dagegen  unternehmen.  Als  nur  noch  das  Admiralschiff 
Timoleon's  übrig  war,  welches  zur  Abfahrt  bereit,  auf  seinen  Feldherm  war*- 
tete ,  gab  man  Timoleon  ein  Zeichen  und  er  entfernte  sich  unbemerkt.  Bald 
darauf,  als  es  zu  spät  war,  die  Flotte  noch  einzuholen,  wurde  die  List  entdeckt, 
und  die  Rheginer,  äusserst  erfreut,  dass  alles  so  wohl  gelungen  war,  verspet- 
ten  die  aufgebrachten  Karthager  mit  den  Worten ,  sie  mttssten  sich  als  Punier 
doch  gerade  über  gelungene  Listen  freuen. 

Timoleon  fuhr  nach  Tauromenion ,  wo  er  von  Andromachos  mit  offenen 
Armen  empfangen  wurde.  Er  war  sein  e^rster  Verbündeter  auf  Sicilien ,  und 
Hess  sich  durch  die  Drohungen  der  Karthager  nicht  von  seinem  Entschlüsse 
abbringen,  Timoleon  zu  unterstützen.  Ein  karthagischer  Gesandter  sagte  ihm 
unter  anderm,  wenn  er  liicht  aufs  schleunigste  die  Korintber  entferne,  so  solle 
seine  Stadt  umgestürzt  werden,  wie  er  die  Hand  jetzt  vor  seinen  Augen  um- 
kehre. Andromachos  streckte  als  Antwort  ebenfalls  die  Hand  aus  und  sagte, 
indem  er  sie  umkehrte ,  wenn  er  nijcht  auf  der  Stelle  sich  mit  seinem  Schiffe 
entferne,  so  werde  er  es  mit  ihm  ebenso  machen. 

£ip  war  denn  Timoleon  in  Sicilien,  aber  es  schien  den  Griechen  auf  der 
Insel,  als  hinge  er  nur  so  am  Rande,  während  Hiketas ,  der  die  Stadt  Syrakus 
mit  Ausnahme  der  Insel  beherrschte ,  eine  karthagische  Flotte  in  den  grossen 
Hafen  rief  und  also  die  Feinde  der  Freiheit  der  Griechen  eine  viel  vortheilhaf- 
tere  Stellung  einnahmen ,  als  ihre  Yertheidiger.  Ausserdem  war  man  anfangs 
wenig  geneigt,  dem  Timoleon  bessere  Absichten  zuzutrauen,  als*  die  anderen 
aus  Griechenland  herübergekommenen  Führer  gezagt  hatten.  Deshalb  dauerte 
es  eine  geraume  Zeit,  ehe  sich  eine  zweite  sicilische  Stadt  an  Timoleon  an- 
schloss,  während  einst  Dion  alles  sogleich  zugefallen  war. 

Endlich  gaben  die  Verhältnisse  der  kleinen  Stadt  Hadranon  ihm  Gelegen- 
heit ,  seine  Stellung  zu  verbessep  und  von  seinem  Charakter  und  seinen 
Talenten  eine  Probe  zu  geben.  Es  bildeten  sich  in  diesem  durch  den  CuHus 
des  Hadranos  in  ganz  Sicilien  bekannten  Orte  zwei  Parteien,  von  denen  die 
eine  Hiketas,  die  andere  Timoleon  herbeirief.  Beide  kamen,  aber  Hiketas  mit 
5000,  Timoleon  mit  nur  1200  Mann.  Die  Entfernung  von  Tauromenion  nach 
Hadranen  betrug  «340  Stadien ,  von  denen  Timoleon  am  ersten  Tage  den  kiei- 
neren  Theil  zurücklegte.  Am  zweiten  Tage  marschirte  ec  angesirengter  und  war 
gegen  Abend  der  Stadt  nahe^  als  er  vernahm,  dass  Hiketas  ihm  bereits  zuvor- 
gekommen sei  und  in  grösserer  Nähe  der  Stadt  lagere.  Seine  Unterbefehls- 
haber  Hessen  sogleich  die  Vordersten  Halt  machen,  und  schlugen  Timoleon 
vor,  die  Soldaten  ihre  Mahlzeit  einnehmen  zu  lassen,  damit  sie,  hierdurch 
gdiräftigt,  die  Feinde  angreifen  könnten.  Timoleon  aber  stellte  den  Soldaten 
lebhaft  vor,  wie  vortheilhaft  es  sei,  wenn  sie  die  Feinde  ganz  unvermuthet  bei 
der  Bereitung  der  Mahlzeit  und  dem  Aufschlagen  des  Lagers  überfiden,  nahm 
den  Schild  und  schritt  ihnen,  yne  zum  sicheren  Siege,  voran.  Freudig  folgten 
alle ,  legten  die  etwa  30  Stadien ,  die  sie  noch  von  den  Feinden  trennten, 
schnell  zurück,  und  überfielen  sie  so  unerwaitet,  dass  das  Heer  des  Hiketas 
segleieb  die  Flucht  ergriff.  Nur  etwa  300  der  Feinde  fielen,  nngeßihr  die  dop- 


\.  .  . 


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r.  •  > 


198        FÜQftes  Buch.   XII.  Neue  Bedr&ngnisse  von  Syrakus.  Ttmoleon  nach  Stcilien. 


pelte  Zahl  wurde  zu  Gefangenen  gemacht ,  das  ganze  Lager  fiel  in  Timoleon's 
Hände.  Nach  dem  Siege  öffneten  die  Hadraniten  ihre  Thore,  begrüssten  Timo- 
leon  und  meldeten  ihm ,  dass  während  der  Schlacht  sich  die  Pforten  des  Ha- 
dranostempels  geöffnet  hätten,  und  dass  die  Lanze  des  Gottes  gebebt  habe  und 
sein  Antlitz  mit  vielem  Schweisse  bedeckt  gewesen  sei. 

Der  Sieg  bei  Hadranon  änderte  die  Lage  Timoleon's  vollständig.  Zunächst 
fand  er  Bundesgenossen ,  an  denen  es  ihm  vorher  fast  gänzlich  gefehlt  hatte. 
Ausser  den  Hadraniten  schlössen  sich  ihm  die  Bewohner  einiger  anderer  Städte, 
besonders  von  Tyndaris ,  an  und  —  ein  Zeichen ,  dass  er  anfing ,  für  mächtig 
und  bedeutend  zu  gelten  —  Mamerkos ,  der  Tyrann  von  Katane,  der  mit  Sol- 
daten und  Geld  wohl  versehen  war.  Er  zog  nun  gegen  Syrakus,  in  dessen 
Besitz  sich  Dionys  und  Hiketas  theilten.  Hier  bewirkte  die  kräftige  Kriegfüh- 
rung und  die  edle  Persönlichkeit  Timoleon's  etwas,  das  einem  Wunder  ähnlich 
sah.  Dionys,  gegen  den  sich  alles  gewandt  hatte,  der  unter  den  Sicilien  be- 
herrschenden Mächten  keinen  Freund  fand ,  ergab  sich  Timoleon  und  über- 
lieferte ihm  die  Burg.  Er  hatte  offenbar  darauf  gewartet,  mit  Anstand  und 
Sicherheit  von  der  politischen  Bühne  abtreten  zu  können ,  und  erst  die  Anwe- 
senheit eines  Vertreters  der  Mutterstadt,  der  als  solcher  über  den  Parteien 
stand ,  und  zwar  eines  klüftigen  und  humanen  Mannes ,  gab  ihm  die  Mög- 
lichkeit, seinen  Wunsch  zu  erfüllen.  Auch  hier  tritt  wieder  die  in  den  hel- 
lenischen Dingen  nicht  selten  sich  überraschend  offenbarende  grosse  mora- 
lische Macht  der  Mutterstädte  hervor,  die ,  zur  rechten  Zeit  geltend  gemacht, 
eine  ungemeine  Wirkung  ausübte.  Aber  die  Uebergabe  musste  heimlich  ge- 
schehen, denn  Hiketas  und  die  Karthager  waren  noch  stark  genug,  um  zu 
Lande  und  zu  Wasser  eine  offene  Communication  zwischen  der  Burg  und  Ti- 
moleon zu  verhindern.  Viertiundert  Soldaten  Timoleon^s,  unter  der  Anführung 
der  Korinther  Eukleides  und  Telemachos ,  wurden  in  kleinen  Abtheilungen  in 
die  Burg  gebracht.  Hier  fanden  sich  die  werth vollsten  Yorräthe.  Maschinen 
und  Geschosse  in  grosser  Menge  lagen  aufgespeichert,  Waffen  für  70,000  Mann; 
eine  Anzahl  Pferde  und  2000  Söldner  wurden  von  Dionys  ebenfalls  an  Timo- 
leon abgetreten.  Dionys  selbst  nahm  die  Schätze,  die  ihm  noch  geblieben 
waren,  ging  mit  einigen  Freunden  zu  Schiff  und  gelangte  trotz  der  Wachsam- 
keit des  Hiketas  in  Timoleon's  Lager.  Dieser  hatte  dem  Tyrannen  für  die 
Ueberlieferung  der  Burg  mit  ihren  Vorräthen  gerne  zugestanden,  dass  er  sein 
Leben  in  Ruhe  in  Korinth  beschliessen  dürfe ,  das  hundert  Jahre  früher  auch 
Duketios  aufgenommen  hatte.  Er  ging  dahin  auf  einem  Kriegsschiffe.  Er  ist 
nicht  wieder  nach  Sicilien  zurückgekehrt  und  hat  keine  politische  Rolle  mehr 
gespielt. 

Dies  war  das  Ende  der  Dionysischen  Dynastie.,  die  von  405 — 344,  also 
61  Jahre  hindurch  die  Geschicke  Siciliens  geleitet  oder  doch  wesentlich  beein- 
flusst  hatte.  Der  jüngere  Dionys  selbst  hatte  die  von  seinem  Vater  ererbte 
Herrschaft  zuerst  über  40  Jahre,  von  367  —  356  behauptet,  war  dann,  von 
Dion  vertrieben,  4  0  Jahre  lang,  bis  346  in  italischen  Städten  Tyrann  gewesen, 
und  hatte  endlich  noch  2  Jahre  lang,  bis  344,  die  Burg  von  Syrakus  iiine  ge- 
habt. Sein  Leben  war  schle<^ht  gewesen ,  aber  er  hatte  durch  das ,  was  in 
Lokri  seiner  Familie  widerfuhr,  furchtbar  für  seine  Sünden  gebüsst.  Man  kann 


Dionys  in  Korinlb.  199 

nicht  sagen,  dass  er  seine  früheren  Tbaten  bereute ;  die  Yeriiältnisse  nöthigten 
ihn,  auf  den  Glanz  und  die  Ueppigkeit  der  Tyrannis  zu  verzichten,  und  das 
einzige  Lob ,  das  man  ihm  spenden  kann ,  besteht  darin ,  dass  er  diese  Ver- 
hältnisse zu  rechter  Zeit  zu  erkennen  und  sie  besser  zu  benutzen  verstanden 
hat,  als  die  Zeit  seiner  Macht  und  seines  Glückes.  Er  ist  eine  eigenthtlmlichere 
Figur  in  der  Verbannung  in  Korinth ,  als  auf  dem  Herrscherthrone  in  Syrakus 
oder  in  Lokri.  Von  Würde ,  wie  sie  ein  ehemaliger  Tyrann  vielleicht  hatte 
zeigen  können ,  war  wenig  in  seinem  Betragen  zu  spüren.  Man  sah  ihn  auf 
dem  Markte  mit  einer  Gemüsehändlerin  um  ihre  Waaren  feilschen ,  im  Bar- 
bieriaden  mit  anderen  Bürgern  sitzen,  in  den  Schenken,  in  denen  das  niedere 
Volk  zusammen  kam ,  trinken ,  Sängerinnen  Unterweisungen  über  ihre  Kunst 
ertheilen  oder  mit  ihnen  über  musikalische  Fragen  sich  in  Streit  einlassen, 
und  auf  öffentlicher  Strasse  gemeinen  Weibspersonen  zunicken.  Das  ent- 
sprach alles  seiner  Natur,  die  nur  nach  Vergnügen  trachte,  und  in  der  Aus-' 
wähl  desselben  nicht  eben  wählerisch  war ;  es  ist  aber  klar^  dass  er  auch  aus 
Gründen  der  Klugheit  so  lebte.  Denn  er  musste  sicherer  sein ,  sein  Leben 
ruhig  hinbringen  zu  können ,  wenn  er  den  Korinthem  möglichst  wenig  Ver- 
dacht einflösste.  Er  war  nicht  ohne  natürlichen  Verstand,  und  es  sind  einige 
Worte  von  ihm  erhalten,  die  nicht  ungeschickt  gewandt  sind.  So  äusserte  er, 
als  er  auf  seiner  Fahrt  nach  Korinth  zuerst  nach  Leukas ,  einer  korinthischen 
Kolonie  kam :  Es  gehe  ihm  wie  Jünglingen ,  die  ein  leichtsinniges  Leben  ge- 
führt hätten ;  wie  diese  gern  mit  ihren  Altersgenossen  umgingen ,  aber  sich 
scheuten,  ihren  Eltern  vor  die  Augen  zu  treten,  so  schäme  er  sich,  nach  Ko- 
rinth zu  gehen,  und  er  würde  es  vorziehen,  in  Leukas  zu  leben.  Er  w^ar  eine 
der  Merkwürdigkeiten  von  Korinth ,  die  Fremde  nicht  leicht  zu  sehen  ver- 
säumten. Wenn  einer  oder  der  andere  derselben  glaubte,  ihn  mit  leichter 
Mühe  verspotten  zu  können ,  so  fand  er  in  der  Regel  an  ihm  seinen  Meister. 
Jemand  fragte  ihn  höhnisch :  Was  hat  dir  denn  nun  das  Philosophiren  mit 
Piaton  genützt?  Und  er  antwortete:  Rechnest  du  das  für  nichts,  dass  ich  den 
Wechsel  des  Glücks  so  gleichmüthig  ertrage  ?  Dem  Musiker  Aristoxenos  und 
andern  erwiderte  er  auf  ihre  Frage,  wie  es  denn  gekommen  sei ,  dass  er  sich 
mit  Piaton  entzweit  habe.  Das  ist  eben  das  Unglück  der  Tyrannen,  dass  keiner 
ihrer  sogenannten  Freunde  ihnen  die  Wahrheit  sagt ;  durch  falsche  Freunde 
habe  ich  Platon's  Freundschaft  verloren.  Als  einer,  der  sich  für  witzig  hielt, 
beim  Eintritt  in  die  Wohnung  des  Dionys  sein  Gewand  ausschüttete,  als  käme 
er  zum  Tyrannen,  der  verborgene  Waffen  fürchtet,  sagte  ihm  Dionys:  Du 
thätest  besser,  es  beim  Fortgehen  auszuschütten,  damit  ich  sehe,  dass  du 
nichts  von  meinen  Sachen  mitgenommen  hast.  Es  heisst,  dass  er  in  Korinth 
in  Armuth  verfiel.  Das  kann  sich ,  wenn  es  wahr  ist,  nur  auf  die  letzte  Zeit 
seines  Lebens  beziehen.  Als  er  nach  Korinth  kam,  besass  er  Vermögen.  Da- 
mals verkaufte  er  sein  kostbares  Mobiliar  an  Dionysios.  den  Tyrannen  von 
HeraUeia  in  Pontus,  und  da  dies  Mobiliar  so  prachtvoll  war,  dass  seine  Er- 
werbung der  Dynastie  von  HeraUeia  besondem  Glanz  verlieh ,  so  dürfen  wir 
annehmen,  dass  auch  die  Summe,  welche  er  dafür  empfing,  eine  sehr  bedeu- 
tende war.  Ob  er  seine  Reichthümer  durch  fortgesetzte  Verschwendung  ver- 
lor ,  oder  ob  er  sich  arm  stellte,  um  sicherer  zu  sein  ?  wir  wissen  es  nidit. 


200    Fünftes  Buch.  XIII.  Timoieon  befreit  Syrakus,  siegt  am  Krimisos.  Seine  letzten  Jahre. 

Mancherlei  ist  uns  aber  benchtet  von  den  Beschäftigungen ,  die  er  in  Korinih 
aus  Armutb  habe  übernehmen  müssen.  Elearchos  aus  SoJi,  ein  Schüler. des 
Aristoteles,  erzahlt,  dass  Dionys  Metragyrt  wurde.  Dies  war  eine  Art  von  Bet- 
telmönchen, Priester  der  grossen  Göttermutter,  die  unter  den  Tönen  des  Tym- 
panons  im  Lande  umherzogen ,  sich  scheusslich  verstümmelten  und  für  die 
Göttermutter  bettelten.  Diese  Menschen  waren  gegen  Belohnungen  zu  allem, 
Sühnungen  wie  Mordthaten,  bereit  und  gehörten  zum  Abschaum  der  Mensch- 
heit. Eine  andere  Sage  lässt  ihn  Schulmeister  werden.  Er  soll  auf  öffentlichen 
Plätzen  Kinder  unterrichtet  haben ;  wie  Cicero  meint ,  um  noch  Jemand  zu 
haben ,  den  er  quälen  könne.  Dionys  kann  das  Geschäft  eines  Schulmeisters 
wie  das  eines  Metragyrten  ebenso  wohl  zu  seiner  Unterhaltung,  wie  aus  Noth 
betrieben  haben ;  dass  er  es  aber  gethan ,  ist  an  und  für  sich  nicht  unwahr- 
scheinlich. Ein  Mensch  wie  er,  der  in  seinem  Leben  so  viele  Freuden  und 
•Leiden  4urchgekostet  hatte,  und  der  sich  aus  dem  Urtheile  d^r  Menschen  so 
wenig  machte,  konnte  sich  in  alle  Berufe  finden.  War  doch  gerade  die  Philo- 
sophie des  Aristipp ,  die  Dionys  in  der  Praxis  immer  der  Platonischen  vorge- 
zogen hatte,  dazu  geeignet,  ihn  nöthigenfalls  zu  einem  ebenso  guten  Beltel- 
priester  zu  machen,  wie  er  ein  schlechter  Tyrann  gewesen  war. 

Im  Jahre  337  v.  Chr.  [OL  110,  4),  wo  Philipp,  Macedoniens  König,  sich 
in  Korinth  befand,  würdigte  er,  wie  wir  früher  sahen,  Dionys  seines  Umgan- 
ges. Wie  lange  der  ehemalige  Tyrann  Siciliens ,  den  Alten  das  schlagendste 
Beispiel  der  Veränderlichkeit  des  Glückes ,  noch  gelebt  hat,  wissen  wir  nicbt 


Dreizelmtes  KapiteL 

Timoleoa  befreit  ganz  Syrakns,  siegt  ftm  Krimisos.    Seine  letztes 

Jalire. 

Die  glücklichen  Auspicien,  unter  denen  Timoieon  seinen  Zug  beganD^ 
hatten  nicht  getäuscht.  Er  war  wirklich  von  den  Göttern  begünstigt.  Fünfzig 
Tage  nach  seiner  Landung  auf  der  Insel  war  er  im  Besitz  der  Burg  von  Syra- 
kus  und  Dionys  auf  dem  Wege  nach  Korinth.  Die  unerwartete  Nachricht  von 
diesem  glänzenden  Erfolge  bewog  die  Korinther,  ihm  ein  zweites  Heer,  2000 
Mann  zu  Fuss  und  200  Reiter,  nachzuschicken.  Diese  Verstärkung  wurde  aber 
durch  die  kartiiagische  Flotte  in  Thurii  zurüdigehalten,  wo  sie  indessen;  wenn 
auch  nicht  den  Syrakusanern  gegen  die  Punier,  so  doch  Griechen  gogen  Bar- 
baren sich  hülfreich  erwies. 

In  Unteritalien  hörte  die  Bedrängniss  der  Griechen  nicht  auf  ^Wir  sahen, 
wie  seit  dem  Jahre  430  die  tapferen  Lukaner  das  alte  Oenotrien  eroberten. 
Kaum  hatte  sich  der  kriegerische  Ungestüm  dieses  Volkes  ein  wenig  gelqgt,  als 
-sich  um  die  406te  Ol.,  356  v.  Chr.  ein  s^nd^res,  anfangs  noch  roheres  erhob, 
ilas  LuKanem  und  Griechen  gleich  feindlich  gegenübertrat.  Es  waren  die  Bret- 


Der  Mordversuch  auf  Timoleon  vereitelt.  201 

tler  oder  Bruttier ,  ein  Misch volk  aus  den  von  den  Lukanern  zu  Leibeigenen 
gemachten  Ureinwohnern  des  Landes  und  fremden  Sklaven,  {die  sich  in  die 
Dickichte  des  Siiawaldes  geflüchtet  hatten;  der  Name  Brettii  bezeicbnete  in 
der  Sprache  der  Ureinwohner  flüchtige  Sklaven.  Dies  Volk  hatte  bereits  Terina 
erobert  und  geplündert  und  bedrohte  wiederholt  Hipponion»  und  Thurü.  Da-- 
roals  ermöglichten  die  Korinther  es ,  dass  die  Thurier  mit  ihrer  ganzen  Macht 
gegen  die  Bruttier  ausziehen  konnten,  indem  sie  selbst  so  lange  die  Bewachung 
der  Stadt  übernahmen. 

Während  so  die  Timoleon  zugedachte  Hülfe  unterwegs  zurückgehalten 
wurde,  schwebte  der  Feldherr  selbst  in  Lebensgefahr,  aus  der  nur  ein  wun- 
derbarer Zufall  ihn  rettete.  Der  grösste  Theii  von  Syrakus  befand  sich  noch 
immer  in  den  Händen  von  Hiketas,  der  mit  karthagischen  Schiffen  die  Burg, 
in  welcher  der  Korinther  Neon  commandirte ,  eng  blöckirt  hielt,  aber  trotzdem 
in  Timoleon  einen  so  gefährlichen  Gegner  sah ,  dass  er  sich  seiner  um  jeden  * 
Preis  entledigen  wollte.  Er  schickte  zwei  Meuchelmörder  nach  Hadranon,  wo 
Timoleon  sich  gerade  aufhielt.  Diese  brachten  in  Erfahrung,  dass  Timoleon  an 
einem  gewissen  Tage  dem  Gotte  ein  Opfer  bringen  werde ,  und  begaben  sich 
zur  bestimmten  Zeit  in  den  Tempel.  Sie  wussten  allmählich  durch  die  Menge 
zum  Altar  und  in  die  Nähe  des  Feldherrn  vorzudringen  und  waren  schon  im 
Begriff,  sich  das  verabredete  Zeichen  zu  geben  und  über  Timoleon  herzufal- 
len, als  plötzlich  ein  Mann  aus  der  Volksmenge  sich  auf  einen  der  Beiden  warf 
und  ihn  durqh  einen  Schwertstreich  tödtete.  Es  entstand  ein  grosser  Tumult ; 
der  Thäter  wie  der  Begleiter  des  Entschlagenen  entflohen,  und  jener  sprang 
auf  einen  hohen,  in  der  Nähe  des  Tejgapels  befindlichen  Stein ,  dieser  erfasste 
den  Altar  und  bat  flehentlich  Timoleon  um  Gnade ;  er  wolle  alles  gestehen. 
Man  sicherte  ihm  Straflosigkeit  zu,  und  er  bekannte  das  Verbrechen,  zu  dessen 
Ausfuhrung  er  und  der  Getödtete  geschickt  waren.  Nun  wurde  auch  der  Mör- 
der herbeigebracht,  welcher  betheuerte,  dass  er  nur  gerechte  Rache  an  dem 
Menschen  genommen ,  der  einst  in  Leontini  seinen  Vater  ermordet  habe.  Es 
fanden  sich  Leute  in  Hadranon^  die  die  Wahrheit  dieser  Behauptung  bezeugen 
konnten.  Man  bewunderte  die  göttliche  Fügung,  und  der  Mann,  durch  den 
der  beabsichtigte  Frevel  entdeckt  war ,  erhielt  von  den  korinthischen  Soldaten 
ein  Geschenk  von  10  Minen. 

Indess  entschloss  sich  Hiketas  dazu,  die  karthagische  Macht,  die  bis  dabin 
noch  zum  grösseren  Theile  fem  von  Syrakus  sich  aufgehalten  hatte ,  zu  seiner 
Hülfe  ganz  herbeizuziehen,  i  50  karthagische  Kriegsschiffe  liefen  in  den  Hafen 
ein,  und  60,000  Mann  karthagischer  Landtruppen  öffnete  Hiketas  die  Thore 
der  in  seiner  Gewalt  befindlichen  Stadttheile.  So  war  Syrakus  fast  gänzlich 
eine  Beute  der  Barbaren  geworden.  Trotzdem  war  noch  nicht  alles  verloren, 
und  weder  Neon,  der  in  der  Burg  commandirte,  noch  Timoleon,  der  sich 
meistens  in  Katane  aufhielt,  gaben  die  Hoffnung  auf,  obwohl  die  karthagische 
Flotte  die  Verproviantiruixg  der  Burg  sehr  erschwerte ,  ^und  die  korinthische 
Besatzung  die  äusserste  Wachsamkeit  gegen  die  fortwährenden  Angriffe  nöthig 
batte.  Timoleon  wusste  die  stürmische  Jahreszeit  des  Winters  vortreSlicb  zu 
benutzen ,  um  Proviant  in  die  belagerte  Inselstadt  zu  schaffen.  Er  belud  in 
Katane  sehr  kleine  Fahrsteuge  mit  den  nöthigen  Vorräthen,  und  diese  gellingten 


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302    Fünftes  Buch.  XIII.  Timoleon  befreit  Syrakus,  siegt  am  Kriroisos.  Seine  letzten  Jahre. 


zwischen  den  grossen  karthagischen  Schiffen   hindurch,   welche  durch  die 
Stttrme  häufig  aus  ihren  Stellungen  getrieben  wurden,    eu  den  Belagerten. 
^>  Diese  Störung  ihrer  Anordnungen  gab  Magon  und  Hiketas  den  Gedanken  ein, 

^^[  Timoleon  den  Ort,  von  dem  aus  er  der  Burg  von  Syrakus  Zufuhr  schickte,  zu 

f^i:f.[ ,  entreissen,  und  sie  zogen  mit  dem  besten  Theil  ihrer  Streitmacht,  dem  Rem 

W^l.  des  Landheeres  und  ausgewählten  Schiffen j  nach  Katane. 

/;  ^  Nun  ging  es  Hiketas  ähnlich  wie  Kallippos  früher^  mit  dem  Unterschiede, 

dass  er  auch  die  »Käsereibe«  nicht  bekam.    Kaum  waren  die  Truppen  aus  Sy- 
rakus abgezogen,  als  Neon  mit  den  Seinigen  die  Zurückgebliebenen  überfiel 
^  ;; ,  und  sich  Achradina's  bemächtigte.    Er  erbeutete  hier  viele  Vorräthe  und  be- 

'^Z':  schloss,  den  eroberten  Theil  von  Syrakus  zu  halten.    Schnell  verstärkte  er,  so 

s;  gut  es  gehen  wollte,    die  Mauern   von  Achradina,  und  verband  durch  eilig 

;^  errichtete  Werke  diesen  festen  Platz  mit  der  Inselfestung.   Das  Heer  des  Hike- 

,,^  i  *   tas  warde,  als  es  Katane  nahe  war,  von  dem  unterdess  in  Syrakus  Vorgefalle- 

:♦ ;  ■    ;  nen  unterrichtet  und  kehrte  eilig  nach  der  Stadt  zurück. 

pA  ■  Ein  karthagisches  Geschwader  bewachte ,   wie  wir  uns  erinnern ,  die 

'KV  italische  Küste,  um  die  dem  Timoleon  nachgesandten  Schiffe  an  der  Ueberfahrt 

r  r'7  nach  Sicilien  zu  verhindei*n.    Dies  und  die  Winterstürme  Hessen  es  den  Ro- 

rinthern  rathsam  erscheinen ,  auf  die  Seefahrt  von  Thurii  aus  zu  verzichten, 
:  i  '  und  lieber  den  Marsch  zu  Lande  nach  Rhegion  zu  wagen.     Sie  durchzogen, 

L^    '  wenn  auch  nicht  ohne  Schwierigkeiten  aller  Art,  das  feindliche  bruttiscbe  Ge- 

biet und  gelangten  nach  Rhegion.  Der  karthagische  Flottenbefehlshaber  ward 
des  fortwährenden  Wartens  auf  die  griechischen  Schiffe  überdrüssig  und 
dachte  einen  geschickten  Streich  auszuführen ,  wenn  er  unter  dem  Vorgeben, 
er  habe  die  korinthische  Flotte  besiegt,  mit  geschmückten  Schiffen,  die  Mann- 
schaft bekränzt,  bei  der  Burg  von  Syrakus  vorbeifuhr  und  den  die  Mauern 
bewachenden  Soldaten  die  Nachricht  von  seinem  angeblichen  Siege  zurufen 
Hess.  Er  wusste  nicht ,  dass  in  demselben  Augenblick  das  korinthische  Heer 
von  Rhegion  auf  kleinen  Fahrzeugen  und  Fährbooten  nach  Sicilien  übersetzte 
bei  so  günstiger  und  stiller  Witterung,  dass  die  Pferde  neben  den  Booten  her- 
schwammen. 

Die  so  gewonnene  Verstärkung  erlaubte  Timoleon  im  Jahre  343  wieder 
die  Offensive  zu  ergreifen.  Zuerst  gewann  er  Messana,  dann  zog  er  nach  Sy- 
rakus, dem  Hiketas  und  Magon  entgegen.  Sein  Heer  war  nur  etwa  4000  Mann 
stark ,  aber  er  hatte  sich  bis  jetzt  schon  eines  so  beständigen  Glückes  erfreut, 
dass  seine  Zuversicht  gewachsen  war  und  er  die  Feinde  gering  achtete.  Er 
wurde  durch  Uneinigkeit  unter  den  letzteren  für  seine  Zuversicht  belohnt. 
Magon  war  kein  den  Umständen  gewachsener  Feldherr.  Es  fehlte  ihm  an  dem 
Vertrauen  zu  sich  selbst  und  seiner  Sache,  welches  Timoleon's  Stärke  war,  er 
fühlte  sich  in  der  Verbindung  mit  Hiketas  unbehaglich ,  besonders  da  durch 
das  Zusammenleben  seiner  eigenen  Truppen  mit  denen  des  Hiketas  ihr  Corps- 
geist  geschwächt  wurde.  Er  benutzte  seine  Uebermacht  nicht  zu  einem  kräf- 
tigen Angriff  auf  die  in  den  Händen  der  Korinther  befindlichen  Theile  von 
Syrakus  —  seine  und  des  Hiketas  zweideutige  Stellung,  da  sie  doch  ursprüng- 
lich zur  Befreiung ,  nicht  zur  Eroberung  der  Stadt  gekommen  waren ,  scheint 
es  verhindert  zu  haben  —  und  so  wurde  das  Heer  unlustig  und  lässig.  Häufig 


Abzug  der  Karthdger.  Syrakns  genommeo.  203 

war  Waffenstillstand,  und  die  freundschaftliche  Berührung,  die  dann  zwischen 
den  beiden  Heeren  staltfänd,  dämpfte  die  kriegerische  Stimmung  der  Leute 
des  Magon  und  Hiketas  noch  mehr.  Die  unbeschäftigten  Sc^ldaten ,  besonders 
die  Griechen  beider  Heere ,  kamen  in  solchen  Tagen  häufig  an  den  Teichen  in 
der  Nähe  von  Syrakus  zusammen  und  vertrieben  sich  die  Zeit  mit  Fischfang. 
Sie  hatten  keinen  Grund,  sich  einander  ausserhalb  des  Schlachtfeldes  als 
Feinde  zu  betrachten,  und  unterhielten  sich  über  die  Lage  der  Djnge  und  die 
Ansprüche  und  Aussichten  der  Parteien,  denen  sie  dienten.  Timoleon^s  Leute, 
wenn  auch  Söldner  wie  die  andern,  hatten  den  Vorlheil,  dass  sie  fttr  die 
edlere  Sache  kämpften,  und  machten  das,  was  sie  häufig  von  ihren  Anführern 
hatten  sagen  hOren ,  und  was  sie  unter  sich  oftmals  besprochen  hatten,  ihren 
Gegnern  gegenüber  geltend.  Da  liegt  nun,  sagten  sie,  das  grosse  und 
schöne  Syrakus,  und  diese  prächtige  Stadt  wollt  ihr  den  Barbaren  in  die 
Hände  liefern?  Da  kaum  Sicilien  genügt  hat,  um  Griechenland  vor  ihnen  zu' 
schützen,  wollt  ihr  unserem  Yaterlande  auch  diese  Schutzwehr  gegen  sie  rau- 
ben? Oder  joieiiit  ihr  etwa,  dass  es  den  Karthagern  nicht  ernst  damit  ist, 
Syrakus  zu  erobern,  und  dass  sie  von  den  Säulen  des  Herakles  und  dem 
atlantischen  Meere  bloss  deshalb  hierher  gekommen  sind,  um  Hiketas  zu 
helfen?  Hiketas  würde  vernünftiger  handeln,  wenn  er  sich  auf  die  Karthager 
nicht  verliesse,  sondern  sich  lieber  an  die  Korinther  und  an  Timoleon  an- 
schlösse. Die  Söldner  des  Hiketas,  welche  solche  Reden  hörten,  theilten  sie 
ihren  Kameraden  mit,  und  hiervon  zu  dem  Gerüchte,  dass  Hiketas  im  Begriff 
sei ,  die  Partei  zu  wechseln ,  war  kein  grosser  Schritt.  Alles  dies  kam  Magon 
zu  Ohren  und  machte  ihn  am  Erfolge  verzagen.  Er  fasste  den  vom  Stande 
punkte  eines  karthagischen  Feldherm  dut*chaus  unverantwortlichen  Entschluss, 
seine  Stellung  aufzugeben ,  und  entweder  in  das  karthagische  Gebiet  in  Sici- 
lien oder  gar  nach  Karthago  zurückzukehren.  Der  Schritt  Magon's  ist  an  sich 
so  unerklärlich,  dass  noch  besondere  Gründe  für  ihn  vorgelegen  haben  müssen. 
Man  wird  sie  nur  in  den  innem  Verhältnissen  Karthago's  in  dieser  Zeit  suchen 
können.  Es'war  die  Zeit,  wo  Hannen  den  Versuch  machte,  Tyrann  von  Karthago 
zu  werden.  Zu  ihm  muss  Magon  in  Beziehung  gestanden  haben.  Wahrschein- 
lich wollte  er  an  seiner  Usurpation  Theil  nehmen  und  verpasste  den  rechten  Mo- 
ment. Ohne  eine  solche  Voraussetzung  ist  jedenfalls  Magon's  Verfahren  völlig 
unbegreiflich.  Kurze  Zeit,  wie  es  heisst,  schon  am  folgenden  Tage  nach  dem 
Abzug  der  Karthager,  war  Timoleon  in  Syrakus  und  zur  Schlacht  bereit.  Die 
Nachricht  von  der  plötzlichen  Flucht  Magon's  erregte  mit  Recht  den  Spott  der  Ko- 
rinther, die  durch  Ausrufer  demjenigen  eine  Belohnung  zusicherten,  der  ihnen 
den  Versteck  der  Karthager  nachweisen  würde.  Hiketas  gab  dessen  ungeachtet 
sein  Spiel  noch  nicht  verloren,  er  liess  es  auf  einen  Kampf  ankommen.  Timo- 
leon hatte  die  Aufgabe,  drei  Tbeile  der  fünffachen  Stadt  Syrakus,  Neapolis, 
Tyche  und  Epipolae  zu  erobern,  und  er  löste  sie  mit  seinem  gewohnten  Glück. 
Dem  Korinther  Isias  ward  der  Befehl ,  von  Achradina  aus  Tyche  zu  nehmen ; 
die  beiden  Anführer  der  zuletzt  angelangten  Hülfstruppen ,  Deinarchos  und 
Dematetos  sollten  Epipolae  von  Norden  her  erstürmen,  während  Timoleon 
sich  selbst  die  schwierigste  Aufgabe  vorbehielt ,  vom  Anapos  her  Neapolis  an- 
zugreifen.   Der  Sturm  geschah  gleichzeitig  auf  allen  Punkten,  und  die  Feinde 


•'      •    .'^'W- 


204    Fünftes  Buch.  Xlll.  Timoleon  befreit  Syrakus,  siegt  am  Krimisos.  Seine  letzten  Jahre. 

flohen  alsbald.  Tiradeon  mag  wohK  dem  Hiketas  ein  Thor  freigelassen  haben, 
durch  das  er  nach  Leantini  entkommen  konnte.  Sollen  wir  aber  glauben,  was 
Plutarch  nicht  unglaublich  schien,  dass  Timoleon  bei  diesem  siegreicbeD 
Sturme  keine  Todten,  nicht  einmal  einen  Verwundeten  hatte?  Die  Sage  hat 
das  Glück,  das  fttr  Timoleon  charakteristisch  war,  in  einzelnen  Fällen  über- 
trieben. 

So  war  denn  schnell  genug  ganz  Syrakus  befreit  worden,  und  die  Korio- 
ther  erfuhren  fast  zu  gleicher  Zeit  die  Ankunft  der  von  ihnen  nachgesandten 
Verstärkung  und  die  glänzende  Vollendung  des  Werkes,  das  sie  unternommen 
hatten. 

Für  Timoleon  selbst  aber  begann  der  schwierigste  Theil  seiner,  Aufgabe. 
Syrakus  war  befreit,  aber  die  Freiheit  war  noch  zu  organisiren.  Timoleon's 
Benehmen ,  mit  dem  Dion's  in  derselben  Lage  verglichen ,  zeigte  deutlich  den 
Unterschied  zwischen  dem  der  Freiheit  gewohnten  Bürger  einer  Republik  und 
einem  an  einem  Tyrannenhofe  aufgewachsenen  Manne.  Dien  hatte  Syrakus 
selbst  beherrsdien  wollen,  in  der  besten  Absicht  der  Welt;  Timoleon  wollte 
die  Syrakusaner  wieder  daran  gewöhnen,  sich  selber  zu  regieren.  Dion  hatte 
die  von  den  Tyrannen  erbaute  und  befestigte  Burg  fortbestehen  lassen,  und 
dadurch  den  Verdacht  erregt,  dass  er  sich  ihrer  zur  Bezwingung  der  Bürger 
bedienen  wollte;  Timoleon^s  erste  That,  seit  er  Herr  der  ganzen  Stadt  war, 
bestand  darin,  dass  er  diese  Burg  niederreissen  liess.  Er  liess  eine  Aufforde- 
rung an  alle  ergehen ,  welche  bei  dieser  Arbeit  mitwirken  wollten ,  sich  an 
einem  bestimmten  Tage  mit  eisernen  Werkzeugen  in  der  Burg  einzufinden, 
und  die  Syrakusaner  mögen  mit  ebenso  freudiger  Aufregung  an  der  Vernich- 
tung ihrer  Zwingburg  gearbeitet  haben,  wie  in  unseren  Tagen  die  P^ermüaner 
an  der  Zerstörung  des  Gasteils  am  Meere.  Die  W(Anhäuser  und  Grabdenk- 
mäler der  Tyrannen  hatten  dasselbe  Schicksal  wie  ihre  Burg.  Sehr  zweck- 
mässig liess  Timoleon  auf  dem  geebneten  Platze,  welcher  die  Burg  getragen 
hatte,  die  Gerichtshäuser  der  neuen  Republik  errichten:  das  Werkzeug  und 
Sinnbild  der  Gerechtigkeit  an  der  Stelle  des  Werkzeuges  der  Tyrannei. 

Tirooleon^s  nächste  Sorge  war  die  Ordnung  und  Vervollständigung  der 
bestehenden  Gesetze.  Er  erbat  sich  zu  diesem  Zwecke  kundige  Leute  aus 
Korinth,  und  es  kamen  Kephalos  luid  Dionysios,  die  unter  seiner  Aufsicht  die 
alte  Gesetzgebung  des  Diokles  im  Sinne  der  Demokratie  weiter  ausbildeten. 
Zur  ewigen  Erinnerung  an  die  durch  die  Gunst  der  Götter  bewirkte  Befreiung 
von  Syrakus  stiftete  er  ein  neues  Ehrenamt,  welches  seit  dieser  Zeit  das  an- 
gesehenste der  Stadt  blieb,  das  Amt  eines  Amphipobs  oder  Keners  des 
olympischen  Zeus,  unter  dessen  erhabenem  Schutze  die  Syrakusaner  ihre 
Freiheit  errungen  hatten.  Nach  diesen  Amphipolen  benannten  hiofort  die 
Syrakusaner,  wie  die  Athener  nach  dem  ersten  Archen,  das  Jahr.  Der  erste, 
der  die  jährliche  Amphipolie  bekleidete,  war  Kallimenes.  lieber  300  Jabre 
bestand  das  Amt  in  ungeschwäohtem  Glänze ;  erst  als  Rom  Syrakus  lu  einer 
Kolonie  machte,  zu  den  Zeiten  des  Kaisers  Augustus,  verlor  es  seine  Be- 
deutung. Im  übrigen  wissen  wir  nichts  von  den  Einrichtungen,  welche 
Timoleon  traf;  nichts  von  dem  gesetzgeberischen  Apparat,  nichts  von  der 
Organisation  der  executiven  Gewalt.     Dass  dem  Volke  möglichst  viel  über- 


Zerstörung  der  Burg.  Gesetzgebung.  Griechische  Kolonisten  nach  Syrakus.        205 

lassen  warde,  ist  klar;  aber  manches  musste  doch  den  Beamten  übertragen 
werden,  und  wie  deren  Collegien  zusammengesetzt  waren,  ist  unbekannt. 

Feste  repuUikaniscbe  Einrichtungen  waren  aber  nicht  das  einzige ,  was 
Syrakus  und  den  anderen  siciliscben  Städten  noth  tbat.  Die  schredLlichen 
Bürgerkriege  hatten  ihre  gewt)bnliche  traurige  Folge  nach  sich  gezogen ,  die 
Entvölkerung.  Wenn  auch  die  Naehrichten,  die  uns  in  dieser  Beziehung  über 
Sicilien  gegeben  werden,  übertrieben  sind— ^  es  heisst ,  dass  auf  dem  Markte 
von  Syrakus  hohes  Gras  gewachsen  war ,  dass  die  meisten  Städte,  statt  mit 
Menschen,  mit  Hirschen  und.wildon  Schweinen  bevölkert  waren,  dass  man 
an  den  Mauern  und  in  den  Vorstädten  zu  jagen  pflegte  —  so  ist  doch  sicher, 
dass  eine  sehr  grosse  Verminderung  der  griechischen  Bevölkerung  stattgefun- 
den hatte.  Msmche  hatten  überdies  den  Aufenthalt  in  festen  Schlössern  auf 
dem  Lande  sicherer  gefunden,  als  den  in  Städten,  welche  bald  diesem, 
bald  jenem  Herrn  zufielen,  und  es  hatte  viele  ein  Widerwille  gegen  das 
stadtische  Leben  überhaupt  ergriffen,  dem  sie  mit  seinem  politischen  Getreibe 
das  ganze  Unheil  Siciliens  zuschrieben.  Timoleon  sah  keine  andere  Möglich** 
keit,  dies  alles  zu  ändern,  als  wenn  er  neue  Bürger  aus  Griechenland  herbei-* 
zog,  die  überdies  im  Falle  eines  neu^n  Krieges  mit  Karthago,  der  un vermeid-^ 
lieh  war,  von  dem  grössten  Nutzen  sein  mussten. 

Er  schrieb  deshalb  nach  Korinth,  wohin  auch  syrakusanische  Gesandte 
abgingen,  die  die  dringende  Bitte  aussprachen,  dass  Korinth  zum  zweiten  Male 
durch  Aussendung  von  Kolonisten  die  Mutterstadt  von  Syrakus  werden  möchte. 
Die  Korinther  überaahmoi  gern  die  Sorge,  ihrer  berühmtesten  Pflanzstadt 
neue  Bürger  zu  verschaffen.  Sie  liessen  zuerst  bei  allen  grossen  Festver- 
sammlungen und  überall,  wo  viele  Griechen  zusammenkamen,  bis  nach  Asien 
bin  durch  Herolde  verkündigen ,  dass ,  nachdem  sie  in  Syrakus  die  Tyrannis 
aufgehoben  und  den  Tyrannen  vertrieben  hätten ,  jetzt  alle  Syrakusaner  und 
sonstigen  Sikelioten,  die  aus  der  Heimath  geflüchtet  wären,  aufgefordert  wür- 
den ,  nach  Hause  zurückzukehren ,  wo  sie  Antfaeil  am  Grundbesitz  erhalten 
und  unter  dem  Schutze  gerechter  Gesetze  leben  sollten.  Alle,  die  darauf  ein-^ 
gehen  wollten,  möchten  sich  in  Korinth  einfinden ;  die  Korinther  würden  sie 
auf  ihre  Kosten  nach  Syrakus  befördern.  Die  Anzahl  der  in  Korinth  zusam- 
menkommenden Sikelioten  erschien  noch  nicht  ausreichend,  und  die  Aufforde- 
rung ,  an  der  Kolonisation  von  Syrakus  Theil  zu  nehmen ,  wurde  nun  an  alle 
Griechen  gerichtet.  So  wurden  es  10,000,  die  von  Korinth  nach  Syrakus  hin- 
überfuhren. Hier  hatte  sich  auf  Timoleon's  Ruf  schon  eine  noch  grössere 
Anzahl  aus  Sicilien  und  Italien  versammelt,  so  dass  Syrakus,  alle  zusammen- 
gerechnet, 60,000  Bürger  erhielt.  Die  jVertheilung  der  Güter  und  Häuser 
unter  diese  Neiibürger  war  nicht  ohne  Schwierigkeit;  Timoleon  wusste  sie 
aber  zugleich  zu  einer  Quelle  der  Einnahme  für  die  Stadt  zu  machen.  Er 
theilte  die  vorhandenen  Ländereien  gleichmässig  unter  Alle,  alte  wie  neue 
Bürger;  die  Häuser  in  der  Stadt  aber  gab  er  nicht  unentgeltlich  her.  Er 
setzte  fest,  dass  sie  eine  Summe  von  1000  Talenten  einbringen  müssten.  Diese 
Summe  ward  über  die  einzelnen  Häuser  vertheilt  und  auf  diese  Weise  der 
Betrag  ermittelt,  der  für  jedes  Haus  zu  entrichten  war.  Selbst  diejenigen, 
weiche  schon  Häuser  besassen,   mussten  die  auf  dieselben  fallenden  Raten 


206    Fünftes  Buch.  Xlll.  Timoleon  befreit  Syrakus,  siegt  am  Krimisos.  Seine  letzteo  Jahr«' 

bezahlen,  wena  sie  Eigenthttmer  bleiben  wollten.  Diese  scheinbar  harte  Mass- 
regel wurde  im  Interesse  der  Staatskasse  gern  ertragen.  Mit  dieser  Standes 
so  schlecht,  dass  die  Syrakusaner^  um  sich  für  einen  mit  den  Karthagen  zu 
erwartenden  Krieg  die  Mittel  zu  schaffen,  viel  öffentliches  Eigenthum,  und 
unter  andern  die  Bildsäulen ,  welche  ihre  öffentlichen  Platze  zierten,  verkauf 
ten ,  nachdem  ttber  jede  derselben  eine  Art  von  Gericht  gehalten  war.  Von 
allen  wurde  nur  die  des  Gelon,  dessen  Sieg  über  die  Karthager  noch  immer  in 
der  dankbaren  Erinnerung  der  Bewohner  Siciliens  lebte,  begnadigt.  Die 
engere  Verbindung ,  in  welche  nunmehr  Syrakus  mit  seiner  Mutterstadt  trat, 
erhielt  aber  ihren  deutlichen  Ausdruck  dadurch ,  dass  jetst  auc^  Syrakus  sieh 
an  das  korinthische  Mttnzwesen  anschloss  und  Didrachmen  prägte ,  die  einer- 
seits das  Bild  der  Pallas  —  richtiger  Aphrodite  —  andererseits  den  Pegasos 
tragen.  Syrakus  fühlte  sich  wieder  als  korinthische  Kolonie  und  liess  seine 
Pegasosmtlnzen  in  die  lange  Reihe  der  ähnlichen  Mttnzen  treten ,  die  damab 
über  die  hellenische  Welt  verbreitet  waren.  Und  wie  die  Stadt  in  dieser  WeL<e 
durch  das  Mttnzwesen  sich  als  eine  durchaus  erneuerte  kund  gab ,  so  solli^ 
auch  in  der  Datirung  nach  den  Amphipolen  ein  klares  Zeichen  davon  liegeo. 
dass  für  Syrakus  eine  neue  Aera  angefongen  hatte,  deren  Schöpfer,  der  zveiie 
Gründer  der  Stadt,  Timoleon,  es  verschmäht  hatte,  äussere  Ehre  für  sich  selber 
zu  beanspruchen. 

Die  so  eben  geschilderte  Ordnung  der  syrakusanischen  Verhältnisse  wank 
nicht  in  einem  Jahre  vollendet.  Timoleon  verwandte  alle  die  Zeit  darauf,  die 
er  nicht  der  Fortsetzung  des  Krieges  gegen  Hiketas  und  der  Beseitigung  der 
Tyrannen  in  den  übrigen  sicilischen  Städten  zu  widmen  hatte.  Hiketas  ham 
sich  nach  Leontini  zurückgezogen,  und  Timoleon  verfolgte  ihn  dahin.  Er  griff 
zuerst  die  Neustadt  von  Leontini  an,  musste  sich  aber  bei  der  guten  Verlbei- 
digung  der  mit  Soldaten  wohlbesetzten  Mauern  wieder  zurückziehen.  Er  z(^ 
nach  Engyon,  das  vom  Tyrannen  Leptines  beherrscht  wurde.  Hiketas  glaubte 
die  günstige  Gelegenheit  benutzen  zu  können,  Syrakus  wieder  anzügreilen. 
er  wurde  aber  von  den  Syrakusanem  zurückgeschlagen ,  indess  Timoleon  des 
Leptines  zur  Ergebung  nöthigte.  Dieser  musste  verspredben ,  im  Peloponnes 
als  Privatmann  zu  leben ;  Engyon  und  Apollonia,  das  ebenfalls  unter  seinem 
Scepter  gestanden  hatte,  wurden  frei.  Bald  hielt  auch  Hiketas  es  für  geratheo. 
Frieden  mit  Timoleon  zu  machen ;  er  gab  den  Leontinem  die  Freiheit  und 
erhielt  die  Erlaubniss,  in  der  Stadt,  deren  Burgen  gebrochen  wurden,  »wi^ 
ferner  seinen  Wohnsitz  zu  nehmen. 

Jetzt  konnte  Timoleon  daran  denken^  sein  Augenmerk  auf  den  karthagi- 
schen Theil  der  Insel  zu  richten.  Er  schickte  Deinarcbos  und  Demaretos  mH 
1000  Söldnern  dahin,  um  so  viel  Städte  als  möglich  den  Karthagern  zu  eot- 
reissen ,  und  —  was  für  ihn  von  grosser  Bedeutung  war  — -  möglichst  viel 
Beute  zu  machen,  durch  deren  Verkauf  der  Staatskasse  die  Bezahlung  der 
vielen  Söldner  erleichtert  werden  konnte.  Beide  Zwecke  wurden  erreicb^- 
Unter  den  Städten ,  welche  von  der  karthagischen  Herrschaft  befreit  wurden, 
war  die  wichtigste  Entella,  welches  (s.  S.  195)  von  den  Karthagern  eine  Zeil- 
lang belagert  worden  war,  und  dessen  kampanische  Bevölkerung  sich  sp^^*^ 
durch  einige  einflussreiche  Männer  in  ihrer  Mitte  zum  Anschluss  an  Karthago 


Rüstungeo  Karthagos.  207 

hatten  bestimmen  lassen.    Fünfzehn  derselben  wurden  zur  Strafe  für  ihren 
Abfall  hingerichtet. 

Der  Sieg  des  griechischen  Elements  und  der  Bürgerfreiheit  über  die  Ty- 
rannen und  Karthago  war  so  durch  Timoleon  erfochten ,  aber  Karthago  hatte 
keineswegs  eine  entscheidende  Niederlage  erlitten ,  und  es  war  daher  jeden 
Augenblick  zu  erwarten,  dass  es  das  Kriegsglück  noch  einmal  versuchte. 
Magon  hatte  seinen  Verrath  schwer  gebüsst.  Sobald  er  sah,  dass  sein  Beneh- 
men ihm  in  Karthago  nicht  verziehen  werden  würde,  hatte  er  sich  selbst  ge- 
tödtet,  seine  Leiche  hatten  die  Karthager  an's  Kreuz  geschlagen.  Nun  rüsteten 
sie  ein  neues  Heer  und  eine  neue  Flotte  aus.  Wie  immer,  bildeten  fremde 
Söldner,  Iberer,  Kelten  und  Ligurer  die  Masse  des  Heeres,  zu  der  diesmal  eine 
besonders  grosse  Anzahl  karthagischer  Bürger  als  kostbarer  Kern  hinzukam. 
Sie  setzten,  als  die  Vorbereitungen  beendigt  waren,  nach  Diodor  erst  Ol. 
4  40,  4,  339  V.  Chr.,  richtiger  schon  einige  Jahre  vorher,  es  ist  nicht  genau 
zu  entscheiden,  wann,  mit  70,000  Mann  zuFusse,  einer  zahlreichen  Reiter- 
und Streilwagenschaar,  200  Trieren  und  4  00  Transportschiffen  nach  Sicilien 
über.  Hasdrubal  und  Hamilkar  waren  die  Oberbefehlshaber.  Timoleon  war, 
so  wie  er  .die  Nachricht  von  der  Landung  der  Karthager  in  Ulybaion  empfing, 
entschlossen,  die  Feinde  nicht  in  der  NHbe  von  Syrakus  zu  erwarten ,  sondern 
ihnen  in  ihr  eigenes  Gebiet  entgegenzugehen  und  dort  eine  Entscheidungs- 
schlacht zu  liefern.  Jetzt  zeigte  sich  aber  die  Schwäche  des  griechischen 
Elementes  auf  Sicilien,  eine  Folge  der  Tyrannenherrschaft  und  der  darauf 
folgenden  Bürgerkriege.  Das  gewaltige  Heer  der  Karthager  erregte  den  Syra- 
kusanern  eine  solche  Furcht,  dass  eine  verhdltnissmassig  äusserst  geringfügige 
Anzahl  sich  bereit  erklärte,  Timoleon  zu  folgen.  Nach  Plutarch  hätte  er  nur 
3000  freie  Bürger  und  4000  Söldner  bei  sich  gehabt,  nach  Diodor  hätte  seine 
gesammte  Macht  4  2,000  Mann  betragen.  Dies  als  richtig  angenommen  —  Diodor 
rechnet  offenbar  Verbündete  mit  —  ist  es  trotzdem  wenig  ehrenvoll  für  die  von 
Timoleon  befreite  Republik,  dass  sie  ihren  Retter  mit  einer  so  unbedeutenden 
Macht  gegen  so  starke  Feinde  ziehen  liess  —  wenn  wir  nicht  vielmehr  anzuneh- 
men haben,  dass  der  Krieg  über  Syrakus  und  Sicilien  hereinbrach,  ehe  noch 
die  Neuordnung  der  Bevdlkerungsverhältnisse  vollendet  war ,  so  dass  es  dem 
Hellenenthum  Siciliens  materiell  unmöglich  war,  viel  mehr  zu  leisten  als  es  lei- 
stete. Diese  letzte  Annahme  hat  bei  einer  früheren  Ansetzung  des  Feldzuges, 
als  gewöhnlich  geschieht,  sehr  viel  für  sich.  Timoleon  musste  sich  unter  sol- 
chen Umständen  hauptsächlich  auf  seine  Söldner ,  die  allein  im  Heere  erprobte 
Krieger  waren,  verlassen,  und  auch  unter  diesen  fand  er  nicht  den  Eifer,  den 
er  erwartete.  Ohne  seine  bedeutende  Persönlichkeit  wäre  der  Feldzug  noch 
vor  der  Schlacht  verloren  gewesen.  Es  befand  sich  unter  den  Söldnern,  die 
Timoleon  gefolgt  waren,  ein  gewisser  Thrasios,  einer  von  denen,  welche  mit 
den  Phokiem  den  delphischen  Tempel  geplündert  hatten.  Timoleon  hatte  ihn 
und  andere  seines  gleichen,  tapfere,  aber  freche  Menschen,  angeworben,  weil 
ihm  jeder  Soldat,  wenn  er  nur  im  Kriege  brauchbar  war,  recht  sein  musste. 
Dieser  Mensch ,  dem  der  Feidzug  bei  einiger  unsicherer  Aussicht  auf  Beute 
denn  doch  zu  viele  weit  sicherere  Aussichten  auf  Niederlage  und  Gefangen- 
schaft zu  bieten  schien,   erregte   unter  den  Söldnern  grosse  Unruhe.     Als 


iDttesBucb.  Xlll.TimoleoDberreitSyrafciu,  siegt  »niKriinisos.  Seine  l«Ulen Jahre. 

iT  schon  im  Gebiete  vod  Akragas  war,  stellte  er  seinen  Kameraden  vor, 
i  bei  der  mehr  als  sechsfachen  Uebermachl  des  Feindes  einem  sicheren 
ntgegengingen.  Ueberdies  sei  man  ihnen  den  Sold  schoo  seit  langer 
luldig.  Sie  mUssten  sich  weigern,  weiter  zu  marscbiren  und  verlangen, 
yrakus  lurUckgeftthrt  lu  werden ,  um  dort  den  rückstllndigen  Sold  zu 
3.  Nur  durch  viele  Bitten  und  grosse  Versprechungen  gelang  es  Timo- 
»inen  ollgemeinen  Abfall  der  Soldner  zu  verhindern.  Ungefähr  1000 
en  sich  jedoch  dem  Thrasios  an,  und  kehrten  nach  Syrakus  zurück,  wo 
b  dem  klugen  Befehle  Timoleon's  freundlich  aufgenommen  wurden  und 
llckstüiidigen  Sold  erhiellen.  Ihre  Beslrafung  konnte  aufgeschoben  vi-er- 
unachsl  galt  es,  die  Karthager  zu  schlagen. 

ese  waren  im  Begrifi',  gegen  Bntella  ztx  marsefairen,  das  sie  nehmen 
I.  Timoleon  traf  sie,  noch  ehe  sie  dahin  gekommen  waren.  Sie  waren 
dlichen  Ufer  des  Hypsas  entlang  marschirt,  hatten  den  westlichen  Quell- 
isselben  überschritten  und  schickten  sich  eben  an,  auch  den  (fstlit^en, 
imisos  lu  Bberschreiten ,  welcher  Fluss  allein  sie  noch  von  Enteil» 
>,  als  Timoleon  sie  erreichte.  Dieser  war  in  nordwestlicher  Richtung 
entgegen  gezogen  und  wollte  eben  n\|t  seinem  Heere  eineAnhohe  erstei- 
lie  demselben  den  Anblick  des  Srimisostbales  entzog ,  da  begegneten 
IdMen  mit  Eppich  beladene  Maulesel.  Das  schien  ihnen  ein  bttses  Vor- 
1 ,  denn  mit  Eppichkr^nzen  pflegte  man  die  Grafomaler  zu  schmUckeo, 

gab  ein  SprOchworl  von  schwer  Erkrankten,  ihnen  thue  Eppich  noth. 
on  aber  wandte  mit  seiner  gewöhnlichen  Geistesgegenwart  das  schlimme 
:hen  zum  Guten,  indem  er  seine  Korintber  dnran  erinnerte,  dass  sie  die 

in  den  istbmischen  Spielen  mit  Eppicb  bekränzten;  es  seien  also  die 
[ranze,  die  ihnen  noch  vor  der  Schlacht  von  den  Göttern  gesandt  wiir- 
!ugleich  nahm  er  selbst  von  dem  Eppich  und  bekränzte  sich  damit,  und 
Idaten  folgten ,  wieder  zuversichtlich  geworden,  seinem  Beispiele.  Ein 
s  gutes  Omen  zeigten  die  Wahrsager  dem  Heere :  zwei  Adler,  die  über 
eere  flogen,  und  von  denen  der  eine  eine  Schlange  in  den  Klanen  hielt, 
dere  aber  ein  gewaltiges  Geschrei  anstimmte. 

s  war  gegen  das  Ende  des  Monats  Thargelion  —  Mitte  Juni  —  und  Mor- 
>el  bedeckten  das  Flussthal,  so  dass  das  Heer  der  Griechen,  auf  der 
mgekommen ,  die  Feinde  nicht  sehen  konnte ,  sondern  nur  ein  wirres 

von  ihnen  empordrang.  Allmahlich  aber  stiegen  die  Nebel  anf,  um- 
I  die  Herzspitzen  und  Hessen  das  Thal  frei,  und  die  Griechen,  die  ihre 
;  abgelegt  hatten  und  sich  nach  dem  Marsche  ausruhten,  gewahrten  die 
,  wie  sie  gerade  dabei  waren,  den  Fluss  zu  überschreiten.  Es  war  ein 
k,  der  einem  weniger  mnthigen  Heere  wohl  hotte  Furcht  einjagen  kbn- 
Voran  fuhren  die  Streitwagen.  Dann  kam  eine  unzahlige  Schaar  von 
ig  bewaffneten ,  mit  glänzend  weissen  Schilden  ausgerüsteten  HopUleD. 
iechen  schätzten  sie  auf  10,000.  Nach  der  schönen  Rüstung,  der  ernsten 
g  und  dem  langsamen ,  stolzen  Schritt  der  Männer  musslen  es  ausge- 
karthagische  BUi^er  sein.  Hinter  diesen  drängten  sich  die  tlbrigen 
messen  in  unordentlichen  Haufen  an  den  Fluss.  Timoleon  erkannte  so- 
den  Vortheil,  den  ein  kraftiger  Angriff  ihm  in  diesem  Augenblicke  Ober 


Schlacht  am  Krimfsos.  209 

die  Feinde  bot,  und  setzte  mit  kurzen  Worten  seinen  Soldaten  aus  einander, 
dass  sie  jetzt  mit  einem  durcb  den  Fluss  in  zwei  Theile  gesonderten  Heere, 
welches  noch  da2u  noch  nicht  in  guter  Ordnung  aufgestellt  sei ,  zu  kämpfen 
hatten.  Dann  begann  er  die  Schlacht.  Voran  schickte  er  Demaretos  mit  der 
Reiteret ,  die  sich  bemtthen  sollte,  die  Karthager  an  einer  geordneten  Aufstel-^ 
iung  zu  hindern;  das  Fussvolk  theUte  er  m  drei  Haufen.  Die  an  den  beiden 
Flügeln  bildete  er  aus  den  übrigen  Sikdioten  und  wenigen  Söldnern,  den 
mittleren  aus  den  Syrakusanem  und  dem  Kern  seiner  Miethstruppen ,  und  an 
die  Spitze  dieses  Haufens  stellte  er  sich  selbst.  Eine  Zeitlang  wartete  er  noch 
mit  dem  Angriffe  des  Fossvolks,  ob  vielleicht  die  Reiterei  schon  Erfolge  gegen 
die  Karlhager  erreichte ;  aber  diese  vermochte  wegen  der  Streitwagen  kaum 
bis  zum  Kern  der  feindlichen  Schwerbewaffneten  vorzudringen.  Das  Fussvolk 
allein  musste  die  Schiacht  entscheiden.  So  nahm  er  denn  seinen  Schild  in 
die  Hand  und  rief  mit  lauterer  und  kraftigerer  Stimme  als  gewöhnlich,  einer 
Stimme,  die  den  Soldaten  wie  die  eines  Gottes  klang,  dem  Heere  zu,  ihm  zu 
folgen.  Die  Reiterei  musste  den  Versuch  aufgeben,  die  Front  der-Feinde  zu 
durchbrechen,  sie  erhielt  den  Befehl,  seine  Flanken  zu  beunruhigen;  er  selbst 
liess  die  ersten  Reihen  sich  mit  den  Schilden  fester  an  einander  schliessen  und 
drang  in  das  karthagische  Heer  ein. 

Die  Streitwagen  konnten  den  griechischen  Schwerbewaffneten  keinen 
ernstlichen  Widerstand  entgegensetzen;  aber  die  ausgewählte  karthagische 
Hoplitenschaar  mü  ihren  eisernen  Panzern,  ehernen  Helmen  und  riesigen 
Schilden  war  nicht  im  ersten  Anlauf  zu  überwinden.  Die  Wurfspiesse  prallten 
kraftlos  von  der  eisernen  Mauer  zurück ,  und  die  Griechen  mussten  zu  den 
Schwertern  greilen.  Mann  kämpfte  gegen  Mann ,  und  nur  die  grossere  Ge- 
wandtheit der  Griechen  gab  ihnen  einige  Aussicht,  über  die* Feinde  Herr  zu 
werden.  Doch  hätte  ohne  Zweifel  die  gewaltige  Ueberzahl  der  Karlhager  den 
Griechen  zuletzt  alle  Früchte  ihrer  Anstrengungen  entrissen,  wenn  nicht  plötz- 
lich ein  heftiges  Gewitter  ausgebrochen  wäre ,  mit  Regen  und  Hagel  verbun- 
den ,  der  vom  Sturmwinde  den  Karthagern  in's  Gesicht  gejagt  wurde.  Dies 
hinderte  sie  im  Kämpfen,  und  ihre  schwere  Bewaffnung  wurde  ihnen  in  dem 
Unwetter  verderblich.  Denn  überall  in  ihren  Rüstungen  sammelte  sich  das 
Wasser  und  machte  sie  zu  einer  diilckenden  Last,  während  die  leichter  ge- 
rüsteten Griechen ,  denen  überdies  der  Regen  den  Rücken  traf,  weniger  da- 
durch litten.  Die  schwerfälligen  Karthager  fielen  zahlreich  unter  den  Hieben 
der  beweglicheren  Griedien,  und  waren  sie  einmal  gefallen,  so  konnten  sie 
sich  nicht  wieder  erheben.  Denn  der  furchtbare  Regen  hatte  den  Boden  durch- 
weicht und  den  Krimisos  angeschwellt,  der  über  seine  Ufer  trat  und  das 
unebene,  mit  abwechselnden  Erhöhungen  und  Vertiefungen  übersäte  Gefilde 
durchströmte,  sich  hier  und  dort  in  eine  Menge  kleiner  Giessbäche  auflösend. 
Eine  Zeitlang  widerstanden  die  Karlhager  auch  unter  so  ungünstigen  Umstän- 
den, aber  die  Griechen  drangen  siegreich  vor,  und  als  die  erste  Abiheilung  der 
Karthager,  400  Männer,  niedergeworfen  waren,  da  hielt  keiner  mehr  der  ver- 
einigten Wuth.der  Elemente  und  der  Feinde  Stand.  Die  Karthager  flohen, 
ober  die  Flucht  wurde  ihnen  noch  verderblicher  als  die  Schlacht.  Viele  kamen 
schon  auf  dem  Wege  nach  dem  Flusse  um,  Viele  wurden  beim  Uebergang 

Holm,  Gesch.  Sieilienf.  IL  14 


tfles  Bucb,  X11I.  Timoleon  befreilSyrakus,  siegt  am  Krimisos.  Seine  lelzlen  Jahr« . 

□selben  geUidtet  oder  ertranken;  selbst  auf  die  jenseits  des  Flusses 
n  Berge  verfolgten  die  leichten  griechischen  Truppen  die  Karthager, 
ihl  der  Todl«n  und  Gefangenen ,  welche  die  letzteren  verloren ,  war 
r&chtitch.  Die  ganze  heilige  Schaar  der  Karthager,  2500  der  ange- 
n  und  reichsten  BUi^er,  bedeckte  das  Schlachtfeld.  Ausserdem  sollen 
,000  Mann  auf  karthagischer  Seite  gefallen  sein.  Gefangene  wurden 
Griechen  15,000  gemacht,  von  denen  aber  nur  5000  bei  dem  Feld- 
s  Staatsgut  angemeldet  wurden;  die  übrigen  wussten  die  Soldaten, 
lie  erbeulet  hatten,  als  ihr  Etgenihum  auf  die  Seite  zu  bringen.  Die 
^ar  gross  und  kostbar.  SOO  Streitwagen  und  das  ganze  kartfaa- 
ager  Gel  in  die  H3nde  der  Griechen,  und  die  Verfolgung  der  Feinde 
Beutemachen  beschnftigten  die  Soldaten  des  Timoleon  so  sehr,  dass 
Ewei  Tage  nach  der  Schlacht  dazu  kamen,  ein  Siegeszeichen  zu  errich- 
Griechen  fanden  so  viel  Gold  und  Silber  im  karthagischen  Lager,  dass 
und  £isen  gering  achteten.  Die  Menge  der  kostbaren  Trinkbecher, 
dort  vorfanden ,  war  ausserordentlich  gross.  Einen  prachtigen  An- 
t  das  Zelt  des  Timoleon,  um  welches  die  Griechen  die  schönsten 
icke  aufhäuften.  Es  befanden  sich  darunter  1000  Panzer,  sämmllich 
ie  Schfinbeit  der  Arbeit  bemerk enswerth,  und  tO,000  Schilde.  Diese 
Ute  benutzte  Timoleon  zum  Schmuck  der  Tempel,  ein  Theil  kam  nach 
,  ein  anderer  in  die  übrigen  griechischen  oder  verbündeten  Städte 
,  die  schönsten  Stücke  aber  schickte  er  nach  Korinth,  wo  sie  die 
besonders  den  des  Poseidon ,  zierten.  Er  sah  mit  Recht  eine  grosse 
'  seine  Vaterstadt  darin ,  wenn  sie  Beutestücke  in  ihren  Tempeln  auf- 
lonote,  auf  denen  geschrieben  stand  :  Dies  haben  die  KorinUier  und  ihr 
Timoletn,  nachdem  sie  die  Sicilien  bewohnenden  Hellenen  von  den 
;rn  befreit,  zum  Dank  den  Göttern  gewidmet. 

Sieg  der  Griechen  erschien  den  Karthagern,  die  sieb  gerettet  hatten, 
lerbar  und  gewaltig,  dass  sie,  in  Lilybaion  angekommen,  nicht  wagten, 
cuscbiffen,  aus  Furcht  dem  Zorn  der  Götter  noch  auf  dem  Meere  anheim- 
—  60  die  Tradition  der  Freunde  Timoleon's ;  die  einfache  Tbatsache 
Wesen  sein,  dass  sie  nicht  nüthig  hatten,  weiter  zu  fliehen,  da  Niemand 
ilybaion  verfolgte.  In  Karthago  selbst  brachte  die  Niederlage,  die  durch 
;sen  Verlust  an  den  edelsten  Bürgern  der  Stadt  eine  der  schmerzlichsten 
e  man  jemals  erlitten  hatte,  eine  ungemeine  Besitlrzung  hervor.  Eine 
herrschte,  wie  schon  fniherJ>ei  ahnlichen  Gelegenheiten ,  die  Besorg- 
mochte der  Sieger  den  Schauplatz  des  Krieges  nach  Afrika  verlegen, 
Karthager  erwählten  Glsgon,  Hannon's  Sohn,  der  in  Ungnade  gefallen 
l  in  der  Verbannung  lebte,  aber  als  der  obigste  und  tapferste  Feldherr 
in  Oberbefehlshaber  in  Sicilien,  wo  sie  in  Zukunft  nicht  wieder  andere 
ethete  Truppen  zu  verwenden  sich  vornahmen.  Ihr  Streben  war  fUr's 
r  dahin  gerichtet,  einen  Frieden  unter  möglichst- ertraglichen  Bedio- 
zu  erlangen, 

:  Schlacht  am  Krimisos  ist  eine  der  glänzendsten  Thaten,  welche  von 
1  ausgeführt  worden  sind.  Sie  hat  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  den 
len  Schlachten,  in  denen  im  H.  und  15.  Jahrhuitdert  die  Franzosen 


Neue  Kämpfe  im  Osten.  21t 

den  Engikndern  unterlagen.  Was  in  diesen  Schlachten  die  französische  Ritter- 
schaft, das  waren  am  Krimisos  die  schwerbewaffneten  karthagischen  Bürger. 
Den  leichter  gerüsteten  Engländern  entsprechen  die  behenden  Griechen. 
Die  zu  schwere  Rtlstung  lieferte  in  beiden  Fällen  das  zahlreichere  Heer  dem 
schwächeren  in  die  Hände,  und  ähnlich  der  heiligen  Schaar  Karthago's  wer- 
den die  französischen  Grafen  und  Barone,  unfähig  sich  wieder  zu  erheben, 
bei  Crecy  und  bei  Azincourt  von  den  englischen  Bürgern  getödtet.  Aber 
die  Schlacht  am  Krimisos  hat  nicht  die  welthistorische  Bedeutung  jener 
Schlachten  des  Mittelalters,  in  denen  eine  grosse  und  glänzende  Zeit  begraben 
wurde.  Das  französische  Ritterthum  war  allmächtig  gewesen,  nun  war  es  da- 
hin und  erhob  sich  nicht  wieder;  die  Karthager  hatten  immer  schon  ihr  Ver- 
trauen besonders  auf  ihre  Söldner  gesetzt  und  wurden  dui*ch  die  Niederlage 
am  Krimisos  nur  darauf  hingewiesen ,  ihr  altbegrUndetes  System  nicht  ftlr 
unpraktische  Neuerungen  aufzugeben.  Die  Schlacht  am  Krimisos  hat  keine 
andere  Wirkung  gehabt,  als  alle  Übrigen  Siege  der  Griechen  Siciliens  tlber  die 
Karthager:  den  Karthagern  eine  Zeitlang  Halt  zu  gebieten,  nicht,  ihre  Macht 
zu  brechen. 

Timoleon  sandte  nach  der  Schlacht  einen  Theil  seiner  Söldner  im  kartha- 
gischen Gebiete  auf  der  Insel  zum  Beutemachen  umher  und  kehrte  selbst 
mit  der  Masse  des  Heeres  nach  Syrakus  zurück.  Hier  war  noch  genug 
für  ihn  zu  thun.  Seine  erste  That  war,  dass  er  die  Söldner,  welche  dem 
Thrasios  gefolgt  waren,  entliess.  Sie  mussten  unverzüglich  Sicilien  räumen, 
besetzten  ein  Kastell  an  der  bruttischen  Küste,  von  wo  aus  sie  das  Land  plün- 
derten, und  wurden  von  den  erbitterten  Bruttiern,  denen  das  Kastell  endlich 
in  die  Hände  fiel ,  sämmtlich  niedergemacht.  Timoleon  hatte  aber  noch  mit 
gefährlicheren  Feinden  zu  kämpfen.  Trotz  der  Niederlage  der  Karthager  fiel 
Hiketas,  der  in  Leontini  mächtig  geblieben  war,  von  ihm  ab  und  fand  an  dem 
Tyrannen  von  Katane,  Mamerkos,  der,  als  noch  wenige  siciliscfae  Städte  sich 
an  Timoleon  angeschlossen  hatten,  einer  seiner  ersten  Verbündeten  gewesen 
war,  einen  Helfershelfer.  Doch  hatte  er  sein  Vertrauen  besonders  auf  Kar- 
thago gesetzt,  das  alles  aufbot,  um  die  Folgen  seiner  Niederlage  am  Krimisos 
zu  verwischen,  und  den  Gisgon  mit  70  Schiffen  nai^h  Sicilien  sandte.  Der  Mit- 
telpunkt des  neuen  Krieges,  über  den  wir  nur  sehr  unvollkommen  unter- 
richtet sind,  scheint  Messana  gewesen  zu  sein,  dessen  Tyrann  Hippon  ebenfalls 
als  Gegner  Timoleon^s  auftrat.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich ,  dass  die  drei 
Tyrannen  durch  trügerische  Vorspiegelungen  der  Karthager  zum  Kriege  ver- 
führt worden  sind,  der  mit  ihrem  Verderben  endigen  sollte,  und  dass  die  Kar- 
thager diesen  Krieg  als  eine  nUtzliehe  Diversion  betrachtet  haben ,  die  ihre 
bedrohte  Provinz  wenigstens  für  den  Augenblick  aus  dem  Gesichtskreis  Time- 
leon^s  entfernte.  Soviel  ist  sicher,  dass  Gisgon  den  Krieg  grösstentheils  mit 
Söldnern  griechischer  Herkimft  führte  —  eine  damals  zuerst  in  diesem  Um- 
fange gesehene  Erscheinung  —  und  dass  dieser  Feidzug-  der  karthagischen 
Sache  wirklich  nützte.  Wir  hören  von  zwei  Niederlagen,  welche  von  Timoleon 
ausgesandte  Söldnerabtheilungen  erlitten.  In  der  Gegend  von  Messana  wurden 
400  Soldaten  Timoleon 's  niedergemacht,  und  im  karthagischen  Gebiete  ging 
eine  andere  Söldnerabtheilung  unter  der  Anführung  des  Leukadiers  Euthymos 


212    Füottes  Bucb.  X[1I.  Timoleoa  betaitSyraku«,  siectamKrimisos.  Sela«leU(«Dlabre. 

linleriwlt  bei  lalai  zu  Grunde.  Die  Bewunderer  TiDtoleoD's  —  wir 
r  seinen  withusiasliscben  Verehrer  XimaioE  als  HouplqueUe  Plutarcb'E, 
18  folgende  eotlebnt  ist,  annehoien  —  wussten  in  dieser  Niederlage 
deuüichefi  Zeichen  der  Gunst  der  GWter  geg«n  ätn  za  finden,  «ie 
legen.  Die  Sflidner  hatten  —  so  hiess  es  —  aD  der  PltlnderuDg  des 
I  Tempels  durch  Pbilodemos  und  Onomarch«s  Tbeil  geoocDinen. 
n  Allen  verachtet  und  gemieden,  im  Peloponnes  U0)beru)gen,  haue 
ie,  durch  den  Hangel  anderer  Soldaten  dazu  geoj}th^,  angewortiea, 
itten  unter  der  persOalioben  FUhnuig  Timoleon's  ubemit  gesiegt, 
aber  nicht  mehr  unter  dem  Schutte  seiaes  GUlcies  standen ,  ver- 
lern Zorn  der  Gatter  und  befreilen  Tüooleon  ViQD  bäsen  Gefährten. 
t  einmal  gewiss,  (}ass  diese  Menschen  überhaupt  den  delphischen 
ilUndert  hatten.  Dasselbe  wurde  vom  Thrasios  versichert,  und  es 
SB  damals  in  Gfiechenland  die  Beschuldigung,  bei  jener  Plünderung 
^wesen  zu  sein ,  eine  gegen  SOldner ,  auf  die  umr  ein  schlechtes 
in  wojlte,  gewtihnliche  war,  und  dass  die,  welche  von  Tinaoleon 
er,  von  ihm  abgesandt,  in  auffallender  Weise  Unglück  batlen,  audi 
>ren  Grund ,  nur  um  Timoleon's  GlUckselem  ungetrübt  teucblen  zu 
der  Klasse  dieser  gottverlassenen  Henscheo  gerechnet  wurden. 
eitere  Verlauf  des  Krieges  lasst  sich  besonders  der  geo^phischen 
wegen ,  die  die  Angaben  des  Plutarcfa  zurücklassen ,  nur  schwer 
Uameritos,  der  als  Dichter  den  Sieg  der  Verbündeten  über  Tim»- 
aer  in  spffltiscben ,  nicht  witzlosen  Versen  gefeiert  hatte,  scheint 
icb  den  Zorn  der  Syrakusaner  erregt  zu  haben ,  und  Timoleon  tog, 
geringer  Macht,  gegen  ihn  und  belagerte  cUe  Stadt  Kalsuria.  Indess 
itas  in  das  Syrakusaaische  ein,  richtete  grosse  Verwüstungen  an, 
it  Beute  beladen  ab  und ,  Timoleon  zum  Hobne,  nahe  bei  Kalauria 
imoleon  liess  ihn  seinen  Marsch  eine  Strecke  weit  ruhig  forisetzea, 
!  er  ihm  mit  Reiterei  und  leichten  Truppen  nach  und  holte  ihn  beim 
lyrias  ein.  Hiketas  hatte  mit  seinem  Heer  den  Flusa  bereits  uber- 
nd  erwartete,  im  Vertrauen  auf  die  Schwierigkeit  des  Ueberganges 
:hte  des  Feindes  auf  dem  steilen  FeJsuler  seinen  Gegner.  Unter  den 
imoleon's,  und  besonders  unter  den  jungen  Anführern  derselben, 
in  grosser  Eifer,  sich  mit  dem  Feinde  zu  messen,  und  jeder  wollte 
Scfaaar  der  erste  beim  Uebergange  sein.  Timoleon  sah  voraus,  dass 
fer  sur  Unordnung  führen  wurde.  Er  nahm  deshalb  die  Binge 
r  Fuhrer  und  warf  sie  in  den  Helm,  um  das  Loos  über  den  Vorrang 
Q  zu  lassen.  Als  sich  aber  fand,  dass  der  Hing,  den  er  zuerst  her- 
s  Abzeichen  ein  Tropaion  hatte ,  brachen  die  jungen  HUnner  in  ein 
rei  aus  und  stürzten  sich ,  ohne  weiter  das  Ergebniss  des  Loosens 
1,  in  den  Ftuss.  Das  Heer  folgte,  und  die  Feinde  flohen  fast  in  dem- 
;enblicke.  Etwa  4000  fielen,  und  fast  Alle  warfen  auf  der  eiligen 
Waffen  weg.  , 

dieser  ersten  Niederlage  ihrer  VeibUndeten  bemühten  sich  die  Kar- 
itlicb  um  Frieden,  und  sie  scheinen  ihn  erlangt  zu  haben,  ehe  noch 
len  vollständig  besiegt  waren.    Sgast  waren  die  günstigen  Bedin- 


Friede  mit  Karthago   Schicksal  des  Hiketas.  213 

gungen,  welche  Karthago  erhielt,  schwer  erklärlich.  Diese  selbst  sind  aber 
nicht  ganz  klar  ttberliefert.  UebereinsttmmeiiK)  wird  berichtet,  dass  der  FIims 
Lykos  oder  Halykos  die  Ostgrenze  des  karthagischen  Gebietes  auf  Sicilien  sein 
solle ,  damit  scbernt  aber  die  von  Diodor  mitgetbeilte  Bestimmung  im  Wider- 
spruch zu  steheu ,  dass  afle  griechischen  Städte  frei  sein  sollten.  Da  nämlich 
Selinus  westlieh  vom  Hatykos  lag,  so  wäre  cRese  griechische  Stadt  den  Kar- 
thagern unterworfen  geblieben.  Doch  ist  das  nicht  glaublich,  und  die  Bedfngung 
von  dem  Halykos  als  Grenze  ist  vielmehr  so  zu  verstehen,  dass  für  das  Innere 
der  Insel  dieser  FIuss  die  Grenzlinie  bezeichnete,  jedoch  griechische  Gemeinden, 
wenn  auch  westlich  von  ihm  gelegen,  frei  waren.  Ausserdem  mussten  die  Kar- 
lhager in  diesem  Frieden  ausdrücklich  auf  jede  Verbindung  mit  den  Tyrannen, 
die  noch  in  Griechenstädten  vorhanden  waren,  verzichten.  Ein  Friede  wie  die- 
ser, der  Karthago  die  Herrschaft  Itber  das  westliehe  Sicilien  Hess,  konnte  auf 
einen  Sieg  wie  der  am  Rrimisos  nur  dann  folgen,  wenn  dieser  Sieg  nicht  der 
Ausdruck  einer  wirkliehen  Ueberlegenheit  des  griechischen  Elementes  auf  der 
Insel ,  sondern  mtr  die  Folge  günstiger,  kurze  Zeit  dauernder  Umstände  —  zu 
denen  auch  die  Anwesenheit  eines  Timoleon  gehi^e  —  war,  und  wenn  die 
vollständige  Benntzung  des  Sieges  ausserdem  noch  durch  nachträgliche  Anstren- 
gungen der  Karthager  und  von  anderer  Seite  drohende  Feinde  unmöglich  gemacht 
wurde.  Dionys  der  Aeltere  hat  nach  seiner  Niederlage  bei  Kroni<m  383  v.  Chr. 
(S.  442),  von  der  Freiheit  der  Griechenstädte  abgesehen,  ganz  dieselben  territo- 
rialen Bedingungen  von  den  Karthagern  erlangt,  wie  Timoleon  nach  seinem  Stege 
am  Krimisos.  FreiMch  kennen  wir  geradezu  sagen,  dass  der  Sieg  am  Krimisos 
kein  Sieg  der  siciliscbeix  Griechen,  sondern  nur  ein  Sieg  des  Timoleon  über  die 
Karthager  war.  Unter  den  Griechen  der  Insel  war  weder  genug  Tapferkeil, 
noch  genug  Einigkeit,  um  einem  so  gewaltigen  Feinde  Widerstand  zu  leisten. 

Timoleon  hatte  übrigens,  trotz  der  Entschiedenheit  seines  Auftretens,  viel 
zu  thun,  um  nicht  für  einen  der  gew6hnliehen  Despoten  gehalten  zn  werden, 
wie  sie  damals  so  zahlreich  waren.  Ein  tyrrheniscber  Seeräuber,  Posthumius, 
hatte  die  Frechheit,  mit  42  Schiffen,  mit  denen  er  schon  vielfach  Seeraub  ge- 
trieben hatte,  in  Syrakus  wie  in  einen  befreundeten  Hafetf  einzulaufen :  Timo- 
leon liess  ihn  ergreifen  und  hinrichten. 

Von  den  Karthagern,  die  ihre  Zwecke  erreicht  hatten,  Jm  Stiche  gelassen, 
hielten  sich  die  Tyrannen  nicht  lange  mehr.  Zuerst  erreichte  das  Geschick  den 
Hiketas,  der  mit  seinem  Sohn  Eupotemos  und  seinem  Anführer  der  Reiierei, 
Euthymos,  von  den  eigenen  Soldaten  gefangen  genommen  und  Timoleon  aus- 
geliefert wurde.  Alle  drei  wfR*den,  wahrscheinlich  auf  TimoleonV  Befehf,  und 
auf  den  Wunsch  seiner  Koriniher  hineericbtet.  Die  letzteren  sollen  gegen 
Euthymos ,  der  sonst  als  tapferer  Mann  und  erfahrener  Feldherr  bei  den  Sol- 
daten Yertheidiger  gefunden  hätte,  deswegen  einen  unversöhnlichen  Groll 
gehabt  haben,  weil  er  beim  Beginn  des  Feldzugs  der  Korinther  gegen  Leontini 
in  der  Yolksversammlnng  der  Stadt  die  spöttische  Aevsserung  getfaan  hatte, 
man  brauche  sieh  nicht  zu  fürchten ,  wenn  »Korinthische  Weiber  ihre  Häuser 
verlassen«,  eine  Stelle  a\»  der  Eiiripideidchen  Medaa  benutzend.  Auch  die 
Familie  des  Hiketas,  seine  Frau  und  seine  Töchter,  geriethen  in  Gefangen-* 
Schaft  und  wurden  nach  Syrakus  gebrael^ ,  wo  das  Volk  sie  hittrichten  lless. 


214     FüDrte^  Buch.  Xlll.  Ti  moleon.  befreit  5\Teku$,  siegt  am  Krimisos.  Seine  lelitenJabr«. 

Das  galt  ini  Altertbum  als  die  einzige  nicht  zu  billigende  Thal  Timoleon's,  denn 
man  war  Uberzeugl,  dass  ohne  seine  Einwilligung  die  Hinrichtung  der  Frauen 
nicht  stallgefunden  halle.  Timoleon  war  ein  Mann,  der  strenge  seine  Pflicht 
erfullle  und  sich  in  die  Angelegenbeil«n  Änderer  nicht  mehr  einmischte,  als 
unbedingt  uOthig  war.  Heber  die  Frauen  der  Familie  des  Hiket«s  zu  beslim- 
uien,  war  Sache  der  SyralLusaner ,  nicht  die  seinige.  Dennoch  hütte  er  in 
diesem  Falle  eine  Ausnahme  machen  können.  Die  Grausamkeit  gegen  die 
.Frauen  war  ein  Act  der  Rache  fUr  das,  was  Hikelas  an  Dion's  Familie  gethan 
halte.  Timoleon's  Einspruch  halte  diese  Rache  verbindert.  ^So  zieht  in  Btlrger- 
kriegen  eine  ßohheil  die  andere  nach  sich,  und  selbst  edle  Uänner  vermö- 
gen nicht  immer  sich  den  EinOussen  der  schlimmen  Zeiten  vollkommen  zu 
entziehen. 

Nach  Hiketas  kam  die  Reihe  an  Mamerkos  von  Kalane.  Dieser  Tyrann 
lieferte  Timoleon  eine  Schlacht  am  Alabon  und  verlor  sie,  wobei  SOOO  seiner 
Leute  umkamen.  Der  Tyrann  machte ,  da  er  einsah ,  dass  er  sich  in  Sicilien 
nicht  lilnger  ballen  könne,  den  Vorsuch,  nach  Italien  tu  gelangen,  um  die  Ln- 
kaner  oder  Bruttier  zum  Kriege  gegen  Timoleon  und  Syrakus  zu  bewegen; 
Aber  die,  welche  ihn  nach  Italien  begleiten  sollten,  wurden  ihm  untreu, 
kehrten  um  und  überlieferten  Timoleon  Kalane.  Nun  nahm  Mamerkos  seine 
Zuflucht  zu  Ibp{>on,  dem  Tyrannen  von  Hessana.  Aber  Timoleon  rückte  bald 
darauf  vor  diese  Stadt  und  scbloss  sie  von  allen  Seiten  ein.  Es  war  keine 
Aussicht  mehr,  sich  lu  halten,  und  Üippon  versuchte  die  Flucht.  Er  wurde 
aber  auf  seinem  Schiffe  gefangen  genommen  und  den  Messeniern  ausgeliefert, 
welche  ihren  Gewaltberrn  in's  Theater  führten,  die  Jugend  aus  den  Scholen 
zusammenriefen,  damit  sie  sähe,  wie  ein  Tyrann  bestraft  würde,  ihn  züch- 
tigten und  zuletzt  hinrichteten.  Mamerkos  wollte  die  Flucht  nicht  versuchen, 
er  überlieferte  sich  freiwillig  dem  Timoleon  und  willigte  ein,  nach  Syrakus 
gebracht  zu  werden,  wo  das  Volk  über  ihn  richten  sollte;  Timoleon  versprach 
ihm  dagegen,  ihn  nicht  selbst  anzuklagen.  Die  Verhandlung  über  ihn  fand, 
wie  damals  gewöhnlich  in  Syrakus  die  Volksversammlungen,  im  Theater  statt. 
Er  begann  eine  Vertheidigungsrede  vorzutragen ,  die  er  schon  lange  ausgear- 
beitet halte,  aber  das  Volk  hörte  nicht  auf  ihn  und  lärmte.  Als  er  sah,  dass  alles 
vergeblich  war,  warf  er  seinen  Mantel  ab,  rannte  mitten  durch  das  Theater, 
und  slUrzte  sich  mit  dem  Kopfe  gegen  eine  Mauer,  um  auf  der  Stelle  zu 
sterben.  Aber  man  ergriff  ihn  noch  lebend,  und  er  erlitt  den  Tod  der  Slrassen- 
räuber:  er  wurde  an's  Kreuz  geschlagen. 

Jetzt  war  nur  noch  wenig  zu  thun ,  um  die  Gewaltherrschaften  auf  der 
Insel  gänzlich  zu  vertilgen.  Nikodemos,  der  Tyrann  von  Kenloripa ,  musste 
fliehen,  ApoUoniades,  der  Herrscher  vonAgyrion,  seine  Herrschaft  nieder- 
legen; die  Kampaner  in  der  Stadt  Aetna  wurden 'gedemUlhigt.  Hiermit  war 
der  erste  grosse  Abschnitt  der  Thaiigkeit  Timoleon's  vollendet. 

Die  Karthager  waren  in  Schranken  gehalten,  die  Tyrannen  gestürzt.  Das 
griechische  Sicilien  war  von  seinen  Sussem  und  innem  Feinden  befreit.  Wenn 
es  nun  Timoleon  noch  gelang,  die  verödeten  griechischen  StSdte  wieder  aufzu- 
bauen und  lu  bevölkern,  und  den  Frieden  zwischen  den  nunmehr  selbständigen 
Staaten  der  Insel  zu  begründen,  so  hatte  er  zu  seiner  ersten  Wohlthat  eine 


Wirksamkeit  Timoleon's.  Seine  letzten  Jahre.  215 

zweite  hinzugeftlgt,  die  nicht  minder  gross  war.  Dann  musste  das  Volk  selbst 
das  seinige  thun  und  im  Geiste  Timoleon^s  fortfal^ren,  und  die  Insel  hatte  noch 
glückliche  Jahre  vor  sich. 

Wir  sahen  schon,  was  Timoleon  fUr  die  Verfassung  und  die  inneren  Ein- 
richtungen von  Syrakus  that.  |Er  hatte  aber  die  Gründe  nicht,  welche  Dionys 
bewogen  hatten,  nach  dem  Vorbilde  früherer  Tyrannen  Syrakus  allein  auf 
Kosten  der  übrigen  Stüdte  gross  zu  machen.  Er  sorgte  deshalb  nach  Kräften 
dafür,  dass  die  alten  und  berühmten  Städte  der  Insel  wieder  aufblühten,  und 
vor  allen  wandte  er  sein  Augenmerk  den  dorischen  Städten  zu.  Er  veran- 
lasste eine  VergrOsserung  der  Stadt  Kamarina  durch  die  Niederlassung  neuer 
Bürger,  er  beförderte  es ,  dass  nach  Gela  Kolonisten  unter  der  Führung  des 
Gorgos  aus  Keos  zogen  und  nach  Akragas  andere  unter  Megellos  und  Pheristos 
aus  Elea  in  Lukanien.  So  gab  es  seit  Timoleon  wieder  ein  Akragas,  das  einen 
ehrenvollen  Platz  unter  den  sikeliotischen  Städten  einnehmen  konnte.  Aller- 
dings haben  wir  in  dem  seit  der  Eroberung  durch  die  Karthager  (406)  verflos- 
senen Zeitraum  Akragas  bereits  mehrmals  als  eine  nicht  selten  sogar  selbstän- 
dig handelnde  Stadtgemeinde  gefunden.  Aber  dies  Akragas  war  schwach  und 
ohne  eigenthümlichen  Charakter,  eine  ihres  glänzenden  Namens  nicht  würdige 
Stadt.  Durch  Timoleon  und  die  unter  seinen  Auspicien  hingesandte  Kolonie 
wurde  Akragas  wieder  eine  Stadt  von  Bedeutung,  die  im  Stande  war,  sich  mit 
eigener  Macht  kräftig  gegen  Feinde  zu  vertheidigen. 

So  ist  die  Wirksamkeit  Timoleon's  für  ganz  Sicilien  von  der  grOssten  Be- 
deutung gewesen.  Mit  ihm  beginnt  in  Wahrheit  eine  neue,  leider  nur  kurze 
Epoche  der  griechischen  Geschichte  der  Insel.  Es  giebt  wieder  freie  hellenische 
Gemeinwesen  auf  Sicilien  ausserhalb  Syrakus.  Timoleon*  ist  auch  in  dieser 
Beziehung  das  klare  Gegenbild  von  Dionys.  Durch  Timoleon  war  wieder  ein 
Zustand  auf  der  Insel  geschaffen,  wie  er  dem  Begriffe  entsprach ,  den  wir  uns 
von  einer  hellenischen  Landschaft  machen ,  deren  Wesen  gerade  auf  dem  ge- 
genseitigen Wetteifer  verschiedener  freier  Städte  beruht.  Und  Timoleon's 
Werk  ist  nicht  ganz  ephemer  gewesen.  Agathokles  hat  seine  ganze  Regierung 
hindurch  mit  den  Schöpfungen  des  grossen  Korintbers  zu  rechnen  gehabt. 

Timoleon  genoss  aber  nicht  bloss  die  Ehre,  die  ihm  aus  diesem  Verhält- 
nisse zu  den  griechischen  Städten  der  Insel  erwuchs,  er  übernahm  damit 
eine  Menge  von  Arbeiten  und  Pflichten ,  deren  er  sich  zum  allgemeinen  Wohle 
entledigte.  Nichts  geschah  in  den  griechischen  Städten  ohne  seinen  Rath 
und  seine  Beistimmung.  Wenn  Fehden  zu  schlichten,  Land  zu  vertheilen, 
Verfassungen  zu  gründen,  Gesetze  zu  geben  waren,  so  wurde  er  befragt. 
Aber  mit  entschiedener  Vorliebe  sorgte  er  doch  für  Syrakus,  das  er  sogar  noch, 
ein  wenig  nach  Tyrannenweise ,  durch  die  Bevölkerung  anderer  Städte ,  frei- 
lich kleinerer,  vergrösserte.  Die  Bewohner  von  Leontini  mussten  nach  Syrakus 
wandern ,  wo  >sie  das  Bürgerrecht  erhielten ,  w^ährend  Agyrion  (nach  Diodor's 
Bericht)  10,000  neue  Bürger  aus  Hellas  bekam. 

Timoleon  widmete  den  Rest  seines  Lebens  Syrakus  und  Sicilien.  Er  hätte 
nach  Korinth  zurückkehren  können,  und  die  Achtung,  die  ihm  in  seiner  Vater- 
stadt zu  Theil  geworden  wäre,  würde  eine  wohl  verdiente  Belohnung  seiner 
Wirksamkeit  in  Sicilien  und  eine  sicherlich  von  Manchen  erstrebte  Entschädi- 


216    Fünftes  Buch.  XIII.  Timoleoo  befreit  Syrakas,  siegt  am  Krim isos.  Seine  letzten  Jahiv. 

^ung  für  die  zwanzig  traurigen  Jahre  gewesen  seiD,  die  er- dort  nach  dem 
Morde  seines  Bruders  verlebt  hatte.  Er  zog  es  vor,  in  Syrakos  zu  bleiben. 
aber  ohne  ein  ößentliches  Amt.  Er  wollte ,  anders  als  Dion ,  dass  die  Bürger 
sich  durch  den  Gebrauch  der  Freiheit  an  dieselbe  gewöhnen  sollten,  und  hielt 
es  deshalb  fUr  angemessen,  dass  er  selbst  mit  seinem  übermächtigen  Einflösse 
sich  so  wenig  als  möglich  bei  den  Verhandlungen  über  öffentliche  Angelegen- 
heiten betheiligte.  Zu  dieser  freiwilligen  Zurückhaltung  trug  allerdings  eine  in 
seiner  Familie  erbliche  Augenschwäche  viel  bei,  welche,  ohne  dass  er,  wie 
t)ionys  und  Hieron,  durch  übermässigen  Weingenuss  sie  befördert  hätte ,  sich 
in  seinem  Alter  alkhählich  einstellte  und  im  Kriege  gegen  Hippen  und  Ha- 
merkos  bei  der  Belagerung  von  Mylai  in  völlige  Blindheit  übergegangen  war. 
Er  bewohnte  mit  seiner  Gattin  und  seinen  Kindei*n,  die  er  aus  Korinth  nach 
Syrakus  kommen  Hess,  ein  Haus,  welches  ihm  die  Syrakuaaner  geschenkt 
hatten ,  und  ein  Landgut ,  das  er  ebenfalls  von  ihnen  emfrfangen  hatte ,  das 
schönste ,  das  es  in  dör  Nähe  der  Stadt  gab.  Er  kam  nur  dann  in  die  Volks- 
versammlung, wenn  die  Syrakusaner  bei  wichtigeren  Angelegenheiten  seinen 
Rath  wünschten.  Dann  fuhr  er  aaf  seinem  Wagen  über  den  Markt  ita  das 
Theatert  Rauschender  Beifall  des  Volkes  begrüsste  seinen  Eintritt.  Wenn  der 
Freudenrausch  sich  gelegt  hatte,  hörte  er  die  Darlegung  der  Sache  und  tlieilte 
seine  Ansicht  dem  Volke  mit,  das  sie  schnell  zum  Beschlüsse  erhob.  Denn 
führten  die  Diener  den  Wagen,  auf  welchem  er  sass,  wieder  dam  Au^ang  des 
Theaters  zu^  und  der  Beifallssturm,  der  ihn  empfangen  hatte,  begleitete  ihn 
beim  Abschied.  Die  übrigen  Sachen ,  welche  auf  der  Tagesordnung  standen, 
erledigte  die  Volksversammlung  allein. 

Bei  der  grossen  Ehre ,  welche  Timoleon  von  den  Syrakusanem  erwiesen 
wurde ,  fehlte  es  doch  auch  nicht  an  Angriffen ,  denen  er  auf  die  würdigste 
Weise  begegnete.  Ein  Volksredner,  Namens  Laphysiios,  klagte  ihn  wegen 
einer  unbedeutenden  Sache  an,  und  es  erhoben  sich  viele  Stimmen  des  Un- 
willens im  Volke  über  das  Unrecht ,  das  deni  Retter  der  Sladt  dureh  eine 
solche  frivole  Anklage  geschehe.  Timoleon  aber  beschwtefatigte  selbst  den  Tu- 
mult mit  der  ebenso  klugen  wie  ehrenwerthen  Aeusserung ,  er  habe  deswegen 
so  viele  Lasten  und  Mühen  gerne  ertragen,  damit  jeder  Syrakusaner  die  Ge- 
setae  zu  seinemi  Beistande  anrufen  könne.  In  ähnlicher  Weise  äusserte  er  auf 
eine  Anklage  desDemainetos  wegen  seiner  Kriegführung  weiter  nichts  als:  Ich 
bin  den  Göttern  Dank  schuldig,  dass  sie  mir  das  gewährt  haben,  warum  ich 
sie  bat ,  dass  in  Syrakus  wieder  Redefreiheit  herrschen  möchte..  Wir  hören ' 
nicht ,  dass  das  Volk  jemals  der  Verläumdung  gegen  Timoleon  Glauben  ge- 
schenkt hätte ;  die  Bürgertugend  diieses  Mannes  war  so  gross ,,  dass  selbst  der 
Neid  verstummen  musste.  Timoleon  lebte  nur  noch  wenige  Jahre  in  der  von  ihm 
befreiten  Stadt,  deren  Bürger  ihn  wie  ihren  Vater  ehrten.  Er  starb  336  v.  Chr. 
Sein  Begräbniss  wurde  feierlich  begangen.  Durcfa'a  Loos  ausgewäbke  H^nglinjTf 
trugen  die  Bahre,  auf  der  die  Leiche  ruhte,  über  den^  Plala,  avf  welchen  die  dyrdi 
ihn  zerstörte  Tyrannenburg  gestanden  hatte,  nach  dem  Markte.  Fast  die  ganze 
Bevökerung  van  Syraku»,  Männer  und  Frauen,  folgten  dbr  Leiche,  Bb&f  nicht 
in  Trauerkleidem ,  sondern,  als  gälte  es  durch  einen  Festzug  eine  Gottheü  zu 
ehren,  bekränzt  uBd  mit  reinen  Gewändern  angeihan.    Wohl  klagfien  Viele, 


Tod  Timoleon's.   Bedeutung  Timoleon's.  217 

dass  er  ihnen  entrissen  sei,  aber  Andere  priesen  den  Verstorbenen  glOcklich, 
dass  ihm  beschiedea  gewesen,  so  grosse  Thaten  auszuführen.  Als  die  Leiche 
auf  dem  Markte  auf  den  Scheiterhaufen  gelegt  war  und  alles  Volk,  so  viel  der 
Raum  fasste,  sich  versammelt  hatte,  da  trat  Demetrios,  der  von  den  Herolden 
die  krilftigste  Stimme  hatte,  vor  und  rief:  »Das  Voikjvon  Syrakus  bestattet 
Timoleon,  den  Sohn  des  Timodemos,  den  Korinther,  der  hier  liegt,  auf  öffent- 
liche Kosten  zum  Preise  von  200  Minen  und  hat  beschlossen,  dass  er  auf 
ewige  Zeiten  mit  Wettktaipfen  in  der  Musik,  der  Gymnastik  und  dem  Wagen- 
rennen geehrt  werden  soll,  weil  er  die  TyTannen  gestürzt,  die  Barbaren  be- 
siegt, die  grössten  der  verlassenen  Städte  wieder  bevölkert,  und  den  Griechen 
auf  Sicilien  die  gesetzliche  Freiheit  wiedergegeben  hat.«  Seine  Asche  wurde 
auf  dem  Markte  bestattet,  und  später  am  das  Grabmal  Hallen  gebaut  und  Pa- 
lästren angelegt  und  ein  Gymnasien  für  die  Jugend  gegründet,  das  die  Syra- 
kusaner  Timoleonteion  nannten. 

Timoleon's  Gestalt  ist  eine  ideale,  und  zwar  nicht  nur  vom  allgemein 
menschlichen  Standpunkt  aus,  sondern  ganz  besonders  auch  vom  griechi'-^ 
sehen.  Man  würde  sich  sehr  irren,  wenn  man  ihn  für  ein  Genie  erklärte. 
Selbst  als  Feldherr  war  er  es  kaum.  Er  hat  im  Kriege  sein  Bestes  durch 
furchtloses  Darauflosgehen  erreicht.  Dionys  I.  und  Agathokles  sind  genialer 
gewesen  als  er.  Aber  er  war  mehr  als  ein  Genie.  Er  war  ein  höchst  talent- 
voller Mann  von  der  strengslen  Rechtsdbaffenheit,  dem  gerade  die  Aufgabe 
gestellt  wurde,  für  die  er  am  besten  passte,  undl  der  dabei  von  beständigem 
Glucke  begleitet  war.  In  erster  Beziehung  ist  zu  beachten,  dass  nach  dem 
Abgrund  von  Sehlechtigkeirt,  in  dem  Sicilien  se  tsele  Jahre  versunken  gewesen 
war,  ein  Führer  von  strenger  Reebtschaffenheit  und  reiner  Begeisterung  für 
die  Freiheit  eine  wahre  Erlösung  für  die  Sikelieten  war;  man  bedurfte  eben 
nicht  sowohl  eines  genialen  als  eines  rechtschaffenen  und  tapferen  Mannes  von 
unbedingter  Freiheitsliebe.  In  unseren  Tagen  hat  Garibaldi,  ein  ähnlicher 
Charakter,  in  einer  ähnlichen  Situatioo;  elbe  analoge  Rolle  spielen  können.  Zu 
diesen  persönKehefn  Eigenaehaften  kam  nnn  bei  Timeieon,  gerade  iPiie  bei  Gari- 
baldi, das  Glück.  Und  eben  diese  VerbiDdung  von  Tugend  und  GtUck  machte 
ihn  den  Griechen  so  bewundernswürdig.  Er,  der  seine  persönlichen  Gefühle 
der  Liebe  zur  Freiheit  zum  Opfer  gebracht  hatte,  konnte  im  höheren  Alter  alles 
das  erreichen,  was  die  Lehrer  der  Weisheit  in  Griechenland  stets  in  ihren 
öffentlichen  Reden  als  das  Ziel  des  Ehrgl^izes  jedes  patriotischen  Griechen  hin- 
gestellt hatten,  zu  einer  Zeit,  wo  eine  edle,  aufopfernde  Thätigkei«  durch  den 
Gegensatz  des  herrschenden  Egoismus  nur  noch  deutlicher  hervortrat.  Ttmo- 
leon's  Vorbild  soll  besonders  Epaminondas  gewesen  sein,  und  er  hat  sein  Vor- 
bild, soweit  es  von  ihm  abhing,  sicherlich  erreicht.  In  einer  Beziehung  aber, 
deren  Auffassung  dem  frommen  Sinne  der  Alten  zur  Ehre  gereichte,  stand 
Timoleon  fast  noch  Über  Epaminondas.  Der  sichtliche  Schutz  der  Götter  hatte 
über  keinem  tugendhaften  Manne  so  gewaltet ,  wie  über  Timoleon  in  Sicilien ; 
keiner  hatte  so  grosse  Dinge  mit  solcher  Schnelligkeit,  solcher  anscheinenden 
Leichtigkeit  ^ausgeführt.  Ihm  hatte  sich  Dionys  unerwartet  ergeben ,  er  war 
durch  ein  Wunder  vor  Mördern  bewahrt  worden,  er  hatte  das  ungeheure  kar- 
thagische Heer  fast  im  ersten  Anlauf  vernichtet.  Timoleon  selbst  schrieb  alles, 


■/-.MJIIP- 


ünfles  Buch.  XIII.  Timoleon  betreit  Syrekus,  siegt  ein  KrimlsoB.  Seine  leiden  Jahn. 

geleistet  hatl«,  den  GOltem  zu.  In  einem  Briefe  an  die  Seinigeo  in 
sagleer,  er  danke  der  GoUbeil  dafür,  dass  sie  zur  Hcttung  Siciliens 
Ines  Namens  bedient  habe.  In  seinem  Hause  errichtete  er  der  Aulo- 
der GlUcksgOltin,  einen  Altar,  und  er  weihte  das  ganze  Haus  dem  hei- 
amon.  FUr  die  Griechen  trug  ein  in  einer  edeln  Sache,  wenngleich 
lUhelos,  so  doch  ohne  gewaltsame  Anslrengunii^eQ  erreichter  Erfolg  vor- 
ise  den  Charakter  des  G&tllichen,  und  der  Mann,  dem  das  Glück  tu 
^worden  war,  stand  ihnen  darum  nicht  tiefer,  weil  er  weniger  Schweiss 
en  hatte,  als  ein  anderer.  Wenn  wir  nun  noch  den  friedlichen  I^bens- 
rimoleon's  hinzunehmen,  ungetrübt  durch  Launen  des  oft  undankbaren 
.  so  erscheint  der  Sieger  »m  Krimisos  nicht  nur  in  seinem  Charakter, 
1  auch  in  seinen  persönlichen  Schicksalen  als  eine  ideale  Gestalt,  die  die 
»Ionischen  Forderungen  vom  menschlichen  Glltcke  realisirt  hat.  Timoleon 
Recht  der  Liebling  der  meisten  Geschicbtsch reiber  gewesen,  und  wenn 
Der  vielleicht  hHher  erhoben  hat  als  Timaios,  so  genügt  dies,  uro  dem 
:holtenen  Manne-einen  guten  Namen  bei  allen  Billigdonkenden  zu  ver- 
I,  wie  die  Bemerkung  des  Polybios,  Timoleon  habe  in  seinem  ganten 
nichts  Grosses  ausgeführt  noch  unternommen,  denn  seine  weiteste 
rt  sei  die  von  Korinlh  nach  Syrakus  gewesen,  und  seine  Thaten  in  Si- 
elen einem  Sturm  in  einem  Glase  Wasser  vergleichbar,  genUgt,  um  den 
r  des  jüngeren  Scipio  diesmal  in  entschiedenem  Gegensalz  nicht  nur 
Ionischen,  sondern  ebenso  sehr  zur  rein  menschlichen  Auffassung  des 
eawerthes  zu  zeigen. 

ISS  er  seine  hauplsSchlichslen  Siege  an  seinem  Geburlstage  erfochten 
können  wir  für  eine  gerade  bei  Timoleon  sehr  natürliche  mythische 
iUDg  seines  vielbewunderten  Glückes  halten,  obwohl  ein  ähnlicher  Fall 
n  Leben  Cromweirs  —  hier  war  es  der  Sterbetag  —  zeigt ,  dass  die 
in  sich  nichts  Unwahrscheinliches  hal. 

enn  in  Sicilien  noch  wahre  rej^ublikanische  Freiheit  auf  die  Dauer  mög- 
(vesen  witre ,  so  hstte  sie  durch  Timoleon  begründet  werden  müssen, 
gende  Buch  wird  zeigen,  dass  sie  nicht  möglich  war.  Das  Volk  war 
lehr  dazu  fähig.  Dass  es  Bürgerlugend  zu  schätzen  wusste ,  beweis! 
ShKurcht  vor  Timoleon,  die  den  Syrakusanem  selbst  zur  Ehre  ge- 
Aber  es  war  in  Folge  der  langen  Tyrannis  moralisch  zu  schwach, 
!  Freiheit  tu  behaupten;  hall«  es  doch  unter  Timoleon  nicht  einmal 
Llie  Karthager  geschlagen ,   sondern   die  schwerste  Arbeit  den  SOldnem 


Sechstes  Bach. 


ErstesKapitel. 

Unrnkeii  in  Syrakns;  Agathokles  bemächtigt  sich  der  Herrschaft. 

Nach  dem  Tode  Timoleon's  begannen  bald  die^ Unruhen  wieder,  und 
Städte  geriethen  mit  Städten ,  Bürger  mit  Bürgern  in  Streit.  Leider  fehlt  es 
uns  an  zusammenhangenden  Nachrichten  über  die  Geschichte  der  Insel  in  den 
nächsten  i5  bis  20  Jahren ;  was  wir  über  diese  Zeit  sagen  können,  müssen  wir 
aus  vereinzelten,  in  der  Geschichte  des  Agathokles  vorkommenden  Andeutun- 
gen schliessen,  und  dies  beschränkt  sich  auf  die  nackte  Thatsache ,  dass  bald 
in  Syrakus  nicht  mehr  Demokratie  herrschte,  sondern  eine  Oligarchie  von  600 
Männern.  Wenn  ein  solcher  Uebergang  von  der  Herrschaft  des  Volkes  zur 
Herrschaft  Weniger  in  gefährlichen  Zeiten,  wo  grössere  Concentration  der 
Kraft  von  Nutzen  ist,  entschuldigt  werden  kann,  ist  er  im  gewöhnlichen  Ver- 
lauf der  Dinge  ein  Zeichen  von  bedenklicher  Schwäche  des  Volksgeistes.  In 
Syrakus  gab  die  Oligarchie  den  Anstoss  zum  Rückfall  in  die  Tyrannis,  und  in 
eine  noch  schlimmere,  als  die  des  älteren  Dionys  gewesen  war.  Wir  haben 
zuerst  die  sagenhafte  Vorgeschichte  des  neuen  Tyrannen ,  des  Agathokles,  zu 
erzählen. 

Sein  Vater  war  Karkinos  aus  Rhegion,  der,  aus  seiner  Ileimath  verbannt, 
nach  dem  sicilischen  Therma ,  einer  damals  unter  der  Botmässigkeit  der  Kar- 
thager stehenden  Stadt,  gezogen  war.  Wir  dürfen  annehmen,  dass  Karkinos 
ein  Mann  von  angesehener  Stellung  gewesen  war ,  wenn  auch  die  Auswande- 
rung seine  Vermögensverhältnisse  zerrüttet  .haben  mochte.  Er  schloss  eine 
Verbindung  —  ob  eine  förmliche  Ehe ,  ist  nicht  klar  —  mit  einer  Thermita- 
nenn.  Während  ihrer  Schwangerschaft  wurde  er  von  bösen  Träumen  wieder- 
holt gequält,  und  Karthager,  die  als  Gesandte  zum  delphischen  Gotte  gingen, 
befragten  in  seinem  Auftrage  das  Orakel  und.  brachten  die  Antwort ,  dass 
dieser  Sohn  den  Karthagern  und  ganz  Sicilien  grosses  Unglück  bringen  werde. 
Deshalb  setzte  er  ihn ,  sobald  er  geboren  war,  aus  und  stellte  W^ächler  auf. 


220      Sechstes  Buch.  I.  (JoruheD  in  Syrakus ;  Agnthoktes  benischilgl  sich  der  HerrschaFi 

die  dafür  sorgen  sollten,  dass  Niemand  das  Kind  retle.  Es  vei^ingen  aber 
Tage,  und  das  Rind  starb  nicht.  Endlich  wurden  die  Wächter  nachlässig  in 
ihrer  Pflicht,  und  es  gelang  der  Mutter,  den  Knaben  zu  entfernen.  Aber  in  ihr 
Haus  nahm  sie  ibn  nicht,  aus  Furcht  vor  ihrem  Hanne;  sie  brachte  ihn  lu 
ihrem  Bruder  Herakletdes  und  nannte  ihn  nach  ihrem  eigenen  Vater  Aga- 
tbokles.  Hier  wuchs  der  Knabe  auf  und  wurde  scbOner  und  kraftiger  ab  die 
meisten  seines  Alters.  Als  er  sieben  Jahr  alt  war,  kam  einmal  Karkinos  aul 
die  Einladung  des  Herakleides  zu  einem  Opferfesl  in  sein  Haus  und  bewun- 
derte, als  erAgatbokles  mit  seinen  Altersgenossen  spielen  sah,  seine  Kraft  unil 
seine  Schönheit.  Da  sagte  ihm  seine  Frau  ,  so  alt  wäre  auch  unser  Sohn  ge- 
wesen ,  wenn  wir  ibn  nicht  ausgesetzt  hinten ,  und  es  gereute  ihn  seine  That 
und  er  weinte  bitterlich.  Nun  nagle  die  Frau  es,  dem  Karkinos  milzulfaeilen, 
was  sie  getban  hall«,  und  er  erkannte  seinen  Sohn  an  und  nahm  ihn  tu  sieb. 
Br  liess  ihn  das  Tüpferhand  werk  lernen,  eins  der  wichtigsten  Gewerl>e  im 
Altertbum.  Längere  Zeit  blieb  er  noch  in  Tberma;  als  aber  Syrakus  Dach 
seiner  Befreiung  sich  wieder  hob  und  Tiowlewi  dort  gern  alle  Griechen  als 
Bürger  aufnahm ,  zog  auch  Karkinos  mit  seinem  ganzen  Hause  nach  Syrakus, 
vielleicht  auch  aus  Furcht,  dass  der  alte Oraketsprucb  wieder  der  Vergessenheit 
entrissen  würde  and  bei  der  Feindschaft,  welche  rwiscben  Griechen  nnd  Kar- 
thagern damals  herrschte,  ihm  und  seiner  Familie  zum  Verderben  gereichen 
mächte.  Hier  starb  er  bald,  und  Agatfaokles  lebte  nun  unter  der  Aufsicht 
seiner  Hutler,  die  noch  durch  ein  besonderes  Zeichen  die  Erwartmig,  dass  ihr 
Sohn  einst  grosse  Dinge  leisten  werde,  bestätigt  sab.  Sie  halte  in  einem  hei- 
Rgen  Tempelbeiirke  ein  steinernes  Abbild  des  Agathokles  als  Weifageschenk 
errichten  lassen,  und  an  demselben  baute  ein  Bienenschwarm  seine  Zellen, 
was  die  Zeicbcndeuter  einstimmig  als  eine  Torbersagung  grossen  Ruhmes 
eriLlaMen.  Durch  diese  Sagen  wird  Agathokles  in  die  Heihe  der  grossen  Herr- 
scher Siciliens,  eines  Gelon  und  Dionys  eingeführt,  und  wenn  er  auch  ifnrcb 
keine  wahrhaft  grosse  und  nützliche  Leistung  eine  solche  Stehung  verdient 
hat,  so  werden  wir  doch  sehen,  dass  er  sie  an  Glanz  der  Thaten  allerdings 
errerciile ,  wo  nicht  Übertraf.  Es  war  sein  schönes  und  stattbdies  Ausseben, 
das  ihn  zuerst  vorwärts  brachte.  Er  wurde  der  Liebling  eines  der  angesehen' 
sten  und  reichsten  Manner  in  Syrakus,  des  Damas,  der  alles  that,  um  dem 
Agathokles  eine  unabhängige  Stellung  zu  verschaffea.  Er  wurde  ihm  behulflich, 
sich  ein  bedeutendes  Vermögen  zu  erwerben ,  und  nahm  ihn  mit  sich ,  als  er 
g^en  Akragas  ein  syrakusanisches  Heer  befehligle.  Agathokles  war  vorztlglich 
zum  Soldaten  geeignet,  von  grosser  Statur  und  nngemeüier  KOrperkraft;  er 
setzte  eine  Ehre  darin,  eine  Rtlstung  zutragen,  die  durch  ihr  Gewicht  jeden 
anderen  erdrückt  hätte.  Wahrend  des  Feldzuges  starb  ein  Cbiliarch,  und 
Damas  ernannte  Agathokles  zu  dessen  Nachfolger.  Er  zeigte  sich  diesem  Amte 
vollkommen  gewachsen,  und  ebenso  tapfer  und  umsichtig  im  Felde,  wie  be- 
redt in  den  Versammtungen.  Nach  einiger  Zeit  starb  I>amas  und  hinterliess 
sein  grosses  Vermögen  seiner  Frau;  Agathokles  heiralhete  sie  und  war  nun 
einer  der  reichsten  Hanner  von  Syrakus.  Er  bekleidete  das  Amt  eines  Chi- 
liarchen  zum  zweiten  Haie  bei  dem  Heere,  welches  die  Syrakusaner  den  Kro- 
tonialen  gegen  die  Bmttier  tu  Hülfe  schickten. 


Ag»ti»okies  in  ItaÜeo.  22  t 

In  ItaJien  hatten  sich  ndmlich  die  VerbäitBisse  immer  ungünstiger  fttr  die 
Griechen  gestaltei.  Die  Machet  der  Lukaner  und  Bruttier  nahm  fortwährend 
zu,  und  in  demselben  VerlUdtniss  die  BedrSngniss  von  Städtaa  wie  Kroton 
und  Tarent.  Sie  waren  nicht  jm  Stande,  mU  eigener  Kraft  ihren  Feinden  die 
Spitze  EU  bieten,  und  mussten  «ich  deshalb  fortwahrend  nach  fremder  Hülfe 
umsehen.  So  war  um  die  Zeü  der  Schiacht  bei  Chaeronea  (338)  der  sparla- 
nisdie  König  Arcbidamos ,  des  Agesilao^  Sohn ,  der  von  den  Messapiern  hart 
bedi*ängten,  übrigejas  äui^serst  reichen  und  blühenden  Stadt  Tarent  zu  Hülfe 
gekommen ,  hatte  aber  im  Kriege  seinen  Tod  gefunden.  Sechs  Jahre  spater, 
332,  riefen  die  Tarentiner  gegen  dieselben  Feinde  den  König  eines  Landes, 
welches  seit  dieser  Zeit  sich  einen  Namen  in  der  Welt  zu  machen  anfing, 
Alexander,  den  llolosserfürsten  in  Epiros,  den  Bruder  der  Olympias,  der 
Mutter  des  grossen  Eroberers  von  Asien,  zu  Hülfe.  Er  war  anfangs  glücklich, 
vielleicht  zu  sehr  für  einen  Fremden,  der  leicht  in  den  Verdacht  kam,  die 
Eolle  seines  berühmten  Neffen  im  Westen  spielen  zu  wollen.  Er  bildete  ein 
Heer  aus  mitgebrachten  Soldaten,  Griechen,  Poediculern  und  verbannten  Lu- 
kapern,  eroberte  Consentia,  drang  bis  nach  PoßeidoniA  (Paestum)  vor,  und 
dachte  an  eine  Umformung  der  griechischen  Bundesverhaltnisse  Italiens  zu 
seinem  Vortheil ,  als  sich  alles  änderte,  die  Tarentiner  sich  ihm  entfremdeten 
und  er  bei  Pandosia,  am  Flusse  Acheron,  von  der  Hand  eines  lukanischen  Ver- 
bannten umkam.  Aehnlich  der  Lage  Tarent's  war  die  von  Kroton,  das  zu  Sy- 
r^kus  seine  Zuflucht  nahm. 

Oberfeldherrn  waren  auf  syrakusani^cber  Seite  Herakleides  und  beson- 
ders Soffistratos,  die  Führer  der  oligarchiscben  Partei :  Manner  von  schlechtem 
und  zu  Gewaltthatigkeiten  geneigtem  Sinne.  Unter  ihnen  war  mit  einem 
hohen  Amte  Antandros ,  der  Bruder  des  Agathokles ,  bekleidet.  Wir  wissen 
nicht,  ob  Antandros  jünger  oder  alter  war  als  Agathokles,  auch  nicht,  ob  von 
derselben  Mutter;  wir  möchten  aber  daraus,  dass  Antandros  ein  höheres 
Kommando  bekleidete  als  Agathokles ,  den  Schluss  ziehen ,  dass  es  nicht  des 
künftigen  Tyrannen  Glück  allein  war,  das  die  Familie  gehoben  hatte,  dass 
dieselbe  vielmehr  schon  an  und  für  sich  in  Ansehen  stand.  Antandros  ist 
später  in  einigen  Beziehungen  das  für  Agathokles  gewesen,  was  Pbilistos  für 
Dionys  war,  sein  Ralhgeber  und  Gescbichtschreiber.  Der  Ghiliarch  Agathokles 
zeichnete  sich  auch  in  diesem  Kriege  aus,  fand  sich  aber  am  Schlüsse  der 
Expedition  von  Sosistratos  zurückgesetzt,  der  ihm  nicht  die  erwarteten  Ehren- 
bezeugungen zukommen  Hess,  und  suchte  sich  dafür  zu  rächen,  indem  er  ihn 
vordem  syrakusanischen  Volke  anklagte,  dass  er  nach  der  Tyrannis  strebe.  Die 
Partei  des  Sosistratos  war  aber  die  stärkere,  und  des  Agathokles  Anklage  blieb 
unbeachtet.  So  entfernte  er  sich  mit  einer  Anzahl  Gleichgesinnter  aus  der 
Stadt  und  hielt  sich ,  mit  abenteuerlichen  Planen  beschäftigt ,  in  Italien  auf. 
Er  machte  unter  anderen  einen  vergeblichen  Versuch ,  sich  Kroton's  zu  be- 
mächtigen, ging,  als  er  sich  kaum  vor  den  ihn  verfolgenden  Krotoniaten  ge- 
rettet hatte,  in  tarentinische  Dienste  und  ward  hier  als  Anführer  von  Söldnern 
berühmt,  aber  zu  gleicher  Zeit  auch  so  verdächtig,  dass  er  bald  seinen  Dienst 
aufgeben  musste.  Nun  wandte  er  sich  mit  einem  Haufen  zusammengelaufener 
Leute  nach  Rhegion ,  und  stand  dieser  Stadt  gegen  die  syrakusanischen  Oii- 


*—r 


222      Sechstes  Bach.   I.  Uoruhen  in  Syrakus;  Agathokles  bemächtigt  sich  der  HerrscbaR. 

garchen  bei,  welche  sie  bekriegten.  Nach  einiger  Zeit  wurden  Herakleidcs, 
Sosistratos  und  ihr  Anhang  in  Syrakus  gestürzt,  und  Agathokles  kehrte  wieder 
in  seine  Heimath  zurück.  Die  gestürzte  Partei  verband  sich  aber  mit  den  Kar- 
thagern und  begann  Krieg  gegen  Syrakus ,  für  Agathokles  eine  willkommene 
Gelegenheit,  sich  auszuzeichnen.  Bald  einfacher  Soldat,  bald  Feldherr,  bewies 
er  in  diesem  Kriege  wieder  seine  ausserordentliche  militärische  Tüchtigkeit, 
und  seine  Geistesgegenwart  in  schlimmen  Lagen  erregte  die  allgemeine  Be- 
wunderung. Einst  befand  er  sich  beim  syrakusanischen  Heere,  welches  in  der 
Nahe  von  Gela  zu  Felde  lag,  wie  es  scheint,  als  Anführer  von  4000  Mann.  Mit 
diesen  brach  er  Nachts  in  die  von  den  Feinden  besetzte  Stadt.  Aber  Sosi- 
stratos war  auf  der  Hut  gewesen ;  er  warf  sich  mit  einer  überlegenen  Macht 
auf  die  Eingedrungenen  4ind  trieb  sie  zurück.  Etwa  300  wurden  niederge- 
macht, die  andern  drängten  sich  durch  die  engen  Strassen  den  Thoren  zir. 
ohne  Hoffnung  auf  Rettung;  Agathokles  selbst  empfing,  tapfer  kämpfend,  sieben 
Wunden,  und  war  durch  den  Blutverlust  schon  ausser  Stande,  den  Kampf 
fortzusetzen.  Da  rettete  er  sich  und  die  ganze  Schaar  durch  eine  gut  ausge- 
sonnene  List.  Er  schickte  Trompeter  nach  den  beiden  entgegengesetzten  Seiten 
der  Stadt,  die,  dort  angekommen,  plötzlich  zum  Angriff  bliesen.  Nun  glaubten 
die  siegreichen  Feinde,  es  komme  Hülfe  vom  syrakusanischen  Heere,  um  die 
schon  Unterliegenden  durch  einen  Doppelangriff  auf  Gela  zu  befreien,  und  sie 
wandten  sich  eilig  nach  den  Seiten  hin ,  woher  die  Syrakusaner  zu  kommen 
schienen.  Als  sie  die  Täuschung  bemerkten,  hatte  sich  Agathokles  schon  mit 
den  Seinigen  in  sein  verschanztes  Lager  gerettet. 

Das  Auftreten  des  Agathokles  war  der  Art,  dass  Niemand  zweifeln  konnte, 
er  strebe  nach  der  Tyrannis  und  warte  nur  auf  eine  Gelegenheit ,  um  seine 
Anschläge  auszuführen.    Deshalb  ward  er  auch  nicht  zum  Feldherm  erwählt, 
wozu  seine  kriegerische  Tüchtigkeit  ihn  vollkommen  geeignet  gemacht  haben 
würde;  die  Syrakusaner  fanden  vielmehr,  dass  jetzt  der  Fall  eingetreten  sei, 
für  welchen  sie  einen  Korinther  zum  Feldherrn  zu  erheben  beschlossen  hatten, 
und  übertrugen  dem  Korinther  Akestorides  die  Oberleitung  des  Krieges  mit 
allen  hiermit  gewöhnlich  verbundenen  Vollmachten,  wie  es  scheint,  sogar  mit 
darüber  hinausgehenden  Rechten ,  die  den  Fremden  einem  Dictator  ziemlich 
gleichstellten.   Die  Absicht  des  Akestorides  ging  alsbald  dahin,  Agathokles  aus 
dem  Wege  zu  räumen,  und  da  er  es  offen  nicht  zu  thun  wagte,  wegen  des 
grossen  Anhanges,  den  Agathokles  unter  dem  niederen  Volke  hatte,  so  stellte 
er  ihm  heimlich  nach.     Er  gebot  ihm,  sich  aus  Syrakus  zu  entfernen,  und 
sandte  Leute  aus,  die  ihm  in  der  Nacht  auflauern  sollten.    Agathokles  erfuhr, 
was  man  gegen  ihn  vorbereitete,  und  liess  einen  von  seinen  Sklaven,  der  ihm 
an  Gestalt  glich  und  sogar  in  den  Gesichtszügen  einige  Aehnlichkeit  mit  ihm 
hatte,  seine  Rüstung  und  sein  Gewand  anlegen,  sein  Pferd  besteigen  und  auf 
der  Hauptstrasse  reisen,  während  er  selbst,  in  Lumpen  gehüllt,  einen  abgele- 
genen Fusspfad  einschlug.  Seine  List  gelang ;  tier  Sklave  wurde  für  Agathokles 
gehalten  und  getödtet,  und  dieser  entkam. 

Die  Vertreibung  des  Agathokles  war  für  Syrakus  das  Zeichen  zu  einem 
neuen  Wechsel  der  Regierung.  Sosistratos  kam  wieder  zurück  und  mit  ihm 
die  Oligarchie.    Nun  hatte  Syrakus  auch  wieder  Frieden  mit  den  Karthagern, 


Agalhokles'  Verbannung  und  Rückkehr.  A^atbokles  Feldherr.  223 

und  Agalhokles  fand  so  in  seiner  Verbannung  eine  nicht  zu  verschmähende 
Gelegenheil,  seine  Tapferkeit  ausser  gegen  seine  Mitbürger  auch  gegen  den 
Erbfeind  der  Griechen  zu  beweisen.  Die  Stadt  Morgantion ,  die  ihn  zu  ihrem 
Feldherrn  ernannte,  wurde  der  Mittelpunkt  seiner  Macht,  und  es  gelang  ihm 
sogar ,  sich  Leontini's  zu  bemächtigen.  Zweimal  griff  er ,  jedoch  vergeblich, 
Syrakus  selbst  an. 

Agathokies  machte  wirklich  durch  sein  kräftiges  Auftreten  in  der  Verban- 
nung seine  Rückkehr  nach  Syrakus  möglich.  Der  karthagische  Feldherr  Ha- 
milkar,  der  in  Sicilien  commandirte  und  keinen  Vortheil  bei  den  Schar- 
mützeln mit  ihm  sah  und  vor  allen  Dingen  ein  Einverständniss  mit  Agathokles 
in  seinem  eigenen  Interesse  zur  Verfolgung  ehrgeiziger  Pläne  fttr  möglich  hielt, 
wandte  seinen  Einfluss  auf  die  befreundete  syrakusanische  Oligarchie  dazu 
an ,  sie  zur  Wiederaufnahme  des  tapferen  Mannes  in  die  Stadt  zu  bewegen. 
Es  gelang,  und  die  herrschende  Partei  verlangte  nur,  dass  Agathokles  einen 
feierlichen  Eid  leisten  solle,  nichts  gegen  das  Volk  und  seine  Freiheit  unter- 
ternehmen  zu  wollen.  Er  leistete  ihn,  wie  einst  Kallippos  (S.  188)  im  Tempel 
der  Demeter,  und  erwarb  sich  bald  in  der  Stadt  einen  noch  grossem  Einfluss 
als  zuvor.  Jetzt  erlangte  er  endlich  das,  w^onach  er  so  lange  umsonst  gestrebt 
hatte,  er  wurde  zum  Feldherm  gewählt  und  ihm  die  ausdrückliche  Aufgabe 
gestellt,  in  der  Stadt  selbst  den  Frieden  aufrecht  zu  hallen:  eine  eigenthüm- 
liebe  Stellung  für  einen  Mann,  der  selbst  mitten  im  Parteigelriebe  stand.  An 
ihn  schloss  sich  alles  an,  was  mit  der  immer  noch  übermächtigen,  in  der  Be- 
hörde der  Sechshundert  repräsentirten  Oligarchie  unzufrieden  war,  und  Aga- 
thokles stand  in  kurzer  Zeit  als  das  Haupt  der  demokratischen  Partei  da. 

Der  Zustand,  in  welchem  Syrakus  sich  beßind,  konnte  nicht  dauern. 
Das  Haupt  der  demokratischen  Partei  war  Feldherr,  also  der  erste  und  mäch- 
tigste Beamte  der  Stadt,  deren  Regierung  im  übrigen  in  den  Händen  der 
Oligarchie  war.  Das  Volk  hasste  die  Oligarchie  und  sah  in  ihr  das  Verderben 
des  Staates.  Die  Oligarchie  selbst  aber  duldete  Agathokles  nur,  weil  sie 
musste ,  und  weil  er  beim  Volke  beliebt  war.  Eine  Entscheidung  war  noth- 
wendig.  Es  wäre  nicht  zu  verwundern,  wenn  die  Oligarchie  Pläne  gemacht 
hätte,  den  Mann,  der  sich  ihr  nach  wiederholter  Abweisung  endlich  doch  auf- 
gedrängt hatte,  aus  dem  Wege  zu  räumen,  und  ebenso  natürlich  ist  es,  dass 
Agathokles  seine  Stellung  dazu  benutzte,  um  die  Oligarchie  zu  stürzen.  Ha- 
milkar  unterstützte  ihn  durch  Soldaten. 

Ein  äusserer  Anlass  gab  ihm  die  Mittel  dazu  an  die  Hand.  So  lange  kein 
auswärtiger  Krieg  da  war,  befehligte  der  Stra'teg  nur  syrakusanische  Bürger, 
die  überdies  im  Frieden  nicht  unter  Waffen  standen  und  sich  selten  versam- 
melten ;  ein  auswärtiger  Krieg  dagegen  konnte  die  Herbeiziehung  fremder 
Truppen  nöthig  machen.  Als  die  Nachricht  kam,  dass  syrakusanische  Partei- 
gänger im  Innern  der  Insel  bei  Herbita  sich  zusammenzögen,  wurde  Aga- 
thokles autoft'tsirt ,  gegen  sie  ein  Heer  aus  ihm  passend  scheinenden  Bestand- 
theilen  zusammenzubringen.  Er  bildete  den  Kern  desselben  aus  Einwohnern 
von  Morgantion  und  einigen  andern  Städten  dieser  Gegend,  die  ihm  seit  seinem 
früheren  Aufenthalte  daselbst  zugethan  waren,  und  bei  denen  er  eine  gewisse 
Abneigung  gegen  das  übermächtige  Syrakus  voraussetzen  durfte.    Zu  diesen 


Obstes  Bocti.    I.  Unruhen  ia  Syrakus:  Agathoklei  bemächtigt  sieb  der  Herrschalt 

'area  300O  —  nahm  er  noch  eine  Aozahl  von  SyrakusanerD  der  ärmereD 

ßatUrticIie  tiegner  der  Oligarchen,  in  s«in  Heer  auf  (317  v.  Chr.).  Als 
urAusfafariuig  seines  StaaUstreiches  gehsrif;  vorbereitet -war,  liess  er 
olda(£D  eines  frühen  Morgeas  im  Timoteonteion  sich  versamnieln  und 
e  ebendahin  Tisarcbos  und  Dioldes,  die  damaligen  Leiter  der  Sechs- 
t,  unler  dem  Vorwande  eiaer  Besprechuog  über  Staatsangelegenheiten, 
idea  erscfaieoea,  aber  in  Begleitung  von  40  ihrer  Freunde.  Dies  gah 
liles  einen  Vorwand ,  sich  Air  das  Opfer  einer  hinteriistigen  Nächste)- 
i  erklären ;  augenblicklich  wurden  die  Zweiundvierzig  ergrifleo  und  n 
Sammlung  der  Soldaten  gebracht.  Hier  klagte  Agalbokles  «die  Sechs- 
t  an ,  dass  sie  ihm  wegen  seiner  Anhänglichkeit  an  das  Volk  aaofastell- 
kd  regle  duroh  seine  Worte  die  Soldaten  so  auf,  dats  sie  scbrieeo,  er 
licht  länger  zttgern ,  sondern  auf  der  Stelle  die  Verbrecher  bestrafen. 
T  es,  was  Agathokles  wollte.  Scheinbar  nur  dem  Wunsche  der  SoIdal«i 
l>eod,  hiess  er  die  Trompeter  zum  Angriff  blasen  und  gestattete  seinen 
;n,  Über  die  Sechshundert  und  ihre  Anhänger  in  der  Stadt  herzufallen 
■e  Habe  zu  plündern.  Zugleich  wurden  die  Stadtthore  verschlossen  und 
it,  damit  keiner  der  zum  Tode  bestimmten  entfliehen  könne.  Die  Sol- 
liausten  wie  in  einer  eroberten  Stadt.     Sie  schlug«!  die  Thüren  der 

ein,  setzten  Leitern  an  und  erstiegen  die  DScher,  die  hie  und  da  vod 
aren  vertbeidigt  wurden.  Viele  der  Schlachfbpfer  kamen  auf  den 
n  um,  auf  die  sie  ohne  eine  Ahnung  von  dem,  was  vorgefallen,  fainau^- 
t  waren,  als  sie  Tumult  und  Geschrei  geh&rt  hatten.  Bald  unterschie- 
I  Soldaten  in  der  durch  das  Horden  gesteigerten  Aufregung  nicht  mehr 
n  Tode  bestimmten  von  den  Bürgern,  die  sie  schonen  sollten,  und 
eten,  was  ihnen  in  den  Weg  kam,  um  desto  mehr  Beute  zu  machen, 
iche  und  Habgier  wussteo  in  der  allgemeinen  Vemiming  ihre  Opfer 
ED.  Nicht  einmal  die  Tempelbezirke  boten  den  Unglücklichen,  die  sie 
uchtsttrter  wühlten,  SchuU.  So  wurden  an  einem  Tage  mehr  als  4000 
^sebensten  und  wohlhabendsten  Bürger  ermordet.  Da  die  Staditbore 
ossen  waren ,   versuchten  Viele ,  sich   durch  Herabspringen   von  den 

zu  retten,  und  nicht  Wenigen  gelang  es;  Manche  kamen  dabei  um. 
)]len  auf  diese  Weise  entkommen  sein ;  sie  flohen  zuerst  in  die  benach- 
Slädte,  dann  nach  Akragas,  der  Stadt,  die  seit  einiger  Zeil  wieder  als 
)eDbuhlerin  von  Syrakus  aufzutreten  begann,  und  wurden  dort  freund- 
'genommen.    Die  Banden  des  Agalbokles  hausten  indessen  nodi  einen 

Tag  in  der  besiegten  Stadt  und  vollführten  die  sobeusslichsten  Grau- 
len. Manche  unter  den  Oligarcben  waren  nicht  von  den  Soldaten  cr- 
,   sondern  Agathokles  als  Gefangene  überliefert  worden ;    von  diesen 

einige  umbringen ,  andere  verbannte  er;  nur  einen,  der  sein  Freund 
n  war,  den  DeiniArates,  begnadigte  er  vollständig, 
n  nächsten  Tage  berief  er  eine  Volksversammlung.  Der  Staatsstreich, 
lat  unerhörter  Grausamkeit,  war  vollführt,  und  um  die  Herrschergewalt 
:  in  die  HSnde  zu  bekommen,  hielt  er  es  für  gut,  sidi  zu  stellea,  als 
er  nicht  nach  ihr.  Er  erklHrle,  wie  einst  Gelon ,  dem  versammelten 
das  naturlich  nur  aus  Leuten  bestand,  welche  aus  Neigung  oder  Furcht 


Volksversammlung.   Charakter  der  Herrschaft  des  Agathokles.  225 

ihm  ergeben  waren,  seine  Aufgabe  sei  nun  erfüllt;  er  habe  die  Stadt  von  den 
oligarchischen  Despoten,  der  Partei  der  Seefashundert,  gereinigt,  jetzt  habe  das 
Volk  wieder  die  Gewalt  in  Händen ;  er  sei  der  Anstrengungen  müde  und  ver- 
lange nichts  weiter,  als,  wie  die' übrigen,  als  freier  Bürger  zu  leben.  Zugleich 
legte  er  den  Kriegermantel  ab  und  entfernte  sich.  Aber  die ,  welche  bei  den 
Mordthaten  und  der  Plünderung  der  vorhergehenden  Tage  betheiligt  gewesen 
waren ,  begannen  zu  rufen ,  er  müge  sie  doch  nicht  verlassen ,  sondern  die 
Regierung  der  Stadt  übernehmen.  Anfangs  schwieg  er,  als  aber  derselbe 
Wunsch  immer  lauter  und  allgemeiner  ausgesprochen  wurde,  erwiderte  er,  er 
wolle  wohl  das  Feldherrtiamt  übernehmen ,  aber  nur  allein,  nicht  mit  andern. 
Er  möge  sich  nicht  dazu  hergeben ,  für  die  von  CoHegen  begangenen  Fehler 
nach  den  Gesetzen  zur  Rechenschaft  gezogen  zu  werden.  Ebenso  hatte  vor 
90  Jahren  Dionys  gesprochen  und  seinen  Zweck  erreicht.  Hier  verstand  sich 
aber  die  Erfüllung  des  von  Agathokles  ausgesprochenen  Wunsches  ganz  von 
selbst,  denn  er  war  thatsächlich  Herr  der  Stadt.  So  wurde  er  also,  wie  einst 
Dionys,  Strategos  Autokrator,  und  beherrschte  als  solcher  seitdem  die  Stadt, 
der  Form  nach  jeden  Augenblick  einer  Absetzung  durch  die  Volksgemeinde 
ausgesetzt.  Das  Princip  der  Volkssouverfinitat  war  einmal  tief  dem  Geiste  der 
Alten  eingeprägt. 

Und  Agathokles  bemühte  sich  wirklich,  als  volksthümlicher  Herrscher  zu 
regieren.  Seine  ersten  Hassregeln  ketteten  das  niedere  Volk  fester  an  ihn;  er 
versprach  und  bewirkte  Verminderung  der  Schulden ,  die  die  Armen  von  den 
Reichen  sehr  abhängig  gemacht  hatten ,  und  die  Austheilung  von  Landereien 
an  die  Unbemittelten.  Politische  Verfolgungen  hörten  fast  gänzlich  auf;  er 
hatte  in  den  zwei  schrecklichen  Tagen  den  Boden  se  sehr  gesäubert,  dass  er 
für  einige  Zeit  sich  als  einen  freundlichen  und  wohlwollenden  Gebieter  zeigen 
konnte.  Er  war  nicht  von  Natur  zum  Argwohn  geneigt,  wie  Dionys,  —  er  war 
ja  auch  nicht  mehr  so  jung  wie  dieser,  als  er  die  Alleinherrschaft  gewann 
(44  Jahre),  und  hatte  viele  Kriege  und  viele  bürgerliche  Unruhen  bereits 
durchgemacht,  —  und  er  hielt  es  für  unnöthig,  sicL  mit  Trabanten  zu  umge- 
ben und  den  Zutritt  zu  seiner  Person  zu  erschweren.  Mit  den  Karthagern  trat 
er  in  freundschaftliche  Beziehungen ,  die  freilich  mehr  Hamilkar  als  dem  kar^^ 
thagischen  Staate  zu  Nutzen  kommen  sollten  (Ol.  413,  4  —  347  v.  Chr.). 


Zweites  Kapitel. 

UHtemeliniuiigeii  der  AkragantiHer  gegen  Agatiiokles.   Neuer  iänfal) 

der  Karthager. 

Agathokles  wandte  seine  hauptsttchlichste  AufmeriLsamkeit  zunächst  dem 
Kriegswesen  zu.  Er  sorgte  für  einen  gefüllten  Schatz,  für  Waffenvorräthe  und 
für  die  VergrOsserung  der  Seemacht.    Dann  unterwarf  er  allmählich  die  Syra- 

HolB,  OeMb.  SicUieaf.  IL  ]5 


226    Sechstes  Bach.  II.  Die  Akragaatiner  gegen  Agatbokles.  Neuer  Eiofall  der  Karthager. 

kus  zunächst  gelegenen  Landschaften  und  Städte.  Die  Herrschaft  eines  kräfti- 
gen Despoten  trug  dazu  bei,  dass  Handel  und  Verkehr  wieder  aufbltihten,  und 
Siciiien  betheiligte  sich  im  Jahre  316  wenigstens  durch  Geldsendungen  bei 
einer  von  allen  Hellenen  mit  Freude  begrüssten  Massregel,  dem  durch  Kassan- 
der veranlassten  Wiederaufbau  Theben^s.  Im  nächsten  Jahre  griff  Agathokles, 
jedoch  ohne  Erfolg,  Messana  an.  £r  hatte  sich  eines  messenischen  Forts  be- 
mächtigt und  versprach,  es  den  Messanem  gegen  30  Talente  zurückzugeben. 
Aber  er  nahm  das  Geld  und  behielt  den  Ort ,  sammelte  ein  Heer  und  eine 
Flotte  von  leichten  Fahrzeugen  und  tiberfiel  Messana ,  dessen  Mauer  an  einer 
Stelle ,  wie  er  wusste,  sehr  schadhaft  war.  Aber  die  Messaner  warea  auf 
ihrer  Hut,  und  Agathokles  warf  sich  mit  seiner  Streitmacht  auf  Mylai,  das 
sich  ergab.  Nach  diesem  kleinen  Erfolge  kehrte  er  nach  Syrakus  zurück,  um 
im  Herbst  den  Angriff  auf  Messana  zu  erneuern.  Abeif  es  war  wieder  um- 
sonst; die  Messaner,  durch  syrakusanische  Verbannte  verstärkt,  wehrten  sich 
tapfer,  und  dazu  wurde  ihm  von  den  Karthagern  Halt  geboten,  die  ihn  durch 
Gesandte  an  die  mit  ihnen  geschlossenen  Verträge  erinnern  Hessen,  welche  die 
Selbständigkeit  Messana^s  gewährleisteten.  Diese  karthagische  Einmischung 
ging  offenbar  direct  vom  Senate  der  Hauptstadt  atis,  dem  Hamilkar  schon  an- 
fing Verdacht  zu  erregen.  Agathokles  musste  nicht  nur  von  der  Belagerung 
Messana^s  abstehen^  sondern  auch  das  bereits  ausgelöste  Fort  zurückgeben. 
Ein  schwacher  Ersatz  für  diesen  Schlag  war  die  Einnahme  Abakainon  s,  wo  er 
40  seiner  Hauptgegner  umbringen  Hess. 

Doch  .war  im  Ganzen  die  Macht  des  Tyrannen  im  Fortschritt  begriffen  und 
wohl  geeignet,  die  noch  freien  sicilischen  Städte,  vor  allen  Akragas,  Gela  und 
Messana  unruhig  zu  machen.  Besonders  waren  die  Flüchtlinge  eifrig  bemüht,  ein 
grosses  Bündniss  aller  jetzt  oder  später  bedrohten  Staaten  gegen  Agathokles  zu 
Stande  zu  bringen.  Noch,  sagten  sie,  sei  der  Tyrann  nicht  so  stark ,  dass  er 
nicht  besiegt  werden  könnte,  und  früher  oder  später  komme  es  doch  zum 
Kampfe.  Das  Bündniss  wurde  geschlossen,  und  einige  syrakusanische  Flücht- 
linge übernahmen  es,  in  Hellas  einen  Feldherrn  zu  suchen,  der,  wie  man 
hofile,  die  Thaten  Timolepn^s  erneuern  sollte. 

Sie  fanden  in  Sparta  Akrotatos,  den  Sohn  des  KOiugs  Kleomeoes,  bereit  zu 
Unternehmungen  in  der  Fremde.  Er  hatte  sich  die  meisten  der  jüngeren  Män- 
ner dadurch  zu  Feinden  gemacht,  dass  er  sich  dem  Beschlüsse  der  Spartaner, 
die  von  der  Niederlage  gegen  Antipater  Heimgekehrten  von  der  nach  den  Ge- 
setzen sie  treffenden  Schande  zu  befreien,  allein  widersetzt !  atte.  Die,  welche 
geOohen  waren,  warfen  einen  grossen  Hass  auf  ihn,  lauerten  hm  sogar  auf  und 
misshandelten  ihn.  Er  gab  gern  den  Aufforderungen  der  Sikelioten  Gehör  und 
verliess  die  Heimath  schnell ,  ohne  erst  die  Genehmigung  der  Ephoren  einzu- 
holen. Deshalb  konnte  er  auch  nur  wenige  Schiffe  bekommen,  mit  denen  er 
von  Kerkyra  auf  dem  kürzesten  Wege  nach  Akragas  zu  fahren  beafanchtigte. 
Er  wurde  aber  durch  Stürme  nach  Norden  verschlagen ,  kam  nach  Apollonia, 
wo  er  zwischen  dieser  Stadt  und  dem  Illyrerkönig  Glaukias,  der  sie  belagerte, 
Frieden  stiftete,  und  gelangte  dann  nach  Tarent.  Tarent  befand  sich  damals 
in  äusserlich  sehr  glänzenden  Verhaltnissen.  Der  Handel  blühte  ausserordent- 
lich. Geld  war  in  Hülle  und  Fülle  vorhanden.  Die  demokratischen  Machthaber 


Akrotatos.  Friede  in  Sicilien.  227 

<!er  Stadt  wölken  sie  auch  gern  eine  politische  Rolle  spielen  lassen ,  und  si^ 
hatten  sich  im  Jahre  390  v.  Chr.  dazu  aufgeschwungen,  den  Römern  und 
Samniten,  die  in  Apulien  Krieg  führten,  ein  Friedensgebot  zukommen  zu  lassen. 
Tarent  hätte  bereit  sein  müssen,  selbst  in  den  Krieg  zu  Gunsten  der  Samniten 
einzutreten.  Aber  dazu  hatte  man  in  der  üppigen  Stadt  keine  Lust;  man  wollte 
nicht  seine  Haut  zu  Markte  tragen,  nur  Geld  wollte  man  aufwenden.  So  mie- 
thete  man  von  Zeit  zu  Zeit  Condottieri,  die  nichts  nützten,  und  war  unter 
Umständen  sogar  bereit,  sich  in  Dinge  zu  mischen,  die  Tarent  wenig  angingen. 
Als  sich  Akrotatos  Mühe  gab,  Theilnahme  fUi*  die  Sikelioten  zu  erregen,  ward 
wirklich  der  Beschluss  gefasst,  dass  20  Schiffe  nach  Sicilien  geschickt  werden 
sollten.  Ehe  sie  noch  ausgelaufen  waren,  fuhr  Akrotatos  weiter  und  wurde  in 
Akragas  mit  grosser  Herzlichkeit  aufgenommen  (31 4  v.  Chr.).  Aber  die  Erwar- 
tungen der  Akragantiner  von  ihrem  neuen  Feldherrn  wurden  nicht  erfüllt.  Auf 
Verheissungen  folgten  keine  Thaten.  Die  einzige.Sorge  des  Akrotatos  war,  seine 
hohe  Stellung  möglichst  zu  gemessen.  Er  trieb  die  Schwelgerei  so  weit,  dass 
er  aus  einem  Spartaner  ein  Perser  geworden  zu  sein  schien.  Das  sicilische 
Wohlleben  nahm  ihn  ganz  gefangen.  Dabei  zeigte  er  sich  despotisch,  verfolgte 
die,  welche  ihm  widerstrebten,  und  verwandte  endlich  das  ihm  für  den  Krieg  - 
anvertraute  Geld  zu  seinen  IiHriguen  oder  brachte  es  heimlich  auf  die  Seile. 
Endlich,  nachdem  er  bereits  andere  angesehene  Manner  aus  dem  Wege  ge- 
räumt hatte,  ermordete  er  das. Haupt  der  syrakusanischen  Ausgewanderten, 
Sosistratos,  bei  einem  Gastmahl,  ohne  dass  er  mit  ihm  in  Zwist  gewesen  wäre, 
nur  weil  der  Einfluss  dieses  Mannes  der  Ausführung  seiner  Pläne  im  Wege 
stand.  Es  waren  alle  diese  Menschen,  die  mit  einander  in  Sicilien  damals  um 
die  Oberherrschaft  rangen,  einander  vollkommen  würdig;  Sosistratos  und 
Akrotatos  waren  nicht. besser  als  Agathokles,  du r  weniger  klug  und  weniger 
rücksichtslos  als  er.  Mitleid  verdient  keiner^  der  als  Anführer  in  diesen  Un- 
ruhen fällt,  nur  das  Volk»  das  unter  dem  Ehrgeize  seiner  vorgeblichen  Befreier 
leiden  musste.  Wir  können  kaum  .bedauern,  dass  Agathokles"  nicht  gestürzt 
wurde:  er  war  jedenfalls  fähiger,  als  die  Despoten,  die  ihn  ersetzt  hätten.  Zu 
einer  ehrlichen  Republik  zeigte  sieh  das  Volk  allein  unfähig,  und  ein  Timoleon 
kam  nicht  wieder. 

Akrotatos  fiel  in  die. Grube,  die  er  Sosistratos  gegral)en.  Die  ausgewan- 
derten-Syrakusaner  tumultuirlen ,  setzten  ihn  ab  und  begannen  mit  der  in 
Heeren ,  besonders  in  Soldheeren  gebräuchlichen  Praxis ,  ihn  mit  Steinen  zu 
werfen,  so  dass  er  sich  glücklich  schätzen  musste,  in  der  Nacht  entkommen  zu 
können.  Als  er  nicht  mehr  in  Sicilien  war,  riefen  die  Tarentiner,  die  nur 
wegen  des  spartanischen  Königssohnes  sich  auf  den  Krieg  eingelassen  hatten, 
ihr  Geschwader  zurück,  und  die  verbündeten  Städte,  die  zu  spät  bemerkten, 
dass  sie  doch  nicht  die  Elemente  eines  kräftigen  Widerstandes  gegen  Aga- 
thokles in  sich  hatten,  machten  Frieden,  und  zwar  unter  Vermittlung  der  Kar- 
thager, d.  h.  diesmal  des  Hamilkar,  des  geheimen  Bundesgenossen  des  Aga-. 
thokles.  Die  Bedingungen  waren  demüthigend  für  die  Städte.  Mit  Ausnahme 
von  Selinus,  Herakleta  und  Himera,  d.  h.  Therma,  welche  Städte  ausdrück- 
lich als  unter  den  Karthagern  stehend  anerkannt  wurden  j  sollten  di^  übrigen 
griechischen  Städte  Siciliens  selbständig  sein ,  —  aber  unter  syrakusanischor 

15* 


328    Sechstes  Bncli.  II.  Die  Akragantiner  gegen  Agtthoklei.  Hener  Einhtl  der  EsTdisger. 

inie.  Iq  Kartbago  selbst  war  man  übrigeDs  mU  diesem  Vertrage  unzu- 
,  maa  fand  ihn  nidit  vortheifhaft  genug.  Hamiikar  ward  getadelt  und 
beintich  abgesettt,  und  ihm  der  Prozess  gemacht,  woraaf  ein  anderer 
ir,  Gisgon'sSohn,  na<di  Sicilien  gesandt  wurde  [31  (v.Chr.,  01.H6,3]. 
tbager  begannen  wieder  g^en  Agetbokles  zu  rtoten,  der  seinerseits 
',  seine  Hacht  tu  vergrassem.  Er  unterwarf  eine  Anzahl  von  Städten 
jchte,  nur  an  Söldnern,  ein  Heer  von  10,00d  Fusssöklatfln  und  3500 

zusammen. 

6  mächtigeren  der  noch  vor  Knreem  dem  Agatfaokles  feindlichen  SiSdte 
I  aber  die  Klausel  von  der  Hegemonie  der  Stadt  Syrakus ,  d.  b;  det 
en  Agathokles,  nicht  zu  halten,  Messana  wurde  vrieder  der  Mittelpunkt 
derstandes.  Agatfaokles  schit^te  deshalb  (Ol.  ÜT,  I  —3(2  v.  Chr.) 
einer  Feldherni,  Pasii^iilofl,  mit  g^eimen  Instructionen  in  das  mease- 
[jebiet.  Es  gelang  diesem,  durch  plbulidien  Ueberfall  eine  grosse  Beute 
ben,  und  als  er  sich  nun  mit  den  freund scbaftlichslen  Vorschlagen  an 
saner  wandte,  gingen  diese ,  die  vielleicht  nicht  auf  einen  so  schnell 
ihenden  Krieg  gefasat  waren,  auf  alles  ein,  was  Agalbokles  verlangte 
bieten  liess.  Sie  wiesen  die  syraknsanischen  Verbannten  aus  und  nah- 
^thdües,  der  selbst  mit  einigen  Truppen  heranrückte,  auf.  Dieser 
idi,  so  lange  er  sich  in  Hesaana  aufhielt,  durchaus  freundlich  gegen  die 
und  bewog  sie  dazu,  eine  Anzahl  von  Männern,  welche  aus  der  Stadt 
it  waren  und  sich  zu  ihm  begeben  hatten  und  jetzt  nnier  ihm  dienten, 

hä  sich  aufoiuebmen;  aber  er  wusste  seinen  kurzen  Aufenthalt  in 
I  data  lu  benutsen ,  um  sieh  aber  die  PrivatveriiSltnisse  daselbst  und 
I  und  Stellung  seiner  haupIsKohlfchslen  Gegner  zu  unlerrichlen.    Als 

wieder  in  Syrakus  befand,  war  sein  Erstes,  ungefShr  fiOO  BOge- 

Männer,  theils  aus  Tauromenion,  groastMitheils  aber  aus  Hessana, 
eine  Soldaten  wegschleppen  und  tddlen  zu  lasaen.  Er  wollte  alle,  die 
Herrschaft  abgeneigt  waren,  nach  Klüften  nnscbadlich  machen.  Das 
vohl  an  sidi  in  seinem  Interesse,  als  auch  w^en  der  Stellung,  in  der 
den  Karthagen  gegenüber  befand.  Er  war  durdi  sie  emporgekommen, 
ch  dem  Stufte  seines  Freundes  Hamiikar  war  es  nicht  seine  Absieht, 
\ea  Frieden  zu  halten ,  und  es  konnte  audi  dl^t  seine  Absicht  sein, 
n  Grieche  konnte  in  Sicilien  keine  wahrhaft  bedeutende  Macht  eriaogen, 
r  sie  nicht  gegen  die  Karthager  erwarb  und  cn  behaupten  wusste.  Wer 
I  sich  gegen  Karthago  zu  halten  verstand ,  dem  war  von  den  Griechen 
's  Niemand  gewachsen.  So  war  der  Krieg  mit  Karthago  dem  Agath<A.Ies 
st  dem  INonys  das  Unternehmen,  auf  welches  er  immer  wieder  zurQck-- 
ad  um  ihn  erfolgreich  ftthren  zu  kVnnen,  mussten  allerdings  unter  den 
n  keine  Feinde  mehr  sein. 

ir  haben  so  ^en  Dionys  genannt;  aber  wenn  wir  Agathokles  wegen 
1  ihm  unternommenen  karthagischen  Krieges  mit  Dionys  verglichen 
so  soll  damit  nicht  gesagt  sein,  dass  das  Geftthl  dasselbe  war,  mit  dem 
genossen  des  Agathokles  und  diejenigen  des  Dionys  die  Kriege  mit  den 
;em  betrachteten.  Es'ist  vielmehr  von  Wichtigkeit,  sich  die  durchaus 
»lenen  Bedingungen ,  unter  denen  beide  Fürsten  gegen  die  Karthager 


Stollang  des  Agatbokl^s.  .  229 

kämpften  y  klar  zu  machen«  Dionys  kam  weseoUich  durch  die  Furcht  der 
Griechen  vor  den  bedenklichen  Forlschritten  der  Karthager  zurTyrannis;  er 
kann  in  gewisser  Beziehung  als  der  Ftlhrer  des  Grieehenthums  gegen  die  Bar*- 
barenJ^etrachtet  werden,  die  mit  so  sdirecklicher  Grausamkeit  in  Sicilien  auf- 
getreten waren,  dass  alles,  was  einen  griechischen  Namen  trug,  mit  Abscheu 
vor  ihnen  zurttckbebte.  In  dieser  Beziehung  war  es  allmählich  anders  gewor- 
den. Das  fortwährende,  wenn  auch  oftmals  feindliche  Zusammenleben  der 
Karthager  und  Griechen  in  dem  grdssten  Theile  der  Insel  hatte  den  National- 
bass  abgestumpft  und  die  Kriege  weniger  grausam  gemacht  Schon  unier 
Dionys  hatten  sich«den  Gesetzen  des  Völkerrechtes  entsprechende  Beziehungen 
zwischen  Griechen  und  Karthagern  gebildet.  Wir  sahen,  dass  ein  Mann  wie 
Dion.  mit  einem  karthagischen  Feidherrn  befreundet  war ,  Hiketas  war  soweit 
gegangen ,  sich  mitMen  Karthagern  offen  zu  verbinden.  Nach  einem  solchen 
Vorgänge  konnte  es  wenigstens  keine  Schande  mehr  für  einen  Griechen  Sici- 
lien's  sein,  mit  den  Karthagern  gegen  Landsleute  im  Bündnisse  zu  stehen,  und 
die  olig^rchische  Partei  in  Syrakus  hat  diese  Möglichkeit  nach  Kräften  ausge- 
beutet. So  war  denn  also  Agathokles  keineswegs  noch  vrie  Dionys  der  Führer 
der  Griechen  gegen  die  Barbaren ,  er  hatle  auch  mit  den  Barbaren  verbundene 
Griechen  in  grosser  Zahl  zu  bdLämpfen.  Wir  können  den  Unterschied  der 
Stellung  beider  Tyrannen  zu  den  Karthagern  kurz  so  ausdrücken:  Dionys 
diente  den  Griechen  Sicilien's  gegen  die  Karthager;  jetzt  mussten  die  Griechen 
dem  Agathokles  gegen  sie  dienen.  Hierzu  kam  endlich  noch  ein  Umstand  von 
entscheidender  Bedeutung.  Während  Dionys  nach  der  Vernichtung  von  Seli- 
nus,  Himera,  Akragas  und  Gela  mit  seiner  Macht  fast  allein  das  Griechenthum 
repräsentirte,  gab  «s  seit  Timoleon  nodi  wenigstens  zwei  unabhängige  Mittel- 
Staaten  neben  den  Grossstaaten  Syrakus  und  Karthago,  nämlich  Akragas  und 
Gela.  Deren  Neutralität  musste  die  Stärke  des  Agathokles  verhältnissmässig 
vermindern ,  ihre  feindselige  Haltung  gegen  ihn  aber  den  Beweis  liefern,  dass 
man,  um  gut  griechisch  gesinnt  zu  sein,  nicht  nothwendig  Anhänger  des  Aga-< 
thokles  zu  sein  brauchte.  Es  ist  hier  an  einiges  oben  besprochene  zu  erin- 
nern. Unter  Dionys  vollzog  sich  die  Vermischung  der  Griechen  und  Sikeler 
auf  Sicilien.  Zur  Zeit  des  Agathokles  drohte  eine  Vermischung  des  so  entstan«- 
denen  Volkes  auch  mit  den  Puniem.  Aber  es  kam  nicht  dazu ,  in  Folge  der 
anderen  politischen  Verhältnisse.  Sikder  und  Griechen  hatten  sich  verschmei- 
^n  können ,  weil  jene  keine  eigenen  Führer  von  Bedeutung  hatten  und  zu- 
frieden waren,'  wenn  Dionys  sie  ebenso  gut  behandelte,  wie  es  ihre  Stammes- 
herrscher nur  zu  Uiun*  vermochten.  Karthager  und  SiciUer  konnten  dagegen 
nicht  verschmelzen,  weil  das  Oberhaupt  jener  sieb  ausserhalb  der  Insel  befand. 
So  war  zur  Zeit  des  Agathokles  zwischen  Karthago  und  Syrakus  nur  eine 
Machtfrage;  von  nationaler  Begeisterung  war  bei  den  Syrakusanern  wenig 
mehr  die  Rede. 

Wenn  wir  dies  berücksichtigen,  so  bekommen  wir,  wenn  uns  nicht  alles 
täuscht,  einige  Aufklärung  auch  über  die  grössere  Grausamkeit  des  Aga- 
thokles im  Vergleiche  mit  Dionys.  Des  letzteren  Lage  war  einfacher;  er  konnte 
mit  der  Behauptung,  Führer  gegen  die  Barbaren  sein  zu  wollen,  auf  eine 
ziemlich  allgemeine  Heeresfolge  der  Griechen  rechnen ;  dem  Agathokles  half 


230    Sechstes  Bucb.   II.  Die  Akraganttner  gegen  Agalbokles.  Neuer  EiofaH  der  Karthager. 

eine  solche  Erklärung  wenig,  da  es  sehr  viele  Sikelioten  gab,  die  sich  offen  den 
Karthagern  gegen  ihn  anschlössen  oder  neutral  blieben  und  doch  ihre  Unab- 
hängigkeit gegen  Karthago  behaupteten.  Dionys  hatte  in  einer  Zeit  nationaler 
Begeisterung  oder  Erbitterung  nur  durch  Zwang  sich  gehalten,  Agathokles 
wollte  in  einer  Zeit  herrschen,  wo  fast  alle  nationalen  Strebungen  den  Griechen 
der  Insel  in  ihrer  Mehrzahl  fremd  geworden  waren  und ,  selbst  ohne  andere 
als  egoistische  Zwecke,  und  dazu  ausser  Stande,  sich  auch  nur  zum  Schein 
auf  ideale  Interessen  zu  stützen,  weil  sie  fast  ganzlich  seinen  Landsleuten  fehl- 
ten, blieb  ihm  durchaus  nichts  übrig,  als  die  nackte  Gewalt.  .Dionys^  Laufbahn 
hat  noch  einen  Schimmer  des  Fürstlichen ;  Agathokles  hat  wie  ein  Abent^rer 
gelebt.  Auch  hier  wiederum  muss  die  hervorragende  geschichtliche  Persön- 
lichkeit nicht  bloss  in  ihrem  individuellen  Charakter,  sondern  ebenso  sehr 
auch  als  ein  Product  ihrer  Zeit  betrachtet  werden.  Die  sicilischen  Griechen 
dieser  Zeit  waren  schwächer  als  ihre  YorfahreQ ;  die  Karthager  waren  ihnen 
nicht  mehr  die  barbarischen  Fremden,  die  sie  ihren  Vorfahren  gewesen  waren; 
sie  hatten  sie  im  Gegentheil  als  bereitwillige  Helfer  in  ihren  inneren  Zwisten 
kennen  gelernt.  Diesen  Zwisten  aber  gaben  sie  sich  mit  ebenso  grossem  Eifer 
hin,  wie  nur  jemals  früher;  musste  nicht  da  ein  Despot,  für  den  weniger«als 
je  eine  moralische  Stütze  aufgefunden  werden  konnte ,  als  einziges  Mittel  der 
Herrschaft  die  nackte  Grausamkeit  anwenden? 

Es  ist  aber  noch  ein  Punkt  zu  beachten ,  wenn  wir  Agathokles  vollkom- 
men  verstehen  wollen.  Wir  haben  bei  ihm  so  gut  wie  bei  Dionys  und  Timo- 
leon  auf  die  Zeitverhältnisse  in  der  griechischen  Welt  überhaupt  Rücksicht  %u 
nehmen.  Und  da  zeigt  sich  denn  zwischen  den  beiden  Tyrannen  folgender 
Unterschied.  Dionys  entspricht,  wie  wir  sahen,  den  lakedämonischen  Harmo- 
Sien  seiner  Zeit.  Sie  künnen  sich  wohl  hin  und  wieder  mit  den  Persem  ver- 
binden, aber  sie  bleiben  selbst  Griechen  und  Spartaner.  So  verständigt  sich 
Dionys  wohl  einmal  mit  den  Karthagern,  aber  er  bleibt  stets  Syrakusaner. 
Syrakus  ist  seine  Burg,  aus  der  er  sich  immer  wieder  seine  Kraft  holt.  Zo 
Agathokles'  Zeit  hat  im  Orient  die  Auflösung  des  Perserreiches  staltgefunden. 
Die  Diadochen  sind  Griechen ,  aber  sie  herrschen  gleichmässig  über  Griechen 
und  Asiaten,  und  es  ist  ihnen  einerlei,  über  wen  sie  herrschen,  wenn  sie  nur 
herrschen.  Es  ist  ihnen  auch  einerlei,  wo  sie  herrschen ;  sie  haben  keine  Bei- 
inalh  mehr,  sie  sind  nur  Condottieri.  Denselben  Charakter  hat  die  gleichzei- 
tige Hei*rschaft  des  Agathokles.  Agathokles  ist  kein  Syrakusaner  von  Geburt 
wie  Dionysios;  in  Therma,  wo  er  geboren  wurde,  lebten  Karthager  und 
Griechen  friedlich  neben  einander.  Er  zieht  es  vor  in  Syrakus  zu  herrschen, 
weil  Syrakus  die  mächtigste  Stadt  des  Westens  ist;  aber  er  hängt  so  wenig 
an  Syrakus,  dass  wir  ihn  bald  sogar  Sicilien  verlassen  sehen,  um  sich  ein 
Reich  in  Afrika  zu  gründen ;  es  ist  ihm  gleichgültig,  wo  er  herrscht,  wenn  er 
nur  die  Gewalt  in  Händen  hat.  Er  hat  denselben  Charakter  der  vaterlandslosen 
Condottieri,  wie  die  Diadochen.  Der  Unterschied  ist  nur,  dass  diese  sich  auf 
den  Trümmern  des  persischen  Reiches  befehdeten ,  während  Agathokles  das 
karthagische  erst  vernichten  sollte.  Ihm  wäre  die  Rolle  eines  Alexander  lOge- 
fallen,  aber  dazu  war  er  nicht  gross  genug. 

Die  Verschiedenheit  der  Zeitumstände  2wischen  Dionys  und  Agathokles 


DeiQOkrates  231 

zeigte  sieb  übrigens  noeh  io  dem  merkwürdigen  Umstände,  dass,  während 
Dionys  sich  fa^t  nur  auf  Söldner  stützte  und  von  höchst  argwöhnischem  Cha- 
rakter war,  Agathokles  allerdings  auch  Söldner  hielt,  aber  doch  vorzugsweise 
Bürger  von'Syrakus  und  andern  Städten  in  seinem  Heere  hatte ,  und  nie  eine 
Spur  von  Argwohn  gezeigt  hat.  Zur  Zeit  des  Dionys  gab  es  noch  einen  Gegen- 
satz :  Bürger  von  Syrakus,  d.  h.  nach  Freiheit  strebende  Männer,  die  der 
Tyrann  fürohten  musste,  und  Söldner,  nur  dem  Tyrannen  ergeben.  In  der 
Epoche  des  Agathokles  war  von  der  alten  Freiheitsliebe  (1er  Syrakusaner  nicht 
mehr  viel  die  Rede,  und  die  Syrakusaner  selbst  waren  zum  geringsten  Theile 
die  Nachkommen  der  Gegner  und  Ueberwinder  der  Athener.  Wenn  nun 
Agathokles  von  Zeit  zu  Zeit  mit  allen,  die  ihm  widerstrebten,  durch  Mas- 
senmorde gründlich  aufräumte,  so  brauchte  er,  von  einer  kleinen  Söldner- 
schaar  unigeben,  im  übrigen  sich  nicht  zu  scheuen,  den  Syrakusanern  Waffen 
in  die  Hand  zu  geben ;  von  Freiheitshelden  halte  er  keine  Feindschaft,  von 
Verschwörern  keine  Nachstellung  zu  erwarten.  Natürlich  trug  auch  der  Cha- 
rakter des  Agathokles,  der  etwas  frischeres  hatte,  als  der  des  Dionys,  sehr  viel 
zu  seiner  sorglosen  Haltung  bei.  Nach  diesen  noüiwendigen  Bemerkungen 
kehren  wir  zur  Geschichtserzählung  zurück. 

Nachdem  Agathokles  Messana  gewonnen  hatte ,  dachte  er  Akrägas  zu  un- 
terwerfen. Als  er  aber  mit  seinem  Heere  sich  in  der  Nähe  dieser  Stadt  befand, 
waren  auch  die  Karthager  mit  60  Schiffen  da ,  und  Agathokles  musste  sich  mit 
einem  Einfall  in  das  karthagische  Gebiet  der  Insel  begnügen ,  in  welchem  er 
einzelne  Festungen  im  Sturme  oder  auf  dem  Wege  gütlicher  Verhandlung  sich 
zu  eigen  machte. 

Indessen  hatten  die  syrakusanischen  Oligarchen  immer  noch  über  eine 
nicht  unbedeutende  Macht  zu  verfügen.  An  ihrer  Spitze  stand  jetzt  Deinokrates, 
derselbe,  den  Agathokles  vor  fünf  Jahren  bei  dem  grossen  Blutbade  in  Syrakus 
versdiont  halte.  Dieser,  der  die  aus  Messana  vertriebenen  Syrakusaner  um 
sich  gesammelt  hatte,  machte  einen  Versuch,  sich  Kentoripa's  zu  bemächtigen, 
wo  eine  agathokleiscbe  Besatzung  lag ,  unter  den  Bürgern  aber  eine  nicht  un- 
bedeutende Partei  den  syrakusanischen  Oligarchen  anhing.  Er  schickte  Nym- 
phodoros  zu  diesem  Zwecke  aus,  der  zwar  Nachts  in  Kentoripa  eindrang,  aber 
von  den  Truppen  des  Agathokles  überwunden  und  mit  den  Seinigen  nieder- 
gehauen wurde.  Dies  Unternehmen  hatte  nur  die  eine  Folge,  dass  Agathokles 
die  Häupter  der  ihm  feindlichen  Partei  in  Kentoripa  umbringen  Hess. 

Etwas  besseren  Erfolg  hatte,  wenigstens  anfangs,  das  Unternehmen  der- 
selben Männer  gegen  Galaria.  Die  Galariner  riefen  die  Hülfe  des  Deinokrates 
gegen  die  agathokleische  Besatzung  der  Stadt  an,  und  er  kam  mit  der  nicht 
unbedeutenden  Macht  von  5000  Mann,  unter  denen  eigenthümlicherweise 
SOOO  Reiter  waren,  worin  wir  ein  sicheres  Zeichen  des  Reichthums  einer 
grossen  Zahl  der  das  Heer  bildenden  Krieger  zu  sehen  haben.  Galaria  fiel  in 
die  Hände  der  Oligardien ,  deren  Macht ,  Agathokles  erwartend ,  sich  vor  der 
Stadt  lagerte.  Agathokles  schickte  Pasiphilos ,  der  sich  schon  gegen  Messana 
bewährt  hatte,  und  mit  ihm  Demophilos,  w*ährend  das  Heer  der  Oligarchen, 
ausser  von  Deinokrates  selbst,  noch  von  Philonides  befehligt  wurde.  Die 
Schlacht,  zu  der  es  bald  kam,  war  anfangs  schwankend ;  dann  entschied  sie 


232    Sechstes  Dach.  li.  Die  Akragsniiner  gegen  AgiUiokles.  Neuer  Eifthll  der  Karthager. 

sidi  durch  den  FaU  des  Hiilonides  lu  Gunsten  des  agathokleiscbeo  Heeres. 
Oalaria  wurde  wieder  erobert,  und  die  Bache  an  den  Feinden  des  Agatbokles 
daselbst  liess  nicht  auf  sich  warleo. 

Nun  hatte  Agalhokles  gezeigt,  dass  er  seinen  griechischen  Feinden  aaf 
der  Insel  überlegen  war.  Ke  freien  StSdle  hatten  sich  vor  ihm  demUtbigen 
müssen  und  waren  tbeilweise  nnlerworfen  worden;  die  syrakusanischen  Ver- 
bannten ,  die  auf  eigene  Hand  Regen  ihn  Krieg  zu  fuhren  versuchten ,  hatte  er 
Überwunden;  es  blieb  nur  ein  Feind  lu  besiegen,  der  mScbtigste,  der  ewige 
Feind,  die  Karthager.  Denn  diese,  anfangs  Agathokles  nicht  unbedingt  feind- 
selig gestimmt,  waren  immer  mehr  seine  Gegner  geworden.  Sie  wollten  aus 
der  Hegemonie  von  Syrakus  nicht  eine  Despotie  des  Agathokles  werden  lassäi. 
sie  hatten  den  Tyrannen  lu  verhindern  gesucht,  Hessana  tu  erobern;  sie 
hatten  es  wirklich  durchgeselit ,  dass  er  Akragas  nicht  nehmen  konnte,  und 
sie  wurden  Überdies  durch  die  syrakusanischen  Flüchtlinge  fortwährend  an- 
getrieben, gegen  ihn  aufzutreten.  Wir  sahen  oben,  dass  Agathokles  mit  Ha- 
milkar  in  einem  ebenso  sehr  gegen  Karihsgo's  Freiheit  wie  gegen  Sicilien's 
Unabhängigkeit  geridileteta  Einversiandniss  war.  Die  Klagen  der  Anhänger 
Karthago's  auf  Sicilien  Über  Hamilkar  hatten  schon  einen  Umsdiwung  in  d«i 
Verhältnissen  zu  Agathokles  im  karUiagischen  Senate  hervorgebracfal ,  als 
Hamilkar  starb,  während  nodi  sein  Process  schwebte.  So  trat  Karthago 
wieder  entschieden  gegen  Agsthokles  auf.  Um  die  Zeit,  wo  die  Partei  des 
Deinokrates  den  vergeblichen  Versuch  auf  Kentoripa  machte,  fahr  mae  aus 
60  Fahrzeiten  bestehende  karthagische  Flotte  in  den  grossen  Hafen  von  Sy- 
rakus, richtete  aber  nichts  aus.  Die  Karthager  bemllditigten  sich  nur  zweier 
Handelsschiffe  und  begingen  die  zwecklose  Grausamkeit,  dass  sie  der  gefan- 
genen Besatzung  des  einen  die  Htinde  abbieben.  Freilich  rächte  sich  bald 
darauf  Agatb(Ales  an  der  Besatzung  einiger  an  dw  bmttiscfaen  Kttste  genom- 
mener karthagischer  Schiffe  durch  dieselbe  Grausamkeit.  Die  immer  ne^ 
gereizten  Karthager  gingen  nun  einen  Schritt  weiter  und  besetetrai  den  im 
Gebiete  von  Gela  am  rechten  Ufer  des  Himera  nahe  der  HUndung  desselben  ge- 
legenen Berg  Eknomos,  jetzt  H^  Cufino  oberiialb  Licata.  Gleich  nach  dem  Siege 
bei  Galaria  zog  Agathokles  dahin  und  versuchte,  die  Karthager  lu  einer  Schlacht 
zu  bewegen ,  aber  es  gelang  ihm  nicht,  und  er  kehrte  nach  Syrakos  zurück. 

Die  Karthager  hatten  sich  noch  nicht  für  stark  genug  gehalt^i ,  em  dem 
Agathokles  die  Spitze  bieten  zu  ktuinen.  Im  Jahre  311  v.  Chr.  [Ol.  117,  % 
er^nzten  sie  ihre  Macht  auf  Sicilien  durch  einm  grossen  Heereszog.  Hamil- 
kar ,  Gisgon's  Sohn ,  wurde  an  die  S[Htze  gestellt ;  er  ertiielt  1 30  Trieren,  ein 
Heer  von  10,000  Soldaten  aus  Afrika  ausser  2000  karüiagisohen  Borgen). 
-1000  tyrrhenische  Stfldner,  200  Gespanne  und  1000  balearische  StAleuderer. 
Eine  grosse  Menge  von  Transportschiffen  begleitete,  mit  Kom  und  andern 
VorrSthen  beladen,  das  Heer.  Die  Fahrt  war  höchst  unglücklich.  Ein  Sturm 
vernichtete  60  Trieren  und  200  mit  Vorrflthen  belsdene  Sdiiffe.  Der  Rest 
rettete  sich  mit  Muhe  nach  ^cilien.  Eine  grosse  Anzahl  der  besten  Krieger 
war  im  Meere  umgekommen  und  unter  ihnen  maocbe  angesehene  karthagisdie 
Bürger,  fUrdie,  nach  altem  Herkommen,  öffentlidie  Trauer  slattfend,  indem 
man  die  Mauern  der  Sladt  mit  schwarzem  Z«ige  behüngt«.  Auf  Sicilien  bildete 


Krieg  mit  Karthago.  Schificht  am  EkBomos.  233 

Hamilkar  aus  den  ihm  zu  Gebote  stehenden  Trappen^  denen,  welche  schon > 
auf  der  Insel  gewesen  waren ,  den  aus  dem  Sturme  geretteten ,   Söldnern, 
weiche  er  anwarb  und  sieiiischen  Bundesgenossen  ein  Heer,  welches  ungefähr 
40,000  Mann  zu  Fuss  und  5000  Reiter  zählte. 

Der  Berg  Eknomos  blieb  auch  jetzt  noch  der  Mittelpunkt  der  karthagi- 
schen Aufstellung,  weshalb  Agathokles  es  für  angemessen  hielt,  sich  der  Stadt 
Gela  zu  versichern,  um  so  das  Ungewitter  von  Syrakus  möglichst  fem  zu 
halten.  Zur  See  waren  die  Karthager  ohnedies  Herren  geworden ;  sie  hatten 
in  der  Meerenge  von  Messana  SO  syrakusanische  Schiffe  mit  der  gesammten 
Besatzung  genommen.  Aber  er  wagte  es  nicht,  Gela 'offen  anzugreifen,  weil 
er  fürchtete,  dass  dann  diese  Stadt,  welche  ihre  Unabhängigkeit  behaupten 
wollte,  sich  den  Karthagern  überliefern  möchte.  Er  wusste  es  zu  bewirken, 
dass  Soldaten  seines  Heeres  in  kleinen  Abtheilungen  unter  verschiedenen  Yor- 
wänden  in  die  Stadt  gelassen  wurden ;  endlich  kam  er  selbst,  und  als  er  sich 
überzeugt  hatte,  dass  er  nunmehr  den  Bürgern  überlegen  war,  beschuldigte 
er  die  Geloer  der  Verrätherei ,  an  die  sie  schwerlich  bei  der  Anwesenheit  des 
gefttrchteten  Agathokles  dachten,  und  Hess  seine  Soldaten  ein  schreckliches 
Blutbad  unter  ihnen  anrichten.  Mehr  als  4000  wurden  umgebracht  und  ihr 
Yermögen  eingezogen.  Damit  nicht  zufrieden,  gebot  er  den  übrigen,  alles  ge- 
münzte und  ungemünzte  Gold  und  Silber  ihm  auszuliefern,  und  die  Furcht 
vor  dem  Tyrannen  bewirkte,  dass  der  Befehl  Gehorsam  fand.  Er  Hess  die 
Leichen  der  Ermordeten  in  die  die  Stadt  umgebenden  Gräben  werfen,  und 
rückte  dann ,  mit  Zurücklassung  einer  ausreichenden  Besatzung ,  dem  Feinde 
entgegen. 

Wir  wissen ,  dass  die  Karthager  auf  dem  Eknomos  lagerten ;  Agathokles 
bezog  eine  durch  das  Kastell  Phalarion,  welches  östlich  vom  Himera  dem  Ekno- 
mos auf  dem  M^  Gallodoro  gegenüberlag,  geschützte  Stellung.  Ein  altes  Orakel 
safte,  dass  an  diesem  Orte  viele  Menschen  im  Kampfe  fallen  würden.  Ein»f;e- 
räume  Zeit  zögerten  beide  Heere,  zum  Angriff  zu  schreiten ;  endlich  führte,  wie 
es  so  oft  geschieht,  die  Noihwendigkeit,  die  beiden  Lager  mit  Vorräthen  aus  dem 
flachen  Lande  zu  versehen,  die  Entscheidung  herbei.-  Libyer  zogen  plündernd 
in  der  Gegend  umher ;  Agathokles  liess  durch  seine  Leute  sogar  ganz  nahe  dem 
karthagischen  Lager  untergebrachtes  Zugvieh  rauben.  In  der  Voraussetzung, 
dass  die  Karthager  den  Griechen  die  Beute  würden  abjagen  wollen,  legte  er  am 
Flusse  eine  ausgewählte  Schaar  seiner  Soldaten  in  Hinlerhalt.  Es  geschah, 
wie  er  erwartet  hatte,  und  als  die  Karthager  sich  auf  der  Verfolgung  dem 
Hinterhalte  näherten,  wurden  sie  überfallen  und  thdls  niedergemacht,  theils 
in  ihr  Lager  zurückgejagt.  Diesen  Augrablick  hielt  Agathokles  für  geeignet, 
die  wirkliche  Schlacht  zu  beginnen.  Er  führte  sein  ganzes  Heer  gegen  das 
karthagische  Lager,  in  welchem  man  auf  den  Kampf  nicht  vorbereitet  war. 
Schnell  wurde  ein  Theil  des  Grabens  ausgefüllt,  Pfähle,  welche  die  Verschan- 
zong  bildeten,  herausgezogen,  und  das  griechische  Heer  versuchte  in  das  Lager 
zu  dringen.  Es  entstand  ein  heftiger  Kampf;  die  Karthager  stürzten  von  allen 
Seiten  herbei ,  um  die  Griechen  aus  der  schon  eroberten  Stellung  wieder  zu 
verdrängen.  Das  Heer  des  «Agathokles  aber  kämpfte  mit  um  so  grösserer 
Tapferkeit,  da  es  schon  durch  den  bisherigen  Erfolg  angefeuert  wurde.    Als 


es  Buch.  U.  Die  Akraganüner  gegen  AgathoUes.  Kener  Eiorall  der  Eirth*ger. 

emerkte,  dass  im  Handgemenge  die  Karthager  unterliegen  würden, 
le  balearischeo  Schlenderer  anrOcken.  Diese  trieben  mit  ihren  eine 
Gramm ,  schweren  Steinen  wirklich  die  Griechen  aus  dem  Lag« 
idess  liess  sich  Agalhokles  nicht  abschrecken ;  er  brach  an  andern 
ieder  ein  und  würde  über  die  Karthager  Herr  geworden  sein,  wenn 
wahrend  des  Kampfes  eine  nnerwartele  HUlfe  an  Truppen  gefon- 
,  die  in  demselben  Augenblicke  erst  von  Afrika  eintrafen.  Diese 
Sriedien  vom  Meere  her  in  die  Flanke  und  nOthiglen  sie  xum  Rttdi- 
T  aus  dem  Ruckiuge  wurde  Flncht,  und  auf  dieser  litten  die  Grie- 
iurch  die  zahlreiche  karthagische  Reiterei,  wekhe.  Hie  Grie<4ien 
weit  verfolgte.  Die  Ebene  bedeckte  sich  mit  gefallenen  Griechen, 
(amen  noch  im  Himera  um,  in  den  sie  steh,  von  der  MiUagshitze 
stürzten  und  von  dessen  salzigem  Wasser  nicht  wenige  tranken, 
it  der  Schlacht  war  für  die  Karthager  ein  Veriust  von  500,  fUr  die 
[>n  7000  Mann. 

der  Schlacht  zündete  Agalhokles  sein  Lager  am  Pbaiarion  an  and 
inem  Beere  nach  Gela.  Hier  wurden  durch  einen  Z^üfall  oder  eine 
Idherm  noch  einige  karthagische  Soldaten  unvermuthH  nieder)^ 
■  hatte  nSmIich  das  GerUcht  veri>reiten  lassen,  dass  er  schleunigst 
:us  aufiubrechen  beabsichtige,  und  als  nun  eine.  Abi  heil  uog  von 
lischen  Reitern  bei  ihren  SlretfzUgen  durch  die  Un^ebnng  von  Gela 
aten  des  Agalhokles  traf,  erklärten  diese,  ihr  Feldherr  sei  schon 
US  abgezogen,  vielleicht  um  als  L'eberiaufer  gelten  zu  können.  Die 
itlüD  arglos  nach  Gela,  wo  sie  Ub^allen  und  niedergemacht  nur- 
bokles  verweilte  absichtlich  so  lange  als  möglich  in  Gela.  Diese 
;ut  befestigt  und  konnte  eine  Belagerung  wohl  ertragen ;  wenn  die 
sich  hier  aufhalten  Hessen ,  bo  gewannen  die  Syrakusaner  Zeit,  ihre 
cberheit  in  bringen,  und  Syrakus  war  dann  auf  eine  lai^re  BeU- 
ser gerüstet.  Eine  Zeillang  verfuhr  Jamilkar,  wie  Agatbokles  er- 
«;  bald  aber  merkte  er,  dass  das  Heer  der  Griechen  in  Gela  mit 
wendigen  wohl  versehen  war  und  die  Siadt  noch  lange  ballen 
d  er  zog  es  vor,  das  leichtere  Geschäft  der  Erobening.des  übrigen 
I  betreiben.  Er  behandeil«  die  Bewohner  der  ersten  Orle,  die  er  in 
tt  bekam,  so  gut,  dass  sich  bald  die  Städte  Siciliens  um  die  Wette 
D.  Kamarina,  Leontinj,  Katane  und  Tauromenion  waren  die  ersten, 
!  Tbore  OffneleD.  Nach  wenigen  Tagen  fönten  Hessana,  Abakainon 
ndere  diesem  Beispiele.  So  allgemein  war  der  Hass  gegen  den  Ty- 
!r  es  nun  doch  für  geralhen  hielt,  Gela  zu  verlassen  und  nach 
rOckzukehren,  wo  er  alles  in  guten  Vertheidigungsiusland  setzte. 
He  aber  den  kühnen  Plan  gefasst,  in  SjTakns  eine  kleine  zuver- 
itzung  zurückzulassen  und  selbst  mit  dem  grttssten  Theile  seines 
1  Afrika  zu  geben,  am  die  Karihager  in  ihrem  ebenen  Lande  an- 


235 


Drittes  KapiteL 
Feldzog  des  Agathokles  in  AfHka« 

Das  Unternehmen  wsTr.  im  höchsten  Grade  abenteuerlich.  Im  eigenen 
Lande  geschlagen,  und  im  Begriffe,  in  seiner  Hauptstadt  belagert  zu  werden, 
bricht  ein  Fürst  in  das  feindliche  Land  ein  und  hofft  dort  das  verlorene  Glück 
wiederzufinden.  Dennoch  lag  in  den  Verhältnissen  manches,  was  den  Aga- 
tbokles  nicht  in  dem  Lichte  eines  Wahnsinnigen  erscheinen  lässt.  Keine  Nie- 
derlage auf  Sicilien  konnte  die  Karthager  auf  die  Dauer  von  ihren  Pinnen  auf 
die  Insel  abbringen ;  wenn  Sicilien  Ruhe  vor  ihnen  haben  sollte,  mussten  sie 
in  Afrika  selbst  besiegt  werden.  Ein  Krieg  in  Afrika  Hess  sich  aber  aus  meh- 
reren Gründen  leichter  und  mit  mehr  Aussicht  auf  Erfolg  fuhren,  als  ein  Krieg 
in  Sicilien.  Denn  während  Sicilien  durch  lange  Kriege  schon  erschöpft  war, 
barg  Afrika  in  seinen  Städten  und  auf  seinen  Feldern  noch  Bieichthümer ,  die 
wohl  die  Begierde  eines  Soldaten  reizen  konnten ,  und  es  war  anzunehmen, 
dass  Karthago,  welches  in  Sicilien  ein  grosses  Söldnerheer  unterhielt,  in  Afrika 
mit  seinen  an  den  Krieg  weniger  gewöhnten  Stadtbürgern  nicht  so  gar  viel 
gegen  die  erprobten  Schaaren  des  Agathokles  würde  ausrichten  können. 
Ferner  beherrschten  die  Karthager  freilich  einen  grossen  Theil  von  Nordafrika, 
aber  der  Gehorsam  der  Unterworfenen  war  kein  freiwilliger.  Agathokles  konnte 
aus  der  Geschichte  des  letzten  Jahrhunderts  wissen ,  dass  nach  dem  grossen 
Unglück  der  Karthager  vor  Syrakus  im  Jahre  396  v.  Chr.  die  abhängigen  Völ- 
kerschaften Afrika's  sich  empört  und  Karthago  schwer  bedrängthatten  (s.  oben 
S.  121).  Der  Aufstand  war  an  der  Uneinigkeit  der  Empörer  gescheitert;  wenn 
nun  ein  guter  Feldherr  unter  den  immer  noch  ihrer  Herrscherin  abgeneigten 
karthagischen  Untertbanen  aufti*at,  waren  <lann  nicht  grosse  Erfolge  zu  errin- 
gen ?  Und  man  konnte  um  so  mehr  auf  Erfolge  rechnen,  da  nur  Karthago  be- 
festigt, alle  anderen  Städte  aber  unbefestigt  waren.  Bei  allem  diesem  blieb 
noch  ein  Zweifel  übrig :  Wie  sollte  Agathokles,  wenn  er  auch  in  Feldschlach- 
ten .die  Feinde  besiegte,  die  Stadt  Karthago  erobern?  Eine  so  vollständig 
gerüstete  feste  Stadt,  dass  alle  Belagerungsmaschinen,  über  die  etwa  Aga- 
ihokles  im  Laufe  des  Feldzngs  verfügte ,  nicht  die  geringste  Wirkung  auf  sie 
haben  konnten.  Und  w*enn  er  Karthago  nicht  zu  erobern  vermochte,  was  halte 
er  dann  selbst  nach  einigen  Siegen  anderes  zu  erwarten,  als  Untergang?  Wir 
können,  wenn  wir  bei  Agathokles  eine  verständige  Berechnung  der  Aussichten 
des  Krieges  in  Afrika  voraussetzen,  nur  vermuthen,  dass  er  in  Karthago  ge- 
heime Einverständnisse  hatte,  und  dass  das  Gelingen  der  Empörung  des  Bo- 
milkar  einen  Theil  seiner  Berechnung  ausmachte.  So  war  er  selbst  schon 
früher  mit  Hamilkar,  und  wenn  wir  Justin  glauben  dürfen,  einst  Dionys  mit 
Suniatus  im  Einverständniss  gewesen.  Aber  selbst  unter  dieser  Voraussetzung 
war  das  Unternehmen  ein  durchaus  abenteuerliches ,  im  Vergleich  mit  wei- 
chem der  Zug  Alexanders  mefa  Asien ,  der  dem  Agathokles  als  Muster  vor- 
schweben mochte ,  und  die  Expedition  der  Athener  nach  Sicilien  als  von  der 


236  Sechstos  Buch.  HI.  Feldzug  des  Agathokles  in  Afrika. 

Klugheit  selbst  eingegebene  Unternehmungen  erscheinen.  Der  Hannibalische 
Feldzug  über  die  Alpen  hatte  mehr  Aussichten ,  Rom  zu  vernichten,  als  der 
des  Agathokles^  Karthago.  Agathokles  ist  eben,  wie  wir  vorhin  gezeigt  haben, 
durchaus  Condottiere  und  Abenteurer,  ganz  im  Charakter  seiner  Zeit.  Wir 
finden  unter  den  Diadodien  ühnlicbe  Charaktere.  Demetrios  Poliorketes  hat 
sich  auf  Unternehmungen  eingelassen,  die  ebenso  wenig  Aussichten  darboten. 

Agathokles  traf  seine  Vorbereitungen,  ohne  über  seine  Zwecke  irgend 
Jemandem  etwas  mitzutheilen.  Er  wählte  unter  seinen  Soldaten  die  brauch- 
barsten. An  Reitern  hatte  er  keinen  Mangel,  denn  während  die  Fusssoldaten 
auf  der  Flucht  vom  Himeraflusse  sehr  zusammengeschmolzen  Waren ,  hatten 
die  Reiter  sich  fast  alle  gerettet.  Diese  mussten  Sattel  und  Zagel  mitnehmen, 
um  in  Afrika,  wo  an  Pferden  kein  Uangel  war,  beritten  gemacht  zu  werden. 
Ausser  einer  Anzahl  fremder  Söldner  nahm  er  auch  viele  Syrakusaner  mit 
und  gebrauchte  die  Vorsicht,  diese  aus  möglichst  vielen  Familien  zu  wählen, 
und  Vater  von  Söhnen,  Brttder  von  Brtklern  zu  trennen,  damit  er  an  den  mit 
ihm  Ziehenden  Geiseln  ftlr  die  Treue  der  in  Syrakus  Zurückbleibenden  hätte. 
Der  Zeitpunkt,  den  er  fttr  die  Abfahrt  bestimmt  hatte,  nahte  heran,  und  noch 
fehlte  es  ihm  an  Geld.  Er  verschaflle  es  sich  durch  eine  grausame  List.  Er 
berief  eine  Versammlung,  und  ohne  von  seinen  Absichten  etwas  zu  verratben, 
verbreitete  er  sich  über  die  Entbehrungen,  die  den  Belagerten  bevorständen. 
Er  selbst  sei  an  dergleichen  gewöhnt  und  werde  es  leicht  ertragen;  aber  es  gebe 
gewiss  Manche,  die  nicht  dazu  im  Stande  wären ;  diesen  stünde  es  frei,  mit  Hab 
und  Gut  sich  aus  der  Stadt  zu  entfernen.  Viele  reiche  Bürger,  die  den  Aga- 
thokles hassten,  gingen  in  die  Falle  und  zogen  ab;  aber  der  Tyrann  Hess  sie 
durch  Söldner  unterwegs  überfallen  und  niedermachen,  worauf  er  ihr  Vermö- 
gen an  sich  nahm.  Ausserdem  nahm  er,  ganz  im  Sinne  des  Diooys,  Weihge- 
schenke aus  den  Tempeln  und  Schmucksachen  von  den  Frauen ,  lieh  von  den 
Kaufleulen  und  liess  sich  alle  Mündelgelder  von  den  Vormündern  auszahlen, 
mit  dem  Versprechen,  sie  bei  der  Mündigkeit  der  Kinder  zurückzugeben.  So 
verschafifte  er  sich  Geld,  und  um  die  Zahl  der  Soldaten  zu  vergrössem,  reihte 
er  Sklaven  ein,  die  er  zu  diesem  Zwecke  frei  machte. 

Nachdem  er  seinen  Bruder  Antandros  als  Befehlshaber  in  Syrakus  zu- 
rückgelassen,  füllte  er  mit  seiner  ausgewählten  Mannschaft  60  Schiffe  und 
erwartete  einen  günstigen  Moment  zum  Auslaufen.  Die  Wachsamkeit  der 
karthagischen  Flotte,  welche  den  Hafen  von  Syrakus  belagert  hielt,  nötbigte' 
ihn  einige  Tage  vor  Anker  zu  bleiben,  und  das  Heer  hatte  Zeit  genug,  sich  in 
Vermuthungen  über  den  möglichen  Zweck  der  Fahrt  zu  ergehen,  Vermutbun- 
gen,  von  denen  doch  keine  das  Richtige  traf.  Einige  meinten ,  es  ginge  nach 
Italien,  Andere,  in's  karthagische  Gebiet  auf  Sicilien,  Niemand  aber  glaubte, 
dass  etwas  Gutes  bei  dem  Unternehmen  herauskommen  werde.  Alle  ver- 
wünschten den  Wahnsinn  des  Feidherm'.  Endlich  bot  sich  eine  Gelegenheit, 
abzufahren.  Eine  Flottille  von  Proviantsdiiffen  näherte  ^ch  der  Stadt,  und 
das  ganze  karthagische  Geschwader  veriiess  seine  Stellung,  um  auf  die  will- 
kommene Beute  Jagd  zu  machen.  Nun  lief  Agathokles  ausw  Die  Karthager, 
welche  die  Proviantschiffe  schon  beinahe  erreicht  hatten,  glaubten,  Ag^hoUes 
beabsichtige ,   ihnen  eine  Schlacht  anzubieten ;   sie  gaben  die  Jagd  -auf  und 


Fährt  des  Agathokles  tiach  Afrika.  Seine  Landung.  237 

erwarteten  Agathokles  in  Scfalacbiordnung.  Als  sie  aber  sahen,  dass  er  niach 
Süden  abfuhr,  begannen  sie  die  Verfolgung.  Aber  Agathokles  hatte  einen 
ziemlichen  Vorsprung,  und  die  Nacht  brach  herein,  ohne  dass  es  den  Kartha- 
gern gelungen  wSre,  ihn  zu  erreichen.  Die  Proviantflotte  hatte  überdies  in  den 
Hafen  von  Syrakus  gelangen  können  und  der  Stadt,  in  der  Hangel  auszubre« 
chen  drohte,  eine  willkommene  Zufuhr  gebracht.  Am  folgenden  Tage,  15.  August 
340,  war  die  karthagisebe  Pleite,  welche  titehtr  wussle,  wo  sie  Agathokles 
suchen  sollte,  nicht  sichtbar,  aber  eine  totale  Sonnenfinstemiss  verbreitete  • 
grossen  Schrecken  unter  den  Soldaten.  Noch  4  Tage  und  4  Nllchte  fuhren  sie 
von  den  Karthagern  unbelästigl  weiter;  aber  am  Morgen  des  siebenten  Tages 
der  Fahrt  war  die  feindliche  Flotte  plötzlich  vsieder  in  Sicht,  und  es  begann 
ein  verzweifeltes  Wettrudern,  verzweifelt  besonders  von  Seiten  der  Griechen, 
deren  .einzige  Rettung  in  der  rechtzeitigen  Erreichung  des  Landes  bestand. 
Auch  die  Karthager  strengten  alle  Kräfte  an,  denn  wenn  sie  die  Griechen 
einholten ,  waren  sie  mit  ihrer  Uebertahl  des  Sieges  gewiss ,  und  dieser  Si^ 
sicherte  ihnen  die  Eroberung  von  Syraküs.  Die  Karthager  gewannen  immer 
mehr  Raum  und  waren  mit  ihren  schnellsten  SchiBbn  schon  bei  den  letzten 
Fahrzeugen  der  Griechen;  ^^  da  war  die  libysche  Küste  erreicht  und  die 
Griechen,  an  der  Rettung  nun  nicht  mehr  verzweifelnd,  warfen  sich  keck 
gegen  die  Karthager  und  nSthigten  sie,  sich  aus  Schussweite  zurückzuziehen. 
So  konnte  das  Heer  des  Agathokles  ungesttirt  landen ,  schnell  eine  Verschan-^ 
zung  aufwerfen  und  die  Fahrzeuge  an's  Land  ziehen.  Es  war  ein  Ort  süd-^ 
westlich  vom  Vorgebirge  des  Merkur,  —  Gap  Bon  —  der  nach  ungeheuren 
Steinbrüchen,  welche  noch  heutzutage  sichtbar  sind,  bei  den  Griechen  den 
Namen  Latomiai  fbhrte. 

Das  im  Heere  herrschende  Gefühl,  dass  man  nun  doch  (Ür's  erste  aus  der 
schlimmsten  Gefahr  gerettet  sei ,  ein  Gefühl ,  das  für  den  Augenblick  noch 
keinen  Gedanken  an  die  Zukunft  gestattete,  benutzte  Agathokles,  um  eine 
ebenso  geschickte  wie  kühne. Massregel  in's  Werk  zu  setzen.  Er  sah  ein,  dass 
die  Flotte  ihm  nunmehr  nur  ein  Hindemiss  sein  würde,  und  beschloss,  sie  zu 
verbrennen.  Ein  Hinderniss  war  sie  besonders  deswegen ,  weil  sie  den  Sol- 
daten den  Gedanken  nahe  legte,  dass  im  Falle  eines  Hisslingens  Flucht  und 
Rückkehr  nach  Sicilien  möglich  sei;  und  von  diesem  Gedanken  zum  lieber- 
druss  an  dem  ganzen  Unternehmen  war  nur  ein  Schritt.*  Agathokles  wollte, 
dass  Alle  ihre  einzige  Zuversicht  auf  den  Sieg  setzen  und  keine  andere  Ret^ . 
tnng  als  in  der  heldenmüthtgsten  Tapferkeit  suchen  sollten.  Dazu  kam  noch 
ein  zweites.  Wenn  er  nicht  stets  an  der  Küste  entlang  zog  und  so  mit  dem 
ganzen  Heere  zugleich  die  Flotte  deckte,  —  was  weder  in  seinem  Plane  lag, 
noch  überhaupt  rathsam  war  —  musste  er  das  ohnedies  nicht  grosse  Heer 
theilen  oder  die  Flotte  den  Karthagern  zur  Beute  werden  lassen.  Agathokles 
wusste  aber  die  Verbrennung  der  Flotte  in  einem  ganz  anderen  Lichte  erschei- 
nen zu  lassen.  Er  berief  die  Soldaten  zu  einer  Versammlung,  und  trat  be-^ 
kränzt  und  in  festlichem  Gewände  unter  sie.  Er  theilte  ihnen  mit,  dass  er  auf 
der  Fahrt,  als  er  habe  befürchten  müssen,  dass  sie  von  den  Karthagern  einge- 
holt werden  würden ,  das  Gelübde  gethan  habe ,  wenn  sie  ihnen  entgingen, 
die  ganze  Flotte  der  Demeter  und  Köre  als  Brandfackel  anzuzünden.     Dies 


23S  Sechstes  Buch.  III.  Feldzug  des  Agathokles  in  Afrika. 

4 

Gelübde  müsse  er  jetzt  erfüllen.  Ueberdies  stehe  alles  günstig ,  und  die  Göt- 
tinnen würden  ihnen  sicher  'zum  Siege  verhelfen.  In  demselben  Augenblick 
brachte  ein  Diener  ihm  eine  angezündete  Fackel.  Er  nahm  sie  und  gebot,  den 
Trierarchen  eben  solche  in  die  Hand  zu  geben.  Jeder  von  ihnen  stieg  damit 
auf  das  Hintertheil  seines  Schiffes,  Agathokles  auf  das  des  Admiralschiffes, 
und  alle  zündeten  auf  seinen  Befehl  ihre  Schiffe  an.  Wie  die  Flammen  in  die 
Lüfte  schlugen ,  bliesen  die  Trompeten  wie  zum  Angriff,  und  alle  Soldaten 
beteten  um  glückliche  Rückkehr.  Die  Geschicklichkeit,  mit  welcher  Agathokles 
der  Verbrennung  der  Flotte  einen  religiösen  Grund  unterzuschieben  .wusste, 
bewirkte  anfangs  bei  den  Soldaten  eine  vollständige  Beruhigung  über  das  Ge- 
schehene. Bald  aber  kehrte  das  Gefühl  ihrer  Verlassenheit  auf  fremdem  Boden 
mit  um  so  grösserer  Kraft  zurück.  Agathokles  ergriff  das  beste  Mittel  dagegen : 
er  führte  sie  zu  Eroberungen. 

Sein  erstes  Ziel  war  Megalopolis.  Der  Weg  dahin  führte  durch  ein  garten- 
ahnliches,  sorgfaltig  behautes  Land,  das  von  Kanälen  durchschnitten  war,  die 
seine  Fruchtbarkeit  erhöhten.  Hier  und  da  zeigten  sich  Gehöfte  und  Land- 
hfluser, deren  weisse  Mauern  einen  anmuthigen  Gegensatz  zu  dem  umgebenden 
Grün  bildeten,  und  die  auPs  reichlichste  mit  allen  Bequemlichkeiten  des  Le- 
bens ausgestattet  waren.  Das  Land  war  thcils  mit  Weinstöcken  und  Oelbäumen 
bepflanzt,  die,  wie  wir  wissen,  hundert  Jahre  vorher  die  Gegend  von  Karthago 
noch  wenig  trug  (s.  ob.  S.  87) ,  theils  zu  Weideplätzen  für  Rinder-,  Schaf-  und 
Rossheerden  benutzt.  Alles  zeigte,  dass  die  reichen  karthagischen  Büi^er  ihre 
Landsitze  zum  angenehmsten  Lebenfigenusse  einzurichten  gewusst  hatten.  So 
erwachte  der  schon  sinkende  Muth  der  Soldaten  wieder,  die  nun  doch  schon 
eine  wünschenswerthe  und  unschwer  zu  gewinnende  Beute  vor  sich  sahen. 
Megalopolis  wurde  schnell  erobert.  Die  karthagische  Politik  führte  solche 
Folgen  mit  Nothwendigkeit  herbei.  Der  herrschende  Staat  hatte  in  Afrika 
keinen  mächtigen  Feind  zu  fürchten ;  gefährlich  konnten  nur  die  Unterthanen 
selbst  werden.  Deshalb  musste  die  Stadt  Karthago  allein  stark  sein,  die  un- 
terworfenen Städte  durften  kaum  Befestigungen  und  Waffen  haben.  Natürlich 
fielen  sie  um  so  leichter  in  die  Hände  eines  wirklich  bedeutenden  Feindes. 
Agathokles  Hess  Megalopolis  von  seinen  Soldaten  plündern  und  zog  dann  nach 
Weiss-Tunes ,  das  ebenfalls  genommen  wurde.  Er  ging  aber  nicht  auf  den 
Wunsch  der  Soldaten  ein ,  die  eroberten  Städte  zu  besetzen  und  gegen  die 
Karthager  zu  vertbeidigen.  Er  wollte  alles  fern  halten ,  was  bei  ihnen  Er- 
schlaffung zur  Folge  haben  konnte,  zerstörte  deshalb  die  geringfügigen  vor- 
handenen Befestigungen  und  bezog  mit  seinem  Heere  ein  Lager  auf  freiem 
Felde. 

Die  karthagische  Flotte,  welche  die  Landung  des  Agathokles  nicht  hatte 
verhindern  können,  war  anfangs  beim  Anblid^  des  Brandes  der  Schiffe  von 
Freude  erfüllt  gewesen ;  als  die  Mannschaft  aber  sab ,  dass  die  Griechen  von 
der  Küste  hinweg  in's Innere  zogen,  begdTOen  sie  den  wahren  Sinn  der  Tbat 
des  Agathokles  zu  ahnen  und  geriethen  in  die  äusserste  Bestürzung.  Sie 
hingen  nach  karthagischem  Gebrauche  als  Zeichen  der  Trauer  schwarze 
Decken  über  die  Vordeitheile  der  Schiffe.  Aber  sie  waren  doch  klug  genug, 
um  am  Lande  die  ehernen  Schnäbel  der  griechischen  Schiffe  zu  sammeln  und 


Agaihokles  erobert  Megalopolis  und  Weiss-Tunes.   Rüstungen  Karthago's.         239 

zu  möglichem  Gebrauche  in  ihren  Trieren  mitzunehmen»  so  wie  sie  auch  nicht 
versäumten,  sogleich  ein  Schiff  mit  der  Nachricht  des  Vorgefallenen  nach 
Karthago  zu  schicken. 

ilier  hatte  man  inzwischen  schon  auf  anderem  Wege  die  Landung  der 
Griechen  in  Afrika  erfahren ,  und  das  Unvermuthete  hatte  den  grössten 
Schrecken  erregt.  Man  konnte  nicht  anders  denken ,  als  dass  das  eigene  Heer 
in  Sicilien  vernichtet  sei,  und  dass  Ägathokles  nun  in  Folge  seines  Sieges  das 
ausfuhren  wolle ,  was  die  Karthager  schon  immer  nach  einer  grossen  Nieder- 
lage auf  der  Insel  gefürchtet  hatten,  einen  Angriff  auf  Karthago  selbst.  Dass 
ein  geschlagener  Feind  die  siegreiche  Stadt  angreifen,  dass  Ägathokles  der 
Wachsamkeit  der  meerbeherrschenden  Flotte  entgehen  und  nach  Afrika  ge- 
langen könne,,  das  kam  ihnen  nicht  in  den  Sinn.  Guter  Rath  war  theuer,  denn 
kein  fertig  ausgerüstetes  Heer  stand  zum  AusrUcken  bereit,  und  die  Sladtbttr- 
ger  waren  nicht  kriegsgeUbt  genug,  um  schnell  eine  brauchbare  Armee  bilden 
zu  können.  Einige  meinten,  es  seien  Gesandte  zum  Ägathokles  zu  schicken, 
damit  man  erfahre,  wie  es  eigentlich  mit  den  Feinden  stehe;  Andere  riethen,  . 
ruhig  abzuwarten,  wa^  er  zunächst  gegen  sie  unternehmen  würde.  Die 
Stimmung  der  Karthager  hob  sich  aber,  sobald  man  von  der  Flotte  die  Nach- 
richt von  dem  wahren  Zusammenhange  der  vorgefallenen  Begebenheiten  er- 
hielt. Der  erste  Beschluss  der  Gerusie  war,  den  Flottenführern  einen  strengen 
Verweis  wegen  ihrer  geringen  Wachsamkeit  zu  ertheilen,  der  zweite,  die 
Ernennung  zweier  angesehener  Männer,  des  Hanno  und  des  Bomilkar,  zu 
Feldherren  gegen  Ägathokles.  Die  Wahl  entsprach  der  hergebrachten  Vorsicht, 
die  dieses  Mal  jedoch  nichts  half.  Hanno  und  Bomilkar  ^aren  aus  zwei  feind- 
lichen Familien,  und  die  Karthager  sahen  hierin  eine  Garantie  ihrer  Sicherheit 
vor  Usurpationen  von  Seiten  der  Feldherren,  die  in  einer  so  kritischen  Lage 
mit  aussergewöhnlicher  Macht  ausgerüstet  werden  mussten.  Bomilkar  aber 
sann  auf  Verrath.  Er  war  einer  der  Männer,  welche  nicht  für  den  Dienst  einer 
so  argwöhnischen  Regierung,  wie  die  karthagische  war,  passten.  Er  konnte 
sich  nicht  darin  finden,  wie  es  in  Karthago  herkömmlich  war,  nach  vollendeter 
Amtsführung  auf  verläumderische  Anklagen  antworten  zu  müssen ,  und  w  ar 
doch  wieder  zu  ehrgeizig,  um  als  Privatmann  zu  leben.  Dazu  kam,  dass  er 
Neffe  des  Hamilkar,  jenes  Freundes  des  Ägathokles,  war.  Es  ist  mehr  als  bloss 
wahrscheinlich,  dass  er  in  geheimem  Einverständniss  mit  Ägathokles  schon 
vor  dem  Beginne  des  Zuges  nach  Afrika  stand,  und  dass  dies  Einverständniss 
dem  Ägathokles  Muth  zu  seiner  Unternehmung  gemacht  hatte. 

Karthago  brachte  ein  Heer  zusammen ,  welches  die  in  der  Stadt  verbrei- 
tete Furcht  nur  wenig  rechtfertigte.  Man  hielt  es  für  passend,  den  Zuzug  vom 
Lande  und  den  verbündeten  Städten  nicht  abzuwarten,  sondern  mit  der 
Mannschaft,  welche  die  Hauptstadt  allein  stellen . konnte ,  Ägathokles  anzu- 
greifen ,  und  man  brachte  dessenungeachtet  ein  Heer  von  nicht  weniger  als 
40,000  Fusssoldaten  und  4  000  Reitern,  dazu  2000  Streitwagen,  zusammen. 
Das  karthagische  Heer  wurde  auf  einer  Anhöhe,  nicht  weit  von  den  Griechen, 
in  Schlachtordnung  gestellt.  Den  rechten  Flügel,  zu  welchem  auch  die  heilige 
Schaar  der  Karthager  gehörte,  befehligte  Hanno,  den  linken  Bomilkar.  Dieser 
Theil  des  Heeres  war  des  Terrains  wegen,   welches  keine  breite  Entfaltung 


240  Sechstes  Buch.   III.  Feldzog  des  Agathokles  in  Afrika. 

gestattete,  in  grosserer  Tiefe  aafgestellt.  Reiterei  und  Wagen  standen  vor  den 
Haufen  der  Fusssoldaten.  Agathokles  konnte  an  Zahl  der  Soldaten  nicht  mit 
den  Feinden  wetteifern.  Er  hatte  3500  Syrakusaner,  3000  hellenische,  3000 
samnitische,  tyrrhenische  und  keltische  Söldner,  ausserdem  noch  3500  Krie- 
ger, von  deren  Herkunft  nichts  gesagt  wird,  und  500  Bogenschützen  Und 
Schleuderer.  Seinem  Sohne  Archagathos  vertraute  er  die  Führung  des  rechten 
Flügels;  er  selbst  stellte  sich  auf  dem  linken  mit  4000  auserwdhlten  Hopiiten 
der  heiligen  Schaar  Hanno's  gegenüber.  Nicht  alle  Soldaten  des  griechischen 
Heeres  waren  gut  bewafibet;  dieSchifiismannschaft  hatte  nicht  einmal  Schilde, 
und  Agathokles  Hess  sie  die  Ueberzüge  der  Schilde  der  Hopiiten  nehmen  und 
mit  Stäben  so  ausspannen  ,  dass  sie  aus  der  Feme  das  Ansehen  von  Schilden 
hatten  und  diese  zum  Kampfe  nicht  brauchbaren  Soldaten  wenigstens  als 
eine  Achtung  einflössende  Reserve  aufigestellt  werden  konnten.  Dass  bei  der 
grossen  Ueberzahl  der  Feinde  und  bei  der  Nothwendigkeit  zu  solchem  Blend- 
werk Zuflucht  zu  nehmen,  keine  besondere  Zuversicht  unter  den  Soldaten  des 
Agathokles  herrschen  konnte,  ist  natürlich ;  eigenthümlich  ist  aber  der  Kunst- 
grifl^,  durch  welchen  er  ihre  Stimmung  zu  heben  wusste.  Er  hatte  sich  eine 
Anzahl  Eulen  verschafft,  welche  er  unter  die  Soldaten  fliegen  Hess,  und  als 
nun  diese  heiligen  Vögel  der  Athene  sich  auf  die  Schilde  und  Helme  der  Sol- 
daten setzten,  wurden  diese  von  neuer  Zuversicht  erfüllt. 

Das  griechische  Heer  hielt  den  Angriff  der  Wagen  und  Reiter  der  Feinde 
gut  aus.    Die  Wagen  wurden  theils  dadurch  unschädlich  gemacht,  dass  ihre 
Lenker  niedergeschossen  wurden,  theils  dadurch,  dass  man  sie  zur  Seite  her- 
austrieb, die  meisten  wurden  auf  das  karthagische  Heer  zurückgejagt.  Ebenso 
ging  es  der  Reiterei.  Nun  griff  das  Fussvolk  an.   Hanno  kämpfte  an  der  Spitze 
der  heiligen  Schaar  mit  der  grössten  Tapferkeit,  aber  er  fiel.    Da  ermatteten 
die  Karthager,  und  Agathokles  gewann  mit  den  Seinigen  das  Cebergewicht. 
Diesen  Augenblick  hielt  der  Yerräther  Bomilkar  für  geeignet  zur  Ausführung 
seines  Planes.    Er  beschloss ,  die  noch  nicht  verlorene  Schlacht  zu  einer  voll- 
ständigen Niederlage  zu  machen.     Er  befahl  seiner  Abtheilung  den  Rückzug 
auf  den  Hügel ,  von  dem  sie  ischon  vorwärts  gerückt  war ;  der  Tod  Hanno's 
diente  ihm  als  Yorwand.   Natürlich  di^ngte  das  griechische  Heer  nach,  und  so 
wurde  aus  dem  geordneten  Rückzuge  bald  eine  wilde  Flucht,  die  zuerst  von 
den  hintern  Reihen  der  Karthager  ausging,  welche  umkehren  sollten  und  als 
Grund  davon  nur  eine  Niederlage  der  Ihrigen  annehmen  konnten.    Der  rechte 
karthagische  Flügel  und  besonders  die  heilige  Schaar  konnten  trotz  aller  Ta- 
pferkeit nun  auch  auf  die  Dauer  nicht  Widerstand  leisten  und  wichen.    Die 
Flucht  ging  nach  Karthago  zu.    Das  Lager  fiel  dem  Agathokles  in  die  Hände. 
Hier  machten  die  Griechen  eine   eigenthümtiche   Beute:    mehr  als  20,000 
Paar  Handschellen ;    so  fest  hatten  die  Karthager  auf  die  vollständige  Nie- 
derlage der  Griechen  gerechnet.    Von  den  Griechen  waren  in  dieser  Schlacht 
nur  etwa  SOO,   von  den  Karthagern  nach  einem  Berichte  1000,    nach  an- 
deren 6000  gefallen.    Nicht  die  Anzahl  der' Gefallenen ,  sondern  das  Gefühl 
des  Besiegtseins  im  eigenen  Lande ,  fast  vor  den  Hauern  der  eigenen  Stadt, 
war  es,  was  den  Karthagern  diese  Niederlage  so   furchtbar  machte.     Ihr 
erster  Gedanke  war ,  dass  sie  durch  ihre  Gottlosigkeit  sie  verschuldet  haben 


Fortdauernde  Belagerung  von  Syrakus.  241 

müssten,  und  sie  wandten  deshalb  alle  Mittel  an,  die  beleidigten  Götter  zu 
versöhnen. 

Zunächst  gedachten  sie  des  Herakles  in  Tyros,  der  Mutterstadt  Karthago's. 
Diesem  Gotte  hatten  sie  anfangs  nach  phönicischem  Gebrauche  den  Zehn- 
ten von  allen  Staatseinkünften  gesandt;  im  Laufe  der  Zeit  aber,  wie  Kar- 
thago's  Macht  und  Reichthum  sich  mehr  und  mehr  ausbreiteten,  hatten  sie 
es  unterlassen  und  nur  Weniges  jährlich  hingeschickt.  Jetzt  ging  eine  Sen- 
dung der  kostbarsten  Weihgeschenke  nach  Tyros,  das  von  Alexander  dem 
Grossen  wohl  erobert,  aber  nicht  zerstört  war,  und  neben  Herakles  ward  auch 
der  übrigen  tyrischen  Götter  gedacht,  denen  goldene  Modelle  der  karthagischen 
Tempel  gleichsam  zur  Erinnerung  an  Karthago  übersandt  wurden.  Dann 
aber  glaubten  sie  sich  wegen  ihres  Benehmens  gegen  Kronos  Vorwürfe  machen 
zu  müssen,  dem  sie  früher  die  üblichen  Kinderopfer  in  einer  ganz  andern 
Weise  gebracht  hatten.  Angesehene  und  wohlhabende  Eltern  sollten  nach  den 
Vorschriften  der  .phönicischen  Religion  ihre  liebsten  Kinder  dem  Kronos  opfern. 
Dessen  Bildsäule  hielt  die  Arme  mit  offenen  Händen  gesenkt  nach  vorn ,  und 
davor  befand  sich  eine  mit  Feuer  gefüllte  Grube,  in  welche  die  Kinder,  die 
man  auf  die  Arme  des  Gottes  legte,  rollten.  Es  scheint  nun,  dass  ursprünglich 
sogar,  um  das  Opfer  noch  grösser  und  theurer  zu  machen,  einzige  Söhne  an- 
gesehener Eltern  verlangt  wurden.  Diess  muss  aber  bald  abgekommen  sein. 
Denn  wir  hören,  dass  sich  bei  dieser  Gelegenheit  herausstellte,  dass  viele 
Eltern^  um  nicht  ihre  leiblichen  Kinder  opfern  zu  müssen,  fremde  gekauft  und 
erzogen  und,  als  ob  sie  die  ihrigen  wären,  zum  Opfer  bestimmt  hätten,  wozu 
doch,  wenn  nur  einzige  Kinder  geopfert  werden  sollten,  keine  Veranlassung 
war.  Jetzt  wurden  solche  Abweichungen  von  den  alten  Gebräuchen,  die  man 
durch  stillschwTigende  Uebereinkunft  geduldet  hatte,  als  Vergehen  gegen  den 
Gott  angesehen.  Sie  mussten  wieder  gut  gemacht  werden.  Zweihundert  Kin- 
der der  angesehensten  Familien  wurden  ausgewählt  und  dem  Kronos  geopfert; 
und  dreihundert  andere,  vielleicht  schon  erwachsenere,  denen  man  nachsagte, 
dass  sie  auf  betrügerische  Weise  gerettet  worden  seien ,  stellten  sich  freiwillig 
dar,  um  geopfert  zu  werden. 

Während  die  Karthager  so  den  Zorn  der  Götter  abzuwenden  suchten, 
sahen  sie' sich  doch  auch  nach  irdischer  Hülfe  um.  Sie  schickten  zu  Hamilkar 
nach  Sicilien ,  um  ihm  von  der  unglücklichen  Schlacht  Nachricht  zu  geben, 
und  ihn  aufzufordern,  Verstärkungen  nach  Afrika  zu  senden.  Mit  dieser  Bot- 
schaft übersandten  sie  ihm  auch  die  ehernen  Schiffsschnäbel  der  verbrannten 
Flotte ,  welche  als  Beweis  des  Vorgefallenen  und  eine  Art  von  Trophäe  nach 
Karthago  geschickt  waren,  und  Hamilkar  beschloss,  den  Versuch  zu  machen, 
ob  nicht  diese  Beutestücke  zu  einer  Täuschung  benutzt  werden  könnten, 
welche  di6  Einnahme  von  Syrakus  herbeiführte.  Er  befahl  den  karthagischen 
Boten,  auch  vor  seinen  Soldaten  von  dem  Siege  des  Agathokles  zu  schweigen 
und  im  Gegentheii  die  Nachricht  von  seiner  Niederlage  zu  verbreiten ,  damit 
die  beabsichtigte  Täuschung  nicht  durch  einen  zufälligen  Verkehr  mit  den  Be- 
lagernden von  den  Syrakusanem  entdeckt  werde,  und  liess  dann  durch  einige 
der  soeben  angekommenen  Karthager  unter  Vorzeigung  der  Schiffsschnäbel 

Holm,  Qescb.  Sieiliens.  II.  '   '  16 


-'  *v-':r^ 


242 


Sechstes  Buch.   lU.^Feldzug  des  Agathokles  in  Afrika. 


und  mit  der  Behauptung,  dass  Agathokles  mit  Flotte  und  Heer  zu  Grunde  ge- 
gangen sei,  die  Stadt  zur  Uebergabe  auffordern. 

Hier  erregte  die  Nachricht,  an  der  man  kaum  zu  zweifeln  wagte,  grosse 
Trauer  unter  den  Verwandten  der  bei  Agathokles  weilenden  Syrakusaner, 
Freude  bei  den  Verwandten  der  Flüchtlinge.  Die  erste  Massregel  des  Antan- 
dros'und  seines  Rathgebers,  des  Aetolers  Erymnon,  bestand  daher  darin,  dass 
sie,  um  jeden,  jetzt  besonders  unzeitigen  Aufruhr  in  der  Stadt  im  Keime  zu 
ersticken ,  in  einer  ihres  Fürsten  ganz  würdigen  Weise  die  Verwandten  der 
Flüchtlinge  und  alle ,  die  sie  im  Verdacht  hatten ,  zu  den  Unzufriedenen  zu 
gehören,  auf  der  Stelle  aus  der  Stadt  verwiesen,  ehe  sie  noch  auf  die  Auffor- 
derung der  Karthager  eine  Antwort  gaben.  Es  ist  vorgekommen  (Dionys ;  auch 
im  christlichen  Mittelalter),  dass  feindliche  Feldherren  die  aus  irgend  einem 
Grunde  aus  einer  belagerten  Stadt  gewiesenen  Schaaren  zwischen  Mauer  und 
Lager  haben  verhungern  lassen ;  Hamilkar  nahm  die  Unglücklichen  freundlich 
auf  und  schloss  die  Stadt  näher  ein,  da  er  ihre  Uebergabe  erwartete. 

Wirklich  war  Antandros  der  Ansicht,  man  müsse  auf  die  Anerbietungen 
der  Karthager,  welche  die  Familie  und  die  Freunde  des  Agathokles  zu  schonen 
versprachen,  eingehen,  aber  Erymnon  bekämpfte,  aus  allen  Kräften  den  feigen 
Rath  und  setzte  es  durch,  dass  sichrere  Nachrichten  abzuwarten  beschlossen 
wurde.  Während  nun  Hamilkar  die  Belagerung  kräftiger  betrieb ,  wurde  die 
Ausdauer  der  Freunde  des  Agathokles  endlich  durch  authentische  Nachrichten 
von  seinen  Erfolgen  belohnt.  Er  hatte  sich  nach  seinem  Siege  zwei  Dreissig- 
rüderer  bauen  lassen  und  schickte  einen  derselben  mit  einem  ihm  ergebenen 
Manne,  Namens  Nearchos ,  nach  Syrakus,  um  seinen  Sieg  zu  melden.  Nach 
fünftägiger  Fahrt  kam  das  Schiff  in  der  Nacht  bei  der  Stadt  an  und  erwartete 
den  Morgen,  um  mit  der  festlich  geschmückten  und  Jubelgesänge  anstim- 
menden Mannschaft  in  den  Hafen  einzulaufen.  Bald  aber  wäre  es  [noch  von 
den  karthagischen  Wachtschiffen  erreicht  und  genommen  worden.  Städter 
und  Belagerer  schauten  gespannt  der  Wettfahrt  zu.  Indess  gelang  es  dem 
griechischen  Fahrzeuge  noch  zur  rechten  Zeit  in  dieSchussweite  der  Syraka- 
saner  zu  kommen.  Die  ungemeine  Spannung,  mit  welcher  fast  ganz  Syrakus, 
auf  den  Hafenmauern  zusammengedrängt,  der  endlichen  Ankunft  des  Schiffes 
entgegensah ,  gab  Hamilkar  den  Gedanken  ein ,  in  demselben  Augenblicke  an 
einer  vom  Hafen  entfernten  Seite  der  Stadt  einen  Ueberfall  zu  versuchen. 
Wirklich  waren  da,  wo  er  einige  der  tüchtigsten  seines  Heeres  die  Leitern  an- 
legen liess ,  die  Wachen  nicht  auf  ihrem  Platze ,  und  die  Stürmenden  waren 
schon  im  Begriff,  sich  eines  Mauerthurms  zu  bemächtigen,  als  die  Runde  noch 
zur  rechten  Zeit  herbeikam  und  Lärm  machte.  Man  warf  die  Heraufgekomme- 
nen wieder  zurück.  Nun  lockerte  Hamilkar  die  Belagerung  ein  wenig  und 
schickte  5000  Mann  nach  Afrika. 

Hier  machte  Agathokles  eine  Zeitlang  die  grössten  Fortschritte ;  Land  und 
Städte  in  der  Gegend  von  Karthago  kamen  in  seine  Gewalt.  Er  liess  einen 
Theil  seiner  Truppen  ein  festes  Lager  bei  Tunes  beziehen  und  zog  .mit  den 
übrigen  zur  Eroberung  entfernterer  Städte  aus.  Zuerst  nahm  er  Neapolis, 
dessen  Einwohner  er  freundlich  behandelte,  und  belagerte  dann  Hadrumetum. 
Er  fand  einen  Bundesgenossen  in  Elymas,  einem  Könige  der  Libyer.  Während 


Fortschritte  des  Agathokles.  Neue  Niederlage  der  Karthager.  243 

seiner  Abwesenheit  von  Tunes  gewannen  die  Karthager  jedoch  dort  das  üeber-^ 
gewicht,  nahmen  das  vor  der  Stadt  aufgeschlagene  griechische  Lager  und 
griffen  sogar  Tunes  an.  Hier  rettete  sich  Agathokles  durch  eine  Kriegsh'st,  die 
ihm  zugleich  den  Besitz  von  Hadrumetum  verschaffte.  Er  zog  nämlich  mit  dem 
Tross  und  einigen  wenigen  Soldaten  nach  einem  zwischen  Tunes  und  Hadru- 
metum gelegenen  hohen  Orte ,  der  von  beiden  Städten  aus  gesehen  werden 
konnte,  und  Hess  dort  gewaltige  Feuer  anzünden.  Nun  meinten  die  Feinde, 
sowohl  vor  Tunes  als  in  Hadrumetum,  es  rücke  den  Griechen  ein  mächtiges 
Hülfsbecr  herbei,  und  jene  flohen  eilig,  mit  Zurücklassung  ihrer  Belagerungs- 
maschinen, nach  Karthago,  während  Hadrumetum  sich  ergab.  Hierauf  eroberte 
er  Thapsos  im  Sturm  und  hatte  endlich  über  200  karthagische  Städte  im 
Besitz,  welche  sämmtlich  unfern  Karthago's  und  des  Meeres  lagen. 

Als  er  nun  in  der  Verfolgung  seines  Sieges  w^eiter  in's  Innere  des  Landes 
rückte ,  machten  die  Karthager  einen  neuen  Versuch ,  den  verlorenen  Boden 
wiederzugewinnen.  Schnell  hatten  sie  eine  Anzahl  von  Ortschaften  unterwor- 
fen ;  aber  während  sie  vor  Tunes  aufgehalten  wurden ,  kam  Agathokles  auf 
die  Nachricht  davon  eiligst  herbei  und  wusste  durch  geschickt  berechnete  Ta- 
gesruhe und  Nachtmärsche  seine  Annäherung  den  Feinden  so  gut  zu  verber- 
gen, dass  er  sie  bei  Tagesanbruch  überraschte  und  schlug.  Diese  Niederlage, 
bei  welcher  2000  Karthager  umkamen  und  viele  gefangen  genommen  wurden, 
war  für  Karthago  um  so  empfindlicher,  da  die  aus  Sicilien  gesandten  Truppen 
dem  Kampfe  bereits  beigewohnt  hatten.  Die  Freundschaft  mit  Elymas  zeigte 
sich  als  von  kurzer  Dauer ,  aber  Agathokles  rächte  sich  für  seinen  Abfall  in 
einem  Kampfe,  in  dem  der  König  und  viele  der  Seinigen  umkamen. 

Im  nächsten  Jahre  (Ol.  417,  4,  309  v.  Chr.)  kam  es  bei  Syrakus  zu 
einem  für  die  Karthager  unglücklich  ausfallenden  Zusammenstoss.  Hamiljkar 
hatte  eingesehen,  dass  die  Syrakusaner,  obscbon  ermuthigt  durch  die  Er- 
folge des  Agathokles  in  Afrika,  dennoch  ebenso  wenig  wie  vorher  ihm  ge- 
wachsen waren ,  und  er  hielt  es  für  möglich ,  die  Stadt  durch  einen  Sturm 
zu  nehmen,  der,  wie  er  glaubte,  um  so  mehr  Aussicht  auf  Erfolg  dar- 
bot, da  er  eine  grosse  Anzahl  syrakusanischer  Flüchtlinge  in  seinem  Heere 
hatte ,  welche  mit  den  Oertlichkeiten  vollkommen  vertraut  waren.  Jedenfalls 
wollte  er  die  Belagerung  wieder  energischer  betreiben,  und  er  hatte  sich  als 
Mittelpunkt  seiner  neuen  Aufstellung  das  Heiligthum  des  olympischen  Zeus  in 
der  Nähe  des  grossen  Hafens  ausersehen,  welches  bereits  in  so  vielen  Kriegen 
der  Stützpunkt  der  Feinde  von  Syrakus  gewesen  war.  Wie  weit  das  Lager 
an  diesem  Punkte  vollendet  wurde,  wissen  wir  nicht;  sicher  Ist,  dass  der 
Angriff  auf  die  Stadt  sehr  bald  geschah.  Wir  hören ,  dass  Hamilkar's  Wahr- 
sager ihm  eines  Tages  verkündigte ,  morgen  sei  ihm  beschieden ,  in  Syrakus 
zu  speisen,  und  dass  er  deshalb  den  Sturm  auf  den  folgenden  Tag  ansetzte. 
Aber  in  Syrakus  erfuhr  man  das  Vorhaben  des  Feindes  und  benutzte  die  Dun- 
kelheit  der  Nacht,  um  mit  3000  Fusssoldaten  und  400  Reitern  den  Euryelos, 
jene  äusserste  Spitze  des  Dreiecks,  welches  die  Stadt  Syrakus,  abgesehen  von 
der  Insel  Ortygia,  einnimmt,  zu  besetzen.  Es  war  derselbe  Punkt,  an  welchem 
schön  die  Athener  den  Sturm  versucht  hatten,  und  der  zwar  in  die  Befesti- 
gung einbegriffen,  doch  wegen  seiner  grossen  Entfernung  von  der  bewohnten 

16* 


Sechstes  Bach.  IIl.  Peldzug  des  Agalhokles  in  Afrike. 

icbwaeh  besetzt  gehalleo  wurde.  Gegen  Ende  der  Nacht  iK^ann 
ch  der  Karthager ,  wohl  auf  demselben  Wege ,  den  die  Athener 
D  halten.  Hamilkar  schritt  selbst  voran,  Deiookrates,  der  syraku- 
cbtling,  bildete  mit  der  Reiterei  die  Nachhut.  Das  Fussvolk  war 
N'alionaliiat  in  zwei  Abiheilungen,  Hellenen  und  Barbaren,  gelheilt, 
ir  aber,  dass  Hamiikar  bei  einem  Unternehmen,  das  die  grttsste 
d  Geschwindigkeit  erforderte,  dem  Tross  gestattet  balle,  milzu- 
durch  seinen  Hangel  an  militärischer  Disciplin  den  Erfolg  des 
zweifelhaft  machen  musste.  Bei  der  Enge  des  Weges  entstand 
Wetteifer  dieser  Leute  mit  den  eigentlichen  Soldaten  Gedränge  und 
1  als  nun  die  syrakusanische  Besatzung  des  Euryelos  sich  auf  den 
n  Haufen  warf,  war  bald  der  Kampf  zu  Gunsten  der  Griechen 
Von  allen  Seiten  wurden  die  Feinde  angegriffen ;  einige  Abthei- 
jriecben  warfen  sich  ihnen  entgegen ,  andere  suchten  ihnen  den 
zuschneiden ;  die  kleine  Zahl  der  Griechen  galt  in  der  Dunkelheit 
es  Heer.  Als  die  Karthager  erst  den  ßückzug  angetreten  hallen, 
a  wie  den  Athenern  an  demselben  Platze ;  im  Gedränge  niederge- 
len  steilen  Abhängen  herabstürzend ,  von  den  eigenen  Kameraden 
igegrifTen,  kam  eine  grosse  Anzahl  Karthager  um.  Hamilkar  selbst, 
griff  vorangewesen  war,  hielt  sich  beim  Rückzüge  hinter  den  Sei- 
fiel in  die  Hände  der  Syrakusaner.  So  erfüllte  sich  die  Weissa- 
ir in  Syrakus  an  diesem  Tage  speisen  werde,  aber  anders,  als  er 
te.  Die  Sieger  brachten  ihn  in  die  Stadl,  wo  die  Verwandten  der  im 
enen  ihn  missbandelten  und  tödleten.  Dem  Leichnam  ward  das 
;hlagen  und  dieses  als  wahres  Zeichen  des  Sieges  nach  Afrika  an 
eschickt.  Die  triumphlrenden  Sieger  behaupteten,  dass  die  Zahl 
den  in  dieser  Nacht  190,000  Uann  zu  Fuss  und  5000  Beiler  [i] 
>e.  Wir  werden  gut  tfaun,  nichl  die  Hälfte  davon  zu  glauben, 
imilkar  gefangen  genommen  war,  war  allerdings  ein  grosser  Vor- 
Syiakusaner ;  auch  soll  die  Flucht  der  Karlhager  so  wild  gewesen 
ie  sich  kaum  am  folgenden  Tage  wieder  zusammenfanden ;  aber 
Hesullat  hatte  der  Sieg  nicht,  dessen  GrOsse  offenbar  übertrieben 
gerung  dauerte  nach  wie  vor  fort,  und  zu  Land  und  Heer  einge- 
e  bisher,  litten  die  Belagerten  nicht  viel  weniger  Noth  als  vor  ihrem 
rein  Glücksfall  gewesen,  dass  sie  gesiegt  ballen,  und  ihr  Sieg  machte 
iie  erst  recht  klar.  Denn  er  war  die  Veranlassung,  dass  die  Stadt 
h  voll  von  Erinnerungen  an  ihren  alten  Glanz,  den  kühoen  und  einer 
würdigen  Plan,  diesmal  eigener  Kraft  vertrauend,  erneuerte,  (s.o. 
h  fern  von  jeder  Begünstigung  der  Tyrannei  wie  der  Barbaren,  durch 
der  gesetzlichen  Freiheit  auf  der  Insel  und  Sammlung  aller  freien 
ihen Elemente,  Ordnung undFrieden  auf  Sicilien  wiederherzustellen. 
Versuch,  von  welchem  die  Geschichte  leider  zu  wenig  meldet, 
nichl  ungunstigen  Auspicien  gemacht.  Vergegenwärtigen  wir  uns 
Insel.  Agathokles  war  fern ;  wer  wusste,  ob  er  wieder  kommen 
Ueicbl  blieb  er  in  Afrika,  und  dann  bescbaftigle  er  die  Karlhager, 
e  den  Akragantioern  nicht  in' den  Weg  treten  konnten.    Kam  er 


Akragas'  Versuch,  seinen  Einfluss  auszubreiten.  Bevölkerungsverb^Iinisse  in  Sicilien.    245 

aber  zurück,  so  kam  er  voraussicbllicb  als  Flüchtling,  und  bis  dabin  konnte  die 
neue  Freiheit  der  Insel  schon  erstarkt  sein.  Syrakus  ohne  Agaihokles  war  auch 
nicht  zu  fürchten ,  denn  erstens  wurde  es  noch  immer  von  den  Karthagern 
bedrängt,  und  zweitens  war  es  selbst  gespalten  in  ein  Syrakus  innerhalb  der 
Mauern  und  in  ein  ausgewandertes  Syrakus,  an  dessen  Spitze  Deinokrates  stand, 
der  mit  seiner  Flücbtlingsschaar  den  Bestrebungen ^der  Akragantiner,  wenn  s'e 
von  anderen  Städten  unterstützt  wurden ,  nicht  in  den  Weg  treten  konnte. 
.Endlich  aber  begünstigte  das  Wegfallen  eines  früher  den  Griechen  im  Stillen 
immer  mehr  oder  weniger  feindlich  gesinnten  Elementes  auf  der  Insel  das 
Unternehmen  der  Akragantiner. 

Die  Sikeler  hatten,  wie  wir  mehrfach  gesehen,  aufgehört,  sich  als  beson- 
dere Nationalität  zu  fühlen.  Das  Griechenthum  hatte  sie  absorbirt  und  war 
wiederum  von  ihnen  absorbirt  worden.  Die  Lösung  des  scheinbaren^Wider- 
spruchs  ist  nach  unseren  früheren  Auseinandersetzungen  nicht  schwer.  Das 
seit  alter  Zeit  in  Sicilien  gebräuchliche  Durcheinanderwerfen  der  Bevölkerun- 
gen,  das  Vordringen  der  Karthager,  die  Einwanderung  italischer  Söldner,  das 
alles  hatte  eine  schon  zu  Dion's  Zeit  sehr  merkliche  Verminderung  der  Zahl  der 
Griechen  auf  Sicilien  zur  Folge  gehabt,  aber  auch  ebenso  sehr  schliesslich  eine 
Mischung  der  Sikeler  mit  fremden  Elementen.  Der  wirklichen  Hellenen  gab  es 
nicht  mehr  übermässig  viele  auf  Sicilien ,  aber  auch  die  Sikeler  hatten  sich 
nicht  ungemischt  in  ihren  Städten  erhalten  können.  Das  Völkergemisch  auf 
der  Insel  war  grösser  geworden  als  zuvor,  aber  gerade  in  dem  Umstände, 
dass  überall,  in  den  früher  griechischen,  wie  in  den  früher  sikeliscben 
Städten,  dasselbe  Gemisch  vorhanden  war,  gab  sich  eine  grosse  Gleichmässig- 
keit  der  Lebensverhältnisse  in  diesen  Städten  kund,  welche  die  .frühere  natio- 
nale Spannung,  die  schon  der  ältere  Dionys  mit  Erfolg  zu  beseitigen  gesucht 
hatte,  als  gänzlich  beseitigt  erscheinen  liess.  Ueber  dieses  Völkergemisch  aber 
hatte  die  hellenische  Sprache  und  die  hellenische  Bildung  entschieden  die 
Herrschaft  behauptet.  Nicht  als  ob  das  Volk  überall  griechisch  gesprochen 
hätte;  die  Klage,  dass  phönicische  und  oskische  Sprache  die  griechische  zu 
verdrängen  drohten,  konnte  nicht  so  schnell  verstummen ;  aber  die  Gebildeten 
sprachen  es  überall,  wo  nicht  Karthager  allein  herrschten,  und  zumal  hatten 
die  Siege  und  die  Kolonisation  Timoleon's  in  dieser  Beziehung  das  Uel^erge- 
wicht  des  Hellenenthums  wiederhergestellt.  So  erklärt  es  sich,  dass  zu 
Agathokles'  Zeit  von  einem  Antagonismus  zwischen  Griechen  und  Sikelern 
nicht  mehr  die  Rede  war. 

Dieser  Umstand  musste  den  Akragantinem  die  Verfolgung  ibrer  Zwecke 
erleichtern ;  denn  wenn  kein  Gegensatz  mehr  zwischen  Griechen  und  Sikelern 
war,  konnten  jene  bei  ihren  Bestrebungen  auf  eine  grössere  Zahl  von  Genossen 
rechnen.  Aber  noch  ein  anderer  Umstand  kam  ihnen  zunutze.  Es  gab  jetzt 
unabhängige  Gemeinden  auf  der  Insel  in  viel  grösserer  Zahl  als  vor  achtzig 
Jahren.  In  dieser  Rücksicht  kann  die  Verschiedenheit  zwischen  der  Zeit  des 
Agathokies  und  derjenigen  des  Dionys,  eine  Verschiedenheit,  die  wir  als  eine 
Folge  der  Tbätigkeit  des  Tirooleon  erkannt  haben ,  nicht  genug  betont  wer- 
den. Als  Dionys  auftrat,  war  Syrakus  fast  die  einzige. bedeutende  Stadt  der 
Insel ;   wer  Syrakus  beherrschte,  konnte  sich  als  Herrn  der  Griechen  Siciliens 


'♦ 


246  Sechstes  Buch.  III.  Feldzug  des  Agathokles  in  Afrika. 

betrachten,  und  Dionys  sorgte  dafür,  dass  es  so  blieb.  Jetzt  waren  freie 
Städte  da ,  welche  an  Macht  einen  Vergleich  mit  Syrakus,  wie  es  augenblidL- 
Jich  stand,  nicht  zu  scheuen  brauchten,  und  die  vielen  Sikelerstädte. waren  in 
gewisser  Weise  Griechenstädte  geworden.  Es  konnte  also  das  Unternehmen  der 
sicilischen  Griechen ,  sich  von  den  Tyrannen  und  den  Karthagern  zugleich  zu 
befreien,  jetzt  gelingen  —  wenn  nur.  einigermassen  die  Verhältnisse  es  be- 
günstigten und  tüchtige  Persönlichkeiten  an  die  Spitze  traten.  Wiriüich  schien 
anfangs  ein  glücklicher  Erfolg  in  Aussicht  zu  stehen. 

Feldherr  der  Akragantiner  ward  Xenodikos,  und  er  erhielt  den  Auftrag, 
auf  der  Insel  Bundesgenossen  zu  werben.  Gleich  sein  erster  Versuch  war  von 
Erfolg  begleitet.  Gastfreunde  führten  ihn  zur  Nachtzeit  nach  Gela ,  und  diese 
nicht  unbedeutende  Stadt  ward  dem  Unternehmen  gewonnen.  Das  Beispiel 
der  Geloer  fand  Nachahmung.  Die  Bewohner  von  Henna  ^traten  dem  Bunde 
bei,  und  da  sich  bei  der  Bevölkerung  von  Herbessos,  trotz  der  die  Stadt  in 
Zaum  haltenden  Besatzung  ein  lebhafter  Eifer  kundgab,  ebenfalls  den  Akra- 
gantinern  sich  anzuschliessen ,  so  zog  Xenodikos  mit  seinen  Truppen  dahin, 
überwand  mit  Hülfe  der  Einwohner  die  Besatzung,  und  befreite  die  Stadt; 
500  der  fremden  Soldaten  ergaben  sich.  Und  auf  noch  wichtigere  Städte  des 
Ostens  dehnte  sich  in  kurzem  der  Einfluss  von  Akragas  aus.  Agathokleische 
Truppen  in  Syrakus  hatten  trotz  der  fortdauernden  Belagerung  der  Stadt  Ge- 
legenheit gefunden,  auszubrechen  und  Echetla  zu  besetzen ,  von  wo  aus  sie 
das  Gebiet  von  Leontini  und  KamaYina  venivüsteten.  Xenodikos  machte  durch 
die  Eroberung  von  Echetla  diesen  Raubzügen  ein  Ende  und  gewann  so  auch 
Eaniarina  und  Leontini  für  das  akragantinische  Bündniss.  Während  so'  die 
akragantinische  Politik  Fortschritte  machte,  kam  Syrakus  trotz  der  grossen 
Niederlage  Hamilkar's  nicht  aus  seiner  Bedrängniss  heraus.  Ein  Versuch,  der 
Noth  an  Lebensmitteln  durch  eine  Seeexpedition  abzuhelfen,  misslang  vollstän- 
dig. 20  Trieren  fuhren  aus,  um  eine  erwartete  Proviantflotte  in  den  Hafen 
zu  geleiten.  Im  Gebiete  von  Megara  wurden  sie  aber  von  30  karthagischen 
Schiffen  überfallen  und  flüchteten,  nach  kurzem  Zögern,  ob  sie  nicht  eine 
Seeschlacht  annehmen  sollten,  an's  Land,  wo  sich  ein  Tempel  der  Hera  befand. 
Aber  die  Karthager  verfolgten  sie  und  bemächtigten  sich  der  Hälfte  der  Flot- 
tille ;  4  0  Schiffe  wurden  durch  eine  schnell  aus  Syrakus  herbeigeeilte  Htüfe 
gerettet. 

Agathokles  hatte  indess  die  wunderbarsten  Schicksale  durchgemacht.  Als 
er  das  Haupt  Hamilkar^s  empfangen  hatte ,  ritt  er  damit  an  das  karthagische 
Lager,  hob  es  empor,  dass  die  Karthager  es  sehen  konnten  und  rief  ihnen  zu, 
die  Ihrigen  seien  vor  Syrakus  unterlegen.  Die  Karthager  warfen  sich  auf  den 
Boden  mit  allen  Zeichen  der  Verehrung,  die  sie  königen  zu  spenden  pflegten, 
und  gaben  sich  einer  unmässigen  Trauer  hin.  Die  Macht  des  Agathokles  in 
Afrika  stand  nun  auf  ihrem  Gipfel,  aber  es  war  eine  Macht  ohne  festen  Grund; 
fast  hätte  eine  zufällige  Veranlassung  plötzlich  den  Untergang  des  Abenteurers 
herbeigeführt.  Einer  seiner  Feldherren,  Lykiskos,  schmähte  im  Rausche  an  der 
Tafel  des  Agathokles  den  anwesenden  Despoten.  Dieser  nahm  es  aus  Klug- 
heit, weil  Lykiskos  ein  brauchbarer  Mann  war,  als  Scherz ;  Archagathos  aber, 
des  Agathokles  Sohn,  schalt  den  Lykiskos  heftig.  Nach  der  Tafel,  als  die  Gäste 


Bedrängnisse  des  Agathokles.  Fortgang  des  Krieges  in  Afrika.  247 

aus  einander  gingen,  warf  Lykiskos  dem  Archagathos  vor,  dass  «r  ein  heim- 
liches Liebesverhaltniss  mit  seiner  Stiefmutter  Alkia  unterhalte,  und  Archaga- 
thos entriss  in  seiner  Wuth  einem  dabeistehenden  Soldaten  den  Speer  und 
rannte  ihn  dem  Lykiskos  in  den  Leib.  Am  nächsten  Morgen  kamen  die 
Freunde  des  Ermordeten  zusammen  und  regten  durch  ihre  Riagen  das  ganze 
Lager  auf;  Manchem,  der  Agathokles  Zorn  aus  irgend  einem  Grunde  zu  furch- 
ten hatte,  war  die  Gelegenheit  recht,  einen  Aufruhr  zu  machen.  Bald  war  der 
Tumult  allgemein ,  und  es  erhob  sich  das  Geschrei ,  Archagathos  müsse  zur 
Busse  fttr  den  Mord  fallen,  und  wenn  Agathokles  ihn  nicht  herausgeben  wolle, 
er  selbst.  Die  Zahlung  des  Soldes  war  seit  einiger  Zeit  im  Rückstand,  das 
ganze  Heer  verlangte  ihn  augenblicklich.  Neue  Feldherren  wurden  aus  der 
Mitte  der  Empörer  gewählt,  die  Mauern  von  Tunes  besetzt,  und  Agathokles 
mit  den  Seinigen  förmlich  umlagert. 

In  diesem  Zustande  muss  sich  das  Lager  einige  Tage  befunden  haben, 
denn  die  Nachricht  von  der  Empörung  kam  zu  den  Karthagern,  und  diese 
fanden  Zeit  y  die  Aufruhrer  wissen  zu  lassen ,  dass  sie  bereit  wären,  sie  für 
höheren -Sold,  als  sie  von  Agathokles  empfangen  hatten,  und  für  grosses  Hand- 
geld in  ihre  Dienste  zu  nehmen.  Einige  von  den  Führern  des  Aufstandes 
gingen  darauf  ein.  Nun  sah  Agathokles ,  dass  alles  verloren  war,  wenn  er 
nicht  durch  einen  ganz  ausserordentlichen  Schritt  die  Soldaten  wieder  um- 
stimmte. Er  legte  sein  Purpurgewand  ab  und  trat  in  ihre  Mitte,  gekleidet  wie 
ein  gewöhnlicher  Soldat.  Er  erinnerte  die  erstaunte  und  aufmerksam  zu- 
hörende Menge  an  alles,' was  er  bis  dahin  mit  ihrer  Hülfe  hatte  ausführen 
können,  und  erklärte,  dass  er  bereit  sei  zu  sterben,  wenn  das  ihr  Wille  sei ; 
nie  habe  er,  wie  sie  wohl  wüssten,  aus  Furcht  vor  dem  Tode  eine  feige  Hand- 
lung begangen.  Bei  diesen  Worten  zog  er  das  Schwert,  um  sich  zu  tödten. 
Da  erhob  sich  der  allgemeine  Ruf,  er  solle  leben,  man  habe  ihm  ja  nichts  vor- 
zuwerfen, dann,  indem  die-alte  Anhänglichkeit  an  den  berühmten  Feldherm 
sich  bei  den  Soldaten  wieder  Bahn  brach ,  er  solle  doch  sein  Purpurgewand 
wieder  anlegen,  sie  wollten  alle  gern  gehorchen.  Mit  Thränen  dankte  er  für 
ihre  schnelle  Sinnesänderung  und  führte  sie  dann  auf  der  Stelle  gegen  die 
Karthager,  die  den  Uebergang  des  agathokleischen  Heeres  fest  erwarteten. 
Diese  hielten  den  Anmarsch  des  Heeres  für  die  Ausführung  des  verabredeten 
Yerrathes  und  geriethen,  als  nun  plötzlich  Agathokles  zum  Angriff  blasen  liess^ 
in  die  grösste  Verwirrung.  Ihre  Niederlage  war  vollständig.  Etwa  SOO  im 
griechischen  Heere ,  die  Rädelsführer  der  Empörung ,  zogen  es  jedoch  vor,  zu 
den  Feinden  überzugehen. 

Im  nächsten  Jahre  (Ol.  4i8,  4,  308  v.  Chr.)  zog  sich  der  Krieg  zwischen 
Karthago  und  Agathokles  mehr  in  das  Innere  des  Landes.  Die  Karthager 
machten  nämlich  den  Versuch,  die  zu  ihrem  Feinde  abgefallenen  Numidier 
zu  unterwerfen,  und  Agathokles  zog,  indem  er  den  Archagathos  in  Tunes  zu- 
rücklie^s,  mit  dem  besten  Theile  seines  Heeres,  8000  Mann  zu  Fuss,  800 
Reitern  und  50  libyschen  Gespannen  den  Karthagern  nach ,  welche  in  diesem 
Jahre  sogar  in  Afrika  Griechen,  besonders  Syrakusaner  von  der  oligarchischen 
Partei,  in  ihren  Reihen  zählten.  Der  Zweck  des  karthagischen  Zuges  wurde 
anfangs  theilweise    erreicht;    von   dem    numidischen   Volke   der  Zuphoner 


"248  Secbeles  Buch.   II[.  Fetdiug  des  Agalhokles  io  Afrika. 

schlössen  sich  viele  den  Karthagern  wieder  an.  Bald  Lam  es  zwischen  den 
feindlichen  Heeren  zum  Kampt.  Die  karlhagisrhen  Feldherren  bezogen  mit 
dem  Kern  ihrer  Truppen  ein  gut  geschütztes  Lager  auf  eiuem  Htlgel  und 
schickten  die  leichten  numidischen  Truppen  aus,  um  Agathokles  auf  seinem 
Harsche  zu  beunruhigen.  Agathokles  sandte  diesen  seine  eigenen  leichten 
Truppen ,  Schleuderer  und  Bc^enschQtzen  —  auch  zum  Tbeil  Numidier,  ent- 
gegen und  wandte  sich  selbst  mit  den  abrigen  zum  Angriff  auf  das  feindliche 
Lager.  Die  Karthager  stellten  sich  vor  demselben  auf  und  vertbeidigten  den 
Uebergang  über  einen  am  Hdgel  vorbeistrümenden  Fluss.  Sie  waren  zahl- 
reicher als  das  Heer  des  Agathokles  und  hatten  in  den  griechischen  Hfllfs- 
truppen,  die  unter  dem  Oberbefehl  des  Kleinen  standen,  eine  treffliche  Unter- 
stützung. Trotzdem  siegte  Agathokles,  grossentheiU  durch  eigene  Tapferkeil, 
die  dem  Heere  als  Beispiel  vorleuchtete,  trieb  die  Karthager  in  ihre  Verschan- 
zungen zurück,  und  bedrängte  sie  auch  dort  durch  wiedertiolte  Angriffe.  Den 
vollständigen  Sieg  der  Griechen  verbinderte  die  Verrälherei  der  Numidier. 
Alle  Numidier,  welche  bei  der  Schlacht  anwesend  waren,  die  auf  karthagischer, 
wie  die  auf  griechischer  Seite,  hatten  nur  das  eine  lutereSse:  möglichst  viel  Beul« 
zu  machen,  oh£e  sich  im  Kampfe  anzustrengen.  Fur  diesen  Zweck  waren  sie, 
trotz  der  äugen bli<^ichen  Trennung  in  zwei  Parteien,  vollkommen  einig.  Die 
Absicht  war  gewesen ,  sich  auf  das  besiegte  Heer  zu  werfen  und  nach  Kraflen 
zu  plündern,  aber  die  Entscheidung  dauerte  zu  lange;  und  obwohl  Agathokles 
im  Vortheil  war,  hielten  die  Numidier  es  dennoch  für  das  zweckmassigste, 
das  Lager  der  Griechen  zu  plündern,  da  diese  von  ihrem  Lager  sich  weiter 
entfernt  hatten ,  als  die  Karlhager  von  dem  ihrigen.  So  empfing  Agathokles, 
als  er  mit  einem  entschiedeneren  Erfolg  die  karthagische  Stellung  stürmte, 
plötzlich  die  Nachricht,  dass  die  Numidier  sein  Lager  überfallen,  die  Wache 
oiedei^emacht,  die  Gefangenen  befreit  und  eine  Masse  von  erbeuteten  Gegen- 
standen bereits  weggeschleppt  hatten.  Er  stand  augenblicklich  vom  begonnenen 
Sturme  ab,  eilte  nach  dem  Lager  und  rettete  noch  einen  kleinen  Theil  der 
dort  aufbewahrten  Beute.  Da  aber  das  meiste  bereits  von  den  Numidiera,  die 
nicht  wieder  eingeholt  werden  konnten,  geraubt  war,  so  vertheilte  er  schnell 
die  Beute  der  letzten  Schlacht  als  Entschädigung  unter  die  Soldaten,  und  er- 
klärte mit  der  Errichtung  eines  Tropaions  auf  dem  Schlachtfelde  den  Kampf 
fUr  beendigt.  Eine  grosse  Anzahl  gefangener  Griechen  wurden  von  ihm  in  die 
Festung  seines  Lagers  gethan;  sie  befreiten  sich  jedoch  in  der  Nacht  und 
flohen,  etwa  1 000  an  der  Zahl,  worunter  mehr  als  500  Syrakusaner,  auf  einen 
Hügel  in  der  Nahe,  von  wo  sie  mit  Agathokles  unterhandelten.  Wir  mtlssen 
annehmen,  dass  sie  zu  den  Karthagern  nicht  wieder  zurückkehren  moch- 
ten, wenn  diese  nicht  etwa  ihre  Stellung  freiwillig  aufgegeben  und  sich  aus 
der  Gegend  entfernt  haben  sollten.  Agathokles  sicherte  ihnen  Schutz  zu, 
liess  sie  aber,  als  sie  sich  ihm  Überliefert  hatten,  mit  seiner  gewöhnlichen 
Treulosigkeit  alle  niedermetzeln. 

Agathokles  war  fUr's  erste  vor  den  Karthagern  sicher,  aber  es  war  doch 
in  seine  Unternehmung  ein  Stillstand  gekommen;  die  unentschiedene  letzte 
Schlacht  musste  den  Muth  der  Karthager  erhohen.  Er  sah  sich  deshalb  nach 
einem  Bundesgenossen  um  und  fand  ihn  in  Ophelias,  dem  Beherrscher  von 


Uoentschieäene  Schlacht.   Ophelias  von  Kyrene.  249 

Kyrene.  Es  war  an  sich  natürlich,  die  Griechen  Nordafrika's  zur  Eroberung 
Karthagers  heranzuziehen,  aber  so  unwegsame  Strecken  trennten  Kyrene  von 
dem  karthagischen  Lande,  dass  unter  gewöhnlichen  Umständen  Agathokles 
an  Kyrene  wenig  Hülfe  erhalten  haben  würde.  Hier  trat  nun  die  Persönlich- 
keit des  Herrschers  entscheidend  ein.  Ophelias,  ein  Makedonier,  der  den 
Feldzug  Alexander^s  in  Asien  als  angesehener  Officier  mitgemacht  hatte ,  war 
von  Ptolemaios,  dem  Könige  Aegyptens,  mit  der  Verwaltung  der  Stadt  Kyrene, 
die  sich  ihm  hatte  unterv\'erfen  müssen,  und  die  durch  Ophelias  von  einem 
gefährlichen  Gegner,  dem  Thimbron,  befreit  worden  war,  betraut  worden,  und 
sein  Sinn  stand  auf  eine  Erweiterung  seiner  Herrschaft  nach  Westen.  Er  hat  eine 
Recognoscirung  der  nordafrikanischen  Küste  durch  eine  besondere  Expedition 
veranlasst.  Agathokles  kannte  wahrscheinlich  seinen  Ehrgeiz ,  der  bei  einem 
ehemaligen  Begleiter  Alexander^s  übrigens  sehr  erklärlich  war.  Er  liess  ihn 
durch  den  Syrakusaner  Orthon  zu  einem  Bündniss  gegen  Karthago  einla- 
den. Agathokles,  musste  Orthon  vorgeben,  wolle  in  Afrika  keine  Eroberungen 
machen^  seine  Absicht  sei  nur  darauf  gerichtet,  sich  den  Besitz  Siciliens  zu 
sichern,  das,  so  lange  die  karthagische  Macht  ungebrochen  sei,  nicht  sein  ge- 
nannt werden  könne.  Es  sei  daher  in  seinem  Interesse,  wenn  Ophelias  das 
mit  gemeinschaftlicher  Anstrengung  zu  erobernde  Karthago  für  sich  behalte. 
Ophelias  gab  den  Yorsteiluiigen,  die  ja  an  sich  höchst  Wahrscheinliches  enthiel- 
ten. Gehör,  und  benutzte  seine  Macht  in  Afrika  und  seinen  Einfluss  in  Griechen- 
land —  seine  Gemahlin  Euthydike,  die  Tochter  des  Miltiades,  rühmte  sich  aus 
der  Familie  des  Mafathonsiegers  abzustammen  —  um  ein  treffliches  Heer  zu- 
sammenzubringen. Seine  Hoffnungen  waren  so  hoch  gespannt,  und  die  von 
ihm  deswegen  gemachten  Verheissungen  so  glänzend ,  dass  in  Griechenland 
viele  überzeugt  waren,  das  Unternehmen  müsse  gelingen,  und  ganze  Familien 
in  den  trüben  Zeiten  bei  den  beständigen  Kriegen  und  bürgerlichen  Unruhen, 
welche  Griechenland  verheerten,  von  der  Hoffnung  erfüllt,  in  dem  neu  zu 
vertheilenden  karthagischen  Gebiete,  das  als  fruchtbar  bekannt  war,  eine 
bessere  Heimath  zu  finden,  sich  dem  Zuge  des  Ophelias  anschlössen.  Ophelias 
brach  von  Kyrene  an  der  Spitze  eines  Heeres  Von  40,000  Fusssoldaten ,  600 
Reitern,  400  Wagen,  welche  300  Mann  als  Führer  und  Parabaten  trugen,  auf; 
aber  noch  40,000  andere  begleiteten  das  Heer,  von  denen  viele  ihre  Frauen  und 
Kinder  bei  sich  hatten,  so  dass  der  Zug  der  Auswanderung  eines  Volkes  glich. 
In  48  Tagen  legte  er  die  3000  Stadien  lange  Strecke  bis  nach  Automala, 
dem  kyrenäischen  Grenzort  im  Westen,  zurück.  Hier  begannen  die  Schwie- 
rigkeiten des  Zuges  durch  eine  wasserlose  Gegend,  die  noch  dazu  durch  andere 
wirkliche  und  eingebildete  Schrecknisse  furchtbar  war.  Hier  sollte  die  kinder- 
mordende böse  Lamia  ihre  Höhle  haben,  hier  wimmelte  es  aber  auch  von 
Schlangen,  deren  Farbe  der  des  Sandes  glich,  und  die  die  Unvorsichtigen, 
welche  auf  sie  traten,  tödteten.  Nicht  immer  reichten  die  Speisen  für  die  ge- 
waltige Volksmasse  aus,  und  viele  kamen  unterwegs  um;  der  grösste  Theil 
der  Ausgezogenen  erreichte  jedoch  nach  mehr  als  zweimonatlichem  Marsche, 
der  natürlich  zuletzt  in  der  wohlangebauten  karthagischen  Gegend  für  die  vor- 
hergegangenen Anstrengungen  entschädigte  ^  Tunes  und  das  Hauptquartier 
des  Agathokles. 


Sechstes  Buch.   III.  F«Idzug  des  Agalhokles  Id  Afrika. 

las  lagerte  mit  seiner  Streitmacht  in  der  Nahe  der  agatholdeischen 
lagen  und  wurde  von  Agatholcles  äusserst  freundlich  aufgenooimeD. 

sich  aber  eine  ebenso  unerwartete' wie  schreckliche  Scene.  Nach- 
[ikles  eiDige  Tage  im  Lager  des  Ophelias  lugebracfat  hatte,  versam- 
Sttlicb  seine  Truppen ,  kjagle  vor  ihnen  Ophelias  an ,  dass  er  ihm 
[^eben  trachte,  und  führte  seloe  heftig  aufgeregten  Soldaten  gegen 
ahnenden  Bundesgenossen,  dessen  meiste  Leute  Proviant  zu  holen 

waren.  Das  Lager  der  KyranSer  wurde  schnell  erobert,  und 
el  im  Kampfe.     Sein  auPs  äusaerste  bestUrKtes  Heer  tiess  si(^  voo 

bewegen,  in  seinen  Dienst  zu  tret«n.    Was  hätten  sie  auch  ohne 
ihen  sollen?    Etwa  zu  den  Karthagern  übergeben?    Daran  konnten 
-st  im  karthagischen  Gebiete  Eingetroffenen  nicht  denken, 
am  Agathokles  zu  dieser  furchtbaren  Thst?  Wirvennt^en  es  nicht 
Dtheit  zu  sagen.  Hatte  er  Ophelias  Dur  in  der  Absicht  berbeige!«^ 

dem  Wege  zu  räumen?  Hatte  er  ihn  argwöhnisch,  misstrauisch  ge- 
iid  wollte  er  allen  möglichen  Zwistigkeilen  mit  einem  Uale  vorbeu- 

er  gesehen,  dass  die  Vortheile,  welche  das  BUndniss  mit  Ophelias 
konnte,  nicht  so  gross  waren,  wie  er  gehofTl?  Das  letzte  ist  das  wahr- 
«.  Jedenfalls  erreichte  er  fUr  den  Äugeblick  seinen  Zwe<^ ;  seine 
it  war  mit  einem  Schlage  verdoppelt.  Die  als  Soldaten  unbrancbba- 
iten  mit  ihren  Weibern  und  Kindern  war  er  nicht  gesonnen  Iq 
ehalten ;  er  setzte  sie  auf  Lastschiffe ,  welche  er  mit  Beutestttcken 

schickte  sie  nach  Syrakus.  Die  wenigsten  kam^  dort  an.    Stürme 

die  Flotte ;  einige  Schiffe  gingen  lu  Grunde,  andere  wurden  nach 
isen  an  der  italischen  Küste  (Ischia)  verschlagen, 
-selben  Zeit  hatte  Karthago  in  seinem  Innern  eine  schreckliebe  Krisis 
q:  den  endlichen  Ausbruch  der  Verschwfirung  des  Bomilkar,  des 
Bro  Karthago's.  Der  Streich  war  lange  beabsichtigt  und  oft  aufge- 
indlich  schienen  die  Umstände  gUnsüg,  als  eine  grosse  Zahl  kartha- 
ger,  welche  dem  Bomilkar  besonders  gefährliche  Gegner  deuditen, 
igen  die  Numidier  ausgeschickt  war.  Bomilkar  behielt  nach  einer 
bagischen  Neustadt  über  die  ihm  untergebenen  Streilki^fte  abge- 
isteruDg  die  Theilnehmer  der  Verschwörung,  500  BUrger  und  iOOO 
ei  sich ,  erklarte  sich  zum  Herrscher  und  schickte  seine  Macht  m 
lungen  durch  die  Stadt.  Hier  haben  wir  Gelegenheit,  die  gewaltige 

bewundem,  die  noch  in  der  karthagischen  Bürgerschaft  lebte, 
ieselbe  Zeit  in  einer  der  bedeutendsten  griechischen  Städte  ein  an- 
llann  mit  einer  solchen  Truppeniahl  als  Tyrann  aufgetreten,  er 
»iingt  sein  Ziel  erreicht  haben.  Dionys  und  Agathokles  «nd  hin- 
eweise  dieser  Behauptung.  Bomilkar  aber  unterlag.  Sägen  wir 
,  dass  die  Zahl  seiner  Soldaten  zu  der  gewaltigen  Bevölkerungs- 
lago's  nicht  im  richtigen  Verbaltnisse  stand ,  um  einen  Erfolg  her- 
:u  können;  noch  nie  hat  die  blosse  Anzahl  den  Sieg  entschieden. 
;r  karthagischen  Bürger  und  ihre  Anhänglichkeit  an  die  Verfassung 

Niederlage  Bomitkar's  herbei ,  welche  einen  vollgültigen  Beweis 
s  diese  Stadt  durch  die  Energie  ihrer  Bürger  wirklich  die  einige 


Ermordung  des  Ophelias.    Empörimg  und  Tod  Bomilkar's.    Fortsetzung  des  Krieges.    251 

würdige  Nebenbuhlerin  Bom's  war.  Anfangs  wurden  die  nichts  ahnenden 
Karthager  überall  von  Bomilkar's  Schaaren  niedergemacht,  und  manche  glaub- 
ten, dass  die  Stadt  in  die  Gewalt  der  Griechen  gefallen  sei.  Bald  aber  wurde 
die  Wahrheit  erkannt,  und  nun  erhob  sich  die  karthagische  Jugend  zu  kräfti- 
gem Widerstand.  Bomilkar  war  auf  den  Markt  gedrungen  und  hatte  diesen 
besetzt;  aber  die  Vdrtheidiger  der  karthagischen  Freiheit  bemächtigten  sich 
der  hohen,  den  Marktplatz  umgebenden  Häuser  und  bedrängten  die  Aufrührer 
so  sehr,  dass  diese  sich  wieder  zurückziehen  mussten  und  nur  mit  grosser 
Mühe  durch  die  engen  Strassen  eine  freie  Bahn  in  die  Neustadt  erkäpspften. 
Das  Unternehmen  war  misslungen,  .und  es  handelte  sich  für  die  Theilnehmer 
der  Verschwörung  nur  noch  darum,  das  Leben  zu  retten.  Sie  besetzten  in 
der  Neustadt  einen  zweckmässig  gelegenen  Punkt ,  der  schwer  zu  erstürmen 
war,  und  erhielten  von  den  Karthagern,  die  wegen  der  Feinde  vor  den  Thoren 
den  Bürgerkrieg  möglichst  schnell  beendigen  wollten ,  die  Zusicherung ,  dass 
ihr  Leben  geschont  werden  solle.  Allen  wurde  das  Wort  gehalten,  nur  gegen 
Bomilkar  brachen  die  Karthager  den  geleisteten  Eid.  Er  starb  einen  qual- 
vollen Tod.  '  ^ 

Die  beiden  gleich  merkwürdigen  Begebenheiten ,  der  Mord  des  Ophelias 
und  das  erfolglose  Unternehmen  Bomilkar^s,  fanden  zu  derselben  Zeit  statt.  So 
konnte  keine  Partei  die  Verlegenheit  der  andern  benutzen. 

Mit  dem  Untergang  Bomilkar?s  waren  alle  Aussichten  auf.  endlichen  Erfolg 
für  Agathokles  verschwunden.  Nachdem  zwei  Männer,  die  zu  eigenem  Nutzen 
mit  ihm  in  hochverrätherischer  Verbindung  gestanden  hatten,  unterlegen 
waren ,  fand  sich  nicht  leicht  ein  dritter  zu  demselben  Versuche.  Indess  das 
griechische  Heer  wusste  von  diesen  Dingen  nichts.  In  dessen  Augen  stand 
Agathokles  zunächst  als  Sieger  da.  Und  so  fuhr  er  denn  fort,  seine  augen- 
blickliche ,  nicht  ganz  schlimme  Lage  auszunutzen.  Aeusserlich  betrachtet, 
stand  es  recht  günstig  für  ihn.  Er  hatte  ein  Reich  in  Afrika ,  wenn  man  die 
augenblickliche  Herrschaft  über  eine  Gegend  auf  Grund  einer  militärischen 
Macht  ein  Beich  nennen  will ,  ein  Reich  nach  Art  mancher  aus  der  Zeit  der 
Völkerwanderung,  nur  noch  weniger  fest  als  diese.  Es  war  die  Herrschaft 
eines  Soldatpnlagers  über  eine  Anzahl  von  Städten  und  weite  Landstriche,  ein 
Reich  ohne  Hauptstadt ,  nur  da. wirklich  vorhanden,  wo  sich  der  siegreiche 
Feldherr  gerade  aufhielt.  Karthago  brauchte  diesen  Feind  trotz  seiner  ausser- 
ordentlichen militärischen  Talente  nicht  zu  fürchten.  Es  konnte  wohl  erobert 
werden,  aber  nicht  von  einem  Feinde,  der  nur  eine  Landmacht  besass,  nicht, 
so  lange  seine  Flotten  ihm  ungehindert  alles  zuführten,  was  es  brauchte. 
Mochten  deshalb  einige  Städte  mehr  in  Agathokles^  Hände  fallen,  Karthago 
konnte  die  Zeit  abwarten ,  wo  alles  wieder  in  seine  natürlichen  Verhältnisse 
zurücktrat  und  die  Griechen  ebenso  plötzlich  aus  Afrika  verschwanden ,  wie 
sie  gekommen  waren. 

Agathokles  hatte  östlich  vom  Gap  Bon  die  Stadt  Aspis  oder  Clupea  in 
einer  wichtigen ,  zur  Communication  mit  Sicilien  wohl  geeigneten  Lage  be- 
setzt. Er  hätte  hier  mit  Hülfe  der  Kolonisten  des  Ophelias  sich  eine  Haupt- 
stadt gründen  können.  Aber  eine  langsame  Vorbereitung  grosser  Dinge  lag 
nicht  in  seiner  Art.    Er  fuhr  lieber  fort ,  von  den  noch  karthagischen  Städten 


252  S«chsles  Buch.  III.  Feldzug  des  Agalbokles  id  Afrika. 

eine  nach  der  andern  zu  bestürmen ,  um  die  Hauptstadt  zu  isoUren,  und 
wandte  sich,  als  er  mit  dem  Osten  und  Süden  des  Gebietes  fertig  war  oder 
zu  sein  glaubte,  nach  Norden  und  Westen  (Ol.  H8,  Ä,  307  v.  Chr.).  Sein 
erstes  Ziel  war  Utika.  Durch  schnellen  Harsch  dahin  überraschte  er  vor  der 
Stadt  300,  zum  Theil  angesehene  Bürger  und  dächte  sie  als  Mittel  zur  UnUr- 
werfung  der  Stadt  zu  benutzen.  FUr  ihre  Freilassung  forderte  er  die  Ueber- 
gäbe  Utika's,  und  als  die  Butler  nicht  darauf  eingingen,  liess  er  einen  grossen 
ßelagerungsthurm  bauen  und  an  dessen  Vorderseite  die  gefangenen  (Jticenser 
befestigen,  die  so  das  erste  Ziel  der  Schusse  ihrer  Landsleute  werden  mussten, 
wenn  die  Stadt  in  dieser  traurigen  Alternative  nicht  vorzog,  sich  zu  ergeben. 
Utika  aber  wablle  den  Eampf,  und  die  IJhgltlcklichen  kamen  auf  die  schreck- 
lichste Weise  durch  die  Ihrigen  um.  Das  Opfer  war  überdies  von  keinem 
Nutzen,  denn  Agalhokles  fand  eine  schwache  Stelle  der  Hauer  und  drang  in 
die  Stadt  ein.  Niemand  wurde  verschont ,  auch  nicht  die,  welche  sich  in  die 
Tempel  geflüchtet  hatten.  Nachdem  die  Stadt  ausgeplündert  war,  z(^  Aga- 
lhokles gegen  Hippuakra,  eine  durch  ihre  Lage  an  einem  See  geschuitle  Stadt. 
Auch  diese  wurde  im  Sturm  genommen. 

Agathokles  hatte  jetzt  wirklich  den  grOssten  Theil  der  Karthago  unterwor- 
fenen Stadt«  und  Landschaften  sich  uoterthänig  gemacht ,  und  er  konnte  sich 
rabmen,  dass  von  den  vier  Völkerschaften,  welche  das  karthagische  Beich  be- 
wohnten, eine  ihm  ganz  zugefallen  war:  die  einheimischen  Libyer,  welche 
Karthago  hassten ,  eine  zweite  zum  grossen  Tbeile  ihm  gehorchte:  die  Liby- 
phonicier,  welche  in  ihren  grossen  und  zahlreichen  Städten  doch  immer  noch 
eine  gewisse  Zuneigung  zu  den  mit  ihnen  verwandten  Karthagern  hatten,  aus 
deren  Vermischung  mit  den  Libyern  sie  entstanden  waren;  dass  eine  dritte, 
die  weiter  nach  dem  Innern  und  dem  Westen  wohnenden  Numidier,  ihm  we- 
nigstens nicht  entschieden  abgeneigt  war,  so  dass  ihm  nnr  noch  das  vierte,  am 
wenigsten  zahlreiche  aber  allein  wichtige,  das  herrschende  Volk  der  phttnici- 
schen  Karthager  zu  Überwinden  blieb.  Wenn  nun  auch  Karthago  zu  erobern 
noch  gar  keine  Aussicht  war,  so  dachte  Agathokles  die  gegenwärtige  günstige 
Stellung  in  Afrika  doch  auch  durch  seinen  Sohn  Archagalhos  behaupten  zu 
können ,  so  dass  ihm  die  Höflichkeit  gegeben  war,  durch  persönliche  Anwe- 
senheit auf  Sicilien  seine  dort  sich  immer  schlimmer  gestaltenden  Angelegen- 
heiten wieder  in  Ordnung  zu  bringen.  Er  liess  leichte  Schiffe  und  Funfzig- 
ruderer  bauen  und  fuhr  mit  2000  Soldaten  nach  Sicilien. 

Hier  waren  immer  noch  vier  Parteien  im  Kampfe  begriffen ,  von  denen 
zwei  als  Verbündete  der  dritten  gegenüberstanden :  die  Akraganiiner  und  die 
syrakusanischen  Ausgewanderten  dem  Agathokles,  wahrend  zugleich  die  Kar- 
thager immer  noch  zur  See  Syrakus  blokirt  hielten.  Eine  Zeitlang  waren  die 
Akragantiner  sehr  machtig  gewesen,  aber  ihr  Stern  war  schon  im  Sinken  be- 
griffen. In  einer  Schlacht,  welche  die  agalhokleischen  Feldherren  Leptines 
und  Demophilos  mit  8900  Hann  zu  Fuss  und  4300  Reitern  dem  Xenodikos, 
der  etwa  10,000  Hann  zu  Fuss  und  1000  Beiter  führte,  geliefert  halte,  war 
der  Akragantiner  geschlagen  worden  und  hatte  sich  mit  einem  Verluste  von 
1500  Hann  nach  Akragas  gefluchtet.  Kurze  Zeit  nach  dieser  Schlacht  kam 
Agathokles  in  Sicilien  an  und  konnte  mit  leichter  HUhe  einige  Früchte  dersel- 


Agathokles  nach  Sicilien.  Krieg  in  Afrika.  253 

ben  ernten.  Er  war  in  Selinus  gelandet,  welches  also  seiner  Partei  angehört 
haben  muss,  unterwarf  das  abgefallene  Herakleia  und  zog  dann  nach  der 
Nordküste ,  wo  er  Therma  den  Karthagern  lassen  musste ,  Kephaloidion  aber 
eroberte  und  Leptines  als  Statthalter  daselbst  zurückliess.  Das  Unternehmen 
auf  Rentoripa,  wohin  er  von  Kephaloidion  zog,  misslang ;  von  Verräthern  ein- 
gelassen ,  wurde  er  durch  eine  energische  Anstrengung  der  Bürgerschaft  mit 
einem  Verluste  von  500  Soldaten  wieder  vertrieben.  Besser  gelang  es  ihm  in 
Apollonia ,  das  er  wirklich  nach  schwerem  Kampfe  einnahm.  Die  meisten  Be- 
wohner wurden  von  den  Soldaten  getödtet  und  ihre  Besitzungen  getheitt. 
Während  so  Agathokles  gegen  die  Akragantiner  Fortschritte  machte,  waren 
die  syrakusanischen  Verbannten  keineswegs  unthätig.  Es  kam  ihnen  sogar 
die  Niederlage  der  Akragantiner  zu  statten,  da  Viele  in  Sicilien  Agathokles 
hassten  und  sich  nach  Führern  gegen  ihn  umsahen.  Wenn  Akragas  die 
Führerschaft  nicht  behaupten  konnte,  versuchte  man  es  mit  den  syrakusani- 
schen Aristokraten.  An  ihrer  Spitze  stand  Deinokrates,  und  dieser  behauptete 
gegen  Agathokles  das  Feld. 

Indess  gingen  dem  Tyrannen  auch  die  in  Afrika  bisher  errungenen  Vor- 
theile  verloren.  Anfangs  war  Archagathos  in  seinen  Unternehmungen  glücklich 
gewesen.  Er  hatte  bald  nach  der  Abreise  seines  Vaters  einen  Theil  seiner 
Truppen  unter  der  Anführung  des  Eumachos  in  das  Innere  geschickt.  Dieser 
nahm  die  Stadt  Tokai,  dann  Phelline,  deren  Umwohner,  die  Asphodeloden, 
sich  unterwarfen ;  femer  die  Stadt  Meschela,  die  zuerst  von  Griechen,  welche 
gegen  Troja  gekämpft  hatten,  bewohnt  gewesen  sein  sollte,  Hippuakra ,  ver- 
schieden von  dem  von  Agathokles  früher  unterworfenen ,  und  endlich  Akris, 
das  von  den  Soldaten  geplündert  wurde.  Nach  Beendigung  dieser  Expedition 
kehrte  er  zum  Archagathos  zurück,  wurde  aber  bald  auf  einen  andern  Kriegs- 
zug ausgesandt ,  der  die  Griechen  mit  manchen  wunderbaren  Gegenden  be- 
kannt machte.  Zuerst  griff  er  die  Stadt  Miltine  an ,  wurde  aber  mit  grossem 
Verluste  zurückgeschlagen.  Dann  zog  er  durch  ein  gebirgiges  Land,  wo  es  von 
Katzen  wimmelte,  und  deswegen  keine  Vögel  nisteten,  in  eine  affenreiche 
Gegend,  wo  drei  Städte  lagen,  in  welchen  die  Affen  für  heilig  gehalten  wur- 
den und  mit  den  Menschen  die  Wohnungen  theil ten.  Eine  dieser  Affenstädte 
eroberte  Eumachos,  tiie  beiden  andern  unterwarfen  sich  gutwillig.  Auf  die 
Nachricht,  dass  die  umwohnenden  Völker  gegen  ihn  im  Anzüge  seien ,  kehrte 
er  jedoch  schnell  zum  Archagathos  zurück. 

Die  Karthager  hatten  den  Krieg  nun  eine  Zeitlang  in  der  strengsten  De- 
fensive geführt  und  waren  durch  dieses  System  immer  weiter  in  ihren  Ange- 
legenheiten zurückgekommen.  Karthago  selbst  war  sicher  genug,  aber  schon 
die  Menge  Volks ,  die  in  der  Hauptstadt  zusammengedrängt  war  —  alle  Kar- 
thager in  den  umliegenden  Städten  waren  natürlich ,  sobald  sie  Widerstand 
als  unthunlich  erkannt  hatten,  in  die  Hauptstadt  geflüchtet,  und  Tausende  von 
Söldnern  hielten  sich  ebenfalls  müssig  dort  auf  —  war  durch  den  über  das  ge- 
wöhnliche Mass  hinausgehenden  Verbrauch  von  Lebensmitteln,  die  nur  zur 
See  herbeigeschafft  werden  konnten,  hinderlich.  Da  nun  Agathokles  Afrika 
verlassen  hatte,  so  war  es  zweckmässig,  durch  Aussendung  von  Heeren  zu 
gleicher  Zeit  die  Feinde  zu  belästigen,  die  Anhänger  zu  ermuthigen,  und  den 


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Seichstes  Buch.   III.  Feldzug  des  Agathokles  in  Afrika. 


Verbrauch  der  Lebensmittel  in  Karthago  zu  beschränken.  Karthago  sandle  drei 
Heere  aus,  das  eine  an  die  Küste,  das  zweite  in  die  der  Ktlste  zunächst  gele- 
genen  Gegenden,  das  dritte  endlich  in  das  Innere.  So  musste  auch  Arcbagathos 
seine  Macht  in  drei  Theile  theiien^  ja  sogar  in  vier,  da  ausser  den  drei  Ab- 
theilungen ,  welche  gegen  die  karthagischen  Heere  ausgesandt  wurden ,  und 
welche  Eumachos,  Aischrion  und  Archagathos  selbst  befehligten,  auch  noch  in 
Tunes  zur  Beobachtung  von  Karthago  eine  Besatzung  zurückbleiben  musste. 
DiBr  Krieg  entschied  sich  bald  zu  Gunsten  der  Karthager.  Im  Miitellande  wurde 
Aischrion  von  Hannen  in  einen  Hinterhalt  gelockt,  in  welchem  er  selbst  mit 
mehr  als  4000  Fusssoldaten  und  SOO  Reitern  umkam;  die  übrigen,  soweit  sie 
nicht  gefangen  genommen  wurden,  retteten  sich  500  Stadien  weit  zum  Heere 
des  Archagathos.  Im  Innern  kämpfte  Himilkon  gegen  Eumachos  mit  demselben 
Erfolg.  Als  es  zur  Schlacht  zwischen  den  beiden  Heeren  kommen  sollte,  be* 
setzte  Himilkon  eine  Stadt,  in  deren  Nähe  er  lagerte ,  mit  einem  Theile  seiner 
Truppen ,  denen  er  den  Befehl  gab ,  sobald  er  mit  den  übrigen  in  verstellter 
Flucht  die  Griechen  nach  sich  gezogen  hätte,  hervorzubrechen  und  die  Feinde 
zu  überfallen.  Die  List  gelang  vollkommen.  Die  Griechen  gingen  in  die  Falle 
und  wurden  vollständig  besiegt.  Auch  eine  griechische  Abtheilung ,  welche 
sich  auf  einen  Hügel  flüchtete  und  sich  dort  eine  Zeitlang  vertheidigte,  wurde 
zuletzt  überwunden.  Von  8000  Fusssoldaten,  aus  denen  dieses  Heer  bestan- 
den hatte,  retteten  sich  nur  30  und  von  800  Reitern  nur  40  Mann. 

Diese  beiden  Schläge  vernichteten  die  Macht  der  griechischen  Abenteurer 
in  Afrika.  Fast  alle  Städte  hielten  es  für  zeitgemäss,  wieder  zu  den  Kartha- 
gern abzufallen ,  und  das  Centrum  der  griechischen  Stellung,  Tunes,  wurde 
selbst  eingeschlossen,  von  der  Seeseite  wie  vom  Lande  her,  wo  einerseits 
Himilkon,  4  00  Stadien  von  Tunes  mit  einem  Heere  stehend,  alle  Zugänge  zum 
flachen  Lande  versperrte,  während  andererseits  Adherbal  nur  40  Stadien  von 
Tunes,  wohl  nach  Karthago  zu,  ein  Lager  aufgeschlagen  hatte.  Es  war  nothwen- 
dig,  dass  Agathokles  selbst  sich  an  die  Spitze  stellte ;  sein  erfinderischer  Geist 
allein  konnte  die  Griechen  retten,  wenn  sie  noch  zu  retten  waren.  Agatharchos 
sandte  seinem  Vater  die  dringende  Auffol^derung,  wieder  nach  Afrika  zu  kommen. 

Agathokles  war  auf  Sicilien  wenig  glücklich  gewesen.  Deinokrates  hatte 
durch  das  Vorgeben,  die  Bestrebungen  der  Akragantiner  fortsetzen  zu  wollen, 
eine  Macht  von  fast  20,000  flann  zu  Fuss  und  4  500  Reiter  gesammelt,  mit 
welchen  er  Agathokles  überlegen  war^  der  deshalb  eine  Schlacht*  vermied  und 
sich  meistens  in  Syrakus  aufhielt.  Als  ihm  die  schlimmen  Nachrichten  aus 
Afrika  zukamen,  brachte  er  4  7  Kriegsschifife  für  eine  Fahrt  dahin  zusammen.  Es 
stand  aber  damit,  wie  vor  drei  Jahren ;  die  Karthager  hielten  noch  immer  den 
syrakusanischen  Hafen  blokirt,  und  den  30  karthagischen  Schiffen  waren  die 
47  griechischen  nicht  gewachsen.  Da  kam  zu  gelegener  Zeit  Hülfe  aus  Etru- 
rien,  4  8  Kriegsschiffe.  Nun  entwarf  er  einen  Plan,  der  vollkommen  gelang, 
da  er  darauf  begründet  war ,  dass  die  Karthager  von  der  Anwesenheit  der  in 
der  Nacht  ankommenden  etrurischen  Schiffe  nichts  wussten.  Er  fuhr  mit  den 
47  Schiffen  aus,  und  die  Karthager  verfolgten  ihn  sogleich 'mit  ihren  30.  Nun 
kamen  aber  auch  die  48  tyrrhenischen  Schiffe  aus  dem  Hafen  von  Syrakus 
hervor,*  und  als  Agathokles  sie  bemerkte,  wandte  er  mit  den  Seinigen  um  und 


r 


Agatbokles  kehrt  nach  Afrika  zurück.  255 

griff  die  Karthager  an,  die  sich  so  von  zwei  Feinden  in  die  Mitte  genommen 
sahen  und  schleunigst  die  Flucht  ergriffen.  Fünf  Schiffe  fielen  mit  der  Be- 
satzung den  Griechen  in  die  Hände,  darunter  das  ^es  karthagischen  Flotten- 
führers, der,  um  der  Schande  der  Gefangenschaft  zu  entgehen,  sich  selbst 
tödtete.  Aber  sein  Opfer  wurde  überflüssig,  denn  ein  plötzlicher  Windstoss 
trieb  das  Admiralschiff  zwischen  den  griechischen  Schiffen  hindurch  in  das 
offene  Meer  und  befreite  es.  Dieser  Erfolg  war  besonders  deswegen  erwünscht, 
weil  er  Syrakus  wieder  zu  verproviantiren  gestattete.  Agathokles  zOgerte  noch 
einige  Zeit  mit  der  Abfahrt  nach' Afrika,  um  auch  zu  Lande  wo  möglich  einen 
Sieg  davonzutragen  und  so  mit  grösserem  Nachdruck  auftreten  zu  können. 
Der  Erfolg  wurde  wieder  auf  Kosten  der  Akragantider  gesucht  und  erreicht. 
Xenodikos  war  durch  seine  neuliche  Niederlage  in  heftige  Streitigkeiten  mit 
einer  mächtigen,  ihm  schon  früher  feindlichen  Partei  in  Akragas  verwickelt 
worden  und.  fand  bei  seinen  Mitbürgern  nicht  die  gehörige  Unterstützung. 
Als  nun  Leptines  auf  Befehl  des  Agathokles  in  das  Gebiet  von  Akragas  einfiel, 
wollte  Xenodikos  anfangs  keine  Schlacht  liefern ,  weil  er  die  Ueberlegenheit 
des  Gegners  einsah.  Aber  höhnische  Reden  von  Akragantinern  trieben  ihn 
dazu,  sich  mit  den  Soldaten  des  Agathokles  zu  messen,  die  mit  ihrer  grösseren 
kriegerischen -Uebung  über  die  Städter  des  Xenodikos  leicht  siegten  und  sogar 
bis  an  die  Thore  von  Akragas  die  Geschlagenen  verfolgten,  welche  500  Mann 
zu  Fuss  und  50  Reiter  verloren.  Xenodikos  floh  nach  Gela,  um  seinen  Feinden 
in  Akragas  zu  entgehen.  Nicht  zufrieden  mit  den  Siegen  über  Karthager  und 
Akragantiner ,  .hielt  Agathokles  es  für  noth wendig,  auch  in  Syrakus  vor  seiner 
Abfahrt  Schrecken  zu  verbreiten.  Er  lud  500  der  angesehensten  Syrakusa- 
ner  zu  einem  Gastmahle  und  Hess  sie  bei  demselben  dui*ch  seine  Söldner 
sämmtlich  umbringen.  Nun  erst  schien  ihm  die  Fahrt  nadb  Afrika  sicher, 
306  v.Chr. 

Hier  trat  er  als  König  auf.  Vor  ganz  kurzer  Zeit  hatte  Antigonos  sich  den 
Königstitel  beigelegt,  andere  Diadochen  waren  ihm  nachgefolgt,  und  Agathokles 
wollte  Männern  nicht  an  Glanz  nachstehen,  denen  er  sich  trotz  seiner  bedenk* 
liehen  augenblicklichen  Lage  in  jeder  Beziehung  gewachsen  fühlte.  Er  ist  der 
erste  Alleinherrscher  von  Syrakus  gewesen ,  der  die  Münzen  dieser  Stadt  mit 
seinem  Namen  bezeichnet  hat.  Er  beschloss  sogleich  eine  Schlacht  zu  liefern, 
um  so  mit  einem  Schlage  seine  Lage  zu  verbessern.  Seine  Macht  war  nicht 
bedeutend:  6000  .Griechen,  ebenso  viele  Kelten,  Samniter  und  Tyrrhener, 
endlich  fast  ^ 0,000  Libyer,  Verbündete  von  zweifelhaftem  Werthe;  dazu 
kamen  noch  1500  Reiter  und  über  6000  libysche  Gespanne.  Die  karthagische 
Streitmacht  war  weit  beträchtlicher  und  befand  sich  in  einer  vortrefflichen, 
durchaus  geschützten  Stellung.  Die  Karthager,  mit  Lebensmitteln  reichlidi 
versehen,  zogen  es  vor,  die  Griechen  durch  Verweigerung  einer  Schlacht  zu 
ermüden  und  sie  wo  möglich  auszuhungern.  Endlich  wurde  das  Warten  dem 
Agathokles  unerträglich,  er  entschloss  sich  zum  Angriff.  Das  war  es,  was  die 
Karthager  gewollt  hatten;  sie  warfen  sich  mit  grosser  Uebermacht  auf  das 
agathokleische  Heer  und  trieben  es  nach  längerem  Widerstand  zurück.  Nun 
beobachteten  sie  ein  sehr  kluges  und  für  die  Griechen  verderbliches  Verfah- 
ren.   Sie  Hessen  die  Libyer  im  Heere  des  Agaüiokles  unverletzt  ziehen  und 


■"^•'fi^Är'"' 


Sechstes  Buch.    III.  Feldzug  des  Agathokles  in  Afrika. 


e  Griechen  und  Ilaler  an,  so  dass  die  Niederlage  des  Agalhokles 
sländige  wurde.  3000  Mann  aus  seinem  Heere  kamen  um.  Die 
Hbokles  war  verloreo. 

.cht  nach  dem  Kampfe  ereignete  sich  ein  ganz  eigen thüm lieber  Vor- 
gewshnlichkeit  den  Übrigen  seltsamen  Episoden  dieses  eigenthUm- 
(  nicht  nacbslt^nd  und  dem  Feldzuge  ein  schnelles  Ende  bereitete, 
hen  Lager  wurden  die  schönsten  der  gefangenen  Feinde  den  Gut- 
er verbrannt.  Wahrend  die  Flamme  hell  aufloderte ,  erhob  sich 
Vind;  das  Feuer  ergriff  das  unfern  vom  Allare  stehende  heilige 
5  nahe  Feldfaerrnzelt,  hierauf  die  Zelte  der  Ofßcier. .  Ein  grosser 
ste  die  Soldaten;  bei  den  Versuchen  zu  loschen  oder  die  kostbar- 
nde  zu  retten,  kamen  viele  um,  und  bald  stand  das  ganze  Lager, 
grSsslentheils  nur  aus  Bohr  und  Stroh  bestanden,  in  Flammen, 
dränge  verliess  das  Heer  den  Lagerplatz.  Da  ereignete  sich  etwas 
ireres.  Ungefähr  5000  derber  dem  Agalhokles  beßndlichen  Libyer 
derselben  Nacht  das  griechische  Lager,  um  zu  den  Karthagern 

Als  sie  näher  kamen,  wurden  sie  von  den  karthagischen  Wacbt- 
ranrUckende  Feinde  gehalten,  und  als  die  durch  die  Feuersbrunst 
rten  Soldaten  diese  Nachricht,  von  ihren  Wachtposten  empfingen, 
n  der  |grössten  Bestürzung  in  der  Bichtung  nach  Karthago  fort, 
kelbeit  bewirkte,  dass  die  aus  verschiedenen  Lagerpforten  zu  glei- 
vorbrechenden  Soldaten  im  Aufeinanderstossen  Sich  gegenseitig 
}lten  und  handgemein  wurden.  Es  entspann  sich  ein  furchtbarer 
'elchem  mehr  als  5000  umkamen.  Die  tlbrigen  retteten  sich  nach 
ort  hatl«.man  schon  von  dem  angeblichen  Ucberfall  der  Feinde 
ind  erwartete,  als  man  die  Tbore  Öffnete,  um  die  Fluchtigen  ber- 
eden Augenblick,  dass  die  Griechen  sich  zeigen  wurden.  Erst  als 
ach,  wurde  man  des  Irrlhums  inne. 

gathokles  von  diesen  Vorgängen  im  karthagischen  Heere  gewusst 
rde  es  ihm  leicht  geworden  sein ,  die  Niederlage  der  Karthager 
lehren,  aber  er  gerieth  um  dieselbe  Zeit  in  eine  ahnliche  Lage, 
]e.  Die  Libyer  nämlich,  welche  zu  den  Karthagern  Ubei^ehen 
3n,  durch  den  gewaltij^en  Feuerschein  und  das  ungeheure  Gelttse, 
lern  karthagischen  Lager  immer  deutlicher  heruberschallte,  Über- 
irem  Harsche  an  und  kehrten  endlich  wieder  zu  den  Griechen 
'  aber  brachten  sie  dieselbe  Wirkung  hervor ,  wie  bei  den  Kar- 
icbtposten  hielten  sie  für  die  anrückenden  Feinde,  und  brachten 
'iechische  Lager  in  Alarm.  Die  plötzlich  aufgestörten  Soldaten 
cb  eilig,  um  den  Feinden  entgegenzutreten,  als  sie  auch  schon 
•T  hoher  erhebenden  Flammen  in  der  Entfernung  bemerkten.  Sie 
ils  ein  zwischen  den  feindlichen  Anführern  verabredetes  Zeichen, 
n  Augenblicke  die  ganze  feindliche  Macht  gegen  sie  gefuhrt  wer- 
1  stürzten,  ohne  zu  wissen,  was  nun  geschehen  solle,  zum  l^a^r 
Kommando  war  nicht  zu  denken.    Da  kamen  die  Libyer  i^ieder 

wurden  für  Feinde  gehallen,  und  bald  befanden  sich  Libyer  und 
iüimpfe  mit  einander.    Die  ganze  Nacht  zogen  wirre  kampfende 


Flucht  des  Agatbokles  nach  Sicilien.    Ende  des  afrikanischen  Feldzugs.  257 

Haufen  auf  den  Feldern  umher.    Mehr  als  4000  kamen  um.    Auch  hier  ward 
erst  am  Morgen  der  Irrthum  bemerkt. 

Dieselben  Ursachen  hatten  unter  den  gegenwärtigen  UmsUlnden  natürlich 
nur  auf  griechischer  Seite  schlimme  Folgen.  Die  Unglücksnacht  entschied  den 
Abfall  der  Libyer,  und  nun  war  für  Agathokles  keine  Aussicht  auf  Erfolg 
mehr.  Es  war  zweifelhaft,  ob  er  sich  überhaupt  noch  rollen  konnte.  Denn 
woher  sollte  er  Schiffe  nehmen ,  um  das  noch  übrige  Heer  nach  Sicilien  zu- 
rückzuführen ,  und  wenn  die  Karthager  ihm  und  den  Seinigen  auch  vielleicht 
eine  Capitulation  bewilligten,  konnte  er  darauf  rechnen^  dass  sie  sie  auch 
halten  würden?  Mussle  nicht  sein  Tod  eine  Warnung  für  alle  werden,  die 
nach  ihm  ähnliches  zu  versuchen  die  Keckheit  haben  würden?  Er  konnte  nur 
mit  wenigen  Begleitern  fliehen,  das  Heer  musste'da  bleiben.  Von  seinen 
beiden  Söhnen  wollte  er  nur  den  jüngeren,  Herakleides,  mitnehmen;  den 
filteren,.  Archagathos,  fürchtete  er  und  argwöhnte,  er  trachte  ihm  nach  dem 
Leben ;  dieser  sollte  in  Afrika  zurückgelassen  werden  und  die  beabsichtigle 
Flucht  des  Vaters  ihm  ein  Geheimniss  bleiben.  Aber  Archagathos  erfuhr  von 
dem  Vorhaben,  und  aus  Wulh  darüber,  dass  er,  der  so  lange  Noth  und  Ge- 
fahr in  Afrika  bestanden  hatte ,  [nun  den  Feinden  in  die  Hände  fallen  solle, 
theille  er  seine  Entdeckung  einigen  höheren  Officieren  mit,  welche  die  Abfahrt 
des  Agathokles  verhinderten  und  dem  Heere  sein  Vorhaben  mittheilten.  Die 
Soldaten  liefen  zusammen ,  legten  Hand  an  Agathokles  und  setzten  ihn  ge- 
fangen. 

So  war  denn  völlige  Anarchie  im  Lager,  und  es  war  natürlich,  dass  sich 
gleich  in  der  folgenden  Nacht  der  Ruf  erhob,  die  Feinde  rückten  heran.  Alle 
stürzten  heraus,  aber  ohne  Ordnung,  ohne  Führer;  die  Wächter  des  Aga- 
thokles, denen  es  vorkam,  als  würden  sie  gerufen,  führten  ihren  Gefangenen 
unter  die  Menge.  Da  brach  bei  diesem  Anblicke  plötzlich  die  alte  Anhänglich- 
keit an  den  Feldherrn  wieder  hervor,  und  alle  schrieen,  man  solle  seine 
Fesseln  lösen.  Der  Wille  der  Soldaten  mochte  sein,  dass  er  sich  an  ihre  Spitze 
stellen  und  sie  gegen  den  Feind  führen  solle.  Aber  Agathokles  benutzte  seine 
Freiheit  nur  zur  Flucht.  Es  gelang  ihm,  auf  ein  Schiff  zu  kommen  und  abzu- 
fahren. Als  die  Soldaten  das  hörten ,  geriethen  sie  von  neuem  in  Wuth ;  da 
sie  den  Fürsten  nicht  mehr  erreichen  konnten,  so  ermordeten  sie  seine  beiden 
Söhne;  dann  wählten  sie  Anführer  aus  ihrer  Mitte  und  begannen  Unterhand- 
lungen mit  den  Karthagern.  Diese  sahen  nicht  ein,  weshalb  sie  sich  mit  den 
Soldaten,  da  der  Feldherr  doch  entsprungen  war,  unnöthige  Mühe  machen 
sollten,  sie  gewährten  ihnen  günstige  Bedingungen.  Die  Griechen  überlieferten 
die  Städte^  in  deren  Besitz  sie  noch  waren,  und  erhielten  dafür  300  Talente ; 
wer  wollte ,  konnte  mit  gutem  Solde  in  karthagischen  Dienst  treten ;  die  an- 
dern bekamen  Wohnsitze  in  Solus  auf  Sicilien.  Einige  Besatzungen  wollten 
nicht  auf  diese  Bedingungen  die  ihnen  von  Agathokles  anvertrauten  Städte 
übergeben ;  sie  unterlagen  im  Kampfe,  und  während  ihre  Anführer  an's  Kreuz 
geschlagen  wurden,  mussten  sie  selbst  das  Land,  welches  sie  in  Afrika  ver- 
wüstet hatten,  in  Fesseln  wieder  bebauen. 

Dies  war  das  klägliche  Ende  des  Feldzugs  des  Agathokles  in  Afrika.    Er 
soll  an  demselben  Tage  geflohen  sein  und  seine  Söhne  verloren  haben,   an 

Holm,   Ooach,  Siciliens.  II.  17 


.  ♦ 


258    Sechstes  Buch,  IV.  Aushrcituog  der  Herrschaft  des  Agathokies  nach  Osten.  Sein  Tod. 

dem  er  ein  Jahr  früher  (?)  Ophelias  ermordet  hatte,  und  die  Mörder  des  Arcba- 
gathos  und  Herakleidcs  sollen  alte  Soldaten  des  Ophelias  gewesen  sein.  Ob 
aber  der  Verlust  seiner  Söhne  einem  Agathokles  eine  Strafe,  und  nicht  viel- 
mehr in  der  Lage,  in  welcher  er  sich  damals  befand,  ein  gern  gezahltes  Löse- 
geld fUr  die  Rettung  seines  eigenen  Lebeos  dünkte? 

Griechen  war  es  nicht  beschieden,  eine  Stadt,  die  an  Energie  den  dama- 
ligen Hellenen  weit  überlegen  war ,  zu  stürzen ;  bedurfte  es  doch  später  der 
ganzen  Anstrengung  des  mcichtigen  und  kräftigen  Roms ,  um  dieses  Ziel  ku 
erreichen. 


Viertes    Kapitel. 
Ausbreitung  der  Herrschaft  des  Agathokles  nach  Osten.    Sein  Tod. 

U\  Siciüen  angekommen ,  befürchtete  Agathokles,  dass  seine  Flucht  seine 
Feinde  ermuthigen  möchte.  Das  beste  Mittel  dagegen  war  eine  recht  auffal- 
londe  Grausamkeit,  die,  am  rechten  Platze  angewandt,  auch  seine  leere  Kasse 
füllen  konnte.  Er  begab  sich  nach  Segesla,  das  ihm  befreundet  war,  und  liess 
einige  Truppen  dahin  kommen.  Dann  zwang  er  die  Egestäer,  ihm  den  grössten 
Theil  ihres  Vermögens  auszuliefern,  und  als  sie  unl)esonnen  genug  waren,  die 
Beraubung  nicht  ohne  lauten  Unwillen  zu  ertragen ,  stellte  er  mit  seinen  Ban- 
den unter  dem  Vorwande,  dass  man  ihm  nach  dem  Loben  trachte,  ein  ent- 
setzliches Blutbad  unter  ihnen  an.  Die  Stadt  war  damals  eine  der  l)cdeutend- 
sten  Siciliens.  Von  ihren  Einwohnern  liess  er  die  ärmeren  aus  der  Stadt  an  das 
Ufer  des  Skamander  führen  und  abschlachten;  die  wohlhabenderen  aber  liess 
er  auf  die  raffinirleste  Weise  martern,  damit  sie  angeben  sollten,  wo  ihre  noch 
übrigen  Schütze  lügen.  Das  scheussHchsle  von  seinen  Marterwerkzeugen  war 
eine  Nachahmung  des  Stiers  des  Phalaris,  mit  dem  Unterschiede,  dass  das 
Marterwerkzeug  des  Agathokles  ein  ehernes  Gefiiss  war,  welches  die  Form  des 
menschlichen  Körpers  hatte,  aber  oben  oflen  war,  so  dass  die  unglücklichen 
Opfer  in  ihrer  Qual  von  dem  Tyrannen  beobachtet  werden  konnten.  Vorneh- 
men Frauen  wurden  die  Knöchel  mit  Zangen- gequetscht,  die  Brüste. abge- 
schnitten. Viele  EgestUer  tödteten  sich  selbst  oder  verbrannten  sich  mit  ihren 
Häusern.  Die  Jungfrauen  und  Knaben  von  Egesta  verkaufte  Agathokles  an  dit* 
Rruttier  in  Italien*  Von  der  Stadt  sollte  nicht  einmal  der  Name  Ubi*ig  bleiben: 
Agathokles  nannte  sie  Dikaiopolis  und  gab  sie  Ueberläufern  zum  Wohnsitz. 

Und  so  wie  er  selbst  in  Segesta  gcwüthet  hatte,  so  Hess  er  seinen  Bruder 
Antandros  in  Syrakus  wüthen.  Das  Heer  in  Afrika,  welches  er  so  feig  im 
Stiche  gelassen  hatte,  hatte  sich  ja  empört  und  seine  Söhne  umgebracht.  Die 
Soldaten,  welche  er  aus  Syrakus  mit  nach  Afrika  genommen  hatte,  sollten 
iiim,  wie  wir  wissen,  als  Geiseln  für  die  Treue  der  Syrakusaner  bürgen*  Nun 
war  diese  Bürgschaft  für  ihn  verloren,  und  er  beschloss,  umgekehrt  an  den 


Agnüiokles  und  Deinokrales.  259 

Syrakusanern  Rache  fur  das  von  ihren  Veiwandten  in  Afrika  Begangene  oder 
(leduldeic  zu  nehmen.  Kr  gab  Aniandix>s  den  Befehl ,  die  Familien  derer, 
welche  mil  ihm  nach  Afrika  gezogen  waren ,  ohne  alle  Schonung  eitnorden  zu 
lassen.  Anlandros  führte  den  Befehl  aus.  Juug  und  all,  Greise  und  Kinder, 
Männer  und  Frauen,  alle  wurden  hingeschlachtet.  Die  Mordthaten  geschahen 
am  Meeresufer;  das  Meer  färbte  sich  roth  von  dem  vielen  Blute;  die  Leichen 
blieben  am  Ufer  liegen,  und  Niemand  wagte  es,  ihnen  die  leiste  Ehre  zu 
erweisen.     So  befesligie  Agathokles  seine  Herrschaft. 

Es  blieb  ihm  aber  trotzdem  noch  viel  zu  thun  tlbrig.  Er  zog  in  Sicilien 
umher  (01.  14  8,  3-r-306  v.  Chr.);  verstärkte  die  Besatzungen  der  ihm  unter- 
worfenen Siadle  und  trieb  Geld  ein.  Sein  Hauptgegner  war  und  bliebe Deino- 
krates,  zu  dem  sogar  Pasiphilos,  sein  langjähriger  Feldherr,  überging ;  die  ihm 
anvertrauten  Städte  lieferte  er  dem  Deinokrates  in  die  Hände.  Nun  geschah 
etwas  unerwartetes.  Agathokles,  noch  im  Besitze  von  S^Takus^  das  nicht 
einmal  von  Deinokrates  belagert  war,  bot  seinem  Gegner  an,  unter  gewissen 
Bedingungen  die  Herrschaft  niederlegen  zu  w^ollen.  Die  Bedingungen  waren 
folgende:  Syrakus  sollte  frei  werden  und  Deinokrates  als  Privatmann  zurück- 
kehren; Agathokles  aber  die  Städte  Therma  und  Kephaloidion  (von  denen 
jenes  also  doch  in  Agathokles'  Besitz  gekommen  sein  musste,  vgl.  S.  253)  be- 
halten. Deinokrates  aber,  der  ein  stattliches  Heer  von  mehr  als  20.000  Mann 
zu  Fuss  und  3000  Reitern  l)efehligte,  der  nur  dem  Namen  nach  Feldherr  der 
syrakusanisoben  Verbannten,  in  Wirklichkeit  ein  Könige  wie  die  Diadooben  oder 
wie  Agathokles  in  Afrika  war,  fühlte  wenig  Neigung,  als  Bürger  in  Syrakui  zu 
leben,  und  verzögerte  auf  alle  Weise  den  Abschluss  des  Vertrages,  den  er 
(loch  des  guten  Scheines  wegen  nicht  umhin  konnte,  zu  billigen.'  Agathokles 
zeigte  diBu  grOssten  Eifer,  von  seiner  Tyrannis  entledigt  zu  werde4i;  Dei|ko~ 
krates  aber  forderte  bald ,  dass  Agathokles  sich  ganz  aus  Sicilien  entfernen 
solle,  bald  Geiseln  in  der  Person  seiner  Kinder.  Dies  Verfahren  hatte  die  dem 
Agathokles  nützliche  und  von  ihm  vorausgesehene  W^irkung,  dass  jetzt  nicht 
sowohl  er  als  Doinokrales  das  Haüplhinderniss  der  Freiheit  der  Syrakusaner 
zu  sein  schien,  und  dass  sogar  manche  unter  den  syrakusanisohen  Verl>annten 
anfingen,  ihre  Gesinnung  gegen  Agatlmkles  su  ändern.  Natürlich  war  das  An- 
erbieten des  Tyrannen  nichts  als  eine  gewagte  List,  wie  dieser  merkwürdige 
Mann  sie  liebte.  Wenn  wider  alles  Erwarten  Deinokrates  so  schlau  gewesen 
wäre,  darauf  einzugehen  ,  so  würde  Agathokles  schon  Mittel  gefunden  hab^n, 
auszuweichen  und  das  gehässige  des  Abbruches  der  Verhandlungen  c|ennoch 
auf  seinen  Gegner  zu  schieben.  Es  gelang  dem  Agathokles  auch,  mit  den  Kar- 
thagern einen  Frieden  zu  schliessen,  der  unter  den  gegenwärtigen  Umständen 
für  ihn  sehr  vortheilhaft  war,  und  durch  den  auch  die  Karthager,  die  wir  uns 
(loch  ziemlich  erschöpft  denken  müssen,  gewannen.  Sie  erhielten  ihr  früheres 
Gebiet  in  Sicilien,  —  westlieh  vom  llalykos  —  zurück  und  zahlten  dafür  an 
Agathokles  300  oder,  nach  Timaios,  i50  Talente  und  ausserdem  noch  200,000 
Scheffel  Weizen. 

Nun  war  Agathokles  die  Möglichkeit  gegeben^  seine  ganze  Kraft  dem  hel- 
lenischen Theile  der  Insel  zuzuwc^nden.  Es  kam  die  Zeit  der  Abrechnung 
zwischen  ihm  und  Deinokrates.  Sie  vollzog  sich  in  folgender  Weise  im  n^hsten 

17* 


260    Sechstes  Buch.  IV.  Ausbreitung  der  Herrschaft  des  Agathokles  nach  Osten.  Sein  Tod. 


Jahre  (01.  418,  4  —  305  v.  Chr.).  Agathokles  beschioss,  eine  Schlacht  zu 
wagen ,  auf  welche  er  sich  durch  geheime  Unterhandlungen  mit  einem  Theile 
der  Flttchtlinge  unter  Deinokrates'  Führung,  trefllich  vorbereitet  halte.  An  Zahl 
der  Truppen  stand  er  Deinokrates  nach ;  während  er  nur  5000  Mann  zu  Fuss 
und  800  Reiter  hatte,  zählte  Deinokrates  25,000  Mann  zu  Fuss  und  3000 
Reiter.  Aber  in  der  Schlacht  gingen  2000  von  den  Soldaten  des  Deinokrates 
zum  Tyrannen  über,  und  dies  entschied  den  Kampf.  Das  Heer  des  DeinokraK's 
ergriff  die  Flucht.  Agathokles  verfolgte  die  Flüchtigen  eine  Strecke  weit,  dann 
schickte  er  ihnen  eine  Rotschaft  mit  der  Aufforderung ,  den  Krieg  aufzugeben 
und  in  ihre  Heimath  zurückzukehren;  die  Schlacht  habe  ihnen  gezeigt,  dass 
sie  trotz  ihrer  Ueberzalil  ihm  nicht  gewachsen  seien.  Die  Retter  hatten  sich 
vom  Schlachtfelde,  welches  in  der  Nühe  eines  Ortes,  Namens  Gorgion  [Claver 
Torgion]  lag,  nach  der  Stadt  Ambikes  gerettet^  von  den  Fusssold^ten  waren 
manche  in  der  auf  die  Schlacht  folgenden  Nacht  entlaufen ; .  eine  grosse  Anzahl 
derselben  aber  hatte  einen  Hügel  besetzt  und  scfaloss  von  da  einen  Vertrag  mit 
Agathokles ,  der  ihnen  die  Rückkehr  in  das  Vaterland  zusicherte.  Sie  kamen 
von  ihrem  sichern  Standpunkt  herunter,  legten  auf  das  Geheiss  des  Tyrannen 
die  Waffen  ab  und  wurden,  nach  Timaios  7000,  nach  anderen  9000  an  der 
Zahl,  sfimmtlich  von  den  Söldnern  des  Tyrannen  niedergemacht.  Rei  der  be- 
kannten Treulosigkeit  des  Agathokles  ist  nicht  sowohl  diese  Untbat,  als  viel- 
mehr die  Dummheit  von  Leuten,  die  ihm  noch  trauten,  zu  verwundern.  Ganz 
anders  verfuhr  er  dagegen  mit  Deinokrates  selbst,  den  er  wieder,  wie  vor 
1%  Jahren,  verschonte.  Deinokrates  war  freilich  ein  Mann  nach  seinem  Sinn, 
er  liess  Pasiphilos ,  der  zu  ihm  Übergegangen  war  und  sich  in  Gela  aufhielt, 
todten  ufid  überlieferte  alle  Städte  und  Rurgen,  die  er  noch  hatte,  an  Aga- 
thokles. Aber  wie  konnte  Einer  dem  Andern  trauen?  Hier  ist  ein  Rathsei, 
das  wir  nicht  zu  lösen  vermögen.  Sollte  der  ganze  Abfall  des  Deinokrates  nur 
ein  mit  Agathokles  abgekartetes  Spiel  gewesen  sein ,  um  sicherer  die  Gegen- 
partei zu  verderben?  Wir  möchten  es  glauben.  Gewiss  ist  jedenfalls,  dass 
Agathokles  bis  an  sein  Lebensende  dem  Deinokrates  zugethan  blieb,  und  dass 
dieser  ihm  hinfort  als  Feldherr  diente. 

Agathokles  hatte  nun  die  stürmischste  und  abenteuerlichste  Periode 
seines  Lebens  hinter  sich  und  konnte  sich  mehrere  Jahre  hindurch  einer  ge- 
sicherten Herrschaft  über  einen  grossen  «Theil  Siciliens  erfreuen.  Wenn  das 
karthagische  Gebiet  bis  zum  Halykos  sich  erstreckte,  so  ist  dagegen  nicht  klar, 
ob  die  Herrschaft  des  Agathokles  das  ganze  übrige  Sicilien  umfasste ;  insbe- 
sondere, ob  auch  Akragas  sich  ihm  unterwerfen  musstC;  Leider  bricht  das  aus 
dem  Werke  Diodor's  Erhaltene  bei  dieser  Periode  der  Geschichte  des  Agathokles 
ab.  Doch  wissen  wir  eben  genug  davon,  um  sagen  zu  können,  dass  er  in  der 
letzten  Hälfte  seiner  Regierung  in  ganz  ähnlicher  Weite  den  Fussstapfen  des 
Hlteren  Dionys  folgte,  wie  er  dies  in  der  ersten  gethan  hatte.  Auf  die  Kriege 
im  Westen,  gegen  Karthago,  folgten  Kriege  im  Osten,  Unternehmungen  in 
Italien  wie  im  adriatiscben  Meer,  und  endlich  macht,  wie  bei  Dionys,  ein  Ver- 
such, sich  wieder  gegen  Karthago  zu  wenden,  der  bei  Agathokles  aber  nicht 
zur  Ausführung  gedeiht,  den  Schluss. 

Seine  Untemehmimgen  im  Norden  begannen   schon  Ol.  4  49,  4  — 304 


Agathokles  gegen  Grossgriechenlaod.   Agathokles  in  Kerkyra.  261 

V.  Chr.  mit  einem  PlUnderungszuge  nach  Lipara,  das,  im  tiefsten  Frieden 
überfallen ,  50  Talente  schaffen  musste.  Als  das  Geld,  welches  die  Liparäer 
im  Stande  waren  zu  liefern ,  nicht  soviel  betrug ,  nahm  er  eine  Masse  von 
Weihgeschenken,  welche  im  Prytaneion  der  Stadt  aufbewahrt  und  nach  ihren 
Inschriften  theils  dem  Aiolos,  theils  dem  Hephaistos  gewidmet  waren,  weg. 
Aber  1 4  Schiffe,  welche  den  Raub  trugen,  gingen  unterwegs  durch  Stürme  zu 
Grande ;  das  war  die  Rache  des  Aiolos ,  und  die  Rache  des  Hephaistos  brachte 
Agathokles  den  Tod^  freilich  erst  nach  45  Jahren  i 

Die  nächsten  Thaten  des  Tyrannen ,  welche  ihn  auf  eine  Höhe  der  Macht 
heben,  die  der  des  filteren  Dionys  vollkommen  entsprach ,  liegen  in  einem  nur 
durch  wenige  Streiflichter  erhellten  Dunkel  Wie  wir  ihn  zuerst  wiederfinden 
—  es  ist  um  das  Jahr  300  bis  298  —  reicht  sein  Arm  schon  bis  Kerkyra, 
welches  in  seine  Hände  fällt.  Wir  müssen,  um  diese  Verhältnisse  richtig  wür- 
digen zu  können,  ein  wenig  zurückgreifen. 

Im  Jahre  305  fühlten  sich  die  Tarentiner  wieder,  wie  5*0  oft,  in  die  Noth- 
wcndigkeit  versetzt,  fremde  Hülfe  in  Anspruch  zu  nehmen,  hauptsächlich 
gegen  die  sie  bedrängenden  Lukaner ,  daneben  aber  auch  zur  Hebung  ihres 
Einflusses  auf  die  mittelitalischen  Angelegenheiten  überhaupt.  Der  Retter 
sollte  diesmal  der  Spartaner  Kleonymos^  der  Oheim  des  Königs  Arcus  und 
jüngerer  Bruder  des  uns  bekannten,  damals  schon  verstorbenen  Akrotatos 
sein.  Er  that  anfangs  seine  Schuldigkeit,  bald  aber  gab  er  sich,  wie  nur  zu 
oft  die  Spartaner  im  Auslande ,  wo  ihnen  eine  übergrosse  Macht  zufiel ,  dem 
ausschweifendsten  Leben  hin  und  machte  seine  Stellung  dadurch  unhaltbar; 
er  dachte  einen  Augenblick  daran,  die  Erbschaft  seines  Bruders  Akrotatos  an- 
zutreten und  sich  in  Sicilien  ein  Reich  zu  gründen ;  aber  es  war  gegen  Aga- 
thokles doch  nicht  wohl  aufzukommen ,  und  er  warf  sich  etwa  um  das  Jahr 
303  auf  Kerkyra,  das  er  unterjochte  und  ausplünderte.  Demetrios  der  Städte- 
belagerer und  Kassander  von  Makedonien ,  die  beiden  Nebenbuhler  um  Grie- 
chenlands Herrschaft,  -bewarben  sich  um  seine  Freundschaft.  Er  wollte  sich 
keinem  anschliessen,  und  machte  auf  eigene  Hand  einen  Raubzug  in  das  vene- 
tische Gebiet  im  innersten  Winkel  des  adriatischen  Meeres.  Er  misslang  voll- 
ständig, und  kurze  Zeit  darauf  kam  Demetrios  nach  Kerkyra  und  befreite  es. 
Als  jedoch  Kassander  mit  Heer  und  Flotte  heranzog,  um  sich  Kerkyra^s  zu 
bemächtigen ,  da  fand  sich  ein  Vertheidiger  der  Insel ,  freilich  von  sehr  be- 
denklichem Charakter,  in  der  Person  des  Agathokles. 

Agathokles  war  damals  mit  einer  Aegyptierin  Theoxena,  wahrscheinlich 
einer  Stieftochter  des  Ptolemaios  durch  Berenike,  vermählt,  und  es  wäre  nicht 
unmöglich,  das  sein  ägyptischer  Freund  ihn  insgeheim  aufgefordert  hätte, 
gegen  Kassander  zu  wirken,  mit  dem  er  im  Bttndniss  war,  den  er  aber 
sicherlich  nicht  zu  mächtig  werden  lassen  wollte.  Was  nun  auf  Kerkyra  ge- 
schah, ist  aus  Fragmenten  Diodor^s  nur  zu  errathen.  Die,  Makedonier  waren 
schon  bei  der  Belagerung  von  Keriiyra  zu  Wasser  und  zu  Lande  beschäftigt, 
da  kam  Agathokles  mit  seiner  Flotte  und  seinem  Heere  an.  Es  entspann  sich 
ein  heftiger  Kampf  zur  See,  in  welchem  die  Sikelioten  durch  den  Gedanken, 
nach  so  vielen  siegreichen  Kämpfen  gegen  Karthager  und  Italer  sich  durch 
einen  Sieg  über  die  berühmten  und  gefürchteten  Makedonier  neuen  Ruhm  zu 


S62     Sechsles  Buch.   IV.  Ausbreitung  <ler  Herr^hsfl  des  Agsthokles  nach  Oslen.  Sein  Tud. 

:n ,  KU  don  grösslen  Ansti Tilgungen  begeistert  wurüen.  Agatboklcs 
iber  die  makedoniscbe  FloUc  uod  verbrannte  sie;  und  weoo  er  jeltl 
len  Truppen  gelandet  wäre  und  das  makedonische  Heer  vor  Kerkjra 
Ten  bauo ,  so  würde  er  es  vollkommen  vernichtet  Iteben ;  aber  er  be- 
zieh damit,  ein  Siegeszeieben  am  Geslade  zu  errichten,  und  gewübrle 
kedonischen  Heere  freien  Abzug. 

n  wur  Kerkyra  sein;  dass  er  es  nicht  besser  als  ein  erobertes  Land 
tlle,  sehen  ^vi^  aus  Tolgender  Anekdote.  Er  soll  den  Kerkyrae<fn  wie 
ikesiern  auf  ihre  Frage,  weshalb  er  ihre  Inseln  v«^*Uste  und  die 
[wegtreiben  lasse,  die  acht  dionysische  Antwort  gegeben  haben:  Hat 
ler  Odysseus  auf  Sicilien  sogar  den  Hirten  geblendet? 
war,  als  er  nach  Kerkyra  log,  mit  Eroberungen  in  lulien  und  kriege- 

Unternebmungen  gegen  die  BruUier  beschäftigt  und  hatte  Truppeo 
?rnem  Enkel  Agatharchos  oder  Archa^thos,  dem  Sohne  seines  gleich- 
I  in  Afrika  geUJdteten  Sohnes,  zurückgelassen.  Von  diesen  hatten  3000, 
irern  und  Tyrrhenern  besiebend,  in  seiner  Abwesenheit  sich  cmpün 
in  rückständigen  Sold  verlangt.  Als  er,  von  Kerkyra  wieder  bei  seinem 
[gelangt,  es  erfuhr,  liess  er  mit  schneller  Entficblogsenfaeit  alle  SOOO 
I  Übrigen  Söldnern  niedermetzeln.  Dieses  Zeichen  der  Uneinigkeit 
ireo  Feinden  ermuthigte  iadess  die  Bruttier ,  und  als  Agatiiokles  eine 
he  Stadt  Ethai  belagert«.  Überfielen  sie  ihn  bei  Nadit,  und  er  musstc 
im  Verlust  von  4000  Mann  die  Belagerung  aufgeben  und  nach  Syrakus 
efareo. 

■ige  Zeit  hernach  wurde  Agathokles  mit  dem  Schützlinge  des  Künigs 
igs  von  Aegypten,  dem  berühmten  Pyrrhos  von  Bpiros,  befreundet,  der 
ie  Erniotxlung  seines  Vei-wandten,  des  Königs  Neoplolemss,  etwa  um 
»ger  Herrscher  seines  Vaterlandes  und  des  Volkes  der  Holosser  wurde. 
ihm  seine  Tochter  Lanassa  zur  Gemahlin,  benutzte  aber  mit  seiner  ge- 
hen HinlM'liBt,  die  Fahrt  derselben,  welche  ihrem  Gemahle  Kerkyra 
te,  nach  Epiros,  um  sich  durdi  einen  Handstreich  der  Stadt  Kroton  zu 
l.igon.  Er  liess  Henedemos ,  dem  Tyrannen  von  Kroton,  mit  welchem 
undet  war,  die  Botschaft  zukommen,  er  und  die  Krotoniaten  mochten 
den  unnölhigen  Besorgnissen  wegen  seiner  nUcbsten  Expedition,  die 
r  Stadt  vorbeifahren  werde,  die  aber  nur  lum  Geleil«  seiner  Tochter 
it  sei,  hingeben.  Die  Krotoniaten  Jiessen  sich  täuschen,  und  als  Aga- 
bei  KroLon  angekommen  war,   begann  er  rasch  die  Belagerung  der 

gerüsteten  Stadt,  warf  ein  Stück  Mauer  um,  und  wurde  von  den 
ikenen  Krotoniaten  eingelassen.  Natürlich  wurden  die  Hüuser  geplUn- 
e  Männer  abgeschlachtet.  Hit  den  Nachbarn  der  Stadt,  den  lapygiern 
iketieru,  sohloss  er  Freundschaft,  und  verband  sich  mit  ihnen  xu  einem 
ergt^cbiift  im  Grossen,  welches  er  anstandshalber  nicht  unter  eigener 
letreiben  zu  künnen  glaubte.  Er  lieferte  ihnen  SchiSe  und  empfing 
inen  Theil  an  der  Beute. 

Jl«r  —  so  finden  wir  in  einem  andern  fragmentariB<^n  Berichte  — 
bm  er  eiben  neuen  Kriegszug  nach  Italien  mit:)0,UOO  Mann  zu  fuss 
90  heitern.     Die  Flotte  unter  gtilpcm  verwüstete  die  brutttsche  Kuste, 


Agathokles,  Pyprhos  und  Demetrios.   Neue  Rüslungen  jjegeii  Karthago.  263 

wurde  aber  durch  einen  SUirni  zerstreut  und  erlitt  arge  Verluste.  Er  selbst 
eroberte  mit  dem  Landheere  llipponion,  wo  er  eine  Schiffswerfte  anlegte, 
welche  noch  zu  Strabön's  Zeit  bestand.  Nun  wünschten  die  Brultier  Frie- 
den mit  ihm,  und  er  gewahrte  ihnen  denselben  gegen  die  Stellung  von  600 
Geiseln,  welche  er  beim  Heere  Hess,  während  er  selbst  nach  Syrakus  zurück- 
kehrte. Das  zurückgebliebene  Heer  des  Agathokles  reichte  aber  gegen  die 
Bruttier  nicht  aus ;  sie  überfielen  es,  machten  es  nieder,  befreiten  ihre  Geiseln 
und  gewannen  so  ihre  Unabhängigkeit  wieder. 

Als  nun  in  Makedonien  um  dieselbe  Zeit  Demetrios ,  der  Städtebelagerer, 
König  geworden  war,  suchte  Agathokles  mit  ihm  in  Verbindung  zu  treten. 
Demetrios  war  des  Pyrrhos  Feind,  wir  müssen  also  annehmen ,  dass  die 
Freundschaft  mit  Pyrrhos  ihm  nicht  mehr  so  vortheilhaft  schien  wie  zuvor. 
Der  Tyrann  von  Syrakus  schickte  seinen  gleichnamigen  Sohn  Agathokles,  der 
sein  Liebling  war,  nach  Makedonien  zum  Demetrios^  um  ihm  ein  Bündniss  an- 
zubieten. Demetrios  nahm  den  Jüngling  sehr  freundlich  auf,  schenkte  ihm  ein 
königliches  Gewand  und  andere  Kostbarkeiten,  erklärte,  dass  er  gerne  auf  den 
Antrag  des  Agathokles  eingehen  werde ,  und  sandte  einen  seiner  Vertrauten, 
den  Oxythemis  mit  ihm  nach  Syrakus ,  um  dort  das  Bündniss  abzuschliessen. 
Dies  war  wenigstens  der  ostensible  Auftrag  ,  welchen  Oxythemis  erhielt;  ins- 
geheim soll  er  von  Demetrios  angewiesen  worden  sein ,  den  Stand  der  Dinge 
in  Sicilien  auszukundschaften  und  zu  berichten ,  ob  dort  nicht  für  Demetrios 
Lorbeeren  zu  holen  wären.  Agathokles  wird  denn  auch  dem  Entschlüsse  nicht 
ganz  fremd  geblieben  sein,  den  um  dieselbe  Zeit  seine  Tochter  Lanassa  fasste, 
ihi^n  Gemahl  Pyrrhos  zu  verlassen  und  sich  mit  Demetrios  zu  vermählen.  Sie 
beklagte  sich ,  dass  Pyrrhos  seine  zwei  barbarischen  Weiber,  eine  lUyrierin 
und  eine  Päonierin,  ihr  vorziehe,  und  ging  nach  Kerkyra,  das  sie  als  ihr 
Eigenthum  betrachtete,  und  von  hier  aus  forderte  sie  Demetrios,  der,  wie  sie 
wusste,  für  dergleichen  Aufforderungen  sehr  zugänglich  war,  auf,  zu  ihr  zu 
kommen  und  sich  mit  ihr  zu  verbinden.  Er  that  es  und  liess,  als  er  sich  wie- 
der entfernte,  eine  Besatzung  auf  Korkyra  zurück. 

So  sehen  wir  Agathokles  eng  in  die  Angelegenheiten  dos  Ostens  verQoch- 
len.  Dennoch  hatten  diese  Beziehungen  für  ihn  lange  nicht  soviel  Beiz ,  wie 
die  zu  Karthago.  Und  das  mit  Recht;  denn  der  Orient,  Griechenland  und 
Makedonien  hatten  ihre  Herren,  krieggeübte  und  mächtige  Fürsten,  denen  Aga- 
thokles nicht  gewachsen  war;  und  in  Italien  sich  weit  auszubreiten,  das  ver- 
boten besonders  die  Römer,  deren  Macht  er  auf  seinen  Feldzügen  in  diesem 
Lande  kennen  gelernt  haben  muss.  Dagegen  boten  Afrika  und  Karthago  einen 
vortrefflichen  Schauplatz  für  die  Thätigkeit  eines  ehrgeizigen  und  kriegerischen 
Despoten,  und  es  ist  nicht  zu  verwundern,  wenn  er,  im  72.  Jahre  seines  Le- 
bens, noch  an  einen  grossen  Krieg  mit  Karthago  dachte.  Er  hatte  die  wohl- 
begrUndeto  Ueberzeugung ,  dass  Karthago  nur  dann  besiegt  werden  könne, 
wenn  es  gelänge,  der  Stadt  die  Zufuhr  von  Sicilien  und  Sardinien  abzuschnei- 
den, also  wenn  er  eine  der  karthagischen  überlegene  Flotte  hätte,  und  er  hatte 
sich  wirklich  eine  Flotte  von  200  vollständig  ausgerüsteten  grossen  Schiffen  — 
Tetreren  und  Kexeren  —  verschafft.  Aber  ehe  er  den  Krieg  beginnen  konnte, 
ereilte  ihn  der  Tod.  Die  Veranlassung  desselben  wird  folgendermassen  erzählt. 


'  -  >••  '  -  TL  ,  Ml  AAL*  ~ 


264    Sechstes  Buch.  IV.  Ausbreitung  der  Herrschaft  des  Agatbokles  nach  Osten.  SeiaTod. 

Das  Heer  des  Tyrannen,  des  Königs,   wie  er  genannt  sein  woüle,-  das  am 
Aetna  im  Lager  stand,  befehligle  sein  Enkel  Archagathos,  der  sich  als  deD 
rechtmässigen  Nachfolger  seines  Grossvaters  ansah.     Agathokles  aber  bevor- 
zugte seinen  gleichnamigen  Sohn,  den  er  schon  nach  Makedonien  zum  Deme- 
trios  gesandt  hatte,  und  wünschte,    dass   der  JUngling  seinen  Thron  erben 
möchte.     Damit  dies  aber  geschehen  konnte,   mussle  der  junge  Agathokles 
schon  jetzt  mit  dem  Gebrauche  der  Macht  sich  vertraut  machen;  er  musste 
das  Heer  befehligen,  damit  dieses  im  Falle  des  Todes  des  Tyrannen  sich  nicht 
dem  Prinzen  widersetzte.    Der  Tyrann  ernannte  deshalb  Agathokles  an  Stelle 
des  Archagathos  zum  Feldherrn.    Dieser,  nicht  gesonnen,  seine  Ansprüche  so 
leichten  Kaufes  aufzugeben,  beschloss,  sich  zu  widersetzen,  und  da  dies  nicht 
wohl  möglich  war,  wenn  der  Tyrann  lebte,  so  sann  er  auf  ein  Mittel,  seinen 
Grossvater  aus  dem  Wege  zu  räumen.     Als  Werkzeug  bot  sich  ihm  Mainon 
dar,  ein  Egestäer  von  Geburt,  beim  Tyrannen  hoch  angesehen.   Dieser  Mensch 
war  bei  der  Zerstörung  seiner  Vaterstadt  durch  Agathokles  zum  Sklaven  ge- 
macht  worden  und  in  den  Besitz  des  Tyrannen  gekommen ,  der  Jhn  wegen 
seiner  Schönheit  lieb  gewann  und  stets  um  sich  hatte.    Der  Einfluss  und  das 
Ansehen  Mainon's  nahm  fortwährend  zu ,  trotzdem  aber  grollte  er  in  seinem 
Herzen   wegen   des   seiner  Vaterstadt  bereiteten  Unglücks   und  wegen  der 
schimpflichen  Stellung ,  In  der  er  selbst  sich  anfangs  bei  Agathokles  befunden 
hatte,   und  sein  Streben  ging  dahin,   ihn  bei  guter  Gelegenheit  zu  iödten. 
Diesem  Menschen  vertraute  Ai^chagathos  sich  an ,  und  jeder  übernahm  einen 
Theil  der  Ausführung  des  Planes,  der  Archagathos  die  Herrschaft,  Mainon  aber 
die  Rache  sichern  sollte.    Als  der  junge  Agathokles  beim  Heere  eintraf,  nahm 
Archagathos  ihn  freundlich  auf,  gab  vor,  dass  er  auf  einer  kleinen  Insel  im  Meere 
—  etwa  einer  der  Faraglioni,  dem  Felsen  des  Odysseus  (Bd.  I  S.5i)  —  ein  Opfer  zu 
bringen  habe,  und  nahm  Agathokles  mit  dahin.  Hier  machte  er  ihn  trunken  und 
brachte  ihn  um ;  den  Leichnam  Hess  er  ia^s  Meer  werfen.  Er  wurde  an's  Land 
geworfen,  und  von  Leuten,  die  ihn  erkannten,  nach  Syraküs  gebracht.    Als 
der  alle  Tyrann  die  Nachricht  vom  ToTle  seines  Lieblings  erhielt,  war  er  selbst 
schon  dem  Tode  nahe.  Denn  Mainon  hatte  einen  Zahnstocher,  den  der  Tyrann 
zu  gebrauchen  pflegte ,  mit  Gift  bestrichen ,  und  durch  dessen  Wirkung  war 
sein  Zahnfleisch  in  Fäulniss  übergegangen;    das  Leidea  war  unheilbar,    die 
Schmerzen  fürchterlich.    Der  alte  Wütherich  muss  in  seinem  Todeskampfe  bei 
einigen  Schriftstellern  noch  die  Rolle  eines  treuen  Hausvaters,  der  für  seine 
Hinterbleibenden  sorgen  will,  spielen.     Er  nimmt  auf  die  rührendste  Weise 
von  seiner  Gattin  Theoxena,  der  Aegyptierin,  und  seinen  kleinen  Kindern  Ab* 
schied  und  schickt  sie  der  Sicherheit  wegen  mit  vielen  Schätzen  in  ihre  Hei- 
math.   Der  Stadt  Syrakus  schenkt  er  die  Freiheit;  die  Umstehenden  sind  zu 
Thränen  gerührt.  Wahrscheinlicher  ist  die  andere  Nachricht,  dass  der  Tyrann, 
dem  die  Krankheit  zuletzt  die  Sprache  raubte,  noch  lebend,  auf  Veranlassung 
des  makedonischen  Gesandten  Oxythemis,  auf  den  Scheiterhaufen  gelegt  und 
verbrannt  wurde  (Ol.  122,  4  —  289  v.  Chr.). 

So  starb  Agathokles,  ein  Staatsmann  und  Feldherr  von  ungemeiner  Bega- 
bung ,  aber  einer  der  scheusslichsten  Wutheriche ,  die  die  Geschichte  kennt, 
ein  Mensch,  Caesar  Borgia  ähnlich.  Es  ist  wahr,  dass  die  Zeit,  in  der  er  lebte. 


f. 


Charakter  des  Agathokies.  —  LiteratuF  der  Agathokleiscben  Zeit.  265 

der  EnlwickluDg  solcher  Charaktere  gUnstig  war,  dass  Mord  und  Hinterlist 
unter  Fürsten  kaum  noch  Verwunderung  erregten ;  aber  so,  wie  er  es  trieb, 
hat  es  doch  Gottlob  sonst  Keiner  getriebaa.  Uebrigens  war  er  bei  aller  seiner 
Grausamkeit  von  eigenthUmlich  jovialer  Natur.  Dass  ihm  der  Ärgwohn  in  der 
Weise,  wie  Dionys  ihn  zur  Schau  trug,  fremd  war,  sahen  wir  schon ;  er  war 
der  Mann  des  niederen  Volkes,  des  Pöbels;  dessen  Beifall  war  seine  Macht, 
dessen  Feinste  und  Knittel  sein  bester  Schutz.  Unter  irgend  einem  Verwände, 
anfangs  unter  dem  der  Aristokratie,  beseitigte  er  alles,  was  vornehm  und 
reich  war,  und  der  Pöbel  jubelte  ihm  zu.  Wie  es  in  unserm  Jahrhundert  nicht 
weit  von  den  Gegenden,  welche  Agathokies  beherrschte,  Fürsten  gegeben  hat, 
die  mit  den  geringsten  ihrer  Unterthanen  auf  der  Strasse  vertraulich  durch  die 
Zeichensprache  redeten,  im  übrigen  sich  aber  kein  Gewissen  daraus  machten, 
die  Edelsten  ihres  Landes  eines  schimpflichen  Todes  sterben  zu  lassen,  so  machte 
Agathokies,  wahrend  er  lausende  hinschlachtete,  dem  syrakusanischen  Pöbel 
durch  seine  Mimik,  durch  Nachäffen  bekannter  Persönlichkeiten  Unterhaltung, 
und  sein  Ruf  üls  »Kunstmacher«  that  seinem  Ruhme  als  Herrscher  und  Feld- 
herr keinen  Abbruch.  Er  liebte  es  mit  einer  Art  von  Ostentation  an  seinen 
früheren  Beruf  als  Töpfer  zu  erinnern ;  er  zeigte  bei  Tische  auf  goldene,  schön 
verzierte  Gefässe :  Solche ,  sagte  er ,  habe  ich  durch  meine  Töpferkunst  mir 
verschafft. 


Fünftes  Kapitel« 
Literatar  der  Agathoklelschen  Zeit 

Um  den,  Charakter  und  die  Folgen  der  Agathokicischen  Tyrannis  vollstän- 
dig zu  übersehen ,  müssen  wir  noch  fragen ,  w  as  denn  in  ihrem  28jährigen 
Bestehen  ihre  Früchte  auf  geistigem  Gebiete  gewesen  sind,  welche  Erschei- 
nungen die  Kulturgeschichte  Siciliens  für  diesen  Zeitraum  bietet. 

Das  Ergebniss  ist  ein  durchaus  negatives.  Die  Agathokleische  Tyrannis 
charakterisirt  sich  im  Gegensatz  zu  der  der  Deinomeniden ,  ja  zu  der  der  Dio* 
nyse,  durch  die  Abwesenheit  jedes  wirklich  culturhistorischen  Moments.  Kein 
Schriftsteller  von  Bedeutung  hat  sich  in  dieser  Zeit  in  Sicilien  aufgehalten. 
Nicht  etwa,  weil  die  Insel  keine  bedeutenden  Männer  hervorgebracht  hätte ; 
wir  werden  mehrere  zu  nennen  haben ;  aber  sie  lebten  auswärts.  Die  Zeit  der 
ersten  Nachfolger  Alexander's  war  nirgends  eine  friedliche,  weder  in  Makedo- 
nien, noch  in  Griechenland;  höchstens  noch  in  Aegypten  konnte  man  auf  ein 
ruhiges  Leben  rechnen;  aber  im  Vergleich  mit  Syrakus  konnte  doch  jede 
andere  grosse  Stadt,  in  welcher  Griechisch  gesprochen  wurde,  ein  erfreulicher 
Wohnsitz  genannt  werden.  Wir  haben,  um  das  Vorzüglichere  zuerst  zu  be- 
sprechen, zunächst  die  damalige  auswärtige  Literatur  Siciliens ,  wie  wir  sie 
kurz  nennen  wollen,  zu  betrachten,  um  dann  das  wenige,  was  sich  über  Sy- 
rakus selbst  auffinden  lässt,  hinzuzufügen. 


S(!dist«s  Buch.  V.  UUraliir  der  Agalbokleisclien  Zeit. 

cm  niuss  hier  Timaios  der  Historiker  genannl  wei-den.  Er  war 
icnion  gebürtig,  Sohn  jenes  Andromacfaos,  welcher  TiinoleoDS 
esgcnosso  auf  der  Insel  w9r.  Er  ist  um  das  Jabr  356  geboren,  um 
ympiadc;  er  hat  als  Knabe  und  Jüngling  Timoleon  gekannt  und  in 
al  eines  Staatsmannes  und  Feldberrn  gefunden,  das  ihn  sein  gan- 
lindurch  begleitete.  Von  seinen  Schicksalen  ist  nur  wenig  bekannt, 
jeiner  Jugend  wahrscheinlich  Reisen  gemacht,  ohne  die  im  A'ltcr- 
•schichtssch reiber,  zumal  wenn  er  so  umfassende  Gegenstände  be- 
llte, seinen  Zweck  unn)öglich  erreichen  konnte.  Agathoklos  vertrieb 
lilien,  wohl  im  Jahre  311  v.  Chr.,  wo  er  nach  dem  Frieden  mit 
i'crschicdene  Städte  und  Ortschaften  Sicilicns  sich  unterwarf,  und 
menion  unterjocht  haben  mag.  Timaios  ging  nach  Alben,  wo  er 
lUntcrbrochcD  zubrachte,  wie  er  selbst  gesagt  hat.  Ob  er  in  seinem 
noch  wieder  nach  Sicilien,  vielleicht  nach  Syrakus,  zui-Uck gekehrt 
wir  nicht.  Er  wurde  96  Jahre  alt,  muss  also  um  260  v.  Chr.  ge- 
3.    Aus  seinen  Werken  ergiebt  sich,  dass  er  im  Jahre  26i  noch 

t  alles ,  was  wir  von  seinem  Leben  wissen ,  von  seinen  Schriften 
nur  Bruchstücke  auf  uns  gekommen. 

^osses  Werk  war  eine  Geschichte  Sicilicns  von  der  ältesten  Zeit  bis 
i6  des  ersten  punisohen  Krieges,  bis  zur  Einmischung  der  R&mer 
Ischen  Angelegenheiten;  es  endete  da,  wo  die  Geschichte  des  Po- 
nn.  Uebcr  seine  Kinthcilung  und  die  Vertheilung  der  vorhandenen 
)  in  die  einzelnen  Bücher  ist  in  den  Anmerkungen  zum  1.  Bande 
worden.  Ausserdem  schrieb  er  ein  chranologisches  Werk,  in  wel- 
e  spartanischen  Ephoren  nach  den  Königen,  unter  denen  sie  im 
n,  geordnei  und  die  Gleichzeitigkeit  der  athenischen  Archonten, 
^n  Herepriestorinnen  und  der  Sieger  in  den  olympischen  Spielen 
und  so  die  Listen  derselben  geprüft  und  gesichtet  hatte, 
den  Charakter  der  Geschichtsschreibung  des  Timaios  haben  wir 
icht«n  aus  dem  Alterlhuni,  und  dennoch  ist  es  schwer,  sich  einen 
I  Begriff  von  demselben  lu  machen.  Wenige  Schriflsteller  von  Be- 
^t  es,  welche  selbst  in  ihren  Werken  einen  so  leidenschaftlichen 
hre  Vofgflnger  und  manche  der  von  ihnen  geschilderten  Personen 
»n  haben,  und  Ober  welche  zur  Vergeltung  die  Nachwelt  so  scharf 
Wochen  hat ,  als  dies  bei  TinMios  der  Fall  ist.  Sein  UauptanklVger 
,  der  es  nir  iweckmttssig  gehalten  bat ,  ganze  Seilen  mit  sdoeni 
llen. 

rsler  Vorwurf  geht  darauf  hinaus,  dass  Timaios  eingesUndener- 
iahre  in  Athen  gelebt  und  also  in  dieser  ganzen  Zeil  alter  pr«kli- 
ning,  besonders  im  Kriegsteben,  entfremdet  worden  ist.  wodureh 
s  Polybios  Meinung,  der  selbst  Diplomat  und  FeMherr  gewesen 
mm  Berufe  eines  Historikers  durchaus  anlaaglich  gemacfal  habe. 
imaios,  nac4i  dem  Zeugnisse  der  Alten,  eine  sirfcbe  Hasse  von 
I  in  seinem  Werke  entwickelt,  dass  er  sie  unnrilgKcfa  bloss  aus 
Athen  geschöpft  haben  kann.  Es  ist  vielmehr  vorausmaetK»,  dass 


r  Tiniaios.  267 

er  das  ZusamnieDstrdiDen  von  Fremden  in  der  geistigen  HauptfStadt  Griechen- 
lands benutzt  htiben  wird,  um  von  ihnen  über  Gegenstände,  welche  sein  Werk 
betrafen,  Aufschluss  zu  erhallen,  und  dass  er  Sorge  getragen  hat,  sich  durch 
Freunde  im  Auslände  in  Inschriften  und  anderen  Documenten  Materialien  fUr 
seine  Arbeit  xusenden  eu  lassen.  Nichts  hindert  uns  ferner,  ja  eine  Stelle 
seines  Werkes  nöthigt  uns  sogar  anf&unefamen ,  dass  er  vor  seinem  fünfKigjäh- 
rigeq  Aufenthalte  in  Athen  bereits  auf  Reisen  an  Ort  und  Stelle  einen  grossen 
Theii  der  Kenntnisse  sich  angeeignet  hat,  welche  seinem  Werke  zur  Zierde 
gereichten.  Wer  sieht  nicht  ein,  dass  der  iäjahrige  Mann,  der  sich  unter  den 
Geschichtsschreibern  Griechenlands  einen  so  grossen  Namen  machte,  bereits  die 
Gelegenheit,  wie  den  Wunsch  gehabt  haben  musste,  Sicilien  und  Grossgrie-* 
chenland  zu  bereisen  und  genau  zu  durchforschten ;  dass  er  ferner ,  wenn  er 
auch  selbst  niemals  Heere  befehligte^  Gelegenheit  genug  hatte,  sich  mit  dem 
Heerwesen  grtlndlich  bekannt  zu  macl^en  ?  Mit  einem  Worte :  Timaios  war 
kein  blosser  Stubengelehrter.  Sohn  des  Beherrschers  einer  griechischen  Stadt, 
vielleicht  selbst  eine  Zeitlang  Nachfolger  seines  Vaters,  durch  Reisen  und 
durch  gründliche  Kenntniss  des  Landes,  dessen  Geschichte  er  schreiben  wollte, 
vorgebildet,  hat  er  später  sich  ganz  und  gar  der  Abfassung  seines  grossen 
Werkes  hingegeben  und  allerdings  dabei  auf  das  Ausfeilen  der  Form  eine 
ganz  besondere  Sorgfalt  verwandt. 

Der  zweite  Vorwurf,  welcher  dem  Timaios  gemacht  wird,  gehl  darauf 
hinaus,  dass  er  in  der  Zusammenstellung  dos  Stoffes  unkritisch  verfahren  sei. 
£r  häufte  in  den  -alten  Geschichten  eine  solche  Masse  albern  erscheinender 
Fabeln ,  dass  er  davon  den  Beinamen  Graosyllektria  ,  altes  sammelndes  Weib, 
d.  h.  Sammler  von  Altweibei*klatsch ,  erhielt.  Wenn  wir  von  der  Voraus- 
setzung ausgehen  dürfen,  dass  Tin^ios  absurde  Fabeln  nicht  deshalb  erzählte, 
weil  er  selbst  sie  glaubte,  so  finden  wir  nur  eine  Erklärung  für  sein  Verfah- 
ren, die  nämlich,  dass  er  lieber  die  alten  Sagen  in  ihrer  naiven,  dem  gebiide- 
len  Griechen  der  Diadochenzeit  lächerlich  erscheinenden  Einfachheit  vortragen, 
als  sie  historisch  oder  philosophisch  deuten  wollte,  uud  dass  ihm,  gerade  wie 
uns  jetzt,  eine  Sammlung  alter  Ueberlieferungen,  wo  mdglich  aus  dem  Munde 
aller  Frauen ,  ein  nicht  zu  verachtendes  Element  kulturhistorischer  Kenntniss 
erschien.  So  hatte  er  eine  besondere  Sorgfalt  darauf  verwandt,  die  Gründungs- 
geschichte der  in  seinem  Werke  vorkommenden  Städte  mdglichst  ausführlidi 
zu  erzählen,  und  wir  kennen  den  Verlust  dieses  von  Polybios  mit  einigem 
Hohne  besprochenen  Theiles  nur  bedauern. 

Es  sind  dem  Timaios  aber  auch  von  Polybios  Unrichtigkeiten  im  einzelnen 
nachgewiesen  worden.  Wir  werden  glauben  müssen,  dass  er  manche  wirklich 
begangen  hat,  aber  welchem  SchriftsteUer  lassen  sich  nicht  Irrthümer  nach- 
weisen? lieber  eiiiige  vorgebliche  Ungenauigkeiten  des  Timaios  habe  ich  in 
den  Anmerkungen  zum  ersten  Bande  gesprochen;  dass  er  durchgängig  un- 
genau war,  dafür  fehlt  uns  jeder  Anhalt. 

Ein  dritter  Vorwurf  dagegen,  welche  dem  Timaios  den  Namen  Epiti- 
maios,  der  Tadler,  zugezogen  hat,  schdnt  nur  allzu  begründet.  Er  wussle  in 
der  Beurtheiluog  historischer  Charaktere,  besonders  von  Gelehrten  und  Schrift- 
stellern, sich  nicht  auf  einen  unbefangenen  Standpunkt  zu  stellen ,  und  legte 


V 


268  Sechstes  Buch.   V.  Literatur ^ler  Agathokleuschen  Zeit. 

bisweilen  deu  moratischeo  Massstab  am  unpassenden  Orte  an.  Wenn  er  z.  B. 
den  Homer  deswegen  als  Schlemmer  bezeichnen  zu  können  glaubte ,-  weil  in 
seinen  Gedichten  Mahlzeiten  so  oft  vorkämen ,  so  ist  das  ein  albernes  Unheil, 
und  so  scheint  er  auch  Zeitgenossen ,  wie  Aristoteles  und  Theophrastos,  in 
kleinlicher  Weise  bekrittelt  zu  haben.  Ob  er  in  seinem  Tadel  des  Agaihokles 
zu  Weit  gegangen  ist,  können  wir  nicht  mehr  entscheiden.  EigenthOmlich  follt 
sein  Tadel  des  KallisChenes  auf,  den  er  als  Schmeichler  des  Alexander  brand- 
markte ,  wHhrend  er  in  der  gewöhnlichen  Auflassung  gerade  als  Opfer  seiner 
Preimüthigkeit  erscheint;  hier  spricht  denn  freilich  alles  dafOr,  dass  er  den 
Charakter  des  Kallisthencs  zu  ungünstig  aufgefasst  hat.  —  Mit  dem  Lobe, 
welches  Timaios  über  historische  Persönlichkeiten  ausgesprochen  hat,  kann 
man  unbedingter  übereinstimmen,  als  mit  seinem  Tadel.  Am  aufiallendsten 
ist  wohl  das  von  ihm  dem  Alkibiades  gespendete  Lob;  Demosthenes^  Freiheits- 
bestrobungen  haben  bei  Timaios  die  gebührende  Anerkennung  gefunden,  und 
wie  recht  er  mit  seinem  Preise  des  Timoleon  hatte,  bedarf  jetzt  keiner  Begrün- 
dung mehr. 

üeber  seinen  Stil  war  das  Alterthum  in  seinem  Urtheil  nicht  einig.  Spä- 
tere griechische  Kritiker  fanden  ihn  häufig  frostig,  nach  Neuem  und  Auffallen- 
dem haschend  und  dadurch  nicht  selten  sogar  albern.  Cicero  dagegen  schützte 
ihn  auch  als  Stilisten  ;  ihm  erschien  Timaios  als  einer  der  Meister  der  asiati- 
schen Diction  unter  den  Historikern:  fliessend,  scharfsinnig  und  geistreich. 
Cicero  uitheilt  nachsichtig ,  vom  Standpunkt  des  Rednei*s  aus,  der,  wenn  der 
Contrast,  den  der  Schriftsteller  ihm  bietet,  nur  witzig  ist  und  in  die  Augen 
füllt,  gern  verzeiht,  dass  er  gesucht  ist;  von  einem  andern  Standpunkte  aus 
könnte  das,  was  Cicero  lobte,  geradezu  unpassend  gefunden  werden.  Es  ist 
uns  ein  Citat  aus  Timaios  erhalten,  welches  das  Gesagte  erläutert.  Timaios 
erzählte,  dass  in  derselben  Nacht,  in  welcher  Alexander  geboren  wurde,  der 
Tempel  der  Diana  zu  Ephesos  verbrannte,  und  fügt  hinzu,  es  sei  kein  Wun- 
der, dass  Diana  bei  der  Geburt  Alexander^s  habe  gegenwärtig  sein  wollen, 
imd  dass  sie  deshalb  ihren  Tempel  verlassen  habe.  Das  nennt  Cicero  zieriicb, 
geistreich  gesagt;  ob  für  ein  ernstes  Greschichtswerk  passend,  ist  eine  andere 
Frage.  Aehnliches,  theils  Besseres,  theils  Schlechteres,  ist  uns  auch  sonst  noch 
aus  Timaios  erhalten,  so  dass  wir  von  seiner  Darstellungsweise  auch  in  dieser 
Beziehung  uns  einen  Begriff  machen  können.  So  erzählte  er .  dass  Euripides 
an  demselben  Tage  gestorben  sei,  an  welchem  Dionys  Tyrann  geworden,  und 
fügt  hinzu,  das  Geschick  habe  an  demselben  Tage  den  Nachbildncr  tragischer 
Leidenschaften  von  der  Bühne  entfernt  und  den  Mann,  der  selber  eine  so 
tragische  Rolle  gespielt,  auf  die  Bühne  des  Lebens  geführt.  Dies  ist  nicht  übel, 
was  sollen  wir  aber  sagen ,  wenn  uns  Timaios  ernsthaft  darauf  aufmerksam 
inadit,  dass  die  Athener  zur  Strafe  für  ihren  Hennenfrevel  von  Hermokrates 
besiegt  worden  seien,  dass  sie,  weil  Nikias,  der  seinen  Namen  von  der  Sieges- 
göttin Nike  trug,  dem  Unternehmen  widersprach,  es  nicht  hätten  beginnen 
sollen,  und  andere  frostige  und  geradezu  kindische  Vergleiche  macht,  die  wir 
nicht  einmal  ganz  verstehen  können.  Dagegen  liest  sich  wiederum  die  Bemer- 
kung trotz  des  Tadels,  den  Longin  darüber  ausspricht,  ganz  gut,  dass  Alexan- 
der weniger  Zeit  gebraucht  habe ,  Asien  zu  erobern,  als  IsokrateS;  um  seine 


Timaios     Dikaiarchos.  269 

panegyrische  Rede  über  die  Eroberung  Asiens  zu  schreiben.  Wir  glauben  uns 
nicbl  zu  irren  ,  wenn  wir  in  solcher  Schreibweise  etwas  Modernes  hindurch- 
schinimern  sehen. 

Während  nun  Timaios  in  eigenen  Reflexionen  sich  geistreich,  ja  gesucht 
geistreich  zeigt  und  so  durch  das  Gesuchte  dem  Albernen  in  bedenklicher 
Weise  nahe  kommt,  scheint  er  in  den  nach  allem  Gebrauch«  in  sein  Werk  ein- 
geflochtenen  Reden  durch  weitlüußge  Darstellung  alibekannter  Dinge  ebenfalls 
nicht,  selten  Albernheiten  gesagt  zu  haben.  So  wenn  er  Timoleon  in  einer 
Anrede  an  seine  Soldaten  vor  der  Schlacht  sagen  lässt :  Da  die  Erde  in  drei 
Theiie  zerßtUt,  von  denen  der  eine  Asien;  der  zweite  Libyen,  der  drille  Europa 
genannt  wird ,  odor  wenn  er  llermokrates  im  Friedenscongresse  zu  Gela  statt 
einer  Rede  eine  Abhandlung  über  die  Vorzüge  des  Friedens  vor  dem  Kriege, 
mit  eingeflochtenen  langen  Citaten  aus  Homer  und  EuripideS  vortragen  lasst. 
Doch  dabei  füllt  viel  dem  Zeitgeschmack  zur  Last ;  auch  in  der  Neuzeit  hat  es 
Epochen  gegeben ,  wo  man  ebenso  geschmacklos  redete,  wie  Timaios  hier  den 
llermokrales  reden  lässt. 

Wenn  aus  dem  Besprochenen  hervorgeht,  dass  der  Geschichtsschreibung 
des  Timaios  manche  Mängel  anhafteten ,  die  seine  rhetorische  Bildung  genü- 
gend erklärt,  so  ist  um  so  mehr  hervorzuheben,  dass  seine  Sorgfalt  in  geogra- 
phischen Dingen  und  in  der  Herbetschafliing  von  urkundlichem  Material  ihn 
als  Foi*scher  sehr  hocli  stellt.  Wenn  er  nach  der  Ansicht  mancher  zu  viel  Fa- 
beln in  sein  Werk  aufnahm,  so  hat  er  dagegen  in  der  Darstellung  der  histori^ 
sehen  Zeiten  Kritik  zu  üben  wohl  verstanden,  und  er  hat  hier  manches  früher 
als  wahr  angenommene  in  das  Bereich  der  Fabeln  zu  verweisen  gesucht;  nicht 
immer  mit  Beistimmung  des  Alterthums.  Wir  haben  darüber  im  ersten  Bande 
gesprochen  und  müssen  hier  darauf  verweisen.    ^ 

Der  zweite  bedeutende  Schriftsteller  aus  der  Zeit  des  Agathokles,  den  Si- 
cilien  hervorbrachte ,  ist  Dikaiarchos  aus  Messana.  Er  wai*  der  Sohn  des 
Phidias  und  gehörte  dem  messenisch-dorischen  Theiie  der  Bevölkerung  dieser 
Stadt  an.  Das  beweisen  seine  engen  Beziehungen  zum  Peloponnes  und  zu 
Sparta,  wogegen  er  den  Westen  nicht  aus  eigener  Anschauung  kannte.  Denn 
im  Peloponnes  brachte  er  den  grdssten  Tbeil  seines  Lebens  zu,  und  für  Sparta 
.schrieb  er  eins  seiner  Werke.  Doch  lebte  er  in  seiner  Jugend  in  Athen  und 
war  ein  Schüler  des  Aristoteles.  Dennoch  wird  er  unter  denen  genannt, 
welche  Aristoteles  angegriffen  haben ;  wir  können  dies  nur  auf  einen  tief- 
gehenden Unterschied  in  den  philosophischen  Lebren  beider  beziehen,  der 
indess  nicht  hinderte,  dass  Dikaiarchos  im  Alterlhum  als  einer  der  bedeutend- 
sten Peripateliker  betrachtet  wurde.  Genauere  chronologische  Bestimmungen 
über  ihn  fehlen ;  er  mag  ungefiihr  von  360  bis  290  v.  Chr.  gelebt  haben.  Er 
war  Philosoph,  Historiker  und  Geograph.  Als  Philosoph  trat  er  der  von  Theo- 
phrast  der  aristotelischen  Lehre  von  der  Glückseligkeit  gegebenen  Auslegung, 
wonach  ein  bloss  beschauliches ,  der  wissenschaftlichen  Forschung  hauptsäch- 
lich zugewandtes  Leben  das  wünschenwertheste  wäre,  entgegen  und  legte 
auf  die  praktische  Wirksamkeit  den  grössten  Nachdruck ;  vor  allem  aber  zeigte 
er  sich  darin  als  Naturalist  oder  Materialist,  dass  er  die  Existenz  der  Seele  als 
eines  vom  Körper  trennbaren  Wesens  Ittugnele.    Er  schrieb  ein  Buch  über  die 


Scchslps  Buch.   V.  l.ilerelur  der  Agalhoklcisulicn  Zeil. 

welche^  in  xwel  Thcile  zerfiel,  von  denen  jeder  nadi  Platoniscbem  oder 
iitteischem  Muster  ausgeai'beitele  Dialt^e  enUiillt.  Ein  Tbeil,  wekfaer 
inlbiscbe  belitelt  war,  weil  das  Gespräch  in  Korintli  geruhrl  wurde, 
e  den  Nachweis,  dass  die  Seele  nur  der  Kürper  selber  sei  oder  die 
IS  lebendigen  KUrpers ;  ein  anderer,  der  Lesbische  —  der  Dialog  spielle 
ene — «enthielt  besonders  die  Lehre,  dass  die  Seele  vergänglicb  sei, 
in  (reiifcb  aus  dem  im  korinthisohen  Dialoge  Auseinandergesetilen  von 
ich  ergab.  Jedes  dieser  zwei  Werke  zerfiel  in  drei  Bücher.  Es  isl  uns 
sonders  tlberliefei'l,  dass  DiLaiarch  die  Seele  für  die  Harmonie  der  vier 
chen  Elemente  —  des  Feuchten  und  Trocknen,  Warmen  und  Kalten, — 
liabe,  worin  er  mit  seinem  Mitschüler,  dem  berühmten  Huaiker  Ari- 
i  aus  Tarent,  Übereinstimmte. 

1  besonderes  Werk  wird  das  vom  Untergänge  der  Hcuscben  gewesMi 
>  welchem  Dikaiarcbos  die  verschiedenen  Veranlassungen  deis  gleicb- 
Untorgangs  grosser  Hensohenmassen :  Flutheu,  Seuchen,  Hungersnolh, 
le  Thiere,  endlich  Kripf^e  aufzahlte  und  nachwies,  dass  durcfa  die  letz- 
tIsD  durch  die  Menschen  selbst ,  ttei  weitem  mehr  Menschenleben  ver- 
worden seien ,  als  durch  andere  Naturkräfte.  Kr  verbreitete  sich 
tich  über  die  Weissagekunst,  ob  dies  aber  in  dem  Werke  Über  die 
mit  deren  Auflaseuni^  die  l.elire  von  der  Mantik  jeilenfalls  im  Zusam- 
ge  stand,  oder  in  einem  l>eaoBdern  Werke,  oder  In  dem  gleich  su 
pndcn  Buche  über  das  Hinabsteigen  in  die  Hbhle  des  Trophonios  fie- 
lst, bleibt  un^wiss.  Dikaifirchns  glaubte,  obwohl  er  es  für  l>e8ser 
ie  Zukunft  nicht  zu  wissen,  an  Weissagungen,  aber  nur  an  solche  aus 
n  oder  Begeisterung,  weil  nur  bei  begeisterten  Sehern  oder  Schlafen- 
Seele  ganz  frei  sei;  wie  sich  dies  und  die  Annahme  einer  besonderen 
;n  Einwirkung  auf  die  Seele  mit  seiner  materialistischen  Grundansichl 
selben  vertrügt,  bleibt  uns  unklar.  Man  darf  hier  vielleicht  ebenso  wie 
*hce  von  der  Harmonie  der  Elemente  eine  Anlehnung  an  seinen  Lands- 
^nipedokles  finden.  In  der  Schrift  Über  das  Orakel  des  Trt^onlo-s 
tadelnde  Betrachtungen  über  den  Luxus  der  GriecheTi,  vielhjjcht  mit 
ng  auf  das  Üppige  Lehen  der  Priesl«r  des  Trophonios  vor.  Eine  eigen- 
be  Bemerkut\g,  welche  aus  diesem  Werke  erwithnt  wird,  verdient  hier 
iilt  zu  werden.  Der  Philosoph  hat  nümtich  die  in  neuerer  Zeil  so  hfiulig 
nland  zum  glänzendsten  Vorzug  von  Geographen  und  Historikern  an- 
ete  EigenthUmlicbkcil,  dass  es  durchaus  ein  Küstenland  ist  und  das 
tief  in  dasselbe  hineingreift,  mit  Bedauern  vermerkt, 'weil  durch  Fisch- 
d  Handel  dlrect  und  indirect  den  Menschen  so  viele  Reizmittel  zum 
;u  Theil  würden.  Wir  werden  biet'  unwillkürlich  an  die  lieimatb  des 
ihen,  Sicilien,  erinnert,  wo,  wie  wir  wissen,  der  Fischfang  so  vieKs 
,  was  als  Leckerbissen  auf  den  Tafeln  der  Reichen  prangte ,  wo  ein 
ässerer  Luxus  herrachte  als  im  eigentlichen  Griechenland  —  wenigstens 
n's  y.rilen  —  und  woher  Dikaiarcbos  also  eine  Bestiltigung  der  schon 
ton  aufgestellten  Ansicht  lll>er  die  Schudlichkeit  der  Lage  am  Meere 
n  konnte. 
i  Geoftraph  hat  Dikalnrchos  sieh  durch  Höbenmessungen  verdient  |H>- 


Dikaiarchos.  271 

macht,  welche  er,  wie  Plinius  sagt,  im  Auftrage  der  Könige  unternommen  hat. 
Diese  Messungen  erstreckten  sich  unter  andern  auch  auf  den  Pelion  und  viel- 
leicht auch  auf  die  Insel  Rhodos ;  über  die  Höhen  der  Berge  des  Peloponnes 
schrieb  er  eine  besondere  Arbeit,  die  ein  Theil  eines  grösseren  Werkes  über 
Berghöhen  überhaupt  gewesen  sein  wird.  Ferner  scheint  er  Landkarten  ent- 
worfen zu  haben  und  zu  deren  Erläuterung  ein  geographisches  Werk  von 
allgemeinem  Inhalte,  welches  als  »Wanderung  um  die  Erde«  bezeichnet  wird. 
Wir  können  seine  geographischen  Ansichten  hier  nicht  genauer  auseinander- 
setzen, und  erwähnen  nur,  dnss  er  sich  von  den  Säulen  des  Herakles  eine 
gerade  Linie  durch  Sai^dinien,  Sicilien,  den  Peloponnes,  Karien,  Lycien,  Pam- 
phylien,  Cilicien  und  den  Taurus  gezogen  dachte  und  nun  die  beiden  so  ge- 
wonnenen Theile  der  Erde  als  den  nördlichen  und  südlichen  bezeichnet.  Ohne 
Zweifel  nahm  er  auf  dieser  Linie  die  grösste  Ausdehnung  der  bewohnten  Erde 
an,  welche  er  für  um  die  Hälfte  länger  [al?  breit  erklärte,  während  ihm  die 
Erde  selbst  für  eine  Kugd  galt.  Grössere  prosaische  Fragmente  —  3  an  der 
Zahl  —  und  eine  metrische  Beschreibung  Griechenlands ,  welche  Dikaiarcbas 
zugeschrieben  worden  sind,  gehören  ihm  nicht  an ;  sondern  das  Gedicht,  wie 
Lehrs  gesehen  hat,  Dionys,  dem  Sohne  Kalliphon's,  die  prosaischen  Fragmente 
einem  gewissen  Herakleides.  » 

Von  historischen  Schriften  des  Dikaiarchos  werden  uns  Lebensbeschrei- 
bungen genannt;  er  hat  biographische  Nachrichten  über  die  sieben  Weisen, 
über  Pythagoras  und  Piaton  geschrieben.  Welcher  Art  seine  homerischen  Stu- 
dien waren,  und  wieviel  von  dem,  was  einem  Dikaiarchos  über  Homer  zuge- 
schrieben wird ,  unserm  Dikaiarchos  gehört,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Ueber 
Alkaios  schrieb  er,  vielleicht  als  Begleitung  einer  Ausgal)e  des  Dichters.  Er 
verfasste  eine  Uebersicht  des  Inhalts  der  sopbokleischen  und  euripideischen 
Stücke ,  und  auch  auf  Arislophanes  hat  sich  seine  Thätigkeit  erstreckt.  -  Er 
schrieb  ferner  Werke  über  die  Wettkämpfe  und  feierlichen  Spiele  der  Grie- 
chen ,  so  über  die  olympischen ,  über  die  panathenäischen ,  über  die  dionysi- 
schen und  die  musischen  Wettkämpfe  überhaupt. 

Historisch -geographischen  Inhalts  muss  ein  Hauptwerk  des  Dikaiarchos 
f^ewesen  sein,  welchem  man  indess  nicht  eine  Menge  anderer  Schriften  ein- 
ordnen darf,  wie  öfter  geschehen  ist:  »Das  Leben  Griechenlands«  in  drei 
Büchern.  Leider  ist  uns  über  die  Eintheilung  des  Inhaltes  nichts  aus.  dem 
Alterthum  überliefert.  Man  hat  vermuthet,  das  erste  Buch  habe  die  Geographie 
Griechentands,  das  zweite  die  Staatsalterthümer,  das  dritte  die  gottesdienst- 
lichen und  Privatalterthümer  enthalten,  während  nach  andern  im  ersten  Buche 
die  älteren  Zustände  Griechenlands  bis  zum  Perserkriege,  im  zweiten  das 
freie  Griechenland  bis  zur  Schlacht  bei  Ghaironeia ,  im  dritten  die  Gegenwart 
und  die  Zeit  Alexander's  geschildert  war.  Die  aus  diesem  Werke  erhaltenen 
Fragmente  beziehen  sich  meistens  auf  die  ältere  Zeit;  es  sind  darunter  auch 
Nachrichten  über  auswärtige  Begebenheiten  —  über  Aegyptisches  und  Babylo- 
nisches. Ein  Citat  aus  einer  Schrift  über  das  Opfer  in  Ilion  wird  von  einigen 
auch  auf  das  Werk  über  das  Leben  Griechenlands  bezogen. 

Politischen  Inhalts  war  der  Tripolitikos,  der  nach  der  wahrscheinlichsten 
Annahme  eine  Auseinandersetzung  über  die  nach  der  Ansicht  des  Philosophen 


272  Sechstes  Buch.   V.  Literatur  der  Agathokleischen  Zeit. 

beste  Staatsverfassung  enthielt,  welche  eine  Mischung  aus  Monarchie,  Aristo- 
kratie und  Demokratie  war,  eine  Gattung,  welche  in  späterer  Zeit  bisweilen 
niil  dem  Ausdrucke  »die  dikaiarchische  Verfassung«  belegt  wurde.  Das  Ideal 
einer  Verfassung  schien  dem  Dikaiarchos  am  meisten  in  Sparta  erreicht,  über 
dessen  Syssitien  sich  in  seinem  Tripolitikos  eine  längere  Auseinandersetzuniz 
fand.  Die  Darstellung  der  spartanischen  Verfassung  durch  Dikaiarch,  vielleicht 
ein  besonderes  kleines  Werk,  war  nach  der  Ansicht  der  Spartaner  selbst  so 
wohl  gelungen,  dass  es  eine  Zeitlang  in  Sparta  gebräuchlich  war,  diese  Ab- 
handlung jährlich  einmal  zur  Belehrung  der  Jünglinge  öffentlich  voriesen  ru 
lassen.  Ausserdem  wissen  wir  aus  Cicero,  der  Dikaiarchos  sehr  schätzte  und 
häufig  zu  Ralhe  zog  (man  hat  vermuthet,  dass  der  Tripolitikos  nicht  ohne  Ein- 
fluss  auf  die  ciceronische  Schrift  de  gloria  gewesen  ist],  dass  er  die  athenische, 
die  korinthische  und  die  pcllenäische  Verfassung  in  besonderen  Abhandlungen 
dargestellt  hat. 

Der  dritte  bedeutende  Schriftsteller  dieser  Zeit  ist  Euhemeros.    Wir 
halten  ihn  für  einen  Sicilier  aus  Messana,  wie  dies  auch  die  gewöhnliche  An- 
nahme ist,  während  er  sonst  auch  für  einen  Tegealen ,  einen  Koer,  endlich 
einen  Akragantiner  gilt.    Von  seinem  Leben  wissen  wir  nur,  dass  er  mit  dem 
Könige  Kassander  von  Makedonien  befreundet  war  und  von  ihm  in  Geschäften 
nach  Asien  gesandt  wurde ;  denn  an  diese  Reise  knüpfte  er  selbst  die  angeb- 
liche Entdeckung,  deren  Darstellung  ihn  berühmt  machte.   Er  schrieb  nämlich 
ein  Werk,  »die  heilige  Urkunde«,  in  welchem  die  gesammte  griechische  Göl- 
lergeschichte  als  auf  der  Erde  vorgefallen  dargestellt  und  also  der  hellenischen 
Religion  der  Nimbus  des  Göttlichen  genommen  wurde.     Eusebios  berichtet 
nach  Anleitung  Dipdor's,  der  in  seinem  verlorenen  sechsten  Buche  von  Euhe- 
meros gehandelt  hatte,  über  ihn  und  sein  Werk,  und  wir  geben  im  Folgenden 
einen  Auszug  davon,  wobei  wir  jedoch  aus  dem  fünften  Buche  Diodor'S  Einiges 
aus  der  dort  befindlichen  Schilderung  der  von  Euhemeros  besuchten  Insel 
hinzunehmen.     Als  Freund  und  im  Auftrage  des  Königs  Kassander  war  er 
auch  in  den  südlichen  (indischen]  Ocean  gefahren.    Nach  mehrtägiger  Fahrt 
von  Arabien  aus  kam  er  zu  einigen  Inseln ,  von  denen  eine  die  heilige  hiess, 
auf  der  kein  Todter  begraben  werden  durfte.    Diese  Insel  bringt  nur  Weih- 
rauch und  Myrrhen  und  andere  wohlriechende  Substanzen  hervor,  in  solcher 
Masse,  dass  die  ganze  Erde  damit  versehen  werden  kann.    Die  Einwohner 
brauchen  die  Früchte  dieser  Bäume  und  Sträucher  als  Speise  und  Trank.    Sie 
heissen  Panchaier  und  bewohnen  auch  eine  30  Stadien  weiter  nach  Osten  ge- 
legene grössere  Insel,   welche  Panchaia  heisst,   vereint  mit  eingewanderten 
Okeaniten,  Indem,  Skythen  und  Kretern.    Hier  liegt  eine  merkwürdige  Sladl, 
Namens  Panara,  deren  Bewohner  Schützlinge  des  triphylischen  Zeus  genannt 
werden  und  von  keinem  Könige  beherrscht  sind.  Der  Tempel  des  triphylischen 
Zeus  liegt  60  Stadien  von  der  Stadt  in  einer  schönen  mit  Cypressen,  Platanen, 
Lorbeer,   Myrthen  und  anderen  Bäumen  bewachsenen  und  von  Gewässern 
durchzogenen  Ebene ;  da  sind  buntfarbige  Wiesen  und  Gärten,  in  denen  sich 
Nuss-  und  Palmbäume  befinden  und  Rebengewinde  von  Baum  zu  Baum  sich 
hinziehen  und  bunte  Vögel  singen.    Der  Tempel  selbst  ist  aus  weissem  Mar- 
mor gebaut,  900  Fuss  lang  und  von  verhällnissmUssiger  Breite.    Grosse  und 


Euhemeros.  273 

starke  Säulen,  künstliche  Sculpturen  und  prächtige  Götterbilder  zieren  ihn. 
Um  den  Tempel  wohnen  die  Dienejr.  An  den  Tempel  schliesst  sich  eine  Renn- 
bahn, 4  Stadien  lang  und  4  00  Fuss  breit,  an  beiden  Seiten  mit  ehernen  Bild- 
säulen geschmückt.  Die  ganze  Ebene  gehört  200  Stadien  weit  mit  dem  ganzen 
Ertrage  den  Gottheiten.  Dann  folgt  ein  Berg ,  welcher  der  Sessel  des  Uranos 
oder  der  triphylische  Olympos  genannt  wird.  Es  soll  nämlich  in  alter  Zeit 
Uranos,  als  er  über  die  Erde  herrschte,  gerne  von  hier  aus  den  Himmel  und 
die  Sterne  betrachtet  haben,  und  der  Ort  wurde  der  triphylische  Olymp 
genannt,  weil  die  Bewohner  drei  Völkern  angehörten,  den  Panchaiern,  den 
Okeaniten  uud  den  Doiern ,  welche  später  von  Ammon  nach  Zerstörung  ihrer 
Städte  Doia  und  Asterusia  vertrieben  wurden.  Jährlich  wird  auf  diesem  Berge 
von  den  Priestern  geopfert.  Das  übrige  Land  der  Insel  Panchaia  ist  sehr 
fruchtbar,  besonders  an  Wein,  und  reich  an  Thieren,  wie  Elephanten,  Löwen, 
Panthern.  Es  sind  drei  Städte  da:  Hyrakia,  Dalis  und  Okeanis^  und  drei 
Stände  der  Bewohner :  zuerst  Priester  und  Künstler,  dann  Landbauern,  end- 
lich Soldaten  und  Hirten.  Die  Priester  haben  die  Regierung.  Der  Ertrag  des 
Landbaus  und  der  Viehzucht  wird  an  die  Priester  abgeliefert,  welche  ihn 
gleichmässig  vertheilen ,  selbst  aber  das  Doppelte  bekommen.  Nur  Haus  und 
Garten  sind  Privateigenthum.  Pracht  und  Schmuck  sind  sehr  verbreitet,  nicht 
nur  unter  den  Frauen,  sondern  auch  bei  den  Männern.  Die  Priester  behaup- 
ten, dass  sie  aus  Kreta  abstammen  und  einst  von  Zeus  nach  Panchaia  geführt 
worden  sind,  und  als  Beweis  führen  sie  die  Sprache  an,  welche  noch  manche 
kretische  Ausdrücke  bewahrt,  sowie  Urkunden,  die  Zeus  selbst,  als  er  noch 
unter  den  Menschen  wandelte,  aufgeschrieben  hat.  Aus  Gold  und  Silber, 
welches  auf  der  Insel  gewonnen  wird,  aber  nicht  ausgeführt  werden  darf, 
sind  Pflichtige  Weihgeschenke  von  Alters  her  im  Tempel  aufgehäuft,  dessen 
Thüren  mit  edlem  MetaHe,  Elfenbein  und  Sandelholz  geziert  sind.  Von  gedie- 
genem Golde  ist  das  Ruhebett  des  Gottes,  6  Ellen  lang  und  4  Ellen  breit, 
und  ähnlich  ist  der  vor  dem  Bette  stehende  Tisch.  Daneben  erhebt  sich  eine 
grosse  goldene  Säule ,  auf  welcher  in  Hieroglyphen  (panchaische  Schrift,  wie 
Diodor  bei  Eusebios  sagt)  die  Thaten  des  Uranos ,  Kronos  und  Zeus  und  die 
späteren  des  Apollo  und  der  Artemis  von  Hermes  aufgezeichnet  worden  sind. 
Hiemach  war  zuerst  Uranos  König ,  ein  milder  und  wohlthätiger  und  in  der 
Sternkunde  bewanderter  Mann,  weicher  auch  zuerst  den  himmlischen  Göttern 
opferte  und  deshalb  Uranos  genannt  wurde.  Er  hatte  von  seiner  Gattin  Hestia 
zwei  Söhne,  Titan  und  Kronos,  und  zwei  Töchter,  Rhea  und  Demeter.  Kronos 
folgte  seinem  Vater  in  der  Herrschaft,  vermählte  sich  mit  Rhea  und  hatte  Zeus, 
Hera  und  Poseidon  zu  Kindern.  Dann  regierte  Zeus,  der  von  der  Hera  die  Ku- 
reten,  von  der  Demeter  die  Persephone  und  von  der  Themis  die  Athene  zu  Kin- 
dern hatte.  Zeus  zog  naöh  Babylon ,  wo  er  mit  Belus  Freundschaft  schloss ; 
dann  kam  er  nach  Panchaia  und  errichtete  hier  seinem  Gross vater  Uranos  einen 
Altar.  Von  hier  zog  e^durch  Syrien  zu  dem  Herrscher  Kasios ,  von  dem  der 
Berg  Kasios  seinen  Namen  hat,  und  dann  besiegte  er  in  Kilikien  den  Fürsten 
Kilix.  Auch  zog  er  noch  weiter  umher  und  wurde  überall,  wohin  er  kam,  als 
Gott  geehrt.  —  Es  werden  anderswo  noch  Details  aus  der  heiligen  Urkunde  des 
Euhemeiros  angeführt,  welche  beweisen,  dass  der  Schriftsteller  die  gesammte 

Holm,  Gesch.  Sieiliens.  II.  .  IS 


Sechstes  Buch.   V.  Lileratur  der  Agalhokleischeo  Zeit. 

;he  Mythologie  bebandelte  und  dabei  sehr  in  das  EinEelne  einging,  wie 

z.  B.  den  Kadmos,  angeblich  nnch  der  Behauptung  der  Sidonier  selbst, 
Koch  und  die  Harmonia  fUr  die  Flölenspiderin  des_  Königs  von  Sidon 
,  welche  mit  einander  davon  gelaufen  uSren. 

dem  Werke  des  Euhcmeros  isl  zweierlei  merkwürdig:    die  geogra- 

Einkleidung  und  der  mythologische  Inhalt.  Jene  ist  natürlich  eine 
die  aber  mit  Berücksichtigung  der  durch  Alexanders  KriegsiUge 
der  betteniscben  Well  erschlossenen  indischen  Natur  sehr  geschickt 
;n  ist,  und  die  ausserdem  noch  als  Schilderung  einer  socialistisch  ge- 
1  Volksgcmeinde  ihr  InleroBse  hat.  Noch .  wichtiger  isl  jedoch  der 
gische  Inhalt,  welcher  im  Allerlhum  weniger  Aufsehen  eiregte,  aber 
ie  Aufmerksamkeit,  welche  die  Kirchenvater  ihm  schenkten,  seitdem 
sse  Berühmtheit  erlangt  bat.  Im  Allerlhum  blieb  das  Werk  des  Euhe- 
llerdings  nicht  unbeachtet:  Ennius  tibertrug  es  sogar  in's  Lateinische 
chle.es  so  den  Römern  bekannt;  aber  fur  Euhemei'os  selbst  scheint 
lie  eine  Folge  gehabt  zu  haben,  dass  man  ihn  für  einen  Golteslaugner 
Die  Kirchenvüler  dagegen  fanden  in  dem  Werke  des  Euhemeros 
illkommenen  Beleg  ihrer  Behauptung,  dass  die  heidnischen  Götter  nur 
nwei'k  gewesen  seien.  Euhemeros,  seihst  ein  Heide,  hatte  nicht  etwa 
ch  Vermuthungen,  sondern  auf  authentische  Urkunden  geslQlil,  nach— 
n ,  dass  die  Gölter  nichts  als  Menschen  waren ;  er  hatte  den  Ort  urtd 

ihrer  Geburt  und  ihres  Todes,  ihre  ehelichen  Verbindungen,  ihre 
aus  Documenten  derselben  Zeit  ans  Licht  gebracht;  wie  konnte  nun 
I  Zweifel  an  der  Nicbtigkeit  des  ganzen  Heidenthums  obwalten?  Dies 
;fae  lateresse  verlor  Euhemeros  mit  der  Befestigung  desChristenthums: 
enschaftliche  Begründung  der  mythologisdien  Studien  erhob  ihn  aber 
irer  einer  HaupLrichlung  in  der  Erklärung  de»  Mythologie  und  nannte 
chtung  den  Euhemerismus. 

n  bat  daraus,  dass  Euhemeros  im  Alterthum  mit  dem  Cyrenaiker 
OS,  der  ebenfalls  als  Atheist  galt,  zusammengestellt  worden  ist,  den 
gezogen,  er  möge  ebenfalls,  vielleicht  als  Schüler  des  Theodoros,  An- 
der Arislippi sehen  Lehre  gewesen  sein  und  in  derselben-  eine  wissen- 
he  Bpgrtlndung  seines  Atheismus  gefunden  haben.  Das  ist  möglicfa, 
)  ist  aus  dem,  was  wir  von  der  Schrift  des  Euhemeros  wissen,  nicht 
len,  ob  er  wirklich  ein  Atheist  und  zwar  im  Sinne  des  Theodoros  ge- 
st. Ja,  es  ist  uns  der  Gegensatz,  in  weichem  er  zu  den  gewöhnlichen 
von  den  Göttern  gestanden  haben  soll,  nicht  ganz  klar.  Es  ist  gewiss, 
n  Werk  nicht  bloss  die  angeblichen  Documenle  von  der  fabelhaften 
nchaia  enthielt ,  sondern  auch  Nachrichten ,  welche  er  in  anderen  Ge- 

aus  dem  Hunde  der  Priester  oder  des  Volkes  gesammelt  zu  haben 
Es  fragt  sich  nun ,  ob  wir  alle  die  so  vielfach  im  Alterthum  vorkom- 

Sagen,  welche  die  Regierung  von  Göttern  ,»uf  der  Erde  berichten, 
I  Bewusstsein  des  Volkes  streichen  und  dem  Euhemeros  oder  anderen 
iben  zuschreiben  wollen;  ob  wir  z.  B.  uns  entschliessen  können,  die 
n  dem  goldenen  Zeilulter  unter  der  Herrschaft  des  Salumus,  die  Sage 

Wiege  und  dem  Grabe  des  Zeus  auf  Kreta  u.  a.  mehr,  für  die  ab- 


Euhemeros.  275 

sicbllicbe  Erfiodung  von  Philosophen  zu  erklären.  Wenn  das  unmöglich 
geschehen  kann,  wenn  wir  vielmehr  annehmen  müssen,  dass  das  Volk  selbst, 
ohne  von. Philosophen  dazu  veranlasst  zu  sein,  auf  den  Gedanken  kommen 
konnte,  es  habe  eine  Zeit  gegeben,  wo  die  Götler  auf  der  Erde  wandelten,  so 
können  wir  weder  sagen ,  dass  Euhemeros  Urheber  der  Behauptung  gewesen 
ist,  dass  die  Götter  Menschen  waren ,  noch  auch ,  dass  in  dieser  Behauptung, 
die  er  nach  andern  aufgestellt  haben  wird ,  etwas  Irreligiöses  gelegen  habe. 
Nur  so  erklärt  sich,  was  sonst  unerklärlich  wäre,  weshalb  Euhemeros  mit 
seinem  Wei^e  im  heidnischen  Alterthum  so  gar  wenig  Aufsehen  machte. 
Wenn  aber  die  Aufstellung  der  angeblichen  Thatsache,  dass  die  Götter  als 
Menschen  auf  der  Erde  lebten  und  starben,  nicht  eben  neu  erscheinen  konnte, 
so  rousste  es  allerdings  einigermassen  ungewöhnlich  erscheinen,  wenn  Jemand 
versuchen  wollte,  den  Ursprung  der  Göttlichkeit  gewisser  Menschen  auf  blossen 
Betrug  zurückzuführen.  Das  könnte  man  in  einer  Stelle  des  Sextus  Empiricus 
linden,  worin  es  als  Behauptung  des  Euhemeros  heisst,  dass,  als  die  Menschen 
noch  roh  und  ungebildet  waren,  die  kräftigeren  und  verständigeren  unter 
ihnen ,  die  sich  zu  Herren  der  übrigen  aufwarfen,  sich  eine  übermenschliche 
und  göttliche  Kraft  andichteten  und  deshalb  von  der  Menge  für  Götter  gehalten 
wurden.  Aus  anderen  Nachrichten,  bei  Lactantius,  geht  jedoch  hervor,  dass 
Euhemeros  keineswegs  Gewalt  und  Betrug,  sondern  vielmehr  Tugenden, 
Wohlthaten  und  besondere  Erfindungen  als  die  Veranlassung  betrachtete, 
weshalb  Menschen  zu  Göttern  erhoben  worden  seien.  In  wie  weit  Euhemeros 
mit  diesem  Satze  einer  im  Volke  schon  vorhandenen  Ueberzeugung  Ausdruck 
verlieben  habe,  können  wir  nicht  sagen.  Und  wenn  Euhemeros  sagte  (s.  oben 
S.  273),  dass  Uranos  zuerst  den  himmlischen  Göttern  geopfert  habe,  so  ist  er 
ja  nicht  einmal  ein  Atheist  gewesen. 

Wir  haben  also  das  Werk  des  Euhemeros  nur  als  ein  interessantes  Pro- 
duct  seiner  Zeit  anzusehen.  Die  Griechen  begannen  den  naiven  Glauben  ihrer 
Vorfahren  aufzugeben ,  der  überhaupt  für  ein  Volk  nicht  mehr  passen  wollte, 
in  welchem  Philosophen  wie  Sokrates,  Plato  und  Aristoteles  aufgetreten  waren 
und  Forscher  aller  Art  eine  gründliche  Bildung  verbreitet  hatten.  Die  Zeit  war 
gekommen ,  eine  Revision  der  Mythologie  anzustellen.  In  dem  Vaterlande  des 
Euhemeros  hatte  ein  Dionys  gezeigt ,  dass  man  ungestraft  die  Götter  lästern 
und  verspotten  könne.  Euhemeros  unternahm  es  nachzuweisen,  wie  viel  in 
den  Sagen  des  Volkes  und  den  Lehren  der  Priester  selbst  für  den  mensch- 
lichen Ursprung  der  Mythologie  spreche ,  aber  er  beging  den  Fehler ,  in  sein 
Werk  von  ihm  selbst  erfundene  Fabeln  einzustreuen,  so  dass  Gegner  ihn 
geradezu  als  einen  Lügner  bezeichnen  konnten.  Und  wir  haben  Spuren, 
die  uns  berechtigen ,  noch  weit  mehr  Fictionen  in  seinem  Werke  anzuneh- 
men, als  nur  die  mit  Panchaia  in  Verbindung  gebrachten.  Sollte  nicht  Dio- 
dor,  der  Panchaia  ohne  Angabe  seiner  Quelle  im  5.  Buche  beschreibt,  auch 
bei  den  mythologischen  ganz  in  demselben  Sinne  abgefassten  Nachrichten, 
welche  angeblich  von  den  AÜantiern  am  Ocean  herstammen,  den  Angaben  des 
Euhemeros  gefolgt  sein?  Denn,  wer  hat  sonst  von  dem  frommen  und  meu- 
schenfreundlichen  Volke  der  Atlantier  gehört?  Dies  würde  überdies  einen 
wichtigen  Schluss  auf  das  Werk  selbst  gestalten.  Die  Genealogien  der  Allan- 

18» 


Sechstes  Buch.  V.  Literatur  der  Agsthok leise beii  Zeil. 

der  Pancbaier  stimmen  nicht  Uberein.     Wcdd  Euheioeros  si^  aber 
tublte,    fUr  die  Richtigkeit  welcher  von  beiden  staod  er  dann  eiot 

fUr  keine.    Er  theilte  nur  mit ,  was  er  gebitrt  xu  haben  litehaupiete, 

auch  unter  sich  nicht  Übereinstimmte;  ein  Verfahren,  das  jedenfalls 
l  war,  da  es  den  Verdacht  einer  absichtlichen  Fälschung  en^emte. 

können  nach  allem  Gesagten  nicht  daran  zweifeln,  dass  Eubemeros 
isster  Gegner  der  Mythologie  auftrat,  und  dass  er  die  Schwachen  der 
ben  Religion  nachweisen  wollte.   Er  hat  also  allerdings  dem  Christen-  - 
[gearbeitet;   nur  mtlssen  wir  nicht  glauben,  dass  er  seinen  Zeilge- 
twas  neues  und  tlberrascbendes  sagte. . 

Syrakusaner  ist  endlich  vielleicht  noch  der  berllhmle  Philemon, 
Under   der  neueren  Komödie,   den  freilich  Slrabon   fUr  einen  Kili- 

Soli  erklärt.  Er  erscheint  seit  Ol.  Hi  —  33i  v.  Chr.  in  Athen;  es 
I  also  nicht  Agathokles ,  aber  wohl  die  Wirren  nach  Timoleon's  Tode 
ien  vertrieben.  Er  ist  in  hohem  Alter  Ol.  <29,  3  —  260  v.  Chr.  ge- 
Es  wurden  ihm  97  Dramen  zugeschrieben ,  von  denen  wir  noch  57 
nnen.  Es  wii'd  ihm  von  Demetrios  Pbalereus  im  Gegensatz  zu  sei— 
benbubler  Menander,  der  die  abgebrochenen  kuncen  Satze  lieble, 
fUr  zusammenhangende  Perioden  beigelegt.  Wir  würden  hierin 
siliscben  Charakterzug  erkennen,  da  wir  wissen,  wie  sehr  das  Bheto- 
m  Sikeliolen  im  Blute  steckte.  Er  stand  dem  Menander  in  der  Cha- 
ik  der  Personen  nach  und  scheint  mehr  Gewicht  auf  die  Intrigue 
1  haben,  woraus  sich  denn  auch  wohl  .der  grössere  Beifall  erklart,  den 
ilgenossen  ihm  im  Vergleiche  mit  Menander  spendeten ,  der  von  der 
t  höher  gestellt  wurde.  Es  würde  nichts  nützen,  die  Titel  der  Stücke 
ilcn,  von  deren  Inhalt  wir  doch  nichts  wissen,  nur  vom  »Kaufmanoo 
1  »Schalzu  können  wir  uns  durch  die  Nachbildung  des  Plautus  einen 
nachen. 

ser  auswärtigen  Literatur  Siciliens ,  welche  wir,  wenn  es  sich  nicht 
am  die  agalbokleische  Zeit  handelte,  noch  durch  die  Namen  einiger 
;n  Dichter :  Achaios  aus  Syrakus,  Sosiphanes  aus  Syrakus,  des  Ulteslen 
berühmten  alexandrinischen  Pleias,  der  73  Stucke  schrieb  und  sieben- 
;te,  und  die  einiger  komischen  Dichter,  wie  ApoUodoros  aus  Gela  und 
i  aus  Sicilieu  vermehren  könnten,  stehen  als  Schriftslelier,  die  unter 
les  in  Sicilien  wirkten,  nur  der  schon  genannte  Bruder  des  Agathokles, 
orikerAntandros,  der  Historiker  KaJIias  und  der  Parodie ndichl er  Boiotos 
ler.  Man  sieht,  dass,  abgesehen  von  parteiisch  gefärbter  Geschicht- 
ing,  nur  die  niedrigsten  Dichtungsgattungen  unter  einem  Agathokles 
1  konnten.  Und  auch  den  Boiutos  vertrieb  der  Tyrann  zOletzt.  Der 
er  Athanas  scheint  schon  vor  der  Zeit  des  Agathokles  gelebt  zu  haben. 
IS  bedeuten  nun  einige  Kunstwerke,  welche  Agathokles  in  Syrakus 
Es  waren  auf  der  Inäel  das  grosse  Haus,  UexekonUklinos,  von  den  60 
n,  die  es  enthielt,  genannt,  das,  weil  es  die  Tempel  der  Götter  an 
iberlraf,  durch  einen  Blitzstrahl  zu  Grunde  ging  und  die  ThUrme  am 
Hafen ,  welche  in  andersfarbigen  Steinen  den  Namen  des  Agathcddes 
Wir  wissen  ausserdem ,  dass  er  eine  von  ihm  gewonnene  Schlacht 


Pyrrhos  in  Siciiien.  277 

hat  abbilden  und  das  Bild  im  Tempel  der  Athene  aufhängen  lassen.  In  der 
Stempelscbneidekunst  steht  die  Agathokleische  Zeit  schon  nicht  mehr  auf  der 
Höhe  der  Dionysischen;  doch  hat  sie  noch  Schönes  geleistet,  einige  Köpfe  haben 
einen  an  moderne  Kunst  erinnernden  pathetischen  Ausdruck :  ein  SeitenstUck 
zu  dem  modernen  Charakter  des  Timaios. 


Sechstes  Kapitel. 
Pyrrhos  in  Sieilien. 

Die  Freiheit,  die  kurz  vor  seinem  Tode  Agathokles  dem  Volke  von  Syrakus 
geschenkt  haben  soll,  wusste  es  nicht  zu  benutzen.  Das  erste,  wozu  es  schritt, 
war,  dass  es  die  Güter  des  Tyrannen  einzog  und  vertheilen  Hess  und  die  Bild* 
Säulen ,  die  er  sich  hatte  errichten  lassen,  umstürzte.  Natürlich  wurden  die 
Anhänger,  Kreaturen  und  Söldner  des  Tyrannen  verbannt.  Mainon  fühlte  sich 
in  Syrakus  nicht  sicher  und  floh  zu  Archagathos,  dem  einzigen  in  Siciiien  noch 
übrigen  Mitgliede  der  Familie  des  Agathokles ,  seinem  Mitverschworenen,  und 
da  er  den  Agathokles  gemordet  hatte,  kostete  es  ihn  keine  Gewissensbisse, 
auch  den  Archagathos  aus  dem  Wege  zu  r&umen.  Er  hatte  bei  seinem  Herrn 
und  Meister  nicht  ohne  Nutzen  einige  Jahre  als  Vertrauter  gelebt,  es  gelang 
ihm,  das  Heer,  welches  Archagathos  geführt  hatte,  zu  gewinnen,  und  nun 
rückte  er  gegen  Syrakus,  um  dort  selbst  an  die  Stelle  des  Agathokles  zu  treten. 
Die  Syrakusaner  aber  wählten  Hiketas  zum  Feldherrn,  einen  Mann,  von  dessen 
früherem  Leben  uns  nichts  bekannt  ist.  Dieser  widerstand  mit  dem  Bürger- 
heer so  gut  und  so  geschickt  dem  Mainon,  dass  dieser  seinen  Zweck  verfehlte. 
Aber  er  versetzte  durch  die  Herbeirufung  der  Karthager  die  Stadt  in  die 
grösste  Verlegenheit,  und  Syrakus  musste  sich  endlich  zu  einem  schimpflichen 
Vertrage  entschliessen,  durch  den  alle  Verbannten,  also  besonders  die  Söldner 
des  Agathokles ,  wieder  zurückkehrten.  Die  Karthager  Hessen  sich  als  Pfand 
der  Treue  von  den  Syrakusanern  400  Geiseln  stellen.  Was  aus  Mainon  wurde, 
wissen  wir  nicht;  dass  er  seinen  Zweck  auch  jetzt  nicht  erreichte,  ist  gewiss. 
Denn  Sjrakus  zeigte  sich  jetzt  dadurch  als  rechte  freie  Stadt,  dass  in  seinen 
Mauern  Parteistreitigkeiten  und  zwar  der  heftigsten  Art  ausbrachen,  die  ganz 
denselben  Charakter  hatten ,  wie  die  Kämpfe  200  Jahre  früher  nach  der  Ver- 
treibung des  Thrasybulos.  Gerade  wie  damals  fühlten  sich  die  Neubürger,  die 
ehemaligen  Söldner,  bei  den  Wahlen  zurückgesetzt  und  traten  gegen  die  Alt- 
bürger in  Waffen,  und  die  Stadt  war  in  zwei  feindliche  Lager  getheilt,  deren 
Kampf  schreckliches  Unheil  über  sie  bringen  musste.  Aeltere,  erfahrene  Leute 
vermittelten ,  wussten  die  Söldner  zu  überzeugen ,  dass  sie  doch  nie  den  Sieg 
würden  davon  tragen  können,  und  bewogen  sie,  gegen  die  Erlaubniss,  ihre 
Besitzungen  in  der  Stadt  und  im  Gebiete  verkaufen  zu  dürfen,  sich  zum  Ab- 
züge zu  verstehen.    Sie  versprachen,  die  Insel  zu  verlassen  und  nach  Italien, 


SechHies  Buch.  VI.  Pyrrhoi  in  SiciEien. 

"'".  stammten,  surUcl^zukehreD.  Als  sie  aber  his  Hessana  gekommen 
i'o  die  Bürger  sie  unvorsichtig  genug  aufnahmen,  in  der  Absicht,  sie 
1  nehmen  und  sich  ihrer  gegen  ihre  Feinde  lu  bedienen,  gefiel  ihnen 
und  ihre  Lage  so  sehr,  dass  sie  das  Beispiel  ihrer  Landsleule  in 
ndder  Samier,  die  vor  mehr  als  200  Jahren  sich. gewaltsam  des  alten 
!machligt  hatten  (Bd.  I  S.  (99],  nachahmten  und  sich,  mit  Beseitigung 
ilichen  Einwohner,  in  den  Besitz  der  Stadt  und  der  Weiber  seuten 
einlich  288  v.  Chr.).  Sie  nannten  die  Stadt  Hamertine  und  sich  selbst 
er,  von  Hamers,  dem  heimischen,  osiiischen  Namen  des  Kriegsgottes 
se  Mamertiner  sind  es,  die  bald  das  folgenschwerste  Ereigniss  der  sici- 
sschicht«,  den  üebergsng  der  Bsmer  nach  Sicilien,  veranlassen  sollten. 
Macht  der  Mamertiner  breitete  sich  bald  ungemein  aus.  Sie  unter- 
ich  eiaen  Tbeil  der  NordkUste,  machten  sich  durch  passend  angelegte 
nn  gutes  Stttck  des  Inneren  —  bis  nach  Kentorlpa  hin  -^—  zinsbar  und 
ten  den  Rest  des  östlichen  Siciliens  als  einen  guten  Stoff  fUr  Raub- 
:  sie  bis  an  die  SudkUste  ausdehnten.  Dass  sie  dabei  mit  bedeutender 
iftraten ,  beweist  der  CmsUind ,  dass  sie  sogar  Kamarina  und  Gela 
a. 

h  in  Syrakus  hatte  die  Freiheit  bald  ein  Ende ;  BikeUs  machla  sich  zum 
1  und  behauptete  die  Tyrannis  nenn  Jahre,  288 — 279  v.  Chr.  Tm  die- 
t  erhoben  sich  aber  auch  in  andern  sicilischen  Städten  Tyrannen,  He- 
in Leonlini,  Tyndarion  in  Tauromenion  und  Phintias  in  Akrag&s,  von 
:r  letztere  der  bedeutendste  war.  Phintias  gründete  sich  ein  nicht  on- 
des  Reich  im  westlichen  Sicilien  und  gerieth  als  der  Mächtigste  in  diesen 
1  mit  Biketas  in  Conflict :  es  handelte  sich  wieder  einmal,  wie  schon  so 
len  Vorrang  zwischen  Syrakus  undAkragas.  In  einer  am  Hyblaios  gelie- 
ihlacht  äegte  Hiketas.  Phintias  war  indass  dadurch  nicht  vemichlet; 
;heiDt,  schutilen  ihn  die  Karthager,  die  immer  noch  eine  bedeutende 
in  Sicilien  einnahmen.  Es  gab  also  um  diese  Zeit  vier  Machte  auf  der 
iragas  unter  Phintias,  die  Mamertiner,  die  Karthager  und  Syrakun  unter 
Letzterer  wagte  es ,  sich  mit  den  Karthagern  zu  messen ,  unterlag 
Flusse  Terias.  Die  günstigen  ZettumsUlnde  wusste  Phintias  zu  einer 
ung  seiner  Macht  nach  Osten  zu  benutzen.  Gela  war  zerstört,  und  er 
den  heimatblosen  Einwohnern  eine  neue  Stadt,  die  seinen  Namen 
Vachwelt  bringen  sollte.  Er  baute  die  Stadl  Phintias  da,  wo  jetzt 
Igt,  rechts  von  der  MUndang  des  HimeraQusses  (Salso),  auf  dem  durch 
inken  des  Phalaris  berühmten  schSnen  Berge  Eknomos.  Phintias  nahm 
s  die  Statte  des  heuligen  Licata  ein ,  erstreckte  sich  aber  noch  weiter 
is  das  oberhalb  gelegene  Fort  S.  Angelo  mit  umfasst  haben,  wo  In- 
gefunden worden  sind,  die,  da  sie  von  den  Geloem  reden,  zu  vielen 
inen  über  den  Namen  der  Stadt  geführt  haben.  Man  meinte,  dass 
Inschriften  nur  in  Gela  gefunden  werden  könnten.  Aber  es  lässt 
eisen,  dass  Gela  weiter  östlich  lag,  und  die  Erklärung  jener  auffol- 
"hatsache  liegt  darin ,  dass  die  Einwohner  von  Phintias  den  Namen  < 
aibehiclten,  ungefähr  wie  sich  die  Thermitaner  auch  bisweilen  Hime- 
nten. 


^     Pbintias.    Pyrrhos.  279 

Phintias  machte  sich  durch  Grausamkeit  verhasst,  und  die  meisten  der 
abhangigen  Städte  empörten  sich  gegen  seine  Besatzungen  und  vertrieben  sie^ 
wozu  die  Stadt  Agyrion  das  Beispiel  gabi  Zuletzt  regierte  er  milder.  Am  be- 
rühmtesten ist  von  ihm  die  Sage,  dass  er  im  Traume  den  ihm  bevorstehenden 
Tod  gesehen  habe,  wie  er  auf  der  Jagd  von  einem  Eber  niedergeworfen  und 
durchbohrt  sterben  werde,  daher  stamme  der  Eber  agf  seinen  Münzen.  Man 
sieht,  dass  die  Geschichte  erfunden  ist,  um  diese  MUnzen  zu  erklären,  un- 
geßihr  wie  es  jetzt  eine  Menge  Sagen  giebt,  welche  zur  Erklärung  von  seltsa- 
men Wappen  erfunden  worden  sind. 

In  Syrakus  war  inzwischen  Hiketas  nach  neunjähriger  Regierung  von 
Thoinon,  dem  Sohne  des  Mameus,  vertrieben  worden,  aber  dieser  hatte  die 
Herrschaft  über  die  Stadt  nicht  aliein  erlangt,  sondern  sie  mit  Sosistratos 
theilen  müssen.  Denn  dem  Sosistratos  war  es  gelungen ,  Acbradina  und  die 
übrigen  Theile  der  Stadt  mit  Ausnahme  von  Ortygia,  in  seine  Gewalt  zu  be- 
kommen, und  so  gehorchte  dem  Thoinon  nur  die  Insel.  Die  beiden  Herrscher 
befehdeten  sich,  ohne  sich  gegenseitig  viel  Schaden  thun  zu  können,  da  wur- 
den sie  beide  von  einem  Mächtigeren  angegriffen,  dem  sie  auch  vereint  schwer- 
lich gewachsen  waren.  Es  waren  die  Karthager,  die  sich  wieder  einmal  zur 
Eroberung  von  Syrlikus  anschickten ,  die  so  oft  versucht ,  noch  nie  gelungen 
war.  Sie  liefen  mit  100  Schiffen  in  den  grossen  Hafen  ein  und  umlagerten  die 
Stadt  mit  einem  Heere  von  50,000  Mann.  Syrakus  befand  sich  in  vollkommen 
derselben  Lage ,  wie  vor  etwa  60  Jahren,  als  Timoleon  kam  und  die  Stadt 
und  Sicilien  rettete.  Diesmal  gab  es  kein  freies  Griechenland  mehr,  an  das 
man  sich  hätte  wenden  können,  aber  es  gab  einen  berühmten  Fürsten,  der 
schon  italische  Griechen  in  seinen  Schutz  genommen  hatte,  und  von  dem  für 
Sicilien  das  beste  zu  erwarten  stand.  Es  vvar  Pyrrhos,  der  Molosserkönig,  dem 
wir  schon  als  Schwiegersohn  des  Agathokles  begegnet  sind. 

Ihn  hatte  Tarent  zu  Hülfe  gerufen,  das  diesmal  nicht  gegen  Lukaner,  son- 
dern gegen  Rom  selbst  Hülfe  brauchte.  Rom  schritt  langsam  aber  sicher  auf 
der  Bahn  der  Eroberung  Italiens  vorwärts.  Die  Völkerschaften,  welche  ein 
Intlresse  dabei  hatten,  sich  zu  einigen,  um  nicht  gesondert  in  der  Römer  Ge- 
walt zu  gelangen^  konnten  die  Einigung  nicht  zur  rechten  Zeit  bewerkstelligen 
und  wurden  nach  einander  unterworfen.  Die  Römer  besetzten  Thurii  und 
kamen  so  den  Tarentinern  auf  eine  bedenkliche  Weise  nahe.  Wenn  diese  mit 
Aussiebt  auf  Erfolg  Krieg  mit  den  Römern  hätten  führen  wollen,  so  hätten  sie 
ihn  früher  beginnen  müssen,  und  wir  sahen,  dass  sie  im  Jahre  320  v.  Chr. 
nahe  genug  daran  waren;  ein  jetzt  begonnener  Kampf  konnte  nur  ein  Kampf 
der  Verzweiflung  werden.  Es  war  auch  nicht  die  ruhige  Ueberlegung,  es  war 
die  plötzliche  Aufwallung  des  Unwillens,  welche  den  Kampf  unternahm.  Eine 
römische  Flotte  erschien  vor  Tarent,  während  doch  nach  einem  alten  Verlrage 
östlich  vom  lakinischen  Vorgebirge  keine  römischen  Kriegsschiffe  sich  blicken 
lassen  durften.  Das  im  Theater  versammelte  Volk ,  noch  aufgeregt  von  der 
Einnahme  Thurii's,  warf  sich  blitzschnell  über  die  Flotte,  die  es  in  Tarent's 
Gewässern  nicht  dulden  wollte,  und  eroberte  sie.  Der  römische  Befehlshaber 
fiel;  die  Gefangenen  wurden  als  Seeräuber  behandelt.  Wenn  die  Römer  auch 
durch  ihre  Anwesenheit  vor  Tarent  ohne  Zweifel   einen  Vertrag  gebrochen 


280  Sechstes  Bach.  VI.  Pyrrhos  in  Sicilien. 

hatten,  so  handelte  doch  das  tarentische  Volk  zugleich  unbiUig  und  unver- 
nünftig. Die  Strafe  konnte  nicht  ausbleiben;  wie  sollte  man  sie  abwenden? 
Als  nun  sogar  die  römischen  Gesandten  vom  tarentinischen  Pöbel  beschimpft 
worden  waren  und  nun  der  Krieg  begann ,  da  warf  man  sich  Pyrrhos  in  die 
Arme,  der  gleich  zu  Anfang  aus  seinen  Absichten  in  Italien  wenig  Hehl  machte. 
Er  versprach  freilich,  dort  nicht  länger  zu  bleiben,  als  nöthigsei,  aberVer 
sollte  ihm  über  die  Nothwendigkeit  Vorschriften  machen?  Das  Recht,  Be- 
satzung in  Tarent  zu  legen,  bedang  er  sich  aus. 

Im  Jahre  284  v.  Chr.,  473  nach  der  Gründung  der  Stadt  Rom,  landete 
die  Vorhut  des  PjTrhos^  im  folgenden  Jahre  der  König  selbst  mit  einem  zahl- 
reichen Heere,  das  grösstentheils  aus  seinen  treuen  Epiroten  und  apdern  kräf- 
tigen Stämmen  bestand,  über  30,000  Mann  zuFuss,  3000  Reitern  und  20 
Elephnnten.  Der  Kampf  zwischen  dem  glänzendsten  Feldherm  seiner  Zeit, 
dem  Adler,  dem  zweiten  Alexander,  wie  man  den  Molosserkönig  nannte,  und 
dem  kräftigen  Bürgerheer  der  Römer  begann.  Das  erste  gewaltige  Auftreten 
des  Königs  Pyrrhos  kann  in  Sicilien  kein  anderes  Gefühl  als  das  der  Besorgniss 
hervorgerufen  haben,  wenn  überhaupt  die  bedenkliche  Lage  der  inneren  An- 
gelegenheiten einen  Gedanken  an  das  ferner  Liegende  aufkommen  Hess.  Eine 
andere  Stadt  wenigstens  wurde  durch  die  Ankunft  des  Pyrrhos  bestimmt,  sich 
schleunig  den  Römern  zu  überliefern ,  aber  durch  ein  schreckliches  Unglück 
für  diesen  Entschluss  bestraft.  Wir  meinen  Rhegion ,  das  aus  Furcht  vor  den 
die  Stadt  bedrohenden  Gefahren  —  die  Karthager  beherrschten  das  Meer,  und 
Pyrrhos  schien  Italien  bewältigen  zu  wollen  —  die  Römer  um  Schutz  bat. 
Rom  schickte  eine  Legion  —  4000  Kampaner  unter  der  Anführung  des  Decius 
lubellius,  die  nach  kurzer  Zeit  das  Beispiel  ihrer  Landsleute  in  Messana  nach- 
ahmten, die  Bürger  von  Rhegion  Iheils  ermordeten,  theils  vertrieben  und  sich 
in  Besitz  der  Stadt  setzten.  Decius  selbst  musste  freilich  aus  Rhegion  nach 
Messana  fliehen ,  da  seine  eigenen  Leute  über  seine  Ungerechtigkeit  bei  der 
Vertheilung  der  Beute  Klage  erhoben ,  und  er  litt  hier  eine  schwere  Busse 
für  seine  Unthat,  indem  ein  Arzt,  den  er  bei  einer  Augenkrankheit  zu  Rathe 
zog,  ihn  durch  seine  Salbe  blendete.  Aber  Rhegion  war  doch  eine  Zeitlang  in 
den  Händen  der  Kampaner,  die,  wenn  sie  im  Besitz  einer  Flotte  gewesen 
wären,  mit  ihren  beiden  Häfen  Messana  und  Rhegion  eine  imponirende  Stel- 
lung hätten  einnehmen  können.  So  begnügten  sie  sich  damit,  die  umliegen- 
den Gegenden  zu  verheeren ;  sie  machten  in  Kroton  die  römische  Besatzung 
nieder  und  zei*störten  Kaulonia. 

Die  Kampaner  in  Rhegion  waren  vor  der  Strafe,  die  ihnen  von  Rom 
drohte,  und  die  nicht  ausbleiben  konnte,  wenn  Rom's  Name  nicht  geschändet 
sein  sollte,  so  lange  sicher,  als  die  Römer  durch  Pyrrhos  beschäftigt  waren. 
Dieser  besiegte  bei  Herakleia  den  römischen  Gonsul  Laevinus,  besonders  durch 
seine  Elephanten,  mit  denen  die  Römer  noch  nicht  zu  kämpfen  verstanden, 
und  gewann  Lukanien  den  Römern  ab,  welche  nach  Apulien  sich  zurückziehen 
mussten.  Pyrrhos  hatte  aber  durch  die  Schlacht  bei  Herakleia  gelernt,  dass 
die  Römer  nichtieicht  zu  überwinden  seien  ;  er  wünschte  fürs  erste  Frieden, 
um  die  grossen  Pläne,  mit  denen  er  umging,  und  die  auf  nichts  geringeres  als 
die  Gründung  eines  westlichen,  dem  Alexanders  des  Grossen  entsprechenden 


Pyrrhos  in  Italien.  281 

Reiches  gerichtet  waren ,  nach  einer  andern  Seite  hin ,  nclmlich  in  Sicilien, 
verwirklicheo  zu  können.  Ihm  gehorchten  bereits' alle  südlichen  grossgriechi- 
sehen  Städte,  mit  einziger  Ausnahme  von  Rhegion;  wenn  die  sicilischen 
Griechen  ebenfalls  ihm  unterworfen  waren,  konnte  er  sich  rtlhmen,  ein  Reich 
zu  besitzen,  durch  das  er  angesehener  dastand  als  Dionys  oder  Agathokles 
selbst  in  ihren  letzten  Jahren,  und'das  seinem  kampfbegierigen  Sinne  HUlfs-  * 
mittel  zu  immer  grösseren  Unternehmungen  zeigte.  Aber  die  Anstrengungen 
seines  Gesandten  Kineas  scheiterten  an  dem  Patriotismus ,  den  der  alle  blinde 
Appius  Claudius  dem  römischen  Senate  einzuhauchen  wusste.  Pyrrhos  rückte 
bis  nach  Latium  hinein,  ohne  den  Muth  der  Römer  brechen  und  die^Treue  der 
Bundesgenossen  schwächen  zu  können.  Im  nächsten  Jahre,  279  v.  Chr. — 
475  der  Stadt,  siegte  er  bei  seinem  Einfall  in  Apulien  noch  einmal  bei  Ascu- 
lum ,  aber  es  war  ein  schwer  errungener  und  ganz  unfruchtbarer  Sieg.  Er 
nahm  seine  Winterquartiere,  wie  nach  der  ersten  Schlacht,  in  Tarent,  unzu- 
frieden mit  der  Rolle,  die  er  in  Italien  mit  unfähigen  Bundesgenossen  den 
Römern  gegenüber  spielte ,  sehnsüchtig  nach  Abwechselung  in  seiner^Thätig- 
keit  trachtend.  Da  kamen  Boten  aus  Syrakus,  von.Thoinon  wie  von  Sosistratos, 
und  auch  wohl  von  angesehenen  Männern  aus  der  Bürgerschaft,  PjTrhos  möge 
kommen  und  Syrakus  retten,  sonst  falle  es  den  Karthagern  ; in  die  Hände. 
Pyrrhos  war  von  Anfang  an  wohl  geneigt,  den  Wünschen  der  Syrakusaner  zu 
entsprechen,  und  es  hinderte  ihn  nur  das  Gefühl,  dass  er  doch  nicht  unver- 
richteter  Sache  aus  Italien  abziehen  könne;  aber  die  Botschaften  wurden  im- 
mer häufiger,  immer  dringender:  mussten  nicht  die  italischen  Griechen  selbst 
einsehen,  dass  die  Rettung  ihrer  Brüder  in  Syrakus  keinen  Aufschub  litt? 
Pyrrhos  entschloss  sich  dazu,  den  Zug  zu  unternehmen. 

Den  Karthagern  kam  ein  Angriff  des  Pyrrhos  nicht  unerwartet,  obwohl  sie 
demselben  doch  keineswegs  gewachsen  waren.  Ein  Bündniss,  das  sie  soeben 
geschlossen  hatten,  konnte  ihnen  wenig  nützen:  das  mit  den  Römern.  Es 
scheint,  dass  es  nach  der  Schlacht  bei  Asculum  geschlossen  worden  ist,  doch 
war  im  Jahre  vorher,  als  Pyrrhos  bis  nach  Lalium  vorrückte,  der  karthagische 
Feldherr  Magon  mit  einer  Flotte  von  120  Segeln  bei  Ostia  erschienen,  angeblich 
um  den  Römern  Karthago's  Hülfe  anzubieten,  die  sie  jedoch  ablehnten,  und  es 
könnte  sein,  dass  Magon  schon  damals  den  Vertrag  abgeschlossen  hätte,  worauf 
er  dann  mit  seiner  Flotte  zur  Belagerung  von  Syrakus  abgefahren  wäre.  Die 
Bedingungen  des  Vertrages  waren ,  wenn  einer  der  beiden  Theile  ein  Bünd- 
niss  mit  Pyrrhos  schliesse,  so  solle  dies  nur  geschehen  mit  Zuziehung  des  an- 
dern, damit  man  sich  gegenseitig  im  Falle  eines  Krieges  helfen  könne;  wenn 
einer  der  beiden  Staaten  die  Hülfe  des  andern  nöthig  habe,  so  solle  Karthago 
die  Schiffe  zur  Hin-  und  Rückfahrt  stellen,  jeder  Staat  aber  selbst  für  den 
Unterhalt  seiner  eigenen  Truppen  sorgen ;  die  Karthager  sollten  den  Römern 
auch  zur  See  Hülfe  leisten,  wenn  es  nöthig  wäre,  alsdann  aber  die  Bemannung 
nicht  gehalten  sein,  gegen  ihren  Willen  am  Lande  zu  kämpfen.  Es  war  nicht 
der  erste  Vertrag,  den  Rom  mit  Karthago  schloss,  wohl  aber  der  erste,  der 
über  einen  blossen  Handelsvertrag  hinausging.  Er  war  das  Resultat  nicht  des 
Vertrauens ,  wie  es  Verträge  sein  sollten  ,  sondern  gegenseitigen  Misstrauens. 
Jeder  von  beiden  Staaten  fürchtete,  dass  der  andere  dem  Pyrrhos  gegen  ihn 


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Sechstes  Bocfa.   VI.  Pvrrhos  in  Sicilien. 


beistehen  möchte  und  suchte  das  zu  verhindern.  Deshalb  hat  denn  auch  der 
Vertrag  nur  die  negative  Folge  gehabt,  dassPjxrhos  zuerst  gegen  die  Römer  und 
dann  gegen  die  Karthager  allein  und  ohne  Bundesgenossen  gekämpft  hat;  dem 
bedrohten  Theile  beizustehen,  daran  dachten  die  Karthager  sicheriicfa  nicht  im 
Emst^und  die  Römer  gar  nicht.  Was  sollten  auch  karthagische  Halfstrappen 
in  Italien  gegen  Pvrrhos  ausriQhten,  und  warum  hätten  die  Römer  nicht  froh 
sein  sollen,  wenn  Pvrrhos  Italien  verliess,  um  die  Karthager  in  Sicilien  heim- 
zusuchen? 

Nur  ein  ganz  kleiner  Versuch  der  Cooperation  zwischen  den  beiden  Völ- 
kern ,  die  mit  ihrer  Feindschaft  bald  fast  alle  Ktlstenländer  des  Mittelmeeres 
erfüllen  sollten,  wurde  gemacht  und  ohne  sichtlichen  Erfolg.  Es  musste  den 
Karthagern  daran  liegen,  die  Heerenge  zu  bewadien  und  den  Uebergang  des 
Pyrrhos  nach  Sicilien  zu  verhindern ;  die  Römer  dagegen  wollten  um  jeden 
Preis  Rhegion  erobern,  um  die  Kampaner  zu  bestrafen.  Die  Karthager  nahmen 
500  römische  Soldaten  auf  ihre  Schiffe  und  halfen  so  bei  der  Belagemng  von 
Rhegion  von  der  Wasserseite,  aber  die  Stadt  wurde  nicht  erobert;  es  gelang 
nur,  eine  Hasse  Schiffsbanholz  der  Rheginer  zu  zerstören,  und  auch  die  Be- 
wachung der  Heerenge  erwies  sich  als  nutzlos. 

Denn  Pyrrhos  hatte  das  Glück ,  gerade  wie  Timoleon ,  in  dem  Herrscher 
von  Tauromenion  einen  Freund  und  Bundesgenossen  zu  finden ,  der  ihm  ge- 
stattete, mit  Vermeidung  der  Meerenge  gleich  nach  diesem  südlicher  gelegenen 
Hafen  zu  steueHi.  Pyrrhos  fuhr  mit  seinem  Heer  und  seinen  Elephanten  von 
Tarent  nach  Lokri  und  setzte  von  da  nach  Tauromenion  über  (278  v.  Chr.),  wo 
er  seine  Truppen  ausruhen  liess  und  von  Tyndarion  Verstärkungen  mitnahm. 
Von  da  ging  es  zu  Schiff  nach  Katane,  das  ihn  glänzend  empfing  und  mit  golde- 
nen Kränzen  den  Befreier  schmückte.  Nun  zog  das  Heer  zu  Lande  w*eiter  nach 
Syrakus;  die  Flotte  begleitete  es,  zur  Seeschlacht  gerfistet.  Der  Name  des 
Pyrrhos,  des  Siegers  über  die  Römer,  that  Wunder.  Die  Karthager  fanden, 
dass  sie  zur  Unzeit  30  Schiffe  von  ihrer  Belagerungsflolte  abgeschidit  hatten, 
und  dass  sie  mit  den  Übrigen  Schiffen  der  Flotte  des  Pyrrhos,  die  etwa  60  Segel 
zählte ,  nicht  mehr  gewachsen  seien ;  sie  entfernten  sich  mit  Flotte  und  Heer 
und  Hessen  Pyrrhos  einen  triumphirenden  Einzug  in  d«is  schnell  befreite  Sy- 
rakus halten.  Thoinon  übergab  ihm  die  Insel ,  Sosistratos  die  übrige  Stadt. 
PntHios  gebot  jetzt  über  eine  bedeutende  Hacht,  seine  Flotte  zählte  bald  im 
Ganzen  200  Segel.  Aber  mit  der  Befreiung  von  Syrakus  war  nur  ein  kleiner 
Theil  der  Pläne  des  Pyrrhos  angeführt,  es  galt,  die  Karthager  überhaupt  von 
Sicilien  zu  vertreiben  ^  und  die  sicilischen  Griechen  wirkten  gerne  nach  Mass- 
gabe ihrer  Kräfte  dazu  mit. 

Eine  bedeutende  Hülfe  leistete  Herakleides,  der  Tyrann  von  Leonlini,  der 
sein  Gebiet  dem  Pyrrhos  unterwarf  und  seine  Truppen  ihm  zur  Veritigung 
stellte,  1000  Mann  zu  Fuss  und  500  Reiter.  Aehnliche  Beitrittserklärungen 
kamen  auch  von  andern  Seiten,  und  so  konnte  Pyrrhos  bald  zu  seiner  Espedi- 
tion nach  Westen  aufbrechen. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  war  der  Besitz  von  Akragas.  Sosistratos  be- 
machtisite  sich  desselben  und  36  kleinerer  Städte  des  westlichen  Siciliens,  und 
so  erwuchs  dem  Heere  des  Pyrrhos  eine  Vei^rössening  von  8000  Mann  zu 


Pyrrhos  vor  Lilybeion.  283 

Fuss  unä  800  Reitern.  Pyrrhos  verweilte  eine  Zeitlang  in  Akragas ,  um  die 
Belagerungsmaschinen  zu  erwarten,  die  ihpi,  wahrscheinlich  zur  See ,  nach- 
geschickt wurden,  und  rückte  dann  in  das  eigentliche  karthagische  Gebiet;  er 
hatte  ein  Heer  von  30,000  Mann  zu  Fuss  und  1500  Reitern,  sowie  einige  Ele- 
phanten.  Zuerst  bemächtigte  er  sich  Herakleia^s,  wo  eine  karthagische  Be- 
satzung lag,  dann  der  sonst  unbekannten  Stadt  Azones.  Hierauf  schlössen  sich 
Selinus,  Halikyai  und  Egesta  ihm  an.  Eryx  hatte  eine  starke  karthagische 
Besatzung,  welche  sich  zum  Widerstand  entscbloss.  Hier  zeigte  Pyrrhos  sich 
als  den  geschicktesten  Feldherm  und  tapfersten  Soldaten  zugleich.  Die  Mauern 
wurden  mit  allen  Mitteln,  welche  die  Belagerungskunst  darbot,  berannt,  und  als 
ein  Sturm  möglich  geworden  war,  da  leitete  ihn  Pyrrhos  selbst,  mit  glänzen- 
der Rüstung  angethan.  Er  hatte  vorher  dem  Herakles  ein  Kampfspiel  und  ein 
grosses  Opfer  gelobt,  wenn  er  sich  bei  dieser  Gelegenheit  mit  des  Gettes  Hülfe 
als  einen  würdigen  Nachkommen  der  Aeakiden  und  des  Achilleus  zeigte.  Dem 
kräftigen  Anstüi*men  des  Königs  und  der  ihn  stets  begleitenden  Freundesschaar- 
wich  die  karthagische  Besatzung.  £r  hielt  das  dem  Herakles  geleistete  Ge- 
lübde. Nach  Eryx  kam  die  Reihe  an  laitia,  das  sich  ihm  freiwillig  unterwarf, 
und  an  Panormos,  das  ef*  bestürmte  und  eroberte.  Auch  der  bei  Panormos  gele- 
gene Berg  Heirkte  (M^^  Pellegrioo)  mit  seinem  festen  Schlosse  fiel  in  seine  Hände. 

Nun  war  die  ganze  Insel  von  der  Herrschaft  der  Karthager  befreit,  nur  in 
Liljbaion  hielten  sie  sich  noch.  Lilybaion  war  aber  aufs  trefflichste  befestigt; 
der  Zugang  von  der  Landseite  war  schon  von  Natur  leicht  zu  vertheidigen,  jetzt 
hatten  die  Karthager  dort  noch  einen  breiten  Graben  gezogen  und  feste  Thttrme 
gebaut.  Geschütz  und  Maschinen  zur  Yertheidigung  der  Mauern  befand  sich 
reichlich  in  der  Stadt,  die  eine  sehr  zahlreiche  Besatzung  hatte  und  mit  Le- 
bensmitteln wohi  versehen  war.  Pyrrhos  mochte  wohl  zögern,  diese  Stadt  an- 
zugreifen. 

Befand  er  sich  doch  sonst  in  einer  beneidenswerthen  Stellung  auf  der 
Insel  I  Neben  ihm  nur  noch  in  Lilybaion  die  Karthager  und  in  Messana  die 
Mamertiner  —  denen  er,  wahrscheinlich  durch  seine  Feldherren,  alle  Erobe- 
rungen entrissen  und  ihre  im  Lande  umherziehenden  Steuereinnehmer  getödtet 
hatte  —  im  übrigen  er  allein  der  Beherrscher  der  Insel. 

Dass  er  Lilyi)aion  nicht  ohne  grosse  Anstrengung  und  nur  nach  gewalti- 
gen Vorbereitungen  nehmen  konnte,  war  klar.  Die  Zeit,  welche  darüber  ver- 
ging, alles  zur  Belagerung  in  Stand  zu  setzen,  benutzten  die  Karthager,  um 
Unterhandlungen  mit  ihm  anzuknüpfen.  Sie  verlangten,  Lilybaion  behalten  zu 
dürfen ;  auf  alles  übrige  in  Sicilien  wollten  sie  gerne  verzichten ;  sie  wollten 
auch  Geld  dem  Könige  zahlen  und  ihm  Schiffe  stellen.  Sie  wollten  also  dazu 
behülflich  sein ,  dass  Pyrrhos  wieder  über  ihre  Bundesgenossen ,  die  Römer, 
herfiel,  wenn  sie  nur  selbst  vor  ihm  sicher  waren ;  denn  nur  gegen  die  Römer 
konnte  er  die  karthagischen  Schiffe  benutzen.  Es  heisst,  dass  er  selbst  geneigt 
war,  das  Anerbieten  der  Karthager  anzunehmen,  dass  aber  seine  Freunde  und 
besonders  die  Vertreter  der  Griechenstädle  in  seinem  Rathe  darauf  drangen, 
dass  er  den  Karthagern  nicht  die  Festung  auf  der  Insel  lassen  solle,  welche  sie 
in  Stand  setzen  musste,  auch  das  übrige  Gebiet  bei  gelegener  Zeit  mit  Leich- 
tigkeit wieder  zu  erobern.    Es  war  klar,  dass  die  Karthager  nichts  verloren 


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284 


Sechstes  Buch.  VI.  Pyrrhos  in  Sieilien. 


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hatten,  wenn  Lilybaion  ihnen  blieb,  und  wenn  ein  Feldherr,  wie  Pyrrhos. 
diese  Ueberiegung  nicht  gleich  selbst  anstellte,  so  kann  ihn  nur  das  Gefühl 
dazu  veranlasst  haben,  dass  man  in  Italien  auf  seine  Rückkehr  warte,  dass  er 
seinen  dortigen  Bundesgenossen  noch  viel  zu  leisten  schuldig  sei,  und  dass  die 
Römer,  je  länger  er  entfernt  bleibe,  desto  mehr  Terrain  wieder  gewinnen 
müssten.  Wirklich  konnte  der  Consul  Fabricius  am  Ende  des  Jahres,  in  wel- 
chem Pyrrhos  nach  SiciIien  gegangen  war,  über  Lukaner,  Bruttier,  Tarentiner 
triumphiren;  die  Römer  gewannen  selbst  die  Stadt  Herakleia  und  damit  einen 
festen  Punkt  am  tarentinischen  Golfe ,  welcher  die  Verbindung  TarenCs  mit 
seinen  westlichen  Bundesgenossen  wesentlich  erschweren  musste.  War  es  zu 
verwundern ,  wenn  sich  des  Pyrrhos  eine  gewisse  Ungeduld  bemächtigte  und 
er  gern  nach  einem  ehrenvollen  Frieden  mit  Karthago  sich  mit  verstärkten 
Kräften  wieder  auf  Rom  geworfen  hätte?  Wäre  aber  dann  die  Stimmung  der 
sicilischei)  Griechen  dieselbe  geblieben  ?  Würden  sie  sich  nicht  alsbald  von 
dem  Manne,  der  ihre  hochfliegenden  Erwartungen  nicht  befriedigte,  abgewandt 
haben?  Die  Rücksicht  auf  Sieilien  nöthigte. Pyrrhos,  die  Anträge  der  Karthager 
abzulehnen,  und  nun  musste  die  Belagerung  von  Lilybaion  versucht  werden. 
Er  gab  den  Karthagern  zur  Antwort ,  von  Freundschaft  mit  ihnen  könne  nur 
dann  die  Rede  sein,  wenn  sie  Sieilien  ganz  aufgäben,  und  lagerte  mit  seinem 
Heere  vor  Lilybaion.  Ein  Sturm  nach  dem  andern  ward  unternommen  und 
abgeschlagen;  die  Anstalten  der  Karthager  erwiesen  sich  als  so  gewaltig,  dass 
die  Mauern  kaum  die  ganze  Masse  der  Maschinen ,  welche  Geschosse  aller  Art 
schleuderten,  fassen  konnten.  Die  ausSyrakus  berbeigeschafiften  Belagerungs- 
werkzeuge reichten  nicht  aus,  und  Pyrrhos  musste  während  der  Belagerung 
neue  machen  lassen.  Aber  alle  Anstrengung  war  vergebens;  die  Karthager 
wiesen  alle  Angriffe  zurück.  Pyrrhos  dachte  nun  die  Mauern  untergraben  und 
so  stürzen  zu  können ;  aber  sie  wurzelten  auf  hartem  Fels,  in  den  nicht  einzu- 
dringen war.  Er  gab  die  Belagerung  auf,  nachdem  sie  zwei  Monate  gedauert 
hatte. 

Was  sollte  er  nun  beginnen  ?  Dasselbe,  so  sagte  er  sich,  was  Agathokles 
gethan  hatte :  den  Krieg  nach  Afrika  hinübertragen.  Dort  überwunden,  musste 
Karthago  Lilybaion  und  mehr  noch  aufgeben.  Aber  Agathokles  hatte  keine 
Seemacht  gehabt,  und  das  war  sein  Unglück  gewesen ;  ohne  Seemacht  konnte 
Karthago  wohl  besiegt,  nie  überwunden  werden.  Pyrrhos  musste,  wenn  er 
nicht  als  Abenteurer,  sondern  als  König  und  Feldherr  nach  Afrika  übersetzen 
wollte,  nothwendig  eine  ansehnliche  Flotte  besitzen.  Nun  hatte  er  wohl  Schiffe 
in  hinlänglicher  Zahl ,  aber  es  fehlte  an  Bemannung.  Diese  konnte  nur  von 
den  sicilischen  Griechen  gestellt  werden ,  und  Pyrrhos  forderte  sie.  Aber  es 
verging  Tag  um  Tag  und  Woche  um  Woche,  und  die  Flotte  wurde  nicht  fertig. 
Es  fing  bei  den  Griechen  Siciliens  der  Umschwung  in  der  Stimmung  gegen 
Pyrrhos  an.  Er  hatte  in  kürzester  Zeit  mehr  gethan ,  als  irgend  einer  ihrer 
einheimischen  Helden,  als  Gelon  oder  Dionys;  aber  weil  er  so  viel  gethan 
hatte,  bildeten  sie  sich  ein,  er  könne  das  Unmögliche  thun,  und  wurden  uo- 
wiilig,  da  er  es  nicht  that.  Er  war  ja  auch  ein  Fremder,  der  leicht  bei  ihnen 
Anstoss  geben  konnte,  der  herrschen  wollte,  und  dem  sie  nur  so  lange  gut- 
willig gehorchten,  als  er  in  der  Siegeslaufbahn  vorwärts  schritt.    Nun  war.es 


Rückkehr  des  P^Trhos  nach  Italico.  '285 

nölhig  zu  rüsten,  und  gewaltig  zu  rüsten.   Das  erforderte 'Zeil  und  wollte  klug 
geleitet  sein.    Pyrrhos  aber  hatte  das  Gefühl,  als  ob  er  gedrängt  würde,  so 
schnell  wie  möglich  das  zu  thun,  was  noch  übrig  war.     Die  Unruhe ,  die  ihn 
quälte  wegen  des  unvollendet  gelassenen  Werkes  in  Italien,  die  ihn  zum  Frie- 
den mit  Karthago  geneigt  gemacht  hatte ,  kehrte  mit  erneuerter  Kraft  wieder, 
als  der  Angriff  auf  Lilybaion  ohne  Erfolg  geblieben  war,  und  bewirkte,  dass  er 
die  Vorbereitungen  zum  Zuge  nach  Afrika  mit  einer  lieberhaften  Hast  betrieb. 
Sein  Charakter  schien  sich  verändert  zu  haben.    Sonst  freundlich  und  mild, 
war  er  nun  gebieterisch  und  hart;    das  lässige  Wesen  sollte  den  Sikelioten 
ausgetrieben  werden.     £r  erreichte  aber  nur  das  Gegentheil  dessen,  was  er 
beabsichtigte.   Aus  Unmuth  wurde  bei  den  Sikelioten  Abneigung,  und  als  nun 
Pyrrhos  mit  Gewalt  seinen  Willen  durchsetzen  zu  können  glaubte  und  überall 
durch  die  von  ihm  eingesetzten  Stadtcommandanten  Zwang  üben  Hess,    da 
brachte  die  seinem  Charakter  gemäss  mehr  mit  leidenschaftlicher  Heftigkeit 
und  stossweise  als  mit  systematischer  Berechnung  angewandte  Gewalt  nur 
Trotz  und  offene  Feindschaft  hervor,  und  es  war  um  seinen  £inÜuss  geschehen. 
Von  seinen  zwei  ersten  Freunden  auf  der  Insel  fiel  der  eine,  Sosistratos,  von 
ihm  ab,  und  den  andern,  Thoinon,  Hess  er  tödten.     Das  war  gebandelt  nach 
Tyrnnnenart,  und  als  ein  Tyrann  galt  er  hinfort  den  SikeHoten,  die  von  ihm 
abfielen,  wenn  sie  Irgend  konnten,  theils  zu  den  Mamertinem,  theils  zu  den 
Karthagern.    Seine  Pläne  waren  als  gescheitert  zu  betrachten ;  wenn  er  etwas 
erobern  wollte ,  so  wäre  es  jetzt  das  griechische  Sicilieh  gewesen.     Da  war 
doch  seine  Stellung  in  Italien  noch  besser;  dahin  kehrte  er  z.urück,  von  den 
dortigen  Bundesgenossen,   die  von  den  Römern  mehr  und  mehr  bedrängt 
wurden,  inxmer  dringender  eingeladen  (276  v.  Chr.).  Er  überliess  Sicilien  sich 
selbst ;  er  verliess  es,  sagt  Plutarch,  wie  man  sich  von  einem  auf  dem  Meere  vom 
Sturme  umhergetriebenen  Schiffe  an^s  Ufer  rettet.     Bei  seinem  letzten  Blicke 
auf  die  Insel  soll  er  ausgerufen  haben:  Welch]  einen  Kampfplatz,  o  Freunde, 
lassen  wir  den  Römern  und  Karthagern  I    Seine  Prophezeiung  sollte  bald  in 
Erfüllung  gehen. 

Die  Laufbahn  des  Pyrrhos  auf  Sicilien  ist  mit  einem  Meteor  zu  vergleichen, 
das  durch  sein  Licht  in  Erstaunen  setzt,  aber  nach  kurzem  Leuchten  ver- 
schwindet. Er  vereinigte  die  Sikelioten,  besiegte  die  Karthager,  wurde  in  sei- 
nem Siegeslaufe  aufgehalten  und  musstedie  Insel  wieder  verlassen.  Die  Kartha- 
ger konnte  er  besiegen,  aber  die  Sikelioten,  deren  er  zur  völligen  Ueberwindung 
der  Karthager  bedurfte,  entzogen  sich  ihm.  Er,  den  man  an  Charakter,  Tapfer- 
keit und  Feldhermblick  mit  dem  makedonischen  Alexander  vergleichen  durfte, 
konnte  doch  den  Karthagern  gegenüber  nicht  die  Rolle  Alexander^s  in  Asien 
spielen.  Die  Verhältnisse  waren  allerdings  in  mehrfacher  Beziehung  ungün- 
stiger. Zunächst  botEpirus,  wenn  seine  Männer  auch  tapfer  waren,  doch 
nicht  die  militärischen  Hülfsmittel,  wie  das  grössere  Makedonien.  Sodann 
hatte  Alexander  die  bereits  durch  seinen  Vater  gedemüthigten  Griechen  mehr 
in  seiner  Hand ,  als  Pyrrhos  die  Italioten  und  Sikelioten.  Endlich  hatte  der 
makedonische  König  keine  Mittelstufen  zu  überschreiten,  um  nach  Asien  zu 
gelangen,  während  Pyrrhos  nach  Afrika  nur  von  Sicilien,  nach  Sicilien  aber 
nur  von  Italien  kommen  konnte.    So  war  es  denn  auch  nicht  zu  verwundern, 


^^F"-' 


les  Ducb.  VII.  Hieron  II.  bis  iS4  v.  Cbr.    Die  palttlsche  Ent^ickcluog  SidiieDS. 

Epirolen  nicht  die  lieber wyltigUDg  des  mächtigen  Karthago,  nicht 
Vertreibung  der  Karthager  aus  Sicilien  gelang. 
;r  Berufung  des  Pyrrhos  und  deui  Fehlschlagen  seines  Unternehmens 
uch  die  UUlfe ,  welche  die  siciliscben  Griechen  aus  der  hellenischen 
n  konnten,  erschöpft.  Von  dem  freien  Griechenland  war  man  aa( 
sches  KtiDigthum  gewiesen  worden;  nach  der  Erschöpfung  jenes 
lern  sich  der  glänzendste  der  helleniscben  Pursten  als  unfäiiig,  die 
1  lösen,  gezeigt  hatte,  musslen  die  sicilischen  Griechen  sich  wieder 
jenen  Kräfte  verlassen,  um  den  Karthagern  zu  widerstehen.  Aber 
;e  Kmfte  überhaupt  noch  vorhanden?  Nachdem  Timoleou  die  Syra- 
retlet  hatte,  war  Agathokles,  ein  einheimischer  FUrst,  mächtig  ge- 
iurch  Pyrrhns  befreit,  konnte  Syrakus  ohne  Zweifel  noch  einen 
^Uhrer  hervorbringen  und  eine  Zeitlang  selbständig  bleiben.  Aber 
ht  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  Krankheit,  welche  schon  zwei 
Fremden  Arzt  nötbig  gemacht  hatl«,  sum  dritten  Male  noch  heftiger 
ren,  und  wer  konnte  dann  einen  tödtlichen  Ausgang  verhindern, 
in  zu  den  Karthagern  noch  ein  zweiter  Feind  gegen  Sicilien  auftrat, 
;rin  des  Pyrrhos,  Rom? 


Siebeutes  Kapitel. 

:.  biB  361  T.  Chr.  Rückblick  aof  die  politisehe  Entwiekrimig 
Slclliens. 

t'iThos  Sicilien  verlassen  balle  und  die  Staaten  der.Insel,  von  der 
den  durch  ihn  gedemfllhigten  Karthagern  befreit,  sich  wieder  mit 
'en  Angelegenheiten  beschäftigen  konnten ,  brachen  in  Syrakus  die 
jgkeiten  wieder  aus,  diesmal  zwischen  Heer  und  Stadt.  Wir  wissen 
welchen  Ursachen,  doch  ist  möglich,  dass  die  demokratischen  An- 
Heere kraftiger  ausgebildet  waren,  während  in  der  Stadt  die  (di- 
oder aristokratische  Partei  des  L'ebergewichl  hatte.  Das  Heer  stand 
le  oder  vielmehr  Morgantion ,  wie  mit  Recht  vermulhet  wird.  Es 
it  den  aus  Syrakus  kommenden  Befehlen  unzufrieden,  sich  eigene 
Artemidoros  und  Hieran.  Dass  damals  in  Syrakus,  wie  man  aus 
i  des  Plautus  geschlossen  hat,  ein  Liparon  die  Gentilt  hatte,  so  dass 
Hieron  und  Artcmidor  gewählt  worden  wären,  ist  nicht  glaublich, 
den  Namen  Liparon  für  einen  erfundenen  zu  halten,  der  mit  Hierou 
gestellt  ist,  nach  dessen  Analogie  ihn  der  Erfinder  bildete.  Denn  wie 
n  Lipara  herzuleiten  ist,  so  erinnert  Hieron  an  Hiera.  Beides  sind 
1  liparischen  Inseln.  Die  vom  empörten  Heere  erwählten  FeldheireD, 
Hieron  der  beliebtere  und  bedeutendei'e  war,  dem  Artemidoros  nur 


Hteron  Feldherr  von  Syrakus.  287 

Deigegeben  zu  sein  scheint ,  wie  eins^  Megakles  dem  J)ion ,  kamen  mit  ihren 
Truppen  durch  Verrath  in  die  Stadt  und  wurden  der  Gegenpartei  Herr.  Yon 
jetzt  an  trat  Hieron  allein  in  den  Vordergrund  (275  v.  Chr.). 

Der  künftige  Herrscher  von  Syrakus  verdankt  die  hohe  Stellung ,  die  er 
noch  jung  einnahm,  einzig  und  allein  seinen  Talenten  und  setner  Thätigkeit. 
Natürlich  wurde  ihm ,  da  er  den  Namen  Hieron  führte ,  später  eine  erlauchte 
Abkunft  zugeschrieben.  Er  sollte  von  dem  alten  Gelon  abstammen,  eine  Nach- 
richt, die  sich  übrigens  nur  ganz  vereinzelt  im  Alterthum  ßndet.  Sein  Vater 
hiess  Hierokles,  ein  Mann,  der  durchaus  nicht  zu  den  Angeseheneren  in  Syra- 
kus gehört  zu  haben  scheint.  Ueber  die  «Jugend  Hieron's  wird  mancherlei 
Wunderbares  erzählt:  Geschichten^  die  immer  in  irgend  einem  Punkte  den 
von  andern  berühmten  Männern  erzählten  ähnlich  sehen.  Er  war  der  Sohn 
einer  Magd,  und  sem  Vater  Hess  ihn  aussetzen  —  wir  erinnern  uns  an  die 
Kindheit  des  Agathokles  —  dann  aber  erkannte  er  ihn  an  und  widmete  sich 
mit  vieler  Liebe  seiner  Erziehung;  an  dem  einsamen  Orte,  an  welchem  er 
hülflos,  dem  Hungertode  bestimmt,  gelegen  hatte,  hatten  ihn  Bienen  mit  ihrem 
Honig  ernährt,  und  der  Vater  hatte  dies  als  ein  Zeichen  göttlicher  Huld  für 
den  Knaben  aufgenommen.  Als  er  in  der  Schule  sass,  entriss  ihm  ein  Wolf 
das  Buch  und  lief  mit  demselben  davon  —  wir  haben  die  Geschichte  schon 
vollständiger:  das  Schulhaus  stürzt  ein,  und  der  durch  den  Wolf  gerettete  Knabe 
ist  der  einzig  Gerettete  —  von  seinem  angeblichen  Ahnen  Gelon  gehört.  Später 
wird  er  Soldat  und  dient  mit  der  grössten  Auszeichnung;  Pyrrhos  ehrte  ihn  oft 
durch  Geschenke,  aber  auch  die  Götter  wiederholen  ihre  Zeichen:  eine  Eule 
setzte  sich  auf  seine  Lanze,  ein  Adler  auf  seinen  Schild;  —  wir  werden  un- 
wiilkührlich  daran  erinnert,  dass  Agathokles  für  sein  Heer  solche  Zeichen 
selber  schuf.  Hieron  muss  schnell  in  der  militärischen  Laufbahn  vorwärts  ge- 
kommen sein ;  als  nun  das  Heer  ihn  zum  Feldherrn  erwählt  hatte,  benutzte 
er  seine  hohe  Stellung  in  der  geschicktesten  Weise,  um  sich  auch  unter  den 
Städtero  Anhang  zu  verschaffen. 

Wir  dürfen  uns  nicht  wundern,  dass  die  Stadt  die  Wahl  des  Lagers  rati- 
ficirte  und  nach  einiger  Zeit  ebenso  zufrieden  mit  Hieron  war,  als  ob  sie  selbst 
ihn  gewählt  hätte.  Syrakus  hatte  schon  so  viele  Fürsten  gesehen ,  dass  ein 
neuer  Herrscher,  der  jung  und  gütig  war  und  die  Liebe  des  Volkes  für  eine 
Stütze  der  Herrschaft  hielt ,  auch  bei  denen ,  welche  ihm  anfangs  abgeneigt 
waren ,  schnell  Beifall  finden  musste.  Indess ,  Volksgunst  ist  nicht  weniger 
vergänglich  als  Fürstengunst;  das  wusste  Hieron  wohl  und  suchte  für  eine 
dauernde  Herrschaft  nach  sichereren  Grundlagen.  Zunächst  war  es  von  W^ich- 
tigkeit  für  ihn ,  der  nicht  selbst  aus  einer  vornehmen  und  angeschenen  Fa- 
milie stammte,  mit  einer  solchen  verbunden  zu  werden,  besonders  um,  wenn 
er  selbst  im  Lager  wäre,  Vertheidiger  seiner  Sache  in  der  Stadt  zu  haben. 
Es  hatte  sich  in  Syrakus  schon  ereignet,  dass  ein  Tyrann,  der  in^s  Feld  gezo- 
gen war,  bei  seiner  Rückkehr  die  Thore  der  Stadt  verschlossen  fand.  Hieron 
machte  es  also  wie  Dionys:  er  heirathete  die  Tochter  eines  angesehenen 
Mannes.  Es  ist  merkwürdig,  dass  uns  die  alten  Schriftsteller  nicht  den  Namen 
der  Gemahlin  Hieron's,  die  eine  vortrefFliche  Frau  gewesen  sein  soll,  sondern 
nur  den  ihres  Vaters,  Leptines,  überliefert  haben;  es  lässt  sich  aber  nach- 


28S    Sechstes  Bach.  VII.  Hiercm  11.  bis  16(  v.  Chr.  Die  pc^tiisefae  Ealwickelimg  Skilions. 

weisen,  dass  sie  Pbilbtis  hiess.  Das  grosse  Theater  lu  Syrakus  trägt  eine  Id- 
scbrift :  Der  Kod^id  Philislis ;  eioe  andere  unfern  davon  lautet :  Der  KSoigin 
id  da,  wie  wir  wissen,  Nerels  die  Gemahlin  des  Sohnes  Hieron's, 
L,  war,  so  liegt  die  Vermalfanng  nahe,  dass  Philistis  die  Gemahlin 
elber  gewesen  ist.  Auch  HUnzen  der  Königin  Philistis  sind  erhallen ; 
nur  ein  Umstand,  der  hier  stttrend  der  sonst  so  gefälligen  Combina- 
gentritt,  der,  dass  Hieron  ,  obwohl  spater  KOnig,  dennoch  nicht  das 
Diadem  trug,  wahrend  der  Kopf  auf  den  HUnzen,  die  die  Inscfarifl 
gin  Philistis»  tragen,  es  hat.  Indess  finden  sich  die  beiden  KSpfe, 
m  Münzen  als  Hieran  nacfaw«sbare  und  der  Kopf  der  PhilisÜsmQn' 
nscbeinlich  auf  einem  bei  Girgenti  gefundenen  Belief  zosammcn ,  so 
;  mehr  daran  gezweifelt  werden  kann,  dass  auf  den  Mausen  wirklich 
bgebildet  ist,  und  dass  Philistis  die  Gemahlin  Hieron's  war.  Und  wir 
!  Vermuthung  hinzufügen,  dass  Lepiines,  der  Schwiegervater  Hie- 
s  der  Familie  des  Historikers  und  Freundes  des  alteren  Dionys,  des 
stiunmte,  weil  so  die  Verbindung  der  Namen  Leptines  und  Philistis 
rl.  Denn  jener  Philisios  war ,  wie  wir  ^ssen ,  der  Sefawi^ersohn 
les,  des  Bruders  von  Dionys  dem  alleren  gewesen, 
dem  Hieron  sich  so  im  Innern  einen  BUckhalt  fUr  auswärtige  Unter- 
in  geschaffen  hatle,  musste  er  ernstlich  Über  die  Stellung  nacbden- 
:he  er  auf  der  Insel  selbst  und  den  fremden  Staaten  gegenüber  ein- 
halte. Die  Politik  seiner  Vorgänger  in  der  Herrsdiaft  witr  einfach 
;en:  gestutzt  auf  die  Kräfte  und  den  Retchtbum  von  Syrakus  sich 
icher  der  ganzen  Insel  zu  machen.  Sie  hatten  ihr  Ziel  nicht  erreicht; 
icht  vorhanden,  dass  Hieron  es  erreichen  wurde?  Wie  lagen  die 
im  Vergleiche  mit  den  Zeilen  des  Dionys  und 'des  Agathokles*  Jener 
Jer  und  Karthager  zu  bekämpfen  gehabt,  die  Griechen  der  Insel 
li  aus  Furcht  vor  den  Karthagern  im  Allgemeinen  ohnf  Widerwillen 
errscbaft;  dieser  halte  mit  Karthagern  und  unabhängigen  Griechen 
Beide  hatten  wenigstens  in  der  zweiten  Periode  ihrer  Herrschaft  in 
le  Art  von  Provinz  —  nach  römischen  Begriffen  —  gefunden,  die 
HUlfsmittel  an  Einkünften  und  Truppen,  welche  sie  bot,  der  Macht 
n  eine  vortreffliche  Grundlage  verlieh.  Wir  dürfen  in  der  Thal  die 
D  und  moralischen  Vortheile,  welche  Dionys  und  Agathokles  aus  dem 
n  Bhegion,  Uipponion,  Lokri,  Kroton,  aus  den  reichen  Weiden  und 
aldern  von  Bruiiium  und  Lukanien  erwuchsen,  nicht  gering  anschUi- 
iyrakusanischer  Fürst,  der  in  Italien  Schiffswerften  und  Flottenslatio- 
I  konnte,  war  eine  selbst  den  Karthagern  Achtung  einflossende  Macht. 
's  Zeiten  stand  es  anders.  Auf  der  Insel  war  zu  den  Karlhagem  und 
igen  Griechen  noch  die  keineswegs  unbedeutende  Macht  der  Maroer- 
immen;  Italien  aber  war  einem  syrakusanischen  Herrseber  uniu- 
eworden,  seil  die  KUmer  ihre  Herrschaft  auch  UberGrossgriechenlami 
it  hatten.-  Es  ist  bekannt,  dass  Pyrrhos,  als  er  von  Sictlien  wieder 
estlande  angekommen  \var,  bei  Beneventum  van  H' Curius  Deota- 
ndig  geschlagen  wurde  [ä75  v.  Chr.),  und  in  Folge  dieser  Niederlage 
inso  eilig  aufgab,  wie  er  Sicilien  aufgegeben  hatte,  und  dass  dreiJafare 


Macht  der  Mamertioer.  289 

nach  der  Schlacht  bei  Benevent  der  Feldherr  des  Pyrrhos,  Milon,  Tarent  den 
Römern  überlieferte,  deren  Macht  am  ionischen  Meere  seit  dieser  Zeit  fest  be- 
gründet war  (272  V.  Chr.).  Mit  den  Römern  konnte  Hieron  in  Italien  nicht  wett- 
eifern, und  er  dachte  auch  nicht  daran,  es  zu  thun.  Ohne  abhängige  Städte  und 
Landschaften  in  Italien  war  aber  ein  syrakusanischer  Fürst  nicht  mehr  der  Ver- 
treter einer  wahrhaft  grossen  Macht ;  er  war  nicht  mehr  im  Stande,  ,den  Versuch, 
seinen  Willen  zum  herrschenden  auf  der  Insel  zu  machen,  ohne  Gefahr  zu  wagen. 
Ersah  sich,  ohne  Aussicht,  selbst  eine  imponirende  Macht  zu  erringen,  zwi- 
schen zwei  grossen  Mächten  in  die  Mitte  genommen.  Welches  sollte  nun  seine 
Politik  sein?  Etwa  sich  mit  der  einen  verbinden  und  der  andern  feindlich 
gegenübertreten?  Was  konnte  dabei  herauskommen?  Eine  Verbindung  mit 
Rom  nützte  nicht  viel,  da  Rom  noch  in  Italien  beschäftigt  war;  eine  Verbin- 
dung mit  Karthago  würde  ihn  in  die  Hände  dieser  mächtigen  Stadt  geliefert 
haben.  Für*s  erste  war  weder  mit  Rom  noch  mit  Karthago  Bündniss  zu 
schliessen  und  mit  keinem  von  beiden  Krieg  zu  führen ,  zumal  da  die  Ma- 
mertiner  noch  mächtig  dastanden  und  durch  die  günstige  Lage  ihrer  Stadt  an 
politischer  Bedeutung  mit  Syrakus  wetteiferten.  Auf  die  Mamertiner  hatte 
also  Hieron  sein  Augenmerk  zuerst  zu  richten.  Ihre  Zuversicht  war  durch  die 
anfangs  von  Pyrrhos  erlittenen  Niederlagen  keineswegs  gebrochen;  sie  hatte 
sich  bedeutend  wieder  gehoben^  als  aus  Unzufriedenheit  mit  Pyrrhos  grie- 
chische Städte  zu  ihnen  übergegangen  waren.  Pyrrhos  hatte  sogar  bei  seiner 
Rückkehr  nach  Italien  einen  heftigen  Strauss  mit  ihnen  zu  bestehen  gehabt. 
Sie  waren,  40,000  Mann  stark,  vor  ihm  über  diQ  Meerenge  gegangen,  und 
suchten,  ermuthigt  durch  die  schwere  Niederlage,  welche  Pyrrhos  im  Ange- 
sichte Italiens  zur  See  von  den  Karthagern  erlitten  hatte,  das  epirotische  Heer 
durch  plötzlichen  Ueberfall  in  Verwirrung  zu  bringen.  Es  fielen  zwei  Ele- 
phanten,  und  die  Bemühungen  des  Königs  selbst  waren  nöthig,  um  seine 
Mannschaft  in  Ordnung  zu  halten.  Hierbei  wurde  er  am  Kopfe  verwundet 
und  musste  sich  etwas  aus  dem  Kampfe  zurückziehen.  Das  machte  die  Ma- 
mertiner noch  verwegener,  und  einer  von  ihnen ,  ein  Riese  an  Körper  und  mit 
prachtvoller  Rüstung  bekleidet,  sprang  vor  und  schrie,  der  König  möge  her- 
auskommen, wenn  er  noch  lebe.  Pyrrhos,  durch  die  Herausforderung  wüthend 
gemacht,  schob  die,  welche  ihn  von  dem  Mamertiner  trennten,  bei  Seite,  stand 
in  einem  Augenblick  mit  zomgeröthetem  und  mit  Blut  überströmtem  Gesichte 
vor  seinem  erschrockenen  Gegner  und  spaltete  ihn  mit  einem  Hiebe  vom  Kopf 
bis  zum  Bauche  mitten  durch.  Die  Mamertiner  wichen  erschrocken  zurück 
und  belästigten  Pyrrhos  nicht  weiter. 

Die  grosse  Bedeutung,  welche  die  Mamertiner  sonach  immer  noch  hatten, 
die  Bedeutung ,  welche  sie  gerade  den  Syrakusanern  gegenüber  als  Neben- 
buhler ihrer  Macht  besassen ,  Hessen  es  Hieron  wünschenswerth  erscheinen, 
durch  ihre  Ueberwindung  seine  Vaterstadt  zu  heben  und  ihr  so  zwischen  Rö- 
niern  und  Karthagern  eine  festere  und  unabhängigere  Stellung  zu  verschaffen. 
Die  Mamertinische  Macht  war  einem  Keile  vergleichbar,  der  von  aussen  in 
das  Gefüge  der  insularen  Verhältnisse,  wie  sie  sich  seit  längerer  Zeit  gebildet^ 
getrieben  war.  Er  musste  entfernt  werden ,  wenn  Syrakus  seine  normale 
Stellung  wieder  gewinnen  sollte.     Wenn  es  sich  aber  darum  handelte,   die 

Holm,  Gesch.  Siciliens.  II.  19 


V 


^ 


^90    Sechstes  Buch.    VII.  Hieron  II.  bis  264  v.  Chr.  Die  politische  Entwickelaog  SicilieQs. 

Mamerliner  zu  schwächen,  so  war  ein  trefiliches  Mittel  die  Entfernung  der 
Kampaner  aus  Rhegion.  Uier  berührte  sich  das  syrakusaniscbe  Interesse  mit 
dem  rt^mischeo.  Als  im  Jahre  27\  der  römische  Gonsul  Genucius  vor  Rhe- 
gion rückte,  da  hat  Hieron  die  Römer,  wie  es  heisst,  mit  Lebensmitteln 
und  Truppen  unterstützt.  Man  hat  dies  bezweifelt,  besonders,  weil  dann  das 
spätere  Benehmen  der  Römer,  die  durch  den  den  Mamertinem  gesandten  Bei- 
stand Hieron  Messana  entzogen,  im  Lichte  der  Undankbarkeit  erscheint.  Wenn 
dieser  Grund  natürlich  in  keiner  Weise  zutreffend  ist,  so  setzt  doch  eine  Hülfe- 
leistung  durch  ein  Truppencontingent  ein  förmliches  Bündniss  zwischen  den 
beiden  Staaten  voraus,  und  ein  solches  ist  durch  nichts  bezeugt.  Eine  Hülfe- 
leistung durch  Sendung  von  Lebensmitteln  kann  dagegen  unbedenklich  ange- 
nommen werden,  denn  die  Lebensmittel  konnten  als  Geschenk  des  Hieron  an 
die  Römer  eintreffefi ,  and  ein  solches  Geschenk ,  das  von  den  Römern  gerne 
angenommen  werden  musste,  da  es  sie  zu  keinen  politischen  Gegenleistungen 
verpflichtete,  hatte  andererseits  für  Hieron  nicht  die  Bedeutung  eines  Heraus- 
tretens  aus  der  Neutralität  zwischen  Rom  und  Karthago,  die  ül>erdies  damals 
noch  nicht  offene  Feinde  waren. 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  Hieron  um  dieselbe  Zeit,  wo  die  Römer  Rhe- 
gion eroberten ,  selbst  Messana  bekriegte.  Zugleich  benutzte  er  diesen  Krieg 
jedoch  zur  Verfolgung  eines  Nebenzweckes  im  Interesse  seiner  Macht.  Es  ging 
ihm  mit  einem  Theile  der  Söldner,  wie  es  früher  auch  andern  Fürsten  gegangen 
war.  Sie  wurden  ihm  durch  ihre  Ansprüche  und  Forderungen  bald  gefährlich. 
Vielleicht  behagte  ihnen  seine  milde  Regierung  nicht,  die  keine  Hinrichtungett 
von  Bürgern,  keine  Gonfiscation  des  Eigenthums  derselben  und  also  auch  keine 
ausserordentliche  Bereicherung  der  Söldner  kannte.  Er  befürchtete  Unruhen, 
vielleicht  die  Proclamation  eines  andern  Feldherm.  Erbeschloss,  sich  ihrer 
auf  die  treulose  Weise  zu  entledigen ,  von  der  Dionys  bei  der  grossen  Belage- 
rung von  Syrakus  durch  die  Karthager  ein  Beispiel  gegeben  hatte  (S.  449).  Er 
führte  sie  mit  seinem  übrigen  aus  Syrakusanern  bestehenden  Heere  gegen  die 
Mamertiner  und  begann  nach  einigen  Hin-  und  Hermärschen  in  der  Nähe  von 
Kentoripa  am  Kyamosoros  eine  Schlacht.  Er  warf  die  Söldner  den  Feinden 
entgegen  und  stellte  sich ,  als  ob  er  mit  den  städtischen  Truppen  an  einem 
andern  Punkte  angreifen  wollte.  Das  geschah  aber  nicht,  er  liess  die  Söldner 
im  Stiche,  und  sie  wurden,  wie  es  heisst,  sämmüich  niedergemacht.  An  Stelle 
der  Getödteten  warb  er,  nach  Hause  zurückgekehrt,  andere  und  brachte  so 
sein  Heer  wieder  auf  die  ihm  nothwendig  erscheinende  Zahl.  Dann  zog  er  von 
neuem  gegen  die  Mamertiner,  die,  durch  den  erfochtenen  Sieg  aufgeblasen, 
das  syrakusaniscbe  Gebiet  noch  ärger  als  vorher  brandschatzten. 

Es  scheint,  dass  die  Mamertiner,  als  Hieron  den  Krieg  kräftig  wieder  be- 
gann, ihre  Truppen  zersplittert  hatten,  so  dass  Hieron  schnell  vor  Messana 
rücken  und  die  Belagerung  beginnen  konnte.  Aber  die  Mamertiner  sammelten 
sich  rasch  und  rückten  ihrer  bedrohten  Stadt  zu  Hülfe,  so  dass  Uieron  sich  zu- 
rückziehen musste.  Er  wandte  sich  mit  seinem  Heere  nach  Westen,  griff 
Mylai  an  und  nahm  es;  4500  Soldaten,  die  in  der  Burg  als  Besatzung  lagen, 
ergaben  sich  ihm,  und  er  scheint  sie  in  sein  Heer  aufgenommen  zu  haben.  Von 
da  ging  es  weiter  in^s  Innere  des  Landes,  wo  die  Mamertiner  zahlreiche  Kasteile 


k. 


Hieron  gegen  die  Mamertiner.  Schlacht  am  Longanos.  2&1 

hatten,  die  er  eroberte.  Das  südlichste  war  Ameseion,  ein  Ort  zwischen  Ken- 
toripa  und  Agyrion  y  der  die  Verbindung  zwischen  diesen  beiden  Städten  un- 
sicher machte.  Hieron  eroberte  ihn ;  die  Mauern  wurden  niedergerissen,  das 
Gebiet  unter  die  beiden  benachbarten  Städte  getheilt,  die  Besatzung  verstärkte 
sein  Heer.  Die  Eroberung  der  mamertinischen  Kasteile  erleichterte  ihm  die 
Besitznahme  der  zu  den  Mamertinern  übergegangenen  Städte,  von  denen 
Halaisa,  Abakainon  und  Tyndaris  die  hauptsächlichsten  waren.  In  Halaisa  war 
nur  eine  Miuderzahl  der  Einwohner  für  ihn,  die  ihm  jedoch  die  Thore  heimlich 
öffnete;  die  beiden  andern  Städte  schlössen  sich  offen  ihm  an.  So  war  schon 
Bedeutendes  erreicht;  die  Mamertiner  sahen  sich  auf  wenig  mehr  als  ihre 
Hauptstadt  eingeschränkt,  und  diese  war  von  beiden  Seiten  bedroht.  Nach 
Süden  hin  versperrte  ihnen  Tauromenion  den  Weg ;  nach  Westen  konnten  sie 
zwar  über  das  Gebirge  an  das  tyrrhenische  Meer  kommen ,  aber  nicht  weiter 
als  bis  Tyndaris ,  das  Hieron  besass,  oder  vielmehr  nur  bis  in  die  Gegend  von 
Mylai ,  das  ebenfalls  in  seiner  Gewalt  war.  So  blieb  noch  übrig,  die  Mamer- 
tiner in  einer  Feldschlacht  zu  besiegen,  und  zwar  nahe  bei  Messana,  damit  wo 
möglich  der  Fall  der  Stadt  die  Folge  des  zu  hoffenden  Sieges  wäre.  Hieron 
rückte  deshalb  von  der  Seite  des  tyrrhenischen  Meeres  gegen  Messana  vor  und 
lagerte  im  Gebiet  von  Mylai  am  Flusse  Longanos.  Die  Mamertiner  zogen  ihm 
unter  der  Anführung  des  Kios  entgegen.  Hieron's  Heer  zählte  40,000  Mann  zu 
Fuss  und  1500  Reiter,  das  der  Mamertiner  8000  Fusssoldaten ,  die  Zahl  der 
Reiter  ist  unbekannt.  Der  mamertinische  Feldherr  erhielt  von  seinen  Sehern 
die  Prophezeiung,  er  werde  die  Nacht  im  feindlichen  Lager  zubringen,  fasste 
sie  als  ein  gutes  Omen  auf,  wie  der  karthagische  Feldherr  vor  Syrakus  die 
ähnliche  Weissagung  (S.  244),  und  schickte  sich  zum  Beginne  der  Schlacht 
durch  den  Uebergang  über  den  Fluss  vor  den  Augen  des  Hieron  an.  Dieser 
hatte  in  seinem  Heere  200  messenische  Flüchtlinge,  ortskundige  Männer  und 
von  grossem  Eifer,  sich  an  den  Mamertinern  zu  rächen;  er  fügte  ihnen  400 
Ausgewählte  bei  und  gab  dieser  Elite  den  Befehl,  einen  Hügel  Namens  Thorax, 
von  wo  aus  man  den  Feinden  leicht  in  den  Rücken  fallen  konnte,  zu  besetzen 
und  zu  rechter  Zeit  eine  Diversion  zu  machen,  während  er  selbst  von  vorne 
angriff.  Eine  Zeitlang  schwankte  der  Erfolg ;  sobald  aber  die  600  ihren  ver- 
abredeten Angriff  ausführten ,  geriethen  die  Mamertiner  in  Verwirrung  und 
wandten  sich  zur  Flucht.  Fast  alle  wurden  von  den  Syrakusanem  niederge- 
macht. Kios  selbst  fiel ,  tapfer  kämpfend ,  den  Feinden  in  die  Hände  und 
*wurde,  schwer  verwundet,  zum  Hieron  gebracht,  der  ihn  gut  zu  pflegen  be-* 
fahl.  Kurz  darauf  kamen  aber  Diener  des  Hieron ,  welche  einige  Pferde ,  die 
sie  erbeutet  hatten,  brachten.  Unter  diesen  erkannte  Kios  das  seines  Sohnes; 
in  seinem  Schmerz  über  den  Tod  desselben ,  an  dem  er  nicht  mehr  zweifeln 
zu  können  glaubte,  riss  er  den  Verband  ab,  den  die  Aerzte  ihm  angelegt 
hatten,  und  starb  durch  den  Blutverlust. 

Die  Schlacht  war  vollständig  für  die  Mamertiner  verloren,  und  als  die  zu 
Hause  gebliebenen  die  Nachricht  empfingen ,  brachte  die  gewaltige  Bestürzung 
den  Entschluss  hervor,  dem  Hieron  die  Stadt  zu  überliefern.  Ehe  er  aber  aus- 
geführt werden  konnte,  kam  unerwartete  Hülfe.  Hieron  schickte  sich  eben  an, 
seinen  Sieg  zu  verfolgen  und  über  das  Gebirge  gegen  die  Stadt  Messana  zu 

19* 


292    Sechstes  Buch.  VII.  Hieron  II.  bis  264  v.  Chr.    Die  politische  Entwickelang  Siciliens. 

rücken,  als  der  karlbagiscbe  Feldherr  Hannibal,  der  mit  einer  Flotte  in  Lipara 
lag,  bei  ihm  im  Lager  eintraf,  angeblich  um  ihm  zu  seinem  Siege  Glück  zu 
wünschen.  Hieron  Hess  sich  von  ihm  durch,  wir  wissen  nicht  welche  falsche 
Vorspiegelungen  —  vielleicht  durch  das  Vorgeben,  es  sei  schon  eine  mamerti- 
nische  Gesandlschaft  unterwegs,  um  ihm  die  Stadt  zu  überliefern ,  bewegen 
zu  verweilen  und  versäumte  so  den  günstigen  Augenblick  der  Einnahme; 
denn  der  schlaue  Karthager  hatte  inzwischen  bereits  eine  Anzahl  Truppen 
nach  Messana  geschickt,  welche  durch  ihre  unerwartete  Ankunft,  die  eine 
noch  kräftigere  Hülfe  von  Seiten  Karthagers  erwarten  liess,  den  Mutli  der  Ma- 
mertiner  hoben,  so  dass  von  Ergebung  nicht  mehr  die  Rede  war.  Hieron  hielt 
es,  als  er  diese  Nachricht  empfing,  für  unmöglich ,  sich  schnell  der  Stadt  zu 
bemächtigen ;  das  Auftreten  der  Karthager,  mit  denen  er  sich  nicht  gern  in 
offene  Feindschaft  begeben  wollte,  machte  ihn  bestürzt,  und  er  kehrte  nach 
Syrakus  zurück,  zwar  um  die  Früchte  seines  Sieges  gebracht,  aber  doch  als 
siegreicher  Feldherr.  Das  Volk  beachtete  nur  den  Glanz  des  Sieges  und 
ertheilte  ihm  mit  lautem  Zuruf  den  Kdnigstitel,  269  v.  Chr.  Es  brauchte  einen 
Herrscher,  und  Hieron  war  der  beste ,  den  es  finden  konnte.  Die  Macht  eines 
Königs  hatte  er  schon  früher  besessen.  Uebrigens  steht  es  auch  hier  wieder 
wie  bei  Dionys.  Polybios  sagt:  die  Bundesgenossen  riefen  ihn  zum  Könige 
aus.  So  ist  auch  hier  wieder  die  Alleinherrschaft  die  Folge  der  Nothwendig- 
keit  gewesen,  einen  Feldherrn  gegen  die  Feinde  zu  haben. 

Die  Mamertiner  waren  indess  durch  die  Dazwischenkunft  des  Hannibal 
nicht  für  die^Dauer  gesichert.  Die  Karthager  hatten  Messana  nur  deswegen 
gerettet ,  weil  sie  die  syrakusanische  Macht  nicht  durch  diese  wichtige  Stadt 
verstärken]|woUten ;  am  besten  war  es,  wenn  sie  Messana  selber  hatten.  Vor 
mehr  als  hundert  Jahren,  als  sie  mit  Dionys  Krieg  führten,  hatten  sie  Messana 
nicht  zu  behaupten  gewusst  und  es  lieber  zerstört;  jetzt,  wo  sie  schon  eine  Flot- 
tenstation bei  Lipara  besassen,  schien  ihnen  die  Behauptung  von  Messana  doch 
wünschenswerth.  Die  kleine  Besatzung,  welche  schon  dort  lag,  konnte  ihnen 
mit  Hülfe  der»karthagischen  Partei  in  der  Stadt  die  Einnahme  derselben  vermit- 
teln. Aber  auch  Hieron  hatte  den  Plan  noch  keineswegs  aufgegeben,  sich  Mes- 
sana's  zu  bemächtigen,  und  die  Kraft  der  Mamertiner  war  durch  die  Niederlage 
am  Longanos  wirklich  so  sehr  gebrochen ,  dass  sie  sich  zu  einem  ernstlichen 
Widerstand  unfähig  fühlten.  Wenn  sie  sich  aber  den  Syrakusanem  unterwer- 
fen mussten ,  bei  denen  sich  die  geflüchteten  Messenier  aufhielten ,  w^arlele 
ihrer  da  nicht  ein  ähnliches  Strafgericht,  wie  die  Römer  über  ihre  Landsleuie 
in  Rhegion  verhängt  hatten?  Wenn  es  also  unmöglich  war,  ohne  Hülfe  von 
aussen  selbständig  zu  bleiben  und  sehr  bedenklich,  sich  den  Syrakusanem  zu 
unterwerfen,  so  blieb  nichts  übrig,  als  sich  den  Karthagern  hinzugeben,  — wenn 
man  nicht  etwa  den  Versuch  machen  wollte ,  die  Römer  um  Hülfe  zu  bitten. 
Ob  er  gelingen  würde,  war  zweifelhaft,  denn  die  Römer  hatten  ja  ihre  Freunde 
in  Rhegion  hingerichtet;  aber  wenn  er  gelang,  und  wenn  die  Römer  sie  rette- 
ten, so  war  ihre  Lage  unzweifelhaft  eine  bessere,  als  wenn  sie  unter  dem 
Schutze  der  Karthager  standen.  Denn  die  Römer  mussten  eine  Stadt,  die  in 
so  wichtiger  Lage  der  Brückenkopf  Siciliens  war,  als  eine  höchst  wichtige 
Erwerbung  betrachten  und  den  Butlern  grosse  Freiheilen  gestatten ,  um  sich 


Hieron  König.    Die  Mamertiner  bitten  Rom  um  Hülfe.  293 

ihre  Treue  zu  sichern.  Ausserdem  waren  die  Mamertiner  lialier*  und  also 
durch  Sprache  und  Sitten  den  Römern  verwandter  als  den  Karthagern.  Es 
bildeten  sich  in  Messana  zwei  Parteien ,  eine  karthagische  und  eine  römische; 
jene  an  und  fUr  sich  schwacher  als  diese ,  aber  durch  die  Anwesenheit  einiger 
karthagischer  Soldaten  in  Messana  und  durch  den  vor  kurzem  von  Hanni- 
bai  geleisteten  wichtigen  Dienst  stärker,  als  sie  sonst  gewesen  wäre,  diese  im 
Grunde  aus  der  Mehrzahl  der  Bewohner  von  Messana  bestehend.  Beide  Parteien 
machten  die  grössten  Anstrengungen.  Die  römische  siegte.  Sie  konnte  zwar 
die  schon  in  Messana  befindlichen  karthagischen  Truppen ,  welche  die  Burg 
besetzt  hielten,  nicht  mehr  vertreiben ;  aber  sie  setzte  es  durch,  dass  Gesandte 
nach  Rom  gingen,  um  die  Stadt  den  Römern  anzutragen  (265  v.  Chr.]. 

Was  Hieron  indessen  that,  wissen  wir  nicht.  Man  kann  vermuthen,  dass 
er,  der  fortwährend  ein  Heer  im  Lager  haben  musste ,  um  seine  Truppen  in 
Uebung  zu  erhalten,  von  Tauromenion  aus  Messana  beobachtete,  um  jede  Ge- 
legenheit zu  benutzen,  sich  der  Stadt  zu  bemächtigen.  Leider  sind  tlber 
wenige  Begebenheiten  die  Nachrichten  so  fragmentarisch  wie  über  diese ,  und 
Chronologie  wie  Reihenfolge  der  Thatsachen  beruhen  theilweise  nur  auf  Ver- 
muthungen. 

Wir  behalten  uns  das  Folgende  für  den  nächsten  Band  vor.  Die  An- 
nahme des  Hülfegesuchs  der  Mamertiner  durch  Rom  zog  den  ersten  puni- 
schen  Krieg  nach  sich ,  der  die  grosse  italische  Republik  zur  Herrin  Siciiiens 
machte.  Direct  freilich  nur  zur  Herrin  eines  Theiles^  aber  das  Reich  Hieron's, 
das  daneben  bestand,  war  nur  geduldet;  die  Römer  hätten  ihm  jederzeit  ein 
Ende  machen  können.  So  ist  factisch  der  Beginn  des  ersten  punischen  Krieges 
das  Ende  der  Selbständigkeit  Siciiiens  und  die  Einnahme  von  Syrakus  durch 
Marcellus ,  eine  wie  glänzende  That  sie  auch  sein  mag ,  schafft  keine  wesent- 
lich neuen  Verhältnisse  für  die  Insel  überhaupt.  Mit  dem  Beginn  der  puni- 
schen Knege  ist  Siciiiens  eigene  politische  Laufbahn  zu  Ende ;  darin  liegt  für 
uns  die  Berechtigung  nicht  nur,  sondern  vielmehr  die  Nöthigung,  alles  Fol- 
gende als  die  römische  Zeit  dem  letzten  Bande  zu  überlassen ,  und  es  bleibt 
uns  nur  noch  übrig,  auf  die  nun  beschlossene  Periode  der  sicilischen  Selbstän- 
digkeit einen  Rückblick  zu  werfen ,  der  dasjenige  zusammenfassen  soll ,  was 
uns  in  der  bisher  betrachteten  Geschichte  Siciiiens  an  politischen  Momenten 
entgegengetreten  ist. 

Die  Insel  Sicilien  wird  seit  Beginn  historischer  Zeit  von  Stämmen  itali- 
schen Ursprungs  bewohnt :  den  Sikanern  und  Sikelern.  Dann  macht  ihre  Lage 
sie  zum  Gegenstand  der  Aufmerksamkeit  für  die  Phönicier ,  denen  sie  sowohl 
wegen  ihrer  Producte  und  der  dort  abzusetzenden  Waaren,  wie  auch  als  Station 
auf  der  Fahrt  nach  Westen  von  Bedeutung  ist,  und  sie  gründen  Factoreien  auf 
allen  Küsten  und  Landspitzen.  Aber  bald  wendet  sich  auch  hierher  der  Strom 
hellenischer  Auswanderung,  und  es  werden  Kolonien  angelegt ,  durch  welche 
die  Ostküste  und  später  auch  die  Süd-  und  ein  Theil  der  Nordküste  Siciiiens 
hellenisch  werden.  Von  nun  an  steht  die  ganze  Insel  unter  steigendem  helle- 
nischem Einflüsse,  und  die  Phönicier  müssen  sich  in  drei  Punkten  im  Westen 
concentriren,  in  Solus,  Panormos  und  Motye,  deren  Gebiet  mit  dem  anstossen- 
den  der  elymischen  Städte  Segesta ,  Eryx  und  Entella  dem  Nordwesten  der 


Jisies  Buch.  VII.  HieroD  11.  Ihs  364  v.  Chr.  Die  poUtiscbe  EntwickeluDg  Sicllieos. 

len  ungriecbiEcIieD  Charakter  verleiht.  Nach  der  Mitte  das  achten  Jahrb. 
hat  die  helleuisdie  Kolonisation  der  Insei  begonnen ,  und  nachdem  im 
des  fUnfleo  der  grosse  karthagische  Angriff  auf  die  Hellenen  Siciliens 

mit  dem  Einfalle  des  Xerxes  in  Griei^nland  lurUckgeschlagen  ist, 
1  ferner  in  der  Mitte  desselben  der  Versuch  des  Sikelsrs  Dnketios,  dem 
luptvolke  der  Insel  die  Selbständigkeit  wieder  zu  schaffen ,  die  die 
1  ihm  geraubt  haben,  fehlgeschlagen  hat,  sehen  wir  in  der  zweiten 
ieses  Jahrhunderts  das  Hellenenthum  tiberwiegend,  ja  man  kann  sagen, 
jg  in  Sicilien.  Sikeler  wie  PhOnicier  nehmen  helleniscbe  Bildang  an, 
e  gleich  in  staatlicher  Beziehung  von  den  Griechen  mehr  oder  weo^er 
igig  sind.  So  scheint  Sicilien  einer  glücklichen  Zukunft  entgegen  su 
ancb  in  cuiturhistorj scher  Hinsicht  berechtigt  die  auf  die  Hieroniscfae 
folgende  Zeit  des  Kmpedokles  und  Gorgias  zu  den  scbtfosten  Erwar- 

da  vernichtet  der  peloponnesische  Krieg,  so  wie  er  Ältgriechenland  zu 
richtet,  auch  alle  die  schOnen  BlUtben,  welche  in  Sicilien  aufgdteimt 
und  wirft  die  Insel  in  einen  Abgrund  von  Kriegen ,  aus  dem  sie  mit 
slrengung  sich  nie  bat  vollständig  beraufiirbeitep  kfinnen.  Der  Versüß 
,  Syrakus  zu  unterjochen,  wird  allerdings  auf  glanzende  Weise  unler 
Uing  eines  jener  Spartaner,    die   als  einzelne  MSnner  ganze  Heere 

,  t urUckge wiesen ,  aber  die  grosse  Erschöpfung ,  welche  d«r  Wider- 
igen Athen  zurücklassen  musste ,  lockt  Karthago  an ,  eine  sich  luAlllig 
nde  Gelegenheit  zu  benutzen  und  den  Versuch  zu  machen,  ob  nicht 
70  Jahren  vor  Himera  erlittene  Niederlage  gerHcht  und  Sicilien  dennoch 
karthagisch  gemadit  werden  kOnne.  Und  die  Erwartungen  der  Rar- 
cheinen  in  Erfüllung  geben  zu  sollen.  Selinus,  Hiraer»,  Akragas  fallen, 
n  gesammten  Hellenenthum  in  Sicilien  droht  der  Untergang.  In  dieser 
in  Lage  ward  die  Borgerfreiheit  von  Syrakus  der  Ertialtung  der  Natto- 
lum  Opfer  gebracht.  Es  schien  den  Syrakusanem,  dass  ein  unbe- 
ter  Oberbefehlshaber  noth  thue:  sie  Hessen  sich  die  Herrschaft  des 
^fallen.  Der  neue  Gebieter  versuchte  Gela  zu  schützen,  aber  es  gelang 
it;  nur  Syrakus  selbst  ward  gerettet.  Dionys  war  kein  G«lon  gewor- 
irZw&ck,  tu  dem  ihn  die  Syrakusaner  als  Herrscher  gewollt  hatten, 
!)t  erreicht :  fortan  ruhte  seine  Herrschaft  nicht  mehr  auf  der  Liebe  de« 

sondern  nur  noch  auf  der  nackten  Gewalt.  Aber  er  sicherte  sie  sich 
irch  rein  äusserlicbe  Millel,  er  erkannte  mit  scharfem  Blicke  die  Lage 
iten  des  Mitlelmeeres  und  wusste  ihr  diejenige  UnterstUUung  für  seine 
]ft  abzugewinnen,  die  die  allein  erreichbare  und  zu  gleicher  Zeit  für 
tljchsle  war.  Die  Rolle  des  Dionys  spielten  in  Hellas  die  Spartaner, 
rs  seit  Lysander  und  in  Folge  des  Auftretens  dieses  Feldherm.  Sie 
Lthen  besiegt  und  dessen  Untertbanen  befreit,  waren  aber  selbst  nicht 
n ,  ihre  eigenen  Bundesgenossen  freizulassen  und  occupirten  sogar 
m  Frieden  fremde  Städte.  Sie  kamen  in  Kampf  mit  den  Persem,  aber 
itB  sie  wenig  Ueberwindung ,  ihn  einzustellen  und  ihre  asiatischen 
Ute  dem  Erbfeinde  auszuliefern,  nur  um  sich  ihre  dominirende  Siel- 
Hellas  zu  sichern.  Gerade  so  unterwarf  sidi  Dionys  mit  allen  Mitteln 
enischen  Städte  Siciliens,    gerade  so  scbloss  er  mit  den  Karthagern 


Politische  Enlwickelung  Siciliens.  295 

Frieden,  um  Syrakus  desto  sicherer  zu  behaupten.  Das  Verfahren  des  Dionys 
und  der  Spartaner  war  ganz  dasselbe ,  der  Unterschied  lag  nur  in  dem  that- 
sächlichen  Umstände,  dass  in  Syrakus  e  i  n  Mann  gebot,  in  dem  spartanischen 
Hellas  eine  Oligarchie.  Es  macht  dem  Scharfsinn  des  Dionys  Ehre,  dass  er  die 
Aehnlichkeit  der  Lage  zwischen  ihm  und  Sparta  erkannte  und  zu  einem  Bünd- 
nisse benutzte,  das  für  Sparta  nützlich  war  und  für  Dionys  höchst  werthvoU. 
Für  Sparta  war  es  nützlich ,  denn  es  garantirte  ihm  entweder  den  Beistand 
oder  doch  wenigstens  die  Neutralität  der  wichtigsten  Kolonie  Korinth's,  das 
sich  selbst  nicht  immer  als  treuen  Bundesgenossen  Sparta's  erwies.  Für 
Dionys  aber  war  das  Bündniss  von  ungemeinem  Werth,  da  es  jeglichen  Appell 
der  syrakusanischen  Bürger  an  Sparta,  die  Pührerin  der  Dorier,  unmöglich 
machte.  So  beginnt  unter  Dionys  der  Parallelismus  der  sicilischen  und  der 
speciell  hellenischen  Geschichte,  der  bis  zum  Aufhören  der  Selbständigkeit 
von  Sicilien  und  Hellas  fortdauerte. 

Der  ältere  Dionys  ist  es  aber  auch  gewesen ,  der  für  Sicilien  die  Umwer- 
fung aller  bestehenden  Verhältnisse ,  welche  bereits  vor  ihm  begonnen  hatte, 
zu  einem  förmlichen  System  erhoben  und  rücksichtslos  durchgeführt  hat. 
Unter  oder  kurz  vor  seiner  Regierung  sind  alle  hellenischen  Städte  der  Insel 
erobert  worden  und  haben  in  Folge  davon  ihre  Bewohner  gewechselt,  mit  ein- 
ziger Ausnahme  von  Syrakus,  und  auch  Syrakus  hat  sich,  wenn  es  auch  nie 
von  Fremden  erobert  worden  ist,  doch  dem  Wechsel  der  Einwohner  nicht  ent- 
ziehen können.  Dionys  vertrieb  die  ihm  feindlichen  Familien,  machte  Söldner 
und  Sklaven  zu  Bürgern  und  gab  ihnen  die  Güter  und  Frauen  der  Vertriebenen. 
Und  noch  in  einem  anderen  wichtigen  Punkte  war  Dionys  Revolutionär.  Er  hatte 
als  Vorkämpfer  der  Hellenen  gegen  Karthago  seine  Laufbahn  begonnen,  aber 
den  Ureinwohnern  und  den  Italikern  gegenüber  zeigte  er  sich  keineswegs  als 
Vertheidiger  der  hellenischen  Nationalität.  Er  benutzte  die  religiösen  Gefühle 
der  Sikeler  zu  seinen  Zwecken  (s.  S.  ^105),  und  er  gab  sicilische  Städte  an 
italische  Söldner  kampanischer  Herkunft,  Städte  von  der  Wichtigkeit  von  Ka- 
taue  und  Aetna.  So  hat  Dionys  die  Vernichtung  des  Griechenthums  auf  Sici- 
lien, das  Wort  nur  in  dem  Sinne  der  Gesammtheit  der  Bewohner  hellenischer 
Herkunft  verstanden,  nicht  nur  begonnen,  sondern  ausserordentlich  gefördert. 
Unter  Dionys  nimmt  der  griechische  Volksstamm  auf  Sicilien  ab  und  die 
mit  den  Sikelem  zusammentreffenden  Osker  gründen  eine  italisch -sicilische 
Bevölkerung.  Dennoch  dürfen  wir  nicht  daran  zweifeln,  dass  die  Sprache  des 
von  Dionys  beherrschten,  bald  mehr,  bald  weniger  ausgedehnten  Landes  bei 
den  Gebildeten  durchaus  die  griechische  war.  Die  griechische  Bildung'  war 
schon  zu  mächtig  geworden,  als  dass  sie  nicht  Osker  hätte  unterwerfen  sollen, 
und  wir  sehen  zu  Timoleon's  Zeit  den  oskischen  Herrscher  von  Katane ,  Ma- 
m^rkos ,  als  griechischen  Dichter  auftreten.  Inzwischen  vollendet  Dionys  im 
Bunde  mit  den  Lukanem  auch  Grossgriechenlands  Ruin,  von  dem  wenig  Helle- 
nisches —r  der  Abstammung  nach  —  übrig  bleibt,  während  allerdings  auch  hier 
die  hellenische  Bildung  durchaus  nicht  als  verniditet  betrachtet  werden  darf. 

Unter  Dionys  II.  dauern  zuerst  die  Verhältnisse ,  wie  sie  sich  unter  dem 
Vater  gestaltet  hatten,  unverändert  fort.  Sein  Sturz  wird  durch  eine  Verbin- 
dung von  Umständen  herbeigeführt,  wie  sie  nicht  ungünstiger  fallen  konnten. 


296    Sechstes  Buch.  YIl.  Hieron  II.  bls^64  v.  Chr.  Die  politische  Entwickeiang  Siciliens. 

Die  Unzufriedenheit  der  Untertbanen  hätte  ihn  nicht  gestürzt,  wenn  nicht 
erstens  eigene  Unfähigkeit  und  zweitens  die  veränderten  Verhaltnisse  in  Hellas 
hinzugekommen  wären.  Jene  zeigte  sich  besonders  auffaliend  in  der  Behand- 
lung des  Platon,  den  der  Tyrann  nicht  hätte  nach  Syrakus  rufen  sollen,  ^^enn 
er  gar  nicht  auf  seine  politischen  Rathschläge  hören  wollte ;  diese  bestehen  im 
Sinken  der  spartanischen  Macht,  die  immer  die  Dionysische  Dynastie  gestützt 
hatte.  Dass  aber  der  Versuch  Dion^s,  der  anfangs  einen  so  glänzenden  Erfolg 
hatte,  zuletzt  verunglückte,  das  lag  in  der  Natur  und  den  Bestrebungen  des 
Mannes ,  der  von  unpraktischen  Theorien  erfüllt  war.  In  einem  so  bunt  zu- 
sammengesetzten ,  sittlich  verwahrlosten  Gemeinwesen ,  wie  damals  Syrakus 
\Var,  konnte  ein  idealer  Staat  keinen  Platz  finden,  und  indem  Dion  platonische 
Ideen  anwenden  wollte,  wo  man  bis  dahin  nur  nackten  Egoismus  gekannt 
hatte ,  musste  er  selbst  zum  Despoten  werden ,  was  doch  wiederum  seiner 
Natur  nicht  entspracl).  An  diesem  Zwiespalt  ging  er  zu  Grunde  und  die  Dio- 
nysische Dynastie  erhielt  von  neuem  für  einige  Zeit  das  Uebergewicht  in  Sy- 
rakus. Aber  sie  war  jetzt  nach  aussen  hin  schwach  geworden,  und  so  kamen 
Prätendenten  neben  ihr  auf,  und  die  Karthager  rückten  wieder  einmal  bis  vor 
die  Stadt.  In  dieser  Noth  erscheint  als  Retter  der  sicilischen  Griechen  der  Ko- 
rinther Timoleon.  Er  personificirt  den  Umschwung  in  den  hellenischen  Ver- 
hältnissen. Sparta  hatte  den  Despoten  Dionys  gehalten,  nach  Spartaks  Sturz 
ermannt  sich  Korinth  und  bringt  seiner  Tochterstadt  Syrakus  die  definitive  Be- 
freiung von  der  Dionysischen  Dynastie.  Und  der  Korinther  Timoleon  han- 
delt durchaus  im  Geiste  des  Mannes ,  der  die  spartanische  Macht  gestfU^t 
hat.  Dion  war  Schüler  Platon's  gewesen,  des  Theoretikers  in  der  Politik,  Ti- 
moleon ist  geistiger  Nachfolger  von  Epaminondas,  dem  edelsten  unter  den 
praktischen  Staatsmännern  Griechenlands.  Ohne  Zweifel  bedurfte  es  einiger 
Zeit,  bis  die  von  dem  Böotier  vertretenen  Ideen  völliger  Freiheit  im  Innern 
und  fester  Verbindung  stammverwandter  Staaten  nach  aussen  von  einem  Ko- 
rinther auf  Syrakus  angev^andt  werden  konnten,  aber  um  so  gründlicher 
wurde  diese  Anwendung,  und  das  klare  von  blossen  philosophischen  Theorien 
unabhängige  politische  Programm  des  Siegers  am  Krimisos,  zeigt  den  Fort- 
schritt von  Dion  zu  Timoleon.  Dass  das  Werk  dieses  grossen  Mannes,  die  neue 
syrakusanische'.Constitution,  keinen  Bestand  hatte,  davon  lag  die  Schuld  nidit 
an  ihm,  der  noch  in  andererBeziehung  bedeutendes  geleistet  hat.  Er  hat  durch 
die  Ueberführung  von  vielen  Tausenden  von  Griechen  dem  Hellenenthum  Sici- 
liens eine  neue  Kraft  verliehen,  die  nicht  so  schnell  wieder  verschwunden  ist. 
Auch  in  dieser  Hinsicht  ist  Timoleon  dem  Epaminondas  ähnlich,  der  Messene 
und  Megalopolis  gegründet  hat.  Durch  Timoleon  wird  überhaupt  die  Gestalt  des 
gesammten  hellenischen  Siciliens  eine  ganz  neue,  und  diese  seine  Schöpfung  ist 
nicht  so  schnell  verfallen,  wie  die  freie  Verfassung  von  Syrakus:  sie  hat  viel- 
mehr der  nun  folgenden  Zeit  einen  ganz  anderen  Charakter  verliehen ,  als  ihn 
die  Dionysische  Epoche  gehabt  hatte.  Timoleon  stellte  Akragas  wieder  her,  und 
diese  Stadt  hat  seitdem  eine  neue  Blüte  erlebt.  So  gab  es  hinfort  nicht  mehr, 
wie  seit  Hannibal's  Feldzügeo,  eine  einzige  hellenische  Grossstadt  auf  Sicilien, 
sondern  wenigstens  zwei ,  Syrakus  und  Akragas,  und  schon  dieser  Umstand 
machte  eine  Herrschaft,  wie  die  Dionysische  gewesen  war,  hinfort  unmöglich. 


Politische  Entwickelung  Siciliens.  297 

Als  Syrakus  sich  noch  der  Freiheit  unter  Timoleon's  Obhut  erfreute,  war 
Griecheniand  schon  den  Makedoniern  erlegen.  Es  beginnen  die  Zeiten,  wo 
nicht  mehr  Bürger,  von  Ehrgeiz  und  Rücksichtslosigkeit  erfüllt,  sich  zu  Ty- 
rannen ihrer  Stadt  machin ,  sondern  Feldherren  an  der  Spitze  von  Soldaten- 
häufen  sich  Reiche  gründen :  die  Zeiten  der  Nachfolger  Alexander's.  Solche 
Vorgänge  mussten  auch  im  Westen  nachahmungswerth  erscheinen,  wo  nun 
schon  seit  langer  Zeit  Tyrannen  mit  Hülfe  von  Miethstruppen  regiert  hatten, 
und  wo  Völkerverhaltnisse,  ähnlich  denen  Kleinasiens,  wie  hier  eine  Art  von 
Hellenismus  gründeten,  d.  h.  hellenische  Gultur  eine  grösstentheils  barbarische 
Bevölkerung  überkleidend.  Der  Vertreter  des  Diadochenthums  der  ersten  Zeit 
ist  in  Sicilien  Agathokles.  Er  unterscheidet  sich  schon  von  vornherein  dadurch 
von  Dionys,  dass  er  kein  Syrakusaner  von  Geburt  ist,  und  so  fehlt  ihm  über- 
haupt jenes  eigenthümliche  Haften  an  der  Hauptstadt,  das  wir  bei  Dionys  be- 
merkt haben.  Er  ist  der  rechte  Mann  der  Soldaten  und  des  Pöbels;  ihm  ist  es 
gleich,  wo  er  herrscht,  ob  in  Sicilien  oder  in  Afrika,  wenn  nur  bewaffnete 
Männer  und  befestigte  Lager  zu  seiner  Verfügung  stehen.  So  passt  auch  für 
ihn«Dicht  das  System  von  Vorsichtsmassregeln,  wie  Dionys  es  aufgebracht 
hatte,  der  sich  nur  sicher  fühlte ,  wenn  er  in  seiner  Burg  war;  Agathokles 
verlässt  sich  überall  auf  seine  Grausamkeit  und  sein  Glück.  Agathokles  hatte 
die  Diadochenperiode  in  Sicilien  begonnen,  und  so  war  es  natürlich,  dass  nach 
seinem  Tode  ein  wirklicher  Diadoche,  ein  Mann  aus  Makedoniens  Nachbarland, 
durch  Wahl  der  Sikelioten  ihr  General  geworden ,  sich  in  Sicilien  ein  Reich 
zu  gründen  versuchte.  Aber  es  gelang  nun  einmal  den  Griechen  der  Mitte 
niemals,  sich  Sicilien  zu  unterwerfen.  Was  den  Athenern  nicht  geglückt  war, 
das  versuchte  Pyrrhos  mit  ebenso  wenig  Erfolg.  Er  musste  die  schöne  Insel 
sich  selbst  überlassen.  Inzwischen  war  eine  doppelte  Veränderung  von  Wich- 
tigkeit in  Italiens  und  Siciliens  Schicksalen  eingetreten.  Grossgriechenland 
hatte  einen  neuen  Herrn  gefunden ,  die  Römer ,  und  die  italischen  Soldaten- 
schaaren,  die  vor  etwa  400  Jahren  begonnen  hatten,  sich  auf  Sicilien  häuslich 
einzurichten,  hatten  den  Uebergangspunkt  von  Italien  nach  Sicilien  besetzt.  In 
ganz  kurzer  Zeit  sind  die  Mamertiner  im  nordöstlichen  Sicilien  mächtig;  sie 
verheeren  aber  auch  den  Süden  und  zerstören  Gela  und  Kamarina ,  so  dass 
also  eine  der  von  Timoleon  wieder  hergestellten  Städte  schon  wieder  ver- 
nichtet ist.  Als  nun  bald  nach  Pyrrhos^  Fortgang  aus  Sicilien  in  Syrakus  ein 
einheimischer  Fürst  auftritt,  den  sich  Heer  und  Stadt  freiwillig  zum  Herrscher 
setzen,  da  muss  dieser  neue  Gelon-  mit  den  veränderten  Umständen  rechnen. 
Hieron,  der  Sohn  des  Hierokles,  entspricht  in  seiner  ruhigen,  geordneten  Re- 
gierungsweise den  späteren  Diadochen,  welche  Dynastien  gründen,  wie  Aga- 
thokles ein  Gegenbild  der  ersten  unruhigen  und  wilden  Diadochen  war.  Er 
erinnert  an  die  Ptolemäer,  mit  denen  er  in  intimen  Beziehungen  stand.  Nur 
ist  die  Dauer  seiner  Dynastie  eine  sehr  viel  kürzere  und  die  Ausdehnung  seiner 
Herrschaft  eine  unendlich  viel  beschränktere ,  als  dies  bei  den  asiatischen  Dy- 
nastien der  Fall  ist.  Letzteres  ist  besonders  auffallend ,  aber  durch  die  geän- 
derten Verhältnisse  Italiens  und  Siciliens  nur  zu  sehr  bedingt.  Ais  er  den 
Versuch  macht,  Messana  den  Mamertioern  abzunehmen,  mischen  sich  die 
Römer  hinein,  und  die  Folge  ist  der  erste  punische  Krieg,  der  die  karthagische 


Sechstes  Bacfa.   VIII.  Die  Bukolik. 

Siciließs  den  Rtfmera  giebt  und  Hieron  tu  einem,  allerdings  sehr 
n  Clienlen  der  grossen  italischen  Bargerschaft  macht.  In  BeU«ff  d«r 
n  Bestandtheile  Siciliens  in  dieser  letzten  Zeit  kann  man  mit  Wahr-* 
hkeit  behaupten ,  dass  überall  die  hellenisch^  Cultur  xa-  und  die  hei— 

Bevölkerung  abnahm.  Wie  es  mit  der  griechischen  Sprache  stand, 
I  nicht  sagen,  man  kann  aber  annehmen,  dass  alle  officiellen  VertuDd- 
uf  der  Insd ,  mit  Ausnahme  von  Hessana  und  der  Gegend  von  Lily- 
[>erall  in  griechisdier  Sprache  vorgenommen  wurden,  wBhrend  aller- 

Volke  manche  Reste  des  alten  sikelischen  Idioms  Obrig  geblieben  sein 

können  als  Ergebniss"  des  Vorhergehenden  Folgendes  aasspredten: 
aliliscfaen  Verfaaltnitsen  geht  Sicilien  vom  Anfang  des  6.  Jahrti.  v.  Chr. 
llig  parallelen  Gang  mit  Griechenland  :  Befreiungskrieg ,  BIQthe  re- 
ischer  Gemeinwesen  (Athen,  Syrakas),  spartanische  Hegemonie,  Be- 
lEpaminondas,  Timoleon)  ,  Monarchie;  in  seinen  BevOlkeningsver- 
B  ist  allmahiicbes,  nur  durch  Timoleon  nnterbrocbeoes  Uebei^reifen 
id>ea  Elementes  (Eampaner,  Hamertiner]  unverkennbar,  bis  endlich 
;anz  an  Rom  fällt,  wahrend  indess  die  hellenische  Bildung  mehr  und 
Tschend  wird. 

Rom  Sicilien  erwarb  und  beherrscht«,  werden  wir  im  folgenden 
hen;  jetzt  Meibt  nur  noch  Übrig,  einen  Blick  auf  die  Cultur  der  Insel 
izten  Zeit  vor  ihrem  Uebergang  «d  die  romische  Herrschaft  lu  werC». 
.  beieichnet  ebenso  wie  Hieron  I.  eine  Epoche  in  derselben ,  WNin- 
e  Einwirkung  des  zweiten  Hieron  auf  die  Literatur  seiner  Zeit  eine 
m  nicht  so  directe  ist  vrie  die  des  ersten.  Es  ist  allerdings  nicht  zu 
n,  dass  der  Glanzpunkt  der  Herrsdufl  Bieron's  II.  in  die  Zeit  vor 
en  punischen  Kriege  fällt;  im  Gegentheil,  die  Epoche  der  Rahe  und 
'  Blathe  seiner  Herrschaft  waren  sicher  die  Jahre  zwischen  dem  ersten 

zweiten  punischen  Kriege.  Aber  in  der  Periode,  die  ant  dem  ersten 
n  Kriege  beginnt,  herrscht  der  Eiofluss  der  Rsmer  vor,  und  so  ist  es 
len ,  Literatur  und  Kunst  seiner  Zeit,  in  denen  sich  keine  Spur  eines 
n  Einflusses  gellend  macht,  noch  in  diesem  Bande  zu  behandeln,  der 

hellenische  Sicilien  abschliessen  soll.  Ueberdies  fSIK  Theokrit's 
It  in  Syrakus  schon  vor  364. 


Achtes  Kapitel. 

Die  BnkoUb. 

Stolz  Siciliens  unler  den  Dichtem  der  spSteren  Zeit,  wie  Stesicbom 
1  früheren,  ist  Theokrilos.  l'nd  Sicilien  kann  besonders  deswegen  auf 
sein,  weil  er  dem  Schatze  der  griecfaisc^n  Literatur  eine  Perle  ganz 
.  hinzugefügt  hat :  die  bukolische  Dichtung. 


TheokrU.  299 

Theokrit  gehört  Sicilien  iii  doppeltem  Sinne  an,  durch  seine  eigene  Her- 
kunft und  durch  die  der  Poesie ,  welche  er  in  dte  Literatur  eingeführt  hat. 
Freilich  hat  man  ihn  in  ersterer  Beziehung  unserer  Insel  streitig  zu  machen 
gesucht;  man  hat  ihn  für  einen  Koer  ausgegeben.  Nun  stimmen  allerdings  die 
aus  dem  Alierlhum  erhaltenen  biographischen  Notizen  über  Theoknt  in  Betreff 
seiner  Herkunft  nicht  Oberein.  Jedoch  überwog  die  Stimme  derer,  welche 
ihn  einen  Syrakusaner  nannten ,  und  so  ist  auch  Vergil  zu  deuten ,  wenn  er 
im  Anfang  der  6.  Ekloge  vom  syrakusanischen  Verse  mit  Bezug  auf  Theokrit 
spricht.  Seine  eigenen  Gedichte  geben  kein  positives  Zeugniss  für  seinen  Ge- 
burlsort, aber  sie  beweisen  wenigstens ,  dass  er  Sicilien  und  specieil  Syrakus 
als  seine  Heimath  betrachtete.  Er  nennt  im  H.  Idyll  Polyphemois  den  Hirten 
»bei  uns«,  und  im  28.  Idyll  spricht  er  von  Sicilien  als  von  »unserem  Landete, 
und  wenn  er  im  16.  Idyll  sagt,  seine  Chariten  hatten  un verrichteter  Sache 
nach  Hause  gehen  müssen,  ohne  anderswo  einen  Beschützer  zu  finden,  so 
weist  er  auch  damit  auf  Sicilien,  von  wo  er  dies  schreibt,  als  auf  seine  Heimath 
hin.  Von  diesen  drei  Stellen  ist  besonders  die  zweite  entscheidend.  Das 
28.  Idyll  begleite!  das  Geschenk  eines  elfenbeinemen  Spinnrockens  an  die 
Gattin  seines  Freundes  Nikias  in  Milet,  und  er  bringt  ihr  diese  Gabe  aus  Sici- 
lien. Wäre  er  nun  nicht  auch  in  Sicilien  geboren ,  so  hatte  er  schwerlich  ge- 
schrieben, dass  er  ihr  das  Geschenk  aus  »seinem«  Lande  mitbringe.  Wenn 
freilich  diese  Stellen  nicht  für  Sicilien  sprachen ,  so  würden  manche  indirecte 
Beweise  für  Kos  aufzutreiben  sein.  Sie  lagen  in  den  nachweisbar  engen  per- 
sönlichen Beziehungen,  welche  besonders  das  7.  Idyll  zu  Kos  verrath,  wo, 
wie  man  sieht,  Theokrit  genau  Land  und  Leute  kannte,  sie  lagen  in  dem  Um- 
stände, dass  er  den  Dichter  Phileias,  der  bekanntlich  aus  Kos  war,  als  seinen 
Lehrer  verehrte.  Er  würd«  ihn  schwerlich  so  hoch  gestellt  haben,  wie  er  es 
thut,  wenn  er  nicht  bereits  in  seiner  Jugend  den  Einfluss  desselben  erfahren 
hatte,  und  so  läge  allerdings  die  Annahme  nahe,  dass  er  in  Kos  auch  geboren 
war.  Es  kommt  hier  der  allgemeine  Umstand  hinzu ,  dass  Theokrit  alle  seine 
persönlichen  Beziehungen  im  Osten  hat,  und  so  würde  man  ohne  Zögern  Kos 
als  sein  Vaterland  betrachten ,  wenn  Theokrit  nur  ein  einziges  Mal  von  Kos 
in  solchen  Ausdrücken  redete,  wie  er  sie  drei  Mal  von  Sicilien  gebraucht. 

So  aber  ist  als  erwiesen  ein  Doppeltes  anzunehmen:  Theokrit's  Herkunft 
aus  Syrakus  und  sein  früher  Aufenthalt  im  Osten,  specieil  in  Kos,  wahrschein- 
lich aber  auch  in  Alexandria.  Denn,  wenn  er  Phileias,  und  wie  wir  hinzufügen 
können,  den  Samier  Asklepiades,  dei*  unter  dem  Namen  Sikelides  bei  ihm 
vorkommt,  als  seine  Lehrer  verehrte,  so  bedeutet  das,  dass  er  ein  Zögling  der 
alexandrioischea  Dichterschuie  ist,  und  wenn  man  auch  annehmen  könnte, 
dass  er  ihren  Einfluss  nur  in  Kos  erfahren  habe,  so  ist  doch  andererseits 
äusserst  wahrscheinlich^  dass  er  sie  auch  an  ihrem  Hauptsitze  kennen  gelernt 
hat,  wohin  Philetas  noch  besonders  durch  den  Umstand  gezogen  wurde,  dass 
er  der  Erzieher  des  Ptolemaios  Philadelphos  war.  An  Theokrit's  Aufenthalt  in 
Kos,  wo  eine  altberühmte  medicinische  Schule  war,  knüpft  sich  die  Bekannt- 
schaft mit  dem  milesischen  Arzte  Nikias;  auch  seinen  Freund  Aratos,  den 
Dichter  der  Phainomena,  der  ebenfalls  Arzt  war,  wird  Theokrit  in  Kos  kennen 
gelernt  haben. 


300  Sechstes  Buch.   VIII.  Die  Bukolik. 

Theokrit  war  Sohn  des  Praxagoras  und  der  Pfailina.  Sein  Geburtsjahr  ist 
nicht  überliefert,  doch  können  folgende  Umstände  es  wahrscheinlich  machen, 
dass  er  um  395  v.  Chr.  geboren  ist.  Das  16.  Idyll  ist,  wie  wir  sehen  werden, 
um  269  V.  Chr.  geschrieben.  Als  er  es  schrieb,  war  er  schon  anderswo  als  in 
Sicilien  gewesen  (v.  9) ;  er  hatte  3ich  schon  als  Dichter  erprobt  und  sich  mäch- 
tige Gönner  zu  verschaffen  gesucht,  nun  kam  er  wieder  in  seine  Heimath  zu- 
rück. Der  Ton  des  Gedichtes  ist  selbstbewusst,  aber  es  ist  ein  Selbstbewusst- 
sein ,  in  dem  noch  viel  jugendliche  Keckheit  steckt ;  es  passt  vollkommen  für 
einen  jungen  Mann  von  25  —  30  Jahren.  Um  295  geboren,  konnte  Theokrit 
auch  sehr  wohl  Schüler  des  Philetas  sein,  der  um  340  geboren  war,  und 
Freund  des  Aratos,  dessen  Geburt  ebenfalls  in  die  ersten  Jahre  des  dritten 
Jahrhunderts  fallen  muss. 

Von  dem  Einflüsse  des  kölschen  Aufenthaltes  auf  Theokrit  werden  wir 
bald  zu  reden  haben.  Wenn  er  sich  aber  um  das  Jahr  270  in  Alexandria  auf- 
hielt, so  war  er  Zeuge  der  ersten  Entfaltung  der  literarischen  Thätigkeit, 
welche  die  alexandrinische  Schule  kennzeichnet.  Die  grossartige  Bibliothek 
war  schon  von  Ptolemaios  I.  gegründet  worden,  das  Museum,  eine  Schöpfung 
des  damals  regierenden  Königs ,  jenes  literarische  Prytaneion,  war  entweder 
um  270  V.  Chr.  schon  geschaffen,  oder  seine  Schöpfung  war  im  Werke,  kurz, 
die  Absicht  der  Ptolemäer,  für  die  Dichtkunst  und  Wissenschaft  eine  neue 
Aera  herbeizuführen,  lag  deutlich  vor,  und  man  kann  sich  denken,  dass  von 
allen  Seiten  Gelehrte  und  Schriftsteller  nach  Alexandrien  strömten ,  um  die 
literarischen  Schätze  zu  benutzen  und  auch  wohl  selbst  eine  behagliche  Stel- 
lung zu  erlangen.  So  musste  Theokrit  in  einen  geistig  sehr  lebhaft  angeregten 
Kreis  eintreten.  Aber  es  waren  erst  die  Anfänge  der  alexandrinischen  Schule, 
von  denen  Theokrit  Zeuge  war.  Die  meisten  berühmten  Schriftsteller  dersel- 
ben sind  jünger  als  er:  Apollonios  von  Rhodos,  Eratosthenes ,  Aristophanes 
von  Byzanz,  Rhianos ;  der  berühmteste  von  allen,  Kallimachos  der  Kyrenäer, 
kann  wenigstens  nur  als  Zeitgenosse  Theokrit's  betrachtet  werden ,  und  es  ist 
nicht  einmal  sicher,  ob  Kallimachos  um  270  bereits  in  Alexandria  lebte.  So 
hatte  sich  hier  noch  keine  dichterische  Tradition  gebildet;  es  war  noch  volle 
Freiheit  der  Wahl  für  strebsame  Geister ,  und  ein  dichterisch  hoch  begabter 
junger  Mann  wie  Theokrit  ward  nicht  in  Bahnen  hineingezwängt ,  denen  er 
innerlich  fremd  gegenüber  stand.  So  hat  (denn  auch  Theokrit  später  bewiesen, 
dass  er  seine  Unabhängigkeit  zu  wahren  wusste.  Denn  davon  kann  allerdings 
nicht  die  Rede  sein ,  dass  er  schon  jetzt  auf  die  Gattung  verfallen  wäre,  die 
seinen  Namen  so  berühmt  gemacht  hat ;  das  bukolische  Gedicht  ist  eine  Schö- 
pfung seiner  reiferen  Jahre,  wenn  er  gleich  bei  seinem  Aufenthalt  in  Kos  den 
Grund  zu  dieser  Schöpfung  gelegt  hat.  Seine  Unabhängigkeit  äussert  sich 
schon  darin,  dass  er,  der  den  Philetas  besonders  verehrte,  doch  nicht  als 
Nachfolger  desselben  in  der  Elegie  hat  auftreten  wollen.  Wenn  aber  Theokrit 
im  Grunde  seines  Wesens  unabhängig  blieb,  so  ist  er  doch  nicht  unzu^nglicb 
fUr  die  Zeitströmung  gewesen.  Diese  ging  auf  eine  entschiedene  Bevorzugung 
des  Epos.  Das  zeigt  die  Wirksamkeit  des  Kallimachos  und  der  übrigen  Häupter 
der  alexandrinischen  Schule,  des  Apollonios ,  des  Rhianos,  des  Aratos,   des 


Theokrit   Seine  epi9cheD  Gedichte.  ,    301 

Nikandros  u.  a.     So  sind  auch  die  Jugendgedichle  Theokrit's  Versuche  in  rein 
epischer  Poesie. 

Wenn  dem  gegenüber  Ändere  vielmehr  seine  bukolischen  Gedichte  für 
Erzeugnisse  seiner  Jugend  erklärt  haben ,  so  wird  unsere  gesammte  Darstel- 
lung den  Beweis  der  Richtigkeit  unserer  Auffassung  geben ;  hier  mögen  nur 
einzelne  Erwägungen  in  diesem  Sinne  Platz  finden.  Die  bukolischen  Gedichte 
Theokrit's  Übeiragen  seine  epischen  in  jeder  Beziehung.  Wer  will  nun  glau- 
ben ,  dass  ein  begabter  Dichter  in  seiner  Jugend  reife  Kunstwerke  neuer  Art 
hervorgebracht  habe ,  die  aus  den  verschiedensten  Gründen  ihm  einen  dau- 
ernden Ruhm  sichern,  während  er  in  seinem  späteren  Leben,  alle  Originalität 
aufgebend,  in  eine  schwache  Nachahmung  älterer  Gattungen  verfallen  wäre? 
Es  ist  augenscheinlich ,  dass  er  in  seiner  Jugend  das  schrieb ,  wozu  ihn  die 
Zeitrichtung  veranlasste,  und  dass  er  sich  allmählich  von  derselben  zu  befreien 
und  seine  eigenen  Bahnen  zu  finden  gewusst  hat. 

Die  epischen  Gedichte  füllen  die  erste  Lebens-  und  Dichtungsperiode 
Theokrit's,  welche  sich  bis  zu  dem  Augenblicke  erstreckt,  wo  er  zum  zweiten 
Male  und  zu  längerem  Aufenthalte  nach  Alexandria  ging ,  um  das  Jahr  260 
v.  Chr.  Sie  umfassen  seinen  Aufenthalt  in  Kos,  den  ersten  in  Alexandria  und 
einen  längeren  in  Syrakus.  Was  er  in  Kos,  was  in  Alexandria  geschrieben,  lässt 
sich  nicht  unterscheiden,  was  er  in  Syrakus  gedichtet  hat,  ist  deutlich  zu  be- 
stimmen. Man  sieht  mit  grossem  Interesse,  wie  in  den  Werken  seiner  Jugend- 
zeit bereits  die  Liebe  zu  Naturschilderungen  durchblickt,  die  später  seinen 
bukolischen  Dichtungen  einen  besonderen  Reiz  verleihen  sollte.  Ich  bespreche 
jetzt  diese  Jugendgedichte  in  der  Reihenfolge^  welche  ein  als  natürlich  voraus- 
zusetzendes Fortschreiten  vom  Unvollkommenen  zum  Vollkommeneren  an  die 
Hand  giebt. 

Eine  Jugendarbeit  ist  zunächst  Idyll  22,  die  Dioskuren.  Es  ist  ein 
Hymnus ,  in  welchem  Theokrit  die  alten  Homerischen  Hymnen  nachzuahmen 
gesucht  hat.  Nach  einem  allgemeinen  Lobe  der  Dioskuren  wird  von  jedem 
derselben  eine  Thatsache  erzählt ,  welche  seine  Macht  beweisen  soll :  von  Po- 
lydeukes  sein  Faustkampf  mit  dem  Bebrykerkönig  Amykos,  von  Kastor  der 
Kampf  mit  Lynkeus  um  die  Töchter  des  Leukippos.  Man  kann  nicht  sagen, 
dass  der  Hymnus  als  Ganzes  Interesse  erregt;  man  merkt  ihm  an,  dass  er  das 
Uebungsstück  eines  jungen  Dichters  ist,  der  in  einer  gegebenen  Gattung  etwas 
leisten  will  und  deshalb  ein  ihm  gerade  in  den  Wurf  kommendes  Thema  be- 
handelt. Weder  die  Faustkampfscene ,  noch  der  Zweikampf  zwischen  Kastor 
und  Lynkeus  bieten  irgend  welche  besonderen  poetischen  Momente,  und  der 
verschiedenartige  Ausgang  der  beiden  Kämpfe,  der  in  einer  naiv  gläubigen 
Zeit  keinen  Anstoss  erregen  kann,  hat  in  einem  Gedichte,  das  keinen  religiö- 
sen Zwecken  dienen  soll,  sondern  nur  durch  seinen  poetischen  und  ethischen 
Inhalt  zu  wirken  im  Stande  ist,  keine  Berechtigung.  Denn  wenn  Amykos,  der 
seine  Rohheit  in  einem  Dialog  darlegen  muss ,  von  seinem  Ueberwinder  Poly- 
deukes  am  Leben  gelassen  wird,  so  sieht  man  vom  rein  menschlichen  Stand- 
punkte nicht  ein ,  weshalb  Lynkeus ,  der  an  seinen  Gegner  die  vernünftigsten 
Vorstellungen  gerichtet  hat,  sterben  muss..  Natürlich  war  der  Ausgang  beider 
Kämpfe  von  der  Sage  gegeben ,  aber  wenn  der  Dichter  keine  Veränderung  mit 


302  Sechstel  Buch.    VUI.  Die  Bukoiik. 

derselben  vornehmen  wollte ,  so  stand  es  nur  bei  ihm,  andere  Ereignisse  aus 
dem  Leben  der  Dioskuren  zur  Illustration  seines  Satzes  von  der  Macht  dieser 
Heroen  zu  wählen.  Wenn  er  den  angedeuteten  unerfreulichen  Gegensatz  nicht 
vermieden  hat,  so  hat  er  allerdings  damit  eine  grosse  Objectivität  gezeigt: 
aber  es  ist  eine  andere  Frage,  ob  es  der  Mühe  werth  war,  durch  solche  Poe- 
sien das  alte  Epos  wieder  in^s  Leben  zu  rufen.  Das  griechische  Drama  hatte 
das  Publikum  an  eine  andere  und  zeitgemässere  Auffassung  der  Mythen  ge- 
wöhnt, und  im  Vergleiche  damit  war  eine  so  nackte  Darstellung  des  Factisdben 
ein  Rückschritt.  Bei  der  Schwäche  des  Gedichtes  als  Ganzen  fallen  Einzel- 
heiten, die  schon  auf  den  künftigen  Bukolik^r  hinweisen,  um  so  angenehmer 
auf;  so  die  Schilderung  der  Gegend,  in  welcher  die  Argonauten  den  Amykos 
treffen. 

Ebenfalls  ein  Jugendwerk  ist  das  S4.  Idyll,  der  jugendliche  Herakles. 
Es  ist  die  Erzählung  des  Ueberfalls  des  im  Schilde  des  Amphitryon  schlum- 
mernden Knaben  durch  die  von  Hera  geschickten  Schlangen.  Lebendig  wird 
erzählt,  wie  die  Mutter  vom  Geschrei  des  Iphikles  erwacht,  wie  sie  ihren  Mann 
weckt,  wie  dann  alle  horbeistürzen  und  Herakles  triumphirend  die  von  ihm 
gepackten  Schlangen  zeigt,  wie  dann  am  folgenden  Tage  Alkmene  den  Teire- 
sias  nach  den  künftigen  Schicksalen  ihres  Sohnes  fragt  und  dieser  ihr  seine 
Grösse  vorher  verkündet.  Schliesslich  wird  die  Erziehung  des  Herakles  ge- 
schildert. Dies  Gedicht  zeigt  in  Anlage  und  Auffassung  einen  entschiede- 
nen Fortschritt  gegen  das  vorige.  Schon  der  Gegenstand  interessirt  mehr, 
überdies  hat  Theokrit  es  verstanden ,  durch  dem  Leben  entnommene  Details 
ein  gemüthli'ches  Interesse  beim  Leser  zu  erwecken ,  und  am  Schluss  ist  die 
Hindeutung  auf  den  gewaltigen  Appetit  des  Helden  nicht  ohne  Humor. 

Dieses  Idyll  ist  nicht  das  einzige,  dessen  Stoff  der  Heraklessage  entlehnt 
ist,  deren  Wahl  durch  den  Dichter  nicht  auf  die  grosse  Beliebtheit  dieses  Heros 
bei  den  Sikelioten  zurückgeführt  zu  werden  braucht :  das  Leben  eines  Heiden, 
der  Abenteuer  suchend  in  der  Welt  umherzog,  bot  für  kleinere  Gedichte  einen 
dankbaren  Stoff.  Ein  zweiter  Versuch  in  dieser  Richtung  liegt  im  25.  Idyll 
vor,  welches  Herakles  der  Löwentödter  betitelt  ist. ,  Das  Gedicht  ist  nicht 
vollendet,  da  für  eine  regelrechte  Erzählung  ein  Anfang  vermisst  wird,  so  wie 
auch  ein  Stück  in  der  Mitte  fehlt,  wo  die  Begegnung  zwischen  Augias  und 
Herakles  geschildert  werden  müsste.  Es  ist  jedoch  sehr  zu  bezweifeln,  dass 
Theokrit  es  überhaupt  hat  vollenden  wollen.  Denn  es  hätte  ihm  natürlich 
keine  Schwierigkeit  geboten ,  die  paar  Verse  hinzuzufügen,  und  wenn  er  es 
nicht  gethan  hat,  so  wird  der  Grund  darin  liegen,  dass  er  einsah,  dass  es  auch 
mit  solchen  Zusätzen  niemals  etwas  wahrhaft  Ganzes  werden  würde.  Es  fehlt 
durchaus  die  innere  Einheit;  das  Verdienst  des  Gedichtes  liegt  anderswo,  aber 
da  ist  es  unbestritten.  Es  liegt  in  den  echt  bukolischen  Zuthaten ,  die  der 
künftige  Dichter  des  Daphnis  und  Polyphemos  in  geschickter  Weise  dem  Stoffe 
nicht  anzufügen,  sondern  zu  entlocken  wusste. 

So  sehe  ich  in  diesem  Idyll  gegen  das  24.  einen  ebenso  grossen  Fort- 
schritt, wie  vorhin  im  24.  gegen  das  22.,  und  aus  diesem  Grunde  kann  ich 
den  Umstand,  dass  Theokrit  im  25.  Idyll  sich  mehr  als  in  den  beiden  andern 
in  der  Form  an  Homer  angelehnt  hat,  nicht  als  einen  Beweis  dafür  betrachten, 


Theokrit.   Seine  epischen  Gedichte.  ^3 

dass  es  früher  geschrieben  sein  müsse  als  jene.  Man  darf  nicht  verkennen, 
dass  alle  di*ei  Gedichte  nur  jugendlidie  Versuche  sind,  bei  denen  auch  in 
einem  etwas  späteren  noch  mehr  Anleknung  an  gewisse  Yarbilder  vorkom- 
men kann. 

Ein  anderes  Gedicht,  ebenfalls  der  Heraklessage  entnommen,  Idyli  43, 
bildet  den  Uebergang  von  Theokrit's  epischen  Gedichten  zu  seiner  erotischen 
Poesie ,  von  der  uns  allerdings  wenig  übrig  ist.  Es  behandelt  die  Sage  von 
dem  Raube  des  Hylas  durch  die  Nymphen.  Sein  Anfang  verkündet  einen 
didaktischen  Zweck.  Er  soll  die  Madit  der  Liebe  und  der  Scbt^nheit  durch  ein 
auffallendes  Beispiel  belegen.  Er  ist  dem  Nikias  gewidmet.  Die  geschlossen- 
nero  Einheit  und  bessere  Abrundung  des  Gedichtes  zeigt  eine  grössere  Be- 
herrschung des  poetischen  Stoffes,  als  sich  in  den  bisher  besprochenen  Gedieh-^ 
ten  kund  gab,  und  giebt  den  Beweis,  dass  das  13.  Idyll  später  ist  als  jene. 
Wenn  femer  in  Y.  6  unseres  Gedichtes  Herakles  als  derjenige  bezeichnet  wird, 
der  den  wilden  Löwen  bestand ,  so  sehe  ich  darin  eine  Hindeutung  auf  das 
früher  geschriebene  25.  Idyll.  Auch  im  Hylas  verräth  sich  die  Vorliebe  des 
Dichters  für  ländliche  Scenerie  in  der  Ausmalung  der  Gegend,  in  welcher  die 
That  geschah. 

Hieran  schliesse  ich  nun  das  eine  Gedicht  erotischen  Inhalts,  das  mir  aus 
dieser  Periode  des  Dichters  zu  stammen  scheint:  Idyll  42,  während  die  beiden 
anderen  erotischen  Gedichte  Theokrit's ,  Idyll  i  9  und  30 ,  deutliche  Hinweise 
darauf  enthalten,  dass  sie  einer  späteren  Lebenszeit  desselben  angehören.  Es 
ist  überschrieben :  Der  Geliebte ,  und  behandelt  als  Eipiss  der  Gefühle  Theo- 
krit's  dasselbe  Verhältniss,  in  welchem  Hylas  zum  Herakles  stand.*  Es  spricht 
Freude  über  das  endliche  Wiedersehen  des  Geliebten  aus ,  den  Wunsch ,  dass 
Beide  gegenseitige  Liebe  vereinigen  möge ;  endlich  werden  die  Megarer  ge- 
priesen, welche  die  Schönheit  und  die  Liebe  besonders  zu  schätzen  wussten. 

So  hat  sich  Theokrit  in  seiner  Jugend  mannigfach  in  der  Poesie  versucht. 
Aber  seine  Werke  tragen  noch  keinen  originellen  Charakter.  Trotzdem  bricht 
seine  eigentliche  Natur  durch  und  giebt  seinen  Gedichten  eine  eigenthümliche 
Färbung.  Indess  in  der  Gattung,  die  er  einmal  gewählt  hat,  leistet  er  gerade 
wegen  dieses  Widerstreites  zwischen  Wahl  und  Bestimmung  nichts  grosses. 
Andere  übertreffen  ihn.  Da  ist  es  denn  nicht  zu  verwundem ,  wenn  ihm  die 
ersehnte  Gunst  der  Mächtigen,  die  nicht  zu  ahnen  brauchten,  dass  in  dem 
Epiker,  der  mit  gleicher  Vorliebe  Vieh  wie  Helden  schildert,  der  künftige  Bu- 
koliker  steckt,  einstweilen  noch  nicht  zu  Theil  wird,  wenn  insbesondere  der 
König  von  Aegypten  ihn  nicht  unter  die  Zahl  der  von  ihm  beschenkten  Dichter 
aufnimmt.  Theokrit  hatte  besseres  erwartet;  er  beklagt  sein  Missgeschick  im 
46.  Idyll,  von  dem  wir  später  spi'echen  werden.  So  musste  er  denn  aus  den 
berriichen  Ländern  des  Ostens ,  aus  jenem  Alexandria ,  das  damals  eine  der 
orientalischen  Märchen  würdige  Pracht  zu  entfalten  begann,  in  seine  immerhin 
schöne,  aber  allerdings  weniger  glanzvolle  Heimath  zurückkehren.  Aber  diese 
Rückkehr  gereichte  ihm  für  die  Erfüllung  seines  dichterischen  Berufes  zum 
Segen.  Er  hatte  in  Kos  und  Alexandria  sich  für  die  frisch  aufstrebende  Kunst- 
poesie begeistert  und  so  viel  von  ihr  gelernt,  als  ihm  nützlich  war,  aber  es 
war  für  eine  Natur  wie  die  seinige  kein  rechter  Platz  unter  der  Schaar  dieser 


I. 


304  Sechstes  Bach.  VIII.  Die  BukoUk. 

Künstler.  Da  fand  er  in  seiner  Heimath  von  neuem  Gelegenheit,  sich  mit  den 
'  Schöpfungen  einer  volksthUmlichen  Poesie  genauer  bekannt  zu  machen,  deren 
Ruf  schon  weit  über  Siciliens  GrenzeA  gedrungen  war  und  fttr  die  er  selbst 
bereits  im  Auslande  ein  lebhaftes  Interesse  gezeigt  hatte,  ohne  dass  es  ihm 
klar  geworden  war^  in  welcher  Weise  sie  literarisch  zu  verwerthen  sei. 

Die  bukolische  Poesie  ist  in  Sicilien  entstanden.  Sie  ist  aus  dem  Volke 
hervorgegangen.  Doch  wird  ihr  Ursprung  in  verschiedenen  Berichten  in  wenig 
übereinstimmender  Weise  erzählt.  Die  Prolegomenen  zu  den  Theokriteiscben 
Scholien ,  deren  Angaben  durch  einige  Stellen  anderer  Schriftsteller  ergänzt 
werden,  berichten  zunächst^  dass  Manche  ihn  in  Lakonien  suchten,  wo,  als 
die  Perserkriege  bevorstanden,  einmal  die  Jungfrauen,  welche  der  Artemis 
Karyatis  ein  Fest  feiern  wollten ,  nicht  zu  finden  waren  und  deshalb  Land- 
]eute  in  den  Tempel  kamen  und  die  Artemis  besangen.  Andere,  so  heisst  es 
weiter,  haben  diesen  Ursprung  im  sicilischen  Tyndaris  gesucht,  wohin  Orestes 
kam,  nachdem  er  sich  in  Rhegion  hatte  sühnen  lassen ,  und  wo  die  Landleute 
die  Artemis  in  Liedern  zu  preisen  pflegten.  Aber  diese  Erklärungen  bei  Seite 
lassend,  entscheiden  sich  die  Alten  vielmehr  für  den  syrakusanischen  Ursprung 
der  bukolischen  Poesie,  der  von  den  genannten  Prolegomenen  so  berichtet 
wird.  In  Syrakus  war  einst  ein  Aufstand  glücklich  beigelegt,  und  man  feierte 
Artemis  als  Friedensstifterin.  Die  Landleule  brachten  ihr  Gaben  und  sangen 
ihr  Lob,  und  so  entstand  die  Bukolik.  Sie  kommen,  sagt  der  Scholiast,  in  die 
Stadt,  bekränzt,  mit  Knitteln  (lagobolos)  in  den  Händen,  einen  Ranzen  voll 
Samenkörner  umgehängt,  sowie  ein  Brod,  welches  in  Thierform  gebacken  ist, 
und  einen  Schlauch  voll  Wein,  von  dem  sie  den  Begegnenden  mittheilen.  Sie 
singen  in  die  Wette.  Der  Sieger  empfängt  das  Brod  und  bleibt  in  Syrakus; 
die  Ueberwundenen  ziehen  in  die  benachbarten  Orte  und  sammeln  sich  Nah- 
rung, wobei  sie  Verse  singen,  die  der  Scholiast  anführt.  Kleine  Abweichungen 
von  diesem  Berichte  kommen  bei  Grammatikern  vor. 

Ganz  abweichend  von  diesen  Erzählungen  sind  andere.  So  heisst  es  bei 
Athenaios  einfach  :  Die  Hirten  in  Sicilien  hatten  einen  Gesang,  genannt  Buko- 
liasmos.  Epicharm  erzählt,  dass  der  Sikeliot  Diomos,  von  dem  wir  sonst  nichts 
wissen,  die  bukolische  Weise  erfunden  habe.  Am  weitesten  zurück  in  die 
Vergangenheit  versetzt  den  Ursprung  der  Bukolik  die  verbreitetste  Sage, 
welchefihn  auf  Daphnis,  den  mythischen  Freund  der  Artemis,  die  mit  ihm  jagt, 
zurückführt.  Die  von  diesem  Hirten  handelnden  Sagen  sind  im  1 .  Bande  dieses 
Werkes  (S.  56)  besprochen  worden,  und  von  Daphnis,  wie  er  sich  bei  Theokrit 
darstellt,  wird  noch  unten  die  Rede  sein.  Diodor,  der  Daphnis  als  Erfinder 
der  bukolischen  Poesie  bezeichnet,  fügt  hinzu,  dass  noch  zu  seiner  Zeit  die 
bukolische  Dichtkunst  in  Sicilien  in  Aufnahme  sei.  Schliesslich  wird  auch  noch 
einem  berühmten  Dichter  die  Erfindung  der  bukolischen  Poesie  zugeschrieben: 
dem  Stesichoros,  der  ein  Gedicht  von  Daphnis  gemacht  hatte.  Es  ist  aber  ein- 
leuchtend, dass  dies  irrig  ist.  Es  würde  sich  hier  um  etwas  anderes  handeln 
als*  in  den  vorhergehenden  Berichten.  In  diesen  war  von  der  Entstehung  einer 
gewissen^Gattung  volksthümlicher  Poesie  die  Rede ,  wenn  aber  Stesichoros  als 
Urheber  genannt  wird ,  so  handelt  es  sich  um  die  Schöpfung  einer  literari- 
schen Gattung.  Es  steht  aber  fest,  dass  die  bukolische  Poesie  erst  von  Theokrit 


Ursprung  der  ßukolik.  '  305 

ihre'Cvesetze  eiDpfangen  hat,  und  der  Anspruch  des  Stesichoros  muss  abge- 
wiesen  werden.  Es  ist  etwas  anderes,  ein  Gedicht  über  Daphnis  machen,  und 
die  Lieder,  welche  bis  dahin,  wie  das  Volk  meinte,  nach  Daphnis^  Vorgange 
die  Hirten  Siciliens  sangen,  zum  Zwecke  der  Veröffentlichung  nachahmen. 
Jenes  that  Stesichoros,  dieses  Theokrit. 

Jene  Nachrichten  über  den  Ursprung  der  Hirtenpoesie,  auf  die  wir  jetzt 
zurückkommen,  sind  gerade  durch  ihre  Abweichungen  von  einander  sehr 
werthvoil ,  indem  sie  zu  eingehender  Forschung  in  Betreff  des  Inhaltes  der 
volksthümiichen  bukolischen  Poesie  auffordern.  Diese  besteht  ursprünglich, 
nach  der  einen  Nachricht,  in  religiösen  Liedern,  von  Landleuten  zu  Ehren  der 
Artemis  gesungen ,  nach  einer  zweiten  sind  es  speciell  Wettgesänge ,  in  den 
Städten,  ebenfalls  zu  Ehren  der  Artemis,  vorgetragen,  während  eine  dritte  sie 
einfach  als  Hirtenlieder  darstellt,  die  in  Wald  und  Flur  gesungen  werden,  wo- 
bei Artemis  nur  insofern  in  Betracht  kommt ,  als  der  Schöpfer  dieser  Poesie 
ein  Freund  der  Artemis  ist.  Es  ist  also  Verschiedenheit  der  Ansichten  nicht 
nur  über  den  Ursprung,  sondern  auch  über  den  Charakter  der  volksthümiichen 
Bukolik  vorhanden,  ein  Punkt,  der  nicht  immer  gehörig  in^s  Auge  gefasst 
worden  ist.  Wie  sollen  wir  uns  zu  dieser  Verschiedenheit  stellen  ?  Sollen  wir 
den  religiösen ,  zufälligen  Ursprung  annehmen ,  wie  ihn  die  Erzählung  vom 
Artemisfeste  in  Syrakus  bietet,  oder  den  rein  spontanen,  weltlichen,  wie  er  in 
der  Daphnissage  seinen  Ausdruck  gefunden  hat? 

Die  Schwierigkeit  der  Entscheidung  vermehrt  sich  dadurch,  dass  uns  von 
der  volksthümiichen  Bukolik  direct  nichts  erhalten  ist.  Bei  diesem  unsicheren 
Zustande  der  Grundlagen,  auf  welche  sich  eine  mit  innerer  Wahrscheinlichkeit 
ausgerüstete  Entscheidung  aufzubauen  hätte,  liegt  es  nahe  zu  versuchen ,  ob 
nicht  aus  Theokrit  selbst  sich  einige  feste  Punkte  gewinnen  lassen ,  d.  h.  ob 
wir  nicht  aus  ihm  ersehen  können,  welches  der  Charakter  der  volksthümiichen 
Bukolik  war.  Denn  es  ist  doch  anzunehmen ,  dass  er  sich  in  seinen  Idyllen 
einigermassen  an  die  Volkspoesie  angeschlossen  hat.  Da  zeigt  sich  denn  als 
ein  fast  durchgehender  Charakterzug  seiner  Hirtenlieder  der  Wettstreit ,  und 
zwar  nicht  bloss  bei  den  eigentlichen  Hirten,  z.  B.  in  Idyll  8,  sondern  auch 
bei  den  verkleideten  Hirten  in  Idyll  7 ,  und  Regel  ist  dann ,  dass  der  Sieger 
einen  Preis  erhält.  Aber  der  Wettstreit  ist  nicht  absolut  nothwendig;  das 
erste  Idyll  enthält  ein  acht  bukolisches  Lied ,  ohne  dass  ein  Wettstreit  jetzt 
stattfindet;  freilich  wird  ein  Preis  dennoch  gegeben,  und  der  Hirt  hat  das  Lied 
wenigstens  früher  bei  einem  Wettstreit  gesungen.  Und  in  diesem  Liede  ist 
das  Hineinspielen  des  religiösen  Elementes  unverkennbar,  wenngleich  von 
einer  directen  Verherrlichung  irgend  welcher  Gottheiten  nichts  darin  vor- 
kommt. So  will  sich  uns  auch  auf  diesem  Wege  kein  scharfumrissenes  Bild 
der  volksthümiichen  Bukolik  ergeben,  es  greifen  vielmehr  auch  hier  die  ver- 
schiedenen Gharakterzüge  in  einander,  die  in  den  abweichenden  Berichten 
über  den  Ursprung  der  Bukolik  zu  Tage  getreten  waren. 

Betrachtungen  dieser  Art,  die  sich  leicht  noch  weiter  ausdehnen  Hessen, 
zeigen ,  dass  es  verkehrt  sein  würde,  unter  den  Berichten  über  den  Ursprung 
der  volksthümiichen  Hirtenpoesie  richtige  und  unrichtige  unterscheiden  zu 
wollen  und  entweder  den  religiösen  oder  den  rein  weltlichen  Ursprung  dersel- 

Holm,  G  osch.  SicilienR.  II.  20 


306  Sechstes  Bucb.   VIU.  Die  Bukolik. 

ben  ausschliesslich  zu  betonen.  £5  wird  vielmehr  festzuhalten  sein,  dass  beide 
Berichte  in  den  von  ihnen  mitgetheilten  Facten  die  Wahrheit  sagen,  d.  h.  dass 
bei  gewissen  Artemisfesten  Landleute  sangen,  auob  in  die  Wette  sangen,  und 
zwar  zunächst  Lieder  zu  Ehren  der  Artemis,  und  dass  andererseits  im  Freien 
mitten  unter  den  Beschäftigungen  des  Hirtmilebens  eine  Naturpoesie  erblühte, 
deren  Charakter  nicht  nolhwendig  ein  wesentlich  religiöser  war ,  wenngleich 
nicht  zu  verkennen  ist,  dass  auch  sie,  wie  alle  alte  Poesie,  mit  der  Religion  in 
Zusammenhang  stand.  Es  ist  nun  zunächst  von  Wichtigkeit,  diese  Ansicht  der 
Sache  auch  noch  auf  anderem  Wege  zu  stützen ,  wobei  die  Frage ,  in  welcher 
Art  sich  solche  dichterische  Thätigkeit  von  Einfluss  auf  Theokrit  und  somit 
auf  die  Schöpfung  der  bukolischen  Literatur  gezeigt  hat,  für's  erste  noch  uner- 
ledigt bleiben  muss.  Die  wichtigste  Stütze  aber ,  welche  diese  Anschauung 
gewinnen  kann,  erhält  sie  durch  den  Nachweis,  dass  alle  die  charakterisii- 
sehen  Züge ,  welche  jene  Nachrichten  über  den  Ursprung  der  Bukolik  im  alten 
Sicilien  enthallen,  auch  noch  im  modernen  Sicilien  sich  finden.  Dieser  Nach- 
weis lässt  sich  geben.  Stellen  wir  zunächst  die  Punkte,  um  die  es  sich  han- 
delt, klar  hin,  die  modernen  Analogien  werden  sich  daran  anschliessen. 

Das  sicilische  Landvolk  dichtete  und  sang  im  Freien ,  in  Wald  und  Flur 
—  das  ist  der  Inhalt  des  Berichtes,  der  die  bukolische  Poesie  vom  Hirten 
Daphnis  herleitet.  Das  sicilische  Landvolk  sang,  wenn  es  in  die  Städte  zu  reli- 
giösen Festen  kam ,  um  die  Wette  zu  Ehren  der  Gottheiten  -^  das  enthalten 
die  Nachrichten  der  Prolegomenen  der  theokriteischen  Schollen.  Betrachten 
wir  jetzt  die  modernen  Analogien,  die  wir  besonders  den  Schriften  Giuseppe 
Pitr^'s  entnehmen ,  der  auf  dem  in  Sicilien  vor  ihm  besonders  von  Lionardo 
Yigo  betretenen  Pfade  fortschreitend  das  Studium  der  Volkspoesie  seiner  bei- 
mathlichen  Insel  zu  seiner  Lebensaufgabe  gemacht  hat,  und  dem  wir  bereits 
mehrere  höchst  wertbvoUe  Publicationen  vercUnken,  zumal  die  Biblioteca  deile 
tradizioni  popolari  Siciliane. 

Für  die  poetische  Begabung  und  die  poetische  Produetivität  des  modernen 
Sicilianers  verweise  ich  kui*zweg  auf  die  Sammlungen  sieilianiscber  Volks^ 
lieder  von  Yigo,  Pitr6  und  Salomone- Marino,  die  den  Schatz  der  Volkap^eaie 
Siciliens  durchaus  noch  nicht  erschöpft  haben.  Es  bandelt  sich  aber  nicht 
bloss  darum,  dass  das  Volk  diobtet  und  singt,  und  dass  insbesondere  Landleute 
und  Hirten  dies  tbun ;  es  handelt  sich  darum,  dass  sie  in  lebhaftem  Wettstreit 
mit  einander  ihre  Gedichte  improvisiren.  Wer  hat,  schreibt  Pilr^  S.  44  seines 
Studio  critico  sui  Canti  popolari  giciliani,  im  3.  Bande  der  angeführten  BiUio- 
teca,  nie  dem  anmuthigen  Schauspiel  beigewohnt,  das  ländliche  Arbeiter,  be- 
sonders zur  Zeit  der  Ernte ,  darbieten  ?  Ein  Mann  und  eine  Frau,  oder  auch 
zwei  Jünglinge,  singen  um  die  Wette,  indem  der  eine  das  schöne  Geschlecht 
lobt,  der  andere  es  tadelt ;  der  Gesang  wechselt  ab  und  dauert  foi*t,  bis  einer 
der  Streitenden  sich  besiegt  erklärt.  Solche  Streitgesänge  werden  überall  in 
Sicilien  bei  Gelegenheit  von  öffentlichen  Festen,  wo  viel  Volks  und  darunter 
auch  bekannte  Improvisatoren  zusammenkommen,  auf  das  kunstvollste  be- 
trieben. Unter  einem  Baume,  in  einem  Zelte,  in  einer  Schenke  treffen  die 
Gegner  zusammen.  Es  wird  Wein  gebracht.  Prosa  ist  den  Streitern  verbo- 
ten ; .  wenn  sie  Waffen  bei  sich  tragen,  werden  sie  ihnai  abgenommen.    Nun 


Ursprung  der  Bukolik.  307 

erschallt  vod  einem  die  Herausforderuo^,  und  der  Kampf  begiant.  Besonders 
baußg  kommt  eine  Form  desselben  vor:  der  dubbio,  die  R&thselfrage.  Einer 
giebt  dem  andern  eine  Rätbselfrage  in  Versen  anf,  und  der  andere  muss  nach 
ganz  kurzem  Besinnen^  fast  auf  der  Stelle,  diese  Frage  in  demselben  Metrum, 
wo  mt^glich  mit  denselben  Reimen  Idsen.  Die  Fragen  behandeln  nicht  selten 
wichtige  Probleme  der  praktischen  Lebensphilosophie,  bisweilen  sind  sie 
scherzhaften  Inhaltes.  Die  Rätbselfrage  hat  eine  Wichtigkeit  in  der  modernen 
sicilianischen  Yolkspoesie,  welche  eine  trefTlicbe  Erläuterung  zu  manchen 
analogen  Zügen  aus  den  ältesten  Zeiten  der  griechischen  Literatur  giebt ,  ein 
Punkt ,  auf  den  ich  unten  noch  zurückkomme.  Aber  die  Versammlung  und 
ihre  Helden  sind  zu  lebhaft  erregt,  als  dass  es  bei  blossen  Räthselfragen  sein 
Bewenden  haben  sollte.  Allerlei  Neckereien  schliessen  sich  an,  und  aus  den 
dubbi  werden  förmliche  sfide  —  Herausforderungen.  Der  eine  verspottet  den 
Geburtsort  des  anderen  —  eine  ebenfalls  uralte  Manier  des  Spottes  —  der  An- 
gegriffene antwortet  ebenso  schnell,  indem  er  den  seines  Angreifers  nicht 
weniger  arg  mitnimmt.  So  geht's  fort,  bis  einer  stecken  bleibt.  Er  entfernt 
sich  unter  dem  Jubel  der  Anhänger  seines  Gegners  und  fordert  noch  auf  dem 
Rückzüge  den  Sieger  zu  einem  neuen  Kampfe  heraus. 

Aber  auch  mit  den  Gesängen  der  Landleute  an  den  Artemisfesten  finden 
wir  noch  heute  in  Sicilien  Analogien.  In  seinen  Canti  popolari  beschreibt  p.  66 
Vigo  folgendermassen  eine  Feier  des  Festes  S.  Johannis  des  Täufers  in  Ga- 
lermo.  Es  waren  gegen  6000  Zuschauer  versammelt.  Mit  dem  Schlage  Mittag 
ward  der  Heilige  auf  den  Platz  geführt  und  auf  das  dort  befindliche  Gerüst 
gestellt,  und  es  traten  auf  dasselbe  fünf  Dichter,  theils  Handwerker,  theils 
Landleute.  Nach  einander  improvisirten  sie  Verse  über  das  Leben  und  die 
Wunder  des  Heiligen.  Keiner  räumte  den  Platz ;  alle  zeigten  sich  gleich  ge- 
wandt, alle  erhielten  Preise.  Das  Volk  findet  so  viel  Vergnügen  an  diesem 
Wettstreit,  dass  es  ihm  zu  Liebe  über  zwei  Stunden  in  der  glühenden  Mittags-* 
hitze  aushält.  Wann  dieser  Wettkaropf  zuerst  eingerichtet  worden  ist,  weiss 
Niemand ,  aber  er  gilt  für  uralt.  Soweit  Vigo.  Von  der  Stadt  Avola  meldet 
nach  dem  Briefe  eines  Freundes  Pitr^  p.  85  des  dritten  Bandes  seiner  Biblio- 
teoa  Folgendes.  Jedes  Jahr  findet  man  am  S.  Gonradsfeste  Nachmittags  die 
Kirehe  voll  von  Leuten,  welche  5  oder  6  Jünglingen  zuhören,  die  die  Wunder 
des  Heiligen  in  schönen  improvisirten  Stanzen  vortragen.  Diese  Lieder  gera- 
then  nicht  in  Vergessenheit ;  das  Volk  behält  sie,  sie  werden  sein  Eigenthum, 
und  es  singt  sie  bei  der  £rnte  oder  der  Weinlese.  Und  endlich  berichtet  Pitr^ 
ähnliches  von  Carini,  wo  am  3.  Mai  das  Fest  des  Gekreuzigten  ist.  Da  kamen 
noch  vor  wenigen  Jahren  aus  der  Nachbarschaft,  ja  aus  ganz  Sicilien  die  besten 
Improvisatoren  in  einer  Kirche  zusammen.  In  dem  Getümmel  des  ungeduldi- 
gen Volkes  traten  die  Leute  auf  eine  zu  diesem  Zwecke  aufgeschlagene  Bühne 
und  brachten  einen  ganzen  Tag  damit  zu,  die  Leiden  und  den  Tod  Jesu  Christi 
zu  feiern. 

Es  ist  also  erwiesen,  dass  noch  jetzt  das  sicilianische  Volk  sich  im  Freien 
an  Wettgesängen  belustigt,  und  dass  Leute  geringen  Standes  an  gewissen  Festen 
in  die  Kirchen  kommen,  um  den  Heiligen  des  Tages  um  die  Wette  «zu  besingen, 
und  damit  sind  die  Nachrichten  über  den  Ursprung  der  Bukolik  in  ihrer  facti- 

20» 


308  Sechstes  Buch.   VIII.  Die  Bukolik.  * 

scheD  RichtigiLeit  gestaut  und  ihre  enge  Beziehung  zu  dem  Volkscharakter 
aufgezeigt.  Noch  leichter  ist  es,  sie  als  ttbereinstimmeDd  mit  den  Berichten  zu 
erweisen ,  die  uns  Über  den  Charakter  des  sicilischen  Volkes  aus  dem  Alter- 
thum  zugekommen  sind.  Ich  habe  bei  einer  andern  Gelegenheit  (Bd.  I  S.  233) 
seine  Gharakterzüge  zusammengestellt.  Einer  der  hervorragendsten  derselben 
war  die  Schlagfertigkeit,  gerade  wie  noch  jetzt ;  es  ist  klar,  dass  diese  die  Ent- 
stehung der  Lieder,  welche  die  Voraussetzung  der  bukolischen  Poesie  bilden, 
sehr  befördern  musste.  Andererseits  stellte  sich  den  Griechen  überhaupt  so 
manche  geistige  Thäligkeit  unter  der  Form  des  Wettkampfes  dar.  Wettkämpfe 
in  Literatur,  Kunst,  Gymnastik  des  Geistes  erfüllten  das  Leben  der  Thätigen, 
und  so  ist  es  um  so  erklärlicher,  wenn  auch  die  Lieder  der  sicilischen  Hirten 
die  Form  des  Wettgesanges  bevorzugten. 

Um  aber  die  Entstehung  der  Bukolik  vollkommen  zu  begreifen,  haben  wir 
nach  einer  andern  Seite  hin  einen  Blick  zu  werfen.  Wir  haben  bisher  von  den 
sicilischen  Landleuten  im  Allgemeinen  sprechen  müssen;  es  ist  aber  nötfaig, 
aus  dieser  Masse  die  Hirten ,  denen  ja  der  Name  der  Bukolik  eine  besonders 
hervorragende  Thätigkeit  zuweist,  auszusondern  und  von  ihnen  zu  zeigen, 
dass  sie  sich  vorzugsweise  für  die  Ausübung  der  Poesie  eigneten.  Das  kann 
nun  an  sich  in  einem  lebhaften,  poetisch  angelegten  Volke  keinem  Zweifel 
unterworfen  sein,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  die  Beschäftigung  des 
Hirten  die  meiste  Müsse  lässt  und  das  stete  Leben  in  und  mit  der  Natur  diese 
Müsse  in  einer  Weise  zu  verwenden  gestattet,  die  Augen  und  Herz  offen  erhält. 
Es  wird  also,  wenn  das  Volk  überhaupt  poetische  Anlagen  besitzt,  der  Hirt 
ganz  besonders  im  Falle  sein,  sie  zu  verwerthen.  Was  aber  so  ganz  allgemein 
sich  als  natürlich  erweist,  das  lässt  sich  vom  griechischen  Volke  noch  speciell 
nachweisen.  Zunächst  aus  der  Mythologie,  deren  Gestalten  Abbilder  des 
menschlichen  Lebens  sind.  So  ist  Hermes,  der  Hirtengott,  zugleich  der  Erfin- 
der der  Leier.  Ganz  besonders  ist  hier  aber  die  Gestalt  Pan's  typisch.  Er  ist 
der  Sohn  des  arkadischen  Hermes  und  Gott  der  Heerden ,  insbesondere  der 
Ziegen.  In  den  schattigen  Bergthälern  Arkadiens  tummelt  sich  Pan  mit  den 
tanzliebenden  Nymphen ,  am  Abend  zieht  er  sich  in  seine  Höhle  zurück  und 
bläst  auf  der  Syrinx,  die  er  in  dem  Orte  Melpeia  auf  dem  lykäischen  Gebirge 
erfunden  hat,  und  die  Nymphen  singen  und  tanzen  dazu,  so  dass  der  Berg 
wiederhalit  und  die  Menschen  unten  andächtig  lauschen.  Diesem  arkadischen 
Pan  entspricht  in  Sicilien  Daphnis,  der  wie  Pan  Sohn  des  Hermes  ist;  der 
Unterschied  zwischen  beiden  ist  nur,  dass,  während  der  Arkadier  sehr  muth- 
willig  und  lustig  auftritt^  der  sicilische  Hermessohn  einen  mehr  ernsten,  ja 
melancholischen  Charakter  hat.  An  Hermes  und  Pan  schliesst  sich  in  dieser 
Beziehung  Apoll  selbst,  bei  dem  die  Verbindung  von  Dichtkunst  und  Hirten- 
leben sehr  deutlich  hervortritt.  Auch  er  führt  wie  Hermes  den  Beinamen  No- 
mios;  er  hat  Heerden,  die  ihm  Hermes  entführt;  er  hütet  in  den  waldigen 
Schluchten  des  Idagebirges  die  Binder  des  Laomedon  und  in  Thessalien  die 
Heerden  seines  Freundes  Admetos.  Und  wenn  er  die  Heerde  vor  sich  hintrieb, 
sang  und  spielte  er  so  wunderbar  schön ,  dass  die  wilden  Thiere  aus  dem 
Walde  hervorkamen  und  lauschten.  Und  wie  die  Hirten ,  wenn  die  Gelegen- 
heit sich  darbietet,  auch  Jäger  sind,  so  finden  sich  Freude  an  der  Jagd  und 


Verbindung  von  Poesie  und  Hirtenleben.  309 

KuDSt  der  Lieder  vereinigt  in  der  Gestalt  der  Jagerin  Artemis,  welche  in  ganz 
Arkadien  als  Hymnia,  als  Frühlingsgöttin  der  Lust  und  des  Gesanges,  verehrt 
wurde.  Geschichtlioh  tritt  aber  die  Verbindung  von  Hirtenieben  und  Musik 
vorzüglich  in  der  im  Vorhergehenden  schon  mehrfach  angeführten  Landschaft 
zu  Tage,  welche  später,  besonders  nach  dem  Vorgange  Vergirs,  als  die  Urhei- 
math  des  Hirtenlebens  betrachtet  worden  ist,  in  Arkadien.  Es  kann  also  als 
erwiesen  angenommen  werden,  dass  das  Hirten-  und  Jägerleben  bei  den  Grie- 
chen die  Entwickelung  einer  einfachen  Poesie  ganz  besonders  begünstigte. 

Wir  sind  aber  mit  den  bis  jetzt  gewonnenen  Ergebnissen  noch  nicht  am 
Ende  unserer  Untersuchung  über  die  Vorstadien  der  bukolischen  Poesie.  Wir 
haben  gesehen^  dass  die  Berichte  der  Alten  an  sich  glaublich  sind ;  wir  haben 
durch  moderne  Analogien  erwiesen ,  dass  das  Auftreten  von  Landleuten  bei 
Heiligenfesten  und  poetische  Wettkämpfe  derselben  nach  beendigter  Arbeit 
noch  jetzt  in  Sicilien  vorkommen,  wir  haben  endlich  gezeigt,  dass  das  Hirten- 
leben in  Griechenland  Poesie  und  Musik  in  seinem  Gefolge  hatte,  und  dass  es 
deswegen  auch  in  Sicilien  Poesie  erzeugen  musste.  Es  bleibt  noch  übrig  den 
Fortschritt  aufzuzeigen,  welcher  in  den  an  sich  nicht  unter  einander  überein- 
stimmenden Berichten  der  Alten  über  den  Ursprung  der  Bukolik  vorhanden 
sein  muss. 

Das  Erste  und  Ursprünglichste  enthält  die  Sage  von  Daphnis.  Daphnis  ist 
der  Erfinder  der  Bukolik,  d.  h.  die  sicilischen  Hirten  und  Jäger  dichteten  und 
sangen  seit  uralter  Zeit.  Daphnis  ist  Sohn  des  Hermes  und  einer  Nymphe, 
und  er  wird  Gefährte  der  Artemis.  Es  gab  eine  Artemis  Daphnaia ;  der  Lorbeer, 
welcher  ihrem  Bruder  heilig  war,  war  auch  ihr  gewidmet,  und  so  kann  der 
Name  Daphnis  die  Angehörigkeit  des  Jünglings  an  Artemis  bezeichnen.  Diese 
Angehörigkeit  an  Artemis  ist  aber  sehr  bedeutsam,  was  bisher  nicht  genügend 
berücksichtigt  worden  ist.  Daphnis  ist  Diener  und  Begleiter  der  jungfräulichen 
Göttin,  d.  h.  der  Charakter  der  sicüischen  Hirtenpoesie  hat  von  vornherein 
nicht  das  muntere,  ja  ausgelassene,  welches  bei  einer  Herleitung  von  Pan  un- 
vermeidlich wäre.  Dazu  kommt  das  traurige  Schicksal  des  Daphnis ;  das  zeigt 
noch  mehr,  dass  die  vorwiegende  Natur  der  ursprünglichen  sicilischen  Hirten- 
poesie eine  mehr  melancholische  war.  Aber  es  blieb  nicht  bei  diesem  rein 
ländlichen,  sich  an  das  gewöhnliche  Leben  anschliessenden,  auf  religiöser 
Grundlage  ruhenden  Gesänge.  Vielleicht  in  Folge  zufälliger  Veranlassungen 
kamen  sicilische  Landleute  in  die  Städte ,  wo  sie  an  gewissen  Festen  Lieder 
zu  Ehren  der  Artemis  sangen,  der  Beschützerin  des  Daphnis.  Dieses  Stadium 
der  Entwickelung  der  Bukolik  geben  die  Nachrichten  der  Prolegomenen  zu 
Theokrit  wieder.  Durch  dieses  Hineinströmen  der  Landleute  in  die  Stadt, 
welches  an  die  um  Weihnachten  gebräuchlichen  Umzüge  der  pißerari  in  den 
grossen  Städten  Süditaliens  erinnert,  wurde  die  Hirtenpoesie  dem  gebildeten 
Theile  des  Volkes  bekannter.  Aber  solch  Hineintragen  der  Bukolik  in  die  höhe- 
ren Lebenskreise,  solches  Vorführen  derselben  vor  das'Publikum  konnte  nicht 
ohne  Einfluss  auf  die  weitere  Entwickelung  derselben  bleiben ,  die  nun  einen 
doppelten  Weg  einschlug.  Die  einfach  ländliche  Poesie  bestand  fort  und  die 
Darstellungen  in  den  Städten  daneben;  jede  der  beiden  Gattungen  musste 
sich  besonders  entfalten.    Inzwischen  verbreitete  sich  der  Ruf  der  sicilischen 


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310  Sechstes  Buch.   VUl.  Die  Bukolik. 

Hirtenpoesie  nach  auswärls ,  und  wenn  anderswo  scbon  etwas  fihnlicbes  ent- 
standen war,  so  wurde  dessen  Ruhm  durch  das  aus  Sioilien  gemeldete  ver- 
dunkeit.  Nun  nahm  Theokrit  die  Sache  auf.  Um  aber  eu  terstdien,  in  weldier 
Weise  sich  in  ihm  selber  die  Entwic^elung  vollxog,  müssen  wir  jettt  ein  Idyll 
analysiren,  das  nach  seiner  Entstehungszeit  erst  Später  im  Lebton  defi  Diditers 
vorkommen  würde,  das  aber,  weil  es  eine  für  die  Geschichte  der  Bukolik 
wichtige  Scene  aus  seiner  Jugend  beschreibt,  an  dieser  SteUe  bespro^en  wer- 
den muss. 

Es  ist  das  7.  Idyll ,  dessen  Titel  Thalysia,  das  Erntefest,  ist.  Es  ^ielt 
auf  Kos.  Der  Dichter  geht  mit  zwei  Freunden ,  Eukritos  und  Amyntas ,  aus 
der  Stadt  nach  dem  FluSse  Haies,  an  dessen  Ufer  seine  Freunde  Phrasidamc» 
und  Antigenes  wohnen,  welche  das  Erntefest  feiern.  Gegen  die  Milte  des 
Weges  treffen  sie  den  Ziegenhirten  Lykidas,  der  eine  Strecke  tnit  ihnen  geht 
und  mit  dem  Dichter,  der  hier  Simichidäs  genannt  wird,  einen  bukoliscben 
Wettstreit  beginnt.  Lykidas  singt  das  Lob  des  voii  ihm  geliebten  Ageanax,  der 
eine  Fahit  nach  Mitylene  unternommen  hat.  Er  will  den  Tag,  an  dem  er 
htfren  wird ,  dass  jener  glücklich  angekommen  ist ,  mit  einem  Gelage  feiern, 
bei  dem  auch  Tityros  singen  wird : 

V.  78—75.    Wie  für  Xenea  Daphnis  in  Lieb*  einst  glühte,  der  Kuhhirt, 

Wie  das  Gebirg*  er  umächweifle  and  mit  ihm  klagten  die  Eichen, 
Die  an  des  Himera  Strom  hin  v^chsenden  über  den  Ufern, 

und  eine  seltsame  Geschichte  vom  Sklaven  Komatas ,  der  in  einem  Fasse  ein- 
geschlossen, Monate  lang  von  Bienen  ernShrt  wurde.  Dann  beginnt  der  Dichter 
selbst  seinen  Gesang ,  der  von  der  Liebe  seines  Freundes  Aratös  zum  Phi- 
linos   handelt.     Zum  Lohn  erhält  er  ein  Lagobolon  Vom  Lykidas,  und  die- 
ser trennt  sich  von  ihm.     Nun  gelangen  die  Wanderer  zum  Phrasidamos, 
und  es  wird  zum  Schlüsse  das  Trinkgelage  beim  Altar  der  Demeter  Aloas  an- 
muthig  geschildert.     Das  Gedicht  ist,   wie  siöh  aus  dem  Anfange  desselben 
ergiebt,  lange  nach  der  Begebenheit  verfasst,  welche  es  darstellt,  und  die  in 
die  Jugend  des  Dichters  fkllt.    Spater  erinnert  er  Sich  an  den  frohen  Tag  und 
schildert  ihn  in  seinen  Einzelheiten,  ks  ist  nun  klar  und  allgemein  anerkannt, 
dass  der  Ziegenhirt  Lykidas  trotz  seines  Hirtenanzuges  kein  wirklicher  Ziegen- 
hirt ist,  sondern  einer  der  Freunde  Theokrit's  und  Standesgenosse  desselben, 
und  es  ist  ferner  klar,  dass  hier  zwei  verstellte  Namen  vorkommen :  Lykidas 
und  Sikelidas.     Dieser  soll  der  Dichter  Asklepiades  gewesen  sein ;  wer  sich 
unter  dem  Namen  Lykidas  versteckt ,  ist  unbekannt.    Ebenso  wird  aber  auch 
anerkannt  werden  müssen,  dass  der  Name  Simichidas,  den  sich  Theokrit 
selbst  beilegt,  nur  ein  verstellter  ist,  ein  Name,  der  durchaus  nicht  auf  einem 
wirklichen  Verwandtschaftsverhältnisse  zu  beruhen  braucht,  wie  man  es  nach 
den  Schollen  anzunehmen  pflegt.    Alle  diese  Namen  sind  angenommene  Hir- 
tennamen.   Man  wird  bei  genauer  Berücksichtigung  dieser  Umstände  zu  der 
Voraussetzung  genOthigt ,  dass  in  Kos  damals ,  als  sich  Theokrit  dort  aufhieJl 
eine  Gesellschaft  junger  Leute  bestand,  welche  sich  als  Hirten  verkleideten 
und  Hirtenlieder  dichteten  und  sangen,  und  dass  zu  ihnen  Theokrit  seihst 
gehörte.    Diese  Gesellschaft  hatte  natürlich ,  wie  alle  Vereinigungen  bei  den 
Griechen,  einen  religiösen  Mittelpunkt;    in  dichterischer  Beziehung  war  sie 


Idyll?.  311 

von  Philelas  beeinflusse  dessen  Schüler  fiuch  Hcrniesianax  war,  von  dem  wir 
alsbald  sehen  werden,  dass  er  ebenfalls  bukolische  Slofle  behandelt  hat.  Der 
Beweis,  dass  das  Hirlcngewand  kein  natürliches  ist,  liet^t  in  V.  92,  wo  Theo- 
krit  sagt,  dass  ihn  die  Musen  unterrichtet  haben ,  während  er  auf  den  Bergen 
die  Rinder  hütete,  denn  bald  darauf  redet  er  von  seinem  Verhültnisso  zum 
Nikias ;  er  kann  also  nicht  verlangen  ,  dass  jene  Aeusserung  ernstlich  genom- 
men werde;  und  dann  ist  auch  der  Ziegenhirl  kein  wirklicher  Hirt.  Wenn  aber 
zugegeben  werden  muss ,  dass  Theokrit  und  seine  Freunde  auf  Kos  sich  für 
Hirten  ausgeben ,  ohne  es  zu  sein,  so  ist  dadurch  die  Nothwcndigkeit  besei- 
tigt, auf  dieser  Insel  eine  bukolische  Volkspoesie  als  vorhanden  anzunehmen  ; 
aber  es  erwächst  eine  andere  Frage.  Da  es  junge  Leute  gebildeten  Standes 
waren,  die  dieses  Spiel  trieben  und  unl^r  ihnen  der  Sicilier  Theokrit,  so  fragt 
sich  :  Kannte  man  in  Kos  schon  vor  Theokrit  die  in  dieser  Weise  nachgeahmte 
stciiiscbe  Jlirtenpoesie,  oder  ist  Theokrit  es  gewesen,  der  sie  dort  bekannt  ge- 
macht hat?  Nun  scheint  mir  kein  Grund  für  die  Annahme  vorzuliegen ,  dass 
man  in  Kos  nicht  schon,  wie  anderswo,  von  der  sicilischen  Bukolik  gewusst 
haben  sollte.  Der  Name  Daphnis  war  bereits  vor  300  Jahren  durch  Slesichoros 
in  die  Literatur  eingeführt  worden,  und  dass  überhaupt  die  sicilischen  Hirten 
ein  sang-  und  poesieIi«bendes  Völkchen  waren,  mussle  in  Folge  der  Stesicho- 
reischen  Dichtungen  ebenfalls  überall,  wo  Griechen  wohnten,  bekannt  sein. 
Es  ist  freilich  von  der  Kenntniss  der  sicilischen  Bukolik  zu  ihrer  Nachahmung 
durch  Leute  höherer  Stände  ein  weiter  Schritt ,  und  alles  spricht  dafür ,  dass 
dieser  nicht  in  einer  gar  fi*ühen  Zeit  gemacht  worden  ist.  Dass  aber  Theokrit 
selbst  eine  solche  Genossenschaft  in  Kos  gegründet  haben  sollte ,  wie  sie  nach 
Idyll  7  vorhanden  war,  dafür  ist  kein  Anhaltspunkt  vorhanden.  Die  Verbin- 
dung zwischen  Sicilien  und  dem  Orient  war  seit  den  Zeiten  des  Agatbokies 

eine  so  lebhafte,  dass  eine  bukolische  Genossenschaft  sich  schon  vor  Theokrit 

•     •  • 

in  Kos  bilden  konnte,  üeberhaupt  ist  der  Ursprung  bukolischer  Genossen- 
schaften ,  die  vielleicht  eine  nicht  geringe  Verbreitung  hatten ,  zunächst  ein 
religiöser^  und  wenn  die  Mitglieder  derselben  die  Hirtenpoesio  pflegten,  wie 
das  in  Kos  geschah,  so  war  durch  diese  Poesie  keineswegs  ihre  Entstehung 
bedingt. 

Wir  müssen  jetzt  den  Charakter  der  im  7.  Idyll  enthaltenen  Hirtenlieder 
untersuchen  und  sie  mit  den  übrigen  bukolischen  Poesien  Thookrit's  verglei- 
chen. Zunächst  ist  daran  festzuhalten ,  dass  die  Bukolik  des  7.  Idylls  ebenso 
ächte  bukolische  Poesie  sein  will ,  wie  die  der  anderen  Hirtengedichte  Theo- 
krit's;  das  beweist  der  Vers  36,  der  einem  im  ersten  Idyll  wiederholt  voiliom- 
menden  ganz  ähnlich  ist.  Der  Inhalt  der  beiden,  yon  Lykidas  und  Simichidas 
gesungenen  Lieder  ist  aber  viel  mehr  erotischer  und  insofern  rein  mensch- 
licher Natur,  als  derjenige  der  bukolischen  Gesänge  der  übrigen  Idyllen  Theo- 
krit's.  Dabei  geben  sich  die  beiden  Sänger  nicht  die  mindeste  Mühe,  ihre 
höhere  Bildung  zu  verbergen,  und  ebenso  wenig  bestreben  sie  sich,  es  au 
ihren  Liedern  erkennen  zu  lassen,  dass  sie  Hirten  sein  wollen,  obschon  durch 
eine  bemerkenswerthe  Nüancirung  der  beiden  Gesänge  derjenige  des  Lykidas, 
der  ja  für  einen  Ziegenhirten  ausgegeben  wird ,  «ine,  doppelte  Anspielung  auf 
das  Uirtenleben  enthält.    Anders  die  Reden  und  Gesänge  der  Hirten  in  den 


SflFhstex  Buch.    VIII.  Dk  Bukolik. 

ulisrheii  Gedichlen  Theokril's.  Sie  sind  draoiatischer  und  charak- 
d.  fa.  der  Persönlichkeil  entsprechender.  Es  sind  nichl  mehr  ver- 
en,  welche  reden,  sondern  wirkliche,  und  die  episch- lyriscjie 
Gunsley  einer  mehr  dialogischen,  also  dramaliscben,  aurgegeben. 

jedoch  nichl  elwa  die  Bebauplung  aufgeslelll  werden ,  als  ob  die 
Lolischen  Gedichte  Theokrit's  der  Volkspoesie  in  allen  Beziebuogen 
;n,  als  die  Gesünge  des  7.  Idjils.  In  einer  Rücksicbl  müssen  viel- 
als  ibr  näherstehend  helrachlel  werden.  Die  Poesie  des  Volkes 
ebenso  wie  die  Kunslpoesie,  und  vielleicht  mehr  noch  als  diese, 

menschlichen  Einiiiindungen  und  behandelt  besonders  das  Them« 
Es  tritt  in  ibr  durchaus  nichl  der  Beruf  der  Dichter  hervor.     Der 

siDf;t  nicht  vom  Pfluge,  der  Handwerker  nicht  von  seinem  Gerath 
;eugnissen  seiner  Kunsl,  der  Hirt  nicht  von  seinen  Thieren.   Wenn 

Kunsldichtcr  Hirten  auftreten  lassen  will,  so  wird  or,  um  den 

zu  zeichnen,  auf  dem  sich  seine  Personen  bewegen,  die  Bescbäf- 
rsclbcn  viel  mehr  in  das  Gedicht  hin  ein  verflechten,  als  wirkliche 

ihren  Liedern  thun.  Es  sind  hiernach,  eigenthUmlich  genug,  die 
verkleideten  Hirten  des  7.  Idylls  mehr  den  wirklichen  Hirleiilie- 
schenJ,  als  die  Hirtenlieder  in  den  eigentlichen  bukolischen  Ge- 
i  mun  siehi  zugleich  hieraus,  dass  jene  Lieder  des  7.  Idylls  als  ein 
u  den  anderen  zu  betrachten  sind, 
wir  nun  fragen ,  wo  und  unter  welchen  EinllUssea  sich  im  Geiste 

die  weitere  Enlwickelung  dieser  Kuostform  vollzogen  hat,  die  ihn 
.olik  des  7.  Idylls  zu  der  der  Übrigen  führte,  so  kann  nur  Sicilien 
ilisclie  Kunstpoesic  genannt  werden,  und  unter  den  siciiischen 
m  ist  der  llaupteiufluss  auf  Theokrit  dem  Sophron  zuzuschreiben, 
eil  Überliefert,  dass  für  das  i.  und  15.  Idyll  Theokrit  sich  an 
ehnte,  abcr'es  ist  klar,  dass  er  überhaupt  viel  von  ihm  gelernt  hat 
l>  kleine  Bilder  aus  dem  liigtichen  Lel>en  in  dramatischer  Porm. 
T  seil  lUngerer  Zeil  ein  Interesse  fUr  das  Hirtenteben  gefassl  und  in 
als  Hirt  gedichtet  halte ,  kam  auf  den  Gedanken ,  das  Hirtcnlebeo 
er  mehr  dramatischen  Weise  darzustellen,  und  lernte  von  Sophron 
lung  des  Dialogs  und  seine  Lebendigkeil,  während  er  aus  seiner 
lerigen  dichleriscbcn  Tbatigkcit  die  poetische  Form  und  zwar  den 
:en  Hexameter  beibehielt, 
hcn   von   diesen   persönlichen   Anslässen    und   formellen   Unler- 

war  das  Hervortreten  der  Bukolik  als  eigener  Dichtungsart  bereits 
ängc  in  den  bisher  vorhandenen  dichtcrisdien  GaUungcn  vorbe- 
rede hier  \%eniger  vom  Epos,  welches  schon  in  Homor's  Gedichten 
lische  Schilderungen  geboten  halte,  alwr  die  Lyrik  hatte  in  Stesi- 

ersten  Haie  den  siciiischen  Hirten  Daphnis  vorgeführt,  und  ganz 
alte  die  dramatische  Poesie  das  Publikum  auf  Theokrit  vorbereitet . 

ohne  Bedeutung,  dass  von  Einigen  Kpicbarmos  Sohn  des  Tilyros 
irde,  man  darf  daraus  schliessen ,  dass  auch  das  Hirtcnlchen  in 
spielen  vorkam ;  aber  »uch  das  attische  Drama  hal  sich  mit  solchen 
m  beschüfligl.    Von  dem  Dichter  Kratinos,  der  der'allen  Komödie 


Bukolik.   Idyll  46.  313 

angehört,  gab  es  ein  Stttck,  Bukolos  betitelt,  das  seinen  Stoff  doch  wohl  aus 
dem  wirklichen  Hirtenleben  entlehnt  haben  wird;  vor  allem  aber  war  hier 
das  Satyrspiel  von  Wichtigkeit.  Die  Satyrn  lebten  wie  die  Hirten  im  Freien, 
und  so  musste  durch  die  Satyrspiele  das  Volk  schon  an  die  Vorführung  von 
Bildern  aus  dem  Hirtenleben  gewohnt  sein.  Es  ist  uns  leider  nur  ein  Stück 
dieser  Gattung  erhalten,  der  Kyklop  des  Euripides,  aber  schon  dieses  gestattet 
einzelne  Parallelen  mit  theokriteischen  Stellen,  in  denen  bei  aller  Aehnlichkeit 
der  behandelten  Gegenstände  doch  eine  gewisse  Verschiedenheit  des  Tones 
hervortritt:  bei  Euripides  mehr  Schwung,  bei  Theokrit  mehr  Einfachheit. 
Endlich  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  der  Dithyrambus  unter  den  Händen  des 
Phiioxenos  zu  einer  Darstellung  des  Hirtenlebens, geworden  war.  Seine  Galateia 
spielte  in  Sicilien  und  war  in  Sicilien  gedichtet.  So  war  Neigung  genug  beim 
Publikum  vorbanden,  bukolische  Gedichte  zu  .hören.  Indem  nun  Theokrit 
dieser  Stimmung  entgegenkam ,  schuf  er  zugleich  eine  neue  dichterische  Gat- 
tung, die  durchaus  in  Sicilien  wurzelte.  Allerdings  haben  wir  aus  dem  Alter- 
thum  Nachrichten  von  bukolischen  Gedichten,  welche  sich  auf  einem  anderen 
Schauplatze  bewegen.  Aber  diese  Nachrichten  sind  so  fragmentarisch,  dass 
man  nicht  einmal  genau  bestimmen  kann,  in  welcher  Form  diese  Gedichte 
abgefasst  waren,  weshalb  es  unmöglich  ist  zu  sagen,  ob  sie  der  bukolischen 
Poesie  im  Sinne  Theokrit's  angehören.  Es  wird  überliefert,  dass  Hermesianax, 
ein  Schüler  des  Philetas ,  Daphnis  und  Menalkas  nach  Euboia  versetzte ,  aber 
das  wird  nicht  geschehen  sein,  weil  aus  Euboia  Volksüberlieferungen  über 
Daphnis  vorlagen ,  sondern  nur  weil  Hermesianax  eine  Variation  an  der  her- 
kömmlichen Sage  anzubringen  beabsichtigte.  Wo  aber  die  von  RIearch  er- 
wähnte Eriphanis  mit  ihrem  Liede  auf  den  Jäger  Menalkas  zu  Hause  ist, 
wissen  wir  überhaupt  nicht.  Der  Dramatiker  Sositheos,  der  ein  Satyrspiel 
Daphnis  oder  Lityerses  dichtete,  war  ein  Zeitgenosse ,  vielleicht  ein  Freund 
Theokrit's. 

Wenden  wir  uns  jetzt  wieder  zur  Lebensgeschichte  Theokrit's ,  den  wir 
verliessen,  wie  er  nach  Sicilien  zurückkehrte,  wo  er  neue  Anregung  zu  seinen 
bukolischen  Gedichten  empfing.  Er  war  daselbst  um  das  Jahr  269 ,  wie  aus 
dem  damals  geschriebenen  16.  Idyll  hervorgeht,  das  ihn  nach  vergeblichen 
Versuchen,  auswärts  eines  Fürsten  Gunst  zu  gewinnen,  um  den  Schutz  Hie- 
ron^s  von  Syrakus  bemüht  zeigt. 

Das  Gedicht  ist -betitelt:  Die  Grazien  oder  Hieron.  Unter  den  Grazien 
versteht  er  zunächst  die  ihm  Huld  erweisenden  Göttinnen,  durch  deren  Gnade 
die  Musen  ihm  die  Gabe  der  Dichtkunst  verliehen  haben.  Aber  er  verwendet 
ihren  Namen  auch  zu  einer  Art  von  Wortspiel,  indem  er  an  die  Geschichte  des 
Simonides  erinnert,  der  gesagt  hatte  (Bd.  I  S.  SH),  er  habe  zwei  Kisten,  die 
eine  voll  Dank  (Charis) ,  die  andere  voll  Geld ;  wenn  er  in  Noth  sei ,  sei  die 
erste  stets  leer  und  nur  die  zweite  helfe  ihm.  So  fragt  Theokrit :  Wer  will 
unsere  Huldgöttinnen  bei  sich  aufnehmen  und  sie  nicht  unbeschenkt  von  sich 
lassen?  Sie  schelten  mich  schon,  dass  ich  einen  vergeblichen  Gang  gethan 
habe,  und  sitzen  frierend  im  Grunde  der  leeren  Kiste.  Es  ist  hier  also  die  Ge- 
schichte des  Sinionides  benutzt,  aber  anders  gewandt:  Nach  Simonides  sitzt  in 
der  leeren  Kiste  der  Dank  derjenigen ,  die  nicht  zahlen ;  Theokrit  setzt  seine 


314  Sechstes  Buch.  Vlil.  Die  Bukollk. 

eigenen  Huldgöttinnen  hinein  und  Ifisst  sie  da  frieren.    Dann  klagt  er  über  die 
schlechten  Zeiten:    die  Menschen  wollen  nichts  mehr  an  die  Dichter  wenden 
und  doch  ist  es  fttr  die  Möchtigen  nüttlicfa,  die  Musen  zu  beschtUxen.    Wenn 
sie  sich  nicht  den  Dichter  zum  Freunde  halten ,  wer  spricht  dann  nodi  von 
ihnen  nach  ihrem  Tode?  Dann  fragt  er  sich,  wem  er  seine  Kunst  widmen  söU, 
und  die  Antwort  lautet :  Bald  wird  ein  Mann  des  Sängers  bedfirfen,  der  an 
der  Spitze  der  Syrakusaner  den  Nationalkrieg  gegen  die  Punier  führen  wird. 
Er  entwirft  ein  Bild  des  von  ihm  gewünschten  Zustandes  Siciliens : 
Y.  St'-*'403.  Wenn  doch,  o  Zeus,  rubmvotlerl  und  Pallas  Athen'  und  o  Tochter, 
Die  Du,  der  Mutter  gesellt,  babseliger  Ephyräer 
Grosse  Stadt  Dir  erkorst  an  der  Lysimeleia  Gewässern :  * 

85  Wenn  ihr  böses  Verhängniss  die  Feinde  doch  würf  aus  der  Insel, 

Durch  das  sardonische  Meer,  dass  der  Freunde  Geschick  sie  erzflhKen, 
Frauen  und  Kindern  daheim,  ein  lihlbarer  Rest  von  so  Vielen! 
O  wenn  wieder  die  vorigen  Bürger  die  Städte  bewohnten. 
Welche  zu  Schott  und  Trümmern  die  Httnde  des  Feindes  verkehrten ! 
90  Würden  die  grünenden  Fluren  gebaut  und  möchten  der  Schafe 

Zahllos  wimmelnde  Schaaren,  auf  grasiger  Weide  gemästet, 
Blöken  dui^h's  Thal,  und  die  Rinder,  am  Abende  heim  in  die  Hürden 
Kehrend,  zur  Elf  antreiben  den  langsam  schreitenden  Wanderer! 
Würden  die  Brachen  gepflügt  zur  Einsaat,  wann  die  Cikade, 
95  Ruhende  Hirten  belauschend  am  Mittag,  singt  in  der  Bäume 

Wipfel  ihr  Lied  I  0  dehnte  die  Spinn'  ihr  zartes  Gewebe 
Ueber  die  Waffen  doch  aus,  und  verschwände  der  Name  des  Schlachtrufs  ! 
Trügen  dann  Hieron's  hocbgefiBierteo  Namen  die  Dichter 
Ueber  das  skythische  Meer  und  hin,  wo,  die  riesige  Mauer 
4  00  Festigend  einst  mit  Asphalt,  Semiramis  herrschte,  die  grosse. 

Einer  der  Dichter  sei  ich !  Doch  lieben  die  Töchter  Kronion's 
Auch  vier  andre,  die  alle  Sikeliens  Quell  Arethusa 
Singen,  zusammt  dem  Volk,  und  Hieron's  herrliche  Stärke. 
Das  Gedicht  ist  von  eftner  eigenthttn>lichen  Keckheit.  Es  ist  eine  Ausfüh- 
rung der  Frage:  Wer  will  mir  etwas  schenken?  Eine  solche  Keckheit  wird 
eben  nur  darch  den  frischen  Ton ,  in  dem  sie  vorgebracht  wird ,  den  halben 
Scherz,  der  damit  verbanden  ist,  erträglich.  Man  sieht,  dass  Theokrit  noch 
jung  war,  da  er  es  schrieb,  aber  dass  er  nichtsdestoweniger  schon  Uebung  in 
der  Dichtkunst  und  einigen  Ruf  als  Dichter  hatte.  Aber  das  Gedicht  half  ihm 
wenig.  Bald  finden  wir  ihn  nicht  mehr  in  Sicilien.  Es  war  nnn  freilich  erklär- 
lich ,  dass  der  Anruf  an  die  Freigebigkeit  Hieron's  nicht  auf  die  Dauer  Erfolg 
haben  konnte.  Denn  im  Jahre  264  brach  der  erste  punische  Krieg  aus ,  und 
mit  dem  Eindringen  der  ROmer  in  Sicilien  erwuchsen  dem  Fürsten  so  schwere 
Sorgen ,  dass  er  für  Dichter  und  ihre  BedOrfnisse  fttr's  erste  noch  weniger  Ge- 
hör haben  mochte  als  sonst.  So  ging  denn  Theokrit  nach  Aegypten  zurück, 
wo  sich  der  eigenthümliche  Charakter  der  auf  Glanz  gerichteten  und  eine  hohe 
Bildung  fördernden  Regierung  des  Ptolemaios  Philadelphos  immer  deutlicher 
herausstellte  und  bei  Dichtern  die  grössten  Hoffnungen  erwecken  musste. 

Wie  ich  meine ,  ging  Theokrit  über  Milet  nach  Aegypten.  Das  reizende 
28.  IdylT  ist  geschrieben ,  als  der  Dichter  von  Syrakns  nach  Milet  reiste  und 
der  Gattin  seines  Freundes  Nikias  einen  elfenbeinernen  Spinnrocken  mit- 
brachte, den  er  in  dem  Gedichte  anredet.  Von  Milet  ist  er  dann  nach  Alexan- 
dria gegangen,  wo  er  nach  dem  Jahre  258  das  17.  Idyll  verfasste.    Es  ist  in 


Idyll  98,  4  7|  44  and  4.  315 

diese  Zeit  zu  setsen ,  da  in  V.  89  den  Aegyptern  der  Besitz  der  SUdkttsie  von 
Kleinasien  zugeschrieben  wird ,  welche  Ptolemaios  erst  durch  einen  im  Jahre 
25S  begonnenen  Krieg  erlangte.  Das  Gedicht  beginnt  wie  ein  alter  fiymnos 
und  BUgleioh  wie  das  Werk  seines  Freundes  Aratos^  die  Phainoroena,  mit  dem 
Preise  des  Zeus,  um  dann  sogleich  in  das  Lob  des  Ptolemaios  Überzugehen, 
welches  uns  hier  nicht  interessirt.  Wohl  aber  muss  eine  Eintelbeit  des  Ge- 
dichtes hervorgehoben  werden.  V.  44S  erwühnt  Theokrit  besonders,  dass  bei 
Ptolemaios  derjenige  Lohn  findet,  der  den  Dionysos  recht  zu  preisen  weiss. 
Diese  Bemerkung  zeigt  nttmlich,  dass  das  26.  Idyll  TheokriVs  aus  derselben 
Zeit  stammt.  Es  erzählt  die  Zerreissung  des  Pentheus  durch  die  Mdnaden, 
aber  seiner  Teüdenz  nach  ist  6s  ein  Hymnos  auf  den  Dionysos.  Vielleicht  hat 
Theokrit  gerade  für  dieses  Gedicht  von  Ptolemaios  Lohn  empfangen. 

Mit  dem  47.  Idyll  stelle  ich  des  Inhalts  wegen  das  4  4.  zusammen:  ein 
GesprSch  zwischen  Aisohines  und  ThyoniohoSf  in  welchem  sich  jener  über 
seine  Geliebte  Kyniska  beklagt,  welche  Ihm  untt^n  geworden  ist.  Er  erzählt 
ausftthrlioh,  was  bei  einem  Trinkgelage,  bei  dem  sie  anwesend  war,  vorge^ 
faUen  ist,  und  wie  Kyniska  Dichte  mehr  von  ihm  wissen  wilL  Er  will  anderswo 
Sold  nehmen.  Da  rftth  ihm  Thyonichos,  sum  Ptolemaios  zu  gehen,  und  den 
Schluss  des  Gedichtes  bildet  nun  das  Lob  des  Königs  von  Aegypten. 

Nunmehr  können  wir  zu  einer  genaueren  Betrachtung  der  bukolischen 
Dichtungen  Theokrit's  schreiten,  die  wir  uos  grtfsstentheils  in  Alexandria  ver- 
fasst  zu  denken  haben. 

Zunächst  einige  kurze  Bemerkungen  über  ihre  Form.  Sie  sind  meist 
Gespräche  mit  Einfügung  längerer  Gesänge ;  bisweilen  Monologe.  Reines  Ge- 
spräch ist  Idyll  4 ;  Gespräche  mit  Liedern ,  welche  um  die  Wette  gesungen 
werden,  ^nd:  5,  8,  9,  40.  Gespräch  mit  einem  einzigen  längeren  Liede 
ist  1 .  Einzelne  Lieder  sind :  3  und  4  4 .  Eine  dramatische  Scene  ist  6.  End- 
lich ist  noch  das  vielfach  für  unecht  gehaltene  27.  ein  rein  dramatischer  Dia- 
log.   Die  übrigen  angezweifelten  werden  später  erwähnt  werden. 

Es  ist  schon  bemerkt  worden,  dass  sich  bei  Theokrit  Kehrverse,  Refrains 
finden.  Dadurch  entstehen  von  selbst  Strophen:  Id.  4  und  2 ;  aber  Strophen 
kommen  auch  in  Gedichten  ohne  Refrain  vor,  so  im  3.,  5.,  8.,  40.  Im  8.  Idyll 
sind  auch  je  zwei  elegische  Distichen  zu  einem  Ganzen  verbunden.  Eine  an- 
dere Eigenthümlichkeit  der  theokriteischen  Poesie  folgt  aus  der  Natur  des  so 
viel  von  ihr  angewandten  Wechselgesanges.  Wenn  nämlich  die  Gesänge  oder 
Reden  schnell  wechseln ,  so  ergiebt  sich  als  natürliche  Folge  ein  Entsprechen 
der  Gedanken  und  Worte.  Diese  Responsion  findet  sich  besonders  im  4 .  und 
8.  Idyll. 

Wir  betrachten  jetzt  die  einzelnen  Idyllen  in  der  oben  angegebenen 
Reihenfolge,  da  es  unmöglich  ist,  hier  eine  chronologische  durchzuführen. 

Das  4.  Idyll  spielt  in  der  Nähe  von  Kroton.  Unteritalien  ist  ebenso  oft 
der  Schauplatz  der  theokriteischen  Idyllen  wie  Sicilien ,  und  man  kann  an- 
nehmen, dass  der  Dichter  sich  auch  eine  Zeitlang  in  Grossgriechenland  aufge- 
halten hat.  Korydon  weidet  die  Kühe  des  Aigon,  der  mit  Milon,  dem  berühm- 
ten Fauslkämpfer,  nach  Olympia  gegangen  ist.  Das  Idyll  spielt  also  ein  paar 
hundert  Jahre  vor  Theokrit,  was  den  Dichter  jedoch  nicht  abhält,  Anspielungen 


316  Sechstes  Buch.  VIII.  Die  Bukolik. 

auf  Personen  seiner  Zeit  zu  machen.  Es  sind  durdiaus  gewöhnliche  Menschen, 
die  sich  mit  einander  unterhalten.  Korydon  ist  ein  ziemlich  einfältiger  Borsdiey 
der,  als  er  durch  die  Erwähnung  der  verstorbenen  AmarylHs,  der  Geliebten 
des  Battos,  diesen  in  Betrtlbniss  versetzt  hat,  ihn  auf  etwas  alberne  Weise 
damit  zu  trösten  sucht,  dass  man  hoffen  müsse,  so  lange  man  lebe. 

Das  5.  Idyll  ist  überschrieben:  Die  Bukoliasten  oder  Wettsänger.  Die 
Scene  ist  wiederum  in  Unteritalien.  Zwei  Sclaven,  welche  einem  Sybarilen 
und  einem  Thurier  angehören,  Komatas  und  Lakon,  reizen  sich  durch  Stiche- 
leien und  beginnen  dann  einen  Wettgesang ,  bei  dem  sie  sich  einen  Schieds- 
richter in  der  Person  des  Morson  erwählen.  Der  eigentliche  Wettgesang  be- 
ginnt Y.  80  mit  Versen  des  Komatas  und  geht  ganz  regelrecht  in  der  Weise 
fort,  dass,  nachdem  Komatas  in  zwei  Zeilen  einen  Gedanken,  der  seine  eigene 
Verherrlichung  enthält,  ausgesprochen  hat,  Lakon  mit  einem  ähnlichen  Selbst- 
lob antwortet.  Komatas  hat  auch  das  letzte  Wort,  denn  Morson  lässt  nach  der 
Behauptung  desselben,  dass  er  sich  zum  Lakon  verhalte,  wie  ein  Sdiwan  zum 
Wiedehopf,  diesen  nicht  mehr  zum  Worte  und  giebt  dem  Komatas  den  Preis. 
Gründe  für  den  Urtheilsspruch  sind  nicht  vorhanden,  und  es  ist  bemerkens- 
werth,  dass  Komatas  als  Herausforderer  die  leichtere  Rolle  gehabt  hat,  wäh- 
rend dem  Lakon  die  schwierigere  Aufgabe  zufiel ,  stets  etwas  dem  Gedanken 
des  Andern  entsprechendes  zu  extemporiren. 

Das  8.  Idyll,  wo  die  Bukoliasten  Daphnis  und  Menalkas  sind,  hat  eine 
kleine  Einleitung.  Der  Ton  dieses  Idylls  ist  ein  ganz  anderer  als  der  des  5. 
Es  sind  nicht  Sklaven,  die  ziemlich  grobe  Empfindungen  äussern;  es  sind 
freie  Jünglinge,  welche  ihrem  höheren  Stande  entsprechend  reden.  Sie  fordern 
sich  ohne  weitere  Sticheleien  zum  Kampfe  heraus,  und  die  Form  der  Wettge- 
sänge ist  eine  viel  gewähltere  und  schwierigere :  das  elegische  Distichon.  Man 
muss  nicht  glauben,  dass  der  Daphnis  dieses  Idylls  derselbe  mit  dem  mythi- 
schen Daphnis  des  ersten  ist,  ebenso  wenig  wie  Korydon,  Amaryllis  u.  s.  w. 
immer  dieselben  sind,  wo  sie  bei  Theokrit  vorkommen.  Es  sind  eben  Hirten- 
namen. 

Das  9.  Idyll  ist  eine  Sammlung  von  Fragmenten,  die  wiederum  Daphnis 
und  Menalkas  in  den  Mund  gelegt  sind. 

Im  40.,  die  Schnitter  überschrieben,  unterreden  sich  Milon  und  Bu- 
kaios.  Dieser  singt  ein  Lied  zum  Lobe  seiner  Schönen,  während  Milon  es  für 
passender  hält,  wie  die  Reihe  an  ihn  kommt,  allerlei  für  den  Landmann  nütz- 
liche Sprüche  vorzutragen.  Beide  Sänger  bedienen  sich  zweizeiliger  Strophen, 
und  Milon  bezeichnet  sein  Lied  als  von  Litverses  erfunden.  Wir  wissen,  dass 
Lityerses  der  Name  des  Schnitterliedes  war.  Es  ist  also  das  10.  Idyll  nicht  im 
eigentlichsten  Sinne  ein  bukolisches  Gedicht,  obschon  es  ganz  denselben  Cha- 
rakter hat  wie  diese. 

Eins  der  schönsten  Gedichte  Theokrit's  ist  das  erste  Lied:  Thvrsis  oder 

« 

der  Gesang  vom  Tode  des  Daphnis.    Tbyrsis  beginnt ,  und  in  seinen  Worten 
wird  uns  sogleich  ein  Bild  der  lieblichen  Scenerie  gegeben  : 

V.  4—6.      Lieblich,  o  Geisshirt,  ist  das  Getön,  das  die  Pinie  drüben 

Säuselnd  am  Felsquell  übt,  das  melodische ;  lieblich  ertönt  auch 
Deine  Syringe ;  nach  Pan  wird  billig  der  andere  Preis  Dir. 


Bukolische  Gedichte  TbeokrH's.  317 

Wenn  er  den  Bock  sich  erwarb,  den  gehörnten,  nimmst  Du  die  Ziege, 
Wenn  zum  Lohn  er  die  Ziege  behält,  dann  folget  das  Zicklein  5 

Dir ;  und  fein  ist  das  Fleisch  vom  Zickelchen,  bis  Du  es  melkest. 
Der  Ziegenhirt  erwidert  in  ähnlicher  Weise,  worauf  Tbyrsis  vorschlägt,  er 
mdge  auf  seiner  Syrinx  blasen.  Das  aber  will  der  Ziegenhirt  nicht;  um  Mit- 
tag, wenn  Pan  schläft,  darf  man  nicht  dessen  Ruhe  stören.  Er  fordert  Thyrsis 
auf,  das  Lied  von  Dapbnis  zu  singen ,  das  er  einst  im  Wettstreit  gegen  den 
Libyer  Chromios  gesungen  hat;  zum  Lohne  will  er  ihm  gestatten,  seine  Ziege 
dreimal  zu  melken,  und  ihm  einen  hdlzeraen  Becher  schenken,  der  beschrieben 
wird.  Nun  beginnt  Thyrsis  sein  Lied  vom  traurigen  Ende  des  Dapbnis : 
V.  64—70.  Hebet  Gesang,  ihr  Musen,  geliebteste,  Uirtengesang  an  1 

Thyrsis  vom  Aetna  ist  hier,  und  die  liebliche  Stinime  des  Thyrsis.  65 

—  Wo  wart  ihr,  als  Dapbnis  verschmachtete,  wo  doch,  o  Nymphen? 
Fern  im  peneiischen  Tempe,  dem  reizenden^  oder  am  Pindos  ? 
Denn  nicht  weiletet  ihr  um  den  mächtigen  Strom  des  Anapos, 
Nicht  um  des  Aetna  Geklüft,  noch  Akis'  heilige  Wasser. 

Hebet  Gesang,  ihr  Musen,  geliebteste,  Hirtengesang  an !  70 

Der  von  Thyrsis  besungene  Daphnis  ist  der  alte  mythische  sicilische  Rinder- 
hirt, aber  sein  Schicksal  entspricht  durchaus  nicht  dem,  was  wir  nach  Diodor 
u.  A.  im  ersten  Bande  (S.  56)  von  ihm  erzählt  haben.  Nach  unserem  Gedichte 
hatte  sich  Daphnis  gerühmt,  der  Macht  der  Liebe  widerstehen  zu  können. 
Aber  Aphrodite  flösste  ihm  Liebe  zu  einer  Nymphe  ein ,  die  ihn  wieder  liebte. 
Daphnis  will  sein  Gefühl  überwinden  und  stirbt  an  diesem  inneren  Kampfe. 
Der  Inhalt  des  Liedes  ist  nun,  wie  Alles  Daphnis  beklagt,  die  Thiere  des 
Waldes  und  die  Götter,  die  ihn  besuchen.  Aphrodite  möchte  ihn  nun  doch 
retten,  aber  es  ist  zu  spät.  Dass  Theokrit  sich  nicht  an  die  geläufige  Sage  vom 
Daphnis  angeschlossen  hat,  ist  nicht  wunderbar.  Es  lagen  offenbar  bereits 
sehr  verschiedene  Sagen  über  die  Schicksale  des  Daphnis  vor,  ,so  dass  es  den 
Dichtern  gestattet  war,  ihrerseits  frei  zu  verfahren. 

Im  27.  Idyll  kommt  wieder  ein  Daphnis  vor ;  es  ist  nicht  der  Heros,  aber 
auch  nicht  der  des  8.  Idylls,  ohne  dass  man  deswegen  das  Gedicht  für  unächt 
zu  halten  hätte.  Es  hat  einen  so  lebhaften  Dialog,  dass  es  durchaus  nicht 
Theokrit's  unwürdig  ist. 

Im  6.  Idyll  führen  Damoitas  und  Daphnis  eine  dramatische  Scene  auf. 
Letzterer,  welcher  allerdings  Rinderhirt  genannt  wird,  aber  wiederum  nichts 
vom  alten  Heros  an  sich  hat,  macht  den  Kyklopen  Polyphemos  darauf  aufmerk- 
sam, wie  sehr  ihn  Galateia  liebt,  und  wirft  ihm  vor,  dass  er  sich  so  wenig  um 
sie  kümmere.  Nun  spielt  Damoitas  die  Rolle  des  Polyphem  und  setzt  in  sehr 
drolliger  Weise  aus  einander,  dass  er  nur  so  thue,  um  die  Galateia  noch  mehr 
in  sich  verliebt  zu  machen. 

Das  3.  Idyll,  ein  Monolog,  ist  überschrieben:  Der  Ziegenhirt,  der  ein 
Ständchen  bringt,  oder  Amaryllis.  Die  ersten  Verse  spricht  der  Hirt,  ehe  er 
zur  Grotte  kommt,  wo  seine  Geliebte  sich  befindet.  Dann  redet  er  sie  an  und 
beklagt  sich  über  ihre  Härte ;  führt  alsdann,  um  sie  zu  rühren,  mythologische 
Reispiele  an,  wo  Frauen  oder  Göttinnen  Männern  ihre  Liebe  gewährt  haben. 
Aber  alles  hilft  nichts,  und  so  bricht  er  zuletzt  in  Verzweiflung  aus. 

Der  zweite  Monolog,  Idyll  1 1 ,  der  Kyklop ,  ist  durch  einige  Verse  einge- 
leitet, welche  Theokrit  an  seinen  Freund  Nikias  richtet,  des  Inhalts,  dass  kein 


318  Sechstes  Buch.   Ylll.  Die  BukoHk. 

aQderes  Mittel  den  durch  Liebe  verursachten  Kummer  heile  als  die  Musen. 
Das  hat  auch  der  Kyklop  Polyphemos  erfahren,  als  er  die  Galateia  liebte,  die 
ihn  verschmähte.  Da  sang  er  sein  Lied,  das  Theokrit  mittheilt,  und  von  dessen 
eigenthümlichem  Reize  folgende  wenige  Verse  einen  Begriff  geben  mögen  : 

0  Galateia»  du  weisse,  den  Liebenden  so  zu  verschmähen ! 

30  Weiss  wie  geronnene  Milch  und  zart  von  Gestalt  wie  ein  Lömrochen, 

Und  wie  ein  Kalb  muthwUlig,  und  frisch  wie  die  schwellende  Traube ! 
Immer  nur  kommst  ^u  so  her,  wenn  der  süsse  Schlaf  mich  umfllnget, 
Und  gleich  eilst  du  hinweg,  wenn  der  süsse  Schlaf  mich  entlasset. 
Ja  du  entfliehst,  wie  ein  Schaf,  das  eben  den  graulichen  Wolf  sah. 

23  —  Damals  liebt  ich  bereits  dich,  Mägdelein,  als  du  mit  meiner 

Mutter  das  erste  Mal  kamst,  Hyakinthosblumen  zu  pflücken 
In  dem  Gebirg ;  ich  war  es  ja,  welcher  die  Wege  dir  nachwies. 
Seitdem  möcht'  ich  dich  immer  nur  anschaun,  immer  !  es  lässt  mir 
Keine  Ruh  ;  doch  du,  bei'm  Zeus,  nichts  achtest  du,  gar  nichts  ! 

30  Ich  weiss  schon,  holdseliges  Kind,  warum  du  mich  fliehest: 

Weil  mir  über  die  Stirn'  durchweg  sich  die  borstige  Braue 
Streckt,  ein  mächtiger  Bogen  von  einem  Ohr  zu  dem  andern, 
Drunter  das  einzige  Aug'  und  die  breite  Nas'  auf  der  Lefze. 
Aber  auch  so  wie  ich  bin,  ich  weide  dir  Schafe  bei  Tausend, 

35  Und  die  fetteste  Milch  mir  zum  Leibtnink  melk'  ich  vöo  ihnen. 

Käs'  auch  mangelt  mir  nie,  im  Sompaer  nicht  oder  zur  Herbstzeit, 
Noch  im  härtesten  Frost;  schwer  voll  sind  die  Körbe  beständig. 
Auch  die  Syringe  versteh'  ich,  wie  keiner  umher  der  Kyklopen, 
Wenn  ich,  o  Honigapfel,  dich  sing'  und  daneben  mich  selber, 

40  Oft  noch  spät  in  der  Nacht.  Auch  elf  Hirschkälbchen  dir  füttr'  ich 

Auf,  mit  Bändern  am  Hals  und  dazu  vier  Junge  der  Bärin. 
Ei,  so  komm  doch  zu  mirl  Du  sollst  nicht  schlechter  es  finden. 
Lass  du  das  blauliche  Meer  wie  es  will  aufschäumen  zum  Ufer; 
Lieblicher  soll  dir  die  Nacht  bei  mir  in  der  Höhle  vergehen. 

45  Lorbeerbäume  sind  dort  und  schlank  gestreckte  Cypressen, 

Dunkeler  Epheu  ist  dort  und  ein  gar  süsstraubiger  Weinstock ; 
Kalt  dort  rinnet  ein  Bach,  den  mir  der  bewaldete  Aetna 
Aus  hellschimmerndem  Schnee  zum  Göttergetränke  herabgiesst. 
0  wer  wählte  dafür  sich  das  Meer  und  die  Wellen  zur  Wohnung? 

50  Aber  wofern  ich  selber  zu  haarig  dir  dünke  von  Anseh'n, 

Hier  ist  eichenes  Holz  und  reichliche  Glut  in  der  Asche : 
Schau,  gern  duld'  ich's,  und  wenn  du  die  Seele  sogar  mir  versengtest, 
Oder  mein  einziges  Auge,  das  Liebste  mir,  was  ich  besitze ! 

Nicht  von  allen  werden  fUr  acht  gehalten  Idyll  30  und  34.  In  jenem  be- 
klagt sich  ein  Rinderhirt  über  die  Sprödigkeit  einer  Städterin.  Allerdings 
erinnert  manches  im  Gegenstand  wie  in  der  Ausftihrung  an  das  4  4 .  Idyll,  so 
dass  die  Annahme  einer  Nachahmung  von  fremder  Hand  nahe  liegt.  Das  34 . 
zeigt  uns  zwei  arme  Fischer ,  die  in  der  Nacht ,  schlaflos  in  ihrer  Htttte  am 
Meere  liegend,  sich  unterhalten.  Der  eine  erzahlt  einen  Traum,  den  er  gehabt; 
wie  er  einen  goldenen  Fisch  gefangen  und  geschworen  habe ,  nie  wieder  zu 
fischen.  Sein  Genosse  beruhigt  ihn  in  seiner  durch  diesen  Schwur  entstande- 
nen Verlegenheit,  indem  er  ihm  auseinandersetzt,  dass  er  nicht  verpflichtet 
sei,  ihn  zu  halten. 

Aus  dem  Vorhergehenden  wird  die  Eigenthttmlichkeit  der  bukolisoben 
Poesie  Theokrits  so  klar  geworden  sein,  dass  es  nur  noch  weniger  allgemeiner 
Bemerkungen  darüber  bedarf.  Die  ganze  Gattung  entstand  in  einer  Zeit  hOch- 


Cbarakter  der  Bukolik.  319 

ster  Bildung  und  fand  deswegen  Beifall  beioQ  Publikum,  weil  sie  im  Gegeosats 
zu  der  übartriebeneu  Verfeinerung,  welche  fast  alle  Schiebten  der  Gesellschaft 
ergriffen  hatte,  die  einfachen  Sitten  des  Landvolks  schilderte.  Aebnlich  ist  der 
Beifall  zn  erklären .  den  in  unseren  Tagen  die  Dorfgeschichte  gefunden  hat, 
die  um  so  mehr  gefiel,  je  mehr  Geschichten  aus  den  Salons  man  hatte  lesen 
müssen.  Aber  nicht  bloss  für  die  Menschen  des  3.  Jahrh.  v.  Chr.  lag  der  Reiz 
der  bukolischen  Poesie  in  diesem  Gegensatze  zum  deinen  Stadtleben ;  er  liegt 
für  alle  späteren  Zeiten  darin ,  denn  er  ist  es ,  der  die  vielen  Nachahmungen 
veranlasst  hat,  die  Tbeokril^s  Gedichte  fanden ;  und  dieser  selbe  Contrast,  der 
sich  so  viele  Jalirhunderte  hindurch  kräftig  erwiesen  hat,  er  ist  auch  dem 
Dichter  bewusst  gewesen.  Man  hat  darüber  gestritten,  ob  in  Theokrit's  Idyllen 
der  Gegensatz  von  Stadt  und  Land  zu  Tage  trete.  Die  Frage  ist  leicht  zu  be- 
antworten :  Theokrit  war  durchdrungen  von  dem  Gefühle  des  Gontrastes  zwi*- 
schen  einem  einfachen  und  natürlichen  und  einem  verkünstellen  und  verfei- 
nerten Leben  und  betrachtete  es  als  seine  Aufgabe,  jenes  zu  schildern.  Dieser 
Gegensatz  kann  auch  aufgefasst  werden  als  der  zwischen  Stadt  und  Land. 
Aber  es  fiel  Theokrit  nicht  ein,  denselben  in  der  Weise  hervortreten  zu  lassen, 
dass  er  ausdrücklich  Vergleiche  zwischen  Stadt-  und  Landleben  angestellt 
hätte.  Er  Hess  die  Gemälde  des  Landlebens  rein  durch  sich  selber  wirken  und 
zeigte  sich  so  als  wahren  Künstler, 

Diese  acht  künstlerische  Objectivität  offenbart  sich  ferner  bei  Theokrit 
darin ,  dass  er  nicht  ideaüsirt.  Seine  Hirten  sind  in  keiner  Beziehung  ideale 
Menschen.  Sie  sind  weder  schöner  noch  tugendhafter  als  wirkliche  Hirten. 
Daher  kommt  es  denn  auch,  dass  er  niemals  eine  moralische  Tendenz  verfolgt, 
niemals  die  Mensdien  zu  bessern  sucht  durch  Hinweisung  auf  die  Sitten  des 
Landes,  die  eben  nicht  retner  sind  als  die  städtischen. 

Aus  der  Objectivität  Theokrit^s  geht  aber  noch  eine  andere  charakten^ 
stische  Eigenthümlichkeit  desselben  hervor,  die  gewöhnlich  weniger  beachtet 
wird.  Sie  besteht  darin,  dass  er  seine  Hirten  nicht  alle  auf  dieselbe  Weise 
reden  lässt.  Man  beadite  in  dieser  Beziehung  den  Unterschied  im  Ton  zwi- 
schen Idyll  4  und  5  einerseits  und  Idyll  8  andererseits.  In  jenen  beiden  sind 
die  handelnden  Personen  ziemlich  einfache,  ja  rohe  Kerle ,  im  8.  Idyll  zwei 
Jünglinge  von  gutem  und  zartem  Gemüthe.  So  hat  er  auch  keineswegs  ver- 
schmäht, unter  Umständen  seine  Hirten  eine  nicht  unbedeutende  mvtholo- 
gische  Gelehrsamkeit  entwickeln  zu  lassen,  wie  sie  den  meisten  Leuten  dieses 
Standes  fremd  gewesen  sein  dürfte,  so  im  3.  Idyll  von  V.  40 — 52.  Es  sind 
eben  nicht  alle  Hirten  sich  gleich. 

Wir  dürfen  nach  dem  Vorhergehenden  sagen,  dass  Theokrit  durch  die 
Objectivität  seiner  Darstellung,  durch  die  Treue  und  Lieblichkeit  seiner  N^tij^r- 
schiiderung,  durch  die  Kunst,  mit  der  er  die  verschiedenen  Persönlichkeiten 
seiner  bukolischen  Gedichte  ihren  Charakter  enthüllen  lässt,  die  von  ihm  ge- 
schaffene Dichtungsart  auf  eine  Höhe  gebracht  hat,  auf  der  wir  sie,  wenn  das 
Zusammentreffen  aller  vorhin  genannten  Eigenschaften  in  Frage  kommt ,  seit- 
dem nicht  wieder  finden.  Jetzt  sind  noch  die  übrigen  theokriteischen  Gedichte 
kurz  zu  besprechen. 

Ich  nenne  zunächst  das  1 8.  Idyll ,  das  Hochzeitslied ,  welches  die  spar- 


320  Sechstes  Buch.  VIII.  Die  Bukolik. 

tanischen  Jungfrauen  der  Helena  singen.  Nach  dem  Scholion  bat  Theoknt  fttr 
dieses  Gedicht  das  entsprechende  Werk  des  Stesichoros  benutzt.  Man  hat  mit 
Recht  aus  dem  »alsoa  des  ersten  Verses  geschlossen ,  dass  das  Idyll  bestimmt 
gewesen  sei,  in  ein  anderes  Gedicht  eingefügt  zu  werden ,  das  somit  vielleicht 
selbst  bei  der  Hochzeit  irgend  eines  Freundes  gesungen  werden  sollte.  Das 
48.  Idyll  ist  durch  ein  Gleichniss  von  ganz  orientalischem  Charakter  bemer- 
kenswerth. 

Noch  schöner  und  in  mancher  Hinsicht  die  vollendetsten  theokriteischen 
Gedichte  sind  aber  das  S.  und  das  45. 

Das  2.  Idyll,  die  Giftmischerinnen ,  ist  eins  der  lebhaftesten  und  leiden- 
schaftlichsten poetischen  Erzeugnisse  des  Alterthums.  Es  ist  ein  langer  Mono- 
log. Simaitha,  von  ihrem  Geliebten  Delphis  verlassen,  nimmt  ihre  Zuflucht  zur 
Zauberei,  und  indem  sie  ihrer  Dienerin  Thestylis  Anweisung  über  das  giebt, 
was  zu  tbun  ist,  erzählt  sie  zugleich  die  Geschichte  ihrer  Liebe ,  wie  sie  ent- 
stand, wie  ihre  Wünsche  sich  erfüllten,  und  wie  nachher  Delphis  sie  verlassen 
hat.  Von  Zeit  zu  Zeit  kommt  derselbe  Vers  wieder,  zuerst  die  Beschwörung : 
V.  17    Roir,  0  Kreisel,  und  zieh  in  das  Haus  mir  wieder  den  Jüngling! 

nachher 

V.  69  Sieh',  o  GöUin  Selene,  wober  mir  die  Liebe  gekommen ! 
In  ganz  anderem  Tone  ist  das  15.  Idyll  geschrieben,  die  Syrakusanerinnen 
oder  die  Weiber  beim  Adonisfeste ,  heiter  und  frisch ,  wie  jenes  düster  und 
leidenschaftlich,  nach  dem  Vorbilde  Sophron^s  gearbeitet.  Es  spielt  in  Alexan- 
dria, und  die  Frauen,  welche  in  ihm  auftreten ,  sind  aus  Syrakus  gebürtig. 
Gorgo  holt  die  Praxinoa  ab,  um  das  im  königlichen  Palast  gefeierte  Adonisfest 
zu  sehen.  Zuerst  werden  die  kleinen  Umstände  geschildert,  welche  das 
schnelle  Fortgehen  der  Frauen  verhindern,  dann  kommt  eine  drastische  Schil- 
derung der  Schwierigkeiten  des  Vorwürlskommens  auf  der  gefüllten  Strasse, 
endlich  gelangen  wir  in  den  Palast,  wo  eine  Frau  Aphrodite  und  Adonis  besingt. 
Aus  der  poetischen  Welt,  in  der  wir  uns  bei  diesem  Gesänge  befinden,  werden 
wir  mit  dem  Schlusswort  der  Gorgo  wieder  in  die  prosaische  Wirklichkeit  zu- 
rückgeworfen: 
Y.  445-.U9   Unvergleicblicb I  dies  Weib,  Praxinoa!  Was  sie  nicht  AlJes 

Weiss,  das  glückliche  Weib  I  und  wie  süss  der  Göttlichen  Stimme  I 

Doch  ist  es  Zeit,  dass  ich  geh' ;  Diokleidas  erwartet  das  Essen. 

Bös  ist  er  immer,  und  hungert  ihn  erst,  dann  bleib  ihm  vom  Leibe! 

—  Freue  dich,  lieber  Adonis,  und  kehre  zu  Freudigen  wieder  I 

So  haben  uns  diese  beiden  letzten  Gedichte  die  bewunderungswürdige  Viel- 
seitigkeit Theokrit's  gezeigt. 

Der  zweiten  Lebensperiode  des  Dichters  gehören  zw*ei  lyrische  Gedichte 
an,  welche  in  äolischem  Dialect  und  äolischem  Metrum  geschrieben  sind ,  und 
von  denen  das  zweite  erst  vor  wenig  Jahren  entdeckt  worden  ist:  Idyll  29 

und  30. 

Ebenso  wenig  wie  von  diesen  Gedichten  dürfen  wir  von  zwei  anderen 
ausftlhrlich  sprechen,  Idyll  19  und  23.  Jenes  enthält  ein  Geschtchtchen  aus 
dem  Leben  des  Eros  und  ist,  obschon  recht  niedlich ,  doch  offenbar  unächt ; 
dieses  erzählt,  wie  ein  unglücklich  Liebender  sich  vor  dem  Hause  des  Geliebten 
aufhängt,  und  dieser,  der  nicht  einmal  Trauer  darüber  empfindet,  im  Bade 


BiOD  und  Moscbos.  321 

von  der  Statue  des  Eros,  von  deren  Fussgestell  er  in^s  Wasser  gesprungen 
war,  erschlagen  wird.  Es  ist  nicht  nothwendig  unächt.  Theokrit  brauchte 
nicht  alle  verschmähten  Liebhaber  in  der  Weise  des  dritten  Idylls  auftreten  zu 
lassen. 

Die  bisher  besprochenen  Gedichte  Theokrit's  werden  unter  dem  Titel 
Idyllen,  d.  h.  ideine  Gedichte,  zusammengefasst.  Ausserdem  giebt  es  von  ihm 
eine  Anzahl  Epigramme,  die  in  der  Anthologie  enthalten  sind,  und  ein  Bruche 
stuck  eines  Lobgedichtes  auf  Berenike,  die  Mutter  des  Ptolemaios  Philadelphos. 
Von  den  Elpides,  den  Trauertiedem,  den  Elegien  und  lamben  Theokrit's  ist 
dagegen  nichts  erhalten. 

Mit  Theokrit  werden  als  Bukoliker  gewöhnlich  Bion  und  Moschos  zusam- 
mengestellt, deren  Charakter  jedoch  ein  durchaus  anderer  ist. 

Bion  aus  Smyrna  wird  gewöhnlich  als  Zeitgenosse  Theokrit's  betrachtet, 
doch  lasst  sich  das  nicht  beweisen ;  aber  aus  dem  Trauerliede ,  das  auf  ihn 
Moschos  machte,  geht  hervor,  dass  er  in  Sicilien  lebte  und  eines  gewaltsamen 
Todes  durch  Gift  starb.  Wir  haben  von  ihm  ein  längeres  Gedicht  mit  Refrains : 
das  Klagelied  auf  den  Adonis.  Unter  seinen  übrigen  Weri^en  sind  Bruchstücke 
von  Zwiegesprächen  nicht  ohne  Reiz.  Bion's  Darstellung  ist  viel  rhetorischer, 
seine  Empfindung  weichlicher  als  die  Theokrit's.  Das  erotische  Element  tritt 
bei  ihm  sehr  in  den  Vordergrund.  Bemerkenswerth  ist,  dass  Bion  selbst  von 
Moschos  als  Hirt  bezeichnet  wird.  Das  erinnert  an  die  verkleideten  Hirten  des 
7.  Idylls  Theokrit's.  Und  so  ist  überhaupt  bei  Bion  das  Bukolische  schon  viel 
mehr  eine  angenehme  Maske  geworden,  als  das  bei  Theokiit  der  Fall  war, 
während  andererseits  die-  bukolische  Muse  nunmehr  als  eine  specifisch  sid- 
lische  auftritt. 

Bion  durchaus  ähnlich  ist  der  warme  Verehrer  des  Smymäers ,  Moschos 
aus  Syrakus,  Zeitgenosse  des  berühmten  Kritikers  Aristarchos,  der  um  die 
Mitte  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.  lebte.  Moschos  hat  die  mimische  Einklei- 
dung ganz  aufgegeben,  sein  Streben  ist  vorzugsweise  darauf  gerichtet,  anmu- 
thig  das  Einzelne  auszumalen.  Sein  voUendetstes  Gedicht  ist  unter  den 
grösseren  das  Epos  Europa,  unter  den  kleineren  ist  durch  Gefühl  ausgezeich- 
net das  fünfte,  die  Gegend  am  Meere. 

V.  4«^ld.  Wann  ohn'  Zittern  die  See,  die  umblaute,  sieb  regt  von  den  Lüften, 
Zieht  mich's  im  leisen  Gemüth,  und  fürder  nicht  ist  mir  die  Erde 
Lieb:  Nach  der  breitenden  Tiefe  hinaus  geht  stärker  mein  Sehnen. 
Doch  wann  aufbrüllt  weissllch  der  Abgrund,  schäumend  das  Meer  sieb 
Wölbt  in  die  Krümme  und  los  ist  der  mfichtigen  Wellen  Erbosung,  6 

Flieh'  ich,  den  Blick  auf  das  Land  und  die  Haine  gewendet,  die  Salzfluth, 
Und  nur  freundliche  Erd'  und  Waldesumschattung  gefällt  mir, 
Wo,  auch  im  Toben  der  Winde,  melodisch  die  Pinie  säuselt. 
Elend  lebet  der  Fischer  fürwahr,  dem  Wohnung  der  Nachen, 
Arbeitfeld  ist  die  See  und  die  Fische  betrügliche  Jagd  sind.  4  0 

Mir  sei  unter  des  Ahorns  tiefer  Belaubung  der  Schlaf  süss. 
Und  werth  bleib'  mir's  zu  horchen  aufs  nahe  Geplätscher  des  Quelles, 
Welcher  entrauschend  erfreut,  nicht  wild  aufreget  den  Nachbar. 
Wenn  nun  in  diesen,  mit  Theokrit  immer  zusammen  genannten  Griechen, 
keine  wesentliche  Aebnlichkeit  mit  dem  grossen  Syrakusaner  hervortritt ,  es 
viehnehr  auf  der  Hand  liegt,  dass  bei  ihnen  die  Bukolik  gleichbedeutend  ist 

Holm,  Gesell.  Sioilien«.  11.  21 


TCr^ 


322  Sechstes  Buch.  VIII.  Die  Bukolik. 

mit  sanfter  Poesie  überhaupt,  so  hat  die  spätere  Zeit  um  die  Weite  versucht, 
Theokrit  nachzuahmen,  und  der  von  ihm  gepQanzte  Keim  ist  zu  einem  statt- 
lichen Baume  geworden ,  der  ganz  Europa  überschattet  und  noch  in  neuerer 
Zeit  gar  frische  Zweige  getrieben  hat,  einen  frischesten  in  dem  Vaterlande 
Theokrit's,  zu  welchem  so  die  bukolische  Poesie,  wie  zu  ihrem  Anfange,  zurück- 
gekehrt ist.  Deshalb  werden  ein  paar  kurze  Andeutungen  über  die  weitere 
Entwickelung  dieser  Dichtungsart  hier  nicht  am  unrechten  Platze  sein. 

In  Rom  trat  Vergil  als  Nachahmer  Theokrit^s  auf.  Er  bat  sich  eng  an  ihn 
angeschlossen,  ihn  theilweise  übersetzt,  aber  ihn  nicht  erreicht.  Man  vermissl 
bei  Vergil  das  individuelle  Leben,  welches  die  Figuren  des  Syrakusaners  aus- 
zeichnet. Die  Gestalten  des  römischen  Dichters  sind  mehr  allgemeiner  Art, 
und  wenn  er  sie  dadurch  besonders  zu  individualisiren  gesucht  hat,  da«s  er 
vielfach  unter  der  Maske  der  Hirten  Zeitgenossen  darstellte ,  so  ist  das  nicht 
zum  Vortheile  für  die  Dichtungen  selbst*  gewesen.  Allerdings  bat  er  in  dem 
7.  Idyll  Theokrit's  eine  Berechtigung  dazu  gefunden;  aber  bei  Theokrit  war 
ein  solches  Versteckspielen  eine  Jugendbescbäftigung ,  und  Vei^l  ist  über 
diesen  Standpunkt  nicht  hinausgekommen.  Die  spätere  Zeit  hat  denn  auch 
nicht  verfehlt,  auf  dem  besonders  von  Vergil  gelegten  Fundamente  weiter 
fortzubauen,  und  die  Schäfermaske  ist  eine  der  beliebtesten  Masken  in  Poesie 
und  Leben  geworden.  —  Zur  Zeit  Nero's  hat  dann  wieder  ein  Sicilier,  Calpur- 
nius,  nunmehr  in  römischer  Sprache  Idyllen  geschrieben,  mehr  Vergil  als 
Theokrit  nachahmend;  ihm  folgt  am  Ende  des  3.  Jahrhunderts  Nemesianus. 
Auch  im  späteren  Alterthum  fuhr  die  bukolische  Poesie  fort,  einen  nicht  ge- 
ringen EinQuss  auf  die  gesammte  Empfindungsweise  der  Gebildeten  auszu- 
üben, man  gewöhnte  sich  immer  mehr,  das  Hirtenleben  als  Gegenstück  zu  dem 
verdorbenen  Leben  der  grossen  Welt  zu  betrachten,  und  man  flüchtete  gern 
aus  den  verküustelten  Verhältnissen  des  realen  Lebens  in  die  heiteren  BBgio- 
nen ,  wo  die  Bedürfnisse  gering  sind  und  Jeder  natürlichen  Gefühlen  folgt. 
Nicht  wenig  trägt  zur  Verbreitung  einer  solchen  Auffassung  vom  Hirtenleben 
ein  anderer  Umstand  bei.  Man  dachte  nicht  selten,  dass  Hirtenleben  und  gol- 
denes Zeitalter  identische  Begriffe  seien.  Man  halte  die  richtige  Einsicht,  dass 
das  Hirtenleben  historisch  dem  Leben  des  Ackerbauers  voraufjgegangen  ^7?ar, 
und  indem  man  weiter  die  Meinung  hegte ,  dass  die  Welt,  je  jünger  sie  noch 
war,  desto  besser  gewesen  sei,  fand  man  im  Hirtenleben  eine  vollkommenere 
Stufe  der  Gultur  als  die  gegenwärtige,  und  ward  dadurch  um  so  mehr  veran- 
lasst, in  den  Hirten  unschuldige  und  natürliche  Menschen  zu  sehen  und  dar- 
zustellen. Eine  ähnliche  Anschauung  finden  wir  in  der  ältesten  jüdischen 
Tradition ,  wo  der  fromme  Abel  Hirt,  der  verbrecherische  Kain  Ackerbauer 
ist.  Ein  Beweis  davon,  dass  man  sich  mit  entschiedener  Vorliebe  mit  den  Zu- 
ständen der  Hirtenwelt  beschäftigte,  liegt  darin,  dass  auch  Hirtenromane  ge- 
schrieben wurden,  unter  denen  der  von  Longus  am  berühmtesten  gewor- 
den ist. 

Die  Literatur  der  Franzosen  und  der  Deutschen  kennt  im  Mittelalter  auch 
ländliche  Gedichte,  doch  sind  diese  mehr  lyrischer  Art.  Mit  dem  Wiederauf- 
leben der  klassischen  Literatur  ward  dagegen  auch  die  antike  Bukolik  erneuert 
und  fand  bald  ungemeinen  Beifall.     Es  ward  jetzt  mit  Entschiedenheit  der 


Moderne  Bukolik.  323 

Gesichtspunkt  festgehalten ,  dass  in  diesen  Hirten  und  Schöpferinnen  Figuren 
einer  idealen,  einfacheren  Welt  zu  zeichnen  seien.  An  sich  galten  schon  die 
Formen  und  Anschauungen  des  klassischen  Alterthums  als  die  ideale  Welt,  in 
die  man  sich  aus  der  vielfach  verschnörkelten  und  barbarischen  Gegenwart 
zurückzog  9  und  da  mussten  denn  allerdings  Hirtenmasken ,  die  den  Alten 
selbst  als  etwas  Zierlicheres  gegolten  hatten,  als  was  das  gemeine  Leben  bot, 
in  doppeller  Idealbeleuchtung  strahlend,  auch  in  der  Zeit  der  Renaissance 
ganz  besonders  beliebt  sein.  Von  den  grossen  italienischen  Dichtern  haben  in 
dem  frisch  angeregten  14.  Jahrhundert  Petrarca  und  Boccaccio,  in  der  Zeit  der 
Nachbitlthe  der  Poesie  im  4  6.  Jahrhundert  Torquato  Tasso  Idyllen  in  epischer 
wie  in  dramatischer  Form  geschrieben,  und  Ariosto  hat  nicht  versäumt^  idyl- 
lische Episoden  in  sein  buntes  Epos  aufzunehmen.  Und  so  wie  man  in  jenen 
Zeiten  ,  nicht  zufrieden,  die  Alten  in  der  Yulgärsprache  nachzuahmen,  ihnen 
in  klassischem  Latein  nachzueifern  sich  bemühte ,  so  ist  auch  die  bukolische 
Poesie  in  römischen  Versen  gepflegt  worden.  In  dieser  Gattung  hat  sich  der 
hochbegabte  Neapolitaner  Sanazzaro,  Verehrer  und  Nachahmer  von  Vergil  und 
Theokrit,  besonderen  Ruhm  erworben,  andere  Italiener  derselben  Epoche 
haben  Theokrit  in  lateinische  Verse  übersetzt. 

Die  Vorliebe  für  die  Hirtenpoesie  hat  in  Italien  seitdem  nicht  aufgehört, 
und  sie  hat  sich  mit  der  Renaissance  in  die  übrigen  Lander  Europa^s  verbreitet. 
Spanien,  Frankreich,  England  und  Deutschland  haben  diesen  Einfluss  erfah-. 
ren.  Wie  beliebt  die  Hirtenmasken  waren,  das  hat  sich  in  Italien  am  Ende  des 
47.  Jahrh.  gezeigt,  wo  eine  ganze  Dichterschule  diese  Maske  annahm.  Dies 
Factum  ist  um  so  interessanter ,  da  es  in  mancher  Hinsicht  eine  Erneuerung 
dessen  ist,  was  wir  im  Alterthum  bei  Bion  und  Moschos  sahen,  wo  auch  Hirt 
sein  nicht  bedeutet,  Gedichte  machen,  die  sich  auf  das  Hirtenleben  beziehen, 
sondern  Gedichte  überhaupt,  natürlich  von  einem  bestimmten  Charakter.  So 
war  es  auch  bei  der  Gesellschaft  die  sich  Arcadia  nannte.  Sie  verfolgte  eine 
bestimmte  Tendenz  in  der  Poesie,  und  es  war  eigens  bei  ihr  vorgeschrieben, 
dass  das  Hirtenleben  die  Form  ihrer  gemeinsamen  Thütigkeit  abgeben  musste. 
Mit  Hülfe  dieser  Genossenschaft  hat  dann  das  Hirtenleben  einen  gewaltigen 
Einfluss  auf  die  höheren  Stände  im  17.  und  18.  Jahrhundert  ausgeübt,  wo 
Malerei  und  dramatische  Kunst  um  die  Wette  dazu  verwandt  wurden,  die  ver- 
wöhnte vornehme  Welt  in  eine  künstliche  Einfachheit  des  Landlebens  zurück 
zu  versetzen. 

Wenn  aber  die  Hirtenpoesie  schon  seit  dem  Beginne  der  Wiedergeburt  der 
antiken  Literatur  eine  grosse  Rolle  in  der  gebildeten  Welt  gespielt  hatte ,  so 
nahm  die  Vorliebe  für  sie  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  womöglich 
noch  zu.  Es  war  die  Zeit,  wo  Rückkehr  zur  Natur  überhaupt  die  Parole  des 
Tages  war ,  wo  Rousseau  in  Politik  und  Erziehung  die  Umkehr  zum  Naturzu- 
stande pries  und  man  von  der  Geziertheit  der  italienisch-französischen  Gar- 
tenänlagen  zu  dem  angeblich  natürlicheren  englischen  Garten  sich  wandte.  Es 
war  die  Zeit,  wo  man  anfing,  das  so  sehr  bewunderte  cl  assische  Drama  der 
Franzosen  unnatürlich  zu  finden.  Damals  fand  die  bukolische  Poesie  erst  recht 
Beifall.  So  erklärt  sich  durch  die  Zeitrichtung  der  Jubel,  mit  welchem  die 
Gesner'schen  Idyllen  allgemein  aufgenommen  wurden.    Doch  hat  Gesner,  ob- 

21* 


324  Sechstes  Buch.  VIII.  Die  Bokolik. 

schon  er  Theokril  sehr  hoch  schätzte,  keineswegs  ihn  zu  erreichen  verstanden. 
Gesner  hat  Theokrit's  Wesen  nicht  begriffen,  das  zeigt  die  Art,  wie  er  von  ihm 
redet,  dem  er  eine  »sanfte  Miene  der  Unschuld«  zuschreibt,  in  dessen  Poesie 
er  die  »einfältigen  Empfindungen  eines  unverdorbenen  Herzens«  finden  will. 
Im  Ganzen  stand  solchen  Freunden  Theokrit^s  wie  Gesner  und  unter  den 
Franzosen  besonders  Florian  waren ,  Longus  denn  doch  noch  näher  als  Theo- 
krit  selbst. 

Wir  eilen  zum  Schlusft  dieser  Betrachtung*  Eine  ihrer  schönsten  Blttthen 
hat  die  bukolische  Dichtung  vor  nicht  gar  langer  Zeit  in  ihrer  ursprünglichen 
Heimath  getrieben:  die  Lieder  des  Palermitaners  Giovanni  Meli,  der  von  4740 
— 1815  als  Arzt  ein  dtlrftiges,  doch  an  Ehre  und  Ansehen  hinreichend  erhell- 
tes Leben  führte.    Meli  war  nicht  der  erste  berühmte  Sidlianer ,  der  sich  in 
der  Bukolik  einen  Namen  machte.  Es  hatte  seit  dem  Wiederaufleben  der  Wis- 
senschaften in  Unteritalien  und  Sicilien  nicht  an  bukolischen  Dichtern  gefehlt. 
Aus  Neapel  nannten  wir  bereits  Sanazzaro.  In  Sicilien  war  seit  dem  Ende  des 
16.  Jahrh,  nach  dem  Beispiele  deb  ausgezeichneten  Dichters  Antonio  Vene- 
ziano  aus  Monreale  vorzugsweise  der  heimische  Dialect  für  die  Bukolik  wie  für 
manche  andere  Gattung  der  Poesie  benutzt  worden,  und  es  waren  Hirtenlieder 
in  epischer  und  dramatischer  Form  gedichtet.    So  bediente  sich  auch  Meli  des 
sicilianischen  Dialectes,  und  das  macht  ihn  Theokrit  noch  in  einem  Punkte 
^ehr  ahnlich.    Meli  schildert  in  seinen  Eklogen,  die  er  Jahreszeiten  Ijetitelt, 
und  in  Frühling,  Sommer,  Herbst  und  Winter  eintheilt,  das  Leben  des  sicilia- 
nischen Landvolkes,  besonders  der  Hirten.    Es  herrscht  in  ihnen  eine  anmu- 
thige  Mischung  von  Erzählung  und  Betrachtung,   von  Dialog  und  lyrischem 
Monolog,  und  sie  treffen  so  gut  den  Ton  des  Volks ,  dass  sie  bei  demselben 
ungemein  beliebt  geworden  sind,  und  man  volles  Becht  hat,  Meli  den  moder- 
nen Theokrit  zu  nennen.    Wenn  er  sein  Vorbild  an  Natürlichkeit  und  Schön- 
heit der  Darstellung  erreicht,  so  hat  er  es  allerdings  nicht  an  Kraft  der  Lei- 
denschaft erreichen  können :  dazu  war  seine  Natur  eine  zu  milde,  und  andere 
Gedichte  Meli's  haben  ihm  den  Namen  eines  sicilischen  Anakreon  versdiafit. 
Von  dem,  was  er  ausser  den  Idyllen  geschrieben  hat,  kann  hier  nur  in  einem 
Punkte  die  Bede  sein,  weil  dieser  Punkt  ihn  wiederum  dem  Theokrit  ähnlich 
zeigt.  Er  ist  sein  und  des  alten  Sophron  Nachfolger  im  Mimus  geworden ;  seine 
»Palermitanerinnen  beim  Festea  erinnern  an  die  scherzhaften  Theile  der  theo- 
kriteischen  Syrakusanerinnen  beim  Adonisfeste ,  wie  ja  dieses  Gedicht  selbst 
durch  ein  Gedicht  des  Sophron  veranlasst  worden  war.    Uns  Deutschen  hat, 
nachdem  schon  Goethe  auf  Meli  aufmerksam  gemacht  hatte,   F.  Gregorovius 
die  vorzüglichsten  seiner  l^ieder  durch  eine  treffliche  Uebersetzung  zugänglich 
gemacht. 

So  möge  denn  Meli  am  Schlüsse  dieser  kurzen  Uebersicht  der  Bukolik 
stehen  bleiben  und  nur  von  fern  darauf  hingewiesen  werden ,  dass  man  nicht 
mit  Unrecht  manche  Aehnlichkeit  zwischen  Theokrit  und  unserm  allemanni- 
schen  Hebel  gefunden  hat.  Sicilien  schuf  die  Bukolik ,  zu  ihrem  Vaterlande 
ist  die  i»sicilische  Muse«  wieder  zurückgekehrt 


326 


Neuntes  EapiteL 
Die  Kunst  In  derselben  Zeit. 

Wie  die  Literatur ,  so  bltlhte  auch  die  Kunst  unter  Hieron  II.  Diodor  be^ 
zeichoei  selbst  einige  Denkmaler  in  Syrakus  und  besonders  in  Agyrion  als 
dieser  Zeit  angehörig,  von  denen  wenigstens  eines  alsbald  besprochen  werden 
wird.  Vor  allem  darf  jedoch  ein  Bauwerk  in  Syrakus ,  das  Diodor  zwar  bei 
derselben  Gelegenheit  erwähnt,  jedoch  nicht  ausdrücklich  dieser  Zeit  zu- 
schreibt, und  das  in  der  That  nicht  in  einem,  sondern  in  vielen  Jahrhunderten 
entstand ,  hier  besprochen  werden .  weil  es  ohne  Zweifel  in  eben  dieser  Zeit 
das  glänzendste  Gewand  getragen  hat ,  und  weil  es  überdies  Inschriften  ent- 
hält ,  welche  der  Zeit  Hieron^s  II.  angehören :  das  Theater.  Es  liegt  in  der 
Neapolis,  da  wo  deren  obere  und  untere  Terrasse  sieh  berühren.  Von  seinen 
oberen  Sitzen  schweift  der  Blick  über  die  Ebene  von  Syrakus,  die  vom  Anapos 
und  der  Kyane  durchflössen  ist,  und  die,  einst  mit  prächtigen  Gebäuden  be- 
deckt ,  jetzt  nur  durch  das  angenehme  Grün  der  Baumpflanzungen  und  Kü- 
chengewächse das  Auge  erfreut;  weiterhin  blinkt  der  grosse  Hafen,  von  Or- 
tygia  und  dem  Plemmyrion  abgeschlossen,  und  den  Horizont  fassen  rechts 
Berge,  links  das  ewige  Meer  ein.  Wenn  das  Becken  des  grossen  Hafens  als  der 
Schöpfer  des  Reichthums  von  Syrakus,  und  Ortygia  als  der  eigentliche  Wohnsitz 
der  Syrakusaner  betrachtet  werden  muss,  so  hatte  das  im  Theater  versam- 
melte Volk  den  Ursprung  und  den  Sitz  seiner  Macht  vor  Augen  und  mag  nicht 
selten  von  da  mit  Angst  auf  die  feindlichen  Flotten  geblickt  haben,  die  so  oft 
den  grossen  Hafen  füllten. 

Die  Sitze  des  Theaters  sind  in  den  Felsen  gehauen ;  sie  bilden  einen  in 
gerader  Linie  verlängerten  Halbkreis.  Von  unten  nach  oben  theilen  acht 
Treppen  den  Zuschauerraum  in  neun  Keile ;  die  Zahl  der  vorhandenen  Sitz- 
reihen ist  46.  Diese  Sitzreihen  sind  nur  durch  einen  einzigen  Gapg  unterbro- 
chen, welcher  auf  die  24.  Sitzreihe,  von  unten  gerechnet,  folgt;  doch  tritt 
schon  nach  der  11.  Sitzreihe  eine  höhere  Mauer  ein,  welche  die  12.  Reihe 
trägt.  Die  eilf  unteren  Reihen  waren,  wie  Spuren  bewiesen  haben,  mit 
weissem  Marmor  belegt.  Allerdings  ist  noch  an  einer  Stelle  in  dem  Theile, 
weicher  die  12.  bis  24.  Reihe  umfasst,  ein  breiterer  Raum  vorhanden,  der 
als  Umgang  gedient  haben  könnte,  aber  nach  vorhandenen  Anhaltspunkten 
ist  man  mit  Recht  der  Ansicht ,  dass  hier  vielmehr  eine  Sitzreihe,  die  16., 
fehlt.  Auf  dem  Sitze  unterhalb  der  Präcinction  ist  Raum  für  die  Einfügung 
einer  Lehne  vorhanden :  an  der  Präcinctionsmauer  befinden  sich  viele  vier- 
eckige  und  kreisförmige  Löcher,  wahrscheinlich  für  die  Balken  bestimmt, 
welche  das  leinene  Dach  trugen.  Die  Präcinction  wird  umschlossen  von  einer 
neun  Palm  hohen  Mauer«,  Diese  war  mit  griechischen  Inschriften  aus  der 
Zeit  Hieron^s  IL  geschmückt ,  von  denen  für  jeden  Keil  eine  vorhanden  war. 
Sie  sollten  eine  Benennung  des  gesammten  Keiles  sein,  damit  diejenigen, 
welchen  in  diesem  Theile  ein  Sitz  angewiesen  war,  ihn  desto  leichter  finden 


326  Sechstes  Buch.  IX.  Die  Kunst  in  derselben  Zeit. 

könnten.  Ausserdem  war  eine  solche  Benennung  eine  Ebre  für  den ,  dessen 
Name  in  dieser  Weise  verwandt  wurde.  In  der  Mitte  befand  sich  die  Be- 
zeichnung »des  Olympischen  Zeus«,  nach  rechts  hat  man  »der  Königin  Philistisc 
und  »der  Königin  Nereis«  gelesen.  Die  übrigen  Inschriften  sind  nur  unvoll- 
kommen oder  gar  nicht  mehr  erhalten. 

Wtlrde  nun  das  Theater  nur  die  46  Sitzreihen  umfasst  haben,  die  jetzt 
sichtbar  sind,  so  zahlte  es  noch  nicht  zu  den  grössten  vorhandenen,  und  doch 
hat  Cicero  es  in  seiner  Beschreibung  als  sehr  gross  bezeichnet.  Es  ist  indessen 
aller  Grund  vorhanden ,  es  noch  weiter  auszudehnen.  Im  Nordwesten  sind 
oberhalb  des  Theaters  zwei  Stufen  gefunden  worden,  welche  sich  vollkommen 
in  der  Richtung  einer  der  Treppen  beBnden.  Indem  es  nun  höchst  wahr- 
scheinlich ist,  dass  die  Treppe  und  somit  auch  das  Theater  sich  bis  hierher 
erstreckte,  findet  sich  auch  nach  den  anderen  Seiten  nichts,  was  dieser  An- 
nahme widerspräche,  und  so  dürfen  wir  eine  um  so  viel  grössere  Ausdehnung 
der  Sitzreihen  annehmen.  Wir  erhalten  dann,  statt  46  Sitzreihen,  deren  63; 
der  Durchmesser  des  Theaters  steigt  auf  etwas  mehr  als  500  palmi,  und  so 
wird  wirklich  das  Theater  das  grösste  in  Sicilien  und  eines  der  grössten  über- 
haupt. Wir  müssen  noch  erwähnen ,  dass  unter  den  unteren  Sitzreihen  sich 
parallel  der  Bühnenwand  gewölbte  Gänge  hinziehen ,  welche  sich  in  die  Or- 
chestra  öffnen. 

Das  Theater  von  Syrakus  kommt  mehrfach  in  der  Geschichte  der  Stadt 
vor.  Man  braucht  nicht  zu  zweifeln,  dass  das  Theater,  das  Demokopos  Myrilla 
baute,  das  Theater,  auf  dem  die  Stücke  des  Aischylos  und  Epicharmos  aufge- 
führt wurden,  dasselbe  war,  das  wir  noch  sehen,  nur  kleiner,  aus  den  unter- 
sten Sitzreihen  bestehend.  Dass  später  das  Volk  von  Syrakus  hier  die  so  be- 
liebten Stücke  des  Euripides  gehört  hat  und  sich  hier  auch  wohl  hat  von 
Dionys  ergötzen  oder  vielmehr  langw*eilen  lassen,  ist  ebenfalls  klar.  Als  Dionys 
aus  Gela  plötzlich  nach  Syrakus  zurückkehrte,  war  gerade  Aufführung  im 
Theater  gewesen,  und  das  Volk  strömte  von  da  nach  Hause.  Aber  nicht 
nur  als  Ort  der  Schauspiele  kommt  das  Theater  von  Syrakus  vor;  auch  als 
Ort  der  Volksversammlungen :  in  der  Geschichte  des  Dion ,  wo  ein  Ochse  die 
im  Theater  zur  Wahl  von  Feldherren  Versammelten  auseinandertreibt,  in  der 
Geschichte  des  Agathokles,  der  nach  Justin  das  Volk  in^s  Theater  zusammen 
berief,  endlich,  und  vor  allen  Dingen,  in  der  Geschichte  des  Timoieon.  Und 
da  wird  sich  an  das  Theater  von  Syrakus  stets  die  Erinnerung  der  Scene 
knüpfen,  wie  Timoieon,  wenn  ein  wichtiger  Beschluss  zu  fassen  war,  auf  den 
Wunsch  des  Volkes  von  seinem  Landgute  über  den  Markt  in  das  Theater 
fuhr ,  vom  Beifall  des  Volkes  empfangen ,  wie  er  dann  seinen  Rath  ertheilte 
und  schliesslich  die  Diener  den  Wagen  dem  Ausgang  des  Theaters  zulenk- 
ten. Auf  den  Tod  des  Mamerkos  im  Theater  brauche  ich  nur  kurz  hinzu- 
weisen. 

Die  Ueberreste  des  Bühnengebäudes  gehören  der  römischen  Zeit  an. 

Es  war  ein  dreifacher  Zugang  zum  Theater  möglich :  unten ,  auf  dem 
Niveau  der  Bühne,  weiter  oben,  im  Niveau  der  grossen  PräcLnction,  endlich  in 
der  Höhe  der  obersteh  Sitzreihen.  Letzterer  Zugang  ward  zum  Theil  durch 
Stufen,  zum  Theil  durch  die  Gräberstrasse  vermittelt,  welche  wir  noch  jetzt 


Umgebung  des  Theaters.  327 

verfolgen  können,  und  die  in  gewundener  Linie  von  der  obersten  Terrasse  der 
Neapolis  zum  Theater  führte. 

Das  syrakusanische  Theater  ist  erat  in  diesem  Jahrhundert  vollkommen 
von  allen  spätem  Einbauten  befreit  worden.  Bis  dahin  ergoss  sich  über  die 
Sitzstufen  ein  Wasserfall  aus  einer  Leitung,  die  eine  Mtihle  trieb ;  jetzt  ist  das 
Wasser,  das  aus  den  oberhalb  des  Theaters  befindlichen  Grotten  hervorkommt, 
seitwärts  abgeleitet. 

Auch  die  Umgegend  des  Theaters  wird  zur  Zeit  Hieron's  ungefähr  die  Ge- 
stalt gewonnen  haben,  in  der  w^ir  sie  jetzt  sehen.  Erwähnt  ist  schon  die  Grä- 
berstrasse ,  die  von  Westen  her  kommt ;  eine  Abzweigung  derselben  nach 
Osten  enthielt  nach  Serradifalco  das  temenitische  Thor,  welches  sich  jedenfalls 
in  dieser  Gegend  befand.  Die  Wand  unmittelbar  hinter  dem  Theater  ist  eine 
stehen  gebliebene  Seite  der  Fortsetzung  der  erwähnten  Gräberstrasse.  In  . 
nächster  Nähe  des  Theaters  befindet  sich  die  sogenannte  Latomie  des  Para- 
dieses, deren  nordwestliche  Ecke,  diejenige,  welche  unmittelbar  an  das  Theater 
stösst,  sich  in  dem  gewundenen  Gange  fortsetzt,  den  man  seit  dem  47.  Jahrh. 
das  Ohr  des  Dionys  nennt.  Dieser  Gang  hat  die  Form  eines  S,  seine  Länge 
beträgt  2Si  palmi,  seine  Höhe  80  p.,  seine  Breite  ist  am  Anfang  25  p.,  in  der 
Mitte  erweitert  sie  sich  zu  66  p.,  um  zuletzt  wieder  auf  28  p.  zu  kommen. 
Die  Wände  gehen  nach  oben  zusammen,  wo  sie  jedoch  nicht  in  spitzem  Winkel 
auf  einander  stossen,  sondern  einen  schmalen  horizontalen  Streifen  Decke  zwi- 
schen sich  lassen.  Da  wo  das  Ohr  mit  einer  verticalen  Wand  aufhört,  setzt 
sich  der  obere  Canal  noch  45  p.  fort  und  führt  in  eine  erst  in  diesem  Jahrhun- 
dert entdeckte  offene  Kammer,  zu  der  allerdings  das  Geräusch,  welches  in  der 
Grotte  gemacht  wurde ,  dringen  musste.  Nach  dem  Plane  der  Umgegend  des 
Theaters  bei  Serradifalco,  Tafel  16,  liegt  das  Zimmer,  in  welches  der  Canal 
aus  dem  Ohre  des  Dionys  mündet,  gerade  hinter  der  Mitte  des  Zuschauerrau- 
mes des  Theaters ;  eine  von  der  Mitte  der  Bühnenwand  über  die  cavea  gezo- 
gene senkrechte  Linie  trifft  es.  Daraus  ist  natürlich  nicht  zu  schliessen,  dass 
der  Abb^  Chaupy  recht  hatte,  wenn  er  meinte,  dass  das  Ohr  des  Dionys  nur 
dazu  gedient  habe,  um  in  besonderen  Fällen  eine  Verstärkung  des  Schalles  im 
Theater  hervorzubringen,  da  nicht  einzusehen  ist,  in  welcher  Weise  dies  mög- 
lich gewesen  wäre;  aber  merkwürdig  ist  die  Thatsache,  aus  der  zunächst 
nur  der  Schluss  zu  ziehen  sein  wird,  dass  sich  oberhalb  des  Zimmers  ein 
Gebäude  befand ,  welches  durch  seine  Grösse  und  sein  Aussehen  so  sehr  die 
nebenstehenden  beherrschte ,  dass  es  für  den  von  der  Bühne  her  Blicken- 
den einen  angemessenen  Schmuck  der  Mitte  bildete,  und  von  wo  man  ande- 
rerseits einen  vollkommen  centralen  Blick  auf  die  Bühne  hatte.  Hiemach  ist 
nicht  zu  bezweifeln,  dass  dort  ein  Palast  der  Tyrannen  lag.  An  sich  wird  die 
Annahme  nicht  von  der  Hand  gewiesen  werden  können ,  dass  z.  B.  Dionys, 
wenn  er  in  Perioden  der  Furcht,  wie  sie  bei  ihm  häufig  vorkommen  mussten, 
den  Besuch  des  Theaters  nicht  ganz  unterlassen  wollte,  einen  Ort  haben 
musste,  wo  er  in  Sicherheit  den  theatralischen  Aufführungen  beiwohnen 
konnte;  diesen  Ort  gewinnen  wir,  wenn  wir  hier  einen  Palast  annehmen. 
Dass  der  Schall  des  auf  der  Bühne  Gesprochenen  bis  dahin  dringen  konnte,  ist 
nicht  zu  bezweifeln ;  dass  man  auf  den  obersten  Beihen  vortrefflich  hört,  was 


328  Sechstes  Buch.  IX,  Die  Kunst  in  derselben  Zeit. 

auf  der  Bühne  mit  massiger  Stimme  gesprochen  wird,  kann  ich  selbst  beten- 
gen.  Aus  dem  Vorhergehenden  wird  übrigens  für  die  Ansicht  eine  Bestätigung 
zu  entnehmen  sein ,  dass  das  Ohr  des  Dionys  wirklich  ein  Gefifngniss  war, 
worauf  auch  die  in  demselben  gefundenen  eisernen  Klammern  hindeuten^  und 
es  bliebe  immer  noch  tu  untersuchen ,  ob  nicht  Michel  Angelo  von  Garavaggio 
wenigstens  darin  das  richtige  getroffen  hat ,  dass  man  in  jener  Kammer  hören 
kann ,  was  im  Ohre  gesprochen  wird.  Sollte  dies  aber  wirklich  der  Fall  ge- 
-wesen  sein ,  so  würde  daraus  immer  noch  nicht  folgen ,  dass  die  Grotte  zu 
diesem  Zwecke  «ausgehöhlt  worden  ist.  Die  Form  des  Durchschnittes  ergiebt 
sich  aus  der  Natur  des  Gesteins.  Man  hat  bemerkt,  dass  in  den  Latomien  die 
Felsen  immer  so  weggehauen  worden  sind.  Die  Windungen  aber  sind  offenbar 
ebenfalls  so  gemacht  worden ,  wie  die  grössere  oder  geringere  Weiche  des 
Steins  ein  Arbeiten  gestattete. 

Jenseits  des  Weges ,  der  von  der  Insel  zum  Theater  führt ,  und  zwar  in 
der  Nähe  des  Amphitheaters ,  finden  wir  ein  Monument ,  das  nach  dem  aus- 
drücklichen Zeugnisse  Diodor^s  von  Hieron  II.  stammt:  der  grosse  Altar,  ein 
Stadion  lang  und  von  entsprechender  Breite  und  Hdhe.  Seine  Ueberreste  sind 
im  Jahre  1839  vollständig  aufgedeckt  worden.  Seine  Länge  beträgt  768.2 
pal.,  die  Breite  89. i.  Auf  drei  Stufen  erhebt  sich  die  gegliederte  Basis,  welche 
den  Altar  trägt.  Von  dem  Oberbau  ist  nichts  erhalten  als  Bruchstücke  der 
Triglyphen  des  Frieses ,  Stücke  eines  dorischen  Gesimses  mit  Löwenköpfen, 
der  obere  Theil  einer  vermauerten  Thür ,  das  Kapital  eines  Pilasters  und  ein 
verstümmelter  Adler.  Nach  den  Nachrichten ,  die  Pausanias  über  den  Altar 
des  Zeus  in  Olympia  giebt,  ist  p.  116  des  4.  Bandes  von  Serradifaico  eine 
Restauration  des  Altars  versucht  worden ,  wonach  er  aus  zwei  Absätzen  und 
einer  auf  dem  zweiten  befindlichen  Erhöhung  nach  Art  eines  gewöhnlichen 
Altars  bestand.  Grösser  als  dieser  Altar  war  wohl  nur  der  von  Parion  gewe- 
sen, der  in  jeder  Richtung  ein  Stadion  mass.  Wenn  man  sich  erinnert ,  dass 
schon  nach  der  Vertreibung  des  Thrasybulos  die  Syrakusaner  beschlossen, 
dass  zur  Erinnerung  an  die  Befreiung  der  Stadt  jährlich  eine  Hekatombe  von 
450  Ochsen  geschlachtet  werden  sollte,  wird  man  einen  Altar,  wie  der  Hie- 
ron^s  II.  war ,  nicht  für  zu  gross  für  Syrakus  halten ,  das  seit  den  Zeiten  des 
Thrasybulos  an  Grösse  und  besonders  an  Glanz  ungemein  zugenommen  hatte. 

Jetzt  hat  uns  ein  Monument  zu  beschäftigen ,  das  weitab  von  den  soeben 
beschriebenen  liegt  und  jedenfalls  schon  aus  der  Zeit  vor  Hieron  II.  stammt, 
das  Schloss  auf  der  Höhe  von  Epipolae,  dem  wir  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
den  Namen  Euryelos  zu  geben  haben. 

An  der  Spitze  des  Dreiecks,  welches  Epipolae  bildet,  liegt  diese  Festung 
als  Abschluss  und  Vereinigungspunkt  der  Vertheidigungswerke  dieses  Theiles 
der  Stadt.  Was  davon  noch  übrig  ist,  ist  folgendes.  Wenn  wir  den  Ueberre- 
sten  der  Südmauer  von  Epipolae  nachgehen,  kommen  wir  zu  einem  vierecki- 
gen Thurme,  an  den  sich  nach  Westen  zu  ein  Mauerstück  von  940  pal.  Länge 
anschliesst.  An  seinem  Ende  steht  wieder  ein  viereckiger  Thurm ,  und  mit 
diesem  beginnt  die  eigentliche  Festung.  Zunächst  ziehen  sich  von  hier  zwei 
Mauern  fast  in  derselben  Richtung  wie  bisher  weiter ,  die  eine  sOdlidi ,  die 
andere  nördlich;    diese  sollte  weiterhin  sich  mit  der  Mauer  des  inneren 


Festung  auf  Epipolae.  329 

Schlosses  vereinigen,  aber  es  fehlt  das  letzte  Stück;  jene  dagegen  schliesst 
sich  wirklich  an  ein  von  Ost  nach  Westen  siehendes  GebSude  an,  das  von 
Serradifalco  als  Hof  bezeichnet  wird.     Unter  seiner  stidlichen  Mauer  ist  ein 
breiter  Graben.    Seine  Westseite  ist  durch  vier  kräftig  hervortretende  Mauer- 
stücke  beschützt,  doch  zieht  sich  die  Südmauer  noch  weiter,  bis  an  den  Rand 
eines  von  Nord  nach  Süd  ziehenden  tiefen  Grabens ,  der  in  den  Fels  gehauen 
ist.    Parallel  mit  diesem  Graben  läuft  im  Felsen  an  der  Castellseite  ein  unter- 
irdischer Gang  mit  einer  Reihe  von  Oeffnungen  nach  dem  Gange  zu.    An  der 
Nordostecke  des  zuletzt  beschriebenen  Grabens  biegt  der  Gang  nach  Osten 
parallel  mit  der  Nordmauer  des  sogenannten  Hofes  ab  und  wendet  sich  dann 
nördlich  unter  einen  andern  Theil  der  Festung,  von  dem  noch  einige  Mauern 
erhalten  sind.    Hin  und  wieder  befinden  sich  in  der  Decke  des  Ganges  Stufen, 
welche  auf  die  Oberflache  führen.    Das  zuletzt  erwähnte  Festungsstück  liegt 
schon  am  Nordrande  von  Epipolae  und  schliesst  sich  an  die  Nordmauer  an. 
Dass  die  beiden  Stücke,  das  zuletzt  genannte  und  der  sogenannte  Hof,  durch 
Mauern  mit  einander  in  Verbindung  standen,   ist  durch  Reste  nachweisbar. 
Wie  steht  es  nun  aber  mit  dem  Gange?    Nach  Serradifalco,  p.  452,  befand  er 
sich  grOsstentheils  ausserhalb  des  Castells,    und  die  Treppen  an  der  Decke 
dienten  dazu,  dass  die  im  Innern  befindlichen  Vertheidiger  auf  die  Oberfläche 
hinaufstiegen ,  um  die  vor  der  Festung  lagernden  Feinde  anzugreifen.    Das  ist 
aus  zwei  Gründen  unwahrscheinlich.     Erstens,  weil  ein  solches  Mandver  wohl 
einmal  gelingen  konnte,  aber  öfter  nicht.    Waren  einmal  Feinde  aus  der  Erde 
hervorgebrochen ,  so  wusste  man  die  Wiederkehr  solcher  Angriffe  zu  verhin- 
dern,  indem  man  die  Oeifnungen  entweder  verstopfte  oder  selbst  in  sie  hin- 
abstieg. Zweitens  lässt  die  Gestaltung  des  Bodens,  wie  er  sich  aus  der  Gaval* 
lari'sehen  Karte  ergiebt,  den  Gedanken  nicht  zu,  dass  das  Terrain ,  unter  dem 
sich  dieser  Gang  hinzieht,  ausserhalb  der  Festung  war.  Der  westliche  Graben, 
in  den  die  Oeffnungen  des  Ganges  münden,  hat  sich  ohne  Zweifel,  nach  einer 
Falte  des  Terrains  zu  urtheiten,  noch  weiter  nach  Norden  erstreckt,  und  alles 
im  Osten  davon  liegende  war  Festungsraum.    So  haben  die  Oeffnungen  in  der 
Decke  vielmehr  dazu  gedient,  dass,  wenn  Feinde  aus  dem  Festungsgraben  in 
den  Gang   gedrungen  waren,    die  Vertheidiger  sie   von  oben  her   überfal- 
len konnten.    Der  mehrerwähnte  westliche  Graben  war  aber  noch  nicht  der 
äusserste.    Westlich  von  ihm  war  noch  ein  anderer,  aber  das  Stück  zwischen 
beiden  diente  allerdings  nur  als  Aussenfort.     Es  war  mit  der  Hauptfestung 
durch  eine  Zugbrücke  verbunden ,  für  welche  in  dem  Graben  noch  ein  milch- 
tiger  Pfeiler  vorhanden  ist.    So  war  die  Weslspitze  von  Syrakus  gegen  feind- 
liche Angriffe  geschützt. 

Wahrscheinlich  stammt  die  Festung,  die  ich  bei  Gelegenheit  anderer  sy- 
rakusanischen  Bauwerke  besprochen  habe,  von  Dionys  dem  Aelteren  her,  der 
ja  Syrakus  durch  die  Befestigung  von  Epipolae  zu  einem  Waffenplatz  ersten 
Ranges  gemacht  hat. 

Mit  Sicherheit  ist  nichts  noch  in  den  übrigen  sicilischen  Städten  Vorhan- 
denes dieser  Periode  zuzuschreiben ;  manches  in  Akragas  befindliche  ^  wie 
Kapelle  des  Phalaris ,  Grab  Theron's ,  wird  eher  der  römischen  Epoche  zu- 
zutheilen  sein.   Von  dem  Tempel  von  Segesta,  der  nach  meiner  Ansicht  erst 


330  Sechstes  Buch.  IX.  Die  Kunst  in  derselben  Zeit. 

dem  4.  Jahrb.  v.  Chr.  angehört,  habe  ich  bereits  im  ersten  Bande  (S.  303} 
gesprochen.  Es  wird  nicht  möglich  sein,  alle  Tempel  chronologisch  so  zu  ord- 
nen, dass  der  mit  geraderem  Echinus,  wo  er  auch  erbaut  sein  mag,  immer  der 
spätere  ist.  Wie  im  Mittelalter  provinciale  Schulen  in  der  Architektur  sichtbar 
sind,  so  wird  es  auch  im  Alterthum  gewesen  sein,  und  wenn  der  Tempel  von 
Segesta  einen  mehr  geschwungenen  Echinus  hat  als  z.  B.  der  Parthenon ,  ist 
es  darum  doch  nicht  sicher,  dass  er  vor  dent Parthenon  erbaut  wurde. 

Die  Stempelschneidekunst  der  Hieronischen  Zeit  ist  besonders  durch  die 
immer  noch  schönen  PhilistismUnzen  vertreten. 

Nachdem  wir  so  auch  die  Cuitur  Siciliens  in  der  Periode,  welche  uns  be- 
schäftigt» nach  den  vorhandenen  Ueberresten  in  Literatur  und  Kunst  geschil- 
dert haben,  wird  es  gestattet  sein,  wie  wir  einen  Rückblick  auf  die  politische 
EntWickelung  der  Insel  geworfen  haben,  so  auch  den  Ergebnissen,  welche  die 
Betrachtung  ihrer  geistigen  Entwickelung  aufweist,  Ausdruck  zu  verleihen. 

Jeder  Erfolg  auf  geistigem  Gebiete  hängt  bei  Einzelnen  wie  bei  Völkern 
von  zwei  Factoren  ab,  von  den  vorhandenen  Anlagen  und  von  den  Umstän- 
den, die,  günstig  oder  ungünstig,  die  Anlage  entwickeln  helfen  oder  hemmen. 
Bei  Völkern ,  wie  das  sicilische,  ist  die  Anlage  wieder  durch  die  Herkunft  der 
Bestandtheile  des  Volkes  bedingt.  Unter  diesen  Bestandtheilen  wird  stets  einer 
überwiegen,  das  sehen  wir  in  der  Geschichte  der  modernen  Völker.  Das 
Wesen  der  Engländer  ist  durchaus  bestimmt  durch  ihr  angelsächsisches  Ele- 
ment, und  noch  auffallender  ist  die  Thatsache,  dass,  mögen  die  Franzosen  sich 
noch  so  sehr  für  Romanen,  und  in  vielen  BeziehungAi  mit  Recht,  halten,  den- 
noch ihr  Nationalcharakter  noch  jetzt  durch  die  Schilderung,  welche  Caesar 
von  den  Galliern  giebt,  am  besten  definirt  wird.  In  Sicilien  ist  das  griechische 
Element  das  bestimmende  gewesen,  aber  der  griechische  Charakter  hat  einige 
Modificationen  erfahren,  die  in  der  Literatur  und  auch  in  der  Kunst  nicht  un- 
deutlich hei*vortreten.  Wir  haben  sie  an  Stesichoros,  Empedokles  und  Gorgias 
bemerkt:  die  Neigung  zum  Grossartigen ,  Wohltönenden  im  Ausdruck,  zum 
Geistreichen,  Witzigen  im  Gedanken.  Derselbe  Charakter  zeigt  sich  am  Ende 
des  5.  Jahrhunderts  in  der  Begeisterung,  welche  auf  der  Insel  für  die  Dramen 
des  Euripides  herrscht,  und  am  Anfange  des  dritten  in  den  Eigenthümlich- 
keiten  der  Prosa  des  Timaios ,  die  uns  durch  Citate  der  Alten  hinlänglich  be- 
kannt sind.  Die  Schöpfung  der  Komödie  und  des  Mimus  ist  ein  Ausfluss  we- 
nigstens des  einen  Charakterzuges ,  der  Liebe  zur  lebhaften  Geistesthätigkeit. 
Und  schliesslich  treten  dieselben  Besonderheiten  als  Gharakterzüge  des  sicilia- 
nischen  Volkes  hervor,  wie  Cicero  es  schildert,  wo  auf  das  Geistreiche,  Witzige 
der  Hauptnachdruck  gelegt  ist.  Etwas  neues  bringt  Theokrit,  die  Einführung 
der  Volkspoesie  in  die  Literatur,  indem  er  dabei  in  vielen  Punkten  doch  an 
frühere  Kunstschöpfungen  des  sicilischen  Geistes  anknüpft. 

In  der  bildenden  Kunst,  von  der  uns  so  wenig  erhalten  ist,  wird  es  natürlich 
schwerer,  die  für  die  sicilische  Literatur  nachgewiesenen  charakteristischen 
Eigenthümlichkeiten  ebenfalls  nachzuweisen ,  und  ich  kann  nur  darauf  hin- 
deuten, dass  die  Stadt  und  die  Zeit,  welche  Empedokles  hervorbrachte,  auch 
den  grossen  Zeustempel  geschaffen  hat,  an  dem  ebensowohl  das  Kolossale  der 


Geistige     Entwickelung  Siciliens.  33t 

Masse,  wie  die  Anbringung  des  Schmuckes  in  einer  sonst  in  dorischen  Tem- 
peln sich  nicht  findenden  Weise,  und  endlich  die  Eigenthümlichkeit  des  ganzen 
Gedankens  eines  so.  riesigen  Pseudoperipieros  bemerkenswerth  ist.  Grösse, 
Pracht  und  Dunkelheit,  das  gilt  alles  ebenso  gut  von  dem  Gedichte  des  £m- 
pedokles,  wie  von  dem  Tempel  des  Zeus  Olympios  zu  Akragas.  Für  Sicitien  ist 
die  Anwendung  der  Kunst  auf  das  Leben  in  der  Ausprägung  der  schönsten 
Münzen  charakteristisch.  Das  lässt  sich  mit  der  Herkunft  der  Sophistik  aus 
Sicilien  zusammenstellen,  die  es  sich  ebenfalls  zur  Aufgabe  gemacht  hatte,  im 
gewöhnlichen  Leben  und  zum  Nutzen  des  täglichen  Verkehrs  zu  zeigen,  wes- 
sen der  menschliche  Geist  fähig  sei. 

Wenn  die  vorhergehenden  Andeutungen  über  das  Charakteristische  der 
Cultur  Siciliens  höchst  fragmentarisch  sind,  so  liegt  die  Schuld,  abgesehen 
davon,  dass  hier  überhaupt  nur  Andeutungen  gegeben  werden  sollen,  an  zwei 
Umständen:  an  der  Mangelhaftigkeit  der  Ueberlieferung,  die  uns  z.  B.  von 
der  Sculptur  Siciliens  nach  den  selinuntischen  Metopen  aus  der  griechischen 
Zeit  so  gut  wie  nichts  erhalten  hat,  und  an  den  Schicksalen,  welche  Sicilien 
im  Alterthum  zu  bestehen  hatte,  und  die  ihm  weniger  als  vielleicht  irgend 
einem  Lande,  wo  griechisch  oder  römisch  gesprochen  wurde,  eine  ruhige  Ent- 
wickelung gegönnt  haben.  Und  hiermit  kommen  wir  auf  den  zweiten  der 
oben  berührten  Punkte,  auf  den  Einfluss  der  äusseren  Umstände. 

Es  sind  gewisse  Bedingungen  nothwendig,  wenn  eine  geistige  Entwicke- 
lung in  einem  Volke  überhaupt  stattfinden  soll. .Diese  Bedingungen  lassen  sich 
kurz  so  ausdrücken,  dass  es  an  Anregungen  zu  geistigem  Schaffen  nicht  fehlen 
darf,  dass  aber  andererseits  auch  die  nöthige  Ruhe  und  Unabhängigkeit  dem 
Geiste  gegönnt  sein  muss,  jene  Anregungen  zu  Schöpfungen  zu  benutzen. 
Beständige  Ruhe  erschlafft  den  Geist  und  hindert  ihn,  zu  Grossem  zu  gelan- 
gen ;  beständige  Kämpfe  nehmen  die  Kräfte  des  Geistes  in  einseitiger  Weise 
in  Anspruch  und  hindern  ihn, ebenfalls,  sich  an  freie  Schöpfungen  zu  wagen. 
Es  sind  also  Perioden  des  Krieges  und  des  Friedens ,  Perioden  der  Aufregung 
und  der  Erholung  in  ihrer  Abwechselung  durchaus  dem  Gedeihen  der  Cultur 
förderlich.  Aber  es  darf  auch  die  zw^eite  Bedingung  für  das  künstlerische 
Schaffen  nicht  fehlen,  die  geistige  Unabhängigkeit  der  Künstler,  mögen  es  nun 
Dichter  oder  Bildhauer  oder  Maler  sein.  Ohne  bürgerliche  Freiheit  ist  keine 
Blüthe  der  Cultur  denkbar,  denn  der  Begriff  der  bürgerlichen  Freiheit  besteht' 
eben  in  der  Möglichkeit,  seine  Geisteskräfte  ungehemmt  zu  gebrauchen,  soweit 
sie  nicht  andern  zum  Schaden  gereichen.  Es  hat  daher  mit  vollkommenem 
Rechte  bereits  Winckelmann,  und  auf  das  kräftigste,  darauf  hingewiesen,  dass 
die  alte  Kunst  der  bürgerlichen  Freiheit  der  Griechen  ganz  besonders  ihren 
herrlichen  Aufschwung  verdankte,  und  sehr  mit  Unrecht  ist  neuerdings  der 
Versuch  gemacht  worden,  diesen  Ideen  entgegenzutreten.  Wenn  Winckelmann 
sich  nicht  überall  deutlich  genug  ausgedrückt  hat,  so  darf  ein  solcher  Mangel 
der  Idee  selbst,  die  vollkommen  richtig  ist,  nicht  zum  Schaden  gereichen.  Es 
kann  vielmehr  nicht  laut  genug  ausgesprochen  werden,  dass  ohne  Freiheit 
keine  Entwickelung  in  Literatur  und  Kunst  möglich  ist,  und  dass  alle  Despotie 
sie  erstickt.  Nur  sind  freilich  die  Begriffe  Freiheit  und  Despotie  richtig  zu 
verstehen.  Ich  habe  jenen  soeben  theoretisch  definirt:  in  praktischer  Hinsicht 


332  Sechstes  Bach.  IX.  Die  Kunst  in  derselben  Zeit. 

darf  nicht  vergessen  werden,  dass  Freiheit  heutzutage  durchaus  nicht  mit 
Republik  identisch  ist,  und  dass  sie  es  auch  im  Alterthum  nicht  immer  war. 
Wo  im  Alterthum  ein  Königthum  als  natttrlieher  Ausdruck  historischer  Ent- 
Wickelung  vorhanden  war,  war  es  der  Freiheit  nicht  hinderlicher,  als  eine 
republikanische  Verfassung  bei  demselben  Volke  gewesen  wäre.  Im  Allge- 
meinen freilich  fallen  in  Griechenland  die  Begriffe  Freiheit  und  Republik  zu- 
sammen, da  die  meisten  Königsherrscbaften  vi^eder  historisch  ttberkommen, 
noch  frei  gewählt  waren.  In  unserer  Zeit  aber  wäre  es  thdricbt,  läugnen  2a 
wollen,  dass  unter  einer  verfassungsmässigen  Monarchie  ebenso  viel  Freiheit 
herrscht,  wie  in  denjenigen  Republiken,  die  stets  nur  Republiken  gewesen 
sind,  und  mehr  als  in  denen,  die  es  nach  Vertreibung  der  Fürsten  erst  wer- 
den. Es  ist  aber  noch  ein  Punkt  hierbei  nicht  zu  übersehen.  Es  kann  ein 
Fürst  in  mancher  Beziehung  höchst  despotisch  sein  und  doch  in  anderen 
Rücksichten  den  Geistern  Freiheit  lassen,  und  wenn  dies  die  Punkte  smd,  in 
denen  gerade  der  Literatur  oder  Kunst  Freiheit  noth  thut,  so  ist  für  sie  Frei- 
heit vorhanden.  80  war  für  Frankreich  die  erste  Periode  der  Regierung  Lud- 
wig*s  XIV.  allerdings  eine  Epoche  der  Freiheit,  denn  die  Literatur  konnte  dem 
hl  ihr  lebenden  Triebe  ungehindert  folgen,  und  indem  Ludwig  dem  grössten 
Genius  des  damahgen  Frankreich,  Holi^re,  Freiheit  zu  seinen  Schöpfungen 
liess ,  hat  er  der  Entwiceklung  der  Literatur  und  der  Cultur  überhaupt  ent- 
schieden genützt.  Ohne  Ludwig  XIV.  hätten  wir  keinen  Tartuffe  erhalten. 
Sehr  geringes  Gewicht  dagegen  ist ,  Kunst  und  Literatur  in  wahrhaft  hohem 
Sinne  genommen ,  auf  die  Protection  der  HOfe  zu  legen,  durch  die  ein  augu- 
steisches oder  mediceisches  Zeilalter  hervorgebracht  wird.  Wenn  man  unter 
Blüthe  der  Kunst  versteht ,  dass  möglichst  viele  prächtige  Gebäude  errichtet 
oder  möglichst  viele  Statuen  gesetzt  werden,  so  mögen  allerdings  die  Höfe  die 
Blüthe  der  Kunst  befördern,  aber  das  ist  nur  eine  Scheinblüthe.  Dennoch  ist  es 
nicht  ohne  einen  innern  und  guten  Grund ,  wenn  sich  in  solchen  Perioden 
eines  Mäcenatenthums  bisweilen  eine  wirkliche  Kunstblüthe  zeigt.  Es  ist  die 
Ruhe  im  Vergleiche  zu  vorhergehenden  Stürmen ,  welche  im  Staate  unter  der 
Herrschaft  mächtiger  Fürsten  und  grosser  Minister  herrscht ,  die  den  in  der 
rauhen  Luft  des  Krieges  zurückgehaltenen  Keimen  gestattet,  sich  fröhlich  zu 
entfalten.  Wenn  dann  die  Machthaber  der  Strömung  folgen  und  das  begün- 
stigen, was  selbst  gerne  an's  Tageslicht  möchte,  so  kotfimt  allerdings  alles  zu- 
sammen, was  die  Kunst  verlangt,  Freiheit  und  Ruhe,  und  das  Resultat  WMrd 
trotz  unfreier  Verfassung  ein  glänzendes  sein.  Aber  auch  hier  darf  nicht  ver- 
gessen werden,  dass  es  im  letzten  Grunde  nur  die  Freiheit  ist,  die  die  Früchte 
hervorgebracht,  denn  auch  die  Machthaber  helfen  nur  durch  Gewährenlassen 
und  Weitertreiben  auf  der  schon  beschrittenen  Bahn.  Wollen  aber  die  Fürsten 
ihren  eigenen  Kopf  durchsetzen .  so  entstehen  Hemmnisse  der  Cultur  —  man 
denke  an  Napoleon  und  Frau  von  Staöl. 

Solche  Betrachtungen  sind  anzustellen ,  wenn  man  die  Gulturgeschichte 
des  alten  Siciliens  richtig  verstehen  will.  In  keinem  Lande  haben  die  Facto-^ 
ren ,  von  denen  wir  gesprochen  haben ,  Streit  und  Ruhe ,  Despotismus  und 
Freiheit,  eine  so  eingreifende,  klar  hervortretende  Wirkung  ausgeübt.  Ein 
kurzer  historischer  Ueberblick  wird  dies  zeigen. 


Geistige  Entwickelung  SicUienB.  -  333 

Die  Zeiten  vor  dem  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  waren  der  Art,  daas  sich 
eine  sicilisclv- griechische  Literatur  und  Kunst  hatte  bilden  können.  Inder 
Literatur  ist  Stesichoros  ihr  Vertreter,  bei  dem  wir  manche  Sksht  sicilische  Züge 
bemerkt  haben ;  in  der  Kunst  genügt  es,  auf  die  Metopen  von  Selinus  bin^u* 
weisen.  Nun  kam  der  schreckliche,  aber  kurze  Kri^  mit  den  Karthagern. 
Nach  seiner  siegreichen  Beendigung  blühten  Kunst  und  Literatur  auf,  und  jene 
schuf  die  gewaltigsten  Tempel  von  Selinus  und  Akragas,  diese  brachte  die 
Sicht  sicilischen  Gestalten  eines  Empedokl^s  und  Gorgias  hervor.  Hieron  hat 
wenigstens  das  Verdienst  gehabt ,  dass  er  den  Frieden  zu  benutzen  und  be- 
deutende fremde  Dichter  an  seinen  Uof  zu  sieben  verstand.  Dann  aber,  nach 
einer  Friedensperiode  von  zwei  Ifensehenaltern ,  der  segensreichsten  für  Sici- 
iiens  Geschichte,  nach  einer  Periode,  die  zugleich  ein  halbes  Jahrhundert  der 
Freiheit  gebracht  hatte ,  folgt  eine  zweite  Epoche  gewaltiger  Kämpfe ,  zuerst 
mit  den  Athenern,  dann  mit  Karthago.  Diese  Kämpfe  erzeugen  den  Despotis^ 
mus  des  Dionys.  Daher  konnte  denn  auch,  als  eine  Zeit  verhältnissmässigen 
Friedens  eintrat,  die  von  387  bis  etwa  356  dauerte,  dennoch  keine  Entwicke* 
lung  der  Literatur  eintreten,  denn  Dionys  war  zu  sehr  Despot,  um  an  freier 
Entfaltung  des  Geistes  Freude  zu  haben,  und  ausserdem  hatte  er  die  Nationa- 
litäten und  die  Städtebevölkerungen  der  Insel  zu  sehr  durch  einander  gewor- 
fen, als  dass  sich  eine  bestimmte  bürgerliche  Sitte,  die  Grundlage  jeder  eigenen 
Literatur,  hätte  ausbilden  können.  Die  fremden  Schriftsteller,  welche  auch  er 
an  seinem  Hofe  versammelte,  stellten  sich  kaum  in  engere  Beziehungen  zum 
Lande,  mit  einziger  Ausnahme  des  Philoxenos  ^  dessen  sicilische  Eigentbüm- 
lichkeiten  wir  besprochen  haben.  Die  Sitten losigkeit  stieg  indessen,  und  so 
war  die  einzige  Literaturgattung,  die  unter  Dionys  wirklich  gefordert  wurde, 
die  culinarische,  die  damals  allerdings  in  Sicilien  einen  sehr  hohen  Aufschwung 
genommen  hat.  Auf  diese  wenig  edlen  Friedenszeiten  folgten  die  Käuipfe, 
welche  Dion  und  Timoleon  gegen  die  Tyrannenherrschaft  durchfochten.  Nach 
ihrer  Beendigung  war  Sicilien,  wie  sich  nun  zeigte,  so  sehr  griechischer  Ein- 
wohner beraubt ,  dass  Timoleon  sie  zu  Myriaden  der  Insel  zuführen  musste. 
Da  war  an  Literatur  in  der  allerersten  Zeit  noch  nicht  zu  denken.  Hätten 
der  Friede  und  die  Freiheit  lange  gedauert,  so  wären  andere  und  bes- 
sere Resultate  zu  hoffen  gewesen,  so  aber  folgten  bald  neue  Bürgerkriege, 
und  als  ihre  Frucht  die  Tyrannis  des  Agathokles,  die  abscheulichste  von  allen, 
die  Sicilien  gesehen  hat.  Ein  solches  Regiment  führte  wieder  neue  Bedingun- 
gen für  die  Cultur  herbei,  wie  sie  ungünstiger  sich  nicht /lenken  lassen.  Unter 
einem  Agathokles  konnte  von  Literatur  und  höherer  Kunst  in  Sicilien  nicht  die 
Rede  sein.  Dennoch  war  in  anderer  Beziehung  die  Möglichkeit  solcher  voriian- 
den ,  seit  durch  Timoleon  sich  neue  kräftige  griechische  Gemeinwesen  auf  der 
Insel  gebildet  hatten.  Unabhängige  Geister  mussten  also  auswandern,  und 
wir  haben  die  eigenthürolicbe ,  aber  nach  den  einmal  vorhandenen  Verhält- 
nissen nothwendige  Thatsache  kennen  gelernt,  dass  damals  Sicilier  nur 
ausserhalb  Siciliens  in  der  Literatur  thätig  sein  konnten.  Hier  zeigt  sich  Aga- 
thokles in  schlagendem  Gegensatz  zu  Hieron.  Dieser  hatte  fremde  Dichter 
nach  Sicilien  gezogen,  Agathokles  verscheuchte  die  einheimischen  Talente. 
Auf  eine  neue  Zeit  des  Kampfes  unter  Pyrrhos  folgt  dann  eine  letzte  Periode 


334       Sechstes  Buch.  X.  Einheitlicher  Charakter  der  alten  sicilischen  Geschichte. 

der  Ruhe  unter  Hieron  IL,  eine  Periode ,  die  überdies  für  Syrakus  über  die 
Grenzen  hinausgeht,  die  wir  uns  für  diesen  Band  haben  stecken  müssen.  Hier 
ist  endlich  wieder  unter  einem  milden  Fürsten,  unter  dem  Friede  und  Frei- 
heit, soweit  letztere  möglich  war,  herrschten,  von  Literatur  die  Rede,  und  die 
unverwüstliche  Kraft  der  soviel  gemisshandelten  Insel  zeigt  sich  darin,  dass 
sie  eine  neue,  acht  nationale  Literaturgattung  hervorbringt,  die  Bukolik. 

Es  wird  nicht  unpassend  sein ,  schliesslich  noch  von  den  soeben  bespro- 
chenen abwechselnden  Perioden  der  Ruhe  und  des  Kampfes  eine  ganz  kurze 
Uebersicht  zu  geben ,  die  überdies  für  das  Verständniss  des  Einflusses,  den 
Sicilien  nach  aussen  geübt  hat^  von  Wichtigkeit  ist. 

Wir  fanden  fünf  Perioden  des  Kampfes :  mit  den  Karthagern  bei  Himera ; 
mit  den  Athenern  und  mit  den  Karthagern  unter  Dionys ;  die  inneren  Kämpfe 
zu  Dion's  und  Timoleon's  Zeit ;  die  Periode  des  Agathokles ;  die  Periode  des 
Pyrrhos.  Von  diesen  Perioden  boten  die  schwersten  Kampfe  dar  die  erste, 
zweite  und  vierte,  unter  Gelon ;  Dionys  und  Agathokles ,  und  es  ist  von  Be- 
deutung zu  sehen ,  dass  diesen  Zeiten  grOsster  Anstrengung  in  den  Perioden 
der  nachfolgenden  Ruhe  die  grösste  Machtentwicklung  Siciliens  nach  aussen 
sich  anschioss ,  wovon  Hieron  bei  Kyme ,  Dionys  durch  seine  Herrschaft  im 
adriatischen  Meere,  Agathokles  durch  seinen  Einfluss  auf  Italien  und  Kerkyra 
den  Beweis  liefern.  In  Hinsicht  der  Gultur  ist  in  diesen  drei  Friedensperioden 
durch  Hieron  viel,  durch  Dionys  wenig,  durch  Agathokles  nichts,  dem  Cha- 
rakter der  Herrscher  entsprechend,  geschehen.  Kürzer  waren  die  Kampfperio- 
den unter  Timoleon  und  Pyrrhos,  die  ihnen  folgenden  Perioden  der  Ruhe 
zeigten  theils  deshalb,  theils  aus  Gründen,  weiche  in  den  Weltverhältnissen 
lagen,  den  Einfluss  der  Machthaber  der  Insel  beschränkt  auf  die  Insel  selbst, 
und  nicht  unter  Timoleon,  wohl  aber  unter  Hieron  IL  finden  wir  die  Literatur 
blühend,  da  ihre  Blüthe  von  längerer  Dauer  des  Friedens  und  befestigten  Zu- 
ständen abhängt. 


Zehntes  Kapitel. 

« 

Einheiüicher  Charakter  der  alten  sicilischeii  Geschichte. 

Nachdem  wir  die  Geschichte  der  äusseren  und  inneren  Entwickeiung 
Siciliens  während  der  Periode  seiner  Selbständigkeit  abgeschlossen  haben, 
wollen  wir  noch  kurz  die  Punkte  hervorheben ,  welche  das  Objecl  dieser  Ge- 
schichte als  ein  einheitliches  und  diese  Einheit  als  sich  in  der  Geschichte  that- 
sächlich  äussernd  nachweisen.  Wem  ein  solches  Unternehmen  überflüssig 
erscheinen  sollte,  der  möge  bedenken,  dass  nicht  selten  von  dem  alten  Sicilien 
dieselbe  Bemerkung  laut  wird ,  welche  Metternich  über  das  moderne  Italien 
machte :  es  sei  nur  ein  geographischer  Begriff.  Wie  der  österreichische  Staats-* 
mann  mit  diesen  Worten  Ilalien  die  Nothwendigkeit  einer  politischen  Existenz 


Einheit  des  Gegenstandes.  335 

absprechen  wollte ,  so  wollen  diejenigen ,  welche  das  alte  Sicilien  nur  als  ein 
geographisches  Ganzes  betrachten,  damit  die  Möglichkeit  läugnen,  dass  es  von 
demselben  eine  wirkliche  Geschichte  gebe.  Ein  Land,  das  weiter  nichts  ge- 
meinsames hat,  als  das  Meer,  welches  es  umschliesst,  kann  in  der  That  kaum 
als  Object  einer  wirklichen  Geschichte  betrachtet  werden;  und  wie  für  ein 
Drama  die  Einheit  des  Ortes  nur  Nebensache  im  Vergleich  mit  der  Einheit  der 
Handlung  ist,  so  bedarf  auch  eine  wahre  Geschichte  vor  allen  Dingen  der 
Einheit  des  Gegenstandes.  W<1re  nun  wirklich  das  alte  Sicilien  ein  bloss  geo- 
graphischer Begriff,  so  könnte  es  wohl  eine  chronologische  Darstellung  des  in 
ihm  Vorgefallenen  geben ,  aber  nicht  eine  eigentliche  Geschichte.  Dass  dem 
aber  nicht  so  ist,  hat  nach  unserer  Meinung  die  vorliegende  Schrift  gezeigt.  In 
der  That  konnte  nur  der  Versuch  einer  Geschichte  Siciliens  beweisen ,  dass 
eine  solche  möglich  ist;  aber  es  wird  darum  nicht  tlberflttssig  sein,  dasjenige 
nachträglich  noch  besonders  hervorzuheben,  was  im  Verlauf  dieser  Darstellung 
den  Beweis  geliefert  hat,  dass  der  Gegenstand  derselben  wirklicb  eine  innere 
Einheit  besitzt. 

Die  gegen  die  Möglichkeit  einer  wahren  Geschichte  des  alten  Siciliens 
gemachten  Einwtirfe  lassen  sich  folgendermassen  resumiren.  Die  erforderliche 
innere  Einheit  zeigt  sich  nicht  in  den  Bevölkerungs Verhältnissen  der  Insel, 
welche  ja,  so  lange  sie  frei  war,  niemals  einen  einzigen  Staat  gebildet  hat. 
Das  Hauptvolk  der  Insel  sind  die  Griechen,  welche  ihrer  Cultur  den  besondern 
Charakter  verliehen  haben,  der  ihr  innewohnt,  aber  diese  .Griechen  sind 
durchaus  nicht  auf  die  Insel  beschränkt,  sie  sind  überhaupt  im  Westen  des 
Mittelmeeres  zahlreich  angesiedelt,  zumal  in  Unteritalien,  mit  welchem  die 
sicilischen  Griechen  in  den  engsten  Beziehungen  stehen.  Es  wäre  deshalb 
erwünscht,  eine  Geschichte  der  Griechen  von  Italien  und  Sicilien  zu  haben; 
ja  auch  eine  Geschichte  der  Griechen  Siciliens  wäre  denkbar,  sowie  natürlich 
eine  Geschichte  von  Syrakus.  Aber  die  Griechen  Siciliens  von  denen  Italiens 
trennen  und  sie  mit  den  Barbaren  der  Insel  zusammen  zum  Gegenstande  einer 
Geschichte  machen  wollen,  das  geht  nicht  an. 

Es  ist  nicht  zu  bestreiten ,  dass  solche  Betrachtungen  etwas  sehr  schein- 
bares haben.  Wer  die  Geschichte  des  alten  Siciliens  nur  aus  den  bisherigen 
Bearbeitungen  der  einzelnen  Theile  derselben  in  Monographien  oder  ausführ- 
lichen griechischen  Geschichten  kennt,  ist  zu  dem  Urtheile  berechtigt,  dass  dem 
Gegenstande  diejenige  innere  Einheit ,  welche  für  eine  geschichtliche  Bearbei- 
tung erforderlich  ist,  abgeht.  Anders  aberstellt  sich  die  Sache,  wenn  man 
die  Begebenheiten,  deren  Schauplatz  unsere  Insel  im  Alterthum  w^ar,  zum 
Gegenstände  einer  zusammenhängenden  Darstellung  macht.  Sie  muss  zu  dem 
Ergebniss  führen,  dass  eine  solche  Einheit  allerdings  vorhanden  ist,  und  es  kann 
sich  nach  dem  Abschluss  eines  Haupttheiies  derselben  nur  noch  darum  handeln, 
die  in  Betracht  kommenden  wichtigsten  Punkte  kurz  zusammen  zu  fassen. 

Die  innere  Einheit  des  Gegenstandes ,  der  ja  ein  lebendiger  Organismus 
ist,  liegt  im  letzten  Grunde  in  den  Gulturverhältnissen.  Nur  wo  sie  einheit- 
licher Art  sind ,  ist  eine  wahre  Geschichte  möglich.  Es  braucht  aber  diese 
Einheit  nicht  in  jedem  Momente  der  Geschichte  vorhanden  zu  sein ;  es  kann 
gerade  über  sie  Streit  herrschen,  und  doch  wird  eine  Geschichte  des  Landes 


336       Sechstes  Buch.  X.  Einheitlicher  Charakter  der  alten  sicilischen  Geschichte. 

möglich  sein,  sobald  diese  Einheit  eben  den  Hauptgegenstand  des  Streiies 
ausQQacht  und  sie  sich  überhaupt,  wenn  auch  nicht  fortdauernd,  zur  Geltung 
zu  bringen  gewusst  hat. 

Nun  liegt  für  uns  die  Möglichkeit  einer  einheitlichen  sicilischen  Geschichte 
zunächst  in  den  Stammesverhältnissen  der  ursprünglichen  Bewohner  der  Insel. 
Nach  unserer  Ansicht  sind  sowohl  Sikaner  wie  Sikeler  italischer  Herkunft.  So 
hat  die  Insel  ursprünglich  einen  einheitlichen  ethnographischen  Charakter  ge- 
habt. Dann  kommen  die  fremden  Colonisten  nach  Sicilien.  Es  sind  zwei  Völ- 
kerschaften :  im  Osten  die  Griechen ,  im  Westen  die  Phönicier.  Sie  lassen 
sich  am  Rande  nieder,  üben  aber  Einfluss  auch  auf  den  Kern  des  Landes. 
Allmählich  wird  der  Einfluss  der  Griechen  überwiegend,  und  ich  habe  nach- 
gewiesen ,  wie  derselbe  im  Laufe  des  5.  Jahrhunderts  v.  £hr.  ein  durchaus 
herrschender  geworden  war.  Ganz  Sicilien,  und  nicht  ausgenommen  die  kar- 
thagischen Besitzungen ,  war  hellenisirt.  So  haben  wir  bis  etwa  zum  Jahre 
440  V.  Chr.  die  geistige  Einheit  der  Insel  nachgewiesen.  Allerdings  ist  sie 
nicht  dieselbe  wie  zu  Anfang:  von  italischer  Nationalität  ausgegangen ,  hat  sie 
sich  zur  griechischen  bekehrt.  Politisch  sind  freilich  nicht  die  sämmtlichen 
Einwohner  der  Insel  geeinigt  gewesen ,  aber  das  ist  für  unsera  Zwed^  auch 
nicht  nothwendig;  es  hat  nicht  bloss  ein  einzelner  Staat  seine  Geschichte. 
Nun  stände  es  trotzdem  um  die  von  uns  behauptete  Einheit  schlimm,  wenn  die 
Griechen  ,  welche  dieselbe  im  5.  Jahrhundert  v.  Chr.  vertraten,  sich  mit  an- 
dern Griechen  ausserhalb  der  Insel  eins  gefühlt  hätten.  Dann  hätten  wir  den 
Fall,  welchen  die  Gegner  voraussetzen :  politische  Spaltung  im  Innern  der  Insel 
und  dagegen  Einheit  eines  Theiles  ihrer  Bewohner  mit  denen  eines  andern 
Landes.  Aber  das  Gegentheil  hiervon  ist  in  den  Thatsachen  zu  lesen.  Die 
Griechen  Siciliens  fühlten  sich  unter  einander  eng  zusammen  gehörig  und  allen 
übrigen  gegenüber  gesondert.  Dies  tritt  zweimal  im  5.  Jahrhundert  deutlich 
hervor.  Zum  ersten  Male  im  Jahre  461,  wo  die  hellenischen  Städte  Siciliens 
einen  gemeinsamen  Beschluss  über  die  Ordnung  ihrer  Angelegenheiten  fassen, 
nachdem  die  Tyrannen  aus  den  verschiedenen  Städten  vertrieben  sind  und 
nur  noch  die  Anwesenheit  von  Neubürgern ,  ehemaligen  Söldlingen  der  Herr- 
scher, die  Städte  beunruhigt  (Bd.  I.  S.  252) .  Noch  deutlicher  zeigt  sich  aber 
dasselbe  im  J.  424  beim  Frieden  zu  Gela,  den  Hermokrates  vermittelte.  Wir 
haben  gesehen  (S.  8),  wie  derselbe  das  Widerstreben  der  Gegner  von  Syrakus 
durch  die  Berufung  auf  das  sicilische  Nationalgefühl  überwindet;  in  seiner  Rede 
ist  wiederholt  von  ganz  Sicilien ,  von  dem  meerumschlungenen  Vaterland  die 
Rede,  in  welchem  die  Fremden  nichts  zu  suchen  haben.  Diese  Berufung  ent- 
scheidet die  Sache ;  es  ist  den  Griechen  der  Insel  nicht  zweifelhaft ,  dass  sie 
zusammen  gehören,  und  dass  Fremde  nichts  bei  ihnen  zu  schaffen  haben;  es 
ist  ihnen  ebensowenig  zweifelhaft,  dass  sie  »ganz  Sicilien«  sind.  So  ist  zweierlei 
bewiesen.  Erstens,  dass  die  sicilischen  Griechen  sich  als  Repräsentanten  von 
ganz  Sicilien  ansahen ,  und  zweitens  ,  dass  dies  ganze  Sicilien  ein  politisches 
Gebiet  für  sich  ist,  das  keine  Einmischung  andererduldet,  mögen  sie  auch 
noch  so  sehr  stammverwandt  sein.  Wem  es  Uebermuth  dünken  sollte,  dass 
sie  sich  als  den  Inbegriff  von  ganz  Sicilien  betrachteten ,  der  wolle  bedenken, 
dass  die  Herrschaft  ihrer  Bildung  ihnen  volles  Recht  dazu  gab.    So  viel  über 


Innere  Einheit  Sicüiens.   Münzwesen.  337 

die  Zeit  bis  zum  Jahre  410.  Bis  dahin  ist  also  Einheit  vorhanden  und  eine 
wahrhafte  Geschichte  möglich. 

Im  weiteren  Verlaufe  Sinderi  sich  der  ethnographische  Charakter  der  Insel, 
aber  die  Einheit  bleibt.  Die  Karthager  machen  gewaltige  Uebergriffe,  aber  wer 
bekämpft  sie  ?  Nur  die  Sikelioten  selbst,  wenn  auch  ein  paar  Mal  unter  frem- 
den Fuhrern.  Nie  hat  eine  griechische  Stadt  oder  ein  griechischer  Staat  ausser- 
halb der  Insel  Herrschaft  auf  derselben  ausgeübt;  die  Fremden,  welche  sie 
übten,  thaten  es  als  Einzelne,  es  war  die  Persönlichkeit  des  Gylippos,  des 
Timoleon,  des  Pyrrhos,  die  Wunder  wirkten;  die  Soldaten,  die  mit  ihnen 
kanten,  vermochten  nicht,  ihnen  Ansehen  zu  verschaffen,  und  wenn  sie  Ge- 
horsam fanden ,  so  war  es ,  weil  man  sie  so  lange  als  Sikelioten  betrachtete. 
Die  Insel  hat  von  jeher  Fremde  gern  bei  sich  aufgenommen  ,  aber  sie  mttssen 
zeigen,  dass  sie  Sicilianer  werden  wollen.  Und  auf  der  anderen  Seite  ist 
nichts  haußger,  als  dass  sicilische  Staaten  und  Fürsten  als  solche  im  Auslande 
Macht  entfallen.  Wenn  Dionys  und  Agathokles  sich  in  Italien  gefürchtet  mach- 
ten, so  thaten  sie  es  nicht  im  Dienste  Italiens ,  sondern  als  Vertreter  Siciliens 
und  speciell  von  Syrakus.  Also  auch  in  den  Zeiten  von  410 — 264  bleibt  das 
griechische  Sicilien  ein  fester  Kernpunkt  der  Macht,  ein  Centrum*,  das  seinen 
Einfluss  in  weitem  Umkreise  geltend  macht;  und  nicht  bloss  nach  aussen; 
denn  wenn  die  Karthager  den  Syrakusanern  auch  viele  Noth  machten,  so 
haben  sie  doch  auch  die  Macht  der  Despoten  Syrakusens  erfahren,  und  was  die 
Geschicke  der  Insel  entscheidet,  ist  zuletzt  doch  nur  der  Charakter  der  Herren 
ihrer  grössten  Stadt  gewesen.  Dennoch  ist  in  ethnographischer  Beziehung  eine 
Wandlung  vorgegangen:  wir  sahen,  wie  die  Zahl  der  Bewohner  Siciliens, 
welche  der  griechischen  Nationalität  angehörten ,  schwand  und  die  der  itali- 
schen zunahm.  Das  völlige  Verschwinden  der  hellenischen  Nationalität  auf  der 
Insel  verhinderte  Timoleon ,  aber  im  Grossen  und  Ganzen  blieb  Sicilien  auf 
dem  Wege  der  Annäherung  an  die  italische  Nationalität ,  einem  Wege ,  der  es 
vorzüglich  geeignet  machte,  Roms  erste  Provinz  zu  werden.  Die  griechische 
Sprache  freilich  blieb  herrschend,  und  die  Griechen  der  Insel  fühlten  sich  noch 
immer  so  kräftig,  dass  man,  zum  ersten  Male,  Münzen  im  Namen  der  Sikelio- 
ten prägte,  während  andererseits  das  Gefühl  der  Einheit  der  Insel  sich  in  den 
Münzen  mit  der  Umschrift  Sikelia  aussprach.  So  ist  auch  für  diese  Periode 
die  innere  Einheit  nachgewiesen. 

Ueberhaupt  ist  für  den  vorliegenden  Gegenstand  das  Münzwesen  von 
grosser  Bedeutung,  da  in  ihm  sich  die  Selbständigkeit  Siciliens  klar  offenbart. 
Es  ist  hier  weniger  auf  das  Litrensystem,  von  welchem  im  ersten  Bande  dieser 
Geschichte  die  Rede  war.  Gewicht  zu  legen,  als  vielmehr  darauf,  dass  in  Si- 
cilien bereits  vor  dem  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  v.  Chr.  das  Totradrachmon 
attischer  Währung  Überall  als  Hauptmünze  gilt.  Hier  zeigt  sich  gerade  die 
Sonderung  von  Italien  recht  deutlich.  In  Grossgriechenland  ist  das  Didrachmon 
die  landesübliche  Münze ;  Tetradrachmen  werden  nur  ganz  vereinzelt  ausge- 
prägt, ausser  in  dem  Sicilien  so  eng  verbundenen  Rhegion  nur  in  Metapont 
und  Thurii.  Diese  Thatsache  der  wirthschafllichen  Trennung  von  Sicilien  und 
Grossgriechenland  kann  in  Bezug  auf  das  gegenwärtig  von  uns  behandelte 
Thema  nicht  hoch  genug  angeschlagen  werden;    sie  spricht  in  prägnanter 

Holm,  QeKch.  Sicilions.  II.  22 


33S        Sechstes  Buch.  X.  Einheitlicher  Charakter  der  alten  sicilischen  Geschichte. 

Weise  aus ,  was  die  ganze  Geschichte  dieser  Gegenden  lehrt ,  aber  nicht  so 
scharf  und  bestimmt,  nämlich  dass  eine  uinere  Einheit,  ein  Gefühl  der  Zu- 
sammengehörigkeit zu  einem  stillschweigend  vorausgesetzten  Bunde  zwischen 
Sikelioten  und  Italioten  nicht  vorhanden  war.  Grossgriechenland  hat,  wie  wir 
in  diesem  Bande  gesehen  haben,  mehrere  Centren,  die  alle  auf  Sicilien  wenig 
einwirken  konnten,  und  von  denen  einige  ausserhalb  der  gewöhnlichen  Wir- 
kungssphäre Siciliena  lagen ;  Sicilien  hat  ein  Centrum :  Syrakus.  Die  That- 
Sache  der  wirthschaftlichen  Trennung  von  Sicilien  und  Grossgriecbenland,  die 
sich  in  dem  Gebrauch  des  Didrachmons  hier,  des  Tetradrachmons  dort,  aus- 
spricht, gewinnt  aber  für  unseren  Zweck  eine  besondere  Bedeutung,  wenn  «aan 
sie  mit  der  andern  Thatsache  zusammenstellt,  dass  in  Sicilien  selbst  sich  alles, 
auch  die  Karthager,  dem  Tetradrachmon  unterwirft.  Und  nicht  bloss  in  Bezug 
auf  die  Währung  haben  sich  die  Karthager  Siciliens  den  Griechen  angeschlos- 
sen; auch  für  den  Stil  der  Tetradrachmon  haben  sie  sicilisch -griechische 
Künstler  zu  Rathe  gezogen ;  sie  haben  sich  in  dieser  Beziehung  bemüht,  etwas 
durchaus  den  syrakusanischen  Kunstwerken  ähnliches  zu  schaffen. 

Wenn  wir  in  Kunst  und  Literatur  die  Sonderung  Sioiliens  von  Italien 
nicht  in  der^lben  Weise  aufzeigen  können,  wie  im  Staatswesen  und  in  der 
Volkswirthscbaft,  so  liegt  das  grösstentheils  an  unserer  man^lhaflenKennlniss 
Grossgriechenlands.  Dass  Aehnlichkeiten  vorhanden  sind,  darf  nicht  auffallen. 
So  hat  die  italische  Komiklie  grössere  Äehnlichkeit  mit  der  sicilischen ,  als  mit 
der  sonstigen  griechischen ;  die  Neigung  zu  heiterem  Scherze  war  eben  den  Hel- 
lenen Grossgriedienlands  und  Siciliens  gemeinsam.  In  der  Siempelschneide- 
kunst  ist  ebenfalls  Verwandtschaft  zwischen  Sicilien  und  Untaritalien  unver- 
kennbar. Im  Uebrigen  sind  keine  näheren  Beziehungen  zwischen  beiden  Län- 
dern nachzuweisen ,  als  zwischen  Landschaften  griechischer  Zunge  überhaupt. 
Die  Culturgeschichte  Grossgriechenlands  hat  insbesondere  nicht  so  wie  die 
sicilische  den  Charakter  der  Einheit ;  man  hat  bei  ihr  die  verschiedenen  von 
uns  früher  angedeuteten  Landstriche  zu  unterscheiden.  Apulien  und  Kampa- 
nien  bieten  ganz  andere  Erscheinungen  als  Lukanien  und  gar  Bruttium,  das  in 
allen  Beziehungen  Sicilien  am  nächsten  steht.  So  kommen  wir  auch  hier  wie- 
der auf  die  Einheit  Siciliens  im  Gegensatz  zu  Grossgriechenland  zurück. 

Ein  Land ,  das  in  so  hervorragender  Weise  sich ,  trotz  mancher  unglück- 
lichen äusseren  Verhältnisse,  als  ein  eigenthümlich  organisiries  und  dazu  noch 
als  ein  Centrum  für  das  politische  Leben  in  weiteren  Kreisen  geltend  zu 
machen  gewusst  hat,  verlangt  sicherlich  seine  besondere  Geschichte.  Sollte  in 
meiner  Arbeit  diese  Eigenthümlichkeit  nicht  deutlich  genug  hervorgetreten 
sein ,  so  wäre  die  Schuld  dem  Bearbeiter  zuzuschreiben ,  nicht  dem  Gegen- 
stande. Allerdings  tritt  die  Abgeschlossenheit  der  Insel  besonders  dann  deut- 
lich hervor,  wenn  man  sich  in  der  Betrachtung  nicht  auf  ihre  alte  Geschichte 
beschränkt,  sondern  das  Ganze  ihrer  Entwickelung,  Mittelalter  und  Neuzeit 
mit  inbegriffen,  in^s  Auge  fasst.  Aber  im  Grunde  genommen  steht  es  auch  hier 
nicht  anders,  als  wenn  man  das  Alterthum  allein  betrachtet.  Auch  für  die 
späteren  Epochen  fehlt  es  für  den  ersten  flüchtigen  Blick  an  der  nöthigen  Ab- 
geschlossenheit in  politischer  Beziehung.  Unter  den  Muhammedanern  hing  Sici- 
lien meistens  von  Afrika  ab,  unter  den  Normannen  und  den  Uohenstaufen  war 


Eigeotbümlicher  Charakter  der  Insel  in  späterer  Zeit.  339 

es  mit  Unieritalien  zu  einem  Reiche  verbunden ,  Karl  von  Anjou  regierte  die 
Insel  von  Neapel  aus.  Dann  war  sie  eine  Zeitlang  selbständig ;  bald  aber  ward 
sie  eine  Provinz  fremder  Reiche,  lange  Zeit  hindurch  Spaniens,  hierauf  Oester- 
reichs  und  schliesslich  der  Bourbonen  von  Neapel.  Und  trotz  alledem  wird, 
wer  Sicilien  kennt,  sein  eigentbümliches  Wesen  nicht  läugnen,  und  es  wird 
ihm  nicht  einfallen  zu  behaupten  ,  dass  von  einer  besonderen  Geschichte  des- 
selben nicht  die  Rede  sein  könne.  Allerdings  tritt  in  einzelnen  Punkten  in  der 
neueren  Zeit  ihre  Besonderheit  klarer  hervor  als  dies  im  Alterthum  der  Fall 
war,  insbesondere  in  der  Existenz  einer  sehr  ausgebildeten  sicilianischen  Con- 
stitution. Aber  diese  Constitution  ist  doch  nur  deswegen  den  Sicilianern  so 
theuer  gewesen,  weil  sie  wirklich  der  Ausdruck  eines  eingewurzelten  Gefühles 
der  Selbständigkeit  war^  und  dieses  Gefühl  hat,  wie  wir  wissen ,  im  Alter- 
Xhum  nach  Massgabe  der  verschiedenen  Verhältnisse  in  den  Gongressen  sich 
ausgesprochen,  die  zweimal  über  gemeinsame  Angelegenheiten  entschieden 
haben.  Und  wenn  Dionys  im  Auslande  als  König  von  Sicilien  galt,  so  lag  doch 
auch  darin  die  Anerkennung,  dass  der  Rest  karthagischer  Besitzungen  auf  der 
Insel  wenig  bedeutete. 

Es  hat  also  die  Geschichte  des  alten  Siciliens  jedenfalls  ihre  innere  Einheit, 
sowohl  als  Theil  der  allgemeinen  Geschichte  der  Insel,  wie  in  der  Beschränkung 
auf  das  Alterthum  allein.  Und  wenn  eine  Geschichte  wie  ein  Drama,  als  aus 
drei  Theilen  bestehend  betrachtet  werden  kann ,  aus  einem  vorbereitenden, 
orientirenden ,  so  zu  sagen  ansteigenden  Theil ,  welchem  dann  ein  Abschnitt 
des  Yerweilens  auf  der  Höhe  folgt,  bis  endlich  ein  innierlich  bedingter  Schluss 
kommt,  so  sind  auch  diese  Theile  bei  der  sich  auf  das  Alterthum  beschrän- 
kenden Geschichte  Siciliens  vorhanden.  Die  Zeit  der  Vorbereitung,  des  Schür- 
zens  des  Knotens,  geht  bis  zum  Anfange  des  5.  Jahrhunderts  v.  Chr.;  die 
handelnden  Personen,  Italiker,  Griechen  und  Phönicier,  entwickeln  ihren  be- 
sonderen Charakter,  und  unter  ihnen  kommen  schon  die  Griechen  der  Ob- 
macht  nahe.  Der  Gipfelpunkt  des  Drama^s  zeigt  sich  dann  in  den  heftigen 
Gonflicten  und  den  sie  unterbrechenden  Ruhezeiten  zwischen  500  und  S64, 
wo  anfangs  die  Griechen  allein  herrschen,  bis  die  Karthager  grössere  Fort- 
schritte machen,  aber  nur,  damit  nach  der  Ermüdung  Beider  das  altnationale 
Element  durch  die  zuletzt  eintretende  Katastrophe  der  punischen  Kriege  in  den 
Römern  den  Sieg  davon  trägt. 

Unser  dritter  Band  wird  zu  schildern  haben,  wie  diese  Katastrophe  ver- 
lief und  wie  die  neuvereinigten  Elemente  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  mit 
einander  vertrugen. 


22* 


Anhang. 


i. 

lieber  die  Qaellen  der  Geschichte  Siciliens  Yom  Kriege  mit 
den  Athenern  bis  auf  Pyrrhos,  insbesondere  tlber  die  des 

athenischen  Krieges. 

Allgemeines.  Die  folgenden  Untersnchungen  stehen  auf  einem  wesentlich 
praktischen  Boden.  Es  handelt  sich  für  den  Historiker  zunächst  darum ,  zu  wissen, 
aus  welchen  Quellen  er  schöpfen  darf;  die  Methode  kritischer  Forschung,  welche  bei 
der  Constituirung  der  Texte  der  alten  Schriftsteller  gehandhabt  wird,  müss  auch  auf 
die  Geschichte  angewandt  werden.  Somit  handelt  es  sich  um  eine  Classificirung  und 
Genealogie  der  Quellen.  Wir  können  aber  erst  fUr  diesen  Band  unserer  Geschichte 
zu  einem  solchen  Unternehmen  schreiten,  weil  erst  Hir  die  in  ihm  zu  behandelnden 
Begebenheiten  eine  zusammenhängende  Ueberlieferung  vorhanden  ist.  Der  Inhalt  des 
vorigen  musste  aus  vereinzelten  Stellen  alter  Schriftsteller  zusammengetragen  werden. 

Die  Forschung  nach  den  Quellen  derjenigen  alten  Historiker,  welche  nicht  als 
Augenzeugen  gleichzeitige  Dinge  beschreiben,  hat  in  neuerer  Zeit  bedeutende  Fort- 
schritte gemacht.  Lange  Zeit  hindurch  dachte  man  sich  ihre  Arbeit  im  Wesentlichen 
so,  wie  die  unserer  modernen  (xeschichtschreiber  ist,  indem  man  annahm,  dass  sie 
aus  den  verschiedensten  Quellen  ihre  Nachrichten  über  die  einzelnen  Begebenheiten 
zusammengetragen  hätten.  Neuerdings  ist  man  zu  der  Einsicht  gelangt,  dass  das 
Verfahren  Vieler  derselben,  demjenigen  der  mittelalterlichen  Historiker  ähnlich,  viel- 
mehr in  der  Benutzung  möglichst  weniger  Quellen  für  ein  längeres  Stück  Geschichte 
bestand.  In  dieser  Beziehung  haben  besonders  die  Untersuchungen  Nissen' s  über  die 
Quellen  des  Livius  die  Bahn  gebrochen,  man  vgl.  S.  77  —  83  von  Nissen's  Krit.  Un- 
tersuchungen n.  s.  w.  Berl.  1863,  wo  die  leitenden  Grundsätze  dargelegt  sind.  Aber 
indem  man  so  die  früher  angenommene  Vielheit  der  Quellen  aufgab,,  ist  man  hin  und 
wieder  nach  der  entgegengesetzten  Bichtung  zu  weit  gegangen,  und  hat  den  Versuch 
gemacht,  immer  nur  eine  einzige  Quelle  für  Je  einen  mehr  oder  minder  grossen  Ab- 
schnitt nachzuweisen,  und  so  etwas,  das  nur  in  einzelnen  Fällen  richtig  ist ,  fälschlich 
zum  Princip  erhoben.  Wir  befinden  uns  gerade  bei  dem  uns  hier  beschäftigenden 
Gegenstande  in  der  Lage,  solchen  Ansichten  entgegentreten  zu  müssen.  Dieselben 
sind  enthalten  in  den  zum  Theil  bereits  im  1.  Bande  citirten,  und,  zumal  die  erste, 
höchst  werthvolle  Untersuchungen  enthaltenden  Schriften:  Ch.  A.  Volquardsen,  Un- 
tersuchungen über  die  Quellen  des  Diodor  XI— XVI,  Kiel  1868.  8.    G.  Collmann,  De 


lieber  die  Quellen  der  Geschichte  Stciliens.  341 

Diodori  Siculi  fontibas,  Lips.  1869.  8  und  W.  Frieke,  Untersuchungen  Über  die  Quellen 
des  Plutarch  im  Nikias  und  Alkibiades,  Lpz.  1869.  8,  von  denen  besonders  die  letzte 
zu  Resultaten  gelangt,  die  ich  nicht  billige. 

Wir  können  uns  einer  kurzen  Beleuchtung  und  Discussion  der  entgegenstehenden 
Principien  nicht  entziehen,  weil  wir  nur  so  den  Boden  fUr  unsere  eigenen  Unter- 
suchungen ebenen.  Gollman  sagt  p.  7,  um  die  Annahme  abzuweisen,  dass  Diodor  in 
der  Geschichte  des  peloponnesischen  Krieges  seine  eigene  Darstellung  aus  zwei  Quellen 
zusammengestellt  haben  kOnne:  nam  Diodorum  ita  Ephori  libris  usum  esse,  ut  ea, 
quae  a  Thucydide  praetermissa  invenisset,  ex  illis  depromeret,  minime  statui  potest, 
quia  haec  scribendi  ratio  cum  ab  omnium  antiquomm  rerum  scriptorum,  tum  a  Diodori 
consuetudine  summopere  abhorret,  qui,  quantnm  fieri  potest,  unum  sequebatur  ducem. 
Wegen  dieser  consuetudo  soll  nach  Collmann  Diodor  nur  Ephoros  gefolgt  sein  und 
die  nicht  selten  sichtbare  Uebereinstimmung  des  Diodor  mit  Thukydides  nur  daher 
rühren,  dass  dieser  von  Ephoros  benutzt  wurde.  Wenn  nun  dies  alles,  und  beson- 
ders die  genannte  consuetudo  ein  Factum  ist,  so  müssen  wir  eine  vollständige  Ueber- 
einstimmung zwischen  Diodor  und  Thukydides  erwarten.  Denn  Ephoros  benutzte 
iiach  der  consuetudo  nur  Thukydides,  und  Diodor  nur  Ephoros.  Die  Thatsache  ist 
aber  im  Gegentheil  starke  Abweichung  des  Diodor  von  Thukydides.  Es  ist  also  klar, 
dass  die  consuetudo  nicht  in  der  Weise  vorhanden  ist ,  dass  ein  Historiker  jedesmal 
nur  eine  Quelle  benutzt  hätte,  und  Collmann  erkennt  das  selbst  an,  wenn  ^r  p.  16 
sagt,  in  der  Geschichte  der  athenischen  Expedition  nach  Sicilien  «ei  Ephoros  nicht 
so  genau  den  Spuren  des  Thukydides  gefolgt,  sondern  stehe  vielmehr  auf  eigenen 
Füssen  fsed  suis  potius  pedibus  incessisse).  Diese  sui  pedes  können  doch  nur  andere 
Quellen  sein,  die  er  ausser  Thukydides  benutzte.  Wenn  aber  für  Ephoros  eine  Aus- 
nahme von  dem  Principe  gestattet  ist,  so  ist  sie  es  auch  für  Diodor,  auch  er  kann  meh- 
rere Quellen  für  dieselbe  Begebenheit  zu  Bathe  gezogen  haben.  Mit  anderen  Worten : 
da  die  Benutzung  mehrerer  Quellen  nicht  speciell  für  Diodor  als  unannehmbar  nach- 
gewiesen worden  ist,  so  ist  von  denen,  die  das  Vorhandensein  immer  nur  einer  Quelle 
bei  diesem  Schriftsteller  ohne  weiteres  statuiren,  eine  petitio  principii  begangen. 

Wenn  wir  aber  davon  absehen,  dass  das  behauptete  Princip  als  solches,  und  in 
der  ihm  zugeschriebenen  Allgemeinheit,  nicht  bewiesen  ist,  so  bliebe  noch  die  Mög- 
lichkeit, dass  es  z.  B.  für  Diodor  innere  Wahrscheinlichkeit  hätte.  Ist  das  der  Fall? 
War  es  für  Diodor  z.  B.  viel  leichter,  nur  aus  einer  Quelle  zu  schöpfen,  als  etwa  aus 
zweien?  Hier  hat  man  Folgendes  zu  bedenken.  Diodor  hat  vielfach  den  Ephoros  be- 
nutzt. Nun  schreibt  Diodor  annalistisch,  Ephoros  hatte  das  nicht  gethan.  Diodor 
hatte  also  oft  des  Ephoros  Erzählung  aus  einander  zu  reissen,  um  sie  benutzen  zu 
können.  Da  war  es  denn  schliesslich  auch  nicht  schwer,  aus  anderen  Quellen  etwas 
einzuschalten.  Man  hat  Diodor  als  beständigen  Abschreiber  langer  Quellenstücke  ge- 
schildert ;  Frieke  S.  2  stellt  ihn  den  byzantinischen  Exoerptoren  gleich.  Bisweilen  hat 
er  dies  Verfahren  eingeschlagen,  aber  man  kann  nicht  darauf  rechnen,  dass  er^es 
immer  that,  und  so  sagt  auch  Nissen  S.  82  von  Diodor:  ^mit  Unrecht  hat  man  sein 
Werk  wegwerfend  eine  blosse  Quellenoompilation  betitelt.**  Es  giebt  aber  eine  Stelle» 
aus  der  man,  gerade  wenn  man  sich  auf  den  Standpunkt  der  neueren  Forschungen 
über  die  Quellen  Diodor's  stellt,  mit  Sicherheit  nachweisen  kann,  dass  Diodor  wirk- 
lich, was  gelättgnet  wird,  mehrere  Schriftsteller  über  einen  Punkt  zu  Rathe  gezogen, 
und  sogar  die  Berichte  derselben  in  einander  zu  arbeiten  gesucht  hat  Diodor  erzählt 
XIV,  54  die  Büstungen  der  Karthager  zum  grossen  Kriege  des  Jahres  396  v.  Chr. 
Dionys  fällt  in  die  karthagische  Provinz  Siciliens  ein.  Nun  heisst  es:  ol  ök  Kagyri" 
Jovfot  7Tv$^6ft€Voi  fo  fifyf&og  rijf  tov  diovvalcv  dwaueoig  ixQivav  noXv  xaTg  TrtiQaaxevttig 
ai/Tov  VTiiQdia&M,  ^t6n€g  ^I^uibcmva  ßaailia  xara  rofiov  xaTaartiattVTeg  ix  rrjg  Aißvrig 
oAijff,    Ir«  ^*  fx  xiig  *TßriQ(ag  avn^yttyov  dvraßifigf   rag  fth   nttQa   raiv  nvuutt/tov  i/cra- 


342  Anbang  I.    Quellen  der  Geachichte  Siciliens. 

TitfinofiiPOi,  fdc  ^^  fitadüvficvoi '  »cd  niqug  ij&gaiGav  neCtov  fikv  vnhQ  rag  j^iaxorrtt 
fAvqtädagj  Inntlg  Sk  rcrgaxiax^^^^^  X^9*S  tcuv  M^arttv  tmvta  ^  ^aav  r€tQax6aia, 
vttvg  ök  fiaxQag  filv  tixgaxoalagj  tag  Sh  top  ottov  X€ti  r«  firi/aviif/itctti  xal  ript  mX?Afv 
vniiQittiav  naQtatofuCovtHtg  ukeiovg  xAv  4$4ueoaiwy,  ^m^n€^  ifiiiAv  "Bfpo^g.  Tifiaacg 
fihf  yag  rng  ix  t^  At^ift^g  ne^itj^tiaag  dtnmftHg  ov  nieünvg  ffffalv  tlt^i  ^Mcm  flVQtU" 
(foiv,  xal  TiQog  rtanmig  M^g  tQ^ig  inoifubmxtu  xmra  £iiiPiUav  atgigtokoyti&iiattg.  Die 
BieiÜBchen  Angelc^nheiten  ensählt  Diodk>r  nach  YolqnardBen'a  Annahme,  die  sich  all- 
gemeiner  Beistimmung  zu  erfreuen  scheint ,  auf  Grand  der  Nachrichten  des  Timaioe. 
Wir  folgen  fttr  den  Augenbüek  dieser  Aanaiime.  Nun  beachte  man,  wie  in  dem  eitir- 
ten  Stftoke  ungezwungen  der  Uebergaog  zu  dem  Berichte  des  Ephoros  gemacht  wird, 
in  welchem  wir  bei  den  Worten  xäk  ft^gag  schon  sind,  so  dass  erst  suletzt  als  €re- 
genstttdc  der,  wie  man  annimmt,  sonst  immer  und  auch  vorher  benutzte  Zeuge  Ti- 
maios  auftritt.  Wenn  es  wahr  wäre,  was  Fricke  S.  2  sagt,  dass  Diodor  ^ie  zwei 
verschiedene  Berichte  verschmolzen  hat,  sondern  solche  hOohotens  neben  einander 
stellt'',  so  hStte  er  hier  zuerst  den  Timaios  zu  Ende  reden  lassen  und  dann  die  ab- 
weichende Ansicht  des  Ephoros  angefUhrt.  So  aber  tritt  schon  bei  den  Worten  ix^twaw 
noXv  avrov  wTreg^ia&tu  das  Streben  Diodor^s  zu  Tage,  die  höheren  Angaben  des 
Ephoros  motivirt,  offenbar  mit  der  Motivirung  des  Ephoros  selbst,  vorzufHhren.  Es 
ist  also  vom  Standpunkte  derjenigen,  welche  das  vorliegende  Stück  als  im  Wesent- 
lichen ius  Timaios  ezcerpirt  ann^imen,  ein  Verschmelzen  verschiedener  Berichte  um- 
lingbar ,  und  man  kann  auch  nicht  zu  dem  Auskunftsmtttel  greifen ,  das  Oitat  des 
Ephoros  als  nur  aus  Timaios  herttbergenommen  zu  bezeichnen ,  da  dann  eine  Spur 
der  Missbilligung  der  Uebertreibungen  des  Ephoros,  wie  sie  Timaios  ausgesprochen 
haben  muss,  vorhanden  wSie.  Ich  werde  ttbrigens  weiterhin  zeigen,  dass  es  sehr  zwei- 
felhaft erscheinen  muss,  ob  Diodor  wirklich  das  Stück  sicilischer  Geschichte,  das 
XIV,  54  beginnt  und  hauptsächlich  die  Behigerung  von  Syrakus  durch  die  Karthager 
enthält,  aus  Timaios  entnommen  hat,  um  nunmehr  einen  anderen  eben&lls  wichtigen 
Punkt  zu  berühren.  Wenn  lüimlioh  in  der  soeben  besprochenen  Stelle  in  abstracto 
die  Möglichkeit  zugestanden  werden  muss,  Diodor  habe,  was  er  aus  Ephoros  anführt, 
auch  nur  aus  Timaios,  der  Ephoros  citlrte,  entnommen,  so  giebt  es  in  d&n  sicilischen 
Stücken  (aus  den  griechischen  liesse  sich  der  Beweis  noch  verstiirken)  dne  andere 
Stelle,  in  der  eine  solche  Voraussetzung  unmöglich  ist,  und  die  also  klar  beweist,  dass 
Diodor  jedenfalls  Berichte,  die  er  in  verschiedenen  Büchern  gefunden  hatte,  zu  ver- 
schmelzen verstanden  hat.  Diodor  fügt  XIII,  90  der  Schilderung  des  den  Karthagern 
zur  Beute  werdenden  Reichthnms  der  Akragantiner  bei :  h  oig  xnl  roy  <ßaXa^f§og 
avyififf  xofna&jfytei  ravQOVy  tfiv  (T  ülltiv  liifiXetav  (XatpvQOTTtiXiioe,  rovrov  dk  rov  ravQor 
6  Tiftaiog  iv  taig  luto^iaig  ducßißatfoaafiivog  (ntj  y^yitvivai  to  fS^voXor  vn  avrrfg  r/jg 
Tvxrjg  vXfyz^V'  S^iTtliov  yai»  etc..  und  nun  folgt  ein  schwerer  Tadel  des  Timaios  und 
seiner  Ungenauigkeit,  der  offenbar  aus  Polybios  geschöpft  ist.  Hier  ist  zunächst  klar, 
dass  von  einer  Benutzung  nur  einer  QueUe  durch  Diodor  in  diesem  Falle  nicht  die 
Bede  sein  kann.  Es  liegen  wenigstens  zwei  vor,  die,  welche  den  Untergang  von 
Akragas  berichtete,  und  die,  welche  Timaios  tadelte,  d.  h.  Polybios.  In  der  ersten 
sieht  man  Timaios ;  wenn  das  der  Fall  ist,  so  beweist  das  wieder,  dass  Diodor  seine 
Quellen  zusammenzuarbeiten  verstand,  denn  die  Worte  iv  olg  xnl  ete.  sind  schon  nicht 
mehr  aus  Timaios.  Es  ist  jedoch  keineswegs  sicher,  dass. der  Abschnitt  vom  Luxus 
der  Akragantiner  aus  Timaios  stammt.  Wir  werden  über  die  Benutzung  des  Timaios 
durch  Diodor  unten  sprechen.  Ist  nun  jener  Abschnitt  nicht  von  Timaios ,  so  ist 
allerdings  von  einem  Zusammenarbeiten  zweier  Berichte  nicht  mehr  die  Rede,  es  ist 
dann  das  aus  Polybios  gezogene,  welches  nunmehr  erst  mit  den  Worten  rovrov  6f 
roy  Tttv oov  beginnt,  einfach  an  das  aus  einem  andern  Autor  excerpirte  angereiht 
Allerdings  lässt  Fricke,  wie  wir  sahen,  ein  solches  Verfahren  mit  einem  „höchstens* 


Allgemeines.  343 

als  seiner  Theorie  nicht  widersprechend  gelten,  es  ist  aber  klar,  dass  es  in  Wirk- 
lichkeit ihr  dennoch  widerspricht. 

Fassen  wir  jetzt  die  gewonnenen  Besnitate  zusammen.  £s  ist  gezeigt  worden, 
dass  die  Benutzung  immer  nur  einer  einzigen  Quelle  für  die  alten  Historiker  über- 
haupt nicht  erwiesen  ist,  dass  sie  für  Diodor  insbesondere  weit  entfernt  ist,  allgemein 
gültig  zu  sein,  dass  im  Gegentheil  für  diesen  Schriftsteller  sich  bisweilen  ein  Benutzen 
verschiedener  Quellen  für  dieselbe  Begebenheit  nachweisen  lässt.  Somit  sind  wir  be- 
rechtigt, unsere  Forschungen  über  die  Quellen  der  Geschichte  der  uns  beschäftigenden 
Zeit  ohne  Rücksicht  auf  jenes  Prinzip  zu  führen.  Wir  beginnen  mit  den  Quellen. der 
athenischen  Expedition. 

Grosse  athenische  Expedition.  Hier  kommen  vor  allen  Dingen  in  Beträcht: 
Thukydides,  Diodor,  und  Plutarch  in  den  Biographien  des  Nikias  und  des  Alkibiades. 
Unsere  Aufgabe  ist  insoweit  einfach,  als  der  Werth  des  Thukydides  in  Frage  kommt. 
Thukydides  schrieb  als  Zeitgenosse ;  er  hat  alle  Kennzeichen  eines  einsichtsvollen  und 
gewissenhaften  Hannes ;  er  muss  also  von  vornherein  als  Hauptquelle  betrachtet  wer- 
den. Nur  zwei  Gesichtspunkte  kommen  hier  noch  besonders  in  Betracht.  Es  kann 
einmal  durch  die  noch  zu  unternehmende  Prüfung  der  Übrigen  Quellen  ein  noch  kla- 
reres Licht  auf  den  Werth  des  Thukydides  fallen ;  es  kann  aber  auch  die  zweite  Frage 
aufgeworfen  werden,  inwieweit  Thukydides  selbst,  obschon  Zeitgenosse,  etwa  von 
anderen  schriftlichen  Quellen  abhängig  ist,  wo  dann  natürlich  der  Werth  solcher 
Quellen  zu  erörtern  sein  würde.  In  dieser  Hinsicht  hat  neuerdings  werthvolle  Auf- 
schlüsse gegeben:  £.  Wölflflin,  Antiochos  von  Syrakus  und  Coelius'Antipater,  Win- 
terth.  1872.  8,  wo  wahrscheinlich  gemacht  ist,  dass  Thukydides  nicht  nur  für  die 
Kolonisation  Siciliens  im  6.  Buche,  sondern  auch  für  den  ersten  athenischen  Krieg 
im  3.  und  4.  Antiochos,  dessen  Werk  bis  zum  J.  424  v.  Chr.,  d.  h.  bis  zum  Frieden 
von  G«la  ging,  benutzt  hat.  Dass  Thukydides  für  eben  diesen  Krieg  auch  athenische 
Berichte  zu  Bathe  gezogen  hat,  ist  selbstverständlich.  Thukydides  hat  es  also  ver- 
standen, verschiedene  Quellen  in  einander  zu  verarbeiten.  Für  den  grossen  Krieg 
415—413  war  dagegen  Thukydides  ausschliesslich  auf  eigene  Erkundigungen  ange- 
wiesen; es  ist  klar,  dass  er  sich  auch  von  Syrakusanem  Über  das  bei  ihnen  vorgefallene 
hat  berichten  lassen;  ganz  überwiegend  liefern  ihm  aber  athenische  Berichte  den  Stoff. 

Wir  kommen  nun  zu  Diodor  und  Plutarch.  Die  von  ihnen  benutzten  Quellen 
nachzuweisen,  ist  die  specielle  Aufgabe  der  oben  citirten  Schriften  von  Collmann  und 
Fricke.  Wir  haben  das  Princip,  auf  das  sie  sich  stützen ,  widerlegt ;  damit  ist  aber 
noch  nicht  erwiesen,  dass  sie  Unrecht  hatten,  in  diesem  besonderen  Falle  eine  Ab- 
hängigkeit der  beiden  Schriftsteller  von  je  einer  Quelle  anzunehmen.  Wenn  wir  nun 
die  von  ihnen  beigebrachten  speciellen  Gründe  prüfen,  so  finden  wir,  dass  in  Coll- 
mann's  Beweisführung  nichts  liegt,  was  gegen  seine  Annahme  spräche,  Diodor  habe 
in  diesem  besonderen  Falle,  d.  h.  für  die  Geschichte  der  sicili^chen  Expedition,  nur 
Ephoros  benutzt.  Damit  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  er  gegen  ihn  sprechende  Mo- 
mente übersehen  haben  könnte,  und  eben  hiervon  wird  alsbald  die  Rede  sein.  Anders 
steht  es  jedoch  mit  Fricke's  Beweisführung  in  Betreff  Plutarch's,  die  schon  selbst  zu 
den  schwersten  Bedenken  Veranlassung  giebt.  Wir  haben  sie  jetzt  zu  prüfen. .  Es 
kommt  hier  besonders  der  Nikias  in  Betracht,  wovon  nach  Fricke  S.  33,  cap.l2— 16 
Timaios,  c.  17  bis  zu  Ende  Philistos  entlehnt  sein  sollen.  Worin  liegt  der  Beweis? 
Im  ersten  Theile  finden  wir  fortwährend  bitteren  Tadel  gegen  Nikias,  im  zweiten 
jedoch  werden  zwar  seine  Fehler  nicht  verkannt,  aber  seine  ersten  glänzenden  Erfolge 
bewundert,  sein  trauriges  Ende  bemitleidet,  ja  es  wird  hervorgehoben,  dass  Nikias 
trotz  seiner  Kränklichkeit  Überall  selbst  die  Unternehmungen  leitete.  Schon  diese 
verschiedene  Betrachtungsweise  muss  ans  darauf  hinleiten,  dass  Plutarch  im  ersten 
Abschnitte  dem  wegen  seiner  Schmähsucht  vielberüchtigten  Timaios ,  im  zweiten  da- 


344  Anhang  I.    QHellen  der  Geschichte  Siciliens. 

gegen  dem  PhiÜBtos  gefolgt  ist.  Wir  können  dies  aber  auch  an  viel  deutlidieren 
Spuren  nachweisen ;  denn  Plutarch ,  der  den  Timaios  selbst  wegen  seines  Aberglau- 
bens tadelt,  erzählt  ihm  dennoch  im  ersten  Theile  alle  seine  derartigen  Oeschichten 
nach,  obgleich  er  später  in  Betreff  der  Mondfinstemiss  ganz  anders  urtheilt.  Zudem 
nöthigt  in  dem  ersten  Abschnitte  auch  einmal  die  Chronologie,  das  andere  Mal  ein 
Fragment,  Timaios  als  Quelle  anzunehmen;  in  der  späteren  Erzählung  aber  wird  Ti- 
maios nur  citirt,  um  seine  abweichende  Ansicht  anzumerken,  Philistos  dagegen,  um 
das  berichtete  zu  bekräftigen.''    Hiergegen  ist  zu  bemerken  : 

1)  Angeblicher  Tadel  und  Lob  des  Nikias.  In  c.  12 — 16  soll  fortwährend  bitterer 
Tadel  gegen  Nikias  sein.  Wir  finden  aber  in  c.  14,  des  Nikias  Ver&hren  den  Athe- 
nern'gegenüber  sei  ävdQos  xQ^^^ov  xal  amtfQovog  gewesen,  und  in  c.  16  wird  tob  der 
Landung  am  Olympieion  gesagt:  roOr'  «oiartt  Ntxiag  iar^arriynae  mgl  ZixüJnv,  Das 
ist  kein  fortwährend  bitterer  Tadel.  In  Wirklichkeit  verhält  sich  die  Sache  so: 
Plutarch  urtheilt  jedesmal  so  über  Nikias,  wie  er  es  ihm  zu  verdienen  scheint.  Daher 
im  1.  Theil  (c.  12—16)  neben  dem  Tadel  das  soeben  hervorgehobene  Lob,  daher  im 
2.  der  von  Fricke  selbst  nicht  verkannte  Wechsel  von  Lob  und  Tadel.  Ich  bemerke 
noch,  dass  der  Tadel  auch  in  der  comparatio  zwischen  Nikias  und  Crassus  Platz  ge- 
funden hat,  die  doch  nicht  von  Timaios  herstammt. 

2]  Aberglaube.  Auch  hier  erklären  sich  alle  Bemerkungen  Plutarch's  durch  die 
Thatsachen  selbst.  Im  1.  Theil  (c.  13)  werden  die  omina  erzählt,  die  vom  Unterneh- 
men abmahnten,  das  ja  unglücklich  ablief.  Im  2.  Theil  (c.  23}  wird  ausdrücklich  ge- 
sagt, dass  nach  Philochoros  die  Mondfinstemiss  ein  günstiges  omen  iiir  die  Fliehenden 
war,  dass  aber  Nikias  das  Unglück  hatte,  (^ndl  fiärrty  ^x^iv  ifijrtiQov,  Der  Stand- 
punkt des  Schriftstellers  ist  also  kein  anderer  geworden:  die  Wichtigkeit  der  omina 
wird  auch  jetzt  noch  anerkannt  Wenn  femer  Plutarch  in  c.  23  von  den  Fortschritten 
der  Wissenschaft  spricht,  was  er  in  c.  13  nicht  gethan  hat,  so  gestattet  das  noch 
keinen  Schluss  auf  zwei  Quellen  verschiedenen  Standpunktes ;  eine  solche  Bemerkung, 
die  in  c.  23  passt,  würde  in  c.  13  gar  nicht  gepasst  haben. 

3)  Die  Citate  beweisen  für  grosse  Abschnitte  nur  dann  etwas,  wenn  bereits  fest- 
steht, dass  Plutarch  das  Princip  befolgte,  das  oben  als  unerwiesen  gezeigt  ist.  Für 
eine  solche  Annahme  spricht  nichts,  gegen  sie  sehr  erhebliches. 

Wenn  für  einen  Annalisten  eine  innere  Unmöglichkeit  nicht  vorliegt,  die  Ge- 
schichte eines  Jahres  aus  einer  Quelle  abzuschreiben  und  die  des  nächsten  aus  einer 
anderen  ganz  verschiedenen  Charakters,  so  ist  es. bei  einem  einigermassen  verstän- 
digen Biographen  geradezu  unmöglich,  dass  er  in  der  ersten  Hälfte  der  Thaten  seines 
Helden  sich  treu  an  eine  Quelle  anschliesse,  die  consequent  tadelt,  in  der  zweiten  an 
eine  andere,  die  ebenso  principiell  lobt.  Eine  Biographie  Napoleon's ,  halb  aus  Thiers, 
halb  aus  W.  Scott  getreu  excerpirt,  ein  Leben  Friedrich' s  des  Grossen,  halb  aus 
Friedrich's  eigenen  Schriften,  halb  aus  0.  Klopp  geschöpft,  sind  Arbeiten,  9^  denen 
ein  gereifter  Mann  sich  nicht  versteht.  Welche  Vorstellung  muss  man  sich  von 
Phitarcli's  wissenschaftlichem  Werthe  und  philosophischer  Bildung  machen,  um  es 
glaublich  zu  finden,  dass  er  sich  vornehmen  konnte,  von  den  3  Jahren  der  Expedi- 
tion das  enste  getreu  nach  Timaios,  die  zwei  anderen  getreu  nach  Philistos  zu  erzählen, 
mit  sclavischer  Copirung  der  Urtheile  dieser  Schriftsteller,  wovon  dann  die  Folge 
war,  dass  ihm  im  ersten  Jahre  Nikias  ein  Schwachkopf,  in  den  beiden  andern  ein 
Held  wurde?  Um  eine  Biographie  zu  schreiben,  hat  man  sich  aus  den  Thaten  seines 
Helden  einen  Begriff  von  seinem  Charakter  zu  machen.  Das  hat  Plutarch  gethan. 
Wenn  er  dann  glaubt,  tadeln  zu  müssen,  kann  man  nicht  sagen:  dies  Stück  hat  er 
aus  einer  Quelle  abgeschrieben,  die  immer  tadelt,  und  wenn  er  lobt:  dies  stammt  aus 
einer  entgegengesetzten.  Es  kommt  nun  {n  diesem  besonderen  Falle  noch  hinzu,  dass 
die  häufigen  Citate  in  den  capp.  17—30  Fricke  selbst  nöthigen,  dem  Plutarch  die 


Allgemeines.  Plutarch.  345 

Benutzung  verschiedener  Anderer  Quellen  zuzuschreiben,  sodass  man  nicht  umhin 
kann  zu  fragen,  warum  denn  nur  da  eine  andere  Quelle  vorhanden  sein  soll,  wo  eine 
solche  citirt  wird,  mit  anderen  Worten,  woher  wir  wissen,  dass  Plutarch  immer  seine 
Nebenqu^llen  citirt  hat?  Der  stärkste  Gegenbeweis  g^en  die  Befolgung  immer  einer 
einzigen  Quelle  durch  Plutarch  im  Nikias  liegt  aber  in  dem,  was  auf  S.  47  Fricke 
selbst  über  den  Alkibiades  des  Plutarch  sagt,  der  bis  zum  12.  Cap.  »aus  den  ver- 
schiedenartigsten Schriftstellern  zusammengetragen"  ist.  Also  verstand  Plutarch  das 
und  übte  es  bisweilen,  warum  nicht  auch  im  Nikias? 

Jetzt  sind  npch  einige  Worte  über  die  Bemerkung  Fricke's  S.  47  hinzuzufügen, 
es  lehre  »eine  aufmerksame  Beobachtung,  dass  Plutarch  meist  in  syrakusanischen, 
Thukydides  in  athenischen  Angelegenheiten  ausführlicher  ist".  Ich  habe  aus  Fricke 
selbst  excerpirt,  wie  oft  Plutarch  ausführlicher  ist  als  Thukydides ,  I.  in  athenischen, 
II.  in  syrakusanischen  Dingen,  und  folgendes  Ergebniss  erhalten: 
I.    1.  c.  12.  13.  Vorbereitungen  und  Vorbedeutungen  in  Athen. 

2.  c.  16.  Nikias  und  das  Olympieion. 

3.  c.  17.  Nikias'  Krankheit.    Lob  der  Athener. 

4.  c.  20.  Die  Athener  hatten  schon  ein  Heer  schicken  wollen. 

5.  p.  20.  Ehrgeiz  der  Mitfeldherren  Schuld  der  Niederlage. 

6.  c.  21.  Ankunft  und  Heer  des  Demosthenes. 

7.  c.  22.  Vorwürfe  des  Nikias  und  Rechtfertigung  des  Demosthenes. 

8.  c.  23.  Nikias  und  die  Mondfinstemiss. 

9.  c.  24.  Anordnung)en  der  Athener. 

10.  c.  26.  Kläglicher  Zustand  des  Nikias. 

11.  c.  27.  Selbstmordversuch  des  Demosthenes. 

12.  c.  30.  Stimmung  u.  s.  w.  in  Athen. 

U.     I.e.  14.  Erbeutung  eines  Schiffes  mit  den  Bürgerregistem. 

2.  c.  15.  Lais  aus  Hykkara. 

3.  c.  18.  Lamachos  gotödtet  durch  Kallikrates. 

4.  c.  19.  Gongylos  anfangs  mit  Misstrauen  empfangen. 

5.  e.  21.  Zahl  der  athenischen  Todten  auf  Epipolae. 

6. 7.  c.  24.  Thätigkeit  der  Fischerknaben.    Herakleion. 

8.  c.  25.  Syrakusanische  Wahrsager. 

9.  c.  25.  Arlston  und  sein  Tod. 

10.  c.  28.  Volksversammlung  in  Syrakus. 

11.  c.  29.  Die  Athener  in  den  Steinbrüchen. 

Also  12  athenische  gegen  11  syrakusanische,  wobei  noch  zu  bemerken  ist,  dass  II,  1 
ebenso  gut  die  Athener  berührt  wie  die  Syrakusaner,  und  dass  11,  2  eigentlich  mehr 
Griechenland  betrifft  als  Syrakus.  Ueberdies  ist  noch  zu  beachten,  dass  Thuk.  VI, 
72.  73  ausführlicher  ist  über  die  Wahl  der  3  Feldherren  in  Syrakus  als  Plut.  Nik.  16. 

Es  hat  sich  also  die  Behauptung,  dass  Plutarch  ausfuhrlicher  sei  in  syrakusani- 
schen Dingen,  nicht  bestätigt,  und  damit  ist  der  Annahme,  dass  Plutarch  auf  den 
beiden  Sikelioten  Timaios  und  Philistos  fhsse,  eine  Hauptstütze  entzogen.  Diese 
Behauptung  erweist  sich  also  mehr  und  mehr  als  unbegründet. 

Nach  Abweisung  der  bisherigen  Versuche,  die  Quellen  von  Diodor  und  Plutarch 
für  den  athenischen  Feldzug  nach  Sicilien  zu  bestimmen,  haben  wir  nunmehr  die  Ver- 
pflichtung, eine  selbständige  Untersuchung  anzustellen.  Wir  beginnen  mit  Plutarch, 
speciell  mit  seinem  Nikias.  Nach  dem  Besprochenen  nehmen  wir  für  ihn  die  Mög- 
lichkeit einer  Benutzung  verschiedener  Quellen  für  denselben  Gegenstand  in  Anspruch. 
Sodann  behaupten  wir,  dass  ein  verständiger  Historiker,  auch  des  Alterthums,  um 
das'  Lob  der  Treue  zu  verdienen ,  nicht  verpflichtet  ist ,  alle  Begebenheiten  in  der- 
selben Ordnung  zu  erwähnen,  wie  die  Quelle  es  thut,  aus  der  er  schöpft,  und  dass 


346  Anhang  I.    Quellen  der  Geschiebte  Siciliens. 

er  nicht  eine  andere  Quelle  benntst  haben  musB,  wenn  er  in  der  Reihenfolge  g^ewieser 
Mittheilungen  von  dem  Schriftsteller  abweicht,  den  man  sonst  als  seine  Quelle  be- 
trachten würde.  Diese  Bemerkung  ist  besonders  Fricke's  wegen  nothwendig,  der  an 
mehreren  Stellen  seiner  Schrift  die  abweichende  Reihenfolge  von  Erwähnungen  bei 
PIntarch  im  Vergleich  mitThukydides  als  eine  wirkliche  Verschiedenheit  beider  Schrift- 
steller bezeichnet,  die  fUr  das  Urtheil,  dass  Plutarch  Thukydides  nicht  benutzte,  mit- 
bestimmend sein  soll.  Auf  S.  35,  37  und  40  der  Fricke^schen  Schrift  finden  sidi  solche 
Bemerkungen,  die  mit  Entschiedenheit  als  günzlich  irrelevant  bezeichnet  werden 
müssen.  Wenn  z.  B.  Frieke  S.  40  sagt :  ,,zudem  spricht  Plutardi  zuerst  von  Demoethe- 
nes,  dann  von  Eurymedon,  Thukydides  umgekehrt,**  so  ist  die  Erwartung,  die  in  dieser 
Bemerkung  liegt,  ein  Historiker,  zumal  ein  i^Uoeophlsober  Kopf  und  sprachgewandt 
wie  Plutareh  es  war ,  mfisse  seine  Quellen  so  benutzen ,  dass  er  dergleichen  Notizen 
in  derselben  Reihenfolge  zu  geben  habe,  widrigenfalls  man  annehmen  mfisse,  er  habe 
eine  ganz  andere  Quelle  benutzt,  doch  allzu  eigenthttmlich.  Wenn  noch  zwei  Quellen 
vorlägen,  von  denen  die  eine  die  Notizen  in  der  Plutarchischen  Reihenfolge  gäbe,  die 
andere  nicht,  so  könnte  man  darin  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  für  die  Annahme 
finden,  Plutarch  habe  die  erstere  benutzt ;  aber  zu  Gunsten  einer  unbekannten  Quelle 
eine  bekannte  wegen  anderer  Reihenfolge  ausschliessen ,  das  geht  nicht  an.  (Lange 
nachdem  Vorstehendes  geschrieben  war,  finde  ich  in  W5tfflin*s  angeführter  Schrift 
S.  82.  83  hierher  gehörige  Bemerkungen,  weldie  ganz  dasselbe  sagen.) 

Ich  gehe  nun  Plutarch's  Nikias  12—30  durch,  indem  ich  die  hier  vorkommenden 
sachlichen  Abweichungen  von  Thukydides  und  die  Aehnlichkeit  im  Ausdruck  mit 
demselben,  mit  Benutzung  der  Fricke'schen  Schrift,  notire. 

In  c.  12  werden  die  Vorbereitungen  der  Athener  zum  Zuge  nach  Sicilien  be- 
sprochen. Abweichungen  von  Thukydides :  Plutarch  nennt  Demostratos  als  denjenigen 
Athener,  der  den  Nikias  drängte,  geradeheraus  zu  sagen,  wie  gross  denn  eigentlich 
die  Rüstungen  sein  mUssten  (Fr.).  Wenn  Plut.  Leontiniscbe  Gresandte  als  neben  den 
Egestäischen  thätig  nennt,  was  Thuk.  nicht  thut,  so  spricht  dieser  doch  VI,  12  und 
19  von  der  Thätigkeit  der  Leontinischen  fpvyadcg  in  Athen.  Nach  Plut.  wäre  Nikias 
der  erste  Feldherr  gewesen ;  nach  Thuk.  VI,  8  Alkibiades.  Die  ttbrigen  von  Fr.  34 
geltend  gemachten  Unterschiede  betreffen  die,  wie  oben  bemerkt,  von  Plut.  genauer 
geschilderten  Stimmungen  in  Athen,  sind  aber  theilweise  nicht  vorhanden,  oder  nicht 
so  aufzufassen,  wie  Fr.  sie  darstellt.  Bei  Plut  wirft  Nikias  dem  Alkibiades  Ehrgeiz 
vor;  nach  Fl',  soll  sich  das  bei  Thuk.  nicht  finden;  das  ist  ein  Irrthum,  vgl.  Thuk. 
VI,  12  und  unten.  Wenn  sodann  Plutarch  die  Absicht,  Karthago  u.  s.  w.  zu  erobern, 
den  Athenern  selbst  zuschreibt,  Thuk.  VI,  15  aber  sie  nur  dem  Alkibiades  beilegt, 
so  ist  diese  Verschiedenheit  nicht  von  der  Bedeutung,  die  ihr  Fr.  beimisst,  und  kann 
insbesondere  deswegen  nicht  als  Widerspruch  zwischen  beiden  Schriftstellern  betrachtet 
werden,  weil  auch  Plut.  sagt,  dass  das  Volk  zu  derartigen  HofFhungen  gekommen  sei 
durch  die  Aufreizungen  des  Alkibiades,  xarffor/orro;  IjSrf  nlrj^os  fXniai.  Fr.  34  meint 
zwar,  dass  die  Athener  solche  Erwartungen  gehegt  haben  sollten,  sei  nur  eine  „über- 
treibende Ausmalung^',  eine  ..bittere  Ironie^'  des  Siciliers  Timaios.  Ich  sehe  nicht  ein, 
warum.  Bei  dem  bekannten  Charakter  des  athenischen  Volkes  ist  es  nichts  wunder- 
bares, dass  solche  Luftschlösser,  wenn  ein  Alkibiades  sie  baute,  bald  einem  Theile 
der  Athener  als  leicht  zu  realisiren  vorschwebten.  Man  wird  das  Gros  der  Athener 
doch  nicht  für  verständiger  halten  als  Alkibiades !  Umsonst  hat  Aristophanes  seine 
Vögel  nicht  geschrieben.  Die  Verschiedenheit  zwischen  Plutarch  und  Thukydides 
kommt  also  nur  darauf  hinaus,  dass  Plutarch,  wie  so  oft,  Details  giebt,  die  Thukydi- 
des nicht  hat,  aber  nicht  auf  einen  Widerspruch  zwischen  beiden.  Man  kann  a^ch 
sagen,  er  führt  von  Thuk.  angedeutetes  ausmalend  weiter  aus.  Nun  die  Aehnlich- 
keiten  zwischen  Thukydides  und  Plutarch. 


Plttt.  Nik.  12— 14  und  Thükydides.  347 

Thuk.  VI,  15:  Plut.  N.  12: 

^jilMtßiadfig  —  —  tor  xal  ig  räXla  Stuifo^    xal  tfkevrw  diißaXe  rov  'jiXxißtaSfjr, 
gog  {r,  Nix,)  -^  xttl  ort  aifjov  dtußoliog 
IfirriaS-ij. 

Thuk.  VI,  26:  Plut.  N.  12: 

ovx  iffri  xqrivai  nQotfaaiC^o^-iti.  ilifuj    top    Nixtav    npotfaxtfig    Xfyovra 

navaitv. 
Thuk.  VI,  26:  Plut.  N.  12: 

ol  l^d-rivatot  Ixpvfifiüttvxo  ttvT^XQatoQag  üTiwg  avroxQttwo^ig  ioaiv  ol  aTQarrjyoX 
iipat  —  xal  —  nqdü9^tv ,  tf  uv  etc.  —  —  xal  ngarropreg . 

Ueber  c.  13  des  NIkias,  die  prodigia  enthaltend,  2suer8t  die  ftir,  dann  die  gegen 
den  Zug  sprechenden,  habe  ich  hier  nichts  zu  sagen :  das  ist  durchaus  neu  bei  Plutarch. 

In  c.  14  haben  wir  die  Erbeutong  des  syrakusanlschen  Schiffes,  von  Thukyd. 
niebt  erw&hnt  (s.  o.).  Die  Bemeifcung  Fricke's  (35),  dass  bei  der  Auseinandersetzung 
der  Operationspläne  der  3  Feldherren  Thükydides  von  Plutarch  nicht  benutzt  sei, 
widerlegt  sich  durch  einen  Vergleich  der  beiden  Schriftsteller: 

Tbuk,  VI,  49 :  *  Plut.  N.  14 : 

AdfAK^og  öl  avtix^vg  tkpri XQijvtti  nXftr  c  dk  Aafjiaxov  fih  avrtxQvg  K^tovvtog 
inl  2vQttxovoag,  xul  ngog  rjj  noXa  nX^iv  inl  SvgaX'OViSug  xtt)  f^d^rjv 
wg  tdx^OTU  tifv  fiuxv*^  n^tsttfd'at,  tyytxftu  t^g  n-oXeutg  n^f-ivat, 

48:  j^Xxifi.  —  fg  re  tag  noXeig  —  rovg  ItiXxißtdiov  öl  r«?  noXeig  atf^tardvai 
^v  aifta^uvtti.  «Tih  rw  XvgaxoatfBV  Zvgu-xovaltav ,  ei^  ovtiog  In  ttvrovg 
—  ovroi;  ff(fi7  XvQaxovaatg  4nix^igitv.  ßaöfC^Vf 

Al:(^ik.)7tttQanXtvGavTagragttXXag  td  ivavrüc  X4yiov  xal  xeXewov ,  arglfia 
voXiig  xal  intd^i^aprag  filv  triv  Sifva-  naga  rr/v  £tx(Xt(tv  xofitCofifvovg  xetl  tkqi- 
fjLtv  T??  ^A&Tiv.  TioXf^g  —  dTtonXeiv  nX^ovrag  iniö^t^ttaB-ae  ta  onXa  xal 
otxuSi.  tag  XQiiiQBtg  eix'  dnoTtXtiv  'ji&i^vaCt- 

Hiernach  ist  Fricke's  Behauptung -(BS),  es  zeige  sich  „im  Einzelnen  kein  Anklang*' 
an  Thükydides  bei  Plutarch,  irrig.  Wenn  derselbe  weiter  geltend  macht,  dass  „auch 
hier  die  umgekehrte  Beihenfolge  lehre,  dass  Thükydides  nicht  benutzt  ist,''  so  lässt 
sieh  in  diesem  Falle  besonders  gut  zeigen,  wie  wdhig  das  schon  oben  im  Allgemeinen 
surtlckge^iesene  Kriterium  auch  im  Einzelnen  passt.  Die  Reihenfolge  bei  Thükydides 
ist:  1)  Kikias,  2)  Alkibiades,  3)  Lamachos  —  fortschreitend  vom  Lässigsten  zum 
Energischsten.  Plutarch  aber  schreibt  eine  Biographie  des  Nikias,  der  überdies  bald 
der  einzige  FUhrer  des  Unternehmens  wird.  Deshalb  bringt  er  die  Vota  der  beiden 
anderen  Feldherren  in  absol.  Gen.  voran,  den  Thükydides  fast  wörtlich  benutzend, 
und  schliesst  mit  dem  Votum  des  Nikias.  So  tritt  die  entgegengesetzte  Abstufung  zu 
Tage:  vom  Entschiedensten  zum  Zahmsten.  Man  darf  fragen:  wie  denn  ein  verstän- 
diger Biograph  des  Nikias,  ^em  der  einfache  Bericht  des  Thükydides  vorlag,  seine 
Benutzung  desselben  hätte  anders  einrichten  sollen? 

Schliesslich  vergleichen  wir  noch  die  in  demselben  Kap.  erzählte  Recognoscirungs- 
fahrt  der  Athener  in  den  Hafen  von  Syrakus,  wobei  das  Schiff  genommen  wurde : 

Thuk.  VI,  50:  Plut.  N.  14: 

öixa  öl  t(Sv  vidtv  nqov7i€fjt\pav  ig  thv  fxfyav    öixa    öl    xatfiXavvov   itaio   xaraaxoTitjg 
Xi^iva  —  xataaxixlfaü&ai  xalxriQV^aif     iXvtxa   xal  Aiovxivovg  inl   tijv  oixilav 
OT*  ^Ad^vatoi  rjxovGi  A^üvtlvovg    ig    t^v     dnoxuXovatii  dia  xrj^vxog  avrat. 
iavTüßv  xttTOixtovVTfg. 

In  c.  15  „stellt  Plutarch  das  Verfaältniss  d^s  Lamachos  zu  Nikias  nach  dem  Weg- 
gange des  Alkibiades  als  abhängig  dar,  Thuk.  VI,  62  sagt  hiervon  nichts*-  (Fr.  35). 
Indess  ergiebt  sich  diese  Abhängigkeit  für  einen  denkenden  Leser,  wie  Plutarch  es 
war,  aus  der  gesammten  Geschichtserzählung  des  Thükydides,  und  es  konnte  Plutarch 


1% 


348  Anhaeg  I.  ,QueUen  der  Geschichte  Siciliens. 

nicht  schwer  fallen,  dies  zu  sehen  and  mit  einigen  Worten  auszusprechen.  Wenn 
Plut.  femer  die  Zweitheilung  des  Heeres  (Thuk.  VI,  62)  nicht  hat  (F.  36) ,  so  ist  diese 
Theilung  ein  taktisches  Detail,  das,  ohne  Bedeutung  für  den  gesammten  Gang  des 
Krieges,  nicht  von  Plutarch  aufgenommen  su  werden  brauchte. 

In  Betreff  des  Verfahrens  des  Nikias,  der  sich  durch  Unthätigkeit  TerächtUcfa 
macht  und  nur  Unbedeutendes  unternimmt,  vergleiche  man 

Thuk.  VI,  63:  Plut.  N.  15: 

ave&aQOovv  ftaklov  { ol  ^vqixm,  )  xal  TrQtSrov  ^kv  ttirm rata  rmv  nolififar  ($tni- 
imtjfj  7tXiovT€s  ra  re  inixuva  trji  Xi*  ^t^nli^v  SmiXCav  S-aQöog  tldutxey  auroiSf 
TCfUag  noXv  ano  at^mv  ItfuCvovJo  nttl  tiqoq  ineita  nqcgßuliihf  "YßXt},  tioXmx*^^  ,««- 
rriv  "YßXav  il^6vTi:g  xal  n€iQttaavTfc ovx  »Q^t  ^f*^  nQiv  iXeip  «noarnSf  xofttd^ 
eiXov  ßtttt  hl  TtX^ov  xantfQOVTjOnp,       xare<fQovii&ii. 

Fricke's  Bemerkungen  über  die  I^eihenfolge  der  Begebenheiten  bei  Thukjdidee 
(S.  36),  die  doch  eine  Abweichung  von  Plut.  constatiren  sollen,  sind  thatsi&dilieli 
fälsch.  „Thukyd.  erzählt  den  Angriff  auf  Hybla  erst  VI,  63  als  Grund  der  Missachtung 
der  Syrakusier^'  (nicht  richtig:  schon  VI,  62;  übrigens  theilt  ihn,  wie  VI,  63,  auch 
Plut.  mit,  sich,  wie  wir  sahen,  an  Thukyd.  anlehnend),  „die  Ankunft  in  Katane  aber 
VI,  62,  früher  als  die  Einnahme  von  Hykkara""  (falsch,  man  lese  Thuk.  VI,  62).  Wenn 
er  dann  weiter  sagt,  dass  die  Erwähnung  des  Timaios  in  Betreff  der  Abstammung 
der  Lais  aus  Hykkara  charakteristisch  ist,  weil  Timaios  allein  itlr  die  Abstammung 
aus  Hykkara  angeführt  wird,  wtthrend  Nymphodoros  Hykkaron  angab,  so  ist  dies  voll- 
kommen irrelevant,  da  die  Form  Hykkara  schon  durch  Thukydides  bekannt  war,  und 
Plutarch  also  auch  eine  Notiz,  dass  Lais  aus  Hykkaron  sei,  mit  Anwendung  der 
Form  Hykkara  aufnehmen  konnte. 

In  c.  16  verstärkt  Plut.  die  Bemerkung  des  Thuk.  VI,  64,  dass  die  Athener  in 
Anbetracht  des  Uebermuthes  der  Syrakusaner  nach  Syrakus  zogen,  dahin,  dass  Niktas 
fioXts  rngfujoi  (Fr.  36).  Fr.'j  Bemerkung, .  dass  Thuk.  schon  vorher  die  Rüstung  der 
Athener  zum  Zuge  erwähne,  trifft  nichts  wichtiges.  In  den  Berichten  der  Verhöhnung 
der  Athener  haben  wir  folgende  Beziehungen  zwischen  Thukydides  und  Plutarch : 
Thuk.  VI,  63.  64.  Plut.  N.  16: 

oiov  «fij  oxXog  (fiXtZ  &«Qa^att£  noifi^ N«  erfahrt,  die  Syrakusaner  würden  kom- 

iTTTiijs  T€  TiQogtXavvovTis  —  xal  ßo9'  men,.  T€^a^^ijx6ttts'  ol  <r  Inmlg 
Xo^ufyoi  {ut  aTQajfiyoi)  avToitg  ayitv  —  ngogkXfxvvovxBg  $<fi;  nqog  ro  ffr^«TÖ- 
avxol  6k  axQaronidov  xavaXaßkiv  xad^'  mdov  fiQmr^v  —  —  »tt\  ßovX6jH€vog 
r^av^fttv  —  adetSg    xol    x « ^    ^avx^ov    f^QVütu  rhv 

axQnrov  — 

Der  falsche  Freund  der  Syrakusaner  sagt: 

Thuk.  VI,  64 :  Plut.  N.  16  : 

klvai  6k  xavxtc  xovg  ^vv^Qctoovxag  noX»  noXXovg  d^  i2fnt  xoifg  avrear^uxag  ij^r,. 
Xovg  Kttravaitov. 

Als  nun  die  Athener  gelandet  sind,  wählen  sie  zum  Lager  einen  Ort: 
Thuk.  VI,  66:  Plut.  N.  16: 

wo  oi  innijg  xidv  2vQaxoa((av  ^xiax  av  o&€v  rjxiaxa  ßXanxofjerog,  otg  XdTifG^t 
avxovg  Ximi^anv,  xiov  TToXffifww  I66xu  — 

Erfolg  der  Schlacht: 

Thuk.  VI,  70:  Plut.  N.  16: 

xa\  InX  TfoXv  fikv  ovx  i^itft^av  ol  *A&ri~    xal  noXXovg  fikv  ovx  dnixxnvi  xw  no-^ 

vuToi  [ol  yuQ  InTrrjg XffjilofV  olytCQ  Inntig  ifino6tw  $y4vorxo 

xj  diioSd. 
Es  ist  also  ein  Irrthum  Fricke's  (36),  dass  sich  in  c.  64 — 70  ,tim  Einzelnen  durch- 
aus keine  Aehnlichkeit^  zeige.    Das  „Abbrechen  der  Brücken  durch  die  Athener 


Plut.  Nik.  1&— 17  und  .Thukydides  349 

berichtet  Thuk.  VI,  66  nur  von  der  über  den  Anapos'^  (Fr.  36).   Wer  Plut.  nachliest, 
findet  dort  toi?  notafiov  rag  yetfvgag,  also  gerade  wie  bei  Thuk.  nur  über  den  Ana- 
po8,  nur  das»  Plut.  den  Plural  setzt,  eine  leise  rhetorische  Ausschmückung. 
Nach  der  Schlacht: 

Thuk.  VI,  72  :  Plut.  N.  16 : 

Die  Kritik  des  Nikias  hat  nur  Plutarch.  Eis  werden  statt  der  bisherigen  15  nur 
3  Feldherren  gewählt : 

Thuk.  VI,  72:  Plut.N.  16: 

Herrn,  verlangt  9A»  avxoxgatogag  -^  xal    alg  n iartv  Utaxtv  6  6rifuig  6i    oQXfaw  n 
ofiooai  avToig  ro  oqxiov  tj  firip  idaeiv    firjv  idaeif  avtoxQdto(f'ag. 
aQX^tv  üTtrji  av  InlaTtovttti, 

Die  Angabe  Plutarch's,  dass  Nikias  absichtlich  das  Olympieion  nicht  nahm,  wi- 
derspricht nicht  dem  Thukydides,  der  nur  sagt,  dass  er  es  nicht  nahm.  Uebrigens 
macht  dies  Verfahren  dem  Nikias  Ehre ,  und  würde  also  gar  nicht  in  den  Abschnitt 
c.  12  —  16  passen,  wenn  derselbe  wirklich  nur  den  Nikias  Herabsetzendes  enthalten 
sollte. 

Als  die  Athener  nach  Naxos  gegangen  sind,  werden  die  Syrakusaner  wieder  über- 
müthig  und  ziehen  nach  Katane: 

Thuk.  VI,   75:  Plut.  N.  16: 

xal  irig  j€  yr^g  avTtov  Urtfiov  xal  rag  xal  tjJi'T«  x^9^^  Tifiiiv  xa\  xo  ajga- 
ruiv\4d^7ivaCiov  axrivag  xal  t6  axQftjQ-  toticJov  x^xaxctvoai  raiv  'A^tj- 
n^öov  ifingr^aavTig.  vniiav, 

Dass  Thuk.  das  Gewinnen  einiger  sikelischen  Städte  erst  VI,  88  angiebt  (Fr.  37), 
kommt  einfach  durch  die  kamarinäische  Episode  (75  —  88).  Aus  dießem  Kap.  88  hat 
übrigens  Plut.  N.  16  folgende  Zusammenstellung  genommen : 

Thuk.  VI,  88:  Plut.  N.  16: 

o/  (T  ^Ad-rjvaioi  iy  jj  Na^tp  —  f«  7ig\bg  tig  Nd^ov,  xanit  <r*«;|ff //i«a€  —  Tr^dr- 
Tovg  ^ixeXovg  inqaaaov  —  —  ol  Ttav  ßk  fAixga  ngog  ^txtXovg  rivag 
nokkol  «(f.eaT^xeaav  —  to  argaro'  dtf'iarafAivovg  —  —  xal  ro  ar^icrö- 
TtiJov  o  xaTSXitvd-ri  (<voQ9'(öaavT£g  (fi£-     ns6ov  xaraxavOat, 

Es  ist  interessant  und  für  das  Verfahren  Plutarch's  bei  der  Benutzung  seiner 
Quellen  sehr  lehrreich,  zu  sehen,  wie  er  sich  hier  an  das  zusammenfassende  cap.  88 
anächliesst,  gerade  wie  er  oben  in  c.  15  sich  an  das  Resum^  in  cap.  63  angeschlossen 
hatte. 

c.  17.  Endlich  wirklicher  Angriff  auf  Syrakus,  wobei  es  dem  Zwecke  Plutarch's 
sehr  wohl  entspricht,  dass  er  die  von  Thukydides  „ruckweise"*  (Fr.  37)  gegebenen  No- 
tizen Über  den  Mauerbau  des  Nikias  durch  eine  allgemeine  Bemerkung  ersetzt  hat. 
Es  heisst  bei  der  Schildemng  des  Anmarsches  der  Athener  bei 

Thuk.  VI,  97:  Plut.  N.  17: 

tkctd^ov  ttVTovg  —  Toug  ne^ovg  dnoßißd^    war«  la'd-eiv  fxlv  ffg  Bdxpov  tnig  vnval 
Gavregf   raig  n  vavalv   ig  rrjv  Sdipov    TtQogfjiilag  xal  unoßag,  tf&dv€i  ^l  rag 
xa&oQ/btirOd/iiivoi  —  6   di  ne^og  Ix^Q^*'  —    ^EninoXag  xatito/tov  — 
TiQog  rdg^EjimoUtg  xal  (f&dvei  uvaßdg. 

Dann  findet  sich  der  falsche  Ausdruck  des  Plut.  iXtty  rgiaxoaCovg  für  tOdten, 
vgl.  Fr.  37.  Dass  der  Schluss  von  c.  17  nicht  von  einem  Syrakusaner  sein  kann,  be- 
merkt Frioke. 

c.  18.  Kampf,  in  dem  Lamachos  fällt.  Plutarch,  ausführlicher  über  seinen  Tod, 
nennt  den  Namen  KaUikrates.  Nikias,  der  nur  vTrrjofyai  bei  sich  hat,  die  auch  Thuk. 
VI,  102  erwähnt,  beinahe  gefangen. 


354j  Afibaag  I.    <^iieUeA  der  Geadiidbte  Sieflient 

Thuk.  M,  1m2  Plat.  X.  H . 

tov  tiix^^i  ^>  Mmtußtßkiim^wm,  ifi>"  ngo  tmw  vcijj^tir  Itiyz^tr  *i%  M^jm- 
nQ^öai  lol'i  infi^iia^  lii'ß.ivatr.        vis  jraQmßfßkuftivm  scS  wkc  «^jf«ri[> 

avrms,  nCg  xmmipmrtmg^  mt^ai, 

Xan  wird  die  gute  Lage  der  Atfaeaer  geflcfaildert,  die  jetzt  sor  XikiM   uirmt  vmm 
mtqujfiY^r,  Pfait. :  uovg  ilyt  tiip  ugjriw ,    Tfauk.  YI,  103   hMtiSi^    Die  Synkvmia 
rerzageo.    Dieselben  Momente  werden  bei  Plnt.  und  Thnk.  hei  foi gehoben : 
Thnk.  AX  l^i3:  Phi».  K.  I>: 

In  nnmittdbnrem  ZoBsnnnenhang  damit  steht  sodann  bei  Phit  wie  bei  Thnkjd. 
der  Bericht  ron  der  ersten  Regung  der  Gedanken  an  Eingebung  in  Sjiakus: 

Thuk.  VI,  103:  Phit.  N.  IS: 

rovg  te  Xoyovg  h  t€  ^tfioip  avrotg  iTrot-  xal  loyi  iireg  ^Sfi  Twagtt  tmr  JE^gtat^ 
üurtü  (vfAßaTtxövg  xttl  n^üg  tüv  Si'  oimv  iyivano  n€Ql  (vpßtcoe^g  ^Qog 
n(ttv.  avTov. 

Hieran  wiederum  schliesst  sich  unmittelbar  bei  Beiden  der  Bericht  über  die  Tbl- 
tigkeit  des  Gylfppos: 

Thuk.  VI,  103:  Plut.  N.  18: 

anoQOvrTwv  (riuy  2ügax.)   104.  log  ttvtoTg    mg  ijxovat  xarm  TtJuovv  tov  anota^^t  öfiov 

al  ayyilfat  itfoirwv tug  tfJti  nav-    xa\  tag  ano^Cag  ovrwg  fnlet  ib  hnnor, 

tthSi  dnotijiiyioiiivat  al  SvQaxov-  tag  i^Ofi^vrig  fi^v  ij^ti  jf^g  Stxtliag, 
aal  ifatv ,  Tfig  fikv  2  txikiag  oifxlxt  iX-  'IrakttoTatg  dl  rag  nokiig  dia^fvka^w 
n(da  ov^tfiiav   tlx^r  6  rv/.t7T7iog,   ttjv  dk     —  —  fayakri  ydo  ^  do^a  dtfqoira — 

'Ftakiav  ßovlofiivog  nfQinoitftjai 

0  dk  X.  nv&üfjitvog  avrov  n Qognkiovra  N.  achtete  nicht  rov  VtUnnov  noog- 
vniQttJe  ro  Tjkij&og  —  xal  ovo tfitav  nkiovtog  ovdi  tfvkanriv  inoir^oaio 
<fvkaxriv  ntoinotiito.  xad^a^av,    äkXJi    rf#   navtikmg    vTtioo- 

gäad-ai  — 

Die  Stadt  war  schon  so  sehr  bedrängt,  dass  eine  Versammlung  angesetzt  wurde 
(Thuk.  VII,  2  (Aikkovjag  ixxkfjatdCftv,  Plut.  N.  18  xal  naQtiyyikto  avroig  ixxkrioia  . 
Denn  beinahe  war  die  Einschliessungsmauer  der  Athener  vollendet  : 

Thuk.  Vn,  2:  Plut.  N.  18: 

nktjv  xfira  ßQu^t^    ti    t6  nQog  rrjv  Sa-    ßqay^  y«p   t^v  xoftid^  ro   anokfino/uiror 

kaaoav klOoi  t«    nagaßißkrififAi-     rov  tQyov   xu\   tovto    ti aQaß(ßki\fA^i- 

vQt  t^i  nkiovi  ijöri  rioar,  vrfv   tl^^  Tijv  naQaaxtviiv  rfig  raxodoufag 

avfiTTaaav. 

c.  19.  Ankunft  des  Gongylos,  sodann  des  Gylippos.  Hier  hat  Plut.  gegen  Thu- 
kydides ,  der  die  SjTakusaner  tv&hg  auf  die  Meldung  des  Gongylos  ausrticken  lüsst. 
die  Berichtigung  (Fr.  39;,  dass  sie  ihm  anfangs  nicht  glauben  wollten.  Die  Darstel- 
lung Plutarch's  hat  mehr  psychologische  Wahrheit.    Als  nun  Gylippos  da  ist ; 

Thuk.  VII,  3:  Plut.  N.  19: 

^ifiivog  raoTtka  lyyvg  xr^Qvxa  tiqO"  O^^fiivog  inl  lohg  l49ijra(ovg  rdosika 
7iif47tii  avTotg —  xal  ovdkv  dnoxQi-  xal  xr^QVxa  nifiipag  —  —  o  ftlv  oir 
vdfiivoi  dn^nifiipav.  Nix(ag  ovJiv  ^^l(oatv  anoXQlvaaO-ai. 

Die  Verspottung  des  Gylippos  durch  die  Athener  fügt  djuin  Plut.  hinzu  (Fr.  39}. 
Im  Folgenden  spricht  nicht  Timaios  (Fr.  39}  mit  Geringschätzung  von  Gylippos,  aoa> 
dem  die  Sikelioten  thaten  es.  Bei  Grelegenbeit  des  alsbald  folgenden  Citates  des  Thu- 
kydides  macht  Fr.  39  die  Bemerkung,  Plutarch  habe  ihn  zwar  gelesen ,  .^ber  nichts 
zur  HerUbernahme  geeignef'  gefunden,  „da  Thuk.  für  den  Geschmack  des  Plutarch 


i 


Plnt.  Nik.  18-20  und  Thukydides.  351 

zu  einfach  und  schmucklos  schrieb.^  Dies  Raisonnement  ist  in  mehreren  Beziehungen 
nicht  zutreffend.  Erstens  ist  es  an  sich  nicht  nothwendigi  daas  ein  Schriftsteller, 
welcher  einen  andern  als  Quelle  benutzt,  sich  nach  dessen  Stil  richtet;  wenn  die 
Sachen  zur  Herübemahme  geeignet  siud ,  kommt  es  auf  die  Worte  nicht  an.  Zwei- 
tens ist  es  überhaupt  schwer,  wenn  man  in  19  Kapiteln  192  Kapitel  eines  anderen 
Schriftstellers  wiedergeben  will,  viel  von  den  Eigenthümliehkeiten  seines  Stils  wieder- 
zugeben. Drittens  aber  ist  bekannt,  dass  Philistos  im  Stil  Nachahmer  des  Thukydides 
war,  und  da  kann  man  doch  nicht  glaublich  machen,  dass  Plutarch,  den  zu  einfachen 
Thukydides  ungeeignet  zur  Benutzung  findend,  seinen  Nachahmer  Philistos  so  geeig- 
net gefunden  haben  sollte,  dass  er  alles  von  ihm  nahm  I 

Einige^Verschiedenheiten  zwischen  Thuk.  YII,  5.  6  und  Plut.  hebt  Fr.  39  hervor ; 
Plut.  erwähnt  den  Tod  des  Gongylos  und  lobt  das  Feldherrntalent  des  Gylippos. 
Wenn  sodann  Plut.  nicht  erst  das  Herbeischleppen  des  Baumaterials  durch  die  Sy- 
rakusaner,  wie  Thukydides,  sondern  nur  nachher  dessen  Benutzung  erzählt  (Fr.  40], 
so  entspricht  das  der  Kürze  der  Darstellung.    Hier  sagt 

Thuk.  VII,  6:  Plut.  N.  19: 

San    ixdvovg    xttl    ntfvTanaat    am^    inr^xQ^i  xw  ixfivtov  negnuxiaf^bv ,  aar 
artQTixivat ,   €i  xal  x^aroiiv  fiii  av    «vToTg    firidkv     ilvai     nXiov    xQa- 
iji  atfäg  anoj six£aai.  Tova&v. 

Nun  werden  die  Syrakusäner  muthiger  und  rüsten  eine  Flotte,  sodass  Nikias  eine 
Botschaft  nach  Athen  sendet  mit  der  Bitte: 

Thuk.  VII,  15:  Plut.  N.  19: 

rj    toviovg    f4(Tafiifinitv    diov     ^     akkriv     nifin^iv  %z€qov  ojqatov ^  ^  xal  joü" 

aTQajtttv  fAt)  iXaaaat   ininifineiy top  anayccyiTv  ix  ^ixtliag,  ihn  Selbst  aber 

ffiol  (f^  diäSoxov  Tiva,   tag  ti^vvujog  ü^i    abzuberufen,  <fia  rf^v  voaov  (o.  17  vc- 

Jftt   voaov   V€(pQlTiy    TZaQOfÄivtlV,  €fQT.Ttv). 

c.  20.  Beschluss  der  Athener.  Hülfe  zu  senden;  dass  sie  schon  früher  Hülfe 
schicken  wollten,  hat  nur  Plutarch  (Fr.  40).  Die  von  Fr.  angeführten  Verschieden- 
heiten im  Ausdrucke  der  Zeitbestimmung  und  in  der  Reihenfolge  sind  nach  dem 
Vorhergehenden  irrelevant.  Nun  folgt  See-  und  Landschlacht  bei  Syrakus;  Sieg  der 
Athener  zur  See,  aber  Verlust  ihrer  Forts  auf  dem  Plemmyrion. 

Thuk.  VII,  23 :  Plut.  N.  20  : 

xa^  «Wfxa  fdky  vavg  ith/  Soqttxoaiiav  xoc-    Ntx(ag  xat^6vas  noXXäg  ruv  noXtfxiiov. 
tiJvanv, 

^  VvXtnnog  (f>3^dv(i  ngo  gmadtv      ngbg  <Fi  ro  ntiov  ovx  Htp^aai  ßori^tSp, 

—  —  Totg  T^Cx^aiv.    24:    xal  /^T/.aara    aJU'  aifvoi  ngogmaiav  o  rvXinnog  ilXe 

noXXtt  —  iaXoj xal  rulXa   «rxfi/ij    to  IIXi]fjif^vQiow ,   iv  ^   axsvwv  rgiriQtxiov 

iyxaviXtiq &-ri  —  xal  ^^Qv^fAuxtuv  7ioXX6iv  anoxufAiviav  — 

fjiiyiarov  dh  xal  kv  rotg  ngtÜTov  ixaxtoai  to  ök  fAiyiaTov y  aq-tUiro  rov  Nixiov 
TO  atoäiiVfjLa  ^  rov  IIXfififivQ/ov  Xijtpig'  oit  j^g  ayogag  tipf  tvTtizautv '  r^y  yag  ff  xo- 
yaQ  hl  ovd^  ol  HanXoi  aaqaXttg  rjaav'  ol  fjiiSy  nagd  ro  JlXfifXfjivQiov  äoffaXiig  xal 
yäg  ZvQaxoaioir  vavaly  avroS^t  itfOQfiovvTfg  raxiia,  zwv  ^AS^vaitav  xQarovvTtov  ,  ixni' 
ixtiXvovxal  Jiic  judx^S  V^ri  iyCyvovzo  aovriov  öl  jjfailfTrq  xal  fx%xd  f^d^^g  «V^" 
at  igxofnJa{,  vtjo    nqog    xovg    noXifjiiovg    ixet    vav)jO' 

Xovvrag. 
Es  ist  in  dieser  Stelle  nicht  bloss  die  allgemeine  Uebereinstimmung  in  der  Dar- 
stellung, sondern  ganz  besonders  die  Art  und  Weise  bemerkenswerth,  wie  die  letzte 
Betrachtung  über  die  Wirkung  der  Einnahme  des  Plemmyrion  durch  Gylippos  von 
Plutarch  wie  von  Thukydides  mit  fiiyiatov  Ji  eingeführt  wird.  Es  verräth  sich  hier 
deutlich  der  directe  Einüuss  des  Thukydides  auf  Plutarch.  Wir  werden  eine  solche 
Benutzung  kleiner  Uebergangswendungen  alsbald  wiederfinden.   In  Betreff  der  letzten 


352  Anhang  1.   Quellen  der  Geftchiehte  Siciliens. 

Seeschlacht  vor  der  Ankunft  des  Demosthenes  wird  von  Plutarch  Thnk.  Vll,  39.  4^ 
citirt.  Dass  die  Eifersucht  von  Menandros  und  Euthydemoe  schuld  war  an  dem  tv: 
Nikias  nicht  gewflnschten  Kampfe,  hat  Plutarch  allein  (Fr.  41). 

c.  21.  Ankunft  des  Demosthenes,  eingeleitet  in  hOchst  charakteristischer  Weis? 
von  beiden  Schriftstellern  mit  denselben  Worten: 

Thuk.  Vn,  42:  Flut.  N.  21 : 

und  auch  weiterhin  finden  sich  dieselben  Ausdrücke: 

fAttkiaxa  d  itvoraiog  rotg  ivavtioii       xnl  ^itpotatof  totf  noX€  f£  iot  s 
Weiterhin  wird  in  derselben  Weise  das  Entsetzen  der  Syrakusaner  motivirt : 
Thuk.  VII,  42 :  Flut.  N.  21 : 

ti  n^gas  firiJh  ^atai  atfiaiv  tov  anal-'    €if  oi'Sky  nigag  ot/d*  an aULny^^r. 
layrjvai  rov  xir6vvov. 

Nun  folgt  die  Berathung  der  athenischen  Feldherm,  was  zu  thun  sei.  Demoedie- 
nes  räth : 

Thuk.  VII,  42:  Flut.  N.  21  : 

^  xaxoQ^ioaag  %^tiv  ^VQuxovaag,  ^  diaytuviOttfiivoü^  kXftP  SvQaxovaag  ^ 
and^e^v  triv  argar lUV.  dnonXilv  oixaSf. 

Plutarch  hat  einige  Details  über  die  Soldaten  des  Demosthenes  nnd  die  AbaiehteB 
des  Nikias,  welche  Thukydides  fehlen.  Nun  wird  der  Sturm  auf  Epipolae  geschildert. 
Sieg  des  Demosthenes  bis  er  auf  die  Boioter  st(tost.  Hier  beachte  man  folgende  Aebo- 
lichkelten : 

Thuk.  vn,  43.  44:  Flut.  N.  21: 

Die  Athener  marschiren  schnell,  damit  die    ngtSroi  yag  ovtoi  (die  Boioter]  avatgi- 

Feinde  nicht  ^votgatf  uHoi ol  Bt i  w-    iffami  invtobc  xal  avvdgafiomg Ji' 

loX  ngtSroi  —  —  xal  ivravO-a  ^cfi;  iv  olov  6k  argauvfiaros  ^y  niaCa  xal  ta- 
TtoXXj  rttgaxy  ««^  anogifj^  iyiyyovro  ol    ga^»!- 

Man  sieht,  wie  hier  Plutarch,  der  zwei  Substantive  beibehalten  wollte,  an  die 
Stelle  des  ihm  zu  schwach  erscheinenden  nnog(a  das  kräftigere  ntota  gesetzt  bat.  — 
Der  Kampf  wird  mit  einigen  Abweichungen  von  Thukydides  bei  Plutarch  berichtet, 
insofern  dieser  besonderes  Gewicht  auf  den  Umstand  legt,  dass  die  Athener  des 
Mond  im  RUcken  hatten  und  ihnen  deshalb  die  unbestimmt  beleuchteten  Sj-raku- 
saner  furchtbarer  erschienen.  Freilich  ist  diese  von  Plutarch  hervorgehobene  Mod- 
virung  von  sehr  zweifelhaftem  Werthe;  man  kann  ebenso  gut  sagen,  dass  der  Vor- 
theil  der  Beleuchtung  auf  Seiten  der  Athener  war,  da  diese  sich  im  Dunkeln  befanden, 
während  sie  die  Feinde  sehen  konnten.  Bei  dieser  Gelegenheit  hat  Fr.  41  zwischen 
Thukydides  und  Plutarch  eine  Verschiedenheit  erblickt,  die  in  Wirklichkeit  nicht  die 
von  Fr.  ihr  beigelegte  Bedeutung  eines  Widerspruches  -hat.  ,^Plutarch  sagt,  es  sei 
keine  vOllige  Finstemiss,  aber  auch  kein  rechtes  Licht  gewesen,  da  der  Mond  schon 
im  Untergehen  begriffen  gewesen  sei,  Thukydides  dagegen,  es  sei  atXiivii  Xit^urroa 
gewesen."  Plutarch  gebraucht  den  Ausdruck  xaxntftgofjih'rig  atk^vijgy  d.  h.  der  Mond 
stand  im  Westen,  und  so  erklärt  sich,  dass  er  den  Syrakusanem  in's  .Gesicht  schien, 
die  sich  gegen  die  von  Westen  nach  Osten  auf  Epipolae  vordi'ingenden  Athener  ver- 
theidigten.  Der  Mond  kann  aber  ebenso  XafiTtga  sein,  wenn  er  im  Untergehen  begrif- 
fen ist,  wie  wenn  er  aufgeht;  es  müsste  denn  sein,  dass  er  schon  im  Begriff  wän?. 
unter  den  Horizont  zu  sinken,  was  aber  in  den  Worten  xartof  fgofiiyrig  mlivfig  durch- 
aus nicht  zu  liegen  braucht  und  hier  jedenfalls  nicht  darin  liegt.  Wie  wenig  nämlich 
dies  Plutarch  selbst  mit  diesem  Ausdrucke  andeuten  wollte,  das  zeigt  sich  in  den 
folgenden  Worten  Plutarch's:  rovg  J*  Ivavtiovg  6  ngog  tijy  aflfjytjv  xta»  aani^tüy 
ufTiifbjTiOfAog  noXv  niiioittg  oQua&tu  xid  XafingoTigovg  inoiti.   Endlich  wird  also,  wie 


Plut.  N.  21.  22  und  Thukydides.  353 

auch  der  ganze  ZutNimmenhang  zeigt,  auch  von  Plutarch  dem  Monde  keineswegs 
Xit/LtnooTiig  abgesprochen.  Es  Hegt  also  auch  hier  wiederum  nur  der  schon  oft  vor- 
gekommene Fall  vor,  dass  Plutarch  Details  hat,  welche  Thukydides  fehlen,  ohne  dass 
Widerspruch  zwischen  beiden  stattfände.  Yergleichen  wir  schliesslich  einige  Punkte  in 
der  Darstellung  beider : 

Thuk.  VII,  44  :  Plut.  N.  21  : 

i^v  fiiv  yag  aiXr\vri  X«LU7t^<f  k*uQtav  61  ovitaq     lo  Tiji  oiffsiog  äniaTot'  lif   %'VKt\   --  — « 
itllr^Xov^y  «og   iv   aelijrri   tfxog   riji'  fitf    ^iJTi  tfitÜg  f/ovatj  ß^ßatov^  all*  ofor  tixog 
oiptv  tov  atü/uarog  HQooQtti'  liff  S^  y^tSaiv    xmnfftQOfiiyrig  (filrivrig  —  —  ^»J  Jiaye- 
Tov  oixtiov  am-OT fTaO-€ti,  Qovatfg  t«  Mijt  (foßtp  xov  noXtfilov  xai  ro 

oixdov  notavr  vnontor. 

Man  sieht  hier  recht  die  vorsichtige  Benutzung  des  Thukydides  durch  Plutarch 
in  Betreff  der  Form.  Einzelne  Ausdrücke  seiner  Quelle  gefallen  ihm;  er  findet  sie 
charakteristisch  und  mOchte  sie  aufnehmen;  aber  in  ihrer  Verbindung  kann  er  sie 
nicht  brauchen ;  der  Stil  des  Thukydides  in  seiner  EigenthUmlichkeit  ist  nicht  der 
seine;  so  muss  er  die  ihm  zusagenden  Ausdrücke  anders  verbinden,  um  sie  durch 
Veränderungen  in  ein  -ihm  besser  erscheinendes  Licht  zu  setzen.  Vergleichen  wir  end- 
lich noch  die  Darstellung  der  letzten  Schicksale  der  Versprengten  bei  beiden  : 
Thuk.  VII,  44:  Plut.  N.  21  : 

inXavTi&Tianv'    oSg,    intidri   r/Li4(*tc     rovg n  XttvtafAlvovgy  iift^Qugini- 

iyivfTOf  oi  Innijg  nf^isXttOattfg   <fii-     yd' onit'tfg  ^   ol   Innfig  xaruXafjißarov- 
(f-t^fiQav.  Tfg  dl iff'&fiQor. 

Die  Zahl  der  Todten  giebt  nur  Plutarch  auf  2000  an  (Fr.  42). 

c.  22.  Lage  des  Heeres.  Ansichten  des  Nikias  und  Demosthenes,  von  Plutarch 
im  Allgemeinen  Thuk.  VII,  47  entsprechend  angegeben,  wenngleich  im  Einzelnen 
manches  anders  ist.  Einen  von  Plutarch  citirten  Ausspruch  des  Byzantiers  Leon 
kann  auch  Fr.  47  nicht  aus  Philistofi  ableiten,  ebenso  wenig  wie  im  folgenden  Kapitel 
die  Betrachtung  über  Finsternisse.    Man  vergleiche  ferner  folgende  Stellen  : 

Thuk.  VII,  50:  '  Plut.  N.   22: 

ol    if^    Ttav  *j4S-Tiyaitov   aTQnrriyol   ogtayrtg     (ag  fiivroi  ajQajta  £vQa*oaioig  inrjXS'ey 
aTQitnav  re  aXXrjv  7iQügy(y€vfifi^vriy —     ieXXijf  xul  fiitXXov  tjnTiro  TtSv  *^&fivai(ov 
^aXtara  J^   ry  aa&(vfit<  icir  av&Qtintav    ij  roOog, 
nt(C6f4iva, 

c.  23.  Mondfinstemiss.  'Auch  hier  ist  die  Einleitung  bei  beiden  gleich,  ein  neues 
Beispiel  zu  den  vorher  dagewesenen,  dass  in  den  Uebergängen  bisweilen  PIntarch  sich 
ganz  von  Thukydides.  bestimmen  lässt: 

Thuk.  VII,  50 :  Plut.  N.  22  : 

inndij  hoifiit  ^v mg  Jl"  rjv  erotfia 

ff  afXrjvri  ixXtln fi,  l^tXiTtfp  ij  a(Xr,vri. 

Abhandlung  des  Plutarch  Über  diesen  Gegenstand  vom  naturwissenschaftlichen 
Standpunkt  und  demjenigen  der  Weissagekunst,  die  sich  bei  Thukydides  nicht  findet, 
nach  Fr.  43  aus  Philochoros  entnommen. 

c.  24.  Angriff  der  Syrakusaner.  Plutarch  hat  Details,  die  sich  bei  Thuk3''dides 
nicht  finden;  vgl.  oben  und  Fr.  43.    Aehnlich  ist  jedoch  folgendes: 

Thuk.  VII,  60:  Plut.  N.  22: 

Ta  fth  teixv  ^^  ^''^  ixXiTrelv.  ixXtndfv  to  fdiya    ar^ajoTiiJov    xa\   ra 

Besonders  bemerkenswerth  ist  die  von  Thukydides  nicht  gebrachte  Nachricht  des 
PIntarch,  dass  das  obere  Lager  der  Athener  an  das  Herakleion  stiess.  Über  dessen 
Lage  meistens,  in  Folge  irriger  Combinationen  mit  Diodor,  wovon  später  die  Rede 
sein  wird,  falsche  Ansichten  aufgestellt  worden  sind. 

Holm,  Gesch.  Siciliens.  IL  23 


354  Anhang  1.    Qaelien  der  Geschichte  Siciliens. 

c.  25.  Letzte  Seeschlacht.  Plttt.  hat  mancfaeB,  was  Thukydtdes  fehlt,  z.  B.  Über 
die  syrakasanischen  Weissager  (Fr.  43) ,  über  den  Vertheil,  den  die  Steine  werfenden 
Syrakosaner  hatten,  ttber  den  Tod  des  Ariston  (Fr.  44),  umgekehrt  findet  sieh  natür- 
lich auch  manches  bei  Thukydides  allein.  In  fÄtjäh'  ^kar-iova.  na&rj  xal  ^nfivßovi 
naQuaxovaa  roTs  ^-nofAivoig  rj  rolg  nytoviCofAivoig  ist  Bezug  genommen  auf  Thuk.  VII. 
71;  und  Plut.  de  glor.  Ath.  3  zeigt  noch  deutlicher,  dass  Plutarch  gerade  diesen  Ab- 
.  schnitt  des  Thukydides  mit  Wohlgefallen  las.  Eine  von  Fr.  44  selbst  bemerkte  Aehn- 
lichkeit  zwischen  Plut.  und  Thuk.  Y£I,  75  —  Betrachtungen  der  Athener  über  das 
Schicksal  der  Todten,  Verwundeten  und  Unverwundeten  —  ist  nicht  mit  ihm  für 
zufällig  zu  halten.  Man  bedenke,  dass  Plutarch  den  Aifect  der  Darstellung  durch  das 
Hineinbringen  der  Un verwundeten,  d.  h  derjenigen  die  fortzogen,  von  denen  er  sagt : 
ttvtov^  dk  xttKfIvmv  lni7iov(or^Qovg  fiyovfitpoi ,  noch  Steigert  (Fr.  44),  uftd  dass  er  die 
Bemerkung  in  einer  für  seine  kürzere  Darstellungsweise  angemessenen  Art  da  an- 
bringt, wo  er  das  Nichtbestatten  der  Leichen  erwHhnt.  Dieses  selbst  wird  von  beiden 
so  berichtet: 

Thuk.  VII,  72:  Plut.  N.  25: 

vexptiy    filv    Ti^Qi    —   —    oüd*    imt'oovv     ovt(  VfXQtliv  Jn/O«!»  «va(q€üiv. 
ttlrrjoai  ivaCq^fSiv. 

c.  26.    List  des  Hermokrates.    Die  Syrak usaner 

Thuk.  VII.  74:  Plut.  N.  26: 

rag  re  höovg  anfffQayvvaay  xal  ruif  ^€i-  rag  dvb/t)Ql[«g  riSy  o  Joiv  xariXaßov  ««) 
&oiav  xal  TiorafidSv  rag  ftaßaatig  rag  J i  aßda€tg  jtSr  nora/xtir  anf- 
fffvlaaaov!  ni^ioav.  ^ 

Bei  dem  Ausmarsch  der  Athener  herrscht  ein  Jammer: 

Thuk.  VII,  75:  Plut.  N.  26: 

xttinfQ  ix  nolt fxCag.  xai^antQ  ix  natfftÜog,  oi>  noleuiag. 

Diese  Stelle  ist  wieder  recht  charakteristisch  für  die  Art  und  Weise,  wie  Plutarch 
den  Thukydides  benutzt.  Die  Bemerkung  des  Thukydides  ist  ihm.  gerade  wie  oben 
die  über  das  Schicksal  der  Verwundeten,  Veranlassung  zu  einer  kleinen  Amplification 
geworden.  Dass  nun  weiter  von  Plutarch  „ein  herzzerreissendes  Bild  von  Nikias  selbst- 
entworfen wird  (Fr.  45),  ist  durchaus  dem  Zwecke  des  Biographen  angemessen.  Man 
darf  Fr  icke  gegenüber,  dem  dies  alles  aus  Philistos  entlehnt  scheint»  die  Frage  auf- 
werfen, welches  Interesse  dieser  syrakusanische  Nachahmer  des  Thukydides,  der  selbst, 
obschon  Athener  und  Freund  des  Nikias,  sein  Elend  nicht  so  sehr  hervortreten  IHsst, 
daran  hatte,  ein  herzzerreissendes  Bild  der  pereönlichen  Leiden  gerade  des  AnfUht^rs 
der  Feinde  zu  geben.  Nach  Fr  hat  Philistos  ein  merkwürdig  warmes  Interesse  für 
Nikias  gehabt,  wie  kam  er  vernünftigerweise  dazu?  Wenn  wir  dagegen  dem  Biogra- 
phen  Plutarch  dies  alles,  als  subjectiv  gefärbte  Darstellung  des  in  beliebigen  Quellen 
gefundenen  zuschreiben,  so  erklärt  sich  alles  vollkommen.  Plutarch  konnte  als  Bio- 
graph ein  menschliches  Interesse  an  seinem  Helden  fassen ;  dem  Philistos  war  Nikias 
eine  der  vielen  Figuren  seines  Werkes.  Wir  gewinnen  bei  unserer  Auffassungsweise 
aber  auch  eine  ganz  andere  und  richtigere  Vorstellung  vom  Verfahren  Plutareh's  bei 
der  Benutzung  seiner  Quellen,  als  man  sie  nach  Fr.  haben  muss,  und  halten  uns 
nicht  mehr  berechtigt,  auf  Grund  eines  grösseren  oder  geringeren  Masses  des  dem 
Nikias  gespendeten  Lobes  oder  Tadels  verschiedene  Quellen  vorauszusetzen. 

c.  27.  Marsch  der  Athener.  Ende  des  Zuges  am  Assiuaros.  Hier  ist  bei  der  Ueber- 
Windung  des  Demosthenes  Philistos  benutzt,  vgl.  Fr.  45.  Bei  der  des  Nikias  ist  da- 
gegen der  Unterschied  zwischen  Thukydides  und  Plutarch ,  den  Fr.  45  findet ,  nicht 
vorhanden.  Fr.  sagt:  „Aber  bei  der  Schilderung  der  Metzelei  am  Asinaros  sagt 
Plut.,  die  Athener  wären  zum  Theil  von  den  Syrakusiem  in  den  Fiuss  gedrängt,  cum 
Theil  hätten  sie  sich  aus  eigenem  Antrieb  hineingestürzt,  um  den  Durst  zu  loschen; 


Plut.  N.  26-27  und  Thukydides.  355 

nach  Thuk.  VlI,  84  4<igegen  wollten  die  Athener  den  Fiuas  übereohreiten ,  weil  sie 
glaubten,  dadurch  in  eine  bessere  Lage  zu  kommen,  obwohl  auch  er  erwähnt,  dasB 
sie  ztt^eich  der  Durst  antrieb/'   Nun  vergleiche  man  die  Texte : 

Thuk.  VII,  84 :  Plut.  N.  27  : 

tifdrt  ^h  ßiaCofievoi  vno  rtiq  nttviaxod-ev  Ixit  ^^  roi's  fdh  ol  n^lifiioi  avrtpfyxovr 
TT  ^o^ßoXijg  nua  6i  vnb  r^f  ralatTitogitts  res  Iv^anaav  $is  ro  ^(iti-gov,  ol  di  if&a- 
x«i  rov  nttiv  im-d-v/uitf.  vovT^g  vno  dfipoug  f^inrov  iavrovf. 

und  man  findet  nicht  den  mindesten  Unterschied  in  den  Sachen,    der  berechtigen 
könnte,  Thukydides  und  Plutarch  als  von  einander  abweichend  su  betrachten,  —  man 
muss  freilich  den  Inhalt  der  Thukydideischen  Stelle  vollständig  angeben !  —  Sodann 
knüpft  Plutarch  wieder  einmal  an  eine  Bemerkung  des  Thukydides  an: 
Thuk.  VII,  87  :  Plut.  N.  27  :- 

If^yop  —  (ov  axo^ *£XXrivi»»t'  tafJLiv  —  Jl«/«-  aytivu  lafin^ozutov,  lov  "EkXiiyes  n^og 
ngotatov,  **EXXijvag  r^yiaviaavxo. 

Es  ist  zu  beachten,  dass  Plutarch  des  Thukydides  Aeusserung  durch  die  Um- 
schreibung ''BXlrivkQ  TiQog  "KXXrfvag  vor  Missverständniss  zu  bewahren  sucht. 

0.  2S  — 30,  in  denen  Plutarch  Über  die  Vorfälle  in  Syrakus  ausführlicher  ist  als 
Thukydides,  geben  zu  keinen  besonderen  Bemerkungen  Veranlassung.  Hier  ist  starke 
Benutzung  des  Philistos  nicht  zu  verkennen  (Fr.  46.  47). 

Die  Biographie  des  Alkibiades  von  Plutardi  kann  uns  hier  nicht  lange  be- 
schäftigen,* da  sie  wenig  ttbor  die  siciliscbe  Expedition  enthält;  bekanntlich  dauerte 
des  Alkibiades  Antheil  daran  nur  kurze  Zeit.  Ich  beschränke  mich  hier  auf  wenige 
Bemerkungen  Über  Punkte,  iu  denen  ich  von  Fricke  abweichen  muss.  Dieser  nimmt 
S.  56  und  57  an,  dass  Plut.  im  Alkibiades  c.  17  derselben  Quelle  gefolgt  sei,  wie  im 
Nik.  12  und  13,  d.  h.  dem  Timaios,  während  sich  in  c.  IS  eine  andere,  nicht  mehr  aus 
Timaios  entlehnte  Auffassung  finde  —  nämlich  des  Hermenfrevels.  Aus  Nik.  13  ergiebt 
sich,  „dass  Timaios  wirklich  alle  diese  Zeichen  fUr  b^eutungsvoU  hielt."  Jm  Alki- 
biades heisst  es  dagegen  von  der  HermenverstUmmelung  nolXovg  xnl  itStf  nk^t^^Qo- 
vovvTwv  T«  Totttvra  iihrnga^iv.  Der  Schrecken  Über  dies  Ereigniss  wird  dann  näher 
motivirt  durch  die  Furcht  vor  einer  Verschwörung  zum  Umstürze  der  Verfassung. 
Also  mehr  politische  als  religiöse  Gründe  machen  den  Vorfall  schrecklich.''  Es  han- 
delt sich  jedoch  gar  nicht  um  die  Auffassung  des  Plutarch  von  dem  Hermenfrevel, 
sondern  um  die  der  Athener.  Diese  aber  war  eine  doppelte.  Er  galt  einmal  als  ein 
böses  Omen,  und  zweitens  als  Anzeichen  einer  Verschwörung.  Plutarch  berichtet  nur 
und  hebt  beides  da  hervor,  wo  es  passt.  Und  es  ist  durchaus  kein  Widerspruch, 
wenn  er  Nik.  13  sagt,  dass  keine  «n^^fm,  auch  nicht  die  ^Eq/luSv  nfffixottii  die  Athener 
vom  Zuge  abhielten,  und  Alk.  18,  dass  die  *^^f<.  ntQtx.  viele  von  denen,  'die  die 
anderen  ar^fifia  verachtet  hätten ,  bestürzt  gemacht  habe ,  denn  er  sagt  ja  durchaus 
nicht,  dass  sie  sie  vom  Zuge  abschreckte.  Plutarch  hat  seine  Berichte  über  die  Ein- 
dcUoke  des  Hermeufrevels  in  sehr  passender  Weise  über  die  beiden  Biographien  des 
Nikias  und  des  Alkibiades  vertheilt.  Da  es  sich  im  Nikias  um  den  Zug  nach  Siciüen 
handelt,  hebt  Plutarch  hier  das  Omen  hervor,  im  Alkibiades,  wo  das  durch  die  poli- 
tische Auffassung  des  Frevels  .bestimmte  Schicksal  dieses  Mannes  in  Frage  kommt, 
war  er  als  Biograph  unbedingt  verpflichtet,  auf  diese  politische  Seite  der  Sache  ein- 
zugeben, und  er  hat  es  gethi^n.  Wer  wird  auch  glauben,  dass  die  verschiedene  Art 
der  Darstellung  im  Nikias  und  im  Alkibiades  aus  'der  Verschiedenheit  der  Quellen 
stamme,  wenn  1.  die  politische  Auffassung  des  Frevels  in  keiner  Quelle  fehlen  konnte, 
in  der  ausführlich  von  der  Sache  die  Rede  war,  und  2.  Plutarch  gerade  so  davon 
spricht,  wie  ein  verständiger  Biograph  davon  sprechen  muss? 

Dass  dem  Plutarch  gar  zu  wenig  zugetraut  wird ,  zeigt  sich  auch  auf  S.  50  bei 
Fr.,  wo  von  der  Benutzung  Platon's  zum  Behufe  der  Biographie  des  Alkibiades  die 

23* 


356  Anhang  I.    Quellen  der  Geschichte  Siciliens. 

Rede  ist.  Es  liegt  da  nach  Fr.  „eine  sorgfaltigere  Quellenbenutzung  vor,  als  wir 
Plut.  zutrauen  können.''  Es  soll  deshalb  Satyros  die  Quelle  Plutarch's  sein,  ein  Pe- 
ripatetilcer ,  den  Hieronymus  als  doctus  vir  besonders  rühmt,  und  von  dem  sich  »ein 
gründlicheres  Studium  des  Piaton  voraussetzen  lässt,  als  von  PIntarch,  der  zu  seinen 
zahlreichen  und  mannigfaltigen  Schriften  eben  zu  vielerlei  benutzen  musste.''  Den 
Ehrennamen  eines  doctus  vir  dürfte  Hieronymus  dem  Plntarch  auch  wohl  nicht  ver- 
sagt haben,  wenn  er  in  den  Fall  gekommen  wäre,  sich  über  ihn  zu  äussern,  und  von 
der  Gründlichkeit  des  Satyros  wissen  wir  auch  gar  nichts.  Plutarch  ist  doch  am  Ende 
noch  Philosoph  genug,  um  Piaton  zu  verstehen,  und  wenn  es  sich  endlich  um  ^zahl- 
reiche und  mannigfaltige  Schriften''  handelt,  so  kann  Satyros  mit  Plutarch  sehr  wohl 
wetteifern.  Man  kann  also  weiter  nichts  sagen  als:  Plutarch  kann  das  betreifende 
aus  Satyros  genommen  haben,  aber  von  Wahrscheinlichkeit  kann  beim  Mangel  jeglichen 
Anhaltspunktes  nicht  die  Rede  sein.  Weiter  sagt  Fr.  57,  dass  die  ausführliche  Dar- 
stellung des  Uermokopidenprocesses  „Tim.  nicht  gehabt  haben  kann.*"  Warum  nicht? 
Ausführlich  genug  hat  er  doch  geschrieben,  und  was  wissen  wir  davon,  wie -viele 
Episoden  er  angebracht  hat?  Und  weiter  sagt  Fr.:  der  ganze  Abschnitt  (19—22)  ist 
so  wohlgefUgt,  dass  er  nur  aus  einer  einzigen  Quelle  stammen  kann."  Erstens  ist  er 
nicht  sehr  wohlgefUgt;  Beweis:  Die  unnüthig  wiederholte  Eisangelia  (c.  19  und  21;, 
und  zweitens  ist  es  eine  vüllig  unbegründete  Voraussetzung,  dass  ein  „wohlgefligter 
Abschnitt  aus  einer  Quelle  stammen  muss.  Es  giebt  da  nur  folgende  Alternative: 
Entweder  copiren  die  alten  Schriftsteller  immer  nur  eine  Quelle  über  eine  Begeben- 
heit, oder  sie  verstanden  auch,  mehrere  zusammenzuarbeiten.  Im  ersten  Falle  ist  ein 
Recurriren  auf  die  gute  ZusammenfUgung  eines  Abschnittes  überflüssig;  im  zweiten 
aber  verfehlt,  denn  da  musste  ein  einigermassen  gewandter  Mann,  wie  Plutarch  es 
doch  war,  aus  verschiedenen  Quellen  ebenso  gut  eine  wohlgefiigte  Darstelhmg  zu- 
sammensetzen können ,  wie  wir  jetzt  dazu  im  Stande  sind.  Uebrigens  sind  in  der 
Erwähnung  des  Adonisfestes  in  Alk.  18  Aehnlichkeiten  mit  der  in  Nik.  13  vor- 
handen : 

Nik.  13:  Alk.  18: 

l^(fWf<<et  yaQ  iJ^of  —  al  yvyaTxff  rcJrf,  ^Adiavlttv  ytiQ  etd»la  noXlnj^ov  rf- 
xal  nQovxiiTo  n^Xiaxooe  liji  noXitoc  xqois  ixxofAiCofjiivoif  oftoia  7i QOUX€irwo 
f  f  J a> A «  xal  Tftffal  it  cqI  avrit  xaX  xo7i€'  rect^  ywai^i,  xal  raifdg  iftifiovvro  xontö- 
tol  yut'atxtiw  ijcFav,  fufvai  xat  &gvivovi  j<for, 

so  dass  höchst  wahrscheinlich  in  beiden  Fällen  dieselbe  Quelle  benutzt  worden  ist. 
Bei  der  Erwähnung  des  Hermenfrevefs  aber  ist  in  Alk.  IS  auch  einmal  eine  Aehn- 
lichkeit  mit  Thukydides: 

Thuk.  VI,  27:  Plut.  Alk.  18: 

fii^  rvxxl  qI  7tltiaTo€  ntQiixonriaav  ra  fti^  vvxrl  TfSr  nUiatfv  «jr^wr^oiittf^/rrMr 
Tt^otana^  rd  n^omna, 

und  Benutzung  des  Thnkydides  liegt  endlich  noch  vor  In  dem  Bericht  über  die  Thä* 
tigkeit  des  Alkibiades  in  Bezug  auf  Messana : 

Thuk.  VI,  74:  Plut.  Alk.  22: 

fitl^vn  to%i  rmv  JSvQaxoaitav  ff  ilotg  ^ffav  ol  filllovrtg  ivdMvai  rip  «öiUr, 
—  —  (vv(idt»g  To  fiilXor.  ovg  ^xfii'o;  ciddff  —  tmp  £vQaxo9imr 

ifiXotf  i fi^vvae. 
In  der  vorstehenden  Betrachtung  Plutarch's,  besonders  des  haoptsächlich  in  Frage 
kommenden  Nikias,  glaube  ich  folgendes  nachgewiesen  zu  haben: 

1)  Es  ist  nicht  bewiesen,  dass  Plntarch  mit  Ausschluss  des  Thokydidee  Umaios 
und  Philistos  copirt  habe,  vielmehr 

2)  widerspricht   die  Erzählung  Phitarch's   nirgends  (abgesehen   von  offenbaren 
Flüchtigkeiten,  wie  Nik.  17  nfir  und  Alk.  20  iXtit^,  wozu  Auch  die  Behmaptong  ge- 


PluUrch.     Diodor.  357 

rechnet  werden  kann,  dass  Nikias  der  erste  Feldherr  dem  Bange  nach  war)  der  des 
Thukydides,  der  sie  sich 

3)  in  ihrem  Gange  anschliesst,  wobei  Plutarch  jedoch  Umstellungen  vorzuneh- 
men  verstanden  hat,  wo  die  Gesetse  der  biographischen  Kunst  solche  verlangten. 

4)  Diese  Anlehnung  an  Thukydides  zeigt  sich  besonders  duroh  die  häufige  Ueber- 
einstimmung  in  Worten  und  Wendungen,  wobei  unter  andern  dl^  Uebergänge  des 
Thuk.  sich  nicht  selten  benutzt  zeigen. 

5}  Charakteristisch  fUr  das  Verfahren  des  Plutarch  bei  der  Benutzung  des  Thu- 
kydides ist  femer  die  Anlehnung  an  thukydideische  Becapitulationen  und  die  erläu- 
ternde Ausschmückung  thukydideischer  Ausdrücke. 

<5)  Aber  Plutarch  hat  andere  Quellen  neben  Thukydides  benutzt,  sicher  Timaios, 
gegen  den  er  Nik.  1  polemisirt,  und  Philistos,  den  er  selbst  neben  Thukydides  seine 
Hanptquelle  nennt.  Die  Berichte  dieser  hat  Plutarch  geschickt  zur  Belebung  der  aus 
Thukydides  gezogenen  Erzählung  benutzt.  £r  ist  besonders  dadurch  der  selbstge- 
stellten Aufgabe  als  Biograph  gerecht  geworden,  dass  er,  das  eigentlich  militärische 
Detail  Thukydides  überlassend,  den  so  gewonnenen  Raum  fUr  persönliche  Notizen 
und  Reflexionen  verwandt  hat,  die  seinen  Helden  charakterisiren  und  das  Urtheil 
über  ihn  erleichtem.  Nik.  1  legt  er  selbst  auf  die  xarapotiais  fjB-ovg  xal  tqotiov  das 
Hauptgewicht. 

Wir  gehen  jetzt  zu  Diodor  über,  bei  dessen  Prüfung  uns  die  Schrift  CoUmann's 
zu  Hülfe  kommt,  von  deren  Resultaten  wir  jedoch  abweichen. 

Diod.  XU,  82.  8a  spricht  in  manchen  Beziehungen  ausführlicher  über  die  Ursachen 
des  athenischen  Krieges  als  Thukydides.  Dass  sich  die  Egestäer  zuvor  an  die  Akra- 
gantiner,  Syrakusaner  und  Karthager  wandten,  dass  Leontiner  schon  in  Sicilien  mit- 
wirkten zur  Absendung  der  Gesandtschaft  nach  Athen,  sind  Details,  die  Thukyd.  nicht 
hat.  Diodor  kennt,  wie  Plutarch,  die  leontinischen  Gesandten,  gegen  ThukydideSi  der 
nur  ifvyadts  kennt.  Die  Sache  ist  aber  dieselbe,  denn  Gesandte  einer  nicht  mehr 
existirenden  Stadt  sind  nur  (fvya^^g. 

Diod.  XIII,  2  wird  die  Bereitwilligkeit  aller  Athener  zum  Kriege  ausführlicher 
dargelegt  als  bei  Thukydides.  Ein  Unterschied  jedoch,  den  Collmann  17  findet,  dass 
bei  Thukyd.  die  Feldherra  nvtöXQaroQig  seien ,  bei  Diodor  bestimmte  Aufträge  be- 
kommen, ist  in  dieser  Schärfe  nicht  vorhanden.  Denn  bei  Thuk.  VI,  26  sind  sie 
nvtoxodroQeg  nur  xal  nfQl  aT^atiag  TiXr^i^ovg  xal  n((i\  rov  nayTog  nkov^  und  dem  ent- 
sprechend steht  auch  bei  Diod.  XIII,  2,  sie  wären  ftvroy^.  anuvrtav  twv  xara  rov 
noXtfiov.  Widersprach  ist  also  nicht  vorhanden,  nur  fügt  Diodor  eine  spcoiellere  An- 
gabe hinzu,  die  im  letzten  Grunde  aus  einer  syrakusanischen  Quelle  stammen  muss. 
Diese  Angabe  ist:  ron  fjtkv  ovr  ol  arQaxfiyol  fÄita  tr\g  ßovXijg  iv  ttno^^riroi  ffuve- 
dQivovreg  fßovkivoi'TO  ntag  XQV  ^to^xrjaai  tu  xaric  rriv  ^ixeXinv,  iav  r^ff  vriaov  x^ari^- 
üOfGtv  l^do^iv  ovv  ttVTOig  ZiXtvovttCovg  /ah  xal  ZvQtxxoalovg  av^QttJto^taaaS^ai ,  lotg 
iT  aXXotg  anXiig  ra^at  tf-OQOvg  ^  ovg  xar  ivtavrov  ofaovaiv  *A&fivttioig,  Dass  ein  fßrm 
lieber  Beschluss  in  dieser  Angelegenheit  vorgelegen  habe,  ist  durchaus  nicht  wahr 
scheinlich;  Diodor's Fassung  selbst  charakterisirt  die  Sache  als  blosses  Gerücht;  auch 
XUI,  ao  konimt  in  der  Rede  des  Gylippos  dieselbe  Behauptung  vor. 

XIII,  ^  stimmt  Diodor  nicht  überein  mit  Thukydides  in  Betreff  der  Fahrt  der 
Athener,  insbesondere  der  Aufnahme ,  die  sie  an  der  italischen  Küste  fanden ;  die  in 
diesem  Cap.  vorkommenden  Aehnlichkeiten  zwischen  beiden  Schriftstellem  hatColIm. 
p.  17  notirt. 

XIU,  4  giebt  Diodor,  ohne  Vorgang  des  Thukydides,  eine  Uebersicht  der  Par- 
teistellung der  sicilischen  Städte  (Akragas  auf  Seiten  der  Athener!),  auch  ftir  dies 
Cap.  s.  Collm.  p.  17  in  Betreff  der  Uebereinstimmung  In  Worten  mit  Thukydides, 
Wahl  von  3  Feldherren   früher  als  bei  Thuk.,  wo  sie  erst  VI,  72  geschieht. 


358  Anhang  I.    Quellen  der  Oeüchichtc  Siciliens. 

XIII,  5.  6.  Aehnllchkeiten  in  den  Ausdrucken  zwischen  Thuk.  und  Diodor,  ver> 
zeichnet  von  C.  18,  der  die  Verschiedenheit  jedoch  nicht  erwähnt  hat,  welche  darin 
besteht,  dass  nach  Thuk.  VI,  71  im  Gefecht  am  Olympieion  auf  syrakttsanischer  Seite 
260  fielen,  nach  Diod.  XIII,  6  aber  400.  Kleine  Abweichungen  sind  femer:  Nach 
Diod.  XIII,  6  sind  schon  damals  IntaroXnt  nach  Athen  gesandt,  nach  Thuk.  VI,  74 
und  VII,  11  nicht,  nach  XIII,  6  sind  100  Talente  aus  Hykkara  gelöst,  'nach  Thuk. 
VI,  62  aber  120.  Bei  Diod.  XIII,  7  kommen  250  Reiter  von  den  Sikelem,  bei  Thuk. 
VI,  08  nur  100;  also  Gesammtzahl  bei  Diodor  800,  bei  Thuk.  650.  So  haben  steh 
denn  bei  Diodor,  was  bei  Plut.  nicht  vorkam,  positive  Widersprüche  gegen  Tbuky- 
dides  gezeigt. 

S.  18  macht  Collm.  die  richtige  Bemerkung,  dass  am  Schluss  von  XIII,  7  Dinge 
erzählt  werden,  quae  apud  Thucydidem  nusquam  inveninntur,  nämlich  die  Oocupation 
der  Polichne  durch  die  Athener.  Nur  hätte  Collm.  sich  schärfer  ausdrücken  mtisseo, 
als  er  gethan  hat.  Es  genügt  nicht  zu  sagen,  dass  von  der  Besetzung  der  Polichne 
durch  die  Athener  bei  Thukydides  nichts  gefunden  wird;  es  ist  hervorzuheben,  dass 
diese  Angabe  Diodor's  mit  Thukydides  unvereinbar  ist.  Es  handelt  sich  um  die  Ope- 
rationen des  zweiten  Jahres  der  Belagerung,  des  J.  414.  Die  Athener  besetzen  Epi- 
polae  (Diod.  XIII,  7 :  jrQogfvtx^^vfff  tJ  7i6X($  wxtos  ^Xa&ov  tovg  JSvQaxoaiovg,  Nach- 
bildung von  Thuk.  VI,  96:  ravvTjg  r^?  vvxros  etc.,  worüber  später)  und  bauen  eine 
EinschliesBungsmauer ;  die  Syrakusaner  suchen  das  zu  verhindern.  Dann  fährt  Diod. 
XIII,  7  fort:  ol  (T  \4(^r}vnToi  T^  fA^Qd  rijc  cFwa^fftif  xov  v7f€QXfifji(V9r  rou  lift^rog 
ronov  XttTaXaßovTOf  xnl  ir/ir  xaXovfxivriy  IToXtxvTfV  reix^ancvxfg  tö  te  rov  z/io?  Uqov 
TTfQKßdXoiio  xcii  i^  afAiforigtav  j(5v  fi€()iSv  rnq  ^vgaxovaas  inöXiOQxow.  Bei  Thuk. 
wird  hiervon  nicht  nur  nichts  erzählt,  sondern  seine  ausführliche  Darstellung  zeigt 
auch,  dass  es  gar  nicht  geschehen  sein  kann.  Thuk.  VII,  4  beweist,  dass  das  Olym- 
pieion und  die  Polichne,  weit  entfernt,  in  alhenischen  Händen  zu  sein,  vielmehr  ein 
Hauptstützpunkt  der  Syrakusaner  waren,  und  VII,  37  helsst  es  ausdrücklich,  xal  ol 
ano  Tov  ^OXvfiniiCov  ot  re  onXtrai  oOoi  ix(i  tjaav  xal  ol  Innijg  xal  ^  yvjjtvrjxi«  t»v 
2vQttxoft(tav  ix  TOV  inl  &ttT(Qa  n^og^H  t^  ^^^X^^-  So  hat  sich  gezeigt,  dass  der  dio- 
dorische  Bericht  von  der  •  Besetzung  des  Olympieion  durch  die  Athener,  welche  ja 
auch  zuvor  die  nach  Thuk.  VI,  75  dort  befindliche  Besatzung  hätten  vertreiben  oder 
tödten  müssen,  mit  dem  klaren  und  ausführlichen  Berichte  des  Thukydides  in  einem 
unlöslichen  Widerspruche  steht. 

Nach  C.  18  werden  vom  8.  Cap.  Diodor's  an  keine  Aehnllchkeiten  mehr  zwischen 
Diodor  und  Thukydides  gefunden,  wohl  aber  plurimae  differentiae.  Wir  werden 
sehen,  dass  auch  die  Aehnllchkeiten  nicht  fehlen. 

In  c.  8  berichtet  Diodor,  wie  in  einer  nach  der  Ankunft  des  Gylippos  gelieferten 
Schlacht  die  Athener  siegen,  Lamachos  fällt;  wie  dann  13  Schiffe  aus  Korinth  ein- 
treffen, Gylippos  mit  Hülfe  der  Mannschaft  derselben  den  Kampf  erneuert  und  nun- 
mehr die  Syrakusaner  siegen.  Dann  sagt  Diodor,  dass  die  Syrakusaner  öi  oXt^s  rfjg 
*EntnoXfjg  tb  nlxog  xnx^axaipav  ol  cFi  *^&rjvaioi  xttxaXtnovxeg  xop  nQog  xatg  'EmrtO' 
Xtcig  xonov  naaap  xrjv  dvvttfiiv  dg  xrjv  aXXijv  TtagtfjßoXrjv  fifxriyayov.  Hier  sind  die 
Widersprüche  gegen  Thuk.  gehäuft.  1)  Nach  Thuk.  fälll  Lamachos,  bevor  Gylippos 
eingetroffen  ist,  im  Kampfe  gegen  die  syrakusanische  Gegenmauer  (VI,  101).  und 
Plut.  stimmt  damit  überein.  In  der  Schlacht,  von  der  Diodor  spricht,  siegen  nach 
Thuk.  VII,  6  die  Syrakusaner;  dann  kommen  die  korinthischen  Schiffe,  Thuk.  VII,  7. 
3)  Von  einer  Zerstörung  der  athenischen  Mauer  di  oXrjg  xijg  'EniTroX^g,  ist  bei  Thuk. 
keine  Rede;  nach  ihm  verlassen  die  Athener  später  diese  Befestigungswerke  frei- 
willig (VII,  60).  4)  Dass  das  ganze  athenische  Heer  nunmehr  tig  xiiv  aXXijv  na^fftfio- 
Xifv  gebracht  sei,  davon  findet  sich  ebenfalls  keine  Spur  bei  Thukydides,  und  wider- 
spricht seiner  gesammten  Darstellung.    Wenn  wir  übrigens  fragen,  welches  eigentlich 


Piod.  XIII,  5—9  und  Thukydide».  359 

diese  «Xltf  nuftefiftoXri  sei,  so  können  wir  im  Sinne  Diodor's  nur  erwidern,  dass  damit 
das  angebliche  Lager  am  Olympieiön  gemeint  sein  mlisse,  da  von  einem  anderen 
Diodor  nicht  gesprochen  hat.    Aehnlichkeit  mit  Thukjdides : 

Thuk.  VII,  7 :  Diod.  XIII,  B  : 

ot  Tt  ^VQaxoüiot  vavrixov  ^nkriQOi'v  xal  iv  riß  fiiXQt^  Xtfiäri  rag  avaneigag 
ttvtnti^üivTO,  inoiovvro. 

Abweichend  im  einzelnen  sind  bei  Diod.  XIII, -7  die  Zahlen  der  Soldaten  des 
Gylippos  (3000  zu  Fuss  und  200  Reiter),  die  Zahlen  der  aus  dem  Peloponnes  gekom- 
menen sind  dagegen  aus  Thuk.  VII,  19  addirt.  Nach  Diod.  XIII,  8  bringt  Eorymedon 
140  Tal.  mit.  Die  ans  Sicilien  kommende  Hülfe  fUr  Syrakus  ist  ans  Th.  VII,  21  (Rüh- 
rung des  Gylippos)  und  32  (Niederlage  durch  die  Sikeler]  zusammen  gezogen,  denn 
in  c.  32  ergeht  die  Bitte  um  Hülfe  erst  ^ct«  t^v  tov  liXtifivQtov  alwaip,  und  bei 
Diodor  wird  erst  nach  der  Niederlage  der  Sikeler  (bei  der  ol  riftlang  fallen;  anders 
Th.  VII,  32)  der  Angriff  auf  die  fpgovQta  gemacht,  von  dem  alsbald  die  Rede  sein 
wird.  C.  19  hat  freilich  bei  Diodor's  Worten  XIII,  8:  int&ifjt^voi.  rovg  iiftiatig  avcXkov 
eine  von  Thuk.  gar  nicht  erwähnte  Begebenheit  vorausgesetzt,  aber  es  ist  nur  die 
falsch  angebrachte  von  VII,  32,  was  sogar  die  Zahlen  beweisen,  denn  wenn  es  3000 
waren  (Diod.)  und  1500  übrig  bleiben  (Th.  VII,  32),  so  sind  freilich  ol  ri^faug  ge- 
fallen. Wenn  man  hier  einen  Begriff  zu  bekommen  anfängt  von  der  Nachlässigkeit 
des  Diodor  in  diesem  Abschnitte,  so  wird  der  Eindruck  durch  das  in  c.  9  enthaltene 
noch  gesteigert. 

XUI,  9.  Seeschlacht  und  Kampf  am  I<ande.  Vgl.  Th.  VII,  22.  23.  Die  Zahl  der 
Schiffe  stimmt  bei  Beiden  überein.  Als  die  Seeschlacht  tobt,  sagt  Diodor,  nävtig  ol 
nno  Twv  <f'OOVQ£tav  lt4d^aioi  *aj(ßriaav  inl  rtfv  &dkaiTav  (vgl.  Th.  VII,  23:  xtöv  iv 
Ttfi  nkriiiVQin)  ^A^rivadov  TiQog  tiiv  ^akaaaav  Inixatttßtivtiov).  Welches  sind  diese 
if'QovQia^  Wer  den  Schriftsteller,  was  doch  verlangt  werden  kann,  aus  ihm  selber 
verstehen  will,  findet  nur  die  aXXii  nage/ußolii,  die  doch  unmöglich  gemeint  sein  kann. 
Aus  Thuk.  sind  uns  freilich  3  (fQovQia  bekannt,  welche  auf  dem  Plemmyrion  errichtet 
waren,  aber  Diodor  hat  davon  nichts  gesagt.  Wenn  wir  aber  Diodor  weiter  lesen, 
um  vielleicht  so  Klarheit  zu  erlangen,  so  häuft  sieh  nur  die  Verwirrung.  Die  syra- 
kusanischen  Feldherren  schicken  Mannschaft  inl  tä  ttiv  'A&^invaltov  ox^gtofAttta,  welche 
XQnf^aiiov  etc.  nktf^  sind.  Welches  sind  nun  die  o;jft;^ai/4ara  ?  Die  TfttQif^ßoki^  oder  die 
if'QovQia^  Nach  Thuk.  offenbar  die  letzteren.  Von  diesen  ox^q.  sagt  Diod.  weiter: 
a  d^  xajttkaßovteg  ol  ^vgaxoOtoi  navTtküg  im*  oktytov  TrjQOV/utvit  xal  rtSr  arto  rrjg 
fhtkartijg  nQogßoTf&ovyTotv  nokkoig  anixiftrav,  wo  mit  Dindorf  eine  Lücke  nach  rrnfoi- 
fiivfc  anzunehmen  ist,  in  der  gestanden  hat,  dass  sie  die  ifQovQia  bis  auf  eins  nah- 
men. Denn  nun  sagt  piodor  weiter :  xQuvyr^g  6t  Tiokkrjg  ytvofi^vtig  ntgi  ra  tf^ovQia 
xal  tijv  nagifjißoki^r,  ol  vavfiaxovvifg  \40^fivtttoi  xtnjitnkttyiyrtg  hganniattv  xal  ngog  to 
kdnofitrov  rdiv  (fQovQiwv  ^(pvyov.  Hier  ist  Abweichung  von  Thukydides,  nach  welchem 
alle  3  <fQovQia  genommen  werden.  Oder  sollte  es  nur  ganz  ungeschickter  Ausdruck 
sein?  Denn  nun  heisst  es  Weiter  von  den  Athenern:  77^0^  rijv  yfjv  xatmfivy€tv  ov 
dwa^ttoi  6ttt  TO  rovg  Zvgnxoüiovg  övoTv  ifgovgdov  xvgi^vuv,  WO  erstens  ZU  fragen  ist, 
warum  sie  ngog  to  ktmofA^vov  qgovQtov  fliehen  können,  Ttgog  rijv  yijr  aber  nicht 
fliehen  können,  wo  das  ifg.  doch  lag,  und  zweitens,  warum  die  Einnahme  der  2  <fg, 
sie  hindert  ans  Land  zu  kommen ,  da  sie  es  ja  doch  auf  das  kunofisvov ,  also  ein 
drittes  abgesehen  hatten?  Sollte  vielleicht  irgendwo  die  Angabe  fehlen,  dass  inzwi- 
schen auch  das  dritte  (fg.  genommen  war?  Aber  wo  sollte  sie  gestanden  haben?  End- 
lich was  soll  heissen,  dass  in  Folge  des  Lärms  um  die  (fgovgia  und  die  iragefißokii 
die  Athener  sich  zur  Flucht  wandten?  Welcher  Zusammenhang  ist  zwischen  diesen 
Sachen  denkbar?,  Was  hat  überhaupt  die  nagefißokij  hier  zu  thun?  —  Es  ist  also 
klar,  dass  in  diesem  Cap.  Diodor's  eine  unlösliche  Verwirrung  herrscht,   welche  es 


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ltff,fh*f  l'*^i  h*^*'h  hfh/M  ^*ft  tfoOH'fti^i    «a«  rrv-ik.  tkht  kat,  und  Beut«  ebeii- 

^  M  ^>f(*M^N  /l'ü  itufhhit^Ui.ufn .,  iU-Mtt^-n  iif.trr  vrm  IHodor  jwf  5000  Mann  ohuc 
/Im«  *iiltiH'*hMhHtnhHfl  ,  uini  tUti^tttt  VUfitM  v/m  Ihm  auf  nU(ovg  rmr  aySofixovjn  »nge- 
^/ If/.»  -^iMl  *H*I»  Ui  VH,  r/  ulml  «tu  f^*/fr'  XH%  f^fUfi^Kovru.  Diodor  kann  eine  an- 
Hffi'  fyiH.lli'  ü«'(i'(M  l(i«0«i»i,  kU^UiU'hi  lUiKt  atH;r  auch  nur  FlUchtigkeil  von  Seiten 
IMmiIh«  h  Hil'f  n^\m  Alm<  hiMlImr  viir  Aühfilich  int  hei  Diodor  und  Thukydides  im  Aus- 
(ImmKm  Mdt  liditi'MilK»     KmI   tliiik    Vll.  4'i  wird  am  Hchlusso  des  Berichtes  ttber  die 

hfn.lhH'MllI-   »!»•«  |li»iMi«»lll«ll»B    |*HK«»i'lUirt :    i^n)  fV'   alXriv   nrtQaaxtVffv  ixayriv,  xnl  roii 

jiih    ^»  {M.4H'H0<<t  Hh»      ÄMlHilluh  IMml.   XIII,   11:  x«i  f//»'  ^Aii/f  Trn^affxit;^ Imö- 

Hi^tM     th    'i<   wMm»*    iW  «JitHfÄiioMM  /mUii'  /iii/iHiori'fo   —  — .    Dann  Thuk.  VII,  4:i 
|(<i4c,^M(    »i{(    '4((MMi    mm<k«mO*  .   DUul    Xlll,   H:  nvalnßwv  juVQiavg  ^ir  oniJtai, 

<M>iwt»  (W  K'UvM'fHt»  ('Mwi'k,   WO  (II011O  /uhlou  imu  Biud.    Neu  ist  auch  die  AngalH* 
MIu\Ih(  «.  (UtHH  JiOU  AÜudUM  ^iHiUlttit  wuniuu  und  nach  AkragHs  12  Schiffe  fahren. 


Diod.  XIII,  9-14  und  Thukydides.  361 

c.  12.  Beratbang  der  Athener.  SchJimme  Lage.  Seuche.  Die  Ausdrücke  bei 
Thuk.  YII,  47  und  Diod.  XIII,  12  stimmen  nur  im  allgemeinen.  Bei  der  Angabe  des 
Votums  des  Demosthones  durah  Diodor  herrscht  in  Betreff  des  Inhaltes  Ueberein- 
stimmung  mit  Thukydides,  die  Worte  stimmen  jedoch  wenig  iiberein.  Bei  dem  Votum 
des  Nikias  ist  bei  Diodor  in  den  Ausdrücken  grössere  Ueberoinstiromung  mit  Plut. 
N.  22,  wo  auch  der  Ausdruck  avxo^avrCtt^  sich  findet,  gerade  wie  Diodor  at-xor/ar- 
ttiv  hat.    Das  Eigebniss  der  Berathung  ist,  dass  die  Athener 

Thuk.  VII    49:  Diod.  XIII,  12: 

Weiter  wird  die  Ankunft  von  HUlfstruppen  für  die  Syrakusaner  gemeidet;  ähn- 
lich, aber  nicht  so  speciell,  Th.  VII,  50,  wodurch  die  Syrakusaner  muthiger  werden, 
die  Athener  aber 

Thuk.  VII,  50:  Diod.  XUI,  12: 

^fie/j^lat'jo  TiQOTtQov  ovx  ayntJTiiVTig.  .  /kKrtfi^lovrn  dia  ro  firi  ndXai  loy  «noTiXovt' 

So  rouss  denn  auch  Nikias  einwilligen.  Es  wird  alles  zur  Abfahrt  bereit  gemacht 
und  der  Befehl  gegeben  aufzubrechen: 

Thuk.  VII,  50:  Diod.  XIII,  12: 

oittv  rig  arjfiijvrf  —  —  x«l  fxtkXoi'i tav  iturtiv     omv  atjfn^rrj' /nfXXoyrirjt'  <J*  fwrtoy  t^ 

dnoTiXfTv  Tj  atXi^vri  ixX(£n(i.  vattQaitf  nXzTv  iliXtnty  ^  Oikrit-tj. 

Auch  das  nun  folgende  ist  ähnlich  bei  Beiden  erzählt :  nur  hat  Diodor  die  An- 
gabe, die  fjm'Tfig  hätten  gesagt,  man  müsse  ras  tühnfjt^vttg  tQtTs  ri^i^ng  «raßaXltaOm 
Tov  ixnXovi'y  während  es  bei  Thuk.  VII,  50  heisst:  ov^  av  ^ttcßofltvauad-tu  hi  tqri, 
TtfAv,  (og  ol  /udvjttg  i^Ffyovi'To,  tqU  it'via  rffjt^Qug./uttvai.  Die  Erklärung  dieser  Diffe- 
renz wird  die  Nachricht  Plutarch's  im  Nik.  23  geben :  «XXotg  rc  xttl  rtoy  7r«(jl  liXiov 
x«l  atXi^vfiv  inl  TQ€ig  fjfi^ffag  fjtoiovvro  tfvXaxijVf  tof  ^AviixXtCdrig  ^ifyQnifjtv  iv  toig  ^|iy- 
ytjTixotg'  b  öi  Ntxiag  aXXrjv  smiai  atXrji'fjg  nvn^tivup  nt^iodov.  Eine  solche  Nachricht, 
wie  sie  hier  von  Antikleides  gegeben  wird,  scheint  Diodor  falsch  verstanden  zu  haben. 

c.  13.    Vorletzte  Seeschlacht.     Man  vergleiche  den  Anfang  bei  Beiden: 
Thuk.  VII,  51  :  Diod.  XIII,  13 : 

oS  df  ^VQaxotfi Ol  xal  avrol  lovto  n v^     ol  dl  2vQax6aiot^  naQ«  Ttvufv  ni/ro^o- 

OofLivoi tag  ovv  vavg  inXijQovv.     Xmv  nvihofievoi  rtji'  att(ttv ifxg  r« 

iQir^Qiig  nnaag  ^n  XtIJqovv. 

In  Betreff  der  Zahlen  ist  bei  Diodor  Abweichung  von  Thukydides.  Nach  jenem 
kämpfen  74  syrakusanische  Schiffe  gegen  86  athenische;  nach  Thuk.  76  gegen  86. 
Diodor  hat  spedellere  Angaben  in  Betreff  der  Vertheilung  des  Commandos  auf  beiden 
Seiten.  Von  Eurymedon  heisst  es  bei  Thuk.  VII,  52  anoXafißdvovoi ,  bei  Diod.  XIII, 
13  dntXiiipOTj.  Die  Zahl  der  mit  Eurymedon  vernichteten  Schiffe,  weiche  von  Thuk. 
nicht  angegeben  wird,  beträgt  nach  Diod.  XIII,  13:7.  Beide  Schriftsteller  erwähnen 
das  von  den  Syrakusanem  gebrauchte  Kriegsmittel,  die  oXxtida  xXrifinridtov  x«l  d^dwv 
Thuk.  di^Sog). 

c.  H  ff.  enthalten  die  Darstellung  der  entscheidenden  Seeschlacht.  Man  vergleiche 
den  Anfang  des  c.  14  mit  Thukydides: 

Thuk.  VII,  59:  Diod.  XUI  14: 

ol  ovv  £vQttx6atoi  —  tixortog  ivofiiaav  ol  6i  ^VQaxooioi  pofj{(ovtfg  ftrix^Ti  lov  xir- 
xaXov  ny<oyiOfia  a<fiü\v  ih'tu  inl  ry  yty^-  dvvov  (hat  rrtQl  tilg  noXtwg  dXXit  TtoXv 
rri^ii'ri    iCxrji    rrjg  vavfiaxing   iX(Tv    Ti    jo    fidXXov   ivtOTfjxivut    ror   dy^rn    TitQt     lov 

ar  naion  tdov  nnttv  T^v  *Ai>rivttiiav Xafitlv     to     aTQurdntJoy     ^*t«     7i5v 

fxXtjiov  ovv  xd  V  ik  kl fiiva l^ovja     noXk^imv    fd^f^aXfaiop    dniiiQttiiov    xo 

10  ajofia  —  —  toig  dl  ^yid^tjvaio&g  Ti}i'     ardfia   tov  Xifiivog oi  dt  Wi^jy- 

Ti  dnoxkrja IV  oqiugi   —  vatoi    i^iioQmvt tg    nvroTg    Tiavra^ro&tv 

tifv  atoTfiQiav.  dnoxixXki fiivfiv -^ 


362  Anhang  i.    Qiielloo  der  Geschichte  SiciKens. 

Wir  orf»hren  sodann  nur  von  Diodor,  dass  der  Verschlvss  des  Hafens  in  3  Tagen 
vollendet  wurde  (nicht,  nicht  wie  Collm.  19  sagt:  triduo  post  iilam  navalem  pugnaai 
obstruetnm  fuisse) ;  auch  ttber  die  Ansflifarung  des  Verschlusses  finden  sieh  bei  Diodor 
Details,' die  Thuk.  nicht  hat.  In  Betreif  der  Zahl  der  Sehiffe  auf  beiden  Seiten  ist 
wieder  Verschiedenheit  zwischen  Diodor  und  Thukydides.  Nach  Diod.  116  athen. 
Trieren,  nach  Thuk.  VII,  60  nur  HO,  nach  Diod.  74  syrakusanische,  nach  Thuk.  76. 
Sodann  hat  Diodor  besonders  ttber  das  auf  syrakusanischer  Seite  Vorgefallene  Details, 
die  Thukyd.  fehlen ;  dahin  gehört,  dass  auf  kleineren  Schiffen  naidig  iltv&eQoi  folg- 
ten, die  mit  ihren  Vätern  am  Kampfe  Theil  nehmen  wollten ;  dahin  gehört  femer,  dasa 
rd  TttQl  thv  Xiutvn  rt^x^  x«l  näs  6  ti^g  nolftis  vjttQXd'fttvüg  tonog  $yifti  «UfiKtmr, 
welche  die  Entscheidungsschlacht  des  Krieges  mit  ansehen  wollten. 

c.  15.  Sorge  des  Nikias.  Anrede  an  die  Trierarchen,  in  der  manches  ähnlioh 
wie  bei  Thuk.  VII,  69  ist.  Ausgegangen  wird  bei  Beiden  vom  kMwog,  der  den  Ni- . 
kias  dazu  bewogen  habe,  diese  letzte  Anrede  zu  halten ;  bei  Beiden  wird  die  nament- 
liche Anrede:  Diod.  tS  ovo^atog,  Thuk.  ot'ofiaart,  erwähnt;  bei  Beiden  sodann  auf 
die  Auszeichnung  der  Vorfahren:  Diod.  ngoyopiov  a^trai,  Thuk.  mxTQixag  ttQfras 
hingewiesen.  Der  Ausdruck  des  Nikias  bei  Diodor,  sie  sollten  ttviilafi^alf-at  r^g  ftonfg 
xajaXiXft^/u^vi]^  ilnfJog,  entspricht  Thuk.  VII,  70,  sie  möchten  r.tQl  rrjg  ig  rrjv  na- 
rf}(dtt  attrrjQiag  rvyj  tt  nore  xai  av&ig,  ttvTiXaß^ü&ai. 

c.  16.  Schilderung  der  Schlacht  selbst,  wobei  es  sehr  bemerkenswerth  ist,  dass, 
während  Thuk.  ausführlich  schildert  (VII,  71),  mit  welchen  Gefühlen  das  athenische 
Landheer  der  Schlacht  zusah ,  —  besonders  von  ntivrwv  yäg  Sri  araxti/Aivtr  rotg 
^J&Tfvaioig  tg  tag  ravg  an  —  Diodor  besonders  hervorhebt,  wie  sieh  die  zuschauenden 
Syrakusan^r  dabei  verhielten ,  von  denen  er  ja  schon  vorher  gesagt  hatte ,  dass  sie 
die  Mauern  um  den  Hafen  und  die  höher  gelegenen  Theile  der  Stadt  bedeckten.  Es 
entsprechen  sich  besonders,  weniger  in  den  Worten,  folgende  Schilderungen: 

Thuk.  VII,  71  von  den  Athenern:  Diod.  von  den  Syrakusanem: 

ti  fAiv   jtvfg    fdot^v    ntj;   rovg   otfStiQovg    ol  «T  (nl  rctir  rff/wv  orc  fiip  tdoiif  tovg 
in ixQttTovvTrtg  ttPtd-UQüffOuv  ti  av  xu\     tSlovg  evrjfiipovvtag  iiratayiCov,  ow*  cT 
TiQog  üraxlriotv  ^((op  firj  (rr<(>^a«f  Otfitg  t^g    iXariofiivo  vg  iaxivov  x«\  fitra  öaxffvtifv 
atoir\Qlag  itQ^noyro'y   ol  ^  trtl  to   fiaato-     roig  &^(oTg  tj ^ogriv/ovro. 
fiivov  ßXiif'avrtg  oXofpvoftip   ff   afta  fiira 
ßoijg  //pwiTo. 

e.  17.  Fortsetzung  der  Erzählung  der  Schlacht,  die  mit  Lebhaftigkeit  und  Be- 
redsamkeit vorgetragen  ist,  und,  wie  der  ganze  Bericht  von  c.  14  an,  einen  unend- 
lich befriedigenderen  Eindruck'  auf  den  aufmerksamen  Leser  macht,  als  z.  B.  die  con- 
fuse  Erzählung  in  c.  9.  Auch  der  häufig  wiederkehrende  Gegensatz :  ol  fiiv  l^i&^ratoi 
—  ol  (T^  £v(ttcx6aioi  bringt  keine  Eintönigkeit  in  den  Vortrag.  In  diesem  Cap.  erhal- 
ten wir  noch  die  werthvolle,  von  Thukydides  trotz  seiner  Ausführlichkeit  nicht 
gegebene  Nachricht,  dass  von  den  Athenern  zuerst  die  besiegt  worden  sei^i,  welche 
der  Stadt  zunächst  ihre  Stellung  hatten,  wobei  an  das  früher  (c.  16)  von  Diodor 
berichtete  zn  denken  ist,  iyiort  rovg  naga  tffv  y^v  vavftaxovrtag  avfi^iaxovg  «/<«•' 
Tovg  fnl  rijfi  z^Q^^^'  oiQttTontdivoviug ^  sodass  recht  eigentlich  die  Energie  aller 
Syrakusaner  die  Schlacht  gewonnen  hat.  Man  hat  bisher  diesen  wichtigen  Punkt 
nicht  gehörig  beachtet  (z.B.  Grote  IV,  25.3) .  Man  vergleiche  noch  den  Schluss  des 
Schlachtberichtes  bei  Diodor  und  Thukydides: 

Thuk.  VII,  71:  Diod.  XIII,  17: 

7toXXr\  XQftvy^ xatiSioixov  ig    ol    fjitv    ovv    XvQUXoatoi    fitra     nolk^g 

f  ¥}v  yrjp'  Tort  Si  b  juh  vavttxog  aiQarog  XQavyrjg  xnTtd(t}Xov  rag  vavg  inl  rrjv 
ifXXog  ((XXtf f  oaot  /nii  /ifrito^ot  idXtO'  y^v'rwv6VA9'^ra(oivoaolfli^^ftiwQOl 
oav,  ««rf rc/^^T«(  i | inkaov  ig  ro  otqu--  dietf&dgfiaav  —  ixH fiSttvttg  ix ^twv nmv 
Tontdov,  eig  10  71  € Cbv  OTQUTOTieSop  iffivyov. 


Diod.  XIII,  15  — ;i2  nnd  Thukydides.  363 

Schltesalich  giebt  Diodor  noch,  was  Thukydides  nicht  hat,  die  Zs|hl  der  auf  beiden 
Seiten  vernichteten  Schiffe,  von  den  Athenern  60,  von  den  Syrakusanem  8  gapz  ver- 
nichtet, J6  stark  beschädigt  —  ainfriTQiufifvtm».  Die  Zahlen  bei  Thuk.  VII,*  72  sind 
nur  ungefähre.  So  zeigt  «ich  bis  zuletzt  in  der  Beschreibung  dieser  Schlacht  Diodor 
über  die  Syrakusaner  besser  unterrichtet  als  über  die  Athener. 

c.  18  wird  gesagt,  dass  die  Schuld  des  Nichtabziehens  zur  See  an  Nikias  lag. 
Thukydides  hatte  den  Mannschaften  die  Schuld  gegeben.  Diodor  spricht  ausdrücklich 
aus,  dass  der  Rückzug  gerichtet  war  ln\  KaTavrjs.  Was  Thukydides  über  diesen  Ge- 
genstand sagt,  wird  in  einem  besonderen  Abschnitte  erläutert  werden ;  ich  kann  hier  nur 
einfach  die  Thatsacho  aussprechen ,  dass  der  Marsch  nach  ihm  von  Anfang  an  nicht 
nach  Katane  gerichtet  war.  Es  ist  also  Widerspruch  zwischen  Thukydides  und  Diodor 
in  diesem  Punkte  vorhanden.  Wie  kam  Diodor  zu  seiner  Abweichung?  Durch  andere 
Quellen?  Ich  meine,  durch  ein  Missverständniss  des  ITiukydides,  indem  er  nämlich, 
wie  seitdem  Manche  gethan  haben,  Thuk.  VII,  80:  i/v  dl  rj  ^i'^naffa  6dog  «iJtij  ovx 
fnl  KttTarris  t^i' arnariv/uari  in  der  Weise  falsch  verstanden  hat,  als  habe  Thukydi- 
des sagen  wollen,  anfangs  ging  es  auf  Katane  zu,  nachher  aber  musste  man  die  Rich- 
tung ändern. 

c.  19.  Eude  des  Zuges.  Berathung  in  Syrakus  über  das  Schicksal  der  Gefange- 
nen. Hier  ist  eine  Üebereinstimmung  zwischen  Diodor  und  Plutarch  in  folgendem 
sichtbar : 

Flut.  Nik.  28:  Diod.  XIII,  19: 

'KQfioxQnrrjg   fitr    tfnwr,    oti    tov   rixar    'J^QfioxQnirjg  7ittQf?.x9t!üv itf^t^gti    X^~ 

XQfiTTOv  i an  T o  xaXuig  )^{ii\ayfat  rJ    yttv ,   ^g  xaXXiov    (an    ro    r  riv   r(xfjv 
rCxf^  ov  fiirnCiog  i d^oQvß rjyhri.  Ivfyxfiv  avd-Qtan Iv tag  ^oQvßovvTog 

Jl  jov  öiifiov  — 

Dass  Plutarch  aus  Diodor  geschupft  habe,  dies  anzunehmen.  liegt  kein  Grund  vor. 
Beide  haben  also  dieselbe  Quelle  benutzt,  und  dies  war  Thukydides  nicht,  ()er  von 
der  Theilnahme  des  Hermokrates  an  dieser  Berathung  vollständig  schweigt»  Wer  die 
Quelle  war,  wissen  wir  nicht.  Aus  der  Art  aber,  wie  Diodor  und  Plutarch  hier  die- 
selbe Quelle  benutzt  haben,  sieht  tnan  wieder,  dass  die  alten  Historiker  nicht  blosse 
Abschreiber  waren.  Eine  Abweichung  von  Thukydides  bietet  Diodor  mit  seiner  An- 
gabe ,  die  Gefangenen  hätten  akq£nov  iSvo  xoC^'^ag  bekommen ,  nach  Thuk.  VII,  87 
nur  6vo  xoTvkagy  eine  x*^Tvt^  enthält  aber  4  xorvXag.  Die  Abweichung  beruht  auf  Flüch- 
tigkeit Diodor's. 

Mit  c.  20  beginnt  ein  Abschnitt,  der  Diodor  durchaus  eigen  ist.  c.  20--27  ent- 
halten die  Rede  des  Nikolaos,  der,  Hermokrates  unterstützend,  fUr  Schonung  spricht ; 
c.  28 — 32  die  des  Gylippos,  der,  abweichend  von  Thukydides  und  Plutarch,  Strenge 
empfiehlt.  Woher  nahm  Diodor  diese  Berichte?  Nach  CoUmanD  21  ff.  aus  Epthoros. 
Doch  ist  ein  Hauptgrund  von  C.  nicht  zwingend.  Nach  ihm  (21)  können  sie  nicht 
aus  Timaios  sein,  weil  nach  Plut.  Nik.  28  Timaios  erzählte,  dass  die  Feldherren  gegen 
den  Willen  des  Gylippos  getOdtet  seien.  Pas  ist  nicht  genau.  Plutarch  citirt  den 
Timaios  nur  dafür  als  Quelle  ^  dass  die  Syrakusaner  dem  Gylippos  Habsucht  vorge- 
worfen hätten.  _Aber  andere  Gründe  führen  allerdings  auf  Ephoros.  Sie  ergeben  sich 
aus  einer  Vergleichung  der  Reden  XIII,  20  —  32  und  XIV,  65  «-69,  die  bei  aller 
Verschiedenheit  des  Gegenstandes  dennoch  einige  Beziehung  zu  einander  verrathen. 
Es  ist  schon  an  sich  auffallend,  dass  uns  im  Diodor  nur  diese  längeren  Reden  erbal- 
ten sind  (sonst  noch  Rede  XUI,  52  und  vgl.  Diod.  XI,  1),  zu  deren  Aufnahme  ihn 
gewiss  die  Vorliebe  für  die  Angelegenheiten  seiner  sicilischen  Heimath  bewogen  hat. 
Die  Beziehi^ngen  im  einzelnen  sind  folgende.  XIII,  22  und  XIV,  66  ist  von  Gelon 
die  Rede: 


364  Anhang  I.    Quellen  der  Greschichte  Bicilions. 

XIU,  22:  XIV,  66: 

r^lvjt'  i^  i^tförov    tijg  Sixkliag   oXt^  ixtlrog  öiti  rt  riiv  aQtJ^v  xa\  ro    ufyt&o^ 

fiytftwp   fyivtio   %tiv  noXtttv   ixovaitog  liav  nna^tmv  ov  fiovov  rwv  £vQ€txoai$»9f 

(ti  liit'  (^ovaiav  (xtiyov  n agayttofi^rtov.  nXlk  x«t   ttav   J^iXfkttOTtav  kxova(t9v 

Eine  zweite  Beziehung  ist  die  Erwähnung  der  Niederlage  der  Athener: 
XIII,  21  :  XIV,  67  : 

toait  ^^^l  top  ayy€lovPTft  avrofs  rijv  avfi-  ot  nathQtg  rifitiv  ovdk  tov  anayytlovpfa 
ifOQav  nfQiltitfd-r/Vi€i,  T^v  avfifiogav  aniXtnov, 

Auffallend  ist  noch  die  Aehnlichkeit  je  einer  Stelle  in  XIII,  30  und  XIV,  66.  In 
jener  Stelle  schliesat  ein  Anklagepunkt  gegen  die  Athener:  o  nQo^notovfjihvoq  ^i- 

XttvO^QtoTtitf    ötaifiQHv   Sfjfio^    \j,trmlafittai    tag   noltig  agdriy   (trtjQrjxtv ,    XIV,    66   aber 

heisst  OS  von  Messeno:  ttQdtjv  ayjjQtijai,  und  dann  von  Naxos  und  Katane:  nolttg 
oi'fAfiaxi^ai  t  inixalQüvg  noXeig,  aQÖtiv  aPTf^fixe.  Mit  Nothwendigkeit  ist  aus  dieser 
Zusammenstellung  zu  schliessen,  dass  dieselbe  Hand  die  Rede  des  13.  und  die  des 
14.  Buches  gearbeitet  hat.  Da  nun  die  Rede  des  14.  in  den  Abschnitt  gehört,  welcher, 
wie  wir  sehen  werden ,  wahrscheinlich  von  Ephoros  stammt ,  so  darf  man  auch  die 
Reden  des  13.  Buches  aus  Ephoros  herleiten.  Natürlich  ist  der  Beweis  nicht  mit 
völliger  Sicherheit  geliefert ;  es  wäre  denkbar,  dass  die  Aehnlichkeiten  zwischen  den 
Reden  des  13.  und  14.  Buches  nur  von  dem  Bearbeiter  Diodor  herrtthrten.  Dann 
wäre  freilich  diesem  eine  noch  viel  umfassendere  selbständige  Arbeit  zuzuschreiben, 
als  man  gegenwärtig  zuzugeben  geneigt  ist.  Die  Entscheidung  könnte  nur  durch  eine 
detaillirte  Prüfung  des  Stiles  Diodor's  geliefert  werden,  die  ich  bisher  noch  nicht 
habe  soweit  führen  können ,  dass  es  mir  schon  jetzt  möglich  wäre ,  ihre  Ergebnisse 
mitzutheiien. 

c.  33.  Schicksal  der  Athener  in  den  Latomien,  wo  bemerkenswerth  ist,  dass  die 
gebildeteren  von  lernbegierigen  Jünglingen  gerettet  werden. 

Es  ist  jetzt  an  der  Zeit,  das  sich  aus  Vorstehendem  Ergebende  über  die  Darstel- 
lung Diodor's  zusammenzufassen. 

1)  Diodor  hat  wesentliche  Abweichungen  von  Thukydides,  Abweichungen,  die 
nur  als  Widersprüche  bezeichnet  werden  können :  Abweichungen  in  den  Zahlen,  s.  o. 
zu  XIII,  6.  11.  13.  14.  Abweichungen  in  der  Chronologie :  Tod  des  Lamachos  u.  And., 
Abweichungen  in  den  Thatsachen:  Besetzung  des  Olympieion  durch  die  Athener. 

2)  Diodor  stellt  die  letzte  grosse  Seeschlacht  mit  wichtigen  Details  vom  Stand- 
punkte der  Syrakusaner  dar. 

3)  Er  hat  einzelne  schlecht  gearbeitete  Partien  und  andere  recht  gute. 

4]  Er  stimmt  nicht  selten  in  Worten  und  Wendungen  mit  Thukydides  fiberetn. 

Ziehen  wir  hieraus  weitere  Folgerungen  in  Betreff  der  Quellen  Diodor's.  Wegen 
1  ist  für  einen  Punkt  mit  Sicherheit  eine  Thukydides  stark  widersprechende  Quelle 
anzunehmen  :  für  d^n  Tod  des  Lamachos,  vielleicht  auch  für  die  athenische  Besetzung 
des  Olympieion.  Wegen  2  lässt  sich  die  Annahme  einer  sicilischen,  Thukydides  nicht 
tn  demselben  Grade  widersprechenden,  sondern  vielmehr  ergänzenden  Quelle  für  .Dio- 
dor nicht  abweisen.  Es  kommt  hier  mehreres  zusammen: 'Angaben  in  Betreff  der 
Gesammtzahl  der  Schiffe,  sowie  der  vernichteten,  wobei  sowohl  die  .Flotte  der  Syra- 
kusaner als  auch  ihr  Verlust  geringer  erscheinen  als  bei  Thukydides;  Schilderung 
der  Schlacht  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Empfindungen  der  Syrakusaner;  end- 
lich und  hauptsächlich  Angabe  des  entscheidenden  Momentes  der  Schlacht.  Wegen 
4  ist  eine  unmittelbare  Benutzung  des  Thukydides  wahrscheinlich ;  hier  nur  Vermit-- 
telung  durch  Ephoros  anzunehmen,  ist  deshalb  unthunlich,  weil,  wie  wir  sehen  wer- 
den, auf  Ephoros  gerade  die  dem  Thukydides  widersprechenden  Stücke  zurückzuführen 
sind.   Wenn  aber  eine  solche  unmittelbare  Benutzung  zu  statuiren  ist,  so  hat  es,  bei 


Diodor.  lustin.  365 

Ber(lck8ichtig;img  von  3  keine  Schwierigkeit,  manche  der  Abweichungen  vonThuky- 
dides  auf  flüchtige  Lesung  dieses  Schriftstellers  durch  Diodor  zurückzuführen.  Hier- 
her rechne  ich :  die  (atsche  Einreibung  der  Niederlage  durch  die  Sikeler  (XIII,  8) ; 
die  Einnahme  der  tfQov^ia  des  Plemmyrion  und  die  Angabe  Über  die  Kichtung  des 
Rückzuges  nach  Katane.  Es  entsteht  nun  die  Frage,  welches  die  Quellen  für  1  und  2 
sind.  Was  2  anbetrifft,  so  kann  zwischen  Philistos  und  Timatos  nicht  entschieden 
werden;  in  Betreff  der  dem  Thukydides  durchaus  widersprechenden  Quelle  (1}  ist  da- 
gegen nur  an  Ephoros  zu  denken.  Eine  sicilische  Quelle  ist  eben  dadurch  ausgeschlos- 
sen ,  dass  in  diesen  Partien  Unrichtigkeiten  vorkommen ,  welche  ein  mit  den  Locali- 
tüten  bekannterer  Schriftsteller  sicilischer  Herkunft  unmöglich  begehen  konnte.  Für 
Ephoros  spricht  noch  zweierlei :  erstens  der  negative  Umstand,  dass  sonst  keine  Quelle 
vorhanden  ist,  die  Wahrscheinlichkeit  hat,  und  zweitens  der  positive,  dass  Diodor 
den  Ephoros  sonst  oft  benutzt  hat,  in  griechischen  Dingen  anerkanntermassen,  und 
wie  ich  zeigen  werde,  auch  in  sicilischen.  Dann  ist  auch  wahrscheinlich  der  ganz 
verkehrte  Bericht  Diodor's  über  den  ersten  athenischen  Krieg  (XII,  53.  54)  ein  schlech-^ 
tes  Exceipt  aus  Ephoros.  Nach  diesem  Berichte  gehen  gleich  zuerst  mit  Laches  100 
Schiffe  ab,  zu  denen  in  Rhegion  noch  100  rheginische  stossen.  Später  werden  es 
durch  Eurymedon  und  Sophokles  im  Ganzen  250.  Wir  wissen  aus  der  Geschichte  des 
Dionys,  dass  Ephoros  auch  sonst  zu  hohe  Zahlen  hatte.  Voil  Kriegsbegebenheiten 
kommt  nur  folgendes  vor:  Verwüstung  der  liparischen  Inseln,  Eroberung  von  5  lokrl- 
sehen  Schiffen,  Eroberung  von  Mylai,  wobei  die  Athener  1000  Mann  ttfdten,  500  ge- 
fangen nehmen  —  theilweise  dem  Thukydides  widersprechend.  Die  Aehnlichkeiten 
zwischen  lustin  und  Diodor,  von  denen  ich  alsbald  sprechen  werde,  erklilren  sich 
somit  am  besten  dadurch,  dass  sowohl  Diodor  wie  Trogus  Pompeius  den  Ephoros 
zu  Grunde  legten,  der  dann  bei  dem  Griechen  einmal,  bei  ^en  ROmem  zweimal  ent- 
stellt wurde. 

Jetzt  sind  noch  einige  Worte  über  den  lustinus  als  Quelle  für  die  Geschichte 
der  athenischen  Expedition  zu  sagen.  Bei  der  bekannten  Flüchtigkeit  dieses  Schrift^ 
stellers  (Bd.  I.  S.  317)  ist  von  vom  herein  nicht  viel  Gutes  von  ihm  zu  erwarten. 
Und  wirklich  ist  seine  Darstellung  (IV,  3 — 5)  höchst  erb&rmlich.  Zuerst  sind  die  Ca- 
tinienses,  zu  denen  der  Athener  Lamponius  (ein  Lampon  kommt  Thuk.  V,  19  und  24 
vor)  geschickt  wird,  allein  die  Veranlasser  des  Krieges ;  von  Leontinem  und  gar  von 
Egestäem  ist  nicht  die  Rede.  In  der  Form  Chariades  stimmt  er  mit  Diod.  XII,  54 
Uberein.  Gylippos  wird  IV,  4,  9  in  zwei  Treffen  geschlagen,  siegt  dann  im  dritten, 
wo  Lamachos  fällt,  vgl.  Diod.  XIII,  8;  Gyl.  holt  eine  Flotte  von  Lacedaemon;  die 
Peloponnesier  schicken  communi  civitatum  decreto  ungeheure  Hülfstruppen  den  Sy- 
rakusanem.  IV,  5  Seeschlacht;  das  Lager  geht  cum  omni  publica  ac  privata  pecunia 
den  Athenern  verloren.  Hierzu  vgl.  Diod.  XIII,  9,  und  für  die  pecunia  privata  kann 
man  auf  Thuk.  VIII,  24  verweisen,  wonach  auch  ifAnoQutv  xQni^^^f*  in  den  qQovQioie 
wareip ,  die  erobert  wurden.  So  haben  wir  einen  Fortschritt  zum  Verkehrteren :  bei 
Thukydides  die  schlichte  Wahrheit,  ifQovQia  werden  genommen ;  bei  Diodor  Confu- 
sion ,  hier  sind  es  die  oxvQuifiaru ;  bei  lustin  endlich  gehen  die  castra  der  Athener 
verloren.  Als  sie  dann  auch  terrestri  proelio  geschlagen  sind,  giebt  Demosthenes  ähn- 
lichen Rath  wie  bei  Diod.  XIII,  12;  Nikias  ist  dagegen.  Seeschlacht;  in  prima  acie 
nuit  Eurymedon,  und  seine  30  Schiffe  werden  verbrannt,  nach  Diod.  XIII,  13  waren 
es  7.  Abzug  zn  Lande;  130  zurückgelassene  Schiffe  nimmt  Gylipposl  Demosthenes 
tödtetsich  selbst;  nachFricke  103  Missverständniss  der  Nachricht  des  Philistos,  dass 
er  sich  hat  tödten  wollen.  —  Wir  finden  also  bei  lustin  eine  gewisse,  jedoch  nicht  völlige 
Uebereinstimmung  mit  Diodor,  dessen  Fehler  er  übertreibt ;  es  ist  klar,  dass  Beide  aus 
derselben  Quelle— Ephoros— geschöpft  haben,  und  dass  lustin  durch  allzu  grosse  Fluch- 
tigkeit eine  Erzählung  hergestellt  hat,  an  der  gar  nichts  mehr  für  uns  brauchbar  ist. 


366  Anhang  L    Quellen  der  Geschichte  Siciliens. 

» 
Dm  Ergebniss  der  gesaminten  bisherigen  Untersuchung  über  die  Quellen  der  €^~ 

scktchte  des  athenlsehen  Krieges  ist  nun  folgendes.  An  die  Hauptquelle  Thukydides, 
deren  Werth  für  uns  ein  absoluter  ist,  schliesst  sich  Plutarch  an,  der  die  Erzählung 
des  grossen  Atheners  nach  seinen  Bedürfnissen  zurechtgelegt  und  durch  anders wo< 
her,  aus  Philistos  und  Timaios,  guten  Quellen,  entnommenes  Detail  zweckmässig 
ergänzt  hat.  Er  hat  ein  wohl  abgerundetes,  für  uns  durchaus  brauchbares  Werk  in 
seinem  Nikias  geliefert.  Diodor  folgt  zwar  im  allgemeinen  dem  Gang  der' Erzählung 
des  Thnkydfdes,  dessen  Worte  sogar  hin  und  wieder  durchklingen ;  aber  er  hat  ausser 
Thukydides  noch  einen  in  wesentlichen  Punkten  vOUig  abweichenden  Bericht  benutzt : 
den  des  EphoPos,  dessen  Zusammenwerfiing  mit  dem  aus  Thukydides  entlehnten  grosse 
Verwirrung,  in  Sachen  wie  in  der  Sprache,  in  den  betreffenden  Partien  angeriehlet 
hat.  Für  einen  Punkt  dagegen  letzte  Schlacht)  ist  er  durch  Benutzung  sicilischer 
Schriftsteller  eine  werthvolie  Quelle,  und  befriedigt  auch  in  der  Form.  lustin  endlich 
beruht,  soweit  man  sehen  kann,  hauptsächlich  auf  Ephoros,  von  dem  jedoch  in  dem 
zweimaligen  Excerpt  durch  Trogus  Pompeius  und  durch  lustin  selbst  schliesslich 
nichts  Brauchbares  mehr  übrig  geblieben  ist. 

Nun  ist  eines  beachtenswerth.  Wir  haben  fUr  die  athenische  Expedition  den  Be- 
richt des  Atheners  Thukydides,  wir  haben  den  Bericht  des  Biographen  des  Athenen 
Nikias,  des  Plutarch.  Beide  müssen  den  Krieg  vorzugsweise  vom  athenischen  Stand- 
punkt und  mit  Rücksicht  auf  das  im  athenischen  Lager  Vorgefallene  schildern,- und 
Plutarch  erzählt  überdies  im  Wesentlichen  sich  an  Thukydides  anschliessend  und 
nur  Einzelheiten  hinzufügend.  Dann  haben  wir,  da  von  lustin  als  einer  Geschieht«' 
quelle  nicht  die  Bede  sein  kann,  die  Darstellung  des  Sikelioten  Diodor,  der  in  ein- 
zelnen Partien  den  syrakusanischen  Standpunkt  einnimmt,  aber  auch  er  thut  es  mehr 
äusseriioh,  indem  er,  von  einem  speciellen  Punkte  abgesehen ,  hauptsächlich  durch 
pittoreskes  Detail  die  Darstellung  lebendiger  macht;  im  Ganzen  bewegt  sich  auch 
seine  Erzählung  immer  noch  auf  den  Bahnen ,  die  Thukydid^  eingeschlagen  hatte. 
Ein  wirklich  vom  syrakusanischem  Standpunkt  aus  geschriebener  Bericht  über  den 
Krieg  liegt  nicht  vor.  Ein  solcher  würde  uns  von  grosser  Wichtigkeit  gewesen  sein, 
weil  er  von  den  wechselnden  Stimmungen  der  Bevölkerung  von  Syrakus  hätte  reden 
müssen,  die  gewiss  nicht  ohne  grosse  Schwankungen  und  Zuckungen  soweit  kam,  dass 
sie,  wie  Thukydides  mittheilt,  einen  Augenblick  an  Uebergabe  dachte«  Da  ist  denn  sehr 
erfreulich,  dass  wenigstens  ein  Stück  eines  solchen  Berichtes  erhalten  ist  in  der  Be- 
schreibung der  List,  durch  die  Uermokrates  die  empörten  Sklaven  unschädlich  macht, 
bei  Polyaen  I,  43,  1,  der  überhaupt  viel  Gutes  aufbewahrt  hat,  wenngleich  bis- 
weilen Irrthtimer  sich  in  den  Auszug,  den  er  giebt,  eingeschlichen  haben.  Das  ist 
wirklich  ein  Stück  der  syrakusanischen  Annalen.  Sklavenaufstände ,  mit  Mühe  ge- 
stillt ;  angesehene  Leute  wie  Sosistratos ,  der  ein  awij&Tig  des  Uipparchos  Daimachos 
genannt  wird,  an  der  Spitze  der  Sklaven;  Ueberläufer  zu  den  Athenern:  das  sind 
Dingo,  von  denen  Thukydides  und  die  mehr  oder  weniger  von  Thukydides  abhängi- 
gen Plutarch  und  Diodor  nichts  wissen,  und  die  einen  erwünschten  Blick  in  das  be- 
lagerte Syrakus  thun  lassen.  Wer  war  aber  der  Historiker,  aus  dem  Polyaen  das 
Fragment  entnahm?  Timaios  oder  Philistos,  welcher  letztere  jedenfalls  in  diesem 
Theile  seines  Werkes  besseres  zu  thun  hatte,  als  Thukydides  zu  paraphrasiren.  Ich 
weite  bei  dieser  Gelegenheit  auf  desselben  Polyaen  I,  42,  1  u.  2  hin,  die  von  Gylip- 
pos  handeln.  Die  beiden  Erzählungen  sind  indess  nicht  in  den  Bahmen  der  thu> 
kydideischen  Behigerungsgeschiohte  zu  bringen.  Wo  ist  der  Xocfos  zwischen  der 
Stadt  und  dem  athenischen  Lager?  Nach  2  könnte  man  an  die  if>govQta  des  Plem* 
myrion  denken  —  denn  es  handelt  sich  um  eine  Seeschhicht,  während  der  Xötf^og 
occupirt  wird  —  aber  diese  ipQovQta  lagen  ja  nicht  zwischen  der  Stadt  und  dem 
Lager. 


Dionysios  I.  367 

Die  ans  dem  Alterthum  erhaltenen  Berickte  Über  die  athenisebe  Expedition  lassen 
sich  nunmehr  so  classificiren: 
I.    1)  Thukydides. 

2)  Derselbe  mit  Zusätzen  aus  anderen  guten  sicilischen  Quellen :  Plutarch. 

3)  Vermischung  des  Thukydides  mit  anderen  seklechten  Quellen  (Ephoros)  im- 
mer noch  mit  Ueberwiegen  des  athenischen  Standpunktes:  Diodor. 

II.  Gänzliches  Ueberwiegen  der  schlechten  Quelle  (Ephoros),  deren  Bericht  dnrch 

einen  unfähigen  Historiker  noch  verschlechtert  wird :  lustinus. 
III.  Rein  syrakusanisclier  Bericht:    Polyaen  I,  43,  1  aus  Philistos  oder  Timaios 
entlehnt. 
In  Betreff  der  Benutzung  dieser  Quellen  kann  über  folgende  Grundsätze  kein 
Zweifel  obwalten: 

1)  Thukydides  ist  überalh  zu  Grunde  zu  legen  und  seine  Details  sind  unbedingt 
anzunehmen. 

2)  Plutarch's  Details  sind  zu  benutzen. 

3)  Diodor  ist  nur  da  zu  benutzen,  wo  er  in  wohl  zusammenhängender  Daratellung 
Thukydides  ergänzt  (XIII,  14  ff.},  sonst  überall  zu  verwerfen,  wo  er  Thukydides  wi- 
derspricht. Wenn  seine  Zahlen  da,  wo  sie  den  thukydideischen  widersprechen,  zu- 
rückzuweisen sind,  so  geschieht  dies  einftu)h  des  Principe  wegen,  das  die  methodische 
Kritik  beherrscht,  einer  schlechteren  Quelle  auch  in  solchen  Detaile  nicht  zu  folgen, 
die  möglicherweise  richtig  sein  kOnnen.  Nur  die  nacb  Diod.  XIII,  8  von  Eurymedon 
mitgebrachten  140  Talente  fordern  zum  Nachdenken  auf. 

4)  Instin  ist  unberücksichtigt  zu  lassen. 

5)  Von  Polyaen  ist  I,  43,  1  zu  benutzen. 

Dionysios  I.  liier  liegt  uns  ^Is  zusammenhängende  Darstellung  nur  Diodor 
vor,  und  zwar,  wenn  wir  die  Geschichte  Siciiiens  seit  der  Niederlage  der  Athener 
mit  herbeiziehen,  in  folgenden  Abschnitten:  XIII,  34.  35.  43.  44.  54—63.  75.  ;9.  80— 
96.  108—114;  XIV,  7—10.  14—16.  18.  37.  40-78.  87.  88.  90.  91.  95*  96.  100—109.  111. 
112;  XV,  6.  7.  13—17.  24.  73.  74.  Die  Geschichte  des  Dionys  beginnt  XIII,  91. 
Wirklich  zusammenhängend  ist  indess  nur  das  in  Buch  XIII  und  XIV  Enthaltene,  das 
die  Geschichte  des  Dionys  bis  zu  dem  Momente  darstellt,  wo  er  mit  der  Elroberung 
von  Rhegion,  387  v.  Ohr,  seinen  ersten  H(5hepunkt  erreicht  hat.  Was  Diodor  später 
über  Dionys  giebt,  ist  höchst  abgerissen.  —  Nun  nimmt  Volquardsen,  Untersuchun- 
gen etc.  Kiel  1868.  8.  p.  72  und  sonst,  an,  dass  alles  dies  aus  Timaios  genommen 
ist,  mit  Ausnahme  von  XV,  6^.  7.  13,  wo  ihm  Wiederholungen  schon  gesagter  Dinge 
aus  anderen  Quellen  vorzuliegen  scheinen.  Für  ihn,  der  ja  möglichst  gerne  viel  aus 
einer  einzigen  Quelle  entlehnt  glaubt,  liegt  der  €hrund,  diese  Stücke  dem  Timaios 
beiznlegen,  in  folgendem  Raisoanement,  das  wir  zu  prüfen  haben.  Zunächst  sondert 
Volquardsen  aus  dein  sicilischen  Stücken  Diodor's  einzelne  aus,  welche  ihm  aus  spe- 
ciellen  Gründen  von  nicht  ucilischem  Ursprünge  zu  sein  scheinen;  sie  finden  sich  in 
der  Tabelle  S.  72  ff.  eingeklammert.  Die  übrigen  haben  nach  ihm  gemeinsamen  Cha- 
rakter und  müssen  gemeinsamen  Ursprung  haben  (S.  76).  Das  ist  schon  nicht  bewie- 
sen; auch  unter  ihnen  könnten  noch  Stücke  abweichenden  Ursprungs  sich  finden. 
Jene  Stücke  haben  nun  nach  ihm  zunächst  ein  gemeinsames  Kennzeichen  an  der  Ge- 
nauigkeit in  chronologischer  Beziehung,  die  in  ihnen  herrscht  (S.  76).  Diese  ist  aber 
in  WirkHchkett  hier  nicht  mehr, vorhanden,  als  anderswo  in  Diodor.  Indem  ich  diesen 
Punkt  behandele,  kann  ich  mich  auf  Ausführungen  l>eziehen,  die  bereits  von  andern 
und  auch  von  mir  im  1.  Bande  dieser  Geschichte  gegeben  worden  sind,  und  welche 
hier  zusammengestellt  und  vervollständigt  werden  sollen.  Plass ,  Tyrannis  der  Grie- 
chen, hat  nachgewiesen,  dass  es  in  der  Gieschichte  des  Dionys  bei  Diodor,  und  zwar 
in  sokhen  Abschnitten,  die  nach  Volquardsen  einen  gemeinsamen  und  zwar  sicilischen 


36S  Anliang  I.    Quellen  der  Geschichte  Sicilienä. 

Ursprung  haben,  an  Spuren  derjenigen  chronologischen  Ungenaoigkeit  nicht  fehlt 
welche  nach  Volqnardsen  gerade  den  aus  Ephoros  stammenden  griechischen  Stücken 
eigen  ist.  Er  hat  II,  210  gezeigt,  dass  das,  was  Diod.  XIV,  54 — 78  erzählt,  unmög- 
lich, wie  Diodor  annimmt,  in  das  eine  Jahr  395  gehOron  kann.  Nach  Diodor  ereignet 
sich  395  nichts  Sicilisches,  und  doch  wird  jedenfalls  das  in  cap.  78  erzählte:  Grün- 
dung von  Tjndaris  und  Feldzüge  gegen  die  Sikeler,  erst  im  Jahre  nach  den  früher 
erzählten  Begebenheiten  vorgefallen  sein.  Dasselbe  uncbronologische  Verfahren  hat 
Plass  II,  213  n.  3  auch  in  XIV,  14  und  15  gefunden,  und  Völkerling,  De  rebus  Si- 
culis  etc.  Berol.  1868.  8,  p.  10,  stimmt  ihm  darin  bei.  Das  Von  Diodor  hier  zum  Jahre 
403  erzählte  scheint  ihm  auf  vier  Jahre  vertheilt  werden  zu  müssen,  und  es  ist  aller- 
dings klar,  dass  die  Eroberung  von  Aetna,  der  Angriff  auf  Leontini,  die  Bezwingung 
Henna's,  die  Eroberung  von  Katane  und  Naxos,  ihre  Zerstörung  resp.  Besiedelung 
mit  neuen  Einwohnern,  endlich  die  Unterwerfung  von  Leontini  nicht  sämmtlich  in  das 
Jahr  403  gehören  können.  Allerdings  irrt  sich  Plass,  wenn  er  sagt,  Diodor  schweige 
einige  Jahre  von  Sicilien;  er  schweigt  nur  im  Jahre  401  davon,  und  zwar  deshalb, 
weil  er  in  diesem  Jahre  den  Feldzug  der  Zehntausend  erzählt.  Ein  drittes  Beispiel 
ähnlicher  Behandlung  der  Chronologie  sicilischer  Dinge  durch  Diodor  habe  ich  selbst 
Bd'.  I  S.  431  angeführt.  Diodor  bat  XI,  86.  87 ,  welche  Kapitel  ebenfalls  nach  Vol- 
qnardsen zu  der  zusammenhängenden  Masse  sicilischer  Stücke  gehören,  offenbar  Be- 
gebenheiten mehrerer  Jahre  in  eines  zusammengezogen.  Hier  liegt  der  schlagende 
Beweis  chronologischer  Ungenauigkeit  darin,  dass  nach  Diodor  in  demselben  Jahre: 
mehrfacher  Versuch,  eine  Tyrannis  in  Syrakus  zu  gründen,  Einführung  des  Petalis- 
mos  und  Abschaffung  desselben  vorgekommen  sein  soll.  In  Wirklichkeit  liegt  die 
Sache  so:  Diodor,  der  den  inneren  Angelegenheiten  von  Syrakus  sonst  nicht  viel 
Aufmerksamkeit  widmet,  hat  doch  diese  ihm  wichtigen  Bogebenheiten  nicht  ganz 
unterdrücken  mögen.  Er  hat  sich  aber  kurz  gefasst  und  die  ganze  Entwickelunga- 
geschichte  der  syrakusanischen  Verfassung  zwischen  460  und  450  in  ein  Jahr  aufge- 
nommen, offenbar  in  dasjenige,  in  welchem  der  wichtigste  der  Versuche,  eine  Tyran- 
nis zu  gründen,  sich  ereignet  hat.  In  dieselbe  Epoche  gehörige  chronologische  Un- 
genauigkeiten  Diodor's  in  sicilischen  Dingen  habe  ich  Bd.  I,  431  unten  und  4S2  be- 
sprochen und  muss  hier  darauf  verweisen.  Hier  führe  ich  endlich  noch  einen  neuen 
Beleg  für  dieselbe  Sache  an.  Er  betrifft  Diod.  XV,  24  und  37.  In  c.  24,  zum  Jahr 
379 — Ol.  100,  2,  hören  wir,  dass  die  Karthager  Hipponion  wiederherstellen;  fiera^i 
javra  lotfitxrjg  voüov  Tots  xatoiicovai  rijy  Ktt^x^ifova  ytvofi4vti£ ,  »a\  r^f  voaov  n^Vi^r 
(nCittatv  ix^voTig  /  nolXol  xtav  Xo^/i/cfor^»'  dinp&aQiiaav ,  und  es  findet  ein  Aufstand 
in  Libyen  statt.  Zuletzt  heisst  es  aber:  ra/u  kal  rovg  Atßvag  xattnolifAtiaav.  In 
c.  73  jedoch,  zum  Jahre  368  v.  Chr.,  Ol.  103,  1  hören  wir,,  dass  Dionys  tovq  Ka^xi' 
Jovfovs  6(iüStf  ovx  eu  ^iuxitfiivovq  n^og  rot'  Tiolf/Liop,  dta  te  Ti;f  ysytvfifiivtjv  nuQ*  icvroTc 
Xoifitxfiy  vooov  xal  r^r  nnoataatv  rtSv  Aißviav  fyvia  ar^arivtiv  in  avrovg.  Hier  ist 
die  Beziehung  auf  c.  24  klar.  Wenn  man  aber  annehmen  wollte,  dass  chronologisch 
alles  in  Ordnung  sei,  und  in  c.  73  wirklich  nur  auf  etwas  vor  11  Jahren  Geschehenes 
Bezug  genommen  werde,  —  was  schon  an  sich  nicht  wahrscheinlich  ist,  —  so  wider- 
spricht dem,  was  in  c.  73  von  den  Verlegenheiten  Karthago's  gesagt  wird:  axovaag 
(T^  ra  vtionia  tv»v  KaQx^^ovdo»  ifinenQ^aO'ta.  Solche  Vorfälle  sind  gerade  in  c.  24  als 
»toTifunxog  atv^ia  xura  x^r  KaQxn^oya ,  WO  die  Einwohner  ngos  allijXovs  kämpfen, 
bezeichnet.  Es  gehört  also  von  dem  in  c;  24  als  im  Jahre  379  geschehen  Erzählten 
das  Meiste  in  die  Zeit  unmittelbar  vor  368,  und  somit  liegt  auch  hier  wieder  ein  Bei- 
spiel desjenigen  chronologischen  Verfahrens  vor,  das  nach  Volquardsen  nur  den  Grie- 
chenland betreffenden  Stücken  Diodor's  eigen  sein  soll.  So  habe  ich  nachgewiesen, 
dass  den  von  Volquardsen  ausgesonderten  Stücken  im  Gegensatz  zu  der  übrigen  Masse 
Diodor's  chronologische  Grenauigkeit  als  besonderer  Charakter  nicht  vindicirt  werden 


Diodor  für  Dionys  I.  ,369 

kann.  Ich  fahre  in  der  Erwägung  der  Beweisfühning  Volquardsen's  fort.  Jene  Yon 
ihm  als  zusammengehörig  betrachteten  sicilischen  Stücke  haben  sodann  eine  siciiische 
Färbung  (S.  78),  welche  nach  ihm  (S.  80)  nicht  etwa  von  Diodor  herrührt.  Hiergegen 
ist  mehreres  zu  sagen.  1)  Auch  in  den  yon  Volquardsen  für  nicht  sicilischen  Ursprungs 
erklärten  Stücken  finden  sich  dieselben  Dinge,  die  ihm  eine  siciiische  Färbung  her- 
zustellen scheinen.  So  rechnet  er  S.  79  die  Erwähnung  der  ;if^f}^ffTiarij^£ce  und  aroal 
XIV,  7  zu  den  Spuren  sicilischer  Färbung.  Da  aber  XV,  13  in  einer  Stelle,  die  Volq. 
S.  75  einklammert,  also  für  nicht  sicilischen  Ursprunges  erklärt,  vsoigta  und  yv/nva- 
ffta  erwähnt  werden,  so  ist  nicht  einzusehen,  mit  welchem  Rechte  die  Erwähnung 
der  Hallen  dem  Berichte  eine  siciiische  Färbung  geben  soll.  2)  Bei  einzelnen  sieht 
man  ohne  Vergleichung  anderer  Stellen ,  dass  Volq.  mit  Unrecht  in  dem  von  Diodor 
beigebrachten  Detail  eine  siciiische  Färbung  finden  will.  So  wäre  nach  Volq.  S.  79 
bei  Diodor  XIV,  18  die  Länge  der  Steine,  welche  die  Mauer  des  Dionysios  bildeten, 
auf  4  FuBB  angegeben,  es  steht  aber  da :  ^x  ki&<ov  titgunidtov,  d.  h.  aus  Quaderstei- 
nen. Das  ändert  die  Sache;  die  Notiz,  wie  sie  im  Diodor  steht,  hat  durchaus  keine 
besonders  siciiische  Färbung.  3)  Volq.  sagt  S.  78,  dass  Dinge  erwähnt  werden,  die 
nur  ein  Sicilier  erwähnen  würde,  „theila  weil  sie  genaue  Kenntniss  der  topographi- 
schen Verhältnisse  zeigen,  theils  weil  sie  nur  für  Sicilier  Interesse  hatten.^'  Die  topo- 
graphischen Details  beweisen  an  sich  nichts,  denn  jeder  Schriftsteller,  ob  er  nun  aus 
dem  Lande  stammt,  dessen  Geschichte  er  erzählt,  oder  ob  nicht,  wird  topographische 
Details  bringen  müssen,  wenn  er  genau  über  Dinge  schreiben  will,  die  nur  durch 
solche  Details  erläutert  werden  können.  Wie  viel  topographische  Details  bringt  nicht 
Polybiosl  Wer  aus  ihm  schöpfte,  käme  also  jedesmal  in  den  Verdacht,  aus  einem 
Schriftsteller  des  Landes  geschöpft  zu  haben,  welches  gerade  beschrieben  wird. 
Ebenso  bedenklich  steht  es  um  den  zweiten  Punkt:  das  nur  für  Sicilier  Interesse 
Haben.  Die  Details,  welche  Volq.  S.  78  und  79  in  dieser  Beziehung  anführt,  sind 
der  Art>  dass  man  nicht  sagen  kann,  sie  hätten  nur  für  Sicilier  Interesse  gehabt. 
Um  nur  Weniges  hervorzuheben,  so  sind  die  7  (richtiger  9)  Thürme  des  Orabmonu- 
mentes  von  Gelon  und  Damareta,  die  400  (richtiger  450)  Opferthiere  der  Syrakusaner, 
der  Brunnen  an  dem  Orte,  wo  später  Lilybaion  gebaut  wurde«  die  Belohnung  des 
Archylos  für  die  Eroberung  von  Motye ,  doch  Dinge ,  welche  aUgemein  interessiren 
können,  und  welche  also  ebenso  gut  Ephoros  wie  Timaios  zu  haben  im  Stande  war. 
Es  heisst  die  Geschichtschreibung  übermässig  und  unnatürlich  einengen,  wenn  man 
Details  dieser  Art  nur  eingeborenen  Schriftstellern  gestatten  will.  Und  nun  gar,  wenn 
XIV,  48  steht,  dase  Motye  6  Stadien  vom  Lande  entfernt  war,  wer  wird  wohl  Vol- 
quardsen's Annahme  beistimmen,  dass  das  nur  ein  Sicilier  wissen  oder  interes3ant 
finden  konnte !  Niemand  wird  läugnen  wollen ,  dass  das  Siciiische  in  den  von  Volq. 
zusammengestellten  Stücken  Diodor's  mit  einer  gewissen  Vorliebe  behandelt  ist;  es 
handelt  sich  nur  darum,  welche  Schlüsse  man  aus  diesem  Factum  zu  ziehen  hat. 
Volquardsen  schliesst  daraus,  dass  Diodor  dies  alles  in  dem  Werke  eines  geborenen 
Siciliers  fand ;  ich  erkläre  es  durch  die  Vorliebe,  welche  Diodor  selbst  für  seine  hei- 
mathliche  Insel  hatte.  Volquardsen's  Annahme  ist  nur  dann  natürlich,  wenn  Diodor 
so  schwachen  Geistes  war,  dass  er,  sobald  ihm  einmal  ein  Schriftsteller  als  Quelle 
vorlag,  mechanisch  Seiten  daraus  abschreiben  musste,  auch  wenn  ihn  das  Detail  nicht 
interessirte,  und  auch  in  diesem  Falle  ist  sie  nicht  nothwendig,  denn  auch  eine  an- 
dere Quelle  als  ein  von  einem  geborenen  Sicilier  verfasstes  Werk  konnte ,  ja  musste 
theilweise  die  Details  haben,  die  nach  Volq.  nur  von  einem  Sicilier  herstammen 
können.  Unsere  Annahme  ist  dagegen  die  natürlichere,  sobald  wahrscheinlich  gemacht 
ist,  dass  Diodor  nicht  bloss  mit  der  Scheere  gearbeitet  hat,  sondern  auch  mit  de/ 
Feder  und  mit  dem  Kopf.   Und  dass  er  seinen  Kopf  dabei  benutzt  hat,  soweit  dessen 

Holm ,  Oeseh.  SicilienR.  II.  24 


370  Anhang  I.    Quellen  der  Geschichte  Siciliens. 

Kräfte  reichten,  das  sieht  man  daraus,  dass  er  1)  aus  ausfuhrlichen  Berichten  nur  einen 
kurzen  Auszug  zu  geben  hatte ,  und  2}  daraus ,  dass  sein  Stil  im  Grossen  derselbe 
Ist.  So  hat  er  wählen  und  sichten  müssen,  und  wenn  SicUien  gut  in  seinem  Werke 
weggekommen  ist,  so  kommt  das  daher,  dass  er  es  so  gewollt  hat.  Aber  es  lässt 
sich  noch  specioller  naehweisen,  dass  das  ROcksichtnehmen  auf  sicilische  Details  von 
Diodor  selbst  ausging.  Diodor  war,  wie  alle  alten  und  neuen  Sicilier,  ein  guter  Lo* 
calpatriot;  wir  werden  sogleich  nachweisen,  dass  er  sein  Agyrion  mehr  erwähnt  als 
nöthig  gewesen  wäre.  Dagegen  kommt  Tauromenion  keineswegs  mehr  als  nöthig 
vor,  und  seine  Angelegenheiten  werden,  wo  sie  behandelt  werden,  auch  nicht  im  ent- 
ferntesten mit  der  Ausführlichkeit  behandelt ,  welche  die  von  Yolqu.  vorausgesetzte 
Quelle  Timaios  ihnen  gewidmet  haben  muss.  Wie  sparsam  Diodor  in  dieser  Hinsicht 
mit  dem  Raum  verfuhr,  zeigt  ein  Vergleich  zwischen  der  Art,  wie  Diodor  XVI,  69 
Timoleon's  Empfang  in  Tauromenion  schildert,  und  der  viel  ausführlicheren  Darstel- 
lung des  aus  derselben  Quelle  —  Timaios  —  schöpfenden  Plutarch,  Tim.  10  und  11. 
Femer  citlrt  Volq.  XIV,  16,  wo  Halaisa  als  8  Stadien  vom  Meere  entfernt  angege- 
ben wird,  als  ein  Detail,  das  eine  sicilische  Quelle  Diodor's  beweise.  Nach  dem  Vor- 
hergehenden beweist  es  das  nicht;  aber  das  ist  nicht  der  Grund,  weshalb  ich  hier 
von  diesem  Kapitel  spreche;  ich  erwähne  es,  weil  es  die  Art  und  Weise  der  Arbeit 
Diodor's  deutlich  offenbart.  Denn  in  demselben  Kapitel  spricht  Diodor  über  Halaisa 
mit  Berücksichtigung  iier  Römerzeit  [xal  cTr«  ttjv  vno  rtüv  'Ptofiaimv  ^^(Zaav  «r^- 
Xiiav) ;  es  ist  also  sein  Eigenthum,  was  er  da  sagt.  Das  beweist  nicht,  dass  er  auch 
die  8  Stadien  aus  eigener  Messung  oder  persönlicher  Erkundigung  weiss,  obschon 
letzteres  keineswegs  unmöglich  oder  auch  nur  unwahrscheinlich  ist,  aber  es  beweist 
sein  Interesse  für  die  gesammte  Insel  —  wiederum  ein  Charakterzug  auch  der  mo- 
dernen Sicilianer  —  und  seine  Gewandtheit  im  Znsammenstellen  von  Notizen,  und 
durch  Beides  musste  er  sowohl  angetrieben  wie  auch  befähigt  sein,  aus  seinen  Qudlen, 
wenn  sie  auch  nicht  sicilische  waren,  das  Sicilien  betreffende  Detail  herauszusuchen. 
Wir  können  das  Vorhergehende  kurz  so  zusammenfassen.  Da  nicht  erwiesen  ist,  dass 
Diodor  stets  wörtlich  abgeschrieben  hat,  da  er  im  Gegentheil  lange  Stellen  der  von 
ihm  benutzten  Schriftsteller  hat  kurz  zusammenziehen  müssen,  da  er  endlich  erwie- 
senermassen  Notizen  über  Sicilien,  welche  seine  eigene  Zeit  betreffen,  in  sein  Werk 
aufgenommen  hat,  so  beweist  das  Vorhandensein  sicilischer  Details  älterer  Zeit  im 
Diodor  nicht  den  sicilischen  Ursprung  des  jedesmaligen  Qnellschriftstellers ,  sondern 
nur  Vorliebe  Diodor's  für  Sicilien,  eine  Vorliebe,  die  nicht  mehr  als  natürlich  ist. 
Indem  Volq.  die  Selbstthätigkeit  Diodor's  viel  zu  sehr  beschränkt,  begegnet  es  ihm 
S.  SQ  n.  1  zu  sagen :  „Wieviel  er  von  den  Hauptereignissen  der  sicilischen  Geschichte 
wusste,  kann  man  aus  seiner  grauenhaften  Behandlung  der  Geschichte  Tim<^eott*8 
sehen.''  Daraus  soll  geschlossen  werden:  Diodor  war  nicht  verständig  genug,  um  die 
sicilischen  Details  aus  anderen  Autoren  auszuwählen;  sie  mussten  ihm  in  sicilischen 
Quellen  vorliegen.  Das  Factum  ,^  auf  welches  Volq.  in  den  eitirten  Worten  anspielt, 
besteht  darin,  das»  Diodor  die  Geschichte  Timoleon's  chronologisch  vollkommen  ent- 
e,  stellt  hat.    Volq.  nimmt  dessenungeachtet  gerade  für  diesen  Abschnitt  Diodor's  den 

^  <shronologi8ch  genauen  Timaios  als  Quelle  an.    Dies  als  richtig  vorausgesetat ,  wäre 

die  einzig  mögliche  Folgerung  die  gewesen:  wir  sehen,  -dass  Diodor  im  Stande  ist, 
seine  Quelle  beim  Excerpiren  derselben  ihrer  vornehmsten  Eigenschaft  zu  berauben, 
und  können  somit  nicht  sagen,  dass  aus  Timaios  gezogene  Stellen  sich  bei  Diodor  an 
der  richtigen  Chronologie  erkennen  lassen.  Aber  dann  hätte  freilich  Volq.  seine  eigene 
Theorie  umgestossen,  und  so  begnügt  er  sieh  mit  der  eitirten  Bemerkung,  die  in 
Form  und  Inhalt  gleich  falsch  ist.  Was  Diodor  .,von  den  Hauptereignissen  der  sicili- 
schen Geschichte  wusste,^  das  wusste  er  aus  seinen  Quellen ;  wenn  er  also  eine  Partie 
Yjgrauenhaff'  behandelt,  so  hat  er  seine  Quelle  grauenWt  behandelt,  und  man  kann 


Diodor  für  Dionys  I.  371 

Bicht  ganze  Stücke  der  Quellen  auB  ihm  herausschneiden;  man  sieht  aber  femer  aus 
seiner  QueUenbehandlung  nicht,  was  er  wusste,  sondern  wie  er  verfuhr. 

Bisher  ist  nachgewiesen  worden,  dass  die  von  Yolquardsen  als  zusammengehörig 
aufgefassten  sicilischen  Stellen  Diodor's  nicht  nothwendig  zusammengehören,  dass  ihre 
jsicilischen  Details  nicht  nothwendig  daher  rühren,  dass  Diodor  eine  sicilische  Quelle 
benutzte,  sondern  dass  sie  sich  am  einfachsten  aus  der  sicilischen  Herkunft  Diodor's 
erklären.  Wenn  nun  auch  tou  einzelnen  in  diesen  Stücken  enthaltenen  Notizen  nach- 
gewiesen wird,  dass  sie  aus  Timaios  stammen,  so  beweist  das  noch  nicht,  dass  die 
gesammten  Stücke  timäisohen  Ursprungs  sind. 

Müsste  freilich  eine  einzige  sicilische  Quelle  für  alle  jene  Stücke  angenommen 
werden,  so  hätte  Yolq.  natürlich  recht,  an  Timaios  zu  denken,  da  sich  kein  anderer 
Schriftsteller  findet,  der  die  ganze  Zeit  umfasst.  Indessen  ist  Yolq.  mit  diesem  ne- 
gativen Beweise  nicht  zufrieden  gewesen,  er  hat  einen  positiven  führen  wollen,  indem 
er  in  jenen  Stellen  timäische  Eigenthümlicfakeiten  nachzuweisen  suchte.  Der  Beweis, 
den  wir  zu  prüfen  haben,  da  doch  vielleicht  noch  durch  ihn  die  bisher  als  nicht 
nachgewiesen  erfundene  sicilische  Herknüft  der  Sicilien  behandelnden  Steilen  Diodor's 
nachgewiesen  sein  könnte,  liegt  für  ihn  in  folgendem:  Die  Stücke,  von  denen  die 
Bede  ist,  zeigen  1]  nicht  den  in  den  hellenischen  Abschnitten  häufigen  Fehler  Dio- 
dor's ,  Begebenheiten  mehrerer  Jahre  in  eines  zusammenzudrängen ,  woraus  auf  den 
chronologisch  genauen  Timaios  als  Quelle  zu  schliessen  ist  (Yolq.  S.  103.  104).  2)  Sie 
zeigen  dagegen  positive  Eigenthümliehkeiten  des  Timaios,  Deisidaimonie ,  Bhetorik, 
Schmähsucht.  3)  Tauromenion ,  die  Heimath  des  Timaios ,  wird  mehr  genannt ,  als 
nöthig  wäre.  Hiergegen  ist  folgendes  geltend  zu  machen.  Yon  1)  ist  schon  die  Bede 
gewesen,  in  der  Chronologie  der  Stücke  ist  nichts  Timäisches  nachzuweisen.  2)  Die 
Deisidaimonie  war ,  wie  z.  B.  Plut.  Dion  24.  25  zeigt ,  auch  anderen  Historikern  als 
Timaios  eigen,  und  tritt  überdies,  wie  Yolq.  S.  84  selbst  sagt,  bei  Diodor  sehr 
massig  auf,  und  schliesslich  haben  einzelne  Stellen,  in  denen  Yolq.  sie  findet,  gar 
nicht  die  Bedeutung,  die  er  ihnen  beilegt.  Bei  den  Belagerungen  von  Akragas  wie 
von  Syrakns,  handelt  es  sieh  mehr  um  Thatsachen,  als  um  blossen  Aberglauben,  und 
XYI,  80,  in  der  Schlacht  am  Krimisos,  wo  Yolq.  ein  Wunder  sieht  (S.  83),  kommt  gar 
keins  vor.  Den  rhetorischen  Charakter  hatte  Ephoros  nicht  minder  als  Timaios,  wie 
denn  z.  B.  die  langen  Beden  bei  Diod.  XIII,  20 — 32  nach  Yolqu.  selbst  nicht  aus 
Timaios  sind.  Endlich  von  Schmähsucht  finden  sich  in  diesen  Stücken  Diodor's  kaum 
Spuren,  da  man  eine  gerechte  Kritik  des  Tyrannen  nicht  Schmähsucht  nennen  darf. 
3)  Tauromenion  kommt  vor  XIY,  59.  88;  XY,  96;  XYI.  7.  68;  nicht  mehr  &ls  bei  der 
Bedeutung  der  Stadt  zu  erwarten  war,  und  XYI,  7  fügt  Diodor  etwas  hinzu,  was 
nicht  von  Timaios  herstammen  kann.  Somit  ist  Tauromenion's  Erwähnung  an  diesen 
Stellen  keineswegs  ein  Zeichen  der  Entlehnung  aus  Timaios.  Wohl  aber  wirft  die 
Erwähnung  einer  andern  Stadt,  die  von  weit  geringerer  Wichtigkeit  als  Tauromenion 
war,  durch  Diodor,  ein  sehr  willkommenes  Licht  auf  das  Yerfahren  dieses  Histori- 
kers. Es  ist  die  Erwähnung  von  Agyrion,  der  Geburtsstadt  Diodor's.  Ich  sehe  hier 
ab  von  lY,  24  und  lY,  80,  obschon  auch  diese  Stellen  das  Yerfahren  Diodor's  treff- 
lich illustriren,  um  nur  bei  den  in  die  Geschichte  der  Tyrannen  fallenden  Stel- 
len zu  verweilen.  Agyrion  wird  erwähnt  XIY,  9,  wo  die  aus  dem  karthagischen 
Gebiete  kommenden  Kampaner  auf  dem  Marsche  nach  Syrakus  ihr  Gepäck  in  Agyrion 
lassen.  Diese  Stelle  hat  Grote  5,  679  befremdet,  der  sie  geographisch  unwahrschein- 
lich findet.  Ich  theile  dies  Bedenken  nicht,  aber  ich  finde,  dass  nur  ein  geborener 
Agyrinäer  wie  Diodor,  auf  den  Gedanken  kommen  konnte,  in  einer  Universalgeschichte 
dergleiehen  unwichtige  Facta  mitzutheilen.  XIY,  78  giebt  zu  keiner  Bemerkung  Yer- 
anlassung,  XIY,  95  lesen  wir  dagegen  starkes  Lob  von  Agyrion,  das  20,000  Bürger 
hat.    Man  kann  Zweifel  an  der  Richtigkeit  des  Factums  haben;  sicher  ist  aber,  dass 

24* 


f  « 


372  AnhftDg  I.    Quellen  der  Geschichte  Siciliens. 

die  weitere  Bemerkung,  Magon  habe  im  Grebiet  von  Agyrion  sein  Lager  am  Chrysas 
unfern  Yon  dem  nach  Morgantine  führenden  Wege  aufgeschlagen,  ans  ihrer  Dunkel- 
heit nur  von  einem  geborenen  Agyrinäer  hervorgesncht  werden  konnte.  Endlich 
XVI,  82  und.S3,  wo,  während  Syrakus  40,000  Neubttrger  erhält,  Agyrion,  bei  dem 
allein  noch  eine  Zahl  angegeben  wird,  deren  10,000  zu  Theii  werden,  und  von  allen 
Städten  ausserhalb  Syrakus  nur  Agyrion  mit  seinem  Theater  einer  besonderen  ehren- 
vollen Erwähnung  gewürdigt  wird.  Es  sind  das  alles  Stellen,  die  aus  Timaios  stam- 
men sollen,  aber  man  bedenke  wohl,  dass  so,  wie  hier  Agyrion  hervorgehoben  wird, 
nirgends  von  Tauromenion  bei  Diodor  die  Rede  ist.  Man  kann  auch  nicht  sagen,  es 
verstehe  sich  von  selbst,  dass  Diodor  bei  seinem  Ezcerpiren  des  Timaios  einen  solchen 
Nachdruck  auf  Agyrion  legen  musste ;  das  versteht  sich  bei  der  Art  von  Arbeit,  die 
Diodor  von  Volquardsen,  Collmann,  Fricke  zugeschrieben  wird,  keineswegs  von  selbst, 
ist  im  Gegentheil  höchst  verwunderlich.  Diese  Stellen  zeugen  vielmehr  gegen  eine 
solche  Art  zu  excerpiren  und  beweisen  aufs  klarste,  dass  Diodor  seine  Excerpte  aus 
anderen  Schriftstellern  keineswegs  von  Einschaltungen  rein  hielt.  Zunächst  zeigt  die 
Yeigleichung  zwischen  den  Erwähnungen  von  Tauromenion  und  Agyrion  bei  Diodor 
aber,  dass  für  eine  Entlehnung  aus  Timaios  die  Erwähnungen  Tauromenion's  nicht 
das  mindeste  beweisen. 

Aus  dem  Vorigen  ergiebt  sich,  dass  Volq.  nichts  angeführt  hat,  was  für  seine 
Thesis  spräche,  die  von  ihm  zusammengestellten  sicilischen  Stücke  seien  timäischen 
Ursprungs.  £^  lässt  sich  aber  auch  der  positive  Beweis  liefern,  dass  ein  Stück  von 
nicht  unbedeutender  Länge,  welches  Volq.  als  aus  Timaios  entlehnt  betrachtet,  und 
das  im  Charakter  ganz  den  linderen  sicilischen  Stücken  Diodor*s  entspricht,  nicht  von 
Timaios  herstammen  kann.  Es  ist  XIV,  54—78.  In  c.  54  wird  Ephoros  citirt,  aber 
das  soll  nach  Volq.  S.  93  daher  kommen ,  dass  das  Citat  sich  bei  Timaios  vorfand. 
Man  bedenke  jedoch  folgendes.  Die  Differenz  zwischen  Timaios  und  Ephoros  besteht 
hauptsächlich  darin,  dass  Ephoros  das  karthagische  Heer  auf  300,000  Mann,  Timaios 
auf  130,000  Mann  angab.  Nun  lesen  wir  in  c.  76,  dass  im  karthagischen  Lager  150,000 
unbegrabene  Leichen  von  an  der  Pest  Grestorbenen  gefunden  wurden.  Also  folgt  Diodor 
in  dieser  Beschreibung  des  Kampfes  vor  Syrakus  nicht  dem  Timaios,  sondern  dem 
Ephoros,  der  die  höheren  Zahlen  hatte,  und  auf  den  schon  XIV,  62  hingedeutet  war. 
Aber  auch  die  Mitte  des  Stückes  weist  in  der  c  .65—69  gehaltenen  Rede  auf  Ephoros  hin. 
Ich  habe  oben  (S.  364}  die  Beziehungen  zwischen  dieser  Rede  und  denen  des  13.  Buches 
nachgewiesen.  Indem  nun  die  Rede  des  14.  Buches  in  einem  Stücke  steht,  das  jeden- 
falls sehr  viel  aus  Ephoros  hat,  und  die  des  13.  ebenfalls  dem  Ephoros  ohne  Be- 
denken zugeschrieben  werden  können  und  zugeschrieben  worden  sind,  entsteht  eine 
Art  von  gegenseitiger  Stütze  für  die  Zuweisung  beider  Stellen  an  Ephoros,  eine 
Stütze,  die  freilich  an  sich  nichts  bedeuten  würde,  jedoch  zu  anderem  hinzukom- 
mend, immerhin  von  Gewicht  ist.  Wenn  man  nun  so  sieht,  dass  Diodor  in  dem 
Stücke  XIV,  54—78  zu  Anfang  und  in  der  Mitte  (62)  Ephoros  citirt,  das  Ende,  die 
Schlacht  bei  Syrakus  (70—78),  entschieden  nur  nach  Ephoros  gearbeitet  ist,  die  Mitte 
aber,  die  Rede  (65  —  69)  hdchst  wahrscheinlich  ebenfalls  von  Ephoros  stammt,  wird 
es  erlaubt  sein  zu  sagen,  dass,  bis  nicht  specielle  Gegengrttnde  beigebracht  sind, 
XIV,  54—78  als  nach  Ephoros  gearbeitet  betrachtet  werden  muss. 

Das  Vorhergehende  zeigt ,  dass  die  von  Volquardsen  aufgestellte  und  jetzt  mei- 
stens angenommene  Ansicht,  dass  die  sicilischen  Stücke  Diodor's  mit  wenigen  Aus- 
nahmen aus  Timaios  stammen,  erstens  nicht  bewiesen  und  zweitens  für  ein  wichtiges 
Stück  entschieden  falsch  ist.  Wir  haben  also  auch  hier  wieder,  wie  bei  der  (beschichte 
des  athenischen  Krieges,  den  Schriftsteller  ohne  Rücksicht  auf  eine  Theorie  zu  prü- 
fen; leider  gelangen  wir  hier  nicht  zu  so  umfassenden  Ergebnissen.  Von  XIV,  54 — 7$ 
abgesehen,  lässt  sich  eine  speciell^  Quelle  für  Diodor*s  sicilische  Stücke  nicht  nach- 


Diodor  för  Dionya  I.  373 

weisen.  Wir  erkennen  aber  einen  anderen  Umstand ,  der  nicht  ohne  Bedeutung  ist. ' 
Das  von  Yolq.  dem  Timaios  Zugeschriebene  zerfällt,  wie  schon  oben  angedeutet 
wurde,  in  zwei  Gruppen  von  verschiedenem  Charakter.  Die  erste  umfasst  die  Stücke 
des  13.  und  14.  Buches.  Sie  sind  wenigstens  theilweise  mit  Sorg&lt  und  einer  ge- 
wissen Vorliebe  gearbeitet,  obschon  auch  hier  bisweilen  ein  sehr  willkürliches  Ver- 
fahren zu  Tage  tritt,  wie  folgende  Thatsache  beweist.  XIII,  34  und  61  kommt  die- 
selbe Schiffszahl  vor,  während  in  Wirklichkeit  durch  das  in  Asien  Vorgefallene  sieh 
inzwischen  die  Zahl  der  Schiffe  geändert  hatte.  Es  waren  Schiffe  verloren  gegangen, 
andere  dagegen  hinzugekommen;  und  doch  spricht  Diodor  XIII,  61  so,  dass,  wer  es 
nicht  besser  weiss,  glauben  muss,  dieselben  Scfaiffe^  die  Xm,  34  als  ausgefahren  ge- 
meldet sind,  kämen  nun  zurück.  Diese  Nichtberücksichtigung  der  inzwischen  vorge- 
fallenen Thatsachen  kann  keinenfalls  von  Timaios  herstammen ;  fand  sie  wirklich  sich 
in  einer  Quelle  Diodor's,  so  mnss  nach  dem  über  die  Quellen  der  athenischen  Expe- 
dition nach  Sicilien  Dargelegten  diese  Quelle  Ephoros  gewesen  sein;  vielleicht  hat 
den  Fehler  aber  Diodor  selbst  verschuldet.  Auch  andere  Stücke  dieses  Abschnittes 
lassen  sich  als  ein  nur  sehr  knappes  Ezcerpt  nachweisen,  so  werden  XIV,  68  in  der 
Rede  des  Theodoros  Details  als  gleich  nach  der  Seeschlacht  von  Katan^  vorgefallen 
berichtet,  die  in  der  Erzählung  dieser  Seeschlacht  selbst  XIV,  60,  die  doch  nicht 
übermässig  kurz  ist,  nicht  vorkommen.  Von  XIV,  111.  112,  wo  Volq.  87  timäi- 
schen  Charakter  ausgeprägt  findet,  wird  unten  an  seinem  Orte  (Eroberung  von  Rhe- 
gion)  die  Rede  sein.  So  schränkt  sich  auch  bei  den  sicilischen  Stücken  des  13.  und 
14.  Buches,  wo  doch  manches  recht  gut  zusammenhängende  ist,  das  mit  Wahrschein- 
lichkeit dem  Timaios  beizulegende  sehr  ein^  und  man  kann  mit  ebenso  viel  Recht 
Ephoros  als  Haupt-,  Timaios  als  Nebenquelle  bezeichnen,  eine  Ansicht,  die  vielleicht 
die  richtige  ist.  Diesen  Abschnitten  stehen  die  des  15.  Buches  gegenüber.  Hier  hat 
sehon  Volq.  o.  6.  7.  13  als  einer  anderen  Quelle  entlehnt  ausgesondert,  aber  es  ist 
nicht  zu  übersehen,  dass  auch  das  übrige  weniger  eingehend  dargestellt  ist,  als  im  14. 
So  ist  in  dem  c.  15—17  erzählten  Kriege  das  Geographische  mit  grosser  Unklarheit 
behandelt.  Aber  auch  sonst  ist  die  Darstellung  auffallend,  c.  15  heisst  es:  noXXal 
ukv  oSv  xara  fi^Qcg  iy^vorro  ^a/ce»  roTg  argaroni^oig,  die  Diodor  nicht  erzählen  will  — 
ein  sehr  magerer  Auszug  aus  der  Quelle,  wobei  noch  zu  bemerken  ist,  dass  die  Wen- 
dung einer  in  XIII,  108  angewandten  sehr  ähnlich  sieht.  Im  weiteren  Verlauf  der 
Kapitel  des  15.  Buches  ist  Diodor  reicher  an  Reflexionen  als  an  Facten,  und  zuletzt 
wird  der  Friedensschluss  so  plützlioh  berichtet,  dass  man  nicht  sicher  ist,  ob  nicht 
in  Wirklichkeit  der  Krieg  noch  etwas  länger  gedauert  hat.  Uebrigens  ist  nicht  mit 
Volq.  104  die  Notiz  über  den  Mauerbau  bei  Diodor  XV,  13  nur  als  eine  Wieder- 
holung des  XIV,  18  Erzählten  zu  betrachten.  XIV,  18  wird  die  Stadt  nur  ngoe  Sqxtop 
befestigt;  XV,  13  ist  das  nicht  gesagt,  und  es  ist  ein  Factum,  dass  sie  auch  im 
Süden  befestigt  wurde;  XIV,  18  sind  wir  noch  im  Jahre  402;  XV,  13  ist  nach  dem 
Vorgange  von  c.  6  von  der  Zeit  der  oxokri,  die  erst  387  begonnen  hat,  die  Rede. 
S.  jedoch  auch  Schubring,  Achradina  S.  28.  29. 

Das  Endergebniss  ist :  wir  müssen  uns  bescheiden,  die  Frage  offen  zu  lassen,  ob 
Diodor  wirklich  in  der  Geschichte  des  älteren  Dionys  den  Timaios  viel  benutzt  hat. 
So  mnss  auch  das  von  Volq.  85  besonders  hervorgehobene  Kennzeichen  timäischen 
Ursprungs,  die  Parteistellung  Diodor's  als  von  durchaus  zweifelhaftem  Werthe  für  die 
vorliegende  Frage  bezeichnet  werden.  Dass  des  Timaios  politische  Haltung  von  Ein- 
fluss  auf  Diodor  gewesen  ist,  ist  klar  (vgl.  XIII,  92) ;  aber  das  ist  nicht  dasselbe  mit 
beständiger  Benutzung  des  Timaios  als  Quelle.  Mit  Recht  nimmt  übrigens  Volq.  106  an, 
dass  Timaios  selbst  an  vielen  Stellen  Philistos  zu  Rathe  gezogen  hatte,  und  dass  dies 
die  Genauigkeit  der  timäischen  Darstellung  sehr  befördert  hat.  Nach  meiner  Bd.  I, 
S.  308  ausgesprochenen  Ansicht  liegt  indessen  bei  Piodor  XIII,  84  eine  directe  Be- 


374  Anhang  I.  .Quellen  der  Geschicfat^  Siciliens. 

nutznng  des  Philistos  vor.    üeber  die  Quellen  Diodor's  fUr  die  Begebenkeiten  nach 
387  läsBt  sich  kaum  eine  Vermuthang  wag^n. 

Eine  zweite  zusammenhängende  Darstellung,  die  des  lustinus,  ist  ÜLSt  ganz 
wertblos.  Wie  schon  Bd.  I,  S.  317  bemerkt  wurde,  haben  wir  in  Folge  eines  Sprun- 
ges von  480  auf  396  vor  Chr.  den  Anfang  der  Qeschicfate  des  Dionys  gar  nicht ;  da- 
gegen wird  dem  Jammer  des  Imileo  ein  langes  Kapitel  gewidmet.  XX,  1  sind  bei 
der  ersten  Erwähnung  des  Namens  des  Dionys  seine  Thaten  auf  Siciliea  auch  schon 
beendigt;  seine  kaum  erwähnten  in  Italien  führen  eine  Episode  über  Grossgriechen- 
land,  sowie  über  die  Gallier  herbei.  E^ugnatis  Locris  Orotonienses  adgreditnr,  ohne 
dass  er,  wie  es  scheint.  Kroton  einnimmt  —  schöne  Bereichenmg  unserer  historisehen 
Kenntnisse !  Die  Notizen  Über  Anno,  XX,  5  und  über  den  Tod  des  Dionys :  insidiia 
suorum  interficitnr,  sind  das  einzig  brauchbare ;  letztere,  weil  wir  auch  bei  Plut.  Dioa 
6  eine  ähnliche  Andeutung  haben,  um  so  interessanter. 

Sa  ist  denn  von  den  zusammenhängenden  Berichten  nur  der  diodorische  brauch- 
bar, dem  wir  folgen  müssen,  sobald  nicht  ein  innerer  Grund  Zweifel  erregt.  Bol 
seiner  Chronologie  muss  stets  die  Frage  gegenwärtig  sein:  hat  er  nicht  Dinge  in  ein 
Jahr  zusaipmengezogen ,  die  in  mehrere  gehören?  Alle  übrigen  Nachrichten  Über 
Dionys  I.  sind  unzusammenhängende  oder  gelegentliche.  Es  sind  wichtige  dadrun- 
ter:  .in  den  Aristoteles  zugeschriebenen  Oeoonomicis,  in  verschiedenen  Sehriftea 
Plutarch's  und  bei  Polyaen,  von  denen  allen  wir  die  Quellen  grösstentfaeils  niekt 
kennen.  In  Betreff  Polyaen's  ist  man  geneigt,  durchgängig  an  Timaios  als  Quelle  zu 
denken.  Doch  giebt  sich  V,  2,  8  wegen  der  Zahl  300,000  verglichea  mit  Diodor 
XIY,  62  als  ans  Ephoros  entlehnt,  kund.  Gerade  Polyaen  zeigt  uns  recht  deutlich, 
dass  wir,  obschon  Über  Dionys  I.  verhältnissmässig  nicht  schlecht  unterrichtet,  dock 
nur  sehr  wenig  von  dem  wissen,  was  das  Alterthnm  von  seinen  Thaten  ^usste. 

Dionysios  II.  bis  zum  Ende  der  Dionjrsischen  Zeit.  Diodor  hat  hier  wenig: 
XVI,  5  —  7;  9—13;  16  —  20;  31,  wovon  Volquardsen  S.  95  5.  6.  9-il.  81  als  nicht 
von  Timaios  herrührend  ansieht,  indem  er  6.  6.  9  — 11  als  aus  Ephoros  entnommen 
betrachtet  (S.  105.  6) ,  31  aber  aus  ApoUodor  (Volq.  23).  Von  XVI,  16  find0t  er  be- 
wiesen, dass  Timaios  zu  Grunde  liege,  durch  Plut.  Dion  35,  doch  ist  der  Beweis 
nicht  geführt.  Diod.  XVI,  16  sagt,  Philistos  habe  sfch  selbst  getödtet,  und  das  be- 
richtete nach  Plut.  Dion  35  Ephoros.  Damach  müsste  man  Ephoros  als  Quelle  Dio- 
dor's betrachten,  aber  Volq.  meint,  dass  aus  folgendem  Grunde  doch  Timaios  dafür 
anzusehen  sei.  Bei  Diodor  folgt,  dass  der  Leichnam  des  Philistos  duroh  die  Strassen 
von  Syrakus  geschleift  worden  sei,  „und  das  hatte  nicht  Ephoros,  sondern  Timonidea 
und  wahrscheinlich  nach  diesem  Timaios  erzählt«"  Dass  aber  dies  „nicht  Ephoros" 
berichtet  habe,  davon  steht  bei  Plutarch  nichts.  Die  Differenz  zwischen  Ephoros  und 
Timonides  ist  bei  Plutarch  nur,  dass  nach  Ephoros  sich  Philistos  selbst  tödtet,  nach 
Timonides  er  lebend  gefangen  wird.  Was  nach  Ephoros  mit  dem  Leichnam  vorging, 
davon  erfahren  wir  bei  Plutarch  und  sonst  überhaupt  nichts.  Also  kann  Diod.  XVI, 
16  sehr  wohl  aus  Ephoros  sein.  Es  ist  somit  von  keinem  der  Dionys  II.  und  Dion 
behandelnden  Stücke  Diodor's  nachgewiesen,  dass  es  aus  Timaios  ist,  und  von  einem 
derselben,  Diod.  XVI,  18—20,  welches  die  Kämpfe  zwischen  Nypslos  und  den  Syra- 
kusanem  behandelt,  werde  ich  unten  zeigen,  dass  es  so  ungenau  erzählt  ist,  dass  es 
im  Sinne  derjenigen,  welche  die  sicilischen  Stücke^  Diodor^s  Timaios  beilegen,  nicht 
mehr  Timaios  zugeschrieben  zu  werden  verdient.  Wir  geben  also  das  Unternehmen 
auf,  zusammenhängende  Stücke  einer  bestimmten  Quelle  zuzuweisen  und  betrachten, 
wie  bei  Dionys  I.,  die  diodorische  Darstellung  selbst.  Da  zeigt  sieh  wieder  dieselbe 
Eigenthümlichkeit :  eine  völlige  Vernachlässigung  einzelner  Partien  der  Begebenheiten. 
Nach  der  Zurückweisung  des  Ausfalles  des  Njrpsios  (Diod.  XVI,  20)  hört  das  Interesse 
Diodor's  an  Dion  völlig  auf.    Von  seinem  Kampfe  mit.Pharax,  von  der  Besitznahme 


Dionyß  II.  375 

der  Burg  yon  Syrakus,  yom  Ende  des  Herakleides  ist  nicht  die  Rede;  mit  den 
eigentlichen  Kriegsbegebenheiten  endigt  anch  hier  gerade  wie  bei  Dionys  I.  die  Ge- 
schichte. Die  Kriegsbegebenheiten  aber  sind  dem  Diodor  so  wichtig,  dass  er  die  bei 
der  Ankunft  des  Nypsios  vorgefallene  Seeschlacht  viel  ausführlicher  giebt  (XVI,  18) 
als  Piut.  Dion  44-. 

Eine  noch  wichtigere  Quelle  ftir  Dion's  Geschichte  ist  Plntarch's  Dion.  Plutarch 
führt  selbst  als  Gewährsmänner  an:  Timonides  c.  31  u.  35,  beide  Male  mit  grossem 
Lobe,  Timaios  c.  6.  14.  31  und  35;  in  den  beiden  letzten  Stellen  spricht  er  sich 
gegen  Timaios,  theils  gegen  seine  Genauigkeit  (31),  theils  gegen  seine  Ansichten  (35) 
aus;  Ephoros  o.  35.  36,  getadelt  wegen  seines  dem  Philistos  gespendeten  Lobes; 
Theopomp  e.  24.  25 ;  endlich  Platon's  Briefe ,  die  er  fUr  acht  hält ,  c.  4.  8.  20^.  52. 
Nach  der  Art  der  Citate  bin  ich  mit  Yolq.  95.  96  der  Ansicht,  dass  Plutarch  be- 
sonders Timonides  benutzt  hat ;  auf  Timaios'  Benuteung,  die  mir  für  den  ersten  Theil 
nicht  zweifelhaft  ist,  würden  auch  für  c.  24  die  Wunderzeiehen  schliessen  lassen, 
wenn  nicht  gerade  hierfür  c.  25  Theopomp  citirt  würde.  Factische  Differenzen  zwi- 
schen Plutarch  und  Diodor  sind  nach  Yolq.  96:  Zahl  der  Schiffe  des  Herakleides 
(Diod.  XVI,  16.  Plut.  Dion  32) ;  Ursache  seines  Ausbleibens  (ibid.) ;  Grüsse  des  Ver- 
lustes der  Syrakusaser  im  Kampfe  mit  Dion  (Diod.  XVI,  17.  Plut.  Dion  39). 

In  dritter  Linie  sind  die  sogenannten  platonischen  Briefe  zu  nennen,  über 
deren  Urheberschaft  und  literarischen  Werth  in  vollständigster  Weise  handelt:  H.  Th. 
Karsten,  Commentatio  critica  de  Piatonis  quae  feruntur  epistolis.  Traj.  ad  Rhenum. 
1864.  8.  Derselbe  fasst  p.  240  sein  Urtheil  über  sie  dahin  zusammen:  sie  sind  nicht 
Ton  Piaton,  was  die  schlechte  Sprache,  die  Unkenntniss  athenischer  Angelegenheiten, 
die  im  pythagoreisehen  Sinne  entstellte  platonische  Philosophie  beweist ;  sie  sind  das 
Werk  eines  Rhetors,  der  Piaton  anhing  und  eine  Apologie  desselben  schreiben  wollte. 
Der  Grammatiker  Anstophanes  kannte  sie  schon,  L  D  III,  61,  sie  sind  also  vor  der 
Mitte  des  3.  Jahrh.  yor  Chr.  entstanden  und  geh(^ren  somit,  wenn  sie  auch  keine 
authentische  Auskunft  Über  Piaton  geben,  doch  [zu  den  ältesten  Urkunden,  die  wir 
über  ihn  haben.  Von  diesen  Briefen  ist  der  wichtigste  der  TU.;  nahe  stehen  ihm 
der  III.  und  der  VIII.  Dass  ein  mit  den  sicilisehen  Verhältnissen  Vertrauter  sie  ge- 
schrieben, sieht  man,  wie  wir  hinzufugen  können,  aus  einzelnen  Zügen;  so  VIII,  353 
aus  der  Bemerkung  über  den  steigenden  Einfluss  der  Fremden,  besonders  der  Osker, 
in  Sicilien;  VII,  350  über  attische  Seeleute  in  Ortygia.  Diese  Briefe  sind  also,  wenn 
sie  gleich  nicht  von  Piaton  sind,  doch  als  Quellen  für  Facta  zu  benutzen,  nicht  jedoch 
für  die  Absichten  Platon's. 

Endlich  haben  wir  Cornelius  Nepos,  über  dessen  Leben  Dion's  Volq.  S.  95 
gesprochen  hat.  Es  stimmen- Uberein  Plut.  c.  l'-21  und  Nepos  1^4,  und  man  hat 
aus  der  Uebereinstimmung  von  Nep.  2  mit  Plut.  6  über  den  Tod  des  Dionys  ge- 
schlossen, dass  der  von  Plutarch  citirte  Timaios  auch  Nepos  vorgelegen  habe.  Ueber 
die  ersten  Thaten  des  zurückgekehrten  Dion  hat  Nepos  nichts;  später  weicht  er  von 
Plutarch  besonders  in  der  Auffassung  des  Charakters  Dion's  und  der  Beurtheilung 
seiner  Handlungsweise  ab. 

Ueber  die  Zeit  des  zweiten  Dionys  sind  manche  Nachrichten  durch  Peripatetiker 
( Aristoxenos ,  Klearchos)  aufbewahrt,  die  zu  Bedenken  Veranlassung  geben  können, 
weil  bisweilen  das  Bestreben,  mit  Platou  zusammenhängende  Persönlichkeiten  in  un- 
günstigem Lichte  erscheinen  zu  lassen,  ihre  Darstellungen  geflirbt  hat. 

Es  wird  nach  dem  Vorhergehenden  bei  der  Darstellung  der  Geschichte  Dionys'  II. 
und  Dion's  Plutarch  zu  Grunde  gelegt  werden  müssen,  unter  Benutzung  der  Ergän- 
zungen, welche  Diodor  bietet,  so  wie  der  platonischen  Briefe,  aus  welchen  letzteren 
j  edooh  nur  Facta,  nicht  aber  die  dem  Piaton  beigelegten  Absichten  und  alles,  was 
damit  in  Verbindung  steht,  in  Betracht  kommen  dürfen.   Dagegen  entspricht  das  von 


376  Anhang  I.    Quellen  der  Geschichte  Sictliena. 

Plutarch  über  die  Beziehungen  zwischen  Dionys,  Dion  und  Piaton  Berichtete  so  sehr 
dem  Charakter  dieser  drei  Personen,  dass  wir  es  in  unsere  Erzählung  aufnehmen 
müssen. 

Timoieon.  Vgl.  J.  F.  J.  Arnoldt,  Timoleon,  eine  biographische  Darstellnng. 
Königsb.  1850.  8.  Prolegomena.  lieber  die  Quellen  zu  Timoleon's  Leben.  Abdruck 
aus  dem  Programm  des  Gumbinner  Gymnasiums  1848.  —  Diodor  handelt  über  Ti- 
moieon XVI,  65  — ?0.  72.  73.  77  —  83.  90.  Hiervon  betrachtet  Volq.  96  cap.  65  als 
nicht  von  Timaios  herrührend,  während  er  das  übrige  dem  Timaios  zuschreibt.  In 
XVI,  65  stimmt  nämlich  die  Angabe  über  die  Zeit,  wann  Timophanes  ermordet  wurde, 
nicht  mit  dem  Bericht  bei  Plutarch,  der  grossere  innere  Wahrscheinlichkeit  hat,  und 
deshalb  ist  Volq.  geneigt,  für  c.  65  eine  andere  Quelle  als  den  gut  unterrichteten 
und  sonst  benutzten  Timaios  anzunehmen.  In  c.  68—70  steht  die  Sache  thatsächlich 
wieder  ähnlich:  Diodor  hat  eine  aus  inneren  Gründen  unwahrscheinliche  Chronologie 
der  Eroberung  von  Syrakus  durch  Timoieon,  und  dennoch  hat  hier  Volq.  kein  Be- 
denken, trotzdem  Timaios  für  Diodor's  Quelle  zu  halten.  Diodor  hat  nach  ihm  den 
Timaios  in  der  Weise  benutzt,  dass  er  dessen  Chronologie  geradezu  umgekehrt  hat. 
An  und  für  sich  lässt  sich  die  Annahme  sehr  wohl  vertheidigen ,  dass  Diodor  auch 
hier  den  Timaios  benutzte,  aber  völlig  verdreht  habe;  nur  kann,  wer  dies  glaubt, 
nicht  ein  Vertheidiger  der  Theorie  sein,  wonach  Dipdor  „einfach  seinen  Gewährsmann 
fast  wörtlich  ausschreibt"  (Fricke  2).  Es  werden  vielmehr  die  Vertheidiger  des  Vor- 
handenseins stets  nur  einer  einzigen  Quelle  bei  den  alten  Historikern  durch  solche 
Thatsachen  gendthigt,  zuzugestehen,  dass  dieselben  diese  eine  Quelle  sehr  frei  zu 
behandeln  verstanden,  und  da  wir,  selbst  vorausgesetzt,  wir  wüssten  immer,  was  aus 
einer  Quelle  entlehnt  ist,  fast  nie  sagen  können,  in  wie  weit  der  Bearbeiter  Verände- 
rungen vorgenommen  hat,  so  fallt  der  praktische  Nutzen  jener  Theorie,  die  z.  B. 
Fricke  S.  2  so  hoch  stellt,  in  sich  zusammen,  ein  Punkt,  auf  den  wir  noch  zurück- 
kommen werden.  Wie  weit  man  in  der  Annahme  geht,  dass  Diodor  seine  Quellen 
entstellt,  ergiebt  sich  übrigens  noch  daraus,  dass  Amoldt  Timoieon  8.  27  kein  Be- 
denken trägt,  auch  XVI,  65  als  aus  Timaios  entlehnt  zu  betrachten,  trotz  der  ver- 
kehrten chronologischen  Angabe ,  die  Timaios  sicher  nicht  hatte.  Aber  Amoldt  hat 
ja  auch  nicht  die  Theorie  von  der  wörtlichen  Wiedergabe  je  einer  einzigen  Quelle 
durch  Diodor  vertheidigt!  Wenn  es  sich  nun  um  Gründe  handelt,  die  Timoieon  be- 
treffenden Stücke  des  Diodor  dem  Timaios  zuzuschreiben ,  so  scheinen  Volq.  die  capp. 
66—68,  welche  Plut.  Tim.  8—12  entsprechen,  wegen  der  Wunder  (66)  und  der  Er- 
wähnung des  Andromachos  (68)  von  Timaios.  Die  Gründe  sind  schwach;  bei  der 
Wichtigkeit,  die  Andromachos  für  Timoleon's  Geschichte  hatte,  konnte  ihn  auch  ein 
anderer  als  Timaios  in  der  Geschichte  Timoleon's  nlc&t  wohl  übergehen.  Wenn  Volq. 
98  sodann  die  Behauptung  aufstellt,  dass  bei  Plut.  Tim.  17  und  Diod.  XVI,  67  die 
Angaben  über  die  Stärke  des  punischen  Heeres  übereinstimmen,  da  60,000  (Plut.)  nur 
ein  Schreibfehler  für  50,000  (Diod.)  sei,  so  ist  das  eine  kühne  Behauptung,  wenn  man 
bedenkt,  dass  es  sich  überhaupt  nur  um  zwei  Zahlen  handelt,  die  der  Schiffe  und 
der  Soldaten.  Nun  stimmt  die  eine,  die  andere  aber  nicht,  da  kann  man  ebenso  gut 
sagen,  dass  die  Uebereinstimmung  Folge  eines  Schreibfehlers  sei,  wie  die  Nichtüber- 
einstimmung, zumal  da  Diodor  1.  1.  den  Feldherrn  Hannon  nennt,  während  bei  Plut. 
Magon  Oberfeldherr  ist.  Die  Berichte  über  die  ersten  Thaten  der  Karthager  in  Si<d- 
lien,  über  den  Krieg  des  Hiketas  mit  Dionys  und  über  die  Sendung  eines  karthagi- 
schen Schiffes  nach  Metapont  sind  Diodor  XVI,  66  —  68  eigenthümlich.  Wettere 
Uebereinstimmung  zwischen  Diodor  und  Plutarch  ist  von  Volq.  an  folgenden  Punkten 
bemerkt  worden.  Diod.  XVI,  72.  73  entspricht  Plut.  Tim.  24,  doch  hat  Diod.  72.  73 
einige  kriegerische  Details  mehr;  die  Schlacht  am  Krimisos  Diod.  XVI,  77 — 81  ent- 
spricht Plut.  25—30  (wir  werden  sehen,  dass  eine  wesentliche  Verschiedenheit  gerade 


Timoleon.  377 

hier  zwischen  Beiden  obwaltet) ;  die  Zeit  nachher  Diod.  XVI,  82.  83 ,  Plut.  30  —  34 ; 
endlich  die  Ehren  nach  dem  Tode  Timoleon's  Diod.  XYI,  90,  Plut.  35.  Was  bei  Diod. 
XVI ,  79  aus  der  Bede  Timoleon's  vor  der  Schlacht  am  Krimisos  mifgetheilt  ist  (Un- 
mSnnlichkeit  der  Karthager),  seigt  allerdings,  verglichen  mit  Polyb.  XII,  24,  dass 
hier  Diodor  den  Timaios  benutzt  hat.  Dagegen  liegt  XVI,  70  offenbar  Benutzung 
des  Theopomp  vor.  Nach  Polyb.  Xu,  4  hat  Theopomp,  von  Timaios  deswegen 
getadelt,  berichtet,  dass  Dionys  arQfyyyvki^  vrit  nach  Eorinth  führ,  und  gerade  dies 
sagt  Diod.  XVI,  70.  Allerdings  erklärt  Volq.  101  die  Sache  bei  ausschliesslicher 
Benutzung  des  Timaios  durch  die  Wahl  des  „zugespitztesten  Gegensatzes^  von  Seiten 
Diodor's,  aber  das  passt  weder  für  den  blossen  Excerptor,  der  Diodor  sein  soll,  noch 
für  den  leidenschaftslosen  Mann,  der  er  wirklich  ist.  Wenn  sogar  Timaios  diesen  „zu- 
gespitztesten  Gegensatz^  verschmähte,  hat  ihn  Diodor  gewiss  nicht  ohne  Noth  gesucht. 
Und  zum  zweiten  Male  wird  Benutzung  des  Theopomp  ersichtlich  in  der  falschen 
Ansetzung  des  Abzuges  des  Dionys  in  Ol.  109,  2;  s.  Volq.  99.  Allerdings  ist  die 
Angabe  selbst  aus  einer  literarhistorischen  Quelle  entnommen,  aber  Diodor  hat  doch 
seine  Darstellung  darnach  eingerichtet,  und  so  ist  offenbar  die  ganze  Geschichte  der 
Eroberung  von  Syrakus  durch  Timoleon  aus  Theopomp  geschöpft.  Endlich  ist  c.  83, 
auch  Hieron's  Zeit  umfassend,  eigenes  Besum^  des  Diodor.  Manches  in  demselben 
kann  aus  Timaios  stammen,  aber  Timaios  brachte  es  schwerlich  so  zusammen,  wie 
Diodor  es  thut,  und  das  Letzte  in  diesem  Kapitel  ist  bestimmt  von  Diodor  selbst.  Es 
muss  also,  wenn  auch  anerkannt  werden  darf,  dass  Diod.  im  Ganzen  bei  Timoleon's 
Geschichte  Timaios  zu  Grunde  gelegt  hat,  doch  die  Mitbenutzung  anderer  Quellen 
festgehalten  werden. 

Eine  weit  besser  zusammenhängende  und  in  manchen  Punkten  auch  ausführlichere 
Darstellung  der  Geschichte  Timoleon's  hat  Plutarch  in  seiner  Biographie  geliefert. 
Oitirt  werden  von  ihm :  c.  4  und  36  Timaios  für  Details ;  c.  4  Ephoros  und  Theo- 
pomp für  Details;  c.  2t  u.  37  Athanas  für  Details.  Da  Ephoros  auch  in  der  von 
seinem  Sohne  Damophilos  geschriebenen  Portsetzung  nur  bis  340  vor  Chr.  ging, 
Theopomp  aber  nur  bis  zum  Fortgange  des  Dionys  nach  Eorinth,  so  konnte  Plutarch 
wie  Diodor  einen  grossen  Theil  der  Thaten  Timoleon's  nur  aus  Timaios  entnehmen,  und 
er  hat  überhaupt  offenbar  diesen  zu  Grunde  gelegt,  und  zwar  in  verständigerer  Weise 
als  Diodor.  Schon  der  von  Plutarch  eingenommene  Standpunkt  entschiedener  Vor- 
liebe für  Timoleon  zeigt  uns,  welchen  Schriftsteller  er  besonders  für  seine  Biographie 
zu  Rathe  gezogen  hat ,  deren  Farben  richtig  gewählt ,  pur  bisweilen  zu  stark  aufge- 
tragen sind.  Insbesondere  sind  gewisse  Facta  so  interpretirt  worden,  dass  sie  Timo- 
leon's Ruhm  vermehren,  während  sie  ihn  in  Wirklichkeit  verdunkelten  (SchUcht  bei 
letai  cap.  30 ;  in  derselben  Weise  bei  Diod.  XVI,  81,  die  Furcht  der  Karthager  vor 
der  Seefahrt). 

Cornelius  Nepos  stimmt  im  Ganzen  mit  Plutarch  überein,  hat  jedoch  einiges 
Eigenthttmliche,  vielleicht  Irrthümer,  vgl.  Amoldt  24.  25. 

Instin  hat  direct  nichts;  indirect  ist  er  durch  seine  Nachrichten  über  Anno 
(XXI,  4)  nützlich. 

Polyaen  V»  21,  1 — 3  hat  wahrscheinlich  Timaios  benutzt;  Amoldt  25. 

Aus  dem  Vorhergehenden  ergiebt  sich,  dass  für  die  Geschichte  Timoleon's  Plu- 
tarch zu  Grunde  zu  legen  ist;  Diodor,  der  weniger  zusammenhängend  berichtet  und 
durch  schlechte  Benutzung  seiner  Quellen,  speciell  Theopomp's,  grosse  Verwirrung 
angerichtet  hat  (s.  hierüber  unten  in  den  Anmerkungen),  kann  nur  da,  wo  er  Plutarch 
nicht  widerspricht,  sondern  ergänzt  (z.  B.  XVI,  60—68;  die  Erwähnung  von  Tynda- 
ris  69;  Details  72.  73  und  sonst),  zur  Hülfe  herbeigezogen  werden. 

Agathokles.  Diodor  XIX,  1—9.  65.  70—72.  102—110.  XX,  3-18.  29—34. 
38—44.  53—72.  77—79.  89.  90.  101.  XXI,  Fragmente,  nämlich  in  der  Ausgabe  von 


'*^'  ■■•'•• 


378  Anhang  I.    Quellen  der  Geschichte  Siciliens. 

Dind.  1867  cap.  2  £zc.  Hoesch.  und  Vatic.  e.  3  Hoescfa.  und  de  Tirtt.  e.  4  Hoeseh. 
c.  8  H.  c.  15  H.  0.  16  H.  o.  17  de  virtt.,  letzteres  Diodor's  Kritik  von  Timaios  vsd 
Kallias  enthaltend.    Es  ist  noch  zu  bemerken,  dass  nach  Andeutungen  bet-Dlod.  XIX, 
3  und  10  Diodor  im  18.  Buche,  also  in  jetzt  verlorenen  Stücken^  die  syrakusaBischen 
Begebenheiten  zwischen  Timoleon's  Tode  und  dem  Jahre  317  erzählt  hat.    Ton  den 
oben  angeführten  Stücken  gehören  XIX,  l-*-9  in  317  y.  Chr.;   65  in  315;  70^72  in 
314;  102—110  in  312  u.  311;  XX,  3-18  in  310;  29—34  in  309;  38—44  in  308;  53— 
72  in  307 ;  77—79  in  306 ;   89.  90  in  305 ;   101  in  304.    Es  fehlen  also  Berichte  von 
den  Jahren  316,  313,  303  und  302;  man  kann  annehmen,  dass  auch  hier  wieder  ^n 
Zusammendrängen  auf  andere  Jahre  vorliegt.    Nach  XXI,  17  scheint  Diodor  fttr  dia 
Geschichte  des  Agathokles  sowohl  Timaios  wie  Kallias  zu  Rathe  gezogen  zu  haben; 
er  tadelt  Timaios,  aber  man  sieht  nicht,  dass  T.  nach  seiner  Ansicht  Unwahres  er- 
zählte; Timaios  gab  nur  nicht  dem  Agathokles  die'  dems^ben  nach  Diodor's  Ansieht 
zukommende  Ehre.   Uebrigens  sieht  man  XX,  10  in  den  praesentibus  nQouyovc^y  ffmuh- 
ipavTowst  und  niQißdXlQvai ,  die  sich  auf  die  zu  Diodor's  Zeit  nicht  mehr  bestehende 
Republik  Karthago  beziehen,  dass  Diodor  bisweilen  allerdings  seine  Quellen  wOrtiick 
exoerpirte.    In  wie  weit  Timaios,  in  wie  weit  Kallias  von  IHodor  benutzt  ist.  lässt 
sich  genau  nicht  mehr  entscheiden.   Diodor'  hat  allerdings  mehr  im  Sinne  des  Timaios, 
des  Feindes  des  Agathokles,  geschrieben  als  in  demjenigen  des  Kallias,  abw  naeh 
dem,  was  wir  von  der  Art  und  Weise  wissen,  wie  Timaios  von  Agathokles  sprach, 
ist  Diodor  doch  entschieden  milder  gegen  ihn  als  Timaios  war.    So  Ist  anzunehmen,, 
dass  er  ihn  zu  Grunde  legte ,  aber  Kallias  erstens  als  Nebenqnelle  für  manche  Ein- 
zelheiten benutzte  und  denselben  zweitens  auf  eine  Dämpfung  des  Urtheiis  l|ber  den 
Tyrannen  Elnfluss  üben  Hess,  der  von  Diodor  im  wesentlichen  richtig  beurtheilt  wird, 
lu  st  in  hat  verhältnissmässig  viel  tiber  Agathokles :  XXII  und  XXIII,  1 .  2;  doch 
vertheilen  sich  seine  Nachrichten  sehr  ungleich  über  Ag.'s  Leben.    Bis  zu   seiner 
Machtgelangung  berichtet  er  wenig  von  ihm.    Werthvoll  und  eigentt^Ümlieh  sind  so- 
dann die  Kachrichten  XXII,  2.  3  über  die  geheimen  Beziehungen  zwischen  Agathoklea 
und  Harailkar,  sowie  überhaupt  lustin  über  die  karthagischen  Dinge  eine  werthvoDe 
Quelle  bildet.    XXII,  4^8  enthält  die  afrikanische  Expedition,  ziemUeh  ausftthrlieh, 
wenn  gleich  die  Phrase ,  wie  immer  bei.  lustin ,  auch  hier  vielen  Kaum  wegnimmt. 
Die  Darstellung  der  Begebenheiten  stimmt  vielfach  nicht  mit  Diodor  überein.    Dass 
Ag.  nur,  50  Talente  mitnimmt  (XXII,  4),  ist  neu,  aber  noch  nicht  im  Widerspruch  mit 
Diodor,   aber  in  c.  6  weicht  die  Zahl  der  Verluste  in  der  ersten  Schlacht  von  Dio- 
dor's Angabe  XX,  13  ab.    lustin  hat  in  c.  7  eine  Sohlacht  zwischen  dem  Tod  de« 
Ophelias  (Aphellas  bei  lustin)  und  der  EmpOrung  des  Bomilkar,  die  Diodor  unbe- 
kannt ist.    Diese  Empörung  wird  so  gut  wie  übergangen  mit  den  Worten  ob  quam 
Doxam,  die  sich  nur  auf  transiturus  fuerit  beziehen,  worin  doch  nichts  positives  aus- 
gedrückt ist.    Werthvoll  sind  die  Erwähnungen  in  den  Worten  des  sterbenden  Bo- 
milkar.   C.  8  entspricht  es  nicht  der  diodorischen  Darstellung,  wenn  Agathocles  pro- 
fligatis  in  Africa  rebus  nach  Sioilien  zurückkehrt,   und  ebenso  wenig,    dass  er  in 
Sicilien  pulsis  e  Sicilia  Poenis  totius  insulae  Imperium  occupavit.    Ebenso  ist  alles 
folgende  nicht  mit  Diodor  übereinstimmend :   die  Geftingennahme  des  Agathokles  fehlt 
ganz,  der  Bericht  über  das  Schicksal  des  Archagathos  weicht  ganz  von  Diodor  ab. 
In  XXIII  ist  wieder  von  seinen  Thaten  in  Sicilien  keine  Rede;  der  Anfang' von  e.  2 
führt  auf  den  Gedanken,  dass  er  auch  in  Italien  nichts  that.  sotidem  gleich  umkehren 
musste  und  dann  starb.  C.  2  wird  durch  viel  Pathos  über  seinen  Tod  ausgefüllt,  doch 
ist  hier  die  Notiz  über  die  Theoxena  von  Werth.  Aus  dem  über  lustin's  Darstellnng^ 
der  Thaten  des  Agathokles  Mitgetheilten  ergiebt  sich ,  dass  sie  für  uns  absolut  un- 
brauchbar ist,  mit  Ausnahme  weniger  Notizen  zumal  über  karthagische  Angelegen- 
heiten; für  die  Thaten  des  Agathokles  selbst  ist  nichts  daraus  zu  entnehmen.    Wäre 


Agathokles.    Pyrrhos.  379 

num  noch  sicher,  dass  Instin  seinen  Trogus  richtig  exeerpirt  hätte,  so  kannte  an  eine 
Benutzung  seiner  Notizen  gedacht  werden ,  aber  die  Erwähanng  der  Aetnaei  XXII,  1 
zeigt,  dass  auf  ihn  hier  nicht  mehr  Yerlass  ist  als  im  athenischen  Kriege.  So  moss  maii 
ihn ,  wo  er  von  Diodor  abweicht,  einfach  nnberüoksichtigt  lassen.  Ueber  die  Qudlen 
des  Trogus  in  dieser  Partie  lässt  sieh  nichts  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  sagen« 
Man  sucht  gewöhnlich  Timaios  darin,  dazu  passt  auch  der  Ton  im  Anfang  der  Ge* 
schichte  des  Agaüiokles  XXII,  1.  2,  aber  das  Gejammer  bei  seinem  Tode  ist  sicher 
nicht  von  Timaios,  der  sich  über  den  Tod  des  alten  84inders  anders  geäussert  haben 
wird,  und  schon  vom  Beginn  (ier  afrikanischen  Expedition  an  wird  kein  feindlicher 
Ton  mehr  angeschlagen. 

Pc^lyaen  hat  y,  3,  1—8;  V,  15;  V,  37  ;  VI,  40  £ig«n1littmliohes  über  Agathokles. 

Als  Quelle  kann  somit  iUr  uns  nur  Diodor  dienen,  nebst  gelegentlicher  Benutzung 
von  Polyaen  und  den  Karthago  betreffenden  Stellen  des  lustin. 

Pyrrhos.  Hanptqaellen  Diodor  XXQ  und  Plutarch.  Ueber  sie  handelt 
G.  Collmann  in  seinem  mehrfach  angeführten  Buche  Absdin.  III,  p.  57—64,  welcher 
zu  der  Entscheidung  gelangt,  dass  Beide  vorzugsweise  aus  Timaios  geschöpft  haben. 
Es  sind  einige  Aehnlichkciten  im  Ausdrucke  zwischen  Plutarch  und  Diodor  vorhan*' 
den,  besonders  in  Betreff  des  Angriffes  auf  Eryx.  Jedenfalls  ist  dann  im  allgemei- 
nen Plutarch  mit  ausserordentlicher  Freiheit  bei  seiner  Benutzung  des  Timaios  vor- 
gegangen. P.  67  sucht  Collmann  weiter  nachzuweisen,  dsss  auch  die  übrigen,  Sicilien 
betoeffenden  Stellen  des  22.  Buches  Diodor's  von  Timaios  herstammen,  wogegen  nichts 
einzuwenden  ist.  Eine  dritte  wichtige  Quelle  ist  Dionys  von  Halikarnass  im 
20.  Buche,  von  dessen  Fragmenten  einige  des  Pyrrhos  Verfahren  in  Syrakus  schil- 
dern, Inder  Zeit,  weiche  seiner  Rückkehr  nach  Italien  vorhei^ging.  lust.  XXII,  3  hat 
wenig.  —  Es  ist  hauptsächliefa  Diodor  zu  Grunde  zu  legen. 

Ueber  die  Queilen  der  Zeit  nach  dem  Abzüge  des  Pjrrrfaos  aus  Sicilien  kann  ich 
hier  nicht  ^rechen.  Es  wird  nur  wenig  aus  dieser  Zeit  im  voriiegenden  Bande  be- 
handelt, und  die  Darstellungen  dieser  Periode  im  Alterthum  rühren  bereits  von  den 
Schriftsteilem  her,  welche  die  Bömerzeit  bearbeiteten.  Das  Reich  des  Timaios  ist 
zu  Ende;  es  beginnt  die  Herrschaft  des  Polybios. 

An  diesem  Absehnitte  der  Geschichte  angekommen,  erseheint  es  angemessen,  die 
im  Vorhergehenden  mehrfach  von  uns  ausgesprochenen  Ansichten  über  die  Art  der 
Arbeit  Diodor' s,  der  ja  Timaios  vielfach  benutzt  hat,  zusammenzufassen  und  mit 
einigen  orientirenden  Schlussbemerkungen  zu  begleiten.  Wir  haben,  wie  man  sieht, 
nicht  .Übereinstimmen  können  mit  der  besonders  von  Volquardsen  vertretenen  An- 
sicht, wonach  uns  in  den  von  Diodor  im  II.  bis  16.  Buche  roitgetheilten  sicUischen 
Geschichten,  mit  gewissen  Ausnahmen,  ein  Auszug  aus  Timaios  allein  vorliege. 
Timaios  ist  eine  EUraptquelle  Diodor's,  aber  nicht  seine  einzige  Quelle;  er  hat  Epho- 
ros  vielleicht  noch  mehr  benutzt.  Allerdings  ist  ein  bedeutender  Einfiass  des  Timaios 
auf  Diodor  zu  statuiren,  ein  Einfluss,  der  sich  sowohl  in  der  Mittheilung  der  That- 
sachen,  wie  auch  in  der  Auffassung  der  Persönlichkeiten  äussert.  Aber  Diodor  folgt 
dem  Timaios  nicht  sklavisch,  weder  fUr  die  Facta,  noch  fttr  die  Würdigung  der  Cha- 
raktere. Er  steht  allerdings  im'  allgemeinen  auf  dem  politischen  Standpunkte  des 
Timaios ;  aber  er  eignet  sich  dessen  Uebertreibungen  nicht  an ;  er  tadelt  wenig  und 
lässt  die  Thatsachen  fttr  sich  sprechen.  Es  erweist  sich  also  auch  in  dieser  Bezie- 
hung der  Einfluss  des  Timaios  als  nicht  so  stark ,  dass  nicht  auch  andere  Quellen 
neben  ihm  von  Diodor  zu  Rathe  gezogen  wären;  diese  Nebenquellen  sind  es  viel- 
mehr gerade  gewesen,  welche  die  Schärfe  der  timäischen  Anschauung  wesentlich 
gemildert  haben.  Unsere  Auffassung  der  Art,  wie  Diodor  arbeitet,  wird  auch  durch 
seinen  Stil  bestätigt.  Derselbe  ist  noch  keinen  i^eciellen  Untersuchungen  in  Betreff 
seiner  Gleichmässigkeit  oder  Ungleichmässigkeit  unterworfen  worden,  aber  schon  die 


380  Anhang  I.    Quellen  der  Oeschichte  Siciliens. 

LectUre  dieses  Schriftstellers  lehrt,  dass  er  im  Wesentlichen  stets  derselbe  bleibt 
Er  hat  den  Inhalt  seiner  Quellen  wiedergegeben,  aber  in  sehr  kurzem  Auszug;  die 
Sprache  jedoch  gehört,  wie  ich  anderswo  zu  zeigen  gedenke,  ihm  selber  an,  und 
zwar  um  so  nothwendiger,  je  mehr  er  den  Inhalt  seiner  Quellen  zusammendräng^i 
musste.  Um  so  leichter  wurde  es  ihm,  neben  einer  Hauptquelle  Nebenquellen  zu 
benutzen. 

Es  kann  also  in  einer  sonst  aus  Timaios  entnommenen  Erzählung  bei  Diodor  ein- 
zelnes aus  Ephoros  oder  Theopomp  eingemischt  sein,  und  yeir  können  nicht  aus  Dio- 
dor's  sicilischen  Greschichten  ganze  zusammenhängende.  Kapitel  als  rein  timäisch  aus- 
sondern. Begründet  nun  diese  Unmöglichkeit,  bestimmte  Namen  als  Quellen  der  von 
Diodor  mitgetheilten  Facta  anzugeben,  wirklich  einen  Verlust  für  uns?  leb  glaube 
nicht.  Sobald  sich  allerdings  mit  absoluter  Sicherheit  nachweisen  Hesse,  dass  Diodor 
ein  längeres  Stück  aus  Timaios,  ein  anderes  aus  Ephoros  abgeschrieben  hätte,  so 
hätte  dies  eine  grosse  Bedeutung,  weil  wir  so  eine  authentische  Kenntniss  dieser 
Historiker  gewännen.  Aber  so  steht  es  nicht.  Die  Zuweisung  grösserer  Stücke  an 
bestimmte  Quellen  kommt  über  das  Stadium  der  Vermuthung  nicht  hinaus,  und  es 
kann  auch  denen,  welche  z.  B.  nur  Timäisches  in  gewissen  Stücken  Diodor's  sehen, 
nicht  gelingen ,  uns  aus  diesen  Stellen  von  dem  Charakter  der  timäischen  Greschicht- 
schreibung  einen  Begriff  zu  geben ,  der  uns  so  gut  wie  unbekannt  sein  würde,  wenn 
wir  nicht  durch  andere  Schriftsteller  davon  unterrichtet  wären.  Ich  führe  hier  nur 
den  einen  oben  berührten  Punkt  an,  dass  Diod.  XVI,  70  nach  Volq.  101  aus  Timaios 
eine  von  demselben  getadelte  Beliauptung  des  Theopomp  gewählt  haben  soll,  bloss 
weil  sie  einen  zugespitzten  Gegensatz  enthielt.  Ein  Schriftsteller,  dem  man  derglei- 
chen Abweichungen  voj^i  der  sonst  benutzten  Quelle  (und  ohne  Angabe,  dass  eine 
Abweichung  vorhanden  ist)  zutraut,  kann  nicht  mehr  als  Abbild  seiner  Hauptquelle 
gelten;  und  wer  einem  Schriftsteller  diese  Art  der  QueUenbenutzung  beilegt,  kann 
nicht  mehr  behaupten,  in  ihm  die  Quellen  desselben  wiedererkennen  zu  können.  So 
bliebe  denn  nur  der  Werth  übrig,  den  solche  Quellennachweise  für  die  Constituirung 
der  Geschichte  selbst  hätten.  Und  der  ist,  das  muss  offen  gestanden  werden,  in  un- 
serem Falle  höchst  problematisch.  Was  hilft  es  uns,  ob  eine  Begebenheit  bei  Diodor 
von  Timaios  oder  von  Ephoros  berichtet  ist,  für  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  wir 
sie  glauben  soUen  oder  nicht?  Es  ist  einmal  nicht  zu  läugnen,  dass  es  uns  iü  der 
Kegel  an  jeder  Möglichkeit  fehlt,  diese  Schriftsteller  selbst  in  Betreff  der  Glaubwür- 
digkeit des  von  ihnen  Berichteten  zu  controliren.  Allerdings  wird  man  in  sicilischen 
Dingen  im  allgemeinen  geneigt  sein,  den  Sicilier  Timaios  für  besser  informirt  zu 
halten,  als  den  Nichtsicilier  Ephoros,  aber  dem  Timaios  sind  so  manche  Schwächen 
vorgeworfen  worden,  dass  im  einzelnen  doch  wieder  Ephoros  im  Recht  sein  kann. 
Die  Entscheidung  wird,  wenn  es  sich  um  einzelne  Fälle  handelt,  doch  immer  von 
Erwägungen  abhängen,  die  mit  der  Herkunft  der  Nachricht  wenig  zu  thun  haben. 
Wenn  wir  z.  B.  hören,  dass  Timaios  mehrfach  niedrigere  Zahlen  für  die  karthagischen 
Heere  angiebt  als  Ephoros ,  so  ist  es  uns  durchaus  unmöglich  zu  sagen ,  ob  Timaios 
hierfür  bessere  Quellen  hatte  als  Ephoros,  und  wir  müssen  aus  Betrachtungen  anderer 
Art  —  allgemeinen  Wahrscheinlichkeitsgründen  — die  Sache  entscheiden.  Wenn  es 
sonach  nicht  möglich  ist,  die  Quellen  Diodor's  in  dem  Umfange  nachzuweisen,  wie  es 
z.  B.  Volquardsen  versucht  hat,  so  ist  diese  Unmöglichkeit  für  die  Geschichtschrei- 
bung selbst  nach  der  Lage  der  Sache  nicht  sehr  zu  bedauern. 

Sehr  klar  ist  dagegen  durch  Nissen's  Forschungen  ein  anderer  Punkt  in's  Licht 
gestellt  worden,  der  von  grosser  praktischer  Bedeutung  ist.  Die  excerpirenden  Hi- 
storiker sind  bei  der  Benutzung  ihrer  Quellen  sehr  verschieden  verfahren  und  einige 
haben  mit  grosser  Flüchtigkeit  gearbeitet.  An  diesen  Punkt  haben  wir  anzuknüpfen. 
Statt  von  dem  Unbekannten  —  den  vermutheten  Quellen  der  vorhandenen  Historiker  — 


Diodor.    Schlussbemerkungen.  381 

gehen  wir  von  dem  Bekannten  —  eben  diesen  Historikern  —  ans.  Wir  suchen  zn 
erkunden,  auf  welche  Weise  sie  gearbeitet  haben,  und  beurtheilen  darnach  ihre 
Glaubwürdigkeit.  Aber  wir  wissen,  dass  derselbe  Schriftsteller  zu  verschiedenen 
Zeiten  verschieden  arbeitete,  und  benutzen  ihn,  wenn  er  offenbar  gut  gearbeitet  hat 
und  sich  mit  sicher  guten  Schriftstellern  in  Uebereinstimmung  befindet  oder  sie  er- 
gänzt ;  wir  verwerfen  ihn,  wenn  er  liederlich  arbeitet  und  sich  mit  besser  arbeitenden  * 
Schriftstellern  in  Widerspruch  setzt.  In  dieser  Weise  hängen  die  vorstehenden  Un- 
tersuchungen in  sich  zusammen.  Von  dem  sicheren  Punkte  der  Glaubwürdigkeit  des 
Thukydides  ausgehend,  haben  wir  gefunden,  dass  Plutarch  intelligent,  aber  ein  wenig 
rhetorisirend  arbeitet,  uüd  dass  man  ihm  trauen  kann,  da  er  Thukydides  nicht  schiecht 
zu  benutzen  verstanden  hat.  Wir  haben  femer  gefunden,  dass  Diodor  äusserst  ungleich 
arbeitet :  nicht  selten  seine  Quellen  missverstehend ,  bisweilen  sie  gut  wiedergebend, 
dass  man  ihn  also  benutzen  darf,  aber  mit  Vorsicht.  Wir  haben  endlich  lustin  durch 
die  Liederlichkeit  seines  Verfahrens  unbrauchbar  gefunden.  Und  die  bei  den.  Quellen 
des  athenischen  Krieges-  gefundenen  Resultate  haben  sich  uns  bei  den  späteren  sici- 
lischen  Geschichten  bestätigt.  Plutarch  arbeitet  auch  hier  durch^ngig  verständig, 
während  Diodor,  wie  Dion's  und  Timoleon's  Geschichte  zeigt,  nicht  selten  die  grössten 
Fehler  begeht;  wir  haben  also  uns  an  Plutarch  anznschliessen,  wo  dieser  ein  zusam- 
menhängendes Stück  sicilischer  Geschichte  bearbeitet,  und  wo  uns  Plutarch  fehlt  oder 
allzu  kurz  ist,  dem  Diodor  zu  folgen.  lustin  erweist  sich  auch  hier  als  durchaus 
unzuverlässig  und  wird  ohne  weiteres  bei  Seite  gelassen  —  ausser  wo  er,  wie  in  den 
karthagischen  Dingen,  sich,  specieli  unterrichtet  zeigt,  wo  man  dann  seine  Facta  ein- 
fach zu  benutzen  hat. 

In  Betreff  der  Quellenbenutzung  der  alten  Historiker  glaube  ich  durch  meine,  wie 
mir  scheint  wohlbegründete  Annahme  von  Nebenquellen,  neben  einer  Hauptquelle  — 
bisweilen  einer  Nebenquelle  —  die  Untersuchung  in  eine  richtigere  Bahn  zurückge- 
leitet zu  haben.  Bei  dem  Gelehrten,  der  für  diese  Forschungen  den  Grund-  gelegt  hat, 
findet  sich  die  Theorie  von  der  einen  Quelle  noch  nicht.  Man  hat  durch  ihre  Auf- 
stellung das  richtige  Princip  übertrieben  und  falsch  angewandt.  Man  wird  auf  einem 
Wege  nicht  weiter  fortschreiten  dürfen,  der  zur  Verkennung  der  Art  und  Weise  der 
Arbeit  antiker  Historiker  geführt  hat.  Allerdings  wird  man  auf  glänzende  Besultate 
verzichten  müssen ;  man  wird  nicht  mehr  grosse  Stücke  verlorener  Historiker  wieder- 
herstellen können,  aber  man  wird  der  Wirklichkeit  treuer  bleiben,  als  dies  in  einigen 
Theilen  der  von  mir  bekämpften  Schriften  geschehen  ist,  deren  Scharfsinne  ich  im* 
übrigen  volle  Anerkennung  zolle.  Aber  noch  in  einem  anderen  Punkte  glaube  ich 
durch  vorliegende  Untersuchungen,  zumal  diejenigen  über  die  Quellen  der  athenischen' 
Expedition  genützt  zu  haben,  in  einem  Punkte,  der  mit  dem  so  eben  besprocheneur 
eng  zusammenhängt.  Im  Gegensatz  zu  der  bisherigen  Theorie,  die  stets  a  priori  an 
eine  gute  Wiedergabe  der  benutzten  Quellen  glaubt  und  glauben  muss,  wenn  sie  die 
Kenntniss  der  verlorenen  Schriftsteller  wirklich  fürdem  zu  können  meint ,  habe  ich 
gezeigt,  wie  die  excerpirten  Schriftsteller  von  ihren  Bearbeitern  nicht  selten  entstellt 
wurden,  so  dass  zuletzt  Bücher  entstehen,  deren  absolute  Unbrauchbarkeit  man  er- 
kennt, sobald  man  bessere  Quellen  hat.  Aber  wie'  oft  fehlen  diese  besseren  Quellen ! 
Da  gilt  es  denn  um  so  mehr,  statt  äusserlich  aus  den  vorhandenen  Schriftstellern 
die  Quellen  ausschneiden  zu  wollen,  in  der  irrigen  Voraussetzung,  jene  Schriftsteller 
seien  gute  Abschreiber  gewesen,  zu  sehen,  wie  sie  arbeiten  und  was  sie  zu  leisten' 
vermögen.  Mit  anderen  Worten,  wir  sehen  einmal,  dass  die  gelehrten  Historiker  des 
Aiterthums  ausser  den  Hauptquellen  auch  Nebenquellen  benutzt  haben,  und  sodann, 
dass  sowohl  die  Nothwendigkeit^  dieselben  zusammenzuarbeiten,  als  auch  die  Mühe 
des  Exeerpirens  sie  nicht  selten  zu  grossen  Fehlem  in  der  Aufstellung  der  Thatsachen 
verleiteten.  Das  führt  auf  die  Wichtigkeit  der  Erkenntniss  der  Individualität  der  Histo- 


392  Anhang  II.   Topographisches. 

riker,  zu  deren  Erforschung  ich  einen  Beitrag  gegeben  su  habe  glaube,  und  die  noeh 
mehr  gefördert  werden  muss,  als  bisher  geschehen  ist.  Solche  Untersuchungen  werden 
dann  wahrscheinlich  auch  zeigen,  dass,  wenn  die  Art  der  Quellenbenutzung  der  alten 
Historiker  in  manchen  Punkten  mit  der  der  mittelalterlichen  verglichen  werden  mnss, 
doch  der  Bildungsh(}he  der  beiden  Zeiten  entsprechende  Verschiedenheiten  nicht  zu 
übersehen  sind. 

Den  relativ  besten  Quellen  folgend,  wird  der  Gesebiehtsehrsiber  nidit  selten 
Details  bringen,  die  ihm  selbst  zweifelhaft  sind.  Wenn  er  durch  Combination  besse- 
res findet,  wird  er  es  in  die  Erzählung  aufnehmen  dürfen,  anderenfalls  wird  er 
einfach  darauf  hinzuweisen  haben,  dass  die  Sache  verdächtig  ist.  Bei  Zahlenangaben 
(Grosse  der  Heere,  Zahl  der  Gefallenen)  wird  auch  dies  nicht  n^thig  sein.  Es  ist 
bekannt,  wie  leicht  hierin  übertrieben  wird ,  und  da  übt  der  Leser  selbst  die  ntfthige 
Kritik.  Die  Mittheilung  von  Details,  wie  z.  B.  S.  167,  ist  für  die  Kenntniss  der  Le- 
bensverhältnisse der  Zeit  wichtig. 


II. 

Topographische  Si 

1. 

Topographie  der  Belagemng  tob  Syrakus  durck  die  Athener. 

a)  Arsenal.  Syrakus  bestand  zu  dieser  Zeit  aus  den  zwei  Theilen,  welche 
Thuk.  VI|  3  17  ivtog  und  ij  l|«  noXtf  nennt,  jene  ist  Ortygia,  diese  Achradina,  welche 
letztere  sich,  wie  wir  im  vorigen  3ande  sahen,  bis  Jin  den  grossen  Hafen  erstreckte. 
An  diesem  waren  nach  Thuk.  VII,  25  die  yraXai&k  pitigotnotj  am  kleinen  nach  VII,  22 
das  vtwQtov,  Nun  unterscheiden  sich  vtnigeixoi  und  vtio^ov  so,  dass  letzteres  das 
gesammte  Arsenal  beseichnet,  welches  alles  zur  Herstellung  und  Ausrüstung  der 
Kriegsschiffe  Nöthige  umfasst,  während  vtticütxoi  die  einzelnen  Abtheilungen  sind,  in 
denen  die  Schiffe  gebaut,  aufbewahrt  und  ausgebessert  wurden.  Es  sind  also  vstogoiroi 
eigentlich  ein  Theil  eines  rewgiov.  Für  Syrakus  ergiebt  sich  nun  aus  der  Be- 
zeichnung ntcXtttol  v«osotxot ,  dass  ursprünglich  am  grossen  Hafen  das  Arsenal  war, 
dass  man  jedoch  später  den  grOssten  Theil  der  Magazine  und  Werkstätten  desselben 
nach  dem  kleinen  Hafen  verleg^te,  ohne  die  Scfaiffshäuser  des  grossen  zu  zerstören, 
welche  vielmehr  noch  fortwährend  gebraucht  wurden.  Man  muss.  annehmen,  dass 
im  vim^iov  des  kleinen  Hafens  auch  vtaSgoixoi  waren,  dass  aber  Magazine  sich  nur 
hier  und  nicht  im  grossen  befanden.  Die  Veranlassung  der  Verlegung  des  Arsenals 
lag  in  dem  Wunsche,  einen  ganz  abgesonderten  Kriegshafen  zu  besitzen,  und  zwar 
einen  solchen ,  der  nicht  so  leicht  vom  Feinde  gesperrt  werden  konnte ,  wie  das  bei 
dem  grossen  durch  die  Besetzung  des  Plemmyrion  möglich  war.  Dass  die  pedgoixot 
des  kleinen  Hafens  zahlreicher  waren  als  die  des  grossen,  sieht  man  daraus,  dass 
nach  Thuk.  VII,  22  95  Schiffe  aus  dem  alten,  45  aus  dem  neuen  Arsenal  kamen. 
Natürlich  lagen  die  beiden  einander  so  nahe  als  möglich.  Wir  werden  sie  also  in 
grösster  N&he  des  Dammes ,  der  Ortygia  und  Achradina  verband ,  und  zwar  auf  der 
Seite  der  Achradina,  wo  mehr  Raum  war,  zu  denken  haben.    Der  Landungsplatz 


Arsenal.    Topographie  des  ersten  athenischen  Angriffes  auf  Syrakus.       383 

fUr  fremde  Schifife,  der  Hafen  von  Syrakus  im  eigentllch^sn  Sinne  des  Wortes,  war 
dagegen  o^enbar  schon  damals,  wie  zur  Zeit  Dion's  (Diod.  XVI,  18),  mgl  rrfv  ^A^i- 
&ovaav,  also  im  grossen  Hafen,  gerade  wie  die  Marina  des  heutigen  Syrakos.  Schu- 
bring, Achradina  8.  22  nimmt  an,  dass  b«i  Thnk.  VII,  22  die  Worte  ol  ijv  xai  ro 
vfmgtov  mifToif  nicht  richtig  seien,  und  will  dafür  ov  ^v  älXo  oder  Maivov  vttoQutv 
<tvToti  lesen,  mir  seheint  nach  dem  .Vorhergehenden  diese  Aenderung  nicht  nöthwen- 
dig :  th  veei^iw  war  am  kleinen  Hafen,  aber  die  naXaiol  vtaigoiKoi  blieben  am  grossen. 
Aus  Thuk.  VI,  78  lernen  wir,  dass  die  Syrakusaner  r^v  &dlaa<yav  nQo^atavQfmatcv 
navtax^f.  ^  itnoßaam  ^aav  ^  und  aus  VII,  25,  dass  diese  Palissaden  sich  besonders 
TiQo  tiSv  nulai&v  v€k}foixiüv  befanden.  Der  kleine  Hafen  hat  einen  nur  mit  schmalem 
Fahrwasser  versehenen  Eingang,  hier  war  ein  solches  Schutzmittel  nicht  nothwen- 
dig.  ^  Bei  der  Recognosdrungsfahrt  (Thuk.  VI,  50)  sehen  die  Athener  im  grossen 
Hafen  nach,  cf  n  vavrtxöv  ian  xa&nkxvafAivov  —  also  aus  den  nalaioTs  viiogoUois, 
Ein  Nachspähen  im  kleinen  Hafen  war  unstatthaft,  da  man  nicht  hinein  konnte  ohne 
den  Eingang  erzwungen  zu  haben.  Im  Innern  barg  auch  der  kleine  Hafen  einigen 
freien  Raum,  nach  Diod.  XIII,  8,  wonach  die  Syrakusaner  iv  T<p  fÄixgiß  Xtfiivi  rag 
«van^iqag  inoiovvTQ. 

b)  Topographie  des  ersten  athenischen  Angriffes  auf  Syrakus.  Die 
Darstellung  des  Thuk.  VI,  66  flf.  giebt  zu  einigen  Fragen  Veranlassung.  Nach  c.  66 
landen  die  Athener  ig  rov  (das  Subst.  fehlt)  Harä  t6  ^Olvfinulov,  Dort  besetzen  sie 
einen  Ort,  an  dem  sie  besonders  vor  den  syrakusanischen  Reitern  sicher  sind :  r^  fjihv 
yag  tuxCtt  T€  xal  oixlai  ilgyov  xa\  divÖQa  xai  X^^vrj,  mxQa  cF^  ro  XQr}f4vo^.  Hier  stehen 
Ty  fiiv  und  naga  dk  ro  einander  gegenüber.  Auf  der  einen  Seite  schützen  Gebäude, 
Bäume  und  Sumpf,  auf  der  anderen  Abhänge.  Von  diesem  Lagerplatze  wird  das 
Terrain  nach  dem  Meere  zu  unterschieden.  Hier  msichen  sie  na^a  t€  rag  vavg  ein 
üravQiofia  und  ijil  r(ß  zfdaxiovt  igvfdd  r«  —  sowohl  eine  Befestigung  rf  i<po^iorarov  ^v 
rotg  noXifiCotg  —  als  auch  brechen  sie  die  Brücke  über  den  Anapos  ab.  Aus  dem  r< 
nach  fQVfia  und  dem  xal  vor  rrjp  rov^Avanov  yiifVQav  ergiebt  sich,  wenn  wir  die 
Ausdrücke  genau  nehmen,  zunächst,  dass  bei  dem  Daskon  sowohl  }^QVfia  als  Anapos- 
brücke sind;  der  Daskon,  was  er  auch  sein  mag,  ist  also  nicht  die  Bucht  südlich 
von  der  Punta  Caderini.  Dass  er  dies  nicht  ist,  ergiebt  sich  auch  daraus,  dass  das 
tqvfia  am  Daskon  so  angelegt  wird,  ?}  i(foS(6rarov  rnv  roTg  TioUju^oig,  die  Syrakusaner 
mussten  aber  von  der  Stadt  her  gegen  die  Athener  vorrücken.  Um  die  Stellung  der 
Athener  zu  begreifen,  müssen  wir  uns  die  Gestaltung  des  Bodens  dieser  Gegend  genau 
vorstellen,  nach  Massgabe  von  Karte  VIII.  Das  Olympieion  und  die  Polichne  lagen 
auf  dem  Nordende  eines  Höhenzuges,  der  im  N.  vom  Anapos,  im  W.  durch  den 
Sumpf  Pantano  (Eyane),  im  0.  durch  die  Niederung  um  die  Anaposmündung  begränzt 
wird,  und  erst  bei  der  Punta  Caderini  das  Meer  erreicht.  Der  helorinische  Weg 
führte  in  einem  noch  sichtbaren  Einschnitte  Ostlich  vom  Olympieion  vorbei.  Nun  be- 
setzten die  Athener  dieses  sich  westlich  von  der  P.  Caderini  ausdehnende  Hochland 
bis  an  den  Pantano,  das  Olympieion  aber  und  ein  Stück  des  helorinischen  Weges 
blieben  nördlich  von  ihrer  Stellung  unbesetzt.  So  sind  die  tti/la  und  oixUi  die  Po- 
lichne und  das  Olympieion  im  Norden,  die  Xifdvfi  ist  der  Pantano  (Kyane)  und  die 
xQTifAvoi  sind  die  Abhänge  der  Höhenzüge  nach  NO.  Nach  NO.  bauen  sie  ein  Fort 
und  brechen  ausserdem  die  Anaposbrücke  ab.  Nach  Plut.  Nik.  16  hat  Hermokrates 
über  das  Brückenabbrechen  gespottet;  der  Spott  war  wohlfeil,  aber  weniger  be- 
gründet. Es  brachte  den  Athenern  den  Nutzen,  dass  die  Syrakusaner  nun  nicht  mehr 
bequem  nahe  der  Mündung  den  Fluss  überschreiten  und  den  rechten  Flügel  der  Athe- 
ner bedrohen  konnten,  dass  sie  vielmehr  genöthigt  waren,  den  Fluss  weiter  oben  zu 
überschreiten  und  nun  von  Westen  her,  jenseits  des  helorinischen  Weges,  gegen  die 
Athener  anzurücken.    Die  Topographie  der  Schlacht  ist  folgende.    Zuerst,  als  die 


•* 


384  Anhang  IL    Topographisches. 

Syrakusaner  den  Athenern  eine  Schlacht  anbieten,  gehen  diese  nicht  darauf  ein ;  hier- 
auf sagt  Thnk.  o.  66  von  den  Syrakusanem*.  ayax^Qn^avtcs  kuX  S$aßavtes  Tfjv  *£2m- 
Qivfjv  odbv  TivUaavxo,  d.  h.  sie  gingen  wieder  nach  W.  ttber  den  helorinischen  W^ 
zurlick,  den  sie  nach  0.  hin  zum  Angriff  überschritten-  hatten.  Die  Schlacht  findet 
Ostlich  Tom  helorinischen  Wege  statt.  Nach  derselben  versammeln  sich  die  Syrakn- 
kusaner  ig  riiv  ^EXtoQivriv  oSov,  d.  h.  sie  gehen  nicht  über  denselben  zurück,  sondern 
halten  ihn  besetzt,  nördlich  vom  Olympieion.  —  In  Betreff  des  Namens  Daakon  ist 
allerdings  zuzugeben,  dass  Diodor  XIII,  13  (Eurymedon  aneXif<p&fi  nqo^  tov  xoXnor 
TOP  jddatttova  xaXovfAevov)  verglichen  mit  Thuk.  Vn,  52  {anolafAßavova^  xaxfivov  (v  t£ 
xo/il^xa^  /Ltv;(^  tov  Xijuivos)  die  Bucht  südlich  von  Punta  Caderini  Daskon  nennt.  Aber 
bei  Thuk.  VI,  66  passt  dies  nicht,  Daskon  muss  als  Name  der  Landspitze  genommen 
werden,  und  in  diesem  letzteren  Sinne  ist  offenbar  der  Name  Daskon  auch  bei  Diod. 
XIV,  72  genommen,  wo  das  ngog  t^  /laaxdvi  ^agiov  dasselbe  ipQovQiov  ist,  welches 
XIY,  63  inl  fjiiaov  tov  Xtfiivog  genannt  wurde,  das  passt  am  besten  zur  Punta  Cade- 
rini.   So  wie  wir,  fasst  auch  Kiepert  den  Daskon  auf. 

c)  Nene  Mauer  der  Syrakusaner  gegen  Epipolae  zu.  Im  Winter  415/4 
schützen  die  Syrakusaner  sich  nach  Thuk.  VI,  75  folgendermassen  hUxiCov  jiqos  t^ 
noXet,  TOV  TtfÄiv^Tijv  ivrog  noiriOttfifvoij  Tiixos  naga  näv  to  ngoi  Tics  ^EnmoXas  6Q»r, 
onojs  ftri  dC  iXäaaovos  tvanoTei/iaToi  <oat.  Was  zunächst  den  Temenites  betrifft,  so 
sagt  St  B:  Ti^cvos  Tonog  ZixMag  vno  Tag  ^EntnoXas  ngog  Taig  ^vQaxovaatg,  Dieses 
Temenos,  d.  h.  heiliger  Bezirk,  war  dem  Apollon  heilig,  dessen  Statue  sich  dort  be- 
fand ;  Gic.  Verr.  IV,  53  nennt  als  eine  der  Merkwürdigkeiten  von  Syrakus  in  der 
Neapolis  neben  einigen  Tempeln  Signum  ApoUinis  qui  Temeniteer  vocatur,  und  der 
Apollo  Temenites  wird  noch  bei  Suet.  Tib.  74  erwähnt.  Dieser  Bezirk  gehörte  also 
später  zur  Neapolis  von  Syrakus;  6  TcfurtTrig,  im  Texte  des  Thukydides,  kafin  in 
doppeltem  Sinne  gefasst  werden :  entweder  als  der  Gott  oder  als  der  nach  dem  Grotte 
benannte  Bezirk.  Da  nun  Über  die  Lage  von  Neapolis  kein  Zweifel  sein  kann,  so 
ist  auch  die  Lage  des  Temenites  im  allgemeinen  klar.  Ueber  seine  Ausdehnnng 
können  allerdings  Zweifel  obwalten,  und  ich  glaube,  dass  ich  ihn  auf  dem  Phine  zum 
1.  Bande  dieser  Geschichte  zu  weit  nach  W.  erstreckt  habe.  Es  wird  vorzugsweise 
nur  die  Gegend  oberhalb  des  Theaters  den  Temenites  gebildet  haben.  Schnbring, 
Die  Bewässerung  von  Syrakus.  Philologus  XXII,  S.619  setzt  das  Temenos  „weit  ausser- 
halb der  Stadt*,  wie  auch  seine  Karte  es  angiebt.  Ders.  S.  621  giebt  zu,  dass  die 
syrakusanische  Mauer  westlich  vom  Temenites  ging;  ich  meine,  dass  dann  die  athe- 
nische Stellung  zu  weit  nach  W.  gerückt  wird.  Ueber  den  Lauf  der  nun  von  den 
Syrakusanem  gebauten  Mauer  sind  verschiedene  Ansichten  aufgestellt.  Serradifalco, 
welcher  der  Ansicht  ist,  dass  Tyche  schon  eine  besondere  Mauer  hatte,  lässt  die  neue 
Befestigung  von  der  Südseite  dieser  Mauer  Tyche's  um  das  Theater  herum  in  die 
Nähe  des  grossen  Hafens  geben,  wo  sie  sich  an  die  alte  Stadtmauer  anschliesst,  ähn- 
lich Schubring  1.  1.  S.  621.  Leake,  in  den  topographioal  and  historical  notes  on  Sy- 
racuse  in  den  Transactions  of  the  Royal  Society  of  Literature,  Lond.  1850,  der  Tyche 
nicht  ummauert  sein  lässt,  umgiebt  nur  den  Temenites  mit  einer  viereckig  ans  der 
früheren  Mauer  nach  W.  vorspringenden  Befestigung.  Grote  endlich,  für  den  Achra- 
dina's  Mauern  nicht  bis  zum  grossen  Hafen  reichten,  lässt  die  Syrakusaner  eine  neue 
vollständige  Mauer  von  der  Bucht  S.  Panagia  im  Norden  nach  dem  grossen  Hafen 
hin  errichten.  Er  stützt  sich  dabei  besonders  auf  die  Worte  des  Thukydides:  yrapu 
naiv  TO  ngog  Tag  *EntnoXag  oQoiv,  woraus  sich  allerdings  ergiebt,  dass  diese  Mauer 
nicht  ein  grosses  Stück  einer  schon  vorhandenen  Tychemauer  benutzte,  während 
durchaus  nipht  nothwendig  erscheint,  dass  sie  bis  zum  grossen  Hafen  ging,  da  die 
tiefere  Gegend  in  der  Nähe  des  Anapos  durchaus  nicht  ngog  Tag  ^EnmoXag  oqo»v 
genannt  zu  werden  verdient.    Wenn  wir  ein  Becht  hatten,  anzunehmen,  dass  nach 


Nene  Maaer  der  Syrakusaner.    Leon.  385 

dem  grossen  Hafen  schon  eine  Mauer  ging  (sonst  hätte  auch  nicht  gesagt  werden 
können,  dass  die  neue  Mauer  bewirken  solle,  oniog  firj  Si  ikatfaovog  ivanoTslx^aroi 
toot,  sondern  dass  man  nicht  zwischen  Achradina  und  Ortygia  sich  festsetzen  könne) , 
so  ist  anzunehmen,  dass  die  neugebaute  Mauer  bloss  auf  der  Höhe  des  Plateau's  eine 
Erweiterung  des  Umfanges  der  Stadt  bewirkte  und  sich  unten  nach  dem  Hafen  zu 
irgendwo  an  die  bereits  vorhandene  Mauer  anschloss.  Gegen  Leake's  Annahme  einer 
Ummauerung  des  Temenites  allein  spricht  der  mehrfach  citirte  Ausdruck:  ntxQd  nSv 

d)  ttxga  Tefi€vtris,  Thuk.  YII,  3  erzählt,  dass,  als  Gylippos  gleich  nach  seiner 
Ankunft  Nikias  nicht  zu  einer  Schlacht  bewegen  konnte,  er  sich  fnl  r^v  axQav  r^r 
TifAivlxiv  xalovfjiivriv  zurückzog,  xal  avxQv  r^hUaavTo,  An  sich  wäre  es  wahrscheinlich, 
dass  diese  «yiQa  innerhalb  der  neuen  syrakusanischen  Mauer  war,  welche  ja  tov  Tc- 
fifvitniv  ivTos  machen  sollte.  Dennoch  hat  Bonanni  (p.  178  der  Ausgabe  Pal.  1717] 
diese- ff x(>it  ausserhalb  der  Mauern  gesetzt,  und  zwar  nach  Belvedere.  Letzteres  ist 
durchaus  unmöglich;  aber  ausserhalb  der  Mauern  setzt  sie  auch  Serradifalco,  aller- 
dings in  unmittelbarer  Nähe  des  ummauerten  Temenites.  Grote  IV,  S.  207  drückt  sich 
zweifelnd  aus:  «anscheinend  innerhalb  des  neuhinzugefügten  befestigten  Raumes  der 
Syrakusaner.''  Mit  der  Erzählung  des  Verlaufes  der  Belagerung  steht  allerdings  die 
Annahme,  dass  die  axQa  T^fjLivZxig  ausserhalb  der  syrakusanischen  und  sogar  der 
athenischen  Ijfauern  gewesen  wäre,  keineswegs  in  Widerspruch;  es  könnte  sogar  na- 
türlich erscheinen ,  dass ,  da  Gylippos  gleich  darauf  während  eines  Angriffes  auf  die 
athenischen  Befestigungen  das  Fort  Labdalon  nimmt,  er  sich  in  der  Nacht  vorher, 
wo  er  eben  auf  der  axQa  Tcjuivlug  war,  bereits  ausserhalb  der  Mauern  befunden  habe. 
Indess  ist  die  Annahme  zu  natürlich,  dass  die  äxQo  Ttfavlns  zum  Ttfi^vCTug  gehörte, 
als  dass  sie  abzuweisen  wäre,  und  die  Soldaten  des  Gylippos  konnten  ganz  wohl  aus 
dem  ummauerten  Bezirk  zur  Eroberung  von  Labdalon  hervorbrechen.  Auch  Schubring 
1.  1.  618  scheint  keinen  Unterschied  zwischen  axQa  Tefitvins  unä  dem  ummauerten 
jifAtvog  zu  machen. 

e)  TifAtvog,  Nun  ist  noch  die  Frage,  ob,  wenn  Thuk.  VI,  99  sagt,  die  Syraku- 
saner  hätten  die  Oelbäume  tov  rejuivovg  umgehauen  zum  Bau  ihres  Gegenwerkes, 
dieses  rifuvog  das  des  Apollon  ist,  von  dem  der  Tf/ievlTtjg  seinen  Namen  hat.  Meins- 
hausen  in  seiner  Abhandlung  über  die  Belagerung  von  Syrakus,  Mühlhausen  1856.  4, 
spricht  wegwerfend  von  dieser  Ansicht  „als  ob  es  in  Sicilien  nur  im  Temenites  Oel- 
bäume gebe''  (S.  6] ;  er  übersieht  dabei,  dass  ausdrücklich  rov  rsfiivovg  gesagt  ist. 
Wir  werden  die  auch  von  Grote  IV,  S.  194  gebilligte  Meinung,  dass  das  rififvog  das 
Apollinische  sei,  theilen  dürfen. 

f)  Leon.  Als  die  Athener  sich  Epipolae's  bemächtigen  wollen,  landen  sie  bei 
Leon.  Thuk.  VI,  96  sagt:  xaX  Hadav  avrovg  nttvrl  ijdfi  t^  aTQutiv/uaTi  ix  rijg  Ka- 
ravrjg  a^ovreg  xaric  tov  jliovja  xaXov/ntvoVf  og  anix^i  rdSv  *Eninoltov  ^*f  rj  inrä  ata- 
dCovg,  In  den  Worten  a^ovreg  xatd  liegt,  dass  Leon  am  Ufer  oder  in  der  Nähe  des 
Ufers  lag.  Die  Entfernung  von  6—7  Stadien  nöthigt  dann  aber  anzunehmen,  daes  es 
an  dem  Meerbusen  unmittelbar  nördlich  von  Achradina  gelegen  war.  Die  hier  an 
einem  kleinen  Landungsplatze  gelegene  Casa  delle  finanze  ist  etwa  1400  meter  vom 
Abhänge  von  Epipolae  entfernt.  Der  Ort  kommt  auch  bei  Liv.  XXIV,  39  vor,  wo 
Marcellus  hibemacula  quinque  milia  passuum  Hexapylo  —  Leonta  vocant  locum.  com- 
munit.  Wenn  5  m.  p.  richtig  wäre,  müsste  Leon  nördlich  von  der  Halbinsel  Thapsud 
gelegen  haben.  Wo  ist  nun  der  Irrthum  oder  Fehler,  bei  Thukydides  oder  bei  Livius? 
Letronne  und  Serradifalco  nehmen  einen  Irrthum  in  den  Zahlen  bei  Thukydides  an 
(Letronno  p.  63.  64,  gebilligt  von  Serrad.  IV,  p.  78),  und  wollen  statt  g'{  C"  lesen: 
W  ri  X(y  d.  h.  36  oder  37  statt  6  oder  7.  Sie  führen  für  ihre  Meinung  an,  dass  die 
Syrakusaner,  wenn  die  Athener  nicht  nördlich  von  Thapsos  gelandet  wären,  die  Fahrt 

Holm;  Goflch.  Sioilions.  IL  25 


386  Anhanj^  IL   Topographisches. 

der  ihnen  so  sehr  nahe  kommenden  Feinde  hätten  bemerken  müssen,  und  dass  ja 
zuerst  die  Fnsssoldaten  in  Leon  landen  und  dann  die  Flotte  in  Thapsos  einlauft, 
woraus  zu  schliessen  sei,  dass  Leon  nördlich  von  Thapsos  liege.  Indess  sind  diese 
Gründe  nicht  zwingend.  Die  Soldaten  kOnnen  zuerst  südlich  von  Thapsos  landen 
und  dann  die  ganze  Flotte  bei  Thapsos  selbst  vor  Anker  gehen.  Was  aber  das  Be- 
merken der  Feinde  betrifft,  so  sahen  die  Syrakusaner,  wenn  sie  ausschautet,  die 
feindliche  Flotte  ebenso  gut  nördlich  wie  südlich  von  Thapsos,  da  von  dem  Nord- 
rande von  Tyche  der  ganze  megarische  Meerbusen  offen  vor  dem  Blicke  daliegt. 
Aber  die  Athener  benutzten  die  Nacht,  sodass  das  Ausschauen  den  Syrakosanem 
nicht  viel  genützt  hätte.  Wenn  aber  die  Athener  die  Nacht  benutzten,  so '  war  es  in 
ihrem  Interesse,  möglichst  nahe  dem  zu  ersteigenden  Punkte  zu  landen;  denn  wenn 
die  Seefahrt  verborgen  bleiben  konnte,  so  wurde  die  Landung  und  der  Marsch  zu 
Lande  sicher  nach  Syrakus  gemeldet.  Also  passte  es  vollkommen  in  den  Plan  der 
Athener,  an  dem  bezeichneten  Punkte  —  Casa  delle  iinanze  -^  unmittelbar  nördlich 
von  Tyche  zu  landen,  ca.  7  Stadieb  von  Epipolae.  Man  kann  deshalb  mit  Cluver  bei 
Livius  statt  5000  Schritte  1500  lesen,  Bloomfield  schlug  2000  vor.  Möglich  ist  aber 
auch,  dass  Livius  aus  Irrthum  wirklich  5000  geschrieben  hat.  —  Grote  lY,  S.  190, 
der  Leon  nördlich  von  Thapsos  setzt ,  hat  vergessen  zu  erwähnen ,  dass  dann  die 
Zahlen  bei  Thukydides  nicht  passen.  Schubring  spricht  S.  632  der  angeführten 
Schrift:  Bewässerung  etc.  von  der  Lage  Leons,  er  sagt:  „die  Darstellung  des  Thu- 
kydides stimmt  nicht  mit  dem  Terrain,  denn  am  Meere  liegen  und  zugleich  6 — 7  Sta- 
dien vom  Euryalus  entfernt  sein,  ist  unmöglich.^  Seh.  substituirt  hier  Euryalus  für 
Epipolae,  wozu  ich  keinen  Grund  finde.  Von  Epipolae  ist  die  Casa  delle  finanze  7 
Stad.  entfernt,  von  Euryelos  freilich  mehr  als  7  Stad.,  aber  Thukydides  spricht  auch 
nur  von  Epipolae  Überhaupt. 

g)  Euryelos.  Die  Athener  gelangen  auf  die  Höhe  von  Epipolae  »ata  toi'  EvQvt;- 
lov,  Thuk.  VI,  97.  Welcher  Theil  von  Epipolae  war  nun  Euryelos?  Die  ältesten  For- 
scher, Mirabella  und  Cluver,  fanden  den  Euryelos  in  dem  Kegel  von  Belvedere  wieder, 
der  den  westlichen  Abschluss  des  grossen  Dreieckes  bildet,  das  Syrakus  ausmacht 
Bonanni  (S.  90  der  oben  citirten  Ausgabe)  ist  für  Mongibellisi,  d.  h.  für  das  E^asteil, 
dessen  wohlerhaltener  Graben  und  Gänge  ein  so  interessantes  Beispiel  der  Befesti- 
gungskunst des  Alterthums  abgeben.  Dieser  letzten  Ansicht  huldigen  die  meisten 
Neueren,  z.  B.  Serradifalco,  auch  Schubring.  Nach  dieser  Ansicht  war  Euryelos  ein 
Theil  der  späteren  Befestigungswerke  von  Syrakus,  welche  gerade  hier  zusanunen- 
laufen  und  abschliessen.  Dabei  bleibt  nur  eine  Schwierigkeit.  Es  heisst  bei  Diod. 
,XX,  29  bei  Gelegenheit  der  Belagerung  von  Syrakus  durch  die  Karthager  sur  Zeit 
des  Agathokles  von  den  Syrakusanem :  ol  6k  ix  rrjs  nohtag  aia96fi€voi  t^v  introtar 

Tetgaxoa^ovSf  TtQosrä^avTsg  xaralaßia&ai  tov  EvqviiIqv.  Danach  scheint  der  Euryeloä 
ausserhalb  der  Befestigung  gelegen  zu  haben,  und  man  müsste  annehmen,  dass  es 
Belvedere  war,  denn  in  einer  Festung  von  der  Bedeutung  derjenigen,  'die  noch  in 
ihren  Ruinen  vorhanden  ist,  wird  doch  schon  eine  Besatzung  gewesen  sein.  Niohta- 
destoweniger  ist  klar,  dass  bei  Thukydides  unter  dem  Euryelos  nicht  Belvedere. zu 
verstehen  ist ;  denn  was  sollte  die  Athener  bewogen  haben,  soweit  westlich  die  Höhe 
zu  ersteigen,  da  sie  es  weiter  Östlich  mit  ebenso  viel  Nutzen  thun  konnten?  Wenn 
Diodor  mit  seiner  Angabe  Hecht  hat  und  nicht  anzunehmen  ist,  dass  auch  bei  ihm 
Euryelos  das  noch  vorhandene  Fort  bezeichnet,  so  lassen  sich  die  Gegensätae  so 
vereinigen,  dass  Euryelos  zur  Zeit  des  athenischen  Krieges  das  ganze  Westende  des 
syrakusanischen  Platcau's,  Mongibellisi  und  Belvedere  umfassend,  bezeichnete,  sodass, 
wenn  es  heisst,  dass  Epipolae  xatä  tov  EvqvtiIov  erstiegen  wtfrde,  man  sich  den 
östlicheren  Theil  darunter  denken  kann.    Bei  Diodor  würde  dann  der  westliche  zu 


EuryeloB.    Labdalon.    Syke.    Der  Eyklos.  387 

verstehen  sein.    EvQvrjXogf  d.  h.  breiter  Nagel,  bezeichnet  die  über  das  nmliegende 
Land  erhöhte  Gegend. 

h)  Labdalon.  Nach  ihrem  ersten  Siege  über  die  Syrakasaner  bauen  die  Athe- 
ner (Thak.  VI,  97)  ein  <pqovqiov  inl  rtß  uiaß^altp  in  axQotg  roig  xQrjfivoi^  xiav  *Eni- 
noX(Sv  oQtiv  ngoQ  xa  Miyaga.  Wo  lag  Labdalon?  Manche  haben  gemeint,  es  sei  das 
mehr  genannte^  Fort  in  Mongibellisi  gewesen.  Wie  kommt  es  dann  aber,  dass  es  nach 
der  Zeit  des  Thukydides  nicht  mehr  erwähnt  wird,  da  es  doch  noch  jetzt  vorhanden 
ist?  Wir  haben  za  beachten,  dass  es  nach  Thukyd. .  in  axQon  roTg  xQtjfivoTs  ttov 
^Eninolwv  oQtäv  tiqos  xa  StfyoQa  lag.  Das  heisst  nicht,  wie  man  gemeint  hat,  auf 
dem  höchsten  Punkte  von  Epipolae,  sondern  am  Rande  des  Abhanges,  nach  Megara 
hin,  also  am  Rande  des  nördlichen  Abhanges.  Dies  ist  die  Ansicht  von  Letronne, 
Göller,  Grote,  Cavallari  und  Schubring,  deren  Ansetzungen  nur  wenig  unter  einander 
abweichen.  Schubring,  Bewässerung  etc.  S.  629  bestimmt  den  Punkt  so  genau,  dass 
er  sogar  einen  dort  noch  vorhandenen  Brunnen  von  den  Athenern  im  J.  414  v.  Chr. 
gebohrt  sein  lässt.  Serradifalco  IV,  81  giebt  zu,  dass  Labdalon  volto  a  Megara  lag, 
setzt  es  jedoch  vom  Nordrande  entfernt,  nach  Buffalaro  selbst.  Cavallari,  Zur  Topo- 
graphie von  Syrakus,  S.  23,  findet  hierin  einen  Widerspruch.  Zur  Entschuldigung  Ser- 
radifalco's  kann  gesagt  werden,  dass  man  von  Buffalaro  auch  sehr  gut  nach  Megara 
sehen  kann,  sodass  also  der  Ausdruck  volto  a  Megara  sich  halten  Hesse ;  aber  sachlich 
passt  die  Ansetzung  Serradifalco' s  nicht.  Denn  bei  der  Einnahme  von  Labdalon  durch 
Gylippos  sagt  Thuk.  VII,  3:  ^v  (f^  ovx  inupavlg  xoTg  lid^vaCoig  xo  x^^Q^-  Somit 
kann  es  nur  am  Nordrand  gelegen  haben,  der  ein  wenig  niedriger  ist  als  die  Mitte 
des  Plateau's  und  deshalb  von  den  Athenern  in  Syke  nicht  wohl  ganz  zu  Über- 
blicken war. 

i)  Syke.  Es  heisst  bei  Thuk.  VI,  98  weiter:  xataati^aavxfs  iv  tß  AttßSahp  (pvXa- 
xtjv,  i^^Qovv  ngog  x^v  2vxrjv  ol  ^A&rjvaToi  fvancQ  xad-eCofifvoi  Hftx^aav  xov  xvxlov  Sia 
xdxovg.  Es  ist  kein  Grund,  mit  Letronne  anzunehmen,  dass  2vxrj  und  Tv^ri  identisch 
seien.  Wie  Achradina  einen  Ort  bedeutet,  wo  wilde  Birnbäume  wachsen,  so  2^vxfj 
einen  mit  Feigenbäumen  besetzten  Ort.  Vgl.  St.  B.  s.  v.  2vxij,  wo  noch  andere  Orte 
dieses  Namens  aufgezählt  werden.  Es  ist  wahrscheinlich  J^vxtj  auf  die  Mitte  des  Ab- 
hanges von  Epipolae  zu  setzen  und  keine  Veranlassung  vorhanden ,  es  mit  Leake  an 
den  Sttdrand  des  Plateaus,  nach  dem  grossen  Hafen  zu,  zu  verlegen.  Unserer  Ansicht 
sind  auch  Arnold  und  Grote,  sowie  Schubring,  Bewässerung  etc.  S.  629. 

k)  Der  Kyklos.  Es  würde  nicht  unpassend  sein,  wenn  Thukydides  mit  diesem 
Ausdrucke  die  ganze  Einschliessungsmauer ,  welche  die  Athener  bauen,  bezeichnet 
hätte,  wenn  sie  gleich  weit  entfernt  war,  eine  kreisförmige  Linie  zu  bilden.  Denn  er 
sagt  z.  B.  III,  18  von  Mitylene:  negireix^Covai  MnvXi^vriv  iv  xvxXti)  anXtp  x^lx^t  und 
die  Einschliessungsmauer,  wenn  sie  auch  in  grader  Linie  lief,  sollte  doch  jedenfalls 
die  Stadt  umschliessen.  Aber  Thukydides  sagt  VI,  98  ixilx^aav  xov  xvxXov  Sia  tdxovg, 
und  da  die  'gesammte  Einschliessungsmauer  niemals  vollendet  wurde,  so  hätte  Thuky- 
dides, wenn  er  von  ihr  reden  wollte,  sagen  müssen:  ixsCxiCov;  im  Aorist  liegt  da- 
gegen die  Idee  von  etwas-  Vollendetem ,  also  ein  einzelnes  Werk ,  mithin  das  runde 
Centralfort  der  Belagerungs werke.  Dass  ein  solches  einzelnes  Fort  gemeint  ist,  zeigt 
besonders  deutlich  Thuk.  VI,  102,  wo  Nikias  iv  avx<p  wegen  seiner  Schwäche  zu- 
rückbleibt. Die  richtige  Ansicht  ist  in  der  That  schon  alt,  da  bereits  Dukas  unter 
dem  xvxXog  in  VI,  98  fiiQog  xi  xov  SXov  xvxlov  verstehen  wollte ,  Didot  aber  hat  sie 
in  einer  längeren  Note  besonders  begründet.  Auffallend  könnte  bei  dieser  Auslegung 
der  bestimmte  Artikel  xov  vor  xvxXov  erscheinen,  als  sollte  er  andeuten,  dass  dieser 
xvxXog  etwas  dem  Leser  bekanntes  wäre,  was  er  doch  keinesweges  ist.  Aber  zwei 
andere  thukydideische  Stellen  zeigen,  dass  auch  sonst  Thukydides  den  bestimmten  Ar- 
tikel braucht,  wenn  er  auch  nicht  voraussetzen  kann,  dass  die  Leser  den  Gegenstand 

26» 


388  Allhang  II.   Topographisches. 

kennen;  so  steht  VI,  100  naga  tijv  nvlCda^  und  VII,  53  Inl  t^  x^^y%  und'  Über 
Thor  und  Damm  ist  man  nichts  weniger  als  klar.  Es  kann  also  xov  xvxXov  Yon  einem 
noch  nicht  erwähnten,  speciellen  Bau  nicht  aufifallen.  Wo  sonst  der  xvxXog  in  der 
Belagerungsgeschichte  von  Syrakus  vorkommt,  ist  es  ebenfalls  das  Bundfort;  nur 
VII,  2  macht  Schwierigkeiten.  Hier  heisst  es,  es  sei  fast  fertig  gewesen  ig  tov 
fifyav  Xifxiva  JmXovv  Tit^os,  r(p  6k  äiltp  rov  xvxXov  n^g  xov  TgcSyiXav  hätten  die 
Steine  dagelegen.  Hier  kann  t^  aXXtp  tov  xvxXov  nur  die  Mauer  vom  Kyklos  nach 
N.  bezeichnen;  also  wäre  xvxXos  hier  die  ganze  Einschliessungsmauer.  So  versteht 
es  Arnold,  der  also  genOthigt  wird,  zwei  Bedeutungen  von  xvxloi  für  Thukydides 
anzunehmen.  Grote  IV,  192  n.  10  will  das  nicht. zugeben,  und  mit  Recht,  aber  wenn 
er  es  zu  vermeiden  gedenkt,  durch  die  Erklärung  x^  aXXip  xov  xvxXov  bedeute  ^r^- 
Qot&t  xov  xvxXov,  so  erscheint  das  doch  etwas  gezwungen,  und  ich  ziehe  WölfifUn's 
Conjectur  vor:  t^  dk  ano  xov  xvxXov  ngos  xov  TQtoytXov. 

1]  Einschliessungsmauer  der  Athener.  Von  dem  Kyklos  aus  bauen  die 
Athener  nach  beiden  Seiten,  nach  Norden  wie  nach  SUden,  Mauern,  um  Syrakus  ab- 
zuschneiden. VI,  99:  IxtCx^CoP  xo  ngog  ßoQ^av  xov  xvxXov  xit^og,  und  VI,  101  :  ano 
xoir  xvxXov  Ixf^x^Cov  x6v  xQr\fjivov ,  xov  vtiIq  xov  %.h>vg.  In  Betreff  dieser  athenischen 
Mauern  macht  Cavallari,  Zur  Topographie  von  Syrakus  S.  25  folgende  Bemerkung, 
ttber  deren  Bedeutung  man  sich  klar  werden  muss:  ^Es  ist  eine  merkwürdige  Er- 
scheinung, wie  sämmtliche  Schriftsteiler  über  Syrakus  sich  aus  Thukydides  einen 
Plan  zusammengestellt  haben,  indem  sie,  ohne  die  Beschaffenheit  des  Landes  zu  be- 
achten, rechts  oder  links  über  Berg  und  Thal  ihre  Mauern  zogen. Mit  genauer 

Kenntniss  des  Terrains  nehme  ich  an,  dass  Nikias  diese  Mauer  nur  da  gezogen  haben 
muss,  wo  die  Syrakusaner  abgehalten  werden  sollten,  nicht  da,  wo  Mauern  zu  bauen 
unmöglich  und  überdem  unnütz  war.  Die  Scala  greca  war  durch  eine  Mauer  bis 
zum  portus  Trogiliorum  abgeschnitten,  und  ebenso  auf  der  Seite  des  grossen  Hafens 
nur  die  Strassen."  Cavallari's  Einwurf  gegen  eine  vollständige  Mauer  ist  also  ein 
doppelter,  sie  wäre  nach  ihm  unmöglich  und  unnütz  gewesen.  Beides  kann  nicht 
zugegeben  werden.  Wenn  durch  den  niedrigen  Wiesengrund  zwischen  Syrakus  und 
dem  Anapos  eine  Strasse  angelegt  werden  konnte,  —  und  die  helorinische  Strasse 
führte  hindurch  —  so  konnte  von  einem  thätigen  Feldherm  auch  eine  Mauer,  oder 
wenigstens  ein  Wall  mit  einem  Graben  errichtet  werden;  und  überall  sonst,  nämlich 
da,  wo  Felsboden  ist,  hat  ein  Mauerbau  keine  Schwierigkeit.  Das  Werk  war  also 
nicht  unmöglich.  Aber  mehr  noch:  es  wurde  gerade  nach  dem  grossen  Hafen  zu 
wirklich  ausgeführt.  Thuk.  VI,  103  sagt:  ano  xüv  ^EnmoXtSv  xal  xov  xgfifivoidovg 
ttQ^df4€voi.  tt7i€xtix^Co^  f^^XQ''  ^^^  ^(tXaaar\g  ntx^i  6inXt^  xag  Zvqaxovaag,  Es  wurden 
also  hier  niaht  bloss  die  Strassen  abgeschnitten.  War  ein  solches  Werk  nun  zwei- 
tens etwa  unnütz?  Wenn  auf  dem  sumpfigen  Grunde  nur  die  Strassen  abgesperrt 
werden,  so  kann  es  immer  noch  solchen,  die  von  aussen  der  Stadt  Hülfe  bringen 
wollen,  durch  besondere  Veranstaltungen ,  wie  die  Athener  selbst  sie  anwandten,  um 
das  syrakusanische  Pfahlwerk  anzugreifen  (Thuk.  VI,  101),  gelingen,  in  die  belagerte 
Stadt  zu  kommen,  und  der  Zweck  der  Einschliessung  ist  verfehlt.  Die  EiuBchliessung 
einer  Stadt  muss  eine  absolut  vollständige  sein.  Heutzutage,  bei  veränderten  Waffen, 
können  wir  eine  solche  durch  eine  Verbindung  von  Werken  und  Posten  bewirken; 
im  Alterthum  war  das. nicht  möglich;  und  dass  die  Griechen  wirkliche  Mauern  um 
die  ganze  Stadt  bauten,  die  eingeschlossen  werden  sollte,  sehen  wir  aus  der  Belage- 
rung von  Plataeae  durch  die  Dorier.  Nikias ,  der  in  der  Belagerungskunst  erfahren 
war,  verfuhr  gewiss  nicht  anders.  Somit  dürfen  wir  allerdings  annehmen,  dass  eine 
fortlaufende  Mauer  von  7000  Meter  Länge  um  Syrakus  von  den  Athenern  beabsichtigt 
wurde.  In  Bezug  auf  einen  Theil  der  Mauer  ist  noch  Thuk.  VI,  101  zu  berücksich- 
tigen :  ixdx'Cov  ol  ^Ad-rivaloi  xov  XQTjfivov  xov  vntQ^  xov  ^Xovg,   og  xtSv  ^EninoXtiv  xavxr^ 


EiDschlieBBungsmauer  der  Athener.    Erstes  syrakusanisches  Gegenwerk.      389 

TTQO^  Tov  fifyav  Xifxiva  oq^,  jc«l  yntQ  airtolg  ßga/vrarov  fyivsjo  xaraßSoi  ^la  tov 
ofiaXov  xtti  TOV  ^Xovg  ig  top  Xififva  t6  niQiTeCxi'Ofia ,  nicht  nur  weil  hier  ausdrücklich 
der  beabsichtigte  Mauerbau  durch  den  IJumpf  erwähnt  wird,  sondern  auch  weil  die 
ersten  Worte  besagen,  dass  die  Mauer  eine  Strecke  am  Rande  des  Abhanges  entlang 
lief  (h^tx'^^  'or  xQTjfivov) ,  was  besonders  Leake  auf  seinem  Plane  berücksichtigt 
hat.  Der  Zweck  dieses  Verfahrens  ist  von  Thukydides  deutlich  angegeben,  man 
wollte  im  Sumpfe  so  kurz  wie  möglich  bauen  und  baute  deshalb  oben  am  Abhang 
entlang,  bis  man  den  dem  Wasser  nächsten  Punkt  erreichte.  Wir  können  so  mit 
ziemlicher  Sicherheit  die  Punkte  bestimm&n,  Yon  denen  die  doppelten  Mauern  aus- 
gingen. 

m)  Erstes  syrakusanisches  Gegenwerk.  Es  war  eine  förmliche  Mauer. 
Thuk.  VI,  99  sagt:  hiixi^ov  ovv  i^el&ovTtg  ano  Ttjs  OtfST^Qttg  noXeiog  UQ^ufuifvoi, 
xaTfo&€v  TOV  MvxXov  TtSv  *ji&rjva{üiv  fyxttQOiov  Tfi^og  ayovTfs,  mit  hölzernen  Thürmen 
und  einem  Pfahlwerke  vor  der  Mauer.  Lief  diese  Mauer  nun  nördlich  oder  südlich 
vom  xvxXog ,  und ,  wenn  südlich ,  hoch  auf  dem  Plateau  oder  tiefer,  auf  der  unteren 
Terrasse  der  Neapolis  ?  Diejenigen,  welche  angenommen  haben,  dass  sie  nördlich  vom 
xvxXog  lief,  sind  wie  Göller,  Meinshausen  u.  A.  durch  die  Bichtung  der  dritten  Mauer 
darauf  gebracht  worden ,  welche  nach  Thuk.  VII ,  7  ^fyQi  roö  fyxaQoiov  Tiix^vg  ge- 
führt wurde  und  sicher  nördlich  vom  xvxXog  lief,  da  südlich  von  demselben  die  athe- 
nische Einschliessungsm^uer  schon  fertig  war.  Hierbei  wird  nämlich  vorausgesetzt, 
dass  das  VII,  7  genannte  iyxaoatov  xtlxog  eben  die  erste  syrakusanische  Gegenmauer 
war,  um  deren  Sichtung  es  sich  jetzt  für  uns  handelt  und  welche  ja  VI,  99  als 
iyxaqfSiov  TfTxog  bezeichnet  worden  ist.  Aber  selbst  diese  Voraussetzung  zugegeben, 
die,  wie  wir  sehen  werden,  keine  Wahrscheinlichkeit  hat,  ist  der  Schluss  kein  sicherer, 
denn  es  konnte  sehr  wohl,  da  der  xvxXog  in  einiger  Entfernung  von  der  syrakusani- 
schen  Mauer  lag,  eine  von  Epipolae  her  gezogene,  nördlich  bei  demselben  vorbei- 
fUhrende  Mauer  bis  an  ein  stehen  gebliebenes  Stück  einer  anderen  geführt  werden, 
welche  südlich  von  dem  xvxXog  hatte  vorbeigehen  sollen.  Wenn  so  die  Schlussfolge- 
rung, welche  auf  die  Annahme  einer  nördlichen  Richtung  der  ersten  Gegenmauer  der 
Syrakusaner  führte,  keineswegs  zwingend  ist,  so  sind  freilich  auch  die  gegen  eine 
solche  Richtung  gemachten  Einwendungen  nicht  zutreffend.  Grote  sagt  FV,  702,  da 
dann  die  Gegenmauer  genau  über  den  Punkt  geführt  worden  wäre,  an  welchem  die 
Athener  damals  arbeiteten,  so  hätte  eine  Schlacht  erfolgen  müssen,  was  die  S3nrakn- 
saner  gerade  verhindern  wollten.  Die  Sache  steht  aber  in  Wirklichkeit  etwas  an- 
ders. Die  Gegenmauer  hätte  nur  die  Linie  geschnitten,  auf  der  die  Athener  bauen 
wollten,  ohne  nothwendigerWeise  den  Punkt  selbst  zu  treffen,  an  welchem  sie  bauten, 
und  wenn  dann  die  Athener  die  Syrakusaner  angegriffen  hätten,  so  war  dies  etwas, 
worauf,  wie  auch  Grote  S.  193  nach  Thuk.  VI,  99  ausführlich  auseinandersetzt,  die 
Syrakusaner  vollkommen  gefasst  waren.  Was  sie  nicht  wünschten,  war  nur  eine 
offene  Feldschlacht ,  von  der  aber  ein  Kampf  um  eine  Mauer  wesentlich  verschieden 
war.  Es  ist  also  keineswegs  unmöglich,  dass  die  erste  Gegenmauer  der  Syrakusaner 
nördlich  von  dem  Rundfort  der  Athener  lief.  Dennoch  spricht  die  grössere  Wahr- 
scheinlichkeit für  die  südliche  Richtung.  Hier  leistete  sie  dieselben  Dienste  wie  nörd- 
lich ,  d.  h.  sie  verhinderte  die  Ausführung  der  Einschliessungsmaüer,  und  sie  konnte 
überdies  leichter  gebaut  werden  als  nördlich  vom  xvxXog,  da  hier  im  Norden  ein  An- 
griff von  zwei  Seiten  möglich  war ,  vom  xvxXog  im  Süden,  und  von  Thapsos  her,  wo 
die  Flotte  noch  war,  sowie  auch  vom  Fort  Labdalon  im  Norden,  während  südlich 
vom  xvxXog  der  Angriff  nur  von  diesem  her  kommen  konnte.  Wir  halten  also  an  dem 
südlichen  Lauf  dieser  syrakusanischen  Gegenmauer  fest.  Genauer  dagegen  den  Lauf 
derselben  zu  bestimmen  wird  schwer  halten,  und  wir  werden  nicht  mit  völliger  Be- 
stimmtheit ausmachen  können,  ob  diese  Mauer  oben  auf  dem  Plateau  von  Epipolae 


390  Anhang  II.    Topographisches. 

oder  über  die  mittlere  Terrasse  der  Neapolls  lief.  Letzteres  ist  von  Leake  vorge- 
schlagen, der  übrigens  zu  dieser  Ansetzung  genöthigt  war,  da  er  das  athenische 
Lager  an  den  Südrand  des  Platean's  von  Epipolae  gesetzt  hatte.  Ersteres  hat  Grote 
angenommen,  der  seine  Annahme  durch  eine  allgemeine  Betrachtung  über  den  zweck- 
mässigen Bau  solcher  Gegenmauem  überhaupt  begründet.  Diese  Auseinandersetzung 
enthält  viel  richtiges,  doch  ist  nicht  alles  richtig,  und  eine  Besprechung  derselben 
wird  hier  auch  von  sachlichem  Nutzen  sein.  Grote  stellt  den  Satz  auf,  dass  eine 
solche  Gegenmauer  nicht  allein  die  beabsichtigte  Einschliessungslinie  des  Feindes 
durchschneiden,  sondern  auch  etwas  haben  müsse,  worauf  ihr  Ende  ruhe.  Sonst  hätten 
ja,  sagt  er  S.  702,  die  Belagerer  weiter  nichts  zu  thun,  als  längs  ihrer  Vorderseite 
hinzumarschiren  und  um  sie  herum  zu  gehen.  Es  ist  gewiss  richtig,  dass  ihnen  das 
freistand;  aber  was  war  mit  diesem  Herumgehen  für  die  Belagerer  gewonnen?  £s 
handelt  sich  nicht  darum ,  seine  Truppen  rechts  und  links  von  der  Gegenmauer  auf- 
zustellen, es  handelt. sich  darum,  die  Einschliessungsmauer  zu  vollenden.  So  lange 
die  Gegenmauer  dasteht  und  die  projectirte  Linie  durchschneidet,  ist  aber  die  Vollen- 
dung der  Einschliessungsmauer  unmüglich ;  denn  man  müsste  die  GegeHmauer  in  einem 
Bogen  umgehen  und  die  Vertheidiger  würden  ihre  Gegenmauer  wahrscheinlich  schneller 
fortsetzen  als  die  Angreifer  den  Bogen  vollenden  könnten.  Also  ist  die  Existenz 
einer  die  projectirte  Linie  durchschneidenden  feindlichen  Mauer  an  sich,  ein  genü- 
gendes Hindemiss  für  die  Ausführung  der  Einschliessungsmauer.  Diese  Gegenmauer 
muss  somit  erst  vernichtet  werden,  damit  die  Belagerungsarbeit  fortschreiten  kann. 
Nun  ist  es  vollkommen  richtig,  dass  es  leichter  ist,  dieselbe  anzugreifen  und  somit 
auch  sie  zu  vernichten ,  wenn  man  sie  umgehen,  d.  h.  von  zwei  oder  drei  Seiten  zu- 
gleich angreifen  kann,  und  daraus  folgt,  dass  es  für  den  Vertheidiger  wttnschenswerth 
ist,  ihr  am  Ende  einen  Stützpunkt  zu  geben,  den  Grote  in  dem  steilen  Abhang,  den 
sie  errieicht  haben  soll,  findet.  Man  kann  hinzufügen,  dass  die  Erreichung  eines 
solchen  Stützpunktes  die  Festigkeit  der  letzten  syrakusanischen  Gegenm&oer  bewirkte, 
welche  Demosthenes  so  unglücklich  zu  umgehen  suchte.  Aber  einerseits  weist  die 
Eroberung  der  ersten  Gegenmauer  darauf  hin,  dass  ihr  dieser  Stützpunkt  gefehlt 
haben  wird ,  und  zweitens  muss  man  sagen ,  dass  ein  solcher  nicht  unbedingt  noth- 
wendig  ist.  Eine  solche  Gegenmauer  ist  doch  nicht  eine  blosse  schmale  Wand.  Sie 
musstc  eine  obere  Fläche  haben,  die  nöthigenfalls  eine  kurze  Zeit  nach  beiden  Seiten 
hin  vertheidigt  werden  konnte,  und  überdies  waren  Palissaden  davor,  und  zwar,  wie 
wir  annehmen  müssen,  auf  beiden  Seiten.  Man  bedenke  nur,  dass  diese  Mauer  doch 
auch  während  des  Baues  vertheidigt  werden  muss.  Wie  sie  also  geschützt  werden 
kann  und  muss,  ehe  sie  einen  festen  Endpunkt  haben  >kann,  so  muss  sie  auch  später 
noch  geschützt  werden  können,  ja  von  dem  Augenblicke  an,  wo  nicht  mehr  daran 
gebaut  wird,  können  um  so  mehr  Kräfte  zu  ihrer  Vertheidigung  verwandt  werden, 
dieselbe  wird  also  um  so  leichter.  Wenn  es  hiemach  keineswegs  nothwendig  ist,  dass 
die  erste  syrakusanische  Gegenmauer  bis  zum  Rande  des  Plateaus,  wie  Grote  meint, 
ging,  so  lässt  sich  überdies  aus  der  thukydideischen  Schilderung  ihrer  Eroberung,  zu 
deren  Erläuterung  wir  jetzt  übergehen,  nachweisen,  dass  sie  einen  solchen  Stützpunkt 
ofifenbar  nicht  hatte.  Nach  Thuk.  VI,  100  ist  das  athenische  Heer  zu  dem  Angriffe 
in  3  Theile  getheilt.  •  300  Auserwählte  und  einige  leichte  Truppen  eilen  ngog  ro  imo- 
TfCxiOfia^  von  dem  übrigen  Heere  die  Hälfte  n^os  r^y  tiqXlv  ti  inißofi&oTev,  die  andere 
Hälfte  n^os  to  aravQWf^a  to  na^a  xriv  nvXlöa,  Von  den  300  heisst  es  alsdann  at^ovoi 
ro  QjavQOf/jia,  welches  also  identisch  mit  dem  v7ioj€Cx*>OfAa  ist,  und  wovon  das  atav- 
Qvj/jia  TO  nmga  tr^v  nvlCda  entweder  ganz  verschieden  oder  nur  ein  einzelner  Theil 
ist.  Wenn  aber  das  atavQt^/jia,  das  die  300  nehmen,  als  identisch  mit  dem  vTrortix^Ofut 
gelten  soll,  so  kann  das  nur  so  zu  verstehen  sein,  dass  sich  vor  der  Mauer  eSne  Pa- 
lissade befand,  eben  dieses  acavQiofia,  deren  Eroberung,  wenn  auch  nicht  mit  Noth- 


Erstes  syrakusanisches  Gegenwerk.    Zweites  Gegenwerk  der  Syrakusaner:    391 

wendigkeit,  so  doch  in  diesem  Falle  in  Folge  von  Nachlässigkeit  der  Besatzung  {afn- 
XdSc  (fvXaaaovTttg),  den  Verlust  der  Mauer  selbst,  die  hier  vnojs(x^a[Aa  heisst,  zur 
Folge  hatte;  wie  denn  bei  Thukydides  nach  der  Einnahme  des  üravQmfxa  die  Mauer 
selbst  gar  nicht  erst  erwähnt  wird.  Wenn  nun  die  Mauer  einen  festen  Endpunkt 
hatte ,  und  also  nur  Ton  einer  einzigen  Seite  angegriifen  werden  konnte ,  so  war  ja 
mit  der  Eroberung  der  Palissade  die  Mauer  selbst  noch  nicht  verloren,  sondern  erst 
zu  erstürmen.  Thukydides  hätte  berichten  müssen,  dass  die  Athener  auf  oder  hinter 
sie  kamen ;  er  sagt  aber  nichts  derartiges.  Wir  denken  uns  deshalb  die  Mauer  umgeh- 
bar, und  auf  allen  Seiten,  d.  h.  auf  den  beiden  langen  Seiten  und  auf  der  schmalen 
durch  eine  Palissade  geschützt,  die  bei  einiger  Aufmerksamkeit  leicht  zu  verthcidigen 
war ,  nach  deren  Eroberung  jedoch  die  Mauer  selbst  nur  mit  grosser  Mühe  gehalten 
werden  konnte,  und  die  im  vorliegenden  Falle  von  den  überraschten  Vertheidigem 
zu  schnell  verlassen  wird.  Gerade  das  Mangelhafte  dieser  ersten  Gogenmauer  ist  es 
gewesen ,  was  die  Syrakusaner  bewogen  hat ,  die  letzte  so  zu  bauen ,  dass  es  nicht 
so  leicht  war  sie  zu  umgehen,  und  so  hat  wirklich  die  Mauer  des  Gylippos  den  er- 
warteten Dienst  geleistet.  —  Nun  fragt  sich  noch,  wo  die  nvUs  war.  Sie  kann  sein : 
entweder  eine  Pforte  im  nQoriCytafia  ntQi  xov  TffiEvirrjv,  welches  noch  in  demselben 
Cap-  erwähnt  wird,  oder  eine  in  der  syrakusanischen  Gegenmauer,  durch  welche  die 
nothwendige  Verbindung  der  Palissadenräume  zu  beiden  Seiten  derselben  unter  ein- 
ander hergestellt  wird.  Um  die  Sache  zu  entscheiden,  muss  man  bedenken,  dass  die 
Syrakusaner  in  3  Abtheilungen  getheilt  werden,  und  ebenso  die  Athener  sich  in 
3  Theile  theilen,  welche  also  offenbar  gegen  die  3  Abtheilungen  der  Syrakusaner  zu 
Operiren  bestimmt  sind.  Die  Syrakusaner  sind  theils  xara  axfjvag,  theils  bewachen 
sie  afieldSg  das  aravQWfjta  ^  theils  sind  sie  in  der  Stadt,  die  Athener  rücken  theils 
gegen  das  vnoxUxtoua  oder  flrravpm^a,  theils  gegen  die  Stadt,  theils  gegen  das  ornu- 
QOifAa  to  naga  jrjf  nvXlÖa.  Hiernach  scheint  es  mir  klar,  dass,  wo  die  axrjvai  sind, 
auch  die  nvXJg  ist.  Wenn  man  nun  das  nQonlxiOfm  um  den  Temenites  als  nicht 
zur  Stadt  gerechnet  betrachtete,  so  könnte  man  annehmen,  dass  axtfvcfi  und  nvk^g  in 
diesem  nQot^CyjofAa  gewesen  seien;  doch  ist  das  unwahrscheinlich;  der  Temenites 
wird  mit  zur  Stadt  gerechnet  sein.  Ich  bin  deshalb  der  Ansicht,  dass  die  axrivaC  sich 
südlich  von  der  Gegenmauer  befanden.  So  ist  die  Anordnung  der  Syrakusaner  am> 
verständigsten:  die  Hauptmasse  in  der  Stadt,  eine  grosse  Abtheilung  in  Zelten  im 
Freien  hinter  der  Gegenmauer;  einige  innerhalb  der  Palissaden.  Die  in  und  bei  den 
Zelten  beiipdlichen  konnten  trotz  der  Gegenmauer  von  den  Athenern  gesehen  wer- 
den, weil  diese  sich  in  höherer  Stellung  befanden.  Dann  ist  die  nvUs  in  der  Gegen- 
mauer. In  der  That  muss  ein  Thor  in  derselben  sein,  damit  die  rechts  und  links 
von  derselben  befindlichen  Vertheidiger  bequem  mit  einander  verkehren  und  sich 
gegenseitig  zu  Hülfe  kommen  konnten.  So  war  es  auch  natürlich,  dass  die  Athener 
gerade  gegen  dieses  Thor  einen  besonderen  Theil  ihrer  Macht  dirigirten ;  konnte  scs 
schnell  genommen  werden,  so  waren  die  in  den  Zelten  dahinter  befindlichen  Feinde 
verhindert  schleunigst  auf  die  andere  Seite  der  Mauer  zu  gelangen,  und  der  allge- 
meine Angriff  auf  das  atavQto/Aa  konnte  leichter  gelingen ,  wie  es  denn  auch  in  der 
That  geschah.  Nach  dem  soeben  Entwickelten  schehit  mir  die  grössere  Wahrschein- 
lichkeit denn  auch  für  einen  '^ehr  oberen  Lauf  der  Gegenmauer  zu  sprechen ,  die  ja 
auch  von  der  Temenitesbefestigung  ausging,  w>fttr  der  Beweis  in  dem  Umstände  liegt, 
dass  die  siegreichen  Athener  zusammen  mit  den  fliehenden  Syrakusanem  in  diesen 
Bezirk  eindrangen.  Leake  hat  das  bei  seiner  Ansetzung  der  Gegenmauer  übersehen. 
n)  Zweites  GegenW'^erk  der  Syrakusaner.  Bei  diesem,  das  in  der  Niede- 
rung durch  den  Sumpf  angelegt  wurde ,  ist  es  ebenso  wenig  ersichtlich,  dass  es ,  wie 
Grote  annimmt,  bis  zum  Anapos  reichte,  wo  nach  seiner  Meinung  der  Abschluss  war. 
Dj^  Imperfecta  nTnarav^ovy  und  naqtoQvaaov  (Thuk.  VI,  101)  deuten  vielmehr  an, 


392  Anhang  11.    Topographisches. 

dass,  während  noch  gearbeitet  wordß,  der  Angiiff  del-  Athcftier  geschah.  Bei  der 
ersten  Mauer  war  dagegen,  nachdem  das  Imperf.  hktxiCw  gebraucht  war,  ausdrück- 
lich gesagt  ( c.  99 ) ,  dass  die  Sjrrakusaner  mit  der  Arbeit  inne  hielten.  Sie  hatten 
schwerlich  nOthig,  bis  zum  Anapos  zu  bauen. 

o)  Fortsetzung  der  athenischen  Werke.  Als  die  Athener  auch  das  zweite 
syrakusanlsche  Gegenwerk  genommen  hatten,  unterliessen  sie  den  Weiterbau  der  Nord- 
mauer  nach  dem  Trogilos  und  bauten  nach  SUden  zum  grossen  Hafen  hin  eine  ICaaer, 
die  nur  unmittelbar  am  Hafen  noch  nicht  vollendet  war,  als  Gylippos  ankam.  .  Dass 
die  Mauer  nach  dem  grossen  Hafen  einen  Theii  der  beabsichtigten  Binschliessimgs- 
mauer  ausmachte,  kann  keinem  Zweifel  unterworfen  sein,  und  es  brauchte  nicht  aus- 
drücklich erwähnt  zu  werden,  wenn  nicht  Ullrich  in  seinen  auch  später  noch  zu 
besprechenden  Beiträgen  zur  Kritik  des  Thukydides  3.  Abth.  Hamb.  1852.  S.  23  darüber 
eine  andere  Ansicht  auszusprechen  schiene.  Er  sagt,  die  Athener  machten  ,4eme  von 
dem  eigentlichen  xvxlo^  (Ullrich  fasst  den  uvxXo^  als  Einschliessungsmauer,  nicht  als 
Rundfort  auf)  Jino  tov  xvxkov^  den  Anfang  mit  der  Mauer  von  dem  südlichen  steilen 
Rande  der  AnhOhe  Epipolae  nach  dem  grossen  Hafen.''  Ullrich  hat  hier  Thok.  M, 
101  im  Auge,  und  aUerdings  haben  auch  Andere  die  hier  von  Thukydides  gebrauch- 
ten Worte :  rp  <r  vatigaCtf  ano  rov  xvxXov  hklxi^ov  ol  l4^t  aioi  rbv  XQinnvoy  rot*  vn^ 
TOV  fAoi/f  so  verstanden  (Arnold  und  Grote  VI,  195) :  die  Athener  begannen  in  eini- 
ger Entfernung  von  ihrem  Kreise  den  Felsen  über  dem  Sumpf  zu  befestigen ,  und 
Grote  denkt  sich  die  Sache  so,  dass  Nikias,  ohne  erst  das  Stttck  vom  xvxXos  zum 
Abhang  zu  bauen,  zunächst  den  Abhang  befestigte.  Mir  scheint  das  nicht  nothwen- 
dig;  aber  dabei  ist  doch  xvxlog  als  Rundfort  genommen;  wenn  aber  Ullrich  xnr/oc 
als  Einschliessungsmauer  auffasst  und  doch  die  Mauer  am  Rande  als  „fem  von  der 
Einschliessungsmauer^  laufend,  und  demnach  „nach  dem  grossen  Hafen^  gehend,  wss 
doch  gerade  die  Einschliessungsmauer  erst  recht  thun  mtisste,  betrachtet,  so  sind 
das  innere  Widersprüche.  —  VH,  2  heisst  es  bei  Thuk.  inra  fikv  rj  oxrc»  ara^iw 
^6rj  aTKrttiXtCTO  tots  ^AB^rnva'Coig  ig  rw  /aiyav  kifiiva  JinXovv  relxos,  JiXiiv  xarie  ß^xV 
T«  To  xaja  d-dXaaaav,  d.  h.  die  Mauer  vom  Abhang  bis  zum  Meer  war  7 — 8  Stadien 
lang.  Da  nun  der  Abhang  westlich  vom  Theater  in  gerader  Linie  circa  1500  Meter 
=  7V2  Stad.,  vom  grossen  Hafen  entfernt  ist,  so  muss  man  auch  aus  diesem  Grunde 
annehmen,  dass  hier  die  doppelten  Mauern  gezogen  wurden. 

p)  Dritte  Gegenmauer  der  Syrakusaner.  Die  Ankunft  des  Gylippos 
machte  die  Syrakusaner  wieder  zu  Angreifem.  Sie  erbauten  eine  neue  Gegenmaner. 
Thuk.  Vn,  4  sagt  hierüber :  xal  fitra  Tavra  heix^Cov  ol  Zvgaxoaun  xai  ol  ivptftaxot^ 
dia  rcSv  ^EniTtoXiSv  ano  rrjs  noXiotg  ag^äfiivoi,  avej  tiqos  to  iyxagaiov ,  tki^og  anX^vv. 
Hierbei  ist  nur  das  zunächst  vollkommen  9icher,  dass  diese  Mauer  nördlich  vom 
Rundfort  lief;  im  übrigen  ist  Stoff  zu  manchen  Fragen.  Was  heisst  jfQos  to  iyxa^- 
fffov?  Am  natürlichsten  wäre,  rei^og  zu  ergänzen.  Aber  das  iyxä^atov  rtixog,  die  von 
Thuk.  VI,  99  so  bezeichnete  erste  Gegenmauer  der  Syrakusaner,  war  von  den  Athe- 
nem  niedergerissen  worden  (Thuk.  VI,  100 :  rijv  te  vnoteixiotv  xttd^iXXov) ;  wie  kann 
auf  eine  nicht  mehr  bestehende  Mauer  zu  gebaut  werden?  Femer,  die  erste  Gregen- 
maner  war  von  der  Stadt  aus  gebaut  worden  (ano  t^?  otf^xiQag  noXsutg  a^|icju<n»i 
VI,  99),  wie  kann  die  neue,  welche  die  S3rrakusai}er  wieder  ano  r^g  noXetos  a^£ir,u«vo<, 
von  der  Stadt  aus,  bahien,  7i(fos  t6  iyxuQaiop,  auf  jene  erste  zu  laufen?  VII,  4  steht 
aifoi  dabei,  VI,  99  xarto^sv  tov  xvxXov,  —  Meinshausen  in  der  citirten  Schrift  iS,  10 
ders.  und  auf  der  Karte)  denkt  sich  die  neue  Mauer  so  laufend,  dass  sie  die  Rich- 
tung der  alten,  nicht  mehr  vorhandenen,  schneiden  muss,  was  an  sich  sachlich  nicht 
unpassend  wäre.  Wie  ist  dann  aber  weiter  Thuk.  VII,  7  zu  verstehen,  wo  erzählt 
wird,  dass  die  Syrakusaner  f*^X9*^  ^^^  iyxptgahv  Teix^vg  bauten?  Das  könnte  nur  den 
Sinn  haben,  dass  das  iyxqgtnov  Tclxog,  auf  welches  zu  früher  gebaut  wurde,  jetzt 


Fortsetzung  der  athenischen  Werke.    Dritte  Gegenmauer  der  Syrakusaner.     393 

erreicht  wird.  In  dem  Ausdrucke  fAixQt  t,  e,  r.  ist  aber  offenbar  die  Andeutung  eines 
Endpunktes  gegeben,  nach  dessen  Erreichung  man  nicht  weiter  zu  gehen  braucht. 
Kann  einen  solchen  Endpunkt  aber  die  Biohtungslinie  einer  nichrt  mehr  existirenden 
Mauer  abgeben  ?  Unmöglich  kann  „sie  bauten  bis  zur  Quermauer''  heissen :  sie  bauten  bis 
zu  einem  Punkte,  der  auf  der  Quermauer  gelegen  hätte,  wenn  sie  nicht  zerstört  worden 
wäre.  Man  müsste  denn  schon  die  weitere  Erklärung, von  Meinshausen  (S.  1 1)  annehmen, 
wonach  der  Punkt,  an  welchem  die  neue  Mauer  die  Linie  der  alten  erreicht,  zugleich 
derjenige  ist,  wo  diese  die  projectirte  athenische  Einschliessungsmauer  vom  Trogilos  her, 
für  die  schon  die  Steine  bereit  lagen,  schnitt,  sodass  die  neue  Mauer,  hier  angelangt, 
zwar  nicht  fertig,  aber  doch  nun  durch  die  Benutzung  dieser  Steine  leichter  zu  vollen- 
den war,  und  zwar  gerade  in  der  von  den  Athenern  projectirten  Richtung.  Meins- 
hausen giebt  sodann  auf  seinem  Plane  diese  Vollendung  bis  zum  Trogiloshafeu  als 
seitdem  wirklich  ausgeführt  an ,  und  damit  jväre  dann  allerdings  Syrakus  wohl  ge- 
schützt gewesen.  Nur  schade,  dass  uns  mit  dieser  syrakusanischen  Mauerconstruction 
alle  Hoffnung  abgeschnitten  wird,  für  die  Operationen  des  Demosthenes  auf  Epipolae 
und  besonders  für  seinen  nächtlichen  Sturm  eine  vernünftige  Erklärung  zu  finden! 
Nach  Meinshausen  hat  Gylippos  einfach  einen  grossen  Theil  von  Epipolae  in  der  Ge- 
gend von  Tyche  durch  eine  neue,  der  alten  parallele,  Mauer  eingeschlossen.  Nun 
besteht  aber  die  Bedeutung  der  Unternehmung  des  Demosthenes  gegen  Epipolae  darin, 
dass  er  durch  diesen  nächtlichen  Marsch  die  Befestigungen  der  Syrakusaner,  die  von 
vom  nicht  zu  erstürmen  waren,  umging.  Eine  solche  Umgehung  ist  aber  bei  der  Meins- 
hau8en*schen  Mauer  unmöglich ;  denn  sie  schliesst  überall  ab,  und  man  kann  nicht  hinter 
sie  kommen,  ohne  sie  zu  übersteigen.  Somit;  (UUt  also  die  Erklärung  von  n^os  ro  iyxaQ- 
aiöv  und  f^ixQ''  '•  ^*  ^*  ^^  ^^^  ^^^  Meinshausen  gewünschten  Sinne  als  unmöglich  in  sich 
zusammen,  weil  sie  den  Zug  des  Demosthenes  unverständlich  macht.  —  Serradifalco 
lässt  auf  seinem  hierhergehörigen  Plan  (tav.  II)  ebenfalls  die  dritte  syrakusanische 
Gegenmauer  auf  die  erste  zu  laufen,  deren  Linien,  wenn  sie  sich  träfen,  sich  in  einem 
spitzen  Winkel  schneiden  würden;  aber  man  sieht  nicht,  was  ein  solches  Bauwerk 
nützen  könnte,  selbst  für  den  Fall,  dass  die  erste  Quermauer  noch  ezistirt  hätte, 
was  aber  nicht  der  Fall  war.  Auf  diese  Weise  kommt  man  also  zu  keinem  befrie- 
digenden Resultate.  —  Einen  anderen  Weg  hat  in  seiner  erwähnten  Abhandlung 
Ullrich  eingeschlagen.  Er  liest  statt  ano  tijg  noXfios'  «no  rijg  noXftas,  fern  von  der 
Stadt,  und  erklärt :  „nach  diesem  nun  zogen  die  Syrakusaner  mit  ihren  Bundesgenossen 
durch  Epipolae,  fem  von  der  Stadt  anfangend,  auf  die  Quermauer  zu  eine  einfache 
Mauer"  (S.  26).  Es  ist  allerdings  auffallend,  dass  während  VI,  99  ano  r^c  otptiiQaq 
7t6kf(og  und  VI,  101  ä(i^iifievoi.  ano  r^;  noXetog  nothwendig  heissen :  bei  der  Stadt 
beginnend,  jetzt  dieselbe  Redensart ,  mit  verändertem  Accent,  das  Gegentheil  bedeu- 
ten soll :  fern  von  der  Stadt  beginnend.  Aber  unmöglich  ist  es  nicht,  und  es  steht 
ja  -  auch  ärto  dabei ,  was  freilich  auch :  nach  oben  heissen  kann.  Die  Ullrich'sche 
Construction  ist  für  die  Zwecke  der  Belagerung  sehr  passend ,  ihr  Resulü^t  ist  eine 
Mauer,  wie  sie  später  bei  dem  Sturm  des  Demosthenes  als  vorhanden  gedacht  werden 
muss.  Es  kann  auch  das  nicht  als  ein  Hindemiss  gegen  diese  Ansicht  betrachtet 
werden,  dass  Gylippos  dann  gewissermassen  auf  freiem  Felde  seinen  Mauerbau  an- 
fängt, also  an  einer  ungeschützten  Stelle,  welche  die  Athener  jederzeit  überfallen 
konnten.  Die  Athener  waren  offenbar  damals  schon  so  eingeschüchtert,  dass  sie  der- 
gleichen Angriffe  nicht  mehr  zu  unternehmen  wagten.  Wie  steht  es  nun  aber  mit 
den  Worten  nQog  ro  lyxuQOiov  und  fi^XQ*^  ^^^  lynagaCov  rtfyovg.  Ullrich  sagt  hierüber 
S.  26 :  .,Diese  neue  Quermauer  wurde  damals  also  von  den  Syrakusanern  durch  Epi- 
polae hin  auf  die  Stadt  zu  gebaut ,  ziemlich  im  der  Richtung  von  Nordwesten  nach 
Südosten,  und  zwar  auf  das  frühere  iyxaQaiov  ruxog  zu,  welches  somit  von  den 
Athenern  nicht  gänzlich  kann  zerstört  worden  sein.  Eigentlich  war  daher  diese  neue 


394  Anhang  II.  Topographisches. 

Qaermauer  die  Wiederholung  der  früheren,  nar  in  grösserer  Ausdehnung  ausgeführt 
and  von  der  entgegengesetzten  Seite  ans  angefangen.  Hatte  dieselbe  ihren  Zielpankt, 
das  Ende  des  früher  von  der  Stadt  aus  in  der  Richtung  nach  Epipolae  hin  erbauieB 
iyx.  T.  erreicht,  so  wurde  dieses  sodann  natürlich  seiner  ganzen  Länge  nach  bis  zur 
Stadt  wiederhergestellt.  Die  neue  Querm^uer  lehnte  sich  wohl  ohne  Frage  an  die 
Befestigungen ,  welche  auf  Epipolae  waren ,  und  verband  diese  wichtige  Anhöhe  mit 
der  Stadt ,  schützte  ebensowohl  Epipolae  wie  S3Takus  und  schloss  die  Athener  von 
dem  Hafen  Trogilos  und  überhaupt  von  der  ganzen  nördlichen  Umgebung  vollkommen 
ab."  Hier  sind  Widersprüche,  ganz  abgesehen  davon,  dass  nach  VI,  100  das  erste 
(yx.T.  von  den  Athenern  allerdings  zerstört  war.  Diese  erste  Quermauer  war  nämlieh 
von  der  Stadt  aus  über  die  athenische  Einschliessungslinie  hinaus  geführt  worden, 
weshalb  sie  ja  eben  von  den  Athenern  genommen  werden  musste.  Wenn  nun  die 
neue,  nach  Ullrich  von  der  Höhe  von  Epipolae  aus  erbaute  Mauer,  das  westliche  Ende 
der  ersten  Quermauer  erreichen  sollte ,  worauf  dann  diese  „in  ihrer  ganzen  Länge" 
(Ullrich)  wiederhergestellt  werden  musste,  so  kam  sie  nicht  bei  der  athenischen  Mauer 
vorbei,  deren  Linie  sie  vielmehr  erst  auf  der  wiederherzustellenden  Strecke  der  alten 
Mauer  schnitt.  In  Wirklichkeit  aber  geschah  gerade  das  entgegengesetzte.  Die  871a- 
kusaner,  welche  nach  Ulhich  von  Epipolae  aus  bauen ,  kommen  zuerst  bei  der  athe- 
nischen Mauer  vorbei  (VII,  6:  (tf&aaav  naQoixüdo/a^aavrf;:)  und  gelangen  erst  später 
(VII,  7)  zum  fyxa^ioy  tuxog,  also  zu  einem  Punkte,  der-  nach  der  Ullrich'scheii  An- 
nahme östlich  von  der  athenischen  Mauerlinie  sein  würde,  während  in  Wirklichkeit 
die  erste  Quermauer  westlieh  von  jener  Mauerlinie  geendigt  hatte.  Es  kann  also  von 
einem  Herstellen  des  ersten  iyx.  r.  „seiner  ganzen  LSnge  nach"  nicht  die  Rede  sein. 
Da  nun  so  die  von  Ullrich  selbst  gemachten  Voraussetzungen  nicht  zutreffen,  so  lasst 
sich  seine  Erklärung  nicht  halten.  Und  unter  allen  Umständen  scheitert  die  Annalnzh? 
eines  Baues  von  Epipolae  her  auf  die  erste  Quermauer  zu  an  den  Worten  /i^ 
Tov  iyxagalov  nix^v^*  Sollen  diese  bedeuten:  bis  zu  der  nicht  mehr  existirenden 
Qnermauer,  so  ist  das  unpassend,  weil  so  kein  Endpunkt  entsteht;  sollen  sie  aber 
bedeuten :  bis  zu  dem  noch  existirenden  Stücke  der  alten  Quermauer,  so  widerspricht 
das  Thuk.  VI,  100,  wonach  diese  von  den  Athenern  zerstört  worden  ist.  Wer  wirü 
auch  glauben,  dass  die  Athener,  wenn  sie  das  gefahrliche  Werk  ganz  vernichten 
konnten,  es  nicht  gethan  haben  sollten? 

Es  scheint  mir  daher  nichts  anderes  übrig  zu  bleiben,  als  die  Worte  nQog  ro 
iyxttQaiov  VII,  4  und  iti^ZQ*  ''^^  iyxagaiov  rHxovg  VII,  7,  wenn  es  möglich  ist,  anders 
zu  erklären.  Das  ist  in  der  erstgenannten  Stelle  nicht  schwer,  wo  wir  mit  Am<^d 
u.  A.  annehmen  können,  dass  n^oq  to  iyxaqaiov  einfeuA  bedeute,  in  die  Qneie> 
Schwieriger  aber  wird  es,  für  die  zweite  Stelle  eine  passende  Deutung  zu  finden.  Da 
hier  nixovg  dabei  steht,  ist  an  eine  bloss  adverbiale  Bedeutung  nicht  zu  denken.  Es 
ist  von  einer  Quermauer  jedenfalls  die  Rede;  da  es  die  erste  nicht  sein  kann,  so 
wäre  vielleicht  an  die  bei  Thuk.  VII,  4  erwähnte  zu  denken.  Mit  andern  Worten, 
man  könnte  die  gewöhnlich  für  eine  in  derselben  Richtung^  fortgehende  Mauer  gehal- 
tene in  VII,  4  und  7  erwähnte  in  zwei  verschiedene  Mauern  sondern.  Das  hat  Orot« 
S.  700.  707  gethan.  Zuerst  wird  von  der  Stadt  ans  n^hg  tB  iyxuQfftov,  in  die  Quere, 
nach  Westen*  gebaut.  Als  dann  aber  Hülfstruppen  gekommen  sind,  wird  an  dem 
entgegengesetzten  Ende ,  im  Westen ,  der  Bau  begonnen ,  um  nach  Osten  weiter  ge- 
führt zu  werden  und  der  im  Osten  begonnenen  Quermauer  ^u  begegnen.  Hierbei  setzt 
Grote  voraus,  dass  als  man  im  Westen  begann,  das  VII,  43  erwähnte  reix^afia  auf 
Epipolae ,  welches  Demosthenes  erobert,  und  ein  besonderes  Fort  war,  bereits  bestand, 
und  dass  die  Mauer,  welche  nun  von  da  nach  Osten  gezogen  wird,  das  VII,  42.  4.1 
erwähnte  na^anCxtofAa  ist.  Als  Resultat  haben  wir  bei  Grote  wieder  dieselbe  höchst 
passende  Mauer,  die  wir  schon  bei  Ullrich  fanden  und  als  einzig  richtig  bezeichnen 


*    Dritte  Gegenmauer.  Forts  auf  Plemmyrion.  Letztes  Lager  der  Athener.        395 

mossten,  und  ein  Vorzug  der  Grote'schen  Erklärung  vor  der  Ullrich'schen  liegt  darin, 
tlass  die  Worte  (^^XQ^  ^^^  fyxagaiov  nt/ov^  jetzt  eine  gute  Erklärung  zulassen.  Aber 
68  sind  andere  Schwierigkeiten  vorhanden,  die  theils  in  den  Worten  des  Thukydides, 
theils  in  den  SachverhKltnissen  liegen.  Zunächst  können  schwerlich  die  Worte  des 
Thukydides  VIT,  7  von  einem  Baue  gedeutet  werden,  der  plötzlich  am  entgegenge- 
setzten Ende  beginnt.  VII,  6  ist  noch  die  Rede  von  einem' Baue  von  Ost  nach  West;  * 
wie  sollen  die  Worte  ^vpftt^x^aav  to  Xoinov  mit  einem  Male  bedeuten,  dass  zwar 
dieselbe  Strecke|,  aber  in  entgegengesetzter  Richtung  bebaut  wird?  Der  Ausdruck  ro 
loinoy  lässt  im  Gegentheil  auf  eine  Fortsetzung  in  derselben  Richtung  schliessen; 
sollte  dieser  Gedanke  ausgeschlossen  werben,  so  hätte  hier  etwas  stehen  müssen  wie 
oQ^dfAitoi  avio  oder  ähnliches.  Kurz ,  ein  Wechsel  der  Richtung  ist  von  Thukydides 
auch  nicht  entfernt  angedeutet.  Was  aber  die  Sache  selbst  anbetrifft,  so  muss  man 
fragen,  was  in  aller  Welt  hätte  denn  die  Syrakusaner  bewegen  können,  statt  an  dem 
begonnenen  Werke  weiter  zu  bauen,  es  plötzlich  zu  unterbrechen,  um  von  der  ent^ 
gegengesetzten  Seite  her  zu  beginnen?  Wenn  auch  die  syrakusanische  Quermauer 
schon  bei  den  athenischen  Werken  vorbeigekommen  war,  so  blieb  doch  den  Athenern 
wenigstens  noch  die  Möglichkeit,  durch  einen  grösseren  Bogen  dies  vorgeschobene 
Werk  zu  umgehen.  Wenn  also  die  Syrakusaner  es  überhaupt  für  nothwendig  hielten, 
diese  Quermauer  bis  auf  die  Spitze  von  Epipolae  zu  führen,  weshalb  sollten  sie  oben 
neu  anfangen  und  sie  gerade  da ,  wo  sie  überhaupt  am  meisten  nützte  und  am  mei- 
sten der  Verlängerung  bedurfte ,  ruhen  lassen.  Bauten  sie  dagegen  einfach  fort,  so 
erreichten  «ie  ihren  Zweck  am  besten,  und  mit  jedem  Fuss  Mauer,  den  sie  mehr 
bauten,  erschwerten  sie  den  Athenern  ihre  Aufgabe  mehr.  Daher  pcheint  es  mir  un- 
möglich, Grote's  Erklärung  anzunehmen.  Nun  sind  aber  auch  alle  Möglichkeiten,  die 
Stelle  zu  erklären,  erschöpft,  und  wir  müssen  voraussetzen,  dass  im  Texte  des  Thu- 
kydides :  ^w(Tt£x'^0ttV  TO-  Xoinov  roig  2v^xoa(ois  fxixQ'-  ^^^  fyxaQfsiov  lei^ovs  ein 
Fehler  vorhanden  ist.  Es  wird  aber  alles  einfach  und  klar,  wenn  ufyQi  gestrichen 
wird,  das  leicht  wegen  ded  falsch  verstandenen  n^os  to  iyxaQCiov  in  VII,  4  als  schein- 
bar nothwendige  Verbesserung  in  den  Text  gekommen  sein  kann.  Dann  heisst  es : 
Svv{r€£xtaav  rb  Xomov  roTg  SvQaxoaloig  rov  iyxaQa£ov  xiCxovg^  d.  h.  sie  halfen  den  - 
Syrakusanem  die  noch  übrige  Strecke  der  Quermauer  zu  bauen.  Jetzt  ist  alles  ein- 
fach. VII,  4  beginnen  die  Syrakusaner  eine  Quermauer,  VII,  5  bauen  sie  daran  weiter, 
wie  Thukyd.  sagt:  6w  tiop  *EntnoXtöv ,  was  gegen  Ullrich  hervorgehoben  werden 
muss ,  der  S.  27  meint ,  .von  der  Stadt  aus  wäre  eine  sehr  bedeutende  Strecke  nach 
Epipolae  zurückzulegen  gewesen,  während  doch  Epipolae  da  begann,  wo  Neapolis 
und  Tyche  aufhörten ;  VII,  6  kommt  die  Mauer  bei  der  athenischen  vorbei ;  VII,  7 
endlich  wird  der  Rest,  d.  h.  bis  auf  die  Spitze  von  Epipolae  hinauf,  gebaut.  —  Im 
Uebrigen  nehme  ich  die  Bestimmungen  Grote's  über  die  Befestigungen  auf  Epipolae 
selbst,  gerne  an. 

.  q)  Athenische  Forts  auf  Plemmyrion.  Hierüber  berichtet  Thuk.  VII,  4. 
Auf  die  Aehnlichkeit  mit  der  Belagerung  Toulon's  hat  Niebuhr  aufmerksam  gemacht. 
r)  Letztes  Lager  der  Athener  und  Kämpfe  daselbst.  Als  die  Athener 
den  Lagerplatz  am  Plemmyrion  aufgeben  mussten,  waren  sie  wieder  auf  den  zwischen 
ihren  doppelten  Mauern  bei  Syrakus  selbst  in  dem  Sumpfe  Lysimeleia  belegenen  be- 
schränkt. Dass  sie  hier  und  nicht  anderswo  am  grossen  Hafen  sich  aufhielten,  wie 
manche  geglaubt  haben  ~  noch  Letronne  und  Göller  setzen  das  letzte  Lager  der 
Athener  an  die  von  ihnen  Daskon  genannte  Bucht  —  ergiebt  sich  aus  mehreren 
Stellen  des  Thukydides.  VII,  37  sind  sie  natürlich  noch  in  der  Stellung  zwischen 
den  Doppelmauem ,  da  sie  von  zwei  Seiten  angegriffen  werden ,  von  der  Stadt  und 
von  dem'Olympieion  her.  VII,  46  erfahren  wir  femer,  dass  der  Ort,  wo  die  Athener 
lagern,  sumpfig  ist:  das  ist  eben  die  Gegend  nördlich  vom  Anapos.    Die  einzige  Ver- 


396  Anhang  IL    Topographisches. 

Sndening  in  der  Aufstellung  der  Athener  wird  VII,  60  erwähnt.  Vor  der'  entschei- 
denden Seeschlacht  beschliessen  sie  rä  fiiv  nixri  tot  avu  (xlmetp,  nghs  <f  avTaTg 
taig  vavalv  anokaßovnq  ^laretxfct/jiaTi  oaov  olov  t*  Ha^Kfrov  roig  re  axev€üt.  xal  tois 
aaSfvovifuf  Ixavov  y^via^ai^  tovto  filv  ifQovqiTv  xtX,  Das  heisst:  sie  geben  den  obe- 
ren Theil  des  Raumes  zwischen  den  Doppelmauem  auf  und  benutzen  nur  den  unter- 
sten am  Hafen  gelegenen.  Endlich  sehen  wir  zum  Ueberflusse  noch  aus  VIl,  78,  dass 
die  Athener  auf  ihrem  Rückzuge  einmal  den  Anapos  überschreiten  müssen.  Da  sie 
sich  nun  auf  diesem  Rü6kzuge  nach  Süden  bewegen,  so  muss  ihr  letztes  Lager  nörd- 
lich vom  Anapos  gewesen  sein.  —  Wir  haben  nun  die  Aufgabe,  den  von  Thuk.  VII, 
53  beschriebenen  Kampf  topographisch  zu  erläutern.  Es  findet  zu  gleicher  Zeit  eine 
Seeschlacht  statt,  in  welcher  Eurymedon,  der  Befehlshaber  des  rechten  athenischen 
Flügels,  getödtet  wird  und  alle  athenischen  Schiffe  an's  Land  getrieben  werden,  und 
ein  Angriff  auf  die  athenischen  Mauern.  Als  nun  Gylippos  sieht,  dass  viele  athe- 
nische Schiffe  ausserhalb  das  athenischen  Lagers  an's  Land  getrieben  werden,  wünscht 
er  zugleich  die  an's  Land  Gestiegenen  zu  vernichten,  und  die  athenischen  Schiffe  zu 
erobern ,  was  leichter  geschehen  konnte ,  wenn  an  der  Stelle  des  Ufers ,  wo  das  be- 
treffende Schiff  strandete,  Syrakusaner  standen  (r^^  yfjQ  mXCag  ovari^) ,  und  begab 
sich  zu  diesem  Behufe  mit  einem  Theile  seines  Heeres  auf  tV  Xl^V^'  Was  und  wo 
ist  diese  /17A1)'?  Letronne,  der  ohne  Grund  das  athenische  Lager  in  den  innersten 
Winkel  der  sogenannten  Bucht  Daskon  verlegt,  versteht  unter  der  x^^V  o^&  ^^ 
Punta  Caderini  und  lässt  die  Syrakusaner  von  hier ,  besiegt ,  durch  den  Anapos  in 
den  Sumpf  Lysimeleia  getrieben  werden  (Letr.  p.  72  ff.).  G((ller  (p.  76)  und  Serra- 
difalco  (IV,  p.  84)  stimmen  ihm  bei.  Nun  ist  es  erstens  ein  ganz  gewaltiger  Sieg, 
wenn  die  Athener  die  Syrakusaner  nicht  bloss  in  den  Fluss  treiben,  sondern  noch 
weiter  in  den  dahinter  liegenden  Sumpf  verfolgen;  und  sodann  fällt  die  ganze  An- 
setzung  in  sich  zusammen ,  sobald  es  feststeht,  dass  das  athenische  Lager  nicht  süd- 
lich vom  Anapos,  sondern  vielmehr  nördlich  von  demselben  war.  Grote  IV,  244 
spricht  sich  über  die  xi^V  nicht  genauer  aus.  Schubring  nimmt  auf  seiner  Karte  zur 
Abhandlung  Achradina  und  S.  24  derselben  xv^ij  als  den  Hafendamm,  den  Molo,  der 
'den  syrakusanischen  Kriegshafen  im  grossen  Hafen  nach  dem  Sumpfe  Lysimeleia  zu 
abschloss.  Dann  scheint  mir  aber  weder  die  Aufstellung  der  Syrakusaner  daselbst, 
noch  ihre  Verjagung  in  die  Lysimeleia  erklärlich.  Wenn  ein  solcher  Damm  doH  vor- 
handen war,  so  war  er  dem  athenischen  Hafen  so  nahe,  dass  die  athenischen  Schiffe, 
die  in  seine  Nähe  geriethen ,  auch  in  ihren  Eükfen  einlaufen  konnten ,  und  wenn  6y- 
lippos  dort  stand  und  von  den  Tyrrhenern  besiegt  wurde,  so  konnte  er  sich  in  die 
Stadt  zurückziehen,  ward  aber  nicht  in  den  vielmehr  vor  als  .hinter  ihm  befindlichen 
Sumpf  getrieben.  Mir  scheint  ein  Hineintreiben  von  der  xv^ii  in  den  Sumpf  nur  unter 
einer  Voraussetzung  erklärlich.  Die  xv^V  darf  nicht  ein  in's  Meer  hinausragender 
Molo  oder  eine  Landspitze  sein.  Von  dieser  würden  die  Syratkusaner  durch  heran- 
rückende Feinde  stets  nicht  in  den  Sumpf  am  Lande,  sondern  nur  in  das  Meer  ge- 
worfen werden  können.  Es  muss  ein  Damm  sein ,  welcher  auf  der  einen  Seite  den 
Sumpf,  auf  der  anderen  da^  Meer  hat.  Unter  dieser  Votaussetzung  denke  ich  mir 
die  Sache  folgendermassen.  Das  athenische  Lager  befand  sich  im  Sumpfe  (Thuk. 
VII,  46),  aber  es  umfasste  nicht  den  ganzen  Sumpf,  der  vielmehr  nach  Westen  noch 
über  das  Lager  hinausging.  Dieser  Sumpf  war  aber  vom  Meere  durch  einen  Damm 
geschieden,  auch  in  seinem  ausserhalb  des  athenischen  Lagers  befindlichen  Theile. 
Diesen  Damm  suchen  nun,  westlich  vom  athenischen  Lager,  die  Syrakusaner  eiligst 
zu  besetzen,  um  die  gerade  hier  an's  Land  getriebenen  Schiffe  mit  ihrer  Mannschaft 
erobern  und  vernichten  zu  können.  Da  werfen  sich  ihnen  von  Osten  her,  aus  dem 
athenischen  Lager  heraus,  die  Tyrrhener  entgegen,  und  es  gelingt  denselben  die 
Feinde  zurückzudrängen.    Die  vordersten  Syrakusaner,  von  den  Tyrrhenern  zurück- 


Letztes  Lager  der  Athener  und  Kämpfe  daselbst.    Heraklestempel.    Rückzug.    397 

getrieben,  können  auf  dem  Damme  nicht  nach  Westen  fliehen,  da  ihre  Landsleute 
hinter  ihnen  stehen  und  noch  nach  Yome  drängen.  So  bleibt  ihnen  nur  Meer  oder 
Sumpf  zur  Flucht.  In's  Meer  können  sie  schon  deswegen  nicht ,  weil  da  die  atheni- 
schen Schiffe  sind,  welche  sie  «nehmen  wollten;  ^o  müssen  sie  sich  in  den  Sumpf 
werfen.  So  geht  es  den  ersten:  n^osmacvreg  xolg  ngcirotg  r^inovai  xal  isßdllovaiv 
h  tfiy  XC(Avrj[v  rriv  AvaifAiktiav  xalov/Aivtiy.  Nun  entsteht  eine  förmliche  Sohlacht, 
von  beiden  Seiten  kommt  Hülfe  herbei,  und  die  Athener  siegen.  Jetzt  heisst  eü 
nicht  weiter  bei  Thukydides,  dass  noch  Syrakusaner  in  den  Sumpf  getrieben  worden 
wären ;  als  die  erste  Stockung  im  Andringen  der'Syrakusaner  einmal  aufgehört  hatte, 
spielt  der  Sumpf  weiter  keine  Rolle  mehr.  --  Dass  ich  den  Damm  westlich  vom  athe- 
nischen Lager  gesetzt  habe ,  bedarf  wohl  keiner  Erklärung  mehr.  Es  handelte  sich 
um  die  Rettung  der  Schiffe,  die  ja  grösstentheils  nach  Süden  zu  in  Gefahr  sehwebten. 
Im  Osten  vom  athenischen  Lager  war  der  syrakusanische  Hafen  schon  nicht  mehr 
fem ,  und  die  athenischen  Schiffe  vwerden  sich  schwerlich  besonders  in  diese  gefähr- 
liche Nähe  gezogen  haben. 

s)  Heraklestempel.  Er  kommt  vor  Plut.  Nik.  24:  tov  J^  lomov  o/loy  farrjas 
naga  trjp  d'uXaaaav  6  Nix£ag,  ixXinatv  rb  fiäya  argaTomdov  xa\  rä  t^Cx^  "^^  awanrovra 
TiQog  To  'H^axXuov^  Seltsamer  Weise  setzt  man  ihn  fast  bis  auf  die  neueste  Zeit  an 
die  sogenannte  Daskonbucht  an  die  Stelle  der  modernen  Kirche  S.  Maria  Maddalena. 
So  schon  Mirabella  unter  No.  94 ,  der  dann  unter  No.  144  noch  einen  andern  Hera- 
klestempel annimmt.  Hierüber  verhöhnt  ihn  Bonanni  145  ff.  und  hält  an  dem  einen 
Heraklestempel  an  dem  sogenannten  Daskon  fest.  Seitdem  i^t  das  gebräuchlich  ge- 
blieben; siehe  Letronne  auf  der  Karte  und  S.  69,  Göller  74.  75,  bei  dem  man  recht 
die  Macht  der  Gewohnheit  erkennt  Man  nahm  nämlich  fälschlich  an,  die  Athener 
hätten  ihr  letztes  Lager  am  Daskon  gehabt  und  setzte  deshalb  den  Heraklestempel 
dahin,  und  Göller  sagt  p.  75  geradezu,  dass  Thukydides  „postremo  ab  Atheniensibus 
Dasconem  occupatum  scribit,  eorumque  ultimum  refugium  fuisse^  ganz  nach  Letronne 
71,  obschon  Thukydides  kein  Wort  davon  sagt.  Noch  Serradifalco  hat  den  Herakles- 
tempel am  Daskon;  bei  Grote  ist  er  endlich  verschwunden,  und  auch  Kiepert  hat 
ihn  nicht  mehr. 


2. 
Der  Bückzug  der  Athener  anter  Nikias  und  Demosthenes. 

a)  Von  unsem  drei  Quellen  enthält  am  wenigsten  darüber  Plutarch  in  seinem 
Nikias  26.  27 ;  etwas  mehr  Diod.  XIII,  18.  19 ;  die  Hauptquelle  aber  ist  Thukyd.  VII, 
75—87.  Diodor  steht,  wie  wir  sehen  werden,  in  einem  Hauptpunkte  im  Widerspruch 
mit  dem  richtig  erklärten  Thukydides,  dessen  Zeugniss  nach  dem  oben  Bemerkten 
allein  anzunehmen  ist,  und  den  Diodor  einfach  missverstanden  hat. 

b)  Ausgangspunkt  des  Rückzuges  ist  das  letzte  Lager  der  Athener;  das 
war  aber,  wie  wir  gezeigt  haben  (S.  395),  in  den  Sümpfen  nördlich  vom  Anapos,  am 
Hafen,  zwischen  demselben  und  der  Höhe  der  syrakusanischen  Epipolae. 

c)  Ziel  und  Richtung  des  Marsches.  Diod.  XIII,  18  sagt  darüber  ngo^oav 
inl  Xaravris,  und  da  Plutarch  nichts  darüber  sagt  und  Thukydides,  wie  wir  sogleich 
sehen  werden,  leicht  auch  in  diesem  Sinne  verstanden  werden  kann,  wenn  man  einige 
Worte  unrichtig  erklärt,  so  haben  manche  die  Ansicht  Diodor's  angenommen,  und 
Grote  sagt  z.  B.  IV,  260:  „Sie  sahen  nun  deutlich,  dass  der  Weg,  den  sie  sich  ur- 
sprünglich vorgenommen ,  über  den  akräischen  Felsen  in  die  sikelischen  inneren  Ge- 
genden, und  von  da  nach  Katana,  unausführbar  geworden  war.''    Aber  Diodor's  An- 


398  Anhang  II.    Topograpliisches. 

sieht  ist  folsch;  die  Athener  wollten  nicht  nach  Katane.  Jene  Ansicht  ist  entnommen 
aus  folgender  Stelle  des  Thukydides,  die,  richtig  erklärt,  gerade  das  Gegentheil  be- 
weist.   Thukyd.  sagt  VII,  80 :  i}v  rf^  jJ  ^vfjtnaaa  o^og  attij  ovm  inl  Kntmijg  Tip  otqu- 
rtvfimt,   ttkka  xara   to  He^v  fjt^Qog  rijg  2txMag  to  nQog  Kafiagiyar  xal  nicar  xal 
Tag  TavTTf  noleig  xal  ^EXXtjyiSag  xal  ßoQßtcQovg.    Allerdings  macht  Thokydides  diese 
Bemerkung  erst,  als  er  bereits  gesagt,  dass  der  athenische  Feldherr  beschloss,  abzu- 
marschiren,  ^rixiTt  ttiv  «vt^  666vf  r^  ^ifvotj&ijaav  aila  TovvavTiov  ^  oc  Jfi/^axoato« 
hr^Qow  TiQog  rrjv  ^alaaaap ,  nachdem  nämlich  die  Athener  vom  'JlxQixioy  X^nag  zu- 
rückgewiesen worden  waren;  aber  die  Bemerkung  des  Thukydides  bedeutet  nicht, 
dass  die  Athener  anfangs ,  als  sie  auf  das  *AxQaTov  Xinag  zu  marschirten ,  nach  Ka- 
tane gehen  wollten;    sie  bedeutet  vielmehr,  dass  sie  schon  damals,   als  sie  ihren 
Weg  auf  das  ^Axq.  Unag  zu  nahmen,  nicht  nach  Katane,   sondern  nach  Kama- 
rina  u.  s.  w.  marschirten  und  dasselbe  Ziel  jetzt  nur  auf  einem  andern  Wege  erreichen 
wollten.    Dass  dem  so  ist,  beweist  1)  der  Ausdruck  j^vfinaca.  666g  avTii,  der  den 
ganzen  Rückzug  zusammenj^st,  imd  sowohl  t^v  avzriv  6d6v  des  vorhergehenden,  wie 
das  dann  genannte  xovvavr(ov  in  sich  schliesst.  Das  Wort  ^vfinaaa  hätte  sonst  keinen 
Sinn.    2)  Die  Oeschichte  des  gesammten  Zuges  selbst,  w^che  lehrt,  dass  die  atheni- 
schen Feldherren  Hülfe  im  Südwesten,  besonders  von  den  Sikelem  erwarteten,   und 
speciell  die  Bemerkung  des  Tbuk.  YII,  80,  sie  wollten,  am  Kakyparis  angekommen. 
naQtt  Toy  noTa^6v   dia  (Aiooyiiag  gehen,   ^XthCov  yaq  xal  Tovg  2^ixeXovg  ravT^,    org 
fttTiniftipttVTOf  anavTiiis€<j&ttt,   Diese  Bemerkung  wird  gemacht,  als  die  Athener  eben 
in  der  Nacht  den  Marsch  über  den  akrätschen  Fels  aufgegeben  haben.    Da  war  noch 
keine  Zeit  gewesen,  zu  den  Sikelern  zu  schicken  und  sie  zu  bitten,  am  Kak3rpari9 
ihnen  entgegenzukommen.    Wenn  sie  die  Sikeler'an  den  Kakyparis  bestellt  hatten. 
so  musste  dies  vorher  geschehen  sein,  sonst  konnte  man  keine  Hoffnung  auf  'Krfoig 
hegen.    In  der  That  kamen  sie  noph  an  demselben  Tage  am  Kakyparis  an ,  den  sie 
allerdings,  der  syrakusanischen  Posten  wegen,  nicht  aufwärts  verfolgten;  somit  konnte 
eine  Sendung  zum  Zwecke  der  Begegnung  mit  den  Sikelern  an  diesem  Flusse ,  erst 
in  der  Nacht  ausgeführt,  einige  Stunden  bevor  sie  selbst  den  Fluss  erreichten,    un- 
möglich etwas  nützen.    Es  folgt  hieraus,  dass  sie  schon  vorher  die  Sikeler  an  den 
Kakjrpäris,  d.  h.  an  den  oberen  Theil  desselben,  bestellt  hatten,  und  dies   beweist 
deutlich,  dass  sie  gleich  anfangs  beabsichtigten,  nach  Südwesten  hin  abzuziehen  und 
nicht  nach  Katane.    3)  wird  dies  bestätigt  durch  die  Worte  des  Nikias  in  der  Er- 
munterungärede  an  die  Athener,  Thuk.  YII,  77:    xal  rj^  avulaßiofi^&a   rov  tfilüH^ 
XfOQiov   Tütv  Sixddiv  (ovToi  yäQ  tifxlv  6tä  to  Zv^axoa(<av  Slog  fri  ßfßaitC  €taiv)^    ^^^ 
vo^lCtTS  iv   t4»  fx^9^  tlvai'  nQonlnifinTai  J*  tag  avxovg^  xal  anavTav  ft^tifM.ipor   x«fl 
aiTla  aXXa  xo^i^Hv,  Hier  ist  erstens  bemerkenswerth,  dass  von  Katane  gar  nicht  die 
Rede  ist,  sondern  nur  von  Sikelem,  deren  Orte  *zu  erreichen  seien,  und  zweitens 
haben  wir  hier  gerade  jene  Sendung  zu  den  Sikelem,  anavtav  ttqrifiivov,  deren  Er- 
füllung, ttnavTTjata&ai ,  YII,  80  am  Kakyparis  erwartet  wird.    Es  ist  also  erwiesen. 
dass  der  Rückzug  nach  Thukydides  nie  auf  Katane  gerichtet  war,  und  dass  Diodors 
Behauptung,  das  sei  anfangs  der  Fall  gewesen,   auf  einem  Inihum  beruht,  dessen 
Grund  in  mangelndem  Yerständniss  des  Thukydides  zu  suchen  ist.  Diodor^e  inl  Km- 
Tavfig  ist  dem  inl  Kaxavr^g  des  Thukydides  entnommen.  Endlich  aber  kann  man  noch 
aus  der  Gestaltung  des  Terrains  nachweisen,  dass  die  Athener  so  ziehen  mussten,  wie 
sie  gezogen  sind.    Seit  der  Seeweg  abgeschnitten  war,  war  eigentlich  keine  Aassicht 
für  sie  vorhanden,  nach  Katane  zu  gelangen.  Waren  sie  erst  einmal  am  megarischec 
Meerbusen  angekommen,  so  war  die  Sache  freilich  nicht  mehr  übermässig  scfa-vrer. 
Aber  wie  dahin  gelangen?  Ueber  Epipolae  und  Belvedere  war  es  unmöglich;  es  blieli 
das  Thymbrisgebirge  (Crimiti)  und  die  Senkung  zwischen  Grimiti  und  Belvedere. 
Quer  durch  das  Thymbrisgebirge  zu  ziehen,  war  mit  einem  Heere  nicht  thunlich,    mHi 


Ziel  und  Richtung  des  MarsclieB.   Marsch  in  westlicher  Richtung.  399 

die  Senkung  zwischen  Crimiti  und  Belvedere  war  natürlich  von  den  Syrakusanem 
besetzt.  Denn  aus  YII,  74  wissen,  wir,  dass  die  Byrakusaner  die  Wege  versperrt 
hatten,  y  lixos  riv  rovg  ^A^r^vtttovq  tivat,  und  wo  war  es  wahrscheinlicher,  dass  sie 
zu  gehen  wünschen  würden,  als  den  Weg  nach  Katane?  Da  also  bei  den  Athenern 
darüber  nicht  der  mindeste  Zweifel  obwalten  konnte,  dass  der  einzige  Weg  nach 
Katane  aufs  beste  versperrt  sein  würde ,  so  mussten  sie  auf  den  Versuch ,  dahin  zu 
gelangen,  verzichten  und  nach  Westen  oder  Südwesten,  mit  unbestimmteren  Ziel- 
punkten, marschiren,  in  der  Hoffnung,  Städte  wie  Motyke  oder  Hybla  Heraea  zu 
erreichen.  Da  wohnten  Sikeler,  mit  denen  sie  sich  in  Verbindung  gesetzt  hatten. 
Was  die  Athener  thun  wollten,  wenn  sie  sich  in  einer  Sikelerstadt  in  Sicherheit  ge- 
bracht hatten,  davon  wussten  sie  natürlich  beim  Antritt  des  Marsches  noch  nichts, 
und  deshalb  kann  die  oben  citirte  Aeusserung  von  Grote,  die  Athener  hätten  in  die 
sikelischen  Gegenden  und  von  da  nach  Katane  gehen  wollen,  auch  nicht  durch  Hin- 
weisung auf  spätere  Märsche  vertheidigt  werden,  lieber  die  Wege,  die  in  diesen 
Gebirgsgegenden  von  einem  Heere  eingeschlagen  werden  können,  giebt,  wie  wir  sehen 
werden,  die  Bodengestaltung  Auskunft.  Zunächst  verfolgen  wir  die  Athener  auf  dem 
ersten  Theil  ihres  Marsches. 

d)  Marsch  in  westlicKer  Richtung.  ^jixQaitnf  JJnag,  1.  Tag.  Die  Athener 
überschreiten  den  Anapos,  Thuk.  VII,  76,  d.  h.  sie  geben  vom  linken  auf  das  rechte, 
südliche  Ufer  desselben.  Dies  würde,  wenn  es  dessen  bedürfte,  einen  neuen  Beweis 
abgeben,  dass  sie  nicht  nach  Katane  wollten.  Sie  marschiren  an  diesem  Tage  unge- 
fähr 40  Stadien  und  lagern  nQog  kotftp  jivC,  Thuk.  VII,  78.  2.  Tag.  Sie  machen  circa 
20  Stadien  und  lagern  an  einem  ebenen  Orte,  x^Q^^^  itnedov,  wo  noch  Wasser  zu 
finden  war,  was  von  nun  an  oim  atp^ovov  sein  musste.  Das  heisst,  nun  kam  das 
Gebirge,  dessen  Schluchten  im  Sommer  kein  Wasser  führen.  3.  Tag.  Sie  kommen  in 
diä  Nähe  des  ^u4xQaiov  Unag,  dessen  Entfernung  vom  letzten  Lagerort  nicht  angege- 
ben ist.  Wo  war  nun  der  Aoipo^,  der  Lagerplatz  der  ersten  Nacht,  und  das  x^9^^^ 
anedovj  der  Ruhepunkt  der  zweiten?  Es  lässt  sich  ziemlich  genau  bestimmen.  Wenn 
wir  von  den  Punkten,  wo  wir  uns  die  Westmauer  des  athenischen  Lagers  denken 
müssen,  40  Stadien  weiter  nach  Westen  gehen,  in  der  Richtung,  in  welcher  wir  uns, 
wie  wir  sehen  werden,  den  akräischen  Felsen  zu  denken  haben,  so  kommen  wir  auf 
die  Hügel  südöstlich  von  Floridia,  hier  lagerten  also  die  Athener  die  erste  Nacht. 
20  Stadien  weiter  westlich  befinden  wir  uns  am  Eingange  der  Schlucht,  die  zum 
^AxQttlov  Xinag  führt,  hier  ist  Ebene,  hier  war  das  zweite  Nachtlager.  Wo  war  nun 
das  ^jixQaiov  Xinagl  Wir  können  hier  nicht  auf  die  Widerlegung  älterer  über  diesen 
Gegenstand  aufgestellter  Ansichten  eingehen;  dass  es  z.  B.  nicht  im  Crimitigebirge 
gesucht  werden  kann,  ist  für  jeden  klar,  der  mit  uns  den  ganzen  Zug  nicht  nach 
Katane,  wie  Diodor  meinte,  gerichtet  ansieht.  Nun  sagt  Thuk.  VII,  78  über  das 
^uixQotov  linag:  ol  ^i  Zvgaxooioi,  h  Tovttfi  TtQoel&ovreg  rriv  tSCo^ov  rtir  iv  r^  ngoa^iv 
an^nCxiiov  riv  Si  X6(pos  xttQTfQog  xal  ixatigta&iv  avTOV  x^i^^^Q"^  XQij/Avti^tig,  ixaXfiro 
^k  läxQaiov  X4nag.  Das  ^Axqalov  Unaq  ist  also  eine  auf  beiden  Seiten  von  Abgrün- 
den eingefasste  Anhöhe,  über  die  der  Weg  führt,  und  die  die  Athener,  da  sie  von 
den  Syrakusanem  besetzt  ist,  zu  erstürmen  haben,  um  ihren  Marsch  fortsetzen  zu 
können.  Am  3.  Tage  kommen  sie  nicht  einmal  ganz  dahin;  sie  müssen  schon  früher 
umkehren ,  auf  beiden  Seiten  von  Feinden  umschwärmt.  Am  4.  Tage  gelangen  sie 
wirklich  zum  *jixQali^  Xinug,  können  es  aber  nicht  erstürmen;  die  Syrakusaner  be- 
schiessen  sie  von  ihrer  höheren  Stellung  aus  zu  ihrem  grossen  Schaden.  Ja,  als  sie 
sich  zurückziehen  müssen,  macht  Gylippos  sogar  den  Versuch,  ihnen  den  Rückweg 
abzuschneiden.  Nun  ist  folgendes  zu  beachten.  Das  Bergland  westlich  von  der  Küste 
bildet  ein  hohes  Plateau,  in  das  verschiedene  ' schluchtenartige  Thäler  einschneiden, 
welche  die  auf  das  Plateau  führenden  Wege  bilden.    Diese  Wege  sind  so  sehr  von 


400  AnhftDg  II.    TopographiBcbes. 

der  Natur  yorgezeichnet,  dass  man  anch  jetzt  noch  keine  anderen  wähien  kann.  In 
einer  dieser  Schluchten  mussten  also  die  Athener  hinaufsteigen.  Unter  den  vielen 
dort  vorhandenen  haben  sie  aber,  wie  wir  ans  Thukydides  gesehen  haben,  eine  ge- 
wählt, welche  sie  bald  auf  eine  zu  beiden  Seiten  von  Abgründen  eingefosste  AnhOhe 
führte.  Wenn  wir  diese  Voraussetzungen  berflcksichtigen,  so  ist  keinem  Zweifel  un- 
terworfen, dass  der  am  westlichen  Ende  der  Cava  di  culatrello  genannten  Sehlacht 
im  ex-feudo  Monasterello  gelegene  Berg  das  läxgtttoy  Xina^  ist.  Denn  dies  ist  der 
einzige  Berg  dieser  Gegend,  über  den  die  Strasse  so  hinaufführt,  dass  sie  eine  Strecke 
weit  auf  beiden  Seiten  von  Abgründen  elngefasst  ist  —  ixari^m&ev  x^Q^^Qo-  xgfi/jtvMijg 
bei  Thukydides.  G.  Italia-Nicastro,  Ricerche  per  Tistoria  dei  popoli  Acrensi.  Oomiso 
1873.  8.  p.  53  hat  offenbar  dieselbe  Cava  im  Auge,  die  er  jedoch  mit  dem  wahrschein- 
lich gebräuchlicheren  Namen  Cava  Spampinato  nennt;  den  Aufgang,  das  eigentliche 
*uixQalov  Unat,  nennt  er  Salita  delle  forche.  Dass  sie  aber  gerade  diesen  Weg  wähl- 
ten, kam  daher,  weil  er  am  frühesten  aus  den  Schluchten  heraus  auf  das  Platean 
führte ,  denn  mit  dem  von  uns  ftir  das  *Axq,  Jt.  erklärten  Berge  beginnt  der  Weg  auf 
der  Höhe  zu  laufen.  Vor  dem  Eingange  jener  cava  im  Osten  hatten  die  Athener 
'  noch  in  der  Ebene  gelagert.  Durch  die  cava  versuchten  sie  am  3.  Tage  vergebens 
zum  *ji*Q.  1.  vorzudringen.  Als  sie  aber  am  4.  Tage  vor  dem  verschanzten  *^x^Af«r 
Unag  umkehren  mussten,  da  hatten  die  Syrakusaner,  die  Oertlichkeit  benutzend,  die 
cava ,  durch  die  die  Athener  wieder  ihren  Rückzug  nehmen  mussten,  besetzt,  um  sie 
auf  diese  Weise  zu  fangen,  VII,  79  n4fjinovoi  fiiQog  n  rijg  argaruls  anorfixiovrras  mv 
ix  rov  onta&fv  aviohg  rf  ngosJitiXvd'eaav;  solches  anorfixlCf^^  setzt  aber  eine  Schlucht 
voraus.  Doch  schlugen  sie  sich  durch  und  lagerten  am  Ende  des  4.  Tages  wieder 
in  der  Ebene,  avtix^^Q^^^^'^^S  n^g  to  n^dCov  fiaXlop  ol  *J!&rivatoi  rfvXlaarro.  Am 
5.  Tage  rücken  sie  ,von  neuem  vor  —  nQovxtogow,  Thuk.  VII,  79,  aber  von  des 
Syrakusanem  stets  umschwärmt,  nur  5  oder  6  Stadien ;  d.  h.  da  sie  in  der  genannten 
Cava  nicht  auf  die  Höhe  des  Plateau's  kommen  konnten,  so  versuchten  ne  es  in  einet 
anderen  benachbarten.  Jedoch  vergebens,  sie  mflssen  wieder  h  r^  ne^f^  ein  Lager 
aufschlagen. 

e)  Fortsetzung  des  Marsches  in  veränderter  Richtung.  Die  Athener 
beschliessen,  in  dieser  Gegend  keine  weiteren  Versuche  mehr  zu  machen,  sondern  auf 
den  am  Meere  entlang  führenden  helorinischen  Weg  sich  zu  begeben.  So  entgingen 
sie  für's  erste  den  Syrakusanem ,  und  ftir  ihren  weiteren  Abzug  war  es  kein  Nach- 
theil, denn  weiter  im  Süden  fehlt  es  nicht  an  Schluchten  ähnlicher  Art,  durch  die 
man  auf  die  Höhe  des  Plateau's  gelangen  kann.  Sie  gingen,  wahrscheinlich  in  der 
Nähe  des  Gebirges  sich  haltend,  nach  Südosten  zu,  nach  dem  helorinischen  Wege, 
den  sie  südlich  von  der  Halbinsel  Plemmyrion  erreicht  haben  werden.  Am  Kakyparis, 
dem  heutigen  Gassibili,  wollten  sie  in  die  HOhe  ziehen.  Diese  Wahl  war  eine  sehr 
gute,  denn  in  der  That  bildet  das  Thal  dieses  Flusses,  jetzt  Cava  grande  genannt, 
den  tiefsten  Riss  in  der  Wand  des  Plateau's,  und  somit  die  beste  Gelegenheit,  «fr« 
(fitt  fAiaoy€£ag,Thuk.  VII.  80,  zu  gelangen.  Am  6.  Tage  aber  fanden  sie  den  Auf- 
gang von'  einem  syrakusanischen  Posten  versperrt ,  der  ihnen  sogar  t6v  nogov^  den 
Uebergang  über  den  Fluss,  verwehren  wollte.  Sie  überwanden  ihn  aber  und  zogen 
weiter,  jedoch  nicht  am  Flusse  hinauf.  Warum  nicht?  Das  lässt  sich  nicht  entschei- 
den. Sie  gingen  auf  dem  helorinischen  Wege  weiter  zum  Erineos  —  tavtf^  yicp  o« 
iy$fÄovBg  ixäXivov,  d.  h.  die  des  Weges  kundigen  Führer,  denen  sie  sich  anvertrauten. 

f)  Untergang  des  athenischen  Heeres.  Nun  erzählt  Thukydides  c.  SJ, 
wie  die  Syrakusaner  ihren  Abmarsch  nach  Osten  merken  und  ihnen  nacheilen,  and 
um  Mittag  —  ntQl  uQiarov  digav  —  den  weiter  als  Nikias  zurückgebliebe'tien  De- 
mosthenes  erreichen.  Wo  fand  dessen  Vernichtung  statt?  Nach  Thuk.  VII,  81  war 
um  diese  Zeit  das  Heer  des  Nikias  iv  ttp  ngoff^ev  xal  nevr^xovTa  axaSiovg  entfernt 


Unt^rf^ngf  des  athenischen  Heeres.  401 

und  wir  lernen  ans  YII,  82,  dass  Nikias  an  diesem  Tage  nur  bis  zum  Flusse  Erineos 
gelangte.  Nun  ist  der  Cassibili  vom  Cayallatn,  dem  alten  Erineos,  kaum  1  deutsche 
Meile  —  40  Stadien  —  entfernt.  Wenn  also  Nikias,  der  dem  Demosthenes,  als  dieser 
zum  Halten  gezwungen  wurde,  50  Stadien  voraus  war,  auch  nur  20  Stadien  von  der 
uQlarov  toQa  bis  zum  Abend  machte,  so  ergiebt  sich,  dass  Demosthenes,  als  er  von 
den  Feinden  erreicht  wurde,  70  Stadien  —  13/4  deutsche  Meile  —  nördlich  vom  Ca- 
vallata  sich  befand,  d.  b.  30  Stadien  —  3/4  deutsche  M.  nördlich  vom  Cassibili  oder 
Kakyparis,  mit  anderen  Worten,  dass  die  Bewältigung  des  syrakusanischen  Postens 
am  Kakyparis  von  der  Abtheilnng  des  Nikias  allein  ausgeführt  wurde,  und  dass 
Demosthenes  noch  nördlich  vom  fi[akyparis  gefangen  genommen  worden  ist.  Nicht  we- 
sentlich anders  wird  das  Resultat,  wenn  wir  mit  Leake  in  den  oben  citirLen  Topographi- 
cal  and  historical  notes  on  Syracuse  (Transactions  of  the  Boyal  Society  of  Literature. 
Second  series.  Vol.  HI.  p.  325)  annehmen,  dass  der  Erineos  nicht  der  Oavallata,  son- 
dern der  Falconara  gewesen  sei.  Da  der  Falconara  circa  20  Stadien  südlich  vom 
Cavallata  fiiesst,  so  bekommen  wir  für  die  Entfernung  des  Kakyparis  vom  Erineos 
(Cassibili  vom  Falconara)  60  Stadien,  und  wir  würden  unter  denselben  unbestreitbaren 
Voraussetzungen ,  die  wir  so  eben  gemacht  haben,  die  Vernichtung  der  demostheni- 
sehen  Abtbeilung  10  Stadien  ~  1/4  deutsche  M.  nördlich  vom  Kakyparis  -anzusetzen 
haben.  Unter  allen  Umständen  steht  also  fest,  dass  nur  Nikias  den  Kakyparis  erreicht 
hat,  wie  auch  Grote  IV,  261,  wenn  gleich  mit  nicht  ganz  entschiedenen  Worten,  an- 
nimmt. Leake,  der  den  Falconara  für  den  Erineos- erklärt,  ist  dann  weiter  gezwun- 
gen, den  Aüsinaros  mit  dem  Heloros  zu  identificiren.  Das  ist  indess  äusserst  un- 
wahrscheinlich. Der  Heloros  kommt  so  oft  bei  den  alten  Schriftstellern  vor;  wie 
sollte  man  annehmen  dürfen,  dass  er  auch  noch  den  anderen  Namen  Assinaros  hatte? 
Denn  man  wird  doch  nicht  darin  eine  Spur  der  Identität  beider  Flüsse  finden  wollen, 
dass,  während  nach  Plut.  Nik.  28  ein  Fest  Assinaria  zur  Erinnerung  an  den  Sieg 
über  die  Athener  in  S3n>akus  gefeiert  wurde,  bei  Hesychios  von  einem  'EXtugiog  aytor 
die  Rede  ist.  Nun  ist  sonst  weiter  keine  Schlacht  am  Heloros  bekannt,  als  die,  in 
der  Hippokrates  von  Gela  die  Syrakusaner  besiegte  (Bd.  I,  S.  201],  und  man  kann 
allerdings  fragen,  ob  denn  anzunehmen  sei,  dass  die  Syrakusaner  diese  Niederlage 
durch  ein  Fest  gefeiert  hätten?  Indess  selbst  hierdurch  lässt  sich  die  Identificirung 
von  Heloros  und  Assinaros  nicht  plausibler  machen,  als  sie  an  sich  ist.  Leake  nimmt 
ausserdem  noch  an,  dass  die  Athener  unter  Nikias  zuletzt  den  helorinisohen  Weg 
verliessen  und  mehr  nach  Westen  zogen,  um  nicht  nach  Heloros  zu  kommen,  das 
wahrscheinlich  mit  Syrakus  verbunden  war.  Bei  Leake's  Annahme  der  Identität  von 
Assinaros  und  Heloros  ist  allerdings  eine  solche  Abweichung  sehr  wahrscheinlich; 
wenn  indess  Leake's  Hypothese  nicht  gebilligt  wird,  spricht  nichts  dafür.  Es  scheint 
Leake  der  Falconara  nicht  Wasser  genug  zu  haben,  um  für  den  Assinaros  gelten  zu 
können.  Aber  wie  vielen  Erdbeben  ist  seitdem  das  Land  ausgesetzt  gewesen,  die 
sehr  wohl  auf  den  Wasserreichthnm  der  Flüsse  Einwirkungen  ausüben  konnten  I  Auch 
die  fortdauernde  Entwaldung  hat  einen  ähnlichen  Einfluss  ausgeübt. 


Holm,  Oeecli.  Sieilians.  iL  26 


fi» 


402  Anhaug  III.    Belege  und  Erlttuteniiigen. 


ni. 

Belege  nnd  £rlänterniigen. 

Viertes  Buch. 
Erstes  Kapitel. 

^  S.  2.    Bevülkeriingszahl  Siciliens.     lieber   diesen  Gegenstand  finde  ich 

nach  AbschhiBS  meiner  eigenen  Untersuchungen,  Zusammenhängendes  bemerkt  nnr 
von  Brunet  de  Presle  p.  453  ff.,  und  von  0.  Siefcrt,  Excurs  I  seiner  Abhandlung: 
Die  Sklavenkriege.  Alt.  1860.  4.  Die  Data,  auf  welche  man  sich  stützen  kann,  sind 
dadurch  etwas  unsicher^  dass  sie  nicht  alle  derselben  Zeit  »ngehOren.  Im  allgemeinen 
sagt  von  den  sicilischen  Griechenstädten  Alkibiades  bei  Thuk.  VI,  17:  o/üorc  ^vfi- 
fAUrotg  nolvavÖQQvaiv.  Sodann  ist  folgende  Bemerkung  speciell  ftlr  den  vorliegenden 
fv  Gegenstand  nicht  ohne  Wichtigkeit.    Die  Angehörigen  der  verschiedenen  sicilischen 

Staatsgemeinden  {Tioliig)  hatten  nicht  tiberall  sämmtlich  ihren  Wohnsitz  in  der  eigent- 
lichen Stadt;  die  Gebiete  der  grösseren  Städte,  vielleicht  der  meisten  überhaupt, 
umfassten  Kastelle,  (pQovQia,  in  denen  nicht  bloss  lYuppen  lagen,  sondern  die  eine 
förmliche  Einwohnerschaft  hatten.  Dies  geht  hervor  aus  Plut.  Tim.  22 :  vniixoit 
if  ovJtlg  rdSv  iv  roTq  ^QVfittai  xni  (fQovqCoig  xktoixovvtüiv.  So  wie  dies  von  Syrakns 
gilt,  so  kommen  (foovQia  im  messenischen  Gebiete  vor:  Diod.  XIV,  57,  im  tanrome- 
nitanischen  St.  B.  s.  v.  ^rJ/;,  im  akragantinischen  (Motyon),  Diod.  XI^  91,  im  leon- 
ttnischen  (das  ^^vfua  BQiy.Cvvitti  Thuk.  V,  4).  Es  kommen  bei  Steph.  Byz.  sehr  viel 
mehr  Namen  von  sicilischen  Städten  vor,  als  aus  der  Geschichte  bekannt  sind;  alle 
überzähligen  können  nur  als  abhängige  Orte  unter  der  Oberherrschaft  der  namhaften 
Städte  existirt  haben.  So  gewinnen  wir  eine  nicht  unbedeutende  Bevölkerungszahl, 
die  ausserhalb  der  verschiedenen  Centren  wohnte.  Auf  dasselbe  Resultat  kommen 
wir  durch  den  Bericht  über  den  syrakusanischen  Mauerbau,  Diod.  XIV,  18,  wonach 
auf  dem  Lande  ein  sehr  zahlreicher  ox^oq  in  Dionys'  Zeit  wohnte.  Die  Annahme  ist 
nothwendig,  dass  er  auch  zu  anderer  Zeit  dort  gewohnt  hat.  Wir  haben  also  ausser 
der  städtischen  Bevölkerung  in  Sicilien  noch  eine  in  den  Kastellen  und  auf  dem  flachen 
Lande  (grosse  und  kleine  Güter) ,  und  gewinnen  so  die  Möglichkeit ,  die  Zahlen  fiir 
die  einzelnen  Stadtgemeinden  ziemlich  hoch  anzusetzen.  —  Syrakus.  Aus  der  Zeit 
des  athenischen  Krieges  sind  keine  Nachrichten  vorhanden,  die  auf  die  VolkszabI 
*  schliessen  lassen.    Da  aber  Syrakus  die  mächtigste  Stadt  Siciliens  war,  und  Akragas 

800,000  Einwohner  zählte,  so  dürfen  wir  auch  für  Syrakus  mit  Gebiet  800,000  Men- 
schen annehmen.  Man  setzt  für  Attika  540,000  Menschen  an;  es  hat  aber  durchaus 
kein  Bedenken,  das  kleinere  syrakusanische  Gebiet  (mit  Leontini  und  M^^ra)  für 
bevölkerter  zu  halten.  Ueber  Selinus  und  Himera  spreche  ich  unten  bei  Gelegenheit 
der  Zerstörung  dieser  Städte  durch  die  Karthager.  Danach  kommt  jede  von  beiden 
mit  Gebiet  wenigstens  auf  100,000.  In  Messana  kommen  bei  Diod.  XIV,  40  4000 
Fusssoldaten ,  400  Reiter  und  .  30  Trieren  vor ,  welchä  die  Feldherren  avfv  x^f  toi' 
ifr^fiov  yvtjfirjg  aus  der  Stadt  führen.  Das  lässt,  da  diese  Mannschaft  nicht  entfernt 
die  junge  Mannschaft  überhaupt  sein  kann,  auf  eine  Bevölkerung  von  100,000  Men- 
schen schliessen.  Gela,  Kamarina,  Katane,  Naxos  müssen  nach  Verhältniss  ihrer 
Bedeutung  im  Vergleiche  mit  Messana  jedenfalls  durchschnittlich  80,000  gehabt  haben, 
Gela  und  Katane  wahrscheinlich  mehr,  die  anderen  vielleicht  weniger.  Allerdings  stellt 


^ 


■u 


Zn  Bach  IV,  Kap.  1,  Seite  l-*4.  403 

Schubring,  Histor.-geogr.  Studien  über  Altsiciiien,  Rh.  Mns.  N.  F.  28,  S.  91  Gela  als 
eine  stets  kleine  Stadt  dar.  Aber,  was  er  selbst  anführt,  dass  Agathokles  einmal 
4000  angesehene  Bürger  abschlachtete  (Diod.  XIX,  107),  spricht  nicht  für  seine  An- 
sicht, 4000  angesehene  Bürger  setzen  eine  Bevölkerung  von  100,000  Menschen  voraus, 
und  im  4.  Jahrh.  v.  Chr.  war  Gela  nicht  mächtiger  als  im  5ten.  Plnt.  Tim.  22  nennt 
überdies  Gela  wie  Akragas  noXiig  ^(yrtlttg,  Leontini,  von  den  Syrakusanem  in  Besitz 
genommen,  kann  hier  nicht  in  Betracht  kommen.  So  ergeben  die  Griechenstaaten 
aliein  etwa  2,200,000  Einwohner,  Gebieter  und  Abhängige,  Freie  und  Sklaven  zusam- 
mengerechnet. —  Die  Karthager  und  Phönicier  mit  ihren  Unterthanen  in  Panormos, 
Motye  und  Soloeis  und  den  dazu  gehörigen  Gebieten  kOnnen  unmöglich  auf  weniger 
als  300,000  geschätzt  werden,  wenn  man  bedenkt,  wie  Motye  allein  der  Macht  des 
Dionys  Widerstand  zu  leisten  im  Stande  war.  Nur  für  die  späteje  Zeit  passen  die 
Zahlen  bei  Diod.  XXIII,  18.  Setzen  wir  die  Elymer,  von  denen  ja  Segesta  für  sich 
seiner  Gegnerin  Selinus  nicht  gewachsen  war  (im  J.  306  ist  S.  ^vgiavdQoq  Diod.  XX, 
7i)  in  ihren  3  Städten  mit  Gebiet  auf  100,000  Einwohner,  so  bleiben  noch  Sikeler 
und  Sikaner  Übrig,  auf  deren  Zahl  einige  Nachrichten  einen  Schluss  gestatten.  Nach 
dem  weiter  unten  über  den  ErlOs  aus  den  hykkarischen  Gefangenen  zu  bemerkenden 
kann  die  Zahl  der  Einwohner  von  Hykkara  auf  10,000  geschätzt  werden.  Hykkara 
aber  war  eine  der  kleineren  Ortschaften,  und  wir  werden  mit  Nothwendigkeit  zu  der 
Annahme  geführt,  dass  die  anderen,  zumal  die  sikelischen  Ortschaften,  unendlich  viel 
bevölkerter  waren.  Diodor's  (XIV,  95)  20,000  Bürger  in  Agyrion  sind  allerdings  wohl 
etwas  übertrieben;  aber  mit  den  Sklaven  kann  Agyrion  damals  immerhin  100,000 
Einwohner  gehabt  haben ;  im  athenischen  Kriege  etwas  weniger.  Nach  Diod.  XIV ,  59 
kommen  dem  Hannibal  ntiQa  £ix€ktav  xal  Sixav^iv  20,000  Krieger  zu  Hülfe,  und  es  ist 
nicht  der  mindeste  Grund  zur  Annahme  vorhanden,  dass  auch  nur  ein  Viertel  der 
Kampffähigen  kam.  So  wird  es  erlaubt  sein,  Sikaner  und  Sikeler  zusammen  auf 
gegen  1  Mill.  zu  schätzen.  So  kommen  etwa  31/2  Mill.  heraus,  von  denen  allerdings 
Freie  griechischer  Herkunft  nur  ein  Zehntel  sein  mochten. 

S.  3.  Die  Absicht  der  Lakedämonier,  eine  Bundesflotte  herzustellen,  berichtet 
Thuk.  II,  7.  Nach  Diod.  XII,  71  wurden  von  den  italischen  und  sicilischen  Bundes- 
genossen 200  Trieren  verlangt.  Nach  Thuk.  II,  7  sollen ,  bis  die  Flotte  hergestellt 
ist,  die  Sicilier  die  Athener  fni^  vr[i'  aufnehmen. 

S.  3.  Ueber  die  Verfassung  u.  s.  w.  von  Syrakus  s.  die  Belege  zum  nächsten 
Buche.  Tribut  von  barbarischen  Städten  Thuk.  VI,  20 ;  Diod.  XII,  30.  Korn  nach 
dem  Peloponnfcs  verschifft  Thuk.  III,  86. 

S.  3.  Kamarina  mit  Syrakus  über  Morgantine  in  Streit  Th.  IV,  65.  Ich 
mache  darauf  aufmerksam ,  dass  sich  auf  Münzen  von  Morgantion  der  Pallaskopf 
findet,  während  in  Kam.  auf  Silbermünzen  die  stehende  Pallas  und  auf  Bronzemünzen 
der  Pallaskopf  erscheint.  Vielleicht  hängt  dies  mit  Beziehungen  zwischen  Morgantion 
und  Kamarina  zusammen,  von  wo  vielleicht  einmal  Morgantion  colonisirt  wurde.  Ohne 
derartige  besondere  Beziehungen  ist  der  Anspruch  Kamarina's  auf  das  entfernte  Mor- 
gantion (Mte  ludica  s.  Bd.  I  S.  362)  sehr  auffallend.  Siefert,  Messana,  S.  27  und 
Schttbring,  Kamarina,  Philol.  32,  S.  499,  wollen  statt  KafiaQ/vatoig  bei  Th.  IV,  65  Ka- 
tttvttiois  lesen.  Da  aber  das  Factum  feststeht,  dass  Kamarina  allein  von  den  dori- 
schen Gemeinwesen  auf  chalkidische  Seite  trat,  Th.  III,  86,  so  ist  anzunehmen,  dass 
es  besondere  Motive  hatte,  mit  Syrakus  unzufrieden  zu  sein,  und  diese  kOnnen  eben 
in  den  Streitigkeiten  über  Morgantine  gelegen  haben.  Ueber  die  Stellung,  welche  in 
dieser  Zeit  Kamarina  nach  der  in  ihr  herrschenden  Partei  einnahm,  sind  die  Bemer- 
kungen Schubring's  in  dem  citirten  Aufsatze  S.  498—500,  lehrreich. 

S.  4.  Gorgias  als  Sprecher  der  leontinischen  Gesandtschaft  nicht  von  Thukyd. 
genannt,  sondern  von  Diod.  XII,  53.     Vgl.  Grote  IV,  102  n.  24.    S.  femer  Plat.  Hipp. 

26» 


•  V 


404  Anhapg  III.    Belege  und  Erlttiitürungen. 

maj.  282  und  Pans.  VI,  17,  8,  der  auch  Tisias  zu  den  Gesandten  zu  rechnen  scheint. 
Dieser  sprach  wohl  für  Syrakus. 

S.  4.  Beziehungen  der  Athener  znm  Westen.  Bei  Herod.  VIII,  62  sagt 
Themistokles  rifjuig  (ilv  —  xofiisvfu&a  fs  2!iQiV  rrfv  tv  *IxaXir^ ,  V^fQ  V***^^«?*?  ^^  ^^" 
fx  naXttiov  hl.  —  Ueber  Thurii  s.  die  später  anzuführenden  Schriften  von  Müller  und 
Schiller.  —  Aus  Ol.  86, '4  =  433/2  haben  wir  einen  Vertrag  zwischen  Athen  und  Rhe- 
^ion,  enthalten  in  einer  jetzt  im  brit.  Mus.  befindlichen  Urkunde,  welche  zuletzt  heraus- 
gegeben ist  im  Corpus  Inscriptionum  Atticarum,  Berol.  1873  fol.  n.  33,  p.  16.  Sonst  ist 
von  einer  Bundesgenossenschaft  zwischen  Athen  und  den  Stammverwandten  des  We- 
stens nichts  Actenmässiges  bekannt.  Dass  ein  förmlicher  Vertrag  zwischen  Athen  and 
Segesta  bereits  vor  415  v.  Chr.  anzunehmen  ist,  werden  wir  bald  sehen.  Eine  andere 
Spur  athenischer  Beziehungen  zum  Westen  liegt  in  einer  durch  Tzetzes  zu  Lykopbron 
732  erhaltenen  Stelle  des  Timaios  (fr.  99  M).  Hiemach  hat  der  athenische  Nauarch 
Diotimos  in  Neapel  der  Parthenope  einen  d^oico;  lufinadixog  eingerichtet,  oti  ai^- 
rrjyoi  cur  rdSv  l^Srjva^tov  ^noXifid  rotg  ZtxfloTg.  Ein  Diotimos  erscheint  bei  Thnk.  I, 
45  vor  Kerkyra;  dies  wird  der  von  Timaios  gemeinte  sein;  dass  derselbe  aber  Feld- 
herr in  Sicllien  war,  ist  anderweitig  nicht  bekannt.  Ebenso  wenig  wissen  wir,  in 
welcher  Veranlassung  er  nach  Neapel  kam,  aber  die  nicht  zu  bezweifelnde  Thatsache 
selbst,  dass  im  Anfange  des  peloponnesischen  Krieges  ein  athenischer  Flottenführer 
sich  eine  Zeitlang  in  Neapel  aufhielt,  ist  für  die  Kenntniss  der  Beziehungen  Athens 
zum  Westen  sehr  werthvoll.  ~  Ueber  Handelsbeziehungen  zwischen  Athen  und  Etru- 
rien,  Metallarbeiten  aus  Etrurien  nach  Athen,  Thonwaaren  in  umgekehrter  Richtung 
s.  0.  Jahn,  Einleitung  zum  Katal.  d.  Münchner  Vasensammlung  p.  CCXLIII.  In  Be- 
treif der  Münzbeziehungen  Etmriens  zu  Athen  s.  Mommsen  R.  G.  P.  203 ,  der  die 
Silberstücke  von  Populonia  als  Nachprägungen  der  von  Solon  in  Athen  geschlagenen 
Münze  betrachtet. 

S.  4.  Bei  Thuk.  I,  36  sagen  die  Kerkyräer,  dass  ihre  Insel  es  ermögliche,  eine 
Flotte  nach  Sicilien  zu  schicken. 

S.  4  ff.  Der  Verlauf  des  ersten  athenischen  Krieges  auf  Sicilien  wird 
geschildert  nach  Th.  HI,  86.  88.  90.  99.  103.  115.  116.  IV,  1.  24.  25.  58—65.  Ueber 
Diod.  XII,  53.  54  und  lust.  IV,  3  ist  oben  S.  365  gesprochen.  lust.  IV,  3  redet  so 
von  Rhegion,  dass  man  glauben  müsste,  es  habe  „bereits  vor  dem  peloponnesischen 
Kriege  anfgehOrt  ionisch  zu  sein"  Grote  IV,  99  n.  19.  Das  war  natürlich  nicht  der 
Fall.  Es  scheint  vielmehr  bei  lustin  eine  Verwechselung  mit  der  Occupation  Rhegion 's 
durch  die  Kampaner  (Polyb.  I,  6)  zu 'sein.    Bei  lustin  ist  vieles  möglich. 

S.  5.  Das  TiFQinoXtov  erwähnt  von  Th.  III,  99.  115.  Vielleicht  sind  für  diesen 
Ort  sogar  Münzen  geprägt  worden.  Es  giebt  nämlich  kleine  Silbermünzen:  Weibl. 
Kopf.  Rev«  Herakles,  den  Löwen  bekämpfend,  mit  der  Inschrift  IIEPIfJOAlStN  oder 
jlKPinOASlN  TtJTANATANy  welche  in  Unteritalien  gefunden  werden  und  offenbar 
Unteritalien  .angehören.  Man  findet  bei  Sambon,  Recherches  snr  les  monnaies  de  la 
prcsquilo  italique.  Napl.  1870.  4.  p.  345.  346  die  über  diese  Münzen  aufgestellten  An- 
sichten vereinigt.  Sambon  bezieht  sie  nach  Millingen^s  anfänglicher  Ansicht  auf  unser 
Peripolion  und  das  bei  Thuk.  erzählte  Factum;  die  Söldner,  welche  Peripolion  ver- 
theidigten,  waren  darnach  aus  Pitana  in  Lakonien.  Später  hat  Millingen  die  Münzen 
für  tarentinisch ,  und  Peripolion  für  einen  tarentinischen  Grenzort  erklärt.  Momm- 
sen hat  nach  Strab.  V,  4,  12  an  ein  samnitiscfaes  Peripolion  gedacht.  Aber  Sambon 
weist  darauf  hin,  dass  alle  samnitischen  Münzen  vor  dem  Bundesgenossenkriege  von 
Bronze  sind.  Die  betreffenden  Münzen  gehören  jedenfalls  Unteritalien  an,  ob  aber 
dem  Gebiete  von  Tarent,  Herakleia  oder  Lok ri,  das  kann  man  nicht  entscheiden. 

S.  5.     Bei  Th.  III,  115  ist  mit  Bloomfield  statt  ttiv  ZixtXitoitnv  zu  lesen:   röiv 


Za  Buch  IV,  Kap.  1  n.  2,  Seite  4—10.  405 

S.  6.  Die  Schnelligkeit,  mit  der  man  gefährdete  Schiffe  verlässt,  um  sich  selbst 
zu  retten,  ist  charakteristisch  für  das  Alterthum,  im  Gegensatz  zur  modernen  Marine. 
Seemännisches  £hrgefUhl  war  wenig  vorhanden. 

S.  7.  üeber  Hermokrates  vgl.  C.  v.  Osenbruggen,  De  Hermoerate  Syracu- 
sano.  Hag.  1842.  4.  A.  Steins,  De  Hermoerate  Syracusanorum  imperatore.  Monast. 
1S6S.  8.  Timalos  hatte  nach  Polyb.  XII,  25  (Fe  97  M.)  dem  Hermokrates  eine  Rede 
in  den  Mund  gelegt,  die  mehr  einem  rhetorischen  Uebungsstücke  glich.  Man  muss 
indess  bedenken,  dass  man  sich  in  der  BlUthezeit  der  Rhetorik  befand ;  da  mögen  bis- 
weilen sonderbare  Staatsreden  gehalten  sein. 

S.  S.  Die  athenischen  Feldherren  werden  beschuldigt  ^  sich  haben  bestechen  zu 
lassen:  Arist.  Vesp.  240,  nebst  Schol.  dazu,  wo  Demetrios  und  Philochoros  citirt 
werden.  Ich  hätte ,  worauf  ich  von  befreundeter  Seite  aufmerksam  gemacht  werde, 
im  Texte  noch  mehr  hervorheben  können,  dass  ein  Theil  der  Unternehmungen  des 
ersten  Krieges  sich  durch  den  Einfluss  der  Rheginer  erklärt,  welche  die  athenische 
Streitmacht  gewissermassen  für  sich  in  Beschlag  nehmen.  So  erklärt  sich  auch  die 
hartnäckige  Feindschaft  der  Lokrer  gegen  Athen.  Dass  die  athenischen  Feldherren 
aber  auch  unter  dieser  Voraussetzung  nicht  von  dem  Vorwurfe  der  Fahrlässigkeit 
freigesprochen  werden  können,  zeigt  der  Verlust  von  Messana. 


Zweites  Kapitel« 

S.  8.  9.  Ueber  die  neuen  Streitigkeiten  in  Sicilien,  das  Schicksal  LeontinTs' 
und  die  Sendung  des  Phaiax  Th.  V,  4.  5.  Schubring,  Historisch-geographische  Stu- 
dien über  Altsicilien.  Rh.  Mus.  N.  F.  28,  S.  119  giebt  den  Weg,  welchen  Phaiax 
durch  Sioilien  nahm,  an.  Den  Eindruck,  welchen  die  Gesandten  von  Sicilien  nach 
Athen  mitbrachten,  giebt  die  Einleitung  des  sokratischen  Dialogs  Eryxias  wieder. 
Damals  ist  in  Athen  nach  demselben  Dialog  auch  eine  syrakusanische  Gesandtschaft 
gewesen,  bei  der  sich  der  nlovattorttTog  toiv  Sixikttariov  xal  ^IiaXuoriov  befand;  wir 
wissen  nicht,  wer  es  war. 

S.  9.  Ueber  den  Hügel  S.  Basilio  vgl.  die  Schrift  von  M.  De  Mauro,  Sul  colle 
di  S.  Basilio,  volgarmente  detto  Casale.  Gat.  1861.  S.  Man  vgl.  bes.  p.  135  ff.  der 
Schrift,  wonach  sich  auf  diesem  Hügel  manche  Ueberreste  des  Alterthums  gefunden 
haben,  z.  B.  Münzen,  Vasen,  Köpfchen  ans  Thon,  Gräber,  Cistemen  und,  was  das 
merkwürdigste  Ueberbleibsel  ist,  eine  in  den  Fels  gehauene  Höhlung,  die  durch 
30  viereckige  Pfeiler,  welche  eine  Decke  von  Quadern  tragen,  in  7  Gänge  in  der 
Richtung  von  N.  — S. ,  und  in  6  Gänge  in  der  Richtung  von  0.  —  W.  zerlallt  und 
wahrscheinlich  als  Wasserbehälter  gedient  hat.  Ueber  die  Lage  des  Hügels  s.  p.  36 
der  Schrift. 

S.  9.  Ueber  die  Lokrer,  welche  in  Messana  als  enoixot  gewohnt  haben  Th.  V,  5. 
Ueber  den  Begriff  ^notxog  vgl.  W.  Vischer,  Lokrische  Inschrift  von  Naupaktos  im 
Rh.  M.  1871  p.  35  u.  89. 

S.  10.    Ueber  den  ferneren  Inhalt  dieses  Kap.  s.  Th.  VI,  1—32. 

S.  10.  Der  Grenz flusB,  um  den  es  sich  handelt,  ist  nach  0.  Benndorf,  Die 
Metopen  von  Selinunt.  Berl.  1873.  4,  S.  29  nicht  der  Halikyas,  sondern  der  Mazaras. 
Er  sieht  nämlich  in  den  Worten  von  Diod.  XII,  82 :  tkqI  x^^Q*^^  a/LttfiaßriTfjai/xov  no- 
jttfAov  ti\v  x^Qav  rdiv  dia<f>(QOf4^t'(oy  oo^^ovrog,  eine  Hindeutung  auf  Diod.  XI,  86: 
TifnX  x^Q^s  1VS  nQog  Mnl^oiQü)  notttfit^,  wo  hinzugefügt  wird,  dass  die  Städte  nicht 
aufhörten,  einander  feindlich  zu  sein;  er  verwandelt  deshalb  auch  XI,  86  AilvßaCoig 
in  £ilivovv%Coig, 

8.  10.    Nach  Diod.  XII,  82  haben  sich  die  Egestäer  auch  nach  Syrakus  mit  der 


406  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

Bitte  um  Hülfe  gewandt.  —  Beriefen  sich  die  EgeatUer  in  Athen  auf  ein  zwischen 
Athen  und  Segesta  bestehendes  Bündnissf    Th.  VI,  6  sagt.    Tt^v  yevofiinjv  inl 

T(g  Tovs  \4&riva{ovg,  wo  AiovrCvtav  auch  zu  ^vf4fjtttx^€tv  gehören  künnte.  Deutlich  aber 
•  ist  bei  Th.  VI,  10  die  Stelle  in  der  Bede  des  Nikias:  tj^ttg  Jk  ^Eyearttiotg  J^  ov<ft 
^vfifitix^ig  fog  ttdtxovfA^votg  o^iiog  ßorj&ovfiiv,  und  VI,  13:  xa^  ro  loinov  ^vfi^axovg  fitf 
7ioi(Ta&m  &aniQ  iiti&a^tv,  wo  der  Rath  natürlich  nur  dann  angemessen  ist,  wenn  die 
Egestäer  schon  Bundesgenossen  waren.  Thukydides  nimmt  also  die  Existenz  eines 
Bündnisses  zwischen  Segesta  und  Athen  an,  auf  welches  sich  die  EgestSer  bei  ihrer 
Bitte  um  Hülfe  beriefen.  Dass  Diod.  XII,  83  ein  solches  nicht  kennt,  ist  fttr  uus 
bei  dem  von  uns  eingenommenen  Standpunkte  von  keiner  Bedeutung.  Wenn  Curtius 
G.  G.  II,  699  sagt,  im  Falle,  dass  ein  solches  Bündniss  bestanden  hatte,  würden  die 
Egestäer  sich  nicht  erst  an  Akragas,  Syrakus  und  Karthago  gewandt  haben,  so  ist 
hiergegen  zu  sagen,  dass  Athen  ja  um  so  viel  entfernter  war,  und  auch  vor  6  Jahren 
den  Leontinern  nur  durch  die  erfolglose  Sendung  des  Phaiax  zu  helfen  versucht 
hatte.  —  lust.  IV,  4  schildert  in  seiner  beliebten  Weise  die  Gesandten  der  CatinienscB 
als  Schutzflehende  in  Athen:  sordida  veste  capillo  barbaque  promissis  etc.  —  Die 
Betrügereien  der  Egestäer  den  athenischen  Gesandten  gegenüber  schildert  Thuk. 
VI,  46.  Hier  sind  bemerkenswerth  die  Worte  von  den  Weihgeschenken  auf  dem  Eryx : 
a  ovta  aQyvQÜ  nolX^i  nkiita  tjJi'  oi/'iv  an  oXiytjg  ^vya^eatg XQ^f^t^taftf  naQflx^jo'  welche 
Grote  IV,  113  geradezu  so  deutet,  dass  sie  vergoldet  gewesen  seien,  aber  ovia 
ttQyvQtt,  in  Wirklichkeit  nur  aus  Silber  gearbeitet,  einen  viel  geringeren  Werth  ge- 
habt hätten,  als  sie  zu  haben  schienen.  Dieser  Sinn  ist  in  den  Worten  des  Thuky- 
dides nicht  nothwendig  enthalten.  —  Wenn  bei  Thuk.  als  Hauptschätze  des  Aphro- 
ditetempels (piaXat ,  pivoxotti  und  ß^vfiianigta  angeführt  werden ,  so  ist  ein  Vergleich 
der  Schatzverzeichnisse  des  Parthenon,  die  man  bei  Michaelis  zusammengestellt  findet, 
lehrreich.  Auch  auf  der  athenischen  Akropolis .  spielen  im  Schatze  der  Athene  die 
tf^idXai  eine  sehr  grosse  Rolle,  viel  weniger  kommen  die  otvoxom  (Michaelis,  Parthenon 
S.  301,  57)  und  die  d^v^iajtiQttt  vor  (Michaelis,  Parth.  S.  2961);  vgl.  im  allgemeinen 
die  Uebersicht  bei  Michaelis  S.  314.  Diese  athenischen  Schatz  Verzeichnisse  zeigen, 
was  alles  unter  der  nXXti  xaraüxturj  ovx  oXiyri  begriffen  gewesen  sein  kann,  von  der 
Thukydides  spricht ;  Michaelis  bringt  es  unter  die  Abtheilungen :  Bildwerke,  Kränze, 
Prozessions-«  und  Opfergeräth,  Mobiliar,  Kassen,  Waffen,  musikalische  Instrumente, 
weiblicher  Schmuck ,  Gewänder.  Wenn  ohne  Zweifel  auf  dem  Eryx  wie  in  Athen, 
wo  sicher  ein  sehr  viel  reicherer  Schatz  war,  die  aXXij  xarnaxivt}  an  Zahl  der  Stücke 
die  der  drei  von  Thukydides  genannten  Kategorien  übertroffen  hat,  so  sind  dennoch 
diese  deswegen  von  Thuk.  gut  gewählt,  well  es  gerade  die  heiligen  Grefässe  xrt 
iSoxnv  sind.  So  nennt  in  ähnlicher  Weise  Auson.  de  monoss.  p.  interr.  5  die  turi- 
bula  paterae  und  lanccs,  und  es  ist  bemerkenswerth,  dass  auch  in  den  sicilischen 
Privathäusem  noch  zu  Cicero's  Zeit  die  patella  grandis,  patera  und  turibulum  aus 
Silber  bei  den  Wohlhabendea  nicht  fehlen  durften  (Verr.  IV,  21). 

S.  11.  Ueber  Alkibiades  vgl.  G.  Hertzberg,  Alkibiades  als  Staatsmann  und 
Feldherr.  Halle  1853.  8.  C.  Deimüng,  Alkibiades.  Neues  Schweiz.  Mus.  III.  Bern 
1863.  S.  307—394,  und  die  in  Paulys  R.  E.  I,  673  verzeichneten  Schriften.  —  üebcr 
Nikias  vgl.  W.  Julius,  De  Nicia  demagogo  et  belli  duco.  Traj.  1858.  8  und  den  Art. 
bei  Pauly  V.  Sein  Auftreten  in  der  Volksversammlung,  als  es  sich  um  die  sicilischc 
Expedition  handelte,  ist  ähnlich  dem  des  Hekataios  von  Milet  vor  dem  ionischen 
Aufstande,  der  zuerst  gegen  den  Krieg  sprach,  dann  aber,  als  der  Krieg  unvermeid- 
lich war.  die  kräftigsten  Rüstungen  verlangte.  Nach  der  Inschr.  CInsor.  Atticarum  I. 
Berol.  1873.  fol.  n.  182  wäre  die  Reihenfolge  der  Feldherren  gewesen:  Alkibiades, 
Lamacbos ,  Nikias.  —  Wenn  ich  auf  die  Lage  Atben's  und  die  griechischen  Zustände 


Zu  Buch  IV,  Kap.  2,  Seite  11—16.  407 

überhaupt  nicht  specieller  eingegangen,  bin,  so  geschieht  es,  weil  das  alles  bei  Curtius 
besser  gesagt  ist,  als  ich  es  zu  thun  vermöchte. 

S.  11.  Andoc.  de  pace  30  hat  die  sonst  nicht  tiberlieferte  Nachricht,  dass  die 
Syrakusaner  kurz  vor  der  grossen  Expedition  nach  Sicilien  eine  Gesandtschaft  nach 
Athen  mit  dem  Ersuchen  geschickt  hätten,  in  die  athenische  Bundesgenossenschaft 
aufgenommen  zu  werden,  eine  Nachricht,  die  Grote  IV,  125,  n.  69  für  ,^änz]ich  un- 
wahr" erklärt.  Vielleicht  ist  es  eine  Verwechselung  mit  der  oben  aus  dem  Dialog 
Eryxias  angeführten  Gesandtschaft:  Jedenfalls  war  beim  Ausbruche  des  Krieges  keine 
officielle  syrakusanische  Gesandtschaft  in  Athen,  sonst  wäre  man  in  Syrakus  nicht  so 
vom  Kriege  überrascht  worden.  Doch  sind  wahrscheinlich  Freunde  des  Hermokrates 
damals  in  Athen  gewesen,  welche  ihm  das  dort  Vorgefallene  meldeten  (Thuk.  VI,  33} , 
so  wird  auch  jener  früher  anwesende  nlovatiiTaiog  ein  Freund  des  Hermokrates  ge- 
wesen sein. 

S.  12.  Aus  V.  218  ff.  der  Troades  des  Euripides,  welche  im  J.  415  aufgeführt 
worden  sind,  sieht  man,  wie  sehr  sich  die  Gedanken  der  Athener  damals  mit  Sicilien 
und  Italien  beschäftigten.  Nach  dem  unglücklichen  Ende  der  sicilischen  Expedition 
polemisirt  im  J.  412  v.  Chr.  Euripides  in  seiner  Helena,  750  ff.  gegen  Wahrsagerei. 

S.  12.  Grote  IV,  185  sucht  zu  beweisen,  dass  die  Athener  nicht  die  ausschwei- 
fenden Hoffnungen  von  der  sicilischen  Expedition  hegten,  welche  Plut.  Nik.  12  ihnen 
beilegt.  S.  auch  dens.  IV,  125  n.  69.  Die  Führung  des  Krieges  durch  Alkibiadcs 
selbst  ist  ihm  ein  Beweis  dafür.  So  gilt  ihm  auch  des  Alk.  Rede  in  Sparta  bei 
Thuk.  VI,  89—92  als  ein  grosser  Roman.  Allerdings  log  Alkibiades  den  Spartanern 
viel  vor.  Seine  eigene  Kriegführung  beweist  nichts,  denn  er  wollte  zunächst  nur  sein 
diplomatisches  Licht  leuchten  lassen;  seine  Abberufung  unterbrach  seine  Wirksam- 
keit. Dass  man  allgemein  den  Athenern  selbst  weitgehende  Absichten  beilegte,  zeigt 
ausser  anderen  Stellen  Paus.  I,  II,  7. 

S.  14.  Der  Beschluss  der  Expedition  findet  statt  a/Äa  ^qi  Thuk.  VI,  8,  also  Ende 
März;  die  Abfahrt  der  Flotte  ^^qovc  fnaovyjos  Thuk.  VI,  30,  also  Ende  Juni  415.  -— 
Ueber  Meton  vgl.  auch  Ael.  V.  H.  XIII,  12. 

>  S.  15.  Während  bei  Aosch.  de  falsa  leg.  54  und  bei  And.  de  pace  8  die  Angabe 
gemacht  wird,  dass  seit  dem  Frieden  des  Nikias  7000  Tal.  in  der  Burg  deponirt  und 
400  oder  300  Trieren  erbaut  waren,  was  unglaublich  ist,  erfahren  wir  aus  der  In- 
schrift Gl  n.  76,  dass  wenigstens  3000  Talente  in  dieser  Zeit  zurückgelegt  wurden. 

S.  15.  Zu  den  bei  Plut.  Nik.  13  zusammengestellten  Vorbedeutungen  kommt 
noch  eine  Notiz  bei  Paus.  VIII,  II,  12:  j^drjvaCoig  öh  fxavtevfAa  ix  .^(aöoivrig  2:tx(- 
Uttv  riX&tv  oixO^tiV  rj  J^  ov  tioqqu}  ri/f  noXitog  ^tnfUa  Xoqog  iarlv  ov  /nfyag'  ol 
d^  ov  avfÄipQOvrjaapTfg  lo  tfQijfiipov  tg  t€  vntQOQCovg  atQttTt^ttg  n{)0T]/9riaav  X(t\  ig  rov 
^voaxoaCtov  noUfxov,  In  Betreff  des  Namens  des  Hügels  hcisst  es  bei  Suid.  s.  v. 
aixfXfC^tv:  *^yrjaikttov  ^^Qx^^f^^f?  yevia^ai  Trv^oxQrjarov  ÜtxiXiav  ffvXaTTfO&ai  xttl  top 
f.th  Ttiv  vrjiJov  ?/€«!'  cT«'  ivXnßtlag  xn\  ig  lov  TQiaxiXfj  Xoifovxaxa  Tfjv  l^TitxrjVf  (p  xelrai, 
To  ot'ofitt  rovto  2ixiXCa,  xajnXvütu  rov  ßlov  fjinxofievov,  Ueber  den  Ursprung  des  Na- 
mens dieses  Hügels  hat  gehandelt  E.  Curtius,  Sikelia  bei  Athen  im  Rh.  Mus.  VIII, 
133—137,  welcher  meint,  dass  der  Hügel  von  seiner  Lage  bei  den  drei  Schenkelmauern 
iQiaxhXrig  genannt  worden  sei,  und  später  erst  den  Namen  Sikelia  erhalten  habe,  weil 
die  lusel  Sicilien  als  xQiaxtXrig  bekannt  war.  In  meiner  Abhandlung  La  Triquetra  nei 
monumenti  dell'  antichitä,  in  der  Rivista  Sicula.  Pal.  1871  habe  ich  dagegen  wahr- 
scheinlich zu  machen  gesucht,  dass,  wie  nach  Paus.  I,  28,  3  Sikcler  die  Mauern  der 
athenischen  Akropolis  gebaut  haben  sollen,  so  auch  seit  alter  Zeit  ein  Hügel  bei  Athen 
Sikelia  heissen  konnte,  den  man  dann,  weil  offenbar  wirklich  seine  Gestalt  etwas  drei- 
eckiges hatte,  mit  Erinnerung  an  die  Gestalt  der  Insel  tQiüx^Xrig  nannte. 

S.  16.   Das  Adonisfest  war  während  der  Volksversammlung,  in  der  Demostratoa 


Anhaog  111.    Belege  und  Erläuterungen. 

i.  LjBistr.  487  ff.  Nach  Piut.  Alk.  IS  und  Nile.  13,  scbefnt  es  vielmehr, 
in  die  Zeit  fielen,  welche  der  Abfuhrt  nüher  stand.  Das  Adonisfett 
«BBcr  in  den  Summer  als  in  den  März,  s.  d.  Art.  Adonii  in  Pauly's 
iiDd  ich  miiehte  die  Stelle  der  Lysiatrata  nicht  als  unbedingt  bewei- 
;htcn,  dass  das  Fest  während  der  von  Thukydides  (VI,  25  iat  der 
Seecliilderten  groasen  Beratbung  gefeiert  wurde.  £s  ist  nicht  sicher, 
des  Demostratoa,  von  denen  Aristuphanes  spricht,  dieselben  sind, 
.  VI,  !5  angedeutet  werden.  Demostratos  wird  noch  später  über 
itand  gesprochen  haben,  und  darauf  bezieht  sich  dann  Aristophanee. 
lies  der  Zweck  war,  den  die  Boschädiger  der  Bermen  im  Aage 
mehr  zu  entscheiden,  tu  Alterthum  fand  die  Meinung  Verthoidiger, 
a  sicitisclio  Expedition  hatten  verhindern  wollen  -,  die  Korinther  seien 
iaen;  s,  Plut.  Alk.  IS;  Kratippos  t>ei  Pseudopiut.  vit.  or.  11,  I,  p.  S31 
einer  verdorbenen  Stelle ;  vgl.  H  II  p.  76.  Dieselbe  Annahme  findet 
Ar.  Lysistr.  1094  aus  Philochoroe  (Fr.  llO  bei  M  1,  402),  und  ob- 
ast  dabei  die  falsche  Behauptung  aufstellt,  Thukydides  habe  diu 
Alkibiadcs  zugeschrieben,  so  kann  deshalb  die  Angabe  in  Betreff 
loch  richtig  sein.  Was  nun  die  Sache  selbst  angeht,  so  ist  es  aller- 
cnpassende  Erwartung,  dass  ein  solcher  Vorfall  als  ein  bilses  Omen 
1  und  sich  als  ein  Hindernies  fUr  den  Zug  nach  Sicilien  erweisen 
ro  Frage  ist  nber.  ob,  wenn  die  Korinthor  die  Verstümmelung  der 
iigt  hatten ,  es  ihnen  möglich  gewesen  wäre  r  ihre  Absicht  in  Aus- 
;en.  Ohne  Zweifel  waren  es  Athener,  welche  die  That  ausführten, 
ZD  nüthtgen  Vertrautheit  mit  der  Stadt  nur  von  Athenern  ausgeflibrt 
i^ie  sollten  Athener  sich  von  Korinthem  dazu  haben  überreden  Isssent 
a  annehmen,  dass  die  Vorspiegelung  gebraucht  worden  sei,  der  Uus 
iades  fallen.  Aber  selbst  dann  bleibt  es  unwahrscheinlich,  daea 
n  von  notorischen  Feinden  gewinnen  Hessen.  So  bleibt  nur  eine  sehr 
keit,  dass  die  Verstümmelung  der  Hermen  von  den  Korinthem  ver- 
eei,  um  den  Zug  nach  Sicilien  zu  hintertreiben,  und  das  6«gentheil 
■er.  —  Ueber  den  Eiudruck,  welchen  die  Hermen  Verstümmelung  auf 
ivbikerung  machen  musste,  spricht  sehr  gut  Grote  IV,  129  ff.  163  ff., 
;  von  modernen  Vorfallen,  welche  beweisen,  wie  sehr  solche  Dinge 
n  ktlnnen. 


Drittes    Kapitel. 

r  den  Inhalt  dieses  Kapitels  s.  Thuk.  VI,  32—53.  worauf  Thukydides 
)n  H»rmodioB  und  Aristogeiton  erzühlt,  dann  folgt  wieder  in  c.  60 
le  Krieg, 
äerechnnng  der  Zahl  der  Haonecbaft  nach  Boeokh,  SUMtshaus- 

isft  der  Trieren  ohne  Hopliten 25,46Q 

i                         5,100 

ihiltzen.  Schleuderer,  Hegarer 1,300 

der  Hopliton,  nach  Abrechnung  der  zu  den  Trie- 

gehürigen  1340  Mann 3,760 

lebst  Dienern  und  60  Ruderern 110 

PentekoDteren 120 

35,860  tbam. 


Zu  Buch  IV,  Kap  2  u.  3,  Seite  16—23.  409^ 

Hierbei  rechnet  B.  die  Mannschaft  einer  jeden  Triere,  nach  Abzug  von  10  dazu 
gehörigen  Hopliten,  zu  190,  die  der  2  Pentekonteren  nur  zu  120  Mann;  er  nimmt  ferner 
an,  dass  die  zur  Schiffebemannung  gehörigen  Hopliten  keine  besonderen  Diener  hatten, 
und  hat  endlich  die  Zahl  der  Ruderer  für  ein  Pferdeschiff  nach  den  Seeurkunden 
bestimmt.  Man  vgl.  ferner  C.  Wölfflin,  Die  Organisation  der  ersten  sicilischen  Expe- 
dition, im  Neuen  Schweiz.  Museum,  VI,  3.  Basel  1866.  S.  251—254.  Nach  ihm  sind 
die  34  bundesgenüssischen  Trieren  fflr  die  militärische  Action  bestimmt.  Da  die  60 
schnellsegcIndeiL  athenischen  Trieren  700  Epibaten  hatten,  so  sind  für  die  34  bundes- 
genössischen  400  zu  setzen,  also  vertheilen  sich  die  5100  Hopliten  so:  1500  Athener , 
1000  Freiwillige,  1500  Bundesgenossen.  —  axovTtarai  werden  nicht  erwähnt;  bei  den 
Syrakusanem  war  dagegen  diese  Waffe  wichtig;  vgl.  Th.  VI,  67;  VII,  5;  VI,  78; 
VII,  11.  Nach  VII,  33  waren  auch  aus  Kamarina  und  Gela  solche  den  Syrakusa- 
nem zu  Hülfe  gekommen.  Dagegen  zeichnen  .sich  nicht  aus  die  syrakusanischen 
Hopliten ;  vgl.  Th.  VII,  43.  45.  84.  Den  Syrakusanem  fehlte  die  taktische  Durch- 
bildung; sie  marschirtcn  nicht  geschlossen;  VI,  69  wird  ihre  Schaar  wenig  schmei- 
chelhaft ol  Ttlfioyfg  genannt.  Von  den  athenischen  Feldherren  war  Nikias  mehr  als 
Führer  der  Hopliten  tüchtig,  Demosthenes  als  Führer  des  leichten  Fussvolkes.  Des- 
halb sammelt  letzterer  gerade  solches,  unter  anderen  auch  axorrtarai,  Th.  VII,  31. 
42.  45.  Vgl.  auch  VII,  67.  —  Ueber  von  den  Athenem  für  die  Expedition  aufge- 
wandtes Geld  s.  Corp.  Inscr.  Attic.  I.  Berol.  1873.  fol.  n.  180—183.  In  182  werden 
Ol.  91,  1,  also  vor  dem  Abgang  der  Expedition,  kleinere  Summen  (das  erste  Mal  ttbßr 
10  Tal.,  das  zweite  über  14  T.)  an  Alkibiades,  Lamachos  —  der  dritte  Name  fehlt — 
bewilligt;  in  183  in  Ol.  91,  2  einmal  über  100,  das  zweite  Mal,  17  Tage  später,  4  Tal. 
2000  Drachmen. 

S.  20.  It^&rji'ayoQas  og  dr^fiov  n^oüruTfig  ^v  Th.  VI,  35.  Ueber  die  <Jif/u.  nQoax. 
s.  d.  Anm.  z.  folg.  Buche. 

S.  20.  Ueber  die  Aufnahme  der  Athener  von  Seiten  der  italischen  Städte 
berichtet  Diod.  XIII,  3,  dass  sie  von  den  Thuriera  navtwv  ürvxov  tiSp  iptlav&qianfovy 
und  in  Betreff  der  Krotoniaten  heisst  es  Xttfiovres  ayo^th,  in  völligem  Gegensatz  zu 
Th.  VI,  44  Die  Autorität  des  Thukydides  gestattet  nicht,  dem  Diodor  in  Betreff 
Thurii's  zu  folgen.  Eine  schon  von  Eratosthenes  als  falsch  nachgewiesene  Anekdote 
über  die  Fahrt  des  Alkibiades  nach  Sicilien  haben  Gic.  Att.  VI,  1,  18,  Schol.  Arist. 
ap.  Creuz.  ad  Plot.  de  pulchr.  p.  465  und  Gramer,  Anecd.  Ox.  I,  p.  7,  11  s.  Fragm. 
61  des  Duris  bei  M  II,  483.  —  Nach  Th.  VII,  14  waren  die  Athener  für  die  Ver- 
proviantimng  auf  Italien  angewiesen ,  woher  sie  auch  Bauholz  bezogen :  Th.  VII,  25. 

S.  22.  Die  Qeschichte  von  der  Eroberung  der  attvCdig  mit  den  nach  Phylen 
geordneten  Bttrgerverzeichnissen  bei  Plut.  Nik.  14,  wo  hinzugefügt  wird,  dass  die 
Wahrsager  fürchteten,  dies  möchte  die  Erfüllung  des  XQV^H^^  sein,  tbg  */4&9ivaiot 
U]\l>oviat  2vQaxovalovg  anavjag.  Später  sagte  man,  di^s  Orakel  sei  vielmehr  durch 
Kallippos  in  Erfüllung  gegangen. 

S.  22.  Die  Gewinnung  von  Eatane  stellt  Polyaen.  I,  40,  4  als  das  Resultat 
einer  verabredeten  List  dar.  Front.  II,  6,  6  setzt  statt  Katane  irrig  Akragas.  Das 
bei  dieser  Gelegenheit  genannte  Theater  kann  wirklich  in  Katäne  der  Ort  der  Ver- 
sammlung gewesen  sein. 

S.  23.  Die  Kamarinäer  sagen  den  Athenem  nach  Th.  VI,  52 :  aif^at  ra  oQxta 
thtti  fit^  vrfl'  xaiaTiltovrtjv  ^'AOrivn((av  d^x^a&ai ,  was  sich  auf  die  am  Anfang  des 
Krieges  nach  Th.  II,  7  von  Sparta  aus  den  sicilischen  und  italischen  Dorera  gemach- 
ten Weisungen  bezieht,  deren  Inhalt  also  von  den  westlichen  Bundesgenossen  Spartaks 
eidlich  bekräftigt  worden  war.  Auch  III,  71  kommt  so  ,ui^r  vy,t  in  Kerkyra  vor.  Wir 
haben  hier  die  Spur  eines  völkerrechtlichen  Grundsatzes,  über  dessen  Verbreitung  es 
erwünscht  wäre,  noch  aus  anderen  Quellen  etwas  zu  wissen:  ein  einzelnes  Kriegs- 


* 


,f 


\ 


1. 


r 


410  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

Bchifif,  welches  einem  mit  den  Bundesgenossen  in  Krieg  befindlichen  Staate  angehört, 
wird  ohne  Bedenken  zugelassen,  mehrere  nicht.    Atkders  ilerod.  V,  85. 

S.  24.  Unter  den  gefangen  genommenen  Bewohnern  von  Hykkara  soll  auch  die 
berüchtigte  Lais  gewesen  sein,  d.  h.  eine  der  Buhlerinnen  dieses  Namens,  von  denen 
Ath.  XIII»  574  £  ausdrücklich  zwei  unterscheidet,  und  es  ergiebt  sich  aus  eben 
dieser  Stelle,  dass  man  sie  filr  die  jüngere  hielt.  Um  zunächst  die  Herkunft  der  Lais 
aus  Hykkara  festzustellen,  so  heisst  es  bei  Schol.  Ar.  Plut.  179:  Xi^qd^f^ai  y«Q  tfaatv 
avttjp  (v  ^ixilCfjt  noXi^viov  Jivog  äXovtoi  vno  Nixlov  intiriv '  <oyfi&ijvai  J?  vno  Koqiv^ 
i^iov  ztpog  xal  ntfiif&fjvai  dt^ov  r^  ywatuCi  big  Koqiv^v,  Offenbar  ist  Hykkara  ge- 
meint. Ferner  sagt  Plut.  Alk.  39  von  der  IMmandra,  der  Geliebten  des  Alkibiiides: 
lavjtig  Xiyovat  (^vyat^ga  yiviad-nt,  Aatön  t^v  KoQivO^iav  (Akv  nQogayoQevS^uaay  ^  ix  ^i 
^YxxaQonf  2^txeXtxov  TtoUafiaroe  aixfidXtajov  ytvofiiviiv.  Bei  Schol.  Ar.  Plut.  }79  heisst 
es  ferner:  «Criy  dk  d-vyarrjQ  ijv  TiftaydQag  (so  Hemsterh.  für  "EntfiavÖQag)  ^tig  (i'Yxxa- 
Qiav  jrig  JSiXtXiag  rjv '  tavTt}V  tU  *I*tXo^iv^  T(fi  ^id-VQafdßonoi^  öiJtox€  ^liovvOiog  6  iv 
SixUli^  rvQttvvog,  Die  Notiz  von  Philoxcnos  findet  sich  übrigens  nicht  in  den  besten 
Handschriften,  Kavennas  und  Yenetus,  denen  auch  das  obige  Xrffp&Jivai  etc.  fehlt. 
Dass  Lais  aus  Hykkara  war,  sagen  femer:  Plut  Nik.  15 ;  Paus.  II,  2,  5;  Ath.  XHI, 
588.  589.  St  B.  s.  v.  '^xxttQa,  Kgaarog  und  EvxaQnia,  wonach  auch  aus  diesen  Orten 
Lais  sein  sollte.  Wenn  es  nun  wahr  ist,  dass  sie  im  J.  415  erbeutet  wurde  und  da- 
mals 7  Jahre  alt  war,  so  ist  es  immerhin  noch  möglich,  dass  sie  Tochter  der  Timandra 
war :  es  konnten  ja  Beide  in  Hykkara  gefangen  genommen  und  an  verschiedene  Per- 
sonen verkauft  worden  sein.  Aber  dass  Athenaios  in  der  angeführten  Stelle  XIU,  574 
Recht  hatte,  diese  422  geborene  Lais  für  die  jüngere  zu  erklären,  davon  kann  ich 
mich  nicht  überzeugen.  Nach  Ath.  XIII,  588  bildete  Apelles  die  Lais  zur  Hetäre  aus. 
Apelles  BlÜthezeit  fällt  um  330 :  es  ist  also  nicht  einzusehen,  wie  er  die  422  geborene 
zu  ihrem  Geschäfte  soll  angeleitet  haben.  Man  hätte  also,  wenn  die  im  J.  422  ge- 
borene die  jüngere  wäre,  noch  eine  jüngste  anzunehmen,  im  ganzen  drei.  Anderer- 
seits weist  nichts  auf  die  Nothwendigkeit  hin,  eine  ältere  anzunehmen  als  die  422 
geborene.  Lais  wird  zu  dem  Olympiasieger  Eubotas,  dessen  Sieg  Ol.  93:=  408  v.  Chr. 
stattfand,  in  Beziehung  gesetzt,  nach  Ael.  V  H  X,  2;  da  ist  es  nicht  unmöglich,  an 
die  14jährige  Lais  aus  Hykkara  zu  denken.  Ebenso  kann  die  Lais,  welche  mit  Euri- 
pides  ein  Liebesverhältniss  hatte,  die  422  geborene  sein,  da  Euripides  405  starb. 
Wenn  sodann  die  ältere  (Pauly  BE  IV,  735)  zuAristipp  in  Beziehung  gesetzt  wird, 
so  hindert  auch  hier  wieder  nichts,  an  die  Hykkarerin  zu  denken.  Wenn  nun  nach 
dem  Vorhergehenden  uns  nichts  nöthigt,  eine  ältere  Lais  als  die  422  geborene  und 
415  In  Gefangenschaft  gerathene  anzunehmen,  so  passen  andererseits  nur  für  eine 
jüngere  als  diese,  ausser  dem  oben  von  Apelles  Berichteten,  Beziehungen,  welche  der 
Lais.  zu  Demosthenes  beigelegt  werden  (lebte  381 — 22),  bei  Gell.  I,  8;  Schol.  Ar. 
Plut.  179;  Ath.  XIII,  588,  und  die  Erzählung,  dass  sie  Zeitgenossin  der  Phryne  war, 
mit  der  sie  in  der  Zahl  der  Liebhaber  wetteifern  wollte.  Nach  allem  Vorhergehenden 
müssen  wir  die  Nachricht  des  Ath.  XIII,  574,  dass  die  Hykkarerin  Lais  die  jüngere 
war,  für  einen  Irrthum  erklären;  nur  so  findet  man  einen  Ausweg  aus  der  sonst  un- 
löslichen Verwirrung  der  Nachrichten,  die  wir  über  Lais  aus  dem  Alterthum  haben, 
einer  Verwirrung,  die  auch  den  neueren  Gelehrten,  wie  z.  B.  Grote  IV,  167  n.  S9 
aufgefallen  ist.  —  Ueber  der  L.  Grab  berichtet  Paus.  II,  2,  4.  5,  dass  es  in  Korinth 
war,  mit  einer  Löwin  darauf  (auch  Anspielung  auf  den  Namen  Lais),  die  einen  Wid- 
der in  den  Klauen  hielt,  ^an  6k  xal  äXXo  iv  SiaoaXit^  AaiJog  (fafitvov  fiv^a  (hat. 
In  Thessalien  soll  sie  von  Weibern  erschlagen  sein.  Ob  es  die  Hykkarerin  war,  die 
in  Thessalien  starb,  wissen  wir  nicht.  —  Vgl.  über  Lais  lacobs  Vermischte  Schriften 
IV,  398  ff.,  worauf  der  Art.  in  Pauly's  RE  IV,  733  —  35  beruht,  und  Göller,  De 
situ  etc.  p.  151  —  153.    Eine  Geschichte  der  Lais  von  B.  Le  Youz  de  Gerland,  Par 


Zu  Buch  IV,  Kap.  3,  Seite  24.  411 

1756.  12,  ist  rielieicht  ein  Boman.  —  Die  Einwohner  von  Carini  haben  davon  gehört, 
dass  Lai8  aus  ihrer  Stadt  war ,  und  G.  Pitr6  berichtet  in  seinen  Oanti  popolari  Sici- 
liani.  Pal.  1870.  I.  p.  94,  dass  ihm  die  Geschichte  von  einem  Landmann  so  erzählt 
wurde :  La  Bedda  (bella)  di  Liccari,  la  piü  bella  donna  di  questo  mondo,  abitava  un 
paese  vicino  al  mare.  Un  giomo  vide  approdare  un  bastimento  e  scenderne  molta 
gente  guerriera  che  assalto  Liccari  e  gH  dicde  il  sacco  e  11  fuoco.  GH  abttanti  parte 
fuggirono,  parte  rimasero  morti,  parte  prigioni,  ma  la  Bedda  di  Licoari,  in  grazia 
della  sua  straordinaria  beiiezza,  fu  salva,  tanto  che  a  breve  andare  sotto  la  prote- 
zione  e  coli'  aiuto  di  quct  forestieri,  potö  fqndarc  una  nuova  Liccari  a  un  miglio  della 
precedente.  Vgl.  auch  S.  Salomone- Marino,  La  storia  nei  canti  popolari  Siciliani,  im 
Archivio  storico  siciliano.  I.  Pal.  1873,  p.  52,  wo  in  einem  Volksliode  vorkommt,  dass 
sie  alle  Menschen  und  neun  Kaiser  der  Levante  beherrscht  hat. 

S.  24.  Von  der  Beute  von  Hykkara  sagt  Thuk.  VI,  62:  ravdQcino^a  an^üoaav 
Kn\  iy^yovto  i^  avtiöv  ifxoai  xal  ixarov  räXavTa.  Vgl.  Grote  IV,  167,  der  im  Texte 
der  Meinung  ist,  die  Worte  bedeuteten :  den  sikanischen  Landsleuten  gegen  ein  Löse- 
geld zurückgeben.  Doch  giebt  er  in  d.  ^0  zu,  es  k((nne  an46oaav  fUr  ani^ovto  stehen. 
Das  ist  offenbar  richtiger,  da  die  Athener  die  Sklaven  zuerst  mit  nach  Katane  in's 
Lager  nahmen;  auch  die  Geschichte  der  Lais  bestätigt  es.  Grote  freilich  erzählt  die 
BUckkehr  nach  Katane  erst  später. 

S.  24.  Ueber  Preise  der  Sklaven  bei  den  Griechen  vgl.  Büchsenschütz,  Besitz 
und  Erwerb  S.  200  ff.  Wenn  Alexander  für  mehr  als  30,000  gefangene  Einwohner 
der  Stadt  Theben  440  Talente  löste  (Diod.  XVII,  14),  so  kann  man  annehmen,  dass 
die  120  Talente,  welche  die  Hykkarer  einbrachten,  für  etwa  8000  Personen  einkamen; 
sodass  man,  da  doch  Manche  geflohen  sein  werden,  auf  eine  Bevölkerung  von  9—10,000 
Einwohner  für  Hykkara  schliessen  kann.  Nach  Diod.  XXIII,  18  nehmen  die  Römer 
bei  der  Eroberung  von  Panormos  pro  Mann  2  Minen  als  Lösegeld;  bei  den  Theba- 
nem  kommt  allerdings  faicht  1  Mine  heraus;  jenes  war  aber  auch  Lösegeld,  was  bil- 
ligerweise höher  sein  musste.  Unter  Umständen  bringt  freilich  auch  der  Verkauf  von 
Kriegsgefangenen  mehr  ein,  so  bei  Diod.  XV,  47  für  die  Mannschaft  von  9  Schiffen, 
also  ca.  1800  Mann  60  Talente,  d.  h.  2  Minen  für  den  Mann;  in  Bhegion  soll  als 
Lösegeld  von  Dionys  nach  Diod.  XIV,  111  1  Mine  pro  Mann,  nach  Arist.  Oecon.  II 
3  Minen  gefordert  sein.  Vgl.  auch  Schömann  Gr.  Alt.  11^  S.  11  und  12. 

S.  24.  Thuk.  VI,  62  sagt:  h  lobg  nSv  I^ixeliSy  ^vfifinxov^  ntQtinXivottv,  Thq- 
kydides  äussert  sich  nicht  darüber,  wo  diese  Sikeler  wohnten,  ob  es  die  nördlichen 
waren,  denen  die  Städte  Apollonia,  Kephaloidion,  Alontion  u«  A.  gehörten,  oder  die 
südlichen,  von  denen  neuerdings  besonders  genau  gehandelt  hat  Schubring,  Histo- 
risch-geographische Studien  über  Alt-Sicilien.  S.  107  ff.  Von  den  mittleren  kann  nicht 
die  Bede  sein,  weil  sie  zu  Schiffe  erreicht  werden.  Aber  die  südlichen  Sikeler  waren 
verhältnissmässig  recht  unbedeutend,  während  die  nördlichen  wichtige  Städte  und  eine 
lange  Küstenausdehnung  besassen,  sodass  ich  annehme,  dass  diese  letzteren  von  Thu- 
kydides  gemeint  sind.  Ueber  die  Sikeler  spricht  Thukydides  noch  VI,  88.  Hier 
unterscheidet  er  die  nqhg  t«  nt^Cn  fiäkXov  von  den  Ttjv  (uiaoyaiay  ^x^vitov.  Jene 
waren  Unterthanen  der  Syrakusaner,  aber  von  ihnen  sind  ol  nolXot  schon  abgefallen ; 
die  letzteren,  Welche  schon  vorher  unabhängig  waren,  sind  ebenfalls  zu  den  Athenern 
übergegangen.  Die  Grenze  zwischen  den  der  Küste  (der  Ebene)  nahen  und  den  im 
Inlande  wohnenden  Sikelera  können  wir  im  Sinne  des  Thukydides  nicht  mehr  ziehen. 
Bemerkenswerth  ist,  dass  Thuk.  VI,  88  den  inländischen  Sikelern  nicht  noUig,  son- 
dern ofxiiaetg  zuschreibt,  über  welchen  Ausdruck  Poppo  zu  dieser  Stelle  ausführlich 
gehandelt  hat.  An  offene,  nicht  von  Mauern  umgebene  Orte,  kann  hier  unmöglich 
gedacht  werden,  solche  konnten  niemals  unabhängig  gewesen  sein.  Es  muss  damit 
nur  auf  ein  weniger  imposantes  Aeussere,  das  diesen  sikelischen  Städten  im  Vergleich 


412  Anhang  III.    Belege  und  Erläuternngen. 

mit  den  griechischen  eigen  war,  hingedeutet  sein.  —  Dass  auch  die  siidlichen  Sikeler, 
die  Einwohner  von  Hotyka,  Hybla,  su  den  Athenern  abgefallen  waren,  sieht  min 
ans  der  Geschichte  des  Rückzuges  der  Athener,  die  in  dieser  Richtung  befreundete 
Orte  zu  finden  hofften. 


YiertesKapitel. 

Ueber  den  Inhalt  desselben  vgl.  Thuk.  VI,  63—93. 

S.  26.  Ueber  die  Aufstellung  iy  nXatai^  vgl.  RUstow,  Griech.  Kriegswesen 
S.  1S5.  —  Nach  Thuk.  VI,  71  gingen  die  Athener  nicht  n(nkg  to  Uqov.  Plnt.  Nik 
16  erklärt  diese  Massregel.  Diodor's  Ausdruck  (XIII,  6),  die  Athener  seien  m 
*Olvfi7iiov  xvQioi  geworden,  ist  entweder  ungenau  oder  falsch.  Nach  Paus.  X,  2S,  3 
wurde  ein  syrakusanischer  Priester  als  Wächter  des  Heiligthumes  zurilckgelasscn,  und 
die  Athener  raubten  nichts.  Nach  Polyaen  I,  39,  2  hat  Nikias  auf  dem  Felde  vor 
dem  Lager  jQißolovg  —  Fussangeln  —  legen  lassen,  wodurch  die  syrakasanischeD 
Reiter  in  Unordnung  geriethen,  während  die  athenischen  Pel tasten,  welche  ou^ 
vTiodfjftaja  hatten,  die  Feinde  tüdteten.  Grote  IV,  171  n.  98  bemerkt:  ^lut.  Nik 
16  sagt,  Nikias  sei  einige  Tage  in  seiner  Position  geblieben,  bevor  er  nach  KaUne 
zurückkehrte.  Die  Sprache  des  Thukydfdes  deutet  aber  an,  dass  die  Athenieoser 
am  Tage  nach  der  Schlacht  zurückkehrten."  Letzteres  scheint  mir  nicht  richtig,  ist 
auch  an  sich  nicht  wahrscheinlich.  Man  brauchte  doch  sicherlich  einen  Tag  zor 
Sammlung  der  Gebeine  und  Auslieferung  der  Leichen,  einen  anderen  aber  zur  Eis- 
schiffung,  so  kann  der  plutarchische  Ausdruck  oliyiatf  fifjitQioif  immerhin  richtig  sein, 
und  Thukydides  ist  nicht  unbedingt  dagegen. 

S.  28.  Man  würde  als  selbstverständlich  ansehen ,  dass  die  bei  Thuk.  Yl,  •> 
erwähnten  Befestigungswerke  der  Syrak  usaner  im  Winter  415/4  unter  der  AnOsicht 
der  drei  neuen  Feldherren  ausgeführt  worden  sind ,  wenn  nicht  Thuk.  VI,  96  aic 
Frühjahr  414  sagte,  dass  die  drei  neuen  Feldherrn  irvyxat^ov  a^ri  7ia()€ikri(f6tf;  j'^ 
aQxn»',  sodass  anzunehmen  ist,  dass  die  15  erst  ihre  Zeit  abgedient  haben  und  daon 
erst  die  schon  erwählten  drei  ins  Amt  getreten  sind ;  der  Amtsantritt  scheint  mit 
Frühlingsanfang  stattgefunden  zu  haben.  Die  Syrakusaner  waren  für  gewöhnlich  ii 
Allem  ebenso  langsam  wie  ihre  Feinde. 

S.  29.  Thukydides  giebt  sehr  ausführlich  die  Verhandlungen  in  Kamarina:  Bedf 
des  Hermokrates  c.  76 — 81 ;  des  Eudemos  c.  82—87. 

S.  30.  Die  den  Athenern  zu  Hülfe  kommenden  Ty  rr^ener  (Thuk.  VI,  SS.  Ii>^ 
VII,  53.  54)  wären  nach  Grotef.  Zur  Geogr.  von  Altitalien,  IV,  39  aus  Kampsnlen  tp 
den  Samnitem  vertriebene  Etrusker.  Da  die  Athener  sich  von  Etrurien  Hülfe  erbeten 
hatten,  wo  Städte  {^auv  iv  noXimv  inaydlofji^ym'  Th.  VI,  88)  erwähnt  werden,  di« 
den  Athenern  wohlgesinnt  waren,  so  sind  sie  aus  dem  eigentlichen  Etrurien  gekoDBien 


Fünftes   Kapitel. 

Ueber  den  Inhalt  dieses  Kap.  vgl.  Thuk.  VI,  94—103. 

S.  31.  Thuk.  VI,  94  sagt:  naQ^nktvaat'  inl  M(yd(}afp  nöy  iv  rp  J^ixdtt}  -  ' 
xnl  il^oi^ne  fnl  §QVfna  r«  itSf  2vQnxoa((av  xtxi  ov^  iXovTfs  —  wo  allerdings  Megsr* 
nicht  als  Angriffsobject  ausdrücklich  genannt  ist.  Nach  Göller  wäre  das  k^»^ 
Styella;  nach  Schubring,  Umwamlerung  des  megarischen  Meerbusens  S.  456,  wireö 
Megara  selbst  gewesen,  obschon  dies  ,;dem  Historiker  selbst  vielleicht  nicht  recbt 
klar"  war. 


Zn  Buch  IV,  Kap.  4—7,  Seite  26—44.  413 

S.  32.    In  der  Erzählung  der  plötzlichen  Landung  der  Athener  bei  Syrakus  sagt 

Thnk.  VI,  97  :  ol  Sh  ^Ad-rivaloi  TavTfjg  rfjc  vvxrbg  rj  ffttyiyvo^uirrji  riulQtt  f^rjTaCorrOf  xal 
flaS^ov  avrovg  —  .  Hier  ist  ein  Fehler,  die  fUraaig  ist,  wie  Thuk.  soeben  gesagt  hatte, 
die  der  Syrakusaner  auf  der  Wiese  am  Anapos.  Es  ist  deshalb,  wie  auch  Poppo  ge- 
sehen hat,  zu  emendiren :  ot  Ji  ^A&ftvniot  ravftjg  t^c  w^to?,  5  r J  imytyyofi^tfi^  Vf^QV 
f^r}T((C,rTo ,  UttS^ov  avrovg,  d.  h.  die  Athener  aber  fuhren  heimlich  in  der  Nacht  vor 
dem  Tage,  an  welchem  sie,  d.  h.  die  Syrakusaner,  ihre  Musterung  hielten,  mit  dem 
gesammten  Heere  nach  Katane  ab  u.  s.  w. 

S.  37.    Herakleides  Thuk.  VI,  103  ist  ein  anderer  als  VI,  73;  s.  Poppo  zu  103 
und  Xen.  Hell.  I.  2,  8. 


echstes   Kapitel. 

Ueber  den  Inhalt  dieses  Kap.  vgl.  Thuk.  VI,  104— VII,  7. 

S.  38.  Ueber  Gylippos  Herkunft,  welcher  ein  Mothax,  d.  h.  Sohn  eines  Spar- 
tiaten  und  einer  Helotin,  aber  adoptirt  war,  s.  Schümann  Gr.  Alt.  l-"^.  211.  Gyl.  wird 
bei  Thuk.  VIII,  5  Harmost  genannt. 

S.  38.  Ueber  den  Sturm,  der  den  Gylippos  aufhält,  s.  Thuk.  VI,  104.  Von 
Taras  ausfahrend  naQinUi  triv  *itajjav  xal  «Qnaad'ftg  vn  «vffiov  xara  lov  TeQivulov 
xoknovy  Sc  fxnvti  ravrrji  fifyag  xara  ßoQ^uv  iatiixtog^  anoif^Qitat  lg  to  TtiXnyog^  xoX 
nnXn>  x^tfjLaa&iig  fg  tu  fidltöja  rtp  Ta^nyii  n^ogfitaytt.  Hier  ist  zunJichst  die  Er- 
wähnung des  terinäischen  Busens  auffallend,  da  dieser  ein  Theil  des  tyrrhenischen 
Meeres  ist,  also  bei  der  Fahrt  des  Gylippos  nicht  in  Betracht  kommen  konnte.  Wahr- 
scheinlich liegt  eiu  Irrthum  des  Thukydides  vor.  Sodann  will  Grote  IV,  202  n.  26  iairjxfog 
auf  Gylippos  beziehen,  wie  es  scheint,  von  der  irrigen  Voraussetzung  ausgehend,  dass 
Gylippos  .,nach  Taras  zu  kommen  versuchte."  Aber  was  sollte  er  da,  wo  er  ja  schon 
gewesen  war?  x.  ßoQ,  iar.  muss  den  Nordwind  bezeichnen,  der  ihn  nach  Süden  trieb, 
worauf  ihn  ein  anderer  Wind  —  ntiXiv  ;ifei,a«orö^fiV  —  wieder  nach  Tarent  jagte. 

S.  40.  Bei  Thuk.  VII,  2  ist  in  den  Worten  o  di  (Gylippos)  yira  oder  yerag  to 
Tf  TfTxo^  h  Tj  nuQo^ifi  jtuv  I^txfXtSv  iltov,  der  Name  eines  Kastells  enthalten,  dessen 
Lage  unbekannt  ist.  —  Ueber  die  Art,  wie  Gylippos  sich  in  Syrakus  den  Oberbefehl 
verschaffen  musste,  berichtet  Polyaen  I,  42,  2.  Man  muss  zugeben,  dass  den  Syra- 
kusanem  wohl  einige  Bedenken  aufsteigen  konnten,  ob  Gylippos  nicht  am  Ende  Sy- 
rakus ganz  und  gar  Sparta  unterwerfen  wtirde. 


SiebentesKapiteL 

Ueber  den  Inhalt  dieses  Kap.  vgl.  Thuk.  VII,  7—17;  21—28;  31-41. 

S.  43.  Bei  Thuk.  VII,  13  heisst  es  in  der  Depesche  des  Nikias,  dass  die  S^vo* 
ot  f4iv  in  avTOfioXiag  nQotfaaii  aniQxovrtti y  WO  allgemein  an  der  Richtigkeit  des 
Ausdruckes  gezweifelt  wird;  vgl.  Th.  Forssmann  in  den  Actis  soc.  phil.  Lips.  ed.  F. 
Ritschelius  I,  399.  ff.  und  Bitschi  dazu.  Nicht  rechte  Beachtung  scheint  die  Ansicht 
Grote's  gefunden  zu  haben,  der  IV,  213  n.  46,  die  handschriftliche  Lesart  vertheidi- 
gend,  sie  so  erklärt :  sie  gehen  nach  Syrakus  und  sagen  dort,  sie  seien  äen  Athenern 
entlaufen,  um  den  Syrakusanem  beizustehen,  während  sie  ebenso  wenig  Interesse  für 
Syrakus  haben  unid  sich  nur  dem  Dienste  entziehen  wollen. 

S.  44.  Bei  Thuk.  VII.  16  wollen  einige  nach  einer  Pariser  Handschrift  statt  20 
Tal.  120  lesen,  Diod.  XIII,  108  hat  140,  und  es  ist  klar,  dass,  wenn  Eurymedon  nur 
20  mitbrachte,  dies  von  keiner  grossen  Bedeutung  war.    Die  von  Boeckh ,  Ol  Gr.  I 


I! 


414  Anbang  III.  .Belege  und  Erlänterungon, 

n.  144  p.  20S  hierüber  gemachten  Bemerkungen  werden  wegfUllig,  da  die  betrefTende 
Inschrift  nicht  in  Ol.  91,  3,  sondern  91,  2  gehurt. 

S.  48.  Bei  Ath.  III,  108.  109  kommt  der  von  Thnk.  VII,  33  l^gras  genannte 
König  als  "y^Qrog  vor;  im  Drama  ZixtXin  des  xto^tpJoTrotos  ^riut/T^iog,  von  dem  wir 
mehr  als  dies  eine  Fragment  erhalten  wünschten.  Das  Stück  behandelte  offenbar  die 
sicilische  Expedition  der  Athener.    Vgl.  Bernhardy  Gr.  Lit.  II,  2,  525. 

S.  49.  Ueber  die  an  den  Schiffen  angebrachten  Veränderungen  spricht  Thak. 
VII,  36.  Ueber  das  einzelne  derselben  vgl.  Graser,  De  veterum  re  navali.  Berol. 
1864.  4  an  verschiedenen  Stellen,  insbesondere  über  das  nptipag  ^wHfivnvy  d.  h,  die 
vordere  naQe^tiQta^a,  rndcrfreie  Stelle,  verkürzen  p.  2S;  über  die  fTnarfSfg  nnd  nv- 
7fin(öf<:  p.  24  n.  1  und  lab.  III,  14  e  und  f,  auch  t^ib.  II,  9  1  und  m. 

S.  50.  Der  die  List  mit  dem  Frühstück  angab,  war  ^^(^(artav  o  TTv^^{xov  Ko- 
Qh'lhtoq  nach  Thuk.  VII,  39,  womit  tibereinstimmt  Polyaen.  V,  13,  2.  Nach  dems. 
V,  32,  1  war  es  dagegen  TfXeaiyixog  KoQhthtog. 


Achtes   Kapitel. 

lieber  den  Inhalt  dieses  Kap.  vgl.  Thuk,  VII,  42—72. 

S.  55.  Ueber  die  Mondfinsterniss  (Thnk.  VII,  50]  s.  Ileiss,  Die  Finsternisse 
während  des  peloponnes.  Krieges.  Köln  1834.  4.  p.  11.  —  Polyb.  IX.  19  verwechselt 
die  Zeiten ;  er  versetzt  die  Finstemiss  in  die  Zeit  nach  der  letzten  grossen  Seeschlacht 
und  lässt  sie  die  Rolle  spielen,  die  in  Wirklichkeit  die  List  des  Hcrmokrates  spielte. 

S.  58.  Nach  Thuk.  VII,  59  ist  der  Eingang  des  grossen  Hafens  hxtw  ara^imt 
jualiara,  in  Wirklichkeit  noch  weniger,  nicht  viel  mehr  als  1000  Meter. 


NennteR   Kapitel« 

Ueber  den  Inhalt  dieses  Kap.  vgl.  Thnk.  VII,  73— VIII,  1. 

S.  62.  List  des  Hermokrates  Polyaen.  I,  43,  2  nnd  ungenau  Front.  II,  9.  7. 
Vielleicht  bezieht  sich  auch  Front.  II,  9,  6  auf  die  Athener. 

S.  65.  Nach  Plut.  Nik.  27  ward  Demosthenes  gefangen  genommen,  nfQl  r^r  ITo- 
XvCijleiw  ttvXijv.  Die  Worte  bei  Thuk.  VII,  81  von  dem  ummauerten  Grundstück :  6doi 
Jk  (p&(v  TS  xal  (v»fv,  deutet  Grote  IV,  262  so:  der  Weg  führte  hindurch.  —  Kai- 
listratos  Paus.  VII,  16,  5.  S.  auch  Lysias,  20,  24  ff.,  der  Details  über  die  Thätig- 
keit  dieser  Reiter  hat.  Unter  ihnen  war  der  Sohn  des  Polystratos,  der  manche  Athe- 
ner befreite  und  soviel  Beute  machte ,  dass  die  €K>ttin  einen  Zehnten  von  über  30 
Minen  erhielt. 

S.  68.  Ueber  einen  noch  zu  seiner  Zeit  in  Syrakus  vorhandenen  (xftfiivtir  h\ 
l^Qip)  angeblich  von  Nikias  herstammenden  kostbaren  Schild  spricht  Plnt.  Nik.  28. 

S.  70.  In  Betreff  des  Datums  der  Schlacht  am  Assinaros  macht  Grote  TV, 
267  n.  11  darauf  aufmerksam ,  dass  Kameios  und  Metageitnion  sich  nicht  nothwendi- 
gerweise  vüllig  decken  müssen,  so  dass  es  nicht  sicher  der  16.  Metageitnion  war. 
Grote  setzt  die  Niederlage  auf  etwa  25  Tage  nach  der  Mondfinsterniss,  also  etwa  auf 
dan  21.  September,  was  zu  dem  fisTontiQov  Thuk.  VII,  79  passt.  £r  sagt  mit  Recht,  dass 
Clinton  den  Zwischenraum  zwischen  der  Mondfinsteniiss  und  dem  Rückzüge  an  sehr 
zusammendrängt.  Ebenso  macht  es  Westermann  im  Artikel  PelopofinesiacQm  belinm. 
in  Paulys  R  £  V,  1302.  Folgende  Betrachtung  zeigt  dies.  Wenn  der  Rückzng. 
nach  gewöhnlicher  Annahme,  am  10.  Sept.  endigt,  beginnt  er  am  3ten.  Also  ist  am 
1.  Sept.  die  Entscheidungsschlacht.     Nun  brauchten  die  Syrakusaner,   nach  Diod- 


Zu  Buch  IV,  Kap,  8  u.  9,  Seite  48—71.  415 

XIII,  14,  3  Tage,  um  den  Hafen  zu  schliessen ;  also  konnte  die  vorhergehende  Schlacht 
erst  am  28.  Aug.  stattgefunden  haben.  Da  war  aber  in  Wirklichkeit  erst  die  Mond- 
finstemiss. Aber  auch  gleich  am  Tage  nach  der  Mondfinsterniss  kann  die  Schlacht 
nicht  stattgefunden  haben.  Denn  bei  Thuk.  YII,  51  heisst  es  von  den  Syrakusanern: 
avfTTfiQtSvTO  Tj^u^gag  oant  «VToTg  f^oxow  ixttvttl  sltai  *  infiSrj  dk  xaiQog  ^v,  xjj  uh  TfQOTt- 
Qattt  etc.,  wonach  wir  wenigstens  3  Tage,  wahrscheinlich  aber  mehr,  zwischen  der 
Mondfinsterniss  und  der  ersten  Schlacht  annehmen  mlissen.  Setzen  wir  diesen  Zwi- 
schenraum auf  5  Tage ,  und  nehmen  wir  wieder  5  Tage  Zwischenraum  an  zwischen 
der  Ersten  und  zweiten  Seeschlacht,  so  fallt  die  erste  Seeschlacht  auf  den  3.  Sept., 
die  zweite  auf  den  9.,  der  Abmarsch  auf  den  11.,  und  der  Untergang  am  Assinaros 
auf  den  18.  September.  Wir  kommen  also  Grote  sehr  nahe  und  dürfen  die  Schlacht 
am  Assinaros  zwischen  den  18.  und  20.  September  ansetzen.  —  *^H  Hi^'tjxtv  rj  ffiSnaxfi 
yQ(tfiju(tttt  Zenob.  IV,  17.  —  Thesauros  der  Syrakusaner  in  Delphi  von  der  Beute  im 
athenischen  Kriege  Paus.  X,  11,  5.  —  Resum^  des  athenischen  Verlu.stes  Ael.  V  H 
V,  10:  240  Schiffe  und  40,000  Hopliten. 

S.  70.  Unendliche  Rede  des  Nikolaos  Diod.  XIII,  20—27.  Er  ist  ein  alter  sy- 
rakusanischer  Q^ii'^^i'»  ^^^  seine  beiden  Söhne  im  Kriege  verloren  hat  und  dennoch 
zur  Menschlichkeit  gegen  die  Gefangenen  rath,  während  Gylippos,  dessen  Rede  c.  28 
—32  berichtet  wird,  Härte  empfiehH. 

S.  70.  Beurtheilung  des  athenischen  Unternehmens  bei  Isoer.  de  pace  29,  wo 
die  Zahlen  richtiger  sind  als  bei  Diod.  XIII,  21.  ■—  In  Betreff  der  Beurtheilung  des 
Unternehmens,  seiner  Aussichten  auf  Erfolg  und  der  Gründe  seines  Misslingens,  spricht 
sehr  gut  Grote  IV,  173  n.  103  über  die  Stelle  bei  Thuk.  U,  65,  und  erklärt  dessen 
Behauptung  von  den  Athenern :  ov  t«  Trgoaffooa  roTg  of/o/n^k'oig  intyt.yvtooxovrfq  richtig 
dahin,  dass  sie  sich  besonders  auf  die  Abberufung  des  Alkibiades  beziehen,  die  dem 
Unternehmen  Schaden  brachte.  —  Unserer  Behauptung,  dass  der  Versuch  der  Athener 
der  einzige  war»  der  gemacht  worden  ist,  Osten  und  Westen  der  hellenischen  Welt  zu 
verbinden,  wird  man  nicht  das  Factum  der  Unternehmung  von  Alexander  und  Pyrrhos 
von  Epiros  entgegenstellen  wollen.  Diese  bedeuteten  im  Osten  so  gut  wie  nichts; 
sie  wären  immer  nur  Herren  Westgriecbenlands  geworden. 

S.  71.  Ich  glaube  eine  bei  Gelegenheit  der  Niederlage  der  Athener  durch  die 
sicilischen  Griechen  geschlagene  Münze  mit  Sicherheit  nachweisen  zu  köpnen.  Es 
ist  ein  geloisches  Didrachmon,  bekannt  gemacht  neuerdings  durch  Dr.  F.  Imhoof- 
Blumer  unter  den  Münzen  seiner  reichen  Sammlung,  welche  er  beschrieben  hat  in  den 
Berliner  Blättern  für  Münz-,  Siegel-  und  Wappenkunde  Bd.  V,  woselbst  es  auf  Tafel 
LIII  n.  8  abgebildet  ist.  Imhoof  beschreibt  dieses  Didrachmon  folgendermassen.  Ar.  5. 
gr.  8,  52.  rEAAZ.  Unbärtiger  Kopf  des  gehörnten  Flussgottes  mit  Diadem  linkshin, 
das  Ganze  in  einem  Lorbeerkranze.  Rev.  Behelmter  Reiter  rechtshin,  das  bärtige 
Gesicht  von  vom,  mit  flatterndem  Mantel,  mit  einem  Speer  in  der  erhobenen  Rechten, 
einen  ebenfalls  behelmten,  sonst  nackten  und  rücklings  zu  Boden  fallenden  Krieger 
erstechend,  welcher  sich  mit  einem  ovalen  Schild  zu  schützen  sucht.  Zu  dem  von 
I Imhoof  über  das  sonstige  Vorkommen  dieser  Münze  Bemerkten  kann  hinzugefügt  wer- 
den, dass  ein  anderes  Exemplar,  ans  dem  Funde  von  Schis6  herstammend,  sich  in 
der  Sammlung  de  Luynes'  befindet,  sowie  eins,  von  Imhoof  stammend,  in  Berlin 
(8.  SchubriDg,  Die  Münzen  von  Gela  in  den  Berl.  Bl.  u.  s.  w.  VI,  S.  148),  endlich, 
dass  diese  Münze  bereits,  mit  der  Inschrift,  beschrieben  ist  von  F.  Munter  in  seinem 
Anctarium  Siciliae  numismaticae,  in  den  Miscellanea  Hafniensia  p.  192,  wo  noch  be- 
merkt ist,  dass  nach  einem  Briefe  von  Calcagni  diese  Münzen  sich  nicht  selten  in 
Sicilien  fanden.  Imhoof  selbst  setzt  sie  in  die  zweite  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts. 
Wenn  wir  nun  berücksichtigen,  dass  die  ungewöhnliche  Lorbeereinfassung  des  Averses 
eine  Bedeutung  haben  muss,  und  femer,  dass  nach  Thuk.  VII,  33  die  Geloer  beson- 


"9* 


-^v 


4l6  Anhang  III.    Belege  und  Erlftuternngen. 

ders  durch  Reiterei  den  Syrakusaneiii  halfen,  während  die  Starke  der  Athener  in  den 
HopHten  beruhte,  wird  man  die  Deutung  nicht  unwahrscheinlich  finden «  dass,  sowie 
der  Avers  mit  dem  Kranze  auf  einen  Sieg  der  durch  den  Flussgott  vertretenen  Stadt 
Überhaupt,  so  der  den  Fusssoldaten  besiegende  Reiter  auf  den  Sieg  einer  durch  ihre 
Reiterei  starken  Stadt  Über  einen  durch  seine  Fusssoldaten  sich  auszeichnenden  Feind 
deutet.  Wir  haben  keine  grossere  Begebenheit  derjenigen  Zeit,  in  welche  Imhoof 
diese  Münze  setzt,  als  eben  die  Besiegung  der  Athener;  und  dass  die  Geloer  auf 
ihren  Antheil  an  diesem  Siege  stolz  waren,  lässt  sich  denken.  —  Gegen  diese  von 
Schubring  .am  angeführten  Orte  kurz  mitgethcilte  Deutung  hat  sich  neuerdings  erklärt 
A.  von  Sallet,  Zeitschrift  für  Numismatik,  Berlin  1873,  I,  S.  89:  „Auch  die  von  Holm 
herrührende  Deutung  des  Reiterkampfes  auf  den  seltenen  Didrachmen  von  Gela  (Im- 
hoof und  in  Berlin)  auf  den  athenischen  Krieg  ist  vOllig  zweifelhaft,  wenn  auch  diese 
Didrachmen  etwa  in  die  Zeit  unmittelbar  nach  dem  peloponnesischen  Kriege  fallen 
dürften.''  Als  Motiv  für  seine  Ablehnung  sagt  von  Sallet  vorher:  ,.es  liegt  nicht  im 
Charakter  der  griechischen  Kunst,  einzelne  —  Ereignisse  auf  ihren  officiellen  Denk- 
mälern zu  feiern."  v.  S.  wird  zugeben  müssen,  dass  Ausnahmen  von  dieser  Regel 
vorkommen  konnten.  Dass  sie  wirklich  und  zwar  in  Sicilien  vorkommen,  zeigen  die 
bekannten  selinuntinischen  Tetradrachmen,  welche  nach  allgemeiner  Annahme  die 
Reinigung  des  Stadtbodens  feiern.  £ine  solche  Ausnahme  war  denn  auch  wohl  hier 
gestattet  und  rechtfertigte  sich  durch  die  Grösse  des  Triumphes.  Eine  Betrachtung 
der  in  Frage  kommenden  Münze  zeigt  aber.,  wie  ich  meine,  dass  hier  wirklich  eine 
solche  Ausnahme  vorliegen  muss ,  denn  der  gestürzte  Krieger  findet  sich  nicht  auf 
allen  Münzen  mit  dem  kämpfenden  Reiter;  es  giebt  deren  ohne  ihn,  und  wo  or  fehlt, 
ist  das  Feld  der  Münze  ebenso  gut  gefüllt.  Er  ist  also  recht  eigentlich  ohne  künst- 
lerische Noth wendigkeit  hinzugefügt,  ja  mit  ein  wenig  Zwang  an  die  Seite  dea  Feldes 
gebracht.  Weist  das  nicht  darauf  hin,  dass  wirklich  äussere  Gründe  die  Veranlassung 
gaben,  ihn  hinzuzufügen?  Niemand  wird  läugnen,  dass  der  kämpfende  Reiter  die 
Volkskraffc  der  Geloer  bezeichnen  muss.  Wenn  dann  ein  besiegter  Fnsssoldat  hin- 
zugefügt wird,  muss  das  nicht  ein  besiegter  Feind  sein?  Auch  das  wird  man  nicht 
läugnen  können.  Und  warum  dann  nicht  die  Athener,  wenn  die  Münze  gerade  aus 
dieser  Zeit  ist,  und  die  Athener  eben  als  Hopliten  sich  auszeichneten? 

Indem  ich  mit  dem  Vorhergehenden  meine  Annahme  gegen  die  Zweifel  eines  so  ge- 
. wiegten  lifünzkenners  wie  von  Sallet  gehalten  zu  haben  glaube,  möchte  ich  auch  einen 
der  zahlreichen  syraknsanischeti  Tetradrachmentypen  als  bei  derselben  Gelegenheit 
geschaffen  erklären.  Dieses  Tetradrachmon  findet  sich  abgebildet  bei  Torr.  LXXVl, 
13,  jedoch  ungenau,  da  es  statt  —  ISIN  nur  —  iON  haben  kann.  Auch  bei  Mi 
Suppl.  n.  493,  und  im  Cat.  Santangelo  8495  sind  dieselben  Münzen  beschrieben, 
von  denen  sich  auch  im  Berliner  Kabinet  mehrere  Exemplare  finden.  Ihr  weib- 
licher Kopf  hat  eine  mit  einem  Mäander  gezierte  Haube  und  näher  der  Stirn  einen 
in  stärkerem  Relief  hervortretenden  Lorbeerkranz,  der  auf  den  meist  vemutzten 
Exemplaren  nicht  sehr  deutlich  hervortritt.  Ein  Lorbeerkranz  findet  sich  auf  dem 
Kopfe  des  Avers  der  syrakusanischen  Tetradrachmen  sonst  nur  auf  denjenigen, , 
welche  dem  für  das  Damareteion  gehaltenen  Dekadrachmon  gleichzeitig  sind  (Torr. 
LXXV,  4),  welches  selbst  ebenfalls  den  Lorbeerkranz  hat  (De  Luynes,  Choix  VIII,  1, 
Uultsch,  Damareteion  n.  1).  Bei  dem  Damareteion  deutet  der  Lorbeerkranz  sicher 
auf  den  Sieg  bei  Himera.  So  ist  die  Deutung  des  Kranzes  auf  unserem  Tetradrach- 
mon auf  einen  grossen  Sieg  der  Syrakusaner  durchaus  motivirt.  Da  es  nun  in  die 
zweite  Hälfte  des  5.  Jahrh.  v.  Chr.  gehört  (es  hat  —  /OiV),  so  ist  nicht  unwahrschein- 
lich, dass  es  bei  Gelegenheit  des  Sieges  über  Athen  geprägt  ist.  Man  durfte  den  Sißg 
am  Assinaros  dem  von  Himera  für  ebenbürtig  halten. 


ZuBnch  IV,  Kap.  10,  72—76,  u.  Buch  V,  Kap.  1,  Seite  77.  78.  417 


ZehntesKapiteL 

Quellen:  anfangs  Thuk.  VIII,  26.  28.  29.  45.  50.  78.  79.  83^85.  104—107;  sodann 
Xen.  Hell.  I,  1,  11—31;  2,  8-15;  3,  13,  nebst  Diod.  XUI,  34.  38-41.  45.  46.  47. 
49 — 51.  63—65.  lieber  die  Chronologie  Xenophon's  vgl.  £.  Yölkerling,  De  rebus  Si- 
cutis  etc.  Berol.  1868.  8.  p.  10—15. 

S.  72.  Nach  Diod.  XIII,  34  schicken  die  Syrakusaner  den  Lakedämoniem  35 
Trieren  zu  Hülfe,  die  XIII,  61  zurückkommen.  Siehe  o.  S.  373.  Nach  Diod.  XIII,  45 
hatten  in  der  Schlacht  bei  Dardanos  die  S3rrakusaner  ro  Xaihv  xigag. 

S.  76.  Bei  Pylos  sind  nach  Diod.  XIII,  64  die  Spartaner  xara  fthv  d^uXnjjav 
%v^€xu  vavatv,  wv  TjOav  al  fikv  ano  ZixikCag  nivit.  Nach  Diod.  XIII,  65  halfen  einige 
^x  2ixiUag  den  Megarem  gegen  die  Athener,  die  einen  Einfall  in  Megaris  machten. 

S.  76.  Hermokrates'  Betheiligung  an  der  Gesandtschaft  nach  Persicn  Xen.  Hell. 
I,  3,  13.    Vgl.  K.  Trieber  in  den  N.  Jahrb.  1870.  Bd.  101,  S.  185. 


Fünftes  Buch« 
Erstes  Kapitel* 

Ueber  die  nächste  Zeit  vgl.  bes.  £.  Yölkerling,  De  rebus  Siculis  ab  Athenien- 
sium  expeditione  ad  prioris  belli  punici  finem  gestis.  Berol.  1868.  8,  der  p.  10  ff.  über 
die  Chronologie  handelt. 

S.  77.  Mommsen,  B.  G.  I^  499  sagt,  dass  „nach  der  Vereitelung  der  grossen 
Entwürfe  des  Alkibiades  Syrakus  unbestritten  dastand  als  die  erste  griechische  See- 
macht.^ Sollte  das  nicht  immer  noch  Athen  gewesen  sein?  Nur  ein  Staat, mit  aus- 
wärtigen Besitzungen  oder  ein  solcher  mit  langer  Küstenstrecke,  hält  eine  wirkliche 
Seemacht.  Sonst  ist  sie  zu  kostspielig  und  wird  bald  vernachlässigt.  So  war  es  in 
Syrakns.  Wo  war  im  J.  406  die  syrakusanische  Seemacht  (Diod.  XIII,  80)?  Nur 
unter  Dionys  war  Syrakus  eine  Seemacht  von  Bedeutung ,  aber  auch  Dionys  bat  zur 
See  wenig  wirklich  geleistet. 

S.  77.  öylippos  und  die  Syrakusaner  Tim.  (Fr.  102  M)  ap.  Pfut.  Nik.  19.  28 
und  Comp.  Tim.  2.  Bekanntlich  hat  sich  später  Gylippos  durch  Unterschleif  entehrt 
Diod.  XIII,  106. 

S.  76.  Diokles  und  seine  Gesetzgebung.  Die  Schrift  J.  G.  Hubmann,  Diokles, 
Gesetzgeber  der  Syrakusaner.  Amberg  1842.  4.  kenne  ich  nicht.  Vgl.  auch  La  Mantia, 
Storia  della  legislaz.  civile  e  criminale  in  Sicilia.  I.  Pal.  1858  p.  96—100.  Diodor  han- 
delt von  D.  XUI,  33—^35.  Wichtig  auch  Ar.  Pol.  V,  3,  6:  h  IlvQaxovaaig  o  ^ijfjos 
afriog  ytvofAivog  r^g  vlxng  lov  noX/fiov  rov  nQog  l^-d^rfyfUovg  ix  noXnt(ag  dg  ^rj^ox^u- 
Tlav  fjLtUßnXar.  Nach  Diod.  XIII,  35  haben  auch  andere  Städte  Siciliens  des  Diokles 
Gesetze  gehabt,  bis  alle  Sikelioten  des  römischen  Bürgerrechtes  theilhaft  wurden. 
Diodor's  Schlussworte  deuten  auch  darauf  hin ,  dass  die  Quellen  über  Diokles  nicht 
sehr  klar  und  reichlich  flössen.  Tod  des  Diokles  Diod.  XIII,  33 ;  über  den  des  Cha- 
roudas  Diod.  XII,  19.  Wenn  Kephalos  und  Polydoros  nach  Diod.  XIII,  35  nur  iSriyyital 
Tov  vofAo&irov  wai'en,  so  beweist  dieser  Ausdruck  allerdings  noch  nicht  die  Un Ver- 
ständlichkeit der  Sprache.  Es  gab  an  verschiedenen  Orten  Exegeten  als  Amt:  in 
Sparta  einen  i^rjyrjTrig  imv  AvxovQydiovy  i^riytiral  oattav  xai  U^dSv  in  Athen ;  die  Exe- 
geten dienten  überhaupt  als  Ausleger  des  heiligen  Rechtes,  und  nur  im  übertragenen 
Sinne  als  solche   des  weltlichen.    Vgl.  Chr.  Petersen,    Das  heilige  Hecht  bei  den 

Holm,  Oeioh.  Bioiliens.  II .  27 


4t8  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen . 

Griechen.  Philologus.  Supplementbd  I,  S.  194.  —  Wem  die  Vermiithang  zu  gewagt 
scheinen  sollte,  dass  der  Gesetzgeber  Diokles  Jahrhunderte  früher  lebte,  der  erinnere 
sich,  dass  derselbe  Diodor,  der  ihn  in  das  5.  Jahrhundert  gesetzt  hat,  auch  den  Cha- 
rondas  in  das  5.  Jahrhundert  setzte.    Vgl.  auch  Br.  de  Pr.  p.  210. 

S.  78.    loh  stelle  hier  Notizen  Über  die  syraknsanische  Verfassung  der 
damaligen  Zeit ,  mit  Blicken  auf  andere  Zeiten ,  zusammen.     Eine  solche  Znsammen- 
stellung hat  bisher  besonders  Völkerling  p.  24  —  34  s.  angef.  Schrift  gemacht.    Was 
ihre  Entwiekelung  betrifft,  so  ist  nur  der  durch  Diokles  bewirkte  Umschwung  zur 
vollständigsten  Demokratie  zu  verzeichnen,   demokratisch  war  Syr.  schon  zur  Zeit 
des  athenischen  Krieges  regiert.  —  In  Betreif  der  Eintheilung  des  Volkes  ist  die 
dorische  in  3  Phylen  anzunehmen,   welche  sich  auch  ergiebt  aus  dem  Berichte  des 
Cicero  über  die  Wahl  des  Araphipolos  des  Zeus  ,(Verr.  II,  5})  ex  tribus  generibus, 
was  3  Phylen  bezeichnen  soll;  Cicero  hat  offenbar  nicht  ex  trifons  tribubus  sagen 
wollen.    Dass  die  Borgerverzeichnisse  nach  den  Phylen  geführt  worden,  sieht  man 
für  die  Zeit  des  athenischen  Krieges  aus  Plut.  Nik.  14:  aavidat,  lig  Sg  nnty^^tf  ovto 
xara  qvXuQ  avrovg  ol  ZvQnxoatot-,  diese  Tafeln  lagen  im  Olympieion  vor  der  Stadt. 
Vielleicht  hängen  mit  der  Eintheilung  des  Volkes  in  3  Phylen  auch  die  Zahlenver- 
hältnisse  von  Beamten  in  einzelnen  Fällen  zusammen.    So  Hesse  sich  die  Zahl  der 
Feldherrn  im  athenischen  Kriege  —  anfangs  15,  dann  3,  erklären.    Man  könnte  auch 
die  Zahl  der  Vormünder  für  Hieronymus:  15  nach  Liv.  XXIV,  6,  damit  in  Verbindung 
bringen.    Vielleicht  steht  damit  auch  die  nicht  selten  vorkommende  Zahl  der  aiis- 
erwählten  Soldaten:  600,  in  Verbindung.    Wir  finden  diese  bei  Diod.  XI,  76;  Tbuk. 
VI, '96  und  VII,  43;  Polyaen.  I,  43,  1.   Bei  Diod.  XXII,  13  sind  jedoch  200  Hesse- 
nier  darunter.    In  zwei  andern  Fällen,  wo« auch  die  Zahl  600  vorkommt,  kann  sie 
ebenfalls  nicht  mit  der  Phylenzahl  in  Beziehung  gebracht  werden:   Diod.  XIII,  95, 
Leibwache  des  Dionys,  und  XIX,  5.  6,  Hetärie,  welche  die  Stadt  beherrscht  und  von 
Agathokles  gestürzt  wird.    Jedenfalls  ist  die  Vorliebe  für  die  Zahl  600  bemerkena- 
werth.  —  Dass  die  Phylen  die  Grundlage  der  Heereseintheilung  bildeten,  ergiebt  sieh 
schon  aus  dem  Charakter  des  Volksheeres  und  wird  bewiesen  von  Thuk.  VI,  100: 
ol  filv  Xvoaxoaioi  7  vlriv  filav  xaraXtnoytfg  ifvXnxa  rov  otxodofiiifjLttrog  etc.  Nach  Thuk. 
III,  90  ordneten  sich  auch  die  Messenier  so.  —  In  politischer  Beziehung  erweist  sich 
schon  vor  Diokles  der  Hanptsitz  der  Macht  als  in  der  Volksversammlung  ruhend; 
vgl.  die  Geschichte  des  Duketios  und  des  athenischen  Krieges,  sowie  Thuk.  VII,  55. 
Vorsitzende  der  Volksversammlung  sind  nach  Thuk.^VI,  41  die  ür^nttiyüi,'  von  denen 
alsbald  die  Rede  sein  wird.    Diod.  Xli  92  heissen  diese  Vorsitzenden  «Qx^ng^  und 
ebenso  XIII,  91.    An  letzterer  Stelle,  wo  die  Volksversammlung  geschildert  wird,  in 
der  Dionjrs  die  bestehende  Regierung  stürzt,  wird  erzählt,  dass  Dionys  die  azQartfyoi 
anklagt,  und  dass  die  uQ^ovreg  ihn  deswegen  mit  Strafe  belegen.    Es  ist  nach  dem 
Zusammenhang  unwahrscheinlich,   dass  diese  ttQ^rovTtg  die  OTQariiyoi  selber  waren. 
Also  hat  sich  damals  das  zur  Zeit  des  athenischen  Krieges  bestehende  Verhältnisa, 
dass  die  Feldherren  in  den  Volksversammlungen  präsidirten,  geändert.    Nun  ist  nach 
Diod.  Xm,  34  durch  Diokles  eingeführt  worden,  xXri^tp  rag  n^itg  6ioix(ia&at,  nnd 
doch  ersehen  wir  aus  Diod.  XIII,  91 ,  dass  eben  diese  Vorschrift  bei  der  Wahl  der 
Feldherm  nicht  zur  Anwendung  kam.    Wir  haben  also  anznnehmen,  dass  ein  Paukt 
der  diokleischen  Vervollständigung  der  Demokratie  darin  bestand,  dass  die  crr^anf^ 
von  der  Leitung  der  Volksversammlung  entbunden  wurden  und  dieselbe  dnroh's  Loos 
gewählten  Beamten  zufiel.  In  der  Discussion  kann  nach  Thuk.  VI,  41  der  Vorsitzende 
das  Wort  verweigern;  bei  Diod.  XIII,  91,  nach  der  Zeit  des  Diokles,  ist  ihm  nicht 
mehr  gestattet ,  einem  Redner  das  Wort  zu  entziehen ,  er  kann  nur  noch  eine  Geld- 
strafe auflegen.    Nach  Plut.  Apophth.  reg.   (Hutt.  VIII  p.  S9)  fand,  als  Dionys  d^ 
der  Tyrannis  bemächtigte,  in  der  Volksversammlung  cur  Bestimmung  der  Reihenfolge 


Zu  Buch  y,  Kap.  1,  Seite  78.  419 

der  Bedner  eine  Losung  statt,  bei  welcher  das  Alphabet  benutzt  wurde.  Da  sich  bei 
Thuk.  VI,  32  ff.  und  Diod.  XIII,  19.  28  keine  Hindeutung  auf  ähnliches  findet,  und 
Diokles  ja  überhaupt  das  Loos  einführte,  so  ist  anzunehmen,  dass  auch  diese  Losung 
der  Redner  eine  von  Diokles  eingeführte  demokratische  Massregel  war.  Für  den  Modus 
der  Abstimmung  in  der  Versammlung  kommen  folgende  Ausdrücke  vor:  /ff^orovf/i^f/^ 
von  der  Wahl  zum  Feldherrn  (Gelon)  bei  Polyaen  I,  27,  1  ;  i/;j;f/ /^£öf.^cr  bei  Diod. 
XIII,  43  und  Öfter;  bei  Diod.  XI,  92  (Sache  des  Duketios)  wird  die  Sache  durch 
o  ^rjfios  fßo«,  abgemacht.  —  Omina  waren  für  die  Verhandlungen  von  Einfluss :  ß^ov- 
tal  und  öioarifiiat.  verhindern  in  Dion's  Zeit  die  Wahlen  von  Feldherren.  Dass  Volks- . 
Versammlungen  auch  unter  Dionys  bestanden,  zeigt  die  Geschichte  desselben,  z.  B. 
Diod.  XIV,  64  und  Arist.  Oecon.  1349  A  34  Bekker,  —  Unter  dem  Volke  in  Waffen 
haben  eine  zugleich  militärische  und  politische  Bedeutung  die  InnfTg,  als  welche  nur 
Wohlhabende  erscheinen:  Diod.  XIII,  11-2;  XIV,  7.  9.  44.  64;  Plut.  Dion  42.  44  — 
hier  werden  Innug  und  yt'tüQi/joi  zusammengestellt.  Die  inmls  waren  auch  in  Sparta 
die  Blüthe  der  Jugend.  Die  Krieger  von  Syrakus  erhielten  atviiQiatov,  Verpflegungs- 
geld :  Polyaen.  I,  43,  1 ;  bei  Diod.  XIII,  95 ,  wo  offenbar  von  den  syrakusanischen 
Bürgern  und  nicht  von  Söldnern  die  Rede  ist,  heisst  es  /uia^Sg,  Nach  Thuk.  VI,  72 
müssen  sich  die  Bürger  selbst  ihre  Waffen  verschaffen ;  es  sind  also  nur  Wohlhabende 
Hopliten  und  natürlich  erst  recht  nur  solche  Reiter,  in  deren  Corps  sich  also  natur- 
gemäss  die  reichere  Jugend  sammelte.  Die  Würde  eines  XnnuQxog  kommt  bei  Polyaen. 
I,  43,  1  vor.  Eine  besondere  Gattung  Reiterei  waren  die  bei  Herod.  VII,  158  erschei- 
nenden IniioSQOfioi  \i/ilol.  — ■  Nach  Thuk.  VI,  68  kämpfen  die  Syrakusaner  nnv^riful, 
d.  h.  alle  Waffenfähigen  bis  zu  einem  gewissen  Alter  treten  unter  Waffen;  i^^raatg 
und  xardloyos  tcöv  iv  ^^Xixhf  werden  Plut.  Nik.  14  erwähnt.  —  Die  Beamten  des 
Staates  werden  natürlich  vom  Volke  gewählt:  Thuk.  VI,  72.  73,  und  werden  von 
demselben  abgesetzt  Thuk.  VI,  103,  auch  noch  nach  Diokles  die  OTQaTrjyoi  Diod. 
XIII,  91.  In  Betreff  der  Zahl  der  atQajuyol  herrscht  grosser  Wechsel.  Im  atheni- 
schen Kriege  anfangs  15,  dann  3  (Thuk.  VI,  72.  73).  Vor  Dionys  nach  Plat.  Ep.  VIII, 
354,  wo  übrigens  ein  historischer  Irrthum  in  der  Sache  vorkommt,  10;  22  kommen 
vor  Plut.  Dion  29;  25  bei  Plut.  Dion  38;  während  der  Belagerung  durch  Marcellus 
werden  6  gewählt,  Liv.  XXV,  29;  2  Feldherren  kommen,  in  gefährlicheren  Zeiten, 
vor:  Polyb.  I,  8;  Plut.  Dion  3.  Neuwahlen  fanden  zu  Dion*s  Zeit  ^igovg  /ueöovyTog 
statt:  Plut.  Dion  38.  lieber  die  Befugnisse  eines  ajQaT'^og  (in  diesem  Falle  aller- 
dings nur  ein  einzelner)  ist  Diod.  XIX,  6  lehrreich,  wo  Agathokles  als  Feldherr 
xvQiog  irig  ^vvafiiiog  ist;  sowie  aber  ein  auswärtiger  Krieg  droht,  kann  er  xttrayQa- 
(f€iv  ovg  nQoatqoUo  OTgarKÖTag;  fÜr  gewöhnlich  hat  der  Feldherr  also  nur  das  Bür- 
geraufgebot zu  seiner  Verfügung.  —  Von  anderen  Beamten  sind  aus  Phylarchos  (Fr. 
45  M )  bei  Ath.  XII,  521  ywaixovofioi  bekannt,  ohne  deren  Erlaubniss  die  Frauen 
selbst  am  Tage  nicht  ausgehen  durften.  Es  werden  gewisse  Bedingungen  hinzuge- 
kommen, sein,  und  schliesslich  war  es  nur  eine  Fixirung  der  Sitte.  Auch  durften  nach 
demselben  die  syrakusanischen  Frauen  (Jiri  xoofAeta&at  j^Qvat^f  jlijj^  «v&ivä  qogtTv  ^j\if 
ia&rjTftg  l/fif  noQtf'VQfig  i^Qvaag  naQvtfng,  ^«v  firi  rtg  avriov  ff^X^QV  ^t<^^P<<  elvm 
xoiv^.  — •  Um  zur  Bekleidung  eines  Amtes  fähig  zu  sein,  war  beim  Beginn  des  athe« 
nischen  Krieges  nach  Thuk.  VI,  38  ein  gewisses  Alter  erforderlich.  —  Einer  beson- 
deren Besprechung  bedarf  der  Charakter  der  cfif^oi;  nQoaTarai.  Sie  kommen  vor 
Thuk.  VIi  35;  Diod.  XIII,  91.  92.  Manche  haben  in  ihnen  Beamte  gesehen,  so  Völ- 
kerling,  der  sie  mit  den  Volkstribunen  Roms  vergleicht.  Wenn  derselbe  jedoch  (p.  31 
n.  6)  bei  Diod.  XIII,  91  eine  creatio  der  ^ij/nov  nQoataTai  angegeben  findet  und 
ebendaraus  auf  das  Vorhandensein  eines  förmlichen  Amtes  dieses  Namens  schliesst, 
so  ist  der  Qrund  nicht  zutreffend,  denn  bei  Diod.  XIII,  91  sind  unter  den  n^oaraTat 
die  atQ»Trjyo£  zu  verstdien.    Auch  XIII,  92  ist  der  ngoaraTrig  Dionysios  argarrjyog. 

27* 


420  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

Die  Wahl  bezieht  sich  also  auf  die  Strategenwürde,  nicht  auf  die  zum  naoaranig. 
^rifioif  n^arartti  wurden  vielmehr  in  Syrakus  diejenigen  genannt,  welche  ohne  ein 
speciell  dazu  berechtigendes  Amt  es  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hatten,  das  Volk  von 
Syrakus  in  seinen  Rechten  zu  schützen.  Auch  in  vielen  anderen  Städten  kommen 
öiifjiov  nQoajdrai  vor,  von  Müller,  Dorier  II,  139.  136  fUr  Beamte  gehalten,  so  in 
Argos,  in  Mantineia  (Xen.  Hell.  V,  2,  3).  Bemerkenswerth  ist  auch  die  Stelle  ans 
Theopomp  St.  B.  S.  v.  /Ivfjifi :  nQoojttrai  <fi  r»)^  TtoXfiof  tionv  tiSv  fih  ZvQmtovalmv 
^/ifhjyis  xnl  'U^ct3eksiJfig ,  Tiuy  Je  fitaS^otfoQutv  ^yiQxiXaos ,  WO  allerdings  eine  wirkliche 
Regierung  der  Stadt  gemeint  ist;  aber  diese  Stadtvorstcher  haben  mit  den  Volksvor- 
stehem  nichts  zu  thun.  Schömann,  Gr.  Alt.  I,  1S4  sagt:  „Stellen,  in  denen  man  an 
ein  Amt  zu  denken  genOthigt  wäre ,  giebt  es  keine.''  Gewisse  Stellen  beweisen  da^ 
gegen  deutlich,  dass  man  unter  noonraxn^  sich  keinen  Beamten  zu  denken  pflegte. 
So  heisst  bei  Xen.  Mem.  I,  2,  40  Perikles  nQoatärfie  Tif^  nolitog,  wo  doch  kein  Amt 
gemeint  ist,  und  in  der  akragantinischen  Inschrift  C.  I.  Gr.  n.  5491,  wo  die  nQoiattt' 
fiei'Qt  rot)  ^lifÄov  gepriesen  werden,  ist  unter  diesen  sogar  ein  Fremder.  S.  auch  Gröte 
IV,  142  n.  39.  —  Nicht  ohne  politische  Bedeutung  waren  die  Diener  —  vnniQirnt  — 
der  Behörden;  s.  hierüber  unten  in  der  Geschichte  des  Dionys.  —  Eine  Losung  der 
Richter  hat  man  geschlossen  aus  Diod.  XIII,  91 ,  wo  Dionys  dem  Volke  den  Rath 
giebt,  Tov  xara  rovg  vofious  xlrjgoy  zur  Venirtheilung  der  Feldherren  nicht  abzuwarten, 
d.  h.  wahrscheinlich  die  zu  bestimmter  Zeit  eintretende  Wahl  der  Richter  durch  das 
Loos.  —  Ueber  die  Finanzen  von  Syrakus  spreche  ich  unten  bei  Gelegenheit  der- 
jenigen des  Dionys.  —  Mit  dem  Begriff  Bürger  ist  der  des  Grunde igenthttmers  eng 
verbunden,  auch  noch  zur  Zeit  des  Dionys;  s.  Diod.  XIV,  10;  doch  giebt  es  unter 
Dionys  auch  einen  o;rXoi  ano  Ttjg  x^Q^if  d-  h.  ländliche  Arbeiter  ohne  Verm($gen,  die 
nicht  etwa  Sklaven  sind:  Diod.  XIV,  18.  —  In  Betreff  der  Sklavenverhältnisse  ist 
die  Geschichte  bei  Polyaen.  I,  43,  1  bemerkenswerth.  Die  sich  empörenden  Sklaven 
sind  offenbar  griechischer  Herkunft ;  aus  irgend  einer  unterworfenen  Stadt  stammend. 
Unter  Dionys  wurden  Sklaven  bisweilen  in  Freiheit  gesetzt  und  bewaffnet.  Unterricht 
für  Sklaven  in  Syrakus  Ar.  Pol.  I,  2,  2.  —  Bemerkenswerth  ist  schliesslich  noch  die 
Stelle  Demosth.  Lept.  161 ,  wo  die  Syrakusaner  vor  Dionys  als  ^tifioxoatovft^roi  xal 
(f-oQovg  KaQx^^oviovg  nQariofifvot  bezeichnet  werden.  Damach  hätten  sie  von  den 
Karthagern  Abgaben  eingetrieben.  Aber  wir  können  nicht  sagen,  in  welcher  Weise 
dies  geschah.  Vielleicht  geht  es  nur  auf  Steuern,  die  man  in  Syrakus  von  karthagi- 
schen Kaufleuten  erhob,  welche  dort  sich  niedergelassen  hatten.  Denn  es  ist  kaum 
anzunehmen,  dass  karthagische  Ortschaften  Siciliens  den  Syrakusanem  zinspflichtig 
gewesen  wären,  und  auch  aus  einer  Stelle  des  Timaios  (Fr.  89  M}  beim  Schol.  Pind. 
Pyth.  II,  3,  wonach  Gelon  den  Karthagern  auflegte  /^j^/ürtrix  (fg<fiQ6tv,  kann  man 
nicht  schliessen,  dass  dies  eine  regelmässig  wiederkehrende  Abgabe  gewesen  sei. 

S.  78.  Krieg  zwischen  Syrakus  und  den  chalkidischen  Städten. 
Lys.  Or.  20,  24  ff. ;  der  oben  erwähnte  Sohn  des  Polystratos  hat  den  Katanäem  als 
Reiter  dienen  müssen.  Allerdings  ficht  Scheibe  (Lysias  ed.  Teubner  1872  p.  LI)  diese 
Deutung  an  und  will  unter  Aenderung  des  Textes  die  Notiz  auf  frühere  Zelten  be- 
ziehen. Doch  sind  Aenderungen  unnöthig  und  die  Deutung  auf  früheres  unwahr- 
scheinlich. Diod.  XIII,  56.  Diod.  XIII,  95.  ist  Leontini  im  J.  405  v.  Ohr.  ff^v^ov 
Toig  2vQaxova£oig\  auch  kommen  Akragantiner  dahin  Diod.  XIII,  89. 

S.  79.  Expedition  der  Karthager  nach  Sicilien.  Diod.  XIII,  43.  44 
über  den  Ursprung  des  Krieges.  Ueber  die  karthagischen  Verhältnisse  s.  A.  Schäfer, 
Zur  Geschichte  von  Karthago,  im  Rhein.  Museum  XV,  p.  398  ff.,  sowie  VOlkerling, 
p.  37—43.  Man  hat  für  das  Jahr  409,  wie  für  480,  die  Frage  aufgeworfen,  ob  Kar- 
thago freiwillig  und  gern  oder  ungern  und  gezwungen  den  grossen  Krieg  führte. 
Diese  Frage  wird  für  das  J.  409  in  ersterem  Sinne  beantwortet  von  Niebahr,  Vorträge 


Zu  Buch  V,  Kap.  I,  Seite  78—81.  421 

r 

Über  alte  Geschichte  III,  199.  Die  BetrachtuDg  der  Sachlage  giebt  die  richtige  Ant- 
wort. Die  Politik  Karthago's  verlangte,  die  Westspitze  Siciliens  nicht  ans  den  Händen 
zu  geben.  Deshalb  niussten  die  Karthager  thnn,  was  zu  deren  Behauptung  nöthig 
war,  und  das  thaten  sie.  Die  Mittel  zur  En-eichung  dieses  Zweckes,  der  fUr  sie  eine 
Lel)ensfrage  war,  mussten  sich  nach  der  Grösse  der  gegnerischen  Kräfte  richten. 
Erobenings-  und  Rachekriege  waren  als  solche  der  Stadt  Karthago  fremd;  aber  de» 
Feldherren  ward  soviel  Spielraum  gelassen,  dass  die  von  der  Stadt  beschlossenen 
Kriege  dazu  ausarten  konnten.  Vgl.  auch  die  Bemerkungen  in  der  Abhandlung  von 
0.  Meltzer,  Vorarbeiten  zur  Geschichte  der  Karthager  auf  Sicilien  bis  zum  J.  415. 
Dresden  1S69.  8.  bes.  8.  33—35. 

Das  Haus  Magon's. 
Magon 

I 

Hannon 


Hasdrubal Hamilkar 

Hannibal    HasdTSSaf  Sapho  , fbeimmera 

(lustin.  AlX,  1. 2).        Himilkon       Hannon  II  Gisgon 

s.  Schäfer  R.  M.    \  in  Selinus 
XV,  397—400 

Himilkon  tOdtet        Hannibal 
sich  396  V.  Chr.    f  vor  Akragas. 

S.  81.  Kampf  gegen  Selinus.  Quelle  Diod.  XIII,  54  —  59.  Zu  den  Bd.  I 
S.  394  genannten  Schriften  Über  Selinus,  kommen  seitdem  noch :  Bullettino  della  Com- 
missione  di  Antichita  e  Belle  Arti  di  Sicilia  n.  4.  Pal.  1871.  4  mit  Artikeln  von  S.  Ca- 
vallari  und  mir;  dasselbe  Bullettino  n.  5.  Pal.  1872  mit  einem  topographischen  Auf- 
satze von  S.  Cavallari  und  einer  Karte  von  dessen  Sohn,  ^dem  Ingenieur  Cristof. 
Cavallari;  sodann  Anzeige  des  Bullettino  n.  4  im  Bull,  des  Instituts,  Rom  1872,  durch 
0.  Benndorf;  J.  Schubring,  Die  neuen  Entdeckungen  von  Selinunt,  Archaeol.  Ztg. 
1873,  nebst  Taf.  71 ,  einer  verkleinerten  Wied(*rgabe  der  Karte  in  Bull.  5;  0.  Benn- 
dorf,  Die  Metopen  von  Selinunt,  mit  Untersuchungen  über  die  Geschichte,  die  Topo- 
graphie und  die  Tempel  von  Selinunt,  Berlin  1873.  4  und  Bullettino  della  Commiss. 
n.  6.  Pal.  1S73.  mit  Aufs,  von  S.  Cavallari.  Manches  ist  endlich  noch  in  den  ver- 
schiedenen Schriften  Über  die  von  Cavallari  entdeckte  Inschrift  im  ApoUonion  von 
Selinus  enthalten,  deren  Bibliographie  hier  nicht  gegeben  werden  kann.  Sie  fin- 
det sich  bei  Benndorf,  Metopen,  S.  27;  hinzugekommen  sind  seitdem  G.  Frosina- 
Cannella,  Sopra  Tiscriz.  greca  ultfmamente  trov.  in  Selinunte,  Rom.  1872.  4  und  die 
neueste  Publication  der  Inschrift  iü  A.  Saunas,  Relazione  del  real  museo  di  Pa- 
lermo, Pal.  1873.  4.  Tav.  2,  der  p.  50  und  51  ebenfalls  bibliographische  Notizen  Über 
die  Erklärung  der  Inschrift  giebt.  —  Die  Stadt  Mazara  wird  bei  Diod.  XIII,  54  als 
das  IfjL-noQiov  am  Flusse  Mazaros  bezeichnet;  Ma^nQfi  von  St  B.  als  (/qovqiov  ZfXt- 
vovvtCwv  bezeichnet;  bei  Diod.  XXIII,  9  i6  MatnQiv  ((qovqiov  genannt.  Vgl.  über 
diese  Stadt  Schubring,  Topogr.  von  Selinus,  S.  36  ff.  Bei  Diod.  XIII,  54  steht  femer 
tU  ^vo  fjii{}ri  dnlli  xr\v  ^vrautr ,  was  nicht  mit  Reinganum ,  Selinus  S.  75  durch  die 
zwei  Theile  sich  erklärt,  in  welche  die  Stadt  Selinus  zerfUtlt,  sondern  durch  die  von 
den  Karthagern ,  wie  diesmal ,  so  in  der  ersten  Belagerung  von  Himera  481 ,  in  der 
zweiten  409,  in  der  von  Akragas,  endlich  wenigstens  in  ähnlicher  Weise  in  der  von 
Syrakus  396  befolgten  Praxis,  eiuen  Theil  des  Heeres  als  Reserve  aufzustellen.  — 
Da  die  Entfernung  von  Selinus  nach  Syrakus  ca.  140  Millien  beträgt,  so  hätte  bei  der 
neuntägigen  Dauer  der  Belagerung  ganz  gut,  was  ich  gegen  VOlkerling  p.  51  be- 


:\  ,< 


A  . 


422  Anhang  lU.    Belege  und  ErlKuteningen. 

merke,  Hülfe  auB  Syrakus  zu  rechter  Zeit  kommen  können.  Die  Boten  konnten  in 
2  Tagen  nach  SyrakuB  gelangen,  die  Syrakusaner  in  5  Tagen  nach  Seiinas.  '—  In 
Betreff  der  Truppenzahl  folgt  Diodor,  wie  man  aus  den  Angaben  über  die  Belagerung 
von  Himera  sieht,  den  Berichten  des  Timaios.  Yölkerling  49  setzt  in  diesen  Krieg 
die  Geschichte  des  Theron  Polyaen.  I,  28,  2  (s.  Bd.  I,  S.  153)  und  nimmt  bei  Diod. 
XIII,  59  die  handschriftliche  Lesart  avfAnnffovTixtog  an,  indem  er  die  Oonj.  Reiske's 
ap/iißfßovUvx^g  abweist;  doch  passt  Yölkerling's  Deutung  von  aufineiftitv.  wegen  der 
Worte  rotg  noUiaig  nicht.  —  Die  Einwohnerzahl  von  Sei-  schätzt  Volk.  47  nach  Diod. 
XIII,  57.  58  auf  30,000;  da  16,000  ermordet,  5000  ge&ngen  wurden,  2600  nach  Akra- 
gas  flüchteten,  endlich  Viele  in  den  Häusern  verbrannten ,  so  mögen  wohl  30,000  und 
mit  den  Sklaven  60,000  herauskommen.  Schubring  S.  24.  25  seiner  ersten  Abh. 
nimmt  24—30,000  streitbare  Männer  an,  aber  die  16,000  Getödteten  sind  nicht  bloss 
Männer,  und  die  6000,  welche  Uermokrates  nach  Diod.  XIII,  63  als  Bürger  nach 
Selinus  verpflanzt,  sind  nicht  bloss  ehemalige  Selinuntier.  CavaÜari  im  Bull.  d.  Comm. 
V,  p.  8  schätzt  nach  dem  Flächeninhalt  der  Stadt  ihre  Einwohnerzahl  auf  40,000. 
Wenn  wir  für  den  von  ihm  nicht  mitgerechneten. Osttheil  20,000  annehmen,  so  kommt 
auch  die  Zahl  von  60,000  heraus,  die  jedenfalls  nicht  zu  hoch  gegriffen  ist,  da  die  Stadt 
Diod.  XIII,  44  als  nolvavSqovaa  bezeichnet  ist.  —  Die  Strassen  von  Selinus  anvtonoi 
genannt,  Diod.  XIII,  56.  Es  ist  nicht  leicht,  die  vorhandenen  Ruinen  von  Selinus  mit 
der  Darstellung  der  Belagerung  und  Eroberung  der  Stadt  durch  Diodor  in  Einklang  zu 
bringen.  Ich  darf  hier  wohl  von  Schubring's  anfMnglicher  Ansicht  (Topogr.  von  Se- 
linus S.  30}  absehen,  wonach  eine  doppelte  Mauer  vorhanden  war  und  die  innere  erst 
am  9.  Tage  fiel,  da  er  sie  in  seiner  zweiten  Abh.  (1873)  aufgegeben  hat,  wie  denn 
in  der  That  der  Text  Diodor's  sie  nicht  stützt.  Es  ist  auf  die  anfangs  von  Seh. 
weniger  berücksichtigte  Stelle  Diodor's  (XIII,  57)  zu  achten:  hU  ^^  ^n^  «yoQtiv  avr- 
d^afji^vnov  füv  2^Xivow%ifov,  woraus  sich  ergiebt,  dass  nach  Eroberung  der  Mauern 
die  Einwohner  auf  den  Markt  zusammengedrängt  werden,  wobei  besonders  zu  beach- 
ten ist,  dass  die  Akropolis  keine  Rolle  in  der  Vertheidigung  spielt.  Es  ergeben  sich 
hieraus  zwei  Fragen.  Wo  war  die  Agora  von  Selinus?  Warum  kommt  die  Akropolis, 
die  doch  jetzt  noch  deutlich  ummauert  ist,  gar  nicht  bei  der  Erstürmung  der  Stadt 
vor?  1)  Die  Agora  setzte  Schubring  anfangs  in  die  Senkung  zwischen  Akropolis  und 
Nordstadt.  Nachdem  aber  Cavallari  (Bull.  5)  sie  innerhalb  der  Akropolis  gesetzt,  hat 
auch  er  sich  dieser  Ansicht  angeschlossen,  wogegen  Benndorf  eine  dritte  Ansicht 
aufgestellt  hat.  B.  ist  nämlich  der  Meinung,  dass  Selinus  von  An&ng  an  ebensowohl 
auf  dem  Osthügel  wie  auf  dem  Westhügel  lag,  „wie  die  Mutterstadt  Megara  sich  um 
eine  doppelte  Akropolis  ausbreitete''  (S.  6) .  So  umschloss  auch  den  Oßthttgel  dieselbe 
gemeinsame  Befestigung  (S.  13).  Demgemäss  nimmt  er  an,  dass  zwischen  Ost-  und 
Westhügel  in  der  Nähe  des  Hafens  sich  der  Markt  befunden  habe,  nach  der  Vor- 
schrift Vitruv's  (I,  7,  IJ,  „der  innere  etwas  höher  gelegene  Theil  des  mittleren  Thaies 
war  ohne  Zweifel  vorzüglich  dafür  geeignet"  (S.  14).  Nach  dieser  Ansicht  Benndorf  s 
ist  Selinus  von  vom  herein  eine  sehr  grosse  Stadt,  und  es  ist  das  jeden^Us  sehr 
bemerkenswerth,  dass  der  Tempel  F  architektonisch  den  Tempeln  C  und  D  sehr  nahe 
steht,  sodass,  da  diese  in  die  älteste  Zeit  der  Stadt  gehören,  auch  der  Ursprung  von 
F  und  somit  Anlagen  auf  dem  Osthügel  in  eine  sehr  alte  Zeit  gehören  müssen.  Den- 
noch ist  aus  der  Natur  des  Terrains,  welches  West-  und  Osthügel  trennt,  ein  Ein- 
wurf gegen  Benndorfs  Ansicht  zu  entnehmen.  Es  ist  so  wasserreich,  dass  es  passen- 
der als  die  Grenze  der  Stadt  betrachtet  wird.  Dazu  stimmt  auch  die  auf  CavallarFs 
neuer  Karte  deutlich  hervortretende  Erstreckung  eines  Hafenbeckens  weit  in's  Land 
hinein  zwischen  Ost-  und  Westhügel.  So  ziehe  ich  denn  vor,  die  älteste  Stadt  Se- 
linus nur  westlich  von  diesem  Hafenbecken  anzusetzen ;  der  Süd-  und  der  Nordhügei 
entsprechen  den  beiden  megarischen  Akropolen,  und  die  Agora  war  östlich  von  der  sie 


Zu  Buch  y,  Kap.  1,  Seite  82—84.  423 

trennenden  Senkung,  nach  dem  Hafen  zu.  In  Betreff  des  Osthtigels  nimmt  Cävallari, 
Bull.  n.  6  p.  17  an :  „che  cola  fosse  un  sacro  recinto  destinato  a  celebrarri  feste  nazionali, 
dove  potevano  liberameute  concorrere  anche  gfi  antichi  abitatori  di  tntto  11  territorio 
Selinuntino,  senza  avere  il  bisogno  di  penetrare  ncIF  Acropoli  e  nella  cittä.''  2)  Um- 
mauerung  der  Akropolis.  Dass  der  jetzt  als  Akropolis  bezeichnete  Stadttheü,  dessen 
Mauern  in  ihrem  gegenwärtigen  Zustande  allerdings  von  Hermokrates  herrühren,  doch 
schon  vor  Hermokrates  Mauern  hatte,  ergiebt  sich  daraus,  dass  die  vorhandenen 
Mauern  drei  verschiedene  Constructionsweisen  zeigen,  welche  Bull.  d.  Comm.  n.  4f 
p.  8  und  n.  5,  p.  2  und  7  charakterisirt  worden  sind.  Von  diesen  besteht  die  erste 
aus  dein  Stein*  des  Hügels  selbst  und  ist  stufenförmig  nach  aussen  angelegt  (was  viel- 
leicht die  Annahme  von  grossen  Treppen  veranlasste,  die  zur  Akropolis  hinaufführen 
sollten,  und  die  Benndorf  S.  11  n.  1  auf  andere  Weise  erklärt);  die  zweite  besteht 
aus  besserem  Stein  und  ist  kunstgerechter  gemacht;  die  dritte  kennzeichnet  sich  als 
in  Eile  und  durch  Hermokrates  gemacht  dadurch,  dass  sie  architektonische  Fragmente 
enthält.  Es  sind  also  n.  1  und  2  älter  als  Hermokrates.  Dass  nun  dennoch  diese 
Befestigung  keine  Rolle  bei  der  Belagerung  spielte,  scheint  mir  von  der  von  Diodor 
bezeugten  Vernachlässigung  der  Mauern  der  Stadt  herzurühren,  Diod.  XUI,  55 :  rdiv 
xdXfov  ot'tT  fivrivovv  intfAiluav  mnoirj/iivot .  So  werden  sie  besonders  auch  die  Mauer 
zwischen  Akropolis  und  Stadt  vernachlässigt  haben,  schon  um  nicht  durch  eine  starke 
gegen  die  Stadt  gesicherte  Burg  es  einem  Bürger  zu  erleichtern,  Tyrann  zu  werden, 
lieber  die  Belagerung  sagt  Schubring  (Arch.  Ztg.),  dass  der  nürdliche  Theil  der  Stadt 
bestürmt  wurde.  „Gerade  der  nördliche  Theil  der  Stadt  hatte  die  alten,  schwachen, 
nie  ausgebesserten  Mauern,  die  erwähnt  werden,  und  die  fast  spurlos  verschwunden 
sind.  Die  Thürme  der  Karthager  standen  im  Thale;  der  Kampf  um  die  mit  4en 
Widdern  bald  eingestossenen  Mauern  dauerte  auf  den  Abhängen  neun  Tage ;  am  zehn- 
ten Tage  zog  sich  der  Strassen-  und  Barrikadenkampf  von  Norden  nach  Süden  und 
wurde  Abends  auf  der  Agora  im  Süden  entschieden." 

S.  83.  Kampf  gegen  Himera.  Diod.  XHI,  59-62.  In  c.  61  ist  dion^Q  iifalvno 
falsch.  Was  hierauf  folgt,  ist,  wie  aus  dem  Folgenden  sich  ergiebt,  Bath  des  Diokles ; 
es  müsste  also  heissen :  6i6niQ  hpri  avfjiq^QHv  avroig.  —  Abweichende  Ansichten  über 
den  Ursprung  des  den  Abzug  der  Syrakusaner  bewirkenden  Gerüchtes  Grote  V,  637; 
über  den  Abzug:  Niebuhr,  Vorträge  HI,  207.  Die  Einwohnerzahl  von  Himera  wird 
von  VOlkerling  52  auf  40,000  berechnet.  Ich  rechne  so :  nach  Diod.  XIU,  60  machten 
6000  Himeräer  den  Ausfall  mit;  andere  blieben  zurück,  natürlich  wenigstens  2000, 
zur  Deckung  der  Mauern  und  Thore,  das  macht  zusammen  wenigstens  8o00  waffen- 
fähige Männer  zwischen  16  und  GO  Jahren,  woraus  man  auf  eine  Zahl  von  32,000 
freien  Einwohnern  schliessen  kann;  nimmt  man  ebenso  viele  Sklaven,  so  kommen 
64,000  Einwohner  heraus.  Diod.  XIII,  60  lässt  die  Karthager  unvermuthet  überfallen 
werden,  bei  Front.  Strat.  III,  10,  3  heisst  es  dagegen:  Hann.  castra  sua  capi  de  in- 
dustria  passus  est,  iussis  recedere  Poenis  etc.  Wer  mag  die  karthagisch  gesinnte 
Quelle  dieser  Darstellung  gewesen  sein  ?  Vielleicht,  wie  ein  Freund  meint,  die  Einlei- 
tung des  Silenos  (s.  Bd.  I,  S.  310);  auch  an  Philinos  (ebendas.)  könnte  gedacht  werden. 

S.  84.  Diod.  XIV,  47 :  Moxvrj  noXig  ^v  oTiotxos  KaQfr^öovCbjv.  Ueber  den  Cha- 
rakter der  karthagischen  Herrschaft  s.  Diod.  XIV,  65,  wonach  die  Unterthanen  die 
vofÄoi  behielten,  aber  tfOQoi  zahlen  mussten.  Ueber  den  Ausdruck  iniKgareia  und 
seine  Verbreitung  spricht  0.  Meltzer  in  dem  Aufsatze :  Zu  Timaeos  von  Tauromenion, 
N.  Jahrb.  1873  Bd.  107  S.  234—237,  in  welchem  er  nachweist,  dass  derselbe  in  Sici- 
lien  gebräuchlich  war  und  besonders  von  Timaios  angewandt  wurde. 


424  AnfasD^  in.    Belege  vnd  Erliotempgeii. 


Zweites   Kapitel. 

S.  S5.  Die  Zeit  der  Rückkehr  des  Hermokrates  nMh  Sidlioi  behmndelt  Vül- 
keding  p.  5S  n.  1.  'Nach  Diod.  XIII,  63  kommt  er  zarildc  als  DioUea  Arehoo  war 
409/S  y.  Chr.  Nach  Xen.  Hell.  I,  4,  I  ist  dagegeo  Herrn.  Anfang  40S  ▼.  Chr.  in  Goi^ 
dimn.  Nach  Diod.  XIII,  75  fallt  Hermokr.  unter  dem  Archon  Enktemon  4e<^/i,  also 
wohl  An&ng  407.  Es  ist  also  dnrchaas  keine  Unmöglichkeit  Torbanden,  dass  Her- 
mokrates  noch  frfih  im  J.  40S  nach  Sicilien  zurückkommen  konnte,  'wenn  er  aach 
Anf.  408  in'Gordium  war.  Dennoch  hat  GroteV,  644  n.  6S  gemeint,  einen  doppelten 
Hermokrates  annehmen  zn  müssen,  so  dass  der  in  Gordinm  anwesende  nicht  der 
nnsrige  gewesen  wäre.  Nach  Aem.  Müller,  De  Xenoph.  bist.  gr.  parte  priori.  Lips. 
1856  ist  Hermokr.  409  in  Messana  nnd  Selinos,  geht  dann  wieder  nach  Asien  aorück. 
ist  408/7  in  Gordinm  nnd  407/6  in  Sicilien,  wo  er  fällt  Aach  dieser  Ausweg  ist  nicht 
nothwendig.  —  Bei  Polyb.  XII,  25  k  ist  ein  Irrthum  in  Betreff  des  Hermokrates ;  wieder 
ein  Beweis,  dass  Pol.  die  alten  sicilischen  Verhältnisse  nicht  genau  kannte.  —  Unter 
denen,  die  sich  Hermokrates  anschlössen,  waren  nach  Diod.  XIII,  63  auch  1000  Hi- 
meräer.  Diese  Hessen  sich  offenbar  auch  mit  in  Selinos  nieder  'ganz  klar  drückt  siidi 
freilich  Diodor  hierüber  nicht  aus),  und  so  erklärt  sidi  die  Thatsache,  dass  him&- 
räische  Münzen  mit  dem  Vordertheil  eines  Ungeheuers  existiren,  welche  als  Contre- 
marke  ein  Eppichblatt  tragen.  Diese  himeräischen  Münzen  sollten  in  Selinus  Cours 
haben.  Vgl.  A.  Salinas,  Di  alcune  monete  Imeresi.  Nuove  mem.  d.  Ist.  Lips.  1865.  8.  — 
Die  Art,  wie  Diokles  seine  Opposition  gegen  die  Bestattung  der  Qebeine  motivirt, 
beruht  nur  auf  Vermuthung,  ist  aber  die  einzig  wahrscheinliche. 

S.  87.  Gründung  von  eiQßi«  durch  die  Karthager  Diod.  XIII,  79:  die  Stadt 
heisst  später  Bl^fiai.'.  Polyb.  I,  21  hat  StQ^tt^v  rtSv '/fi€Qaitov ;  I,  39  aber  steht  der 
Accus.  SiQfAuv.  Die  Einwohner  bei  Diod.  XX,  56:  StQ/itrat;  auf  Münzen  ^£P.4f/T.^JV. 
Cic.  sagt  Thermae,  die  Einw.  Thermitani.  Ueber  Th.  vgl.  Faz.  218.  19  Cl.  350>-52. 
D.  252—255.  B.  Romano,  Antichitä  Termitane.  Pal.  1838.  8.  Sav.  Ciofali, -Topografia 
di  Termini  -  Imerese  e  suoi  dintomi.  Pal.  1868.  8.  —  Nach  der  Zerstörung  von  Himera 
durch  die  Karthager  und  der  Gründung  von  Thermae  kommen  noch  Himeiäer  und  die 
Stadt  Himera  in  folgenden  Stellen  vor:  Diod.  XIII,  114— 405  v.  Chr.,  Ol.  93,  4; 
XIV,  47—397  V.  Chr.,  Ol.  95,  4 ;  XIV,  56—396  v.  Chr.,  Ol.  96,  1 ;  XIX,  71  Cfuf^} 
—314  V.  Chr.,  Ol.  116,  3;  auch  bei  Frontin  III,  4,  4  aus  der  Geschichte  des  Dionys 
ohne  Jahresbestimmnng.  Wenn  an  diesen  Stellen  (mit  Ausnahme  der  des  Frontin,  wo 
überhaupt  eine  Verwechselung  vorzuliegen  scheint,  indem  wie  bei  Polyaen.  V,  2,  9 
die  nur  auf  Bhegion  bezügliche  Geschichte  auch  auf  Himera  übertragen  wurde),  von 
dem  wirklichen  Himera  (Bonfornello) ,  wohin  ja  (wie  nach  Sybaris),  obschon  Diod. 
XI,  49  sagt:  SUfidviv  ao/xrjros  fi^xQ*  '^^^  ^"^^  Vf^^s  xaigtHiv,  Einwohner  zurückge- 
kehrt sein  konnten,  die  Rede  wäre ,  so  müsste  diese  Stadt  doch  nachher  bald  wieder 
zu  Grunde  gegangen  sein,  da  in  römischer  Zeit  durchaus  Thermae  als  Erbin  und  Stell- 
vertreterin des  alten  Himera  erscheint.  Doch  ist  es  im  Gegentheil  klar,  dass  in  den 
vorher  genannten  Stellen  nur  Thermae  gemeint  ist,  und  klar  beweist  dies  Plut.  Pomp. 
10,  wo  ri*IfA€QiU<av  Tiolig  für  Thermae  gesagt  ist.  Wenn  die  Stadt  auch  nicht  mehr  an 
der  alten  Stelle  lag  iind  einen  neuen  Namen  angenommen  hatte,  so  konnten  sich  die 
Einwohner  dennoch  'IfifQuioi  nennen.  Wirklich  kommt  auf  Münzen  von  Thermae 
IMEPAlilN  wenigstens  als  Zusatz  zu  9EPMITAN  vor,  und  wenn  Brandis  Recht 
hat,  die  himeräischen  Kupfermünzen  in  das  4 .  Jahrh.  zu  setzen,  auch  der  Name  Himera 
allein.  Ein  ähnlicher  Fall  ist  der  der  Bewohner  von  Phintias,  die  sich  Geloer  genannt 
haben,  wie  Inschriften  von  Licata  beweisen.  Hierüber  hat  ausführlich  gesprochen: 
Schubring,  Historisch-geographische  Studien  über  Altsicilien,  im  Rhein.  Mus.  N.  F.  28, 


Zu  Buch  V,  Kap.  2,  Seite  85—87.  425 

S.  76  und  77.  Wir  haben  also  die  Einwohner  in  den  oben  angeführten  Stellen  als 
die  Einwohner  von  Thermae  zu  betrachten.  Dann  bleibt  nur  noch  zu  erklären,  iwie 
es  kommt,  dass,  da  doch  die  Stadt  f9^%m  von  den  Karthagern  im  J.  407  mit  Libyern 
besetzt  wurde,  dieselbe  schon  405  eine  durchaus  griechische  ist,  w^ie  sie  in  eben  jenen 
Stellen  erscheint.  Die  Ursache  der  Veränderung  liegt  darin,  dass  bald  auch  in  diesen 
Gegenden  die  Griechen  wieder  die  Oberhand  bekommen;  in  Folge  davon  strömten 
viele  Griechen  nach^'hermae  zusammen,  und  die  Libyer  zogen  fort,  noch  bevor  die 
karthagische  Herrschaft  in  Thermae  aufhOrtc.  Ein  rascher  BevÖikerungswechsel ,  wie 
er  in  Thermae  stattgefunden  haben  muss ,  ist  auch  sonst  in  dieser  Zeit  nichts'  uner- 
hörtes in  Sicilien ;  so  ist  Tauromenion  im  Verlaufe  weniger  Jahre  von  Sikelem,  Söld- 
nern und  Griechen  besetzt  worden,  und  Halaisa  (s.  u.)  von  Karthagern  und  Griechen. 
Die  Karthager  machten  nach  ihren  grossen  Erfolgen  einen  Anlauf  zur  Kolonisation 
der  Nordk liste;  es  hatte  aber  keinen  Fortgang.  Uebrigens  zeigen  die  Münzen,  dass 
eine  Zeitlang  die  Karthager  grosse  Hoffnungen  auf  Thermae  setzten  und  es  znm  Mit- 
telpunkt ihrer  Macht  in  diesen  Gegenden  zu  machen  dachten.  Es  giebt  Silbermünzen : 
Weiblicher  Kopf  (Hera)  mit  Stephanos,  wie  auf  Münzen  mit  den  phönicisehen  Buch- 
staben aja,  QEPMTTAN.  Rev.  Herakles  sitzend,  bei  Leake,  De  Luynes,  Inihoof, 
Torr.  XC,  3.  4,  Didrachmen  und  Obole;  auch  die  d^n  syrakusanischen  entsprechen- 
den Tetradrachmen  mit  9EPMITAN  (sehr  selten,  ein  Ex.  in  Paris  Mi  280),  scheinen 
nur  der  karthagischen  Zeit  von  Thermae  anzugehören.  Dagegen  sind  die  Bronzemün- 
zen offenbar  später. 

S.  87.  Krieg  Karthago's  gegen  Akragas.  Diod.  XHI,  80  ff.  In  das  Heer 
nimmt  Hannibal  nach  Diod.  XIII,  80  Mßvag  xal  <P0(vtx(tg  xu\  rtSv  noXutx^p  rovf 
XQariarovq,  Diese  letzteren  (natürlich  auch  4>oivtx€g)  sind  die  Bürger  von  Karthago; 
die  vorher  genannten  ^Polvtxiq  dagegen  sind  die  Bewohner  der  tyrischen  Kolonien 
Utika,  Tunes,  Olupea  n.  A.,  die  nicht  geradezu  als  Unterthanen,  sondern  vielmehr  als 
Bundesgenossen  betrachtet  wurden.  —  Akragas.  Einwohner,  Reichthum  und  Luxus 
Diod.  XIII,  81—84.  Man  vgl.  Schubring's  Historische  Topographie  von  Akragas.  Lpz. 
1870.  4.  an  verschiedenen  Stellen,  bes.  S.  28—38.  Was  die  Einwohnerzahl  betrifft, 
so  war  nach  Diod.  XIII,  90  Akragas  bewohnt  vno  av^gwv  (fxoai  fivQifiJtav.  L.  D. 
VIII,  63  giebt  800,000  an ,  welche  Zahl  Siefert,  sowie  Schubring  S.  28  nicht  unpas* 
send  erscheint,  wenn  man  die  Sklaven  mitrechne  und  das  ganze  Gebiet  der  Stadt 
berücksichtige.  —  Die  Grube  beim  Tempel  der  Conoordia  war  Kornmagazin  nach 
Schtibring,  Akragas  S.  33.  lieber  die  Alkmene  des  Zeuxis  Plin.  XXXV,  62.  Vasen 
sind  besonders  gefunden  worden  auf  dem  von  uns  als  Nekropolis  bezeichneten  Hügel. 
Weberei,  Bleistempel  Schnbring  79,  nach  Salinas,  Piombi  antichi  Siciliani.  Rom.  1864. 
(Ann.  deir  Instit.).  Eine  Serie  von  Bleistempeln  anderer  Art  hat  derselbe  veröffent- 
licht: Piombi  antichi  Siciliani.  Primo  articolo.  Pal.  1871  (Ann.  d.  Inst.  1866).  — 
nXXiag  oder  TdXiag  Diod.  XIII,  83.  90.  Der  HolUng  oder  HcXltg,  von  dem  eine 
Geschichte  bei  Stob.  Flonl.  LXII,  vol.  II,  367  Mein,  erzählt  wird,  ist  offenbar,  wie 
auch  gewöhnlich  angenommen  wird,  unser  GelliaB  oder  Tellias.  Stob,  hat  die  Ge- 
schichte ix  r(Sf  ZtQtivov  itnofjitnri^ovivunTtov.  Der  Humor,  den  in  ihr  Pollis  kundgiebt, 
entspricht  ganz  dem  des  Tellias  bei  Diodor.  —  Die  Geschichte  von  den  betrunkenen 
Jünglingen  Athen.  II,  37.  Das  Wort  des  Empedokles  von  den  Akragantincrn  L.  D. 
VIII,  63;  nach  Ael.  V.  H.  XII,  29  sagte  es  Piaton,  —  unwahrscheinlich,  denn  damals 
war  Akragas  unbedeutend.  —  In  den  Fels  gehauene  Weinfässer^ sind  in  Sicilien  auch 
sonst  gebräuchlich  gewesen.  Sie  haben  sich  vorgefunden  am  Aetna  bei  Via  Grande, 
nach  Alessi,  Storia  di  Sicilia  III,  376,  und  es  waren  dort  so  viele,  dass  die  Gegend 
davon  den  Namen  Bottaccie  erhielt.  Solche  Anlagen  scheinen  phöpicischer  Herkunft 
zu  sein.  Man  vergleiche  folgendes  Gitat  aus  Renan  bei  Lenormant,  Manuel  de  l'hi- 
stoire  ancienne  de  FOrient.  Par.  1869  III  p.  122  :  La  Ph^nicie  estle  seul  pays  du  monde 


,v 


426  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

oü  rinduatrie  agricole  ait  laiBs6  des  reste«  grandioaeB.  .  .  .  Dana  la  r^on  de  Tyr  cea 
reates  d'une  primitive  6conomie  ruatique  se  rencontrent  presque  aur  chaque  hauteur  et 
toi^oura  avec  le  mdme  caractere,  vaatea  travanx  dans  lea  roca,  —  nombre  Enorme  de 
citernea,  de  cavea,  de  cuvea  d  une  grandeur  extraordinaire.  Lea  Phöniciena  Qonstmi- 
aaient  une  piacine»  un  preaaoir,  pour  F^ternit^.  Man  aieht,  daaa  vielea  von  dem  akra- 
gantiniachen  Luxua  auf  phüniciachen ,  zunächat  alao  karthagiachen  Vorbildern  be- 
ruhte  —  auch  an  den  kolossalen  Fiachteich  dürfen  wir  hier  decken.  Der  Gedanke 
kann  nicht  von  der  Hand  gewieaen  werden,  daaa  der  Theil  Siciliena,  welcher  den 
Karthagern  erlag,  achon  in  aehr  hohem  Grade  von  der  ihnen  eigenen  materiellen 
Kultur  durchdrungen  worden  war.  Ich  bemerke  noch ,  wegen  der  groeaen  Verbrei- 
tung des  verdienstlichen  Werkea,  daaa  Guhl  und  Koner,  das  Leben  der  Griechen  und 
Römer.  3.  Aufl.  1872  S.  169  mit  Unrecht  von  „Pithoi,  welche  in  den  Felaenkeüem  des 
Galliaa  zu  Agrigent  lagerten^  sprechen.  Diod.  XIII,  83  ist  deutlich:  iQiaxoalovg  nt^v^ 
t$  avTfjc  riji  nixQag  rtt^rjufvas.  £a  kann  alao  von  einem  Lagern  der  Fäaaer  nicht  die 
Rede  sein.  •—  Belag erung  von  Akragaa.  In  Betreff  der  Orte,  wo  aich  die  beiden 
karthagiachen  Lager  befanden,  atimme  ich  mit  Grote  V,  649  not.  101  Uberein,  und 
weiche  von  Siefert  41  und  Schubring,  Akragaa  66.  67,  der  Siefert'a  Ansicht  aufge- 
nommen und  weiter  auagefUhrt  hat,  ab.  Die  Sachlage  iat  folgende.  Nach  Diod.  XIII, 
85  errichten  die  Karthager  zwei  Lager  fiiav  /uh  inl  nptoy  Xotfwy,  iq^  a»v  tovs  tc  ^ißii^ag 
Htti  Tirac  ToJy  Aißwov  ira^av  ttg  j§tQaxiiS(ivQlovg-  t^v  cT  akl^  ovx  «nm&iv  i^s  noXetJi 
noirjaa^tvoi  ratfQqj  ßa^hkitf  xa\  x^Q"^^  iKQtfkaßov,  Weiter  wird  dann  in  cap.  87  er- 
zählt, daaa  Himilkon  den  zu  Hülfe  heranrückenden  Syrakusanem  die  Iberer,  Kam- 
paner, und  einige  andere,  im  ganzen  40,000  Mann,  entgegensendet ;  dieae  Truppen 
werden  von  den  Griechen  geacblagen.  Die  beaiegten  karthagischen  Truppen  fliehen 
hii  triv  ngog  *u4xQayavri  nec^fjißoXiiPy  was  bald  darauf  noch  einmal  so  ausgedrückt 
wird:  ol  fih  ovv  (f(vyovtes  juetd  naafjg  aaifaXeias  duati&riaav  etg  tiiv  nQog  t§ 
nola  naQ€fißoXriv  —  man  aieht,  daaa  daa  Lager,  wohin  aie  aich  retten,  dasjenige  ist, 
welchea  oben  ala  ovk  «7nu9tv  rtis  noXttog  befindlich  bezeichnet  wurde.  Weiter  heisat 
ea  dann,  daaa  Daphnaioa,  der  jene  Iberer  u.  a.  w.  besiegt  hatte,  getongte  dg  t^  itnh 
Ttoif  ßttQßoQtav  fxliXfifdfi^vtiv  arQaronideiav ,  und  dass  er  iv  ravTri  7titQevißaX€v.  Es 
ist  also  klar,  dass  das  Lager,  welchea  verloren  geht,  daajenige  war  Ini  nvuw  Xotf^v, 
Diea  war  aber  gerade  daa,  in  welchem  die  Iberer  gestanden  hatten.  Erwägt  und 
combinirt  man  alle  dieae  Punkte:  die  Griechen  kommen  von  Oaten  her;  ihnen 
ziehen  die  Iberer  und  andere  entgegen:  40,000  Mann;  die  Iberer  und  andere,  eben- 
falls 40,000  Mann,  hatten  ein  Lager  knl  iivtav  X6tf>fav\  sie  werden  geachlagen;  die 
Griechen  nehmen  diea  Lager;  ao  kommt  man  zu  dem  Schlüsse,  dass  dieses  Lager 
östlich  von  der  Stadt  war.  Und  es  ist  klar,  dass,  wenn  die  Karthager  zwei  Lager 
aufschlugen,  ea  ein  Gebot  der  Vernunft  war,  das  eine  davon  östlich  von  Akragaa  zu 
legen.  Denn  aie  muaaten  daa  befürchten,  waa  geachah,  daaa  nämlich  von  Osten  her 
den  Akragantinern  Hülfe  kommen  würde.  Daa  zweite  Lager  aber,  welchea  als  ovx 
anti&iv  xTig  TioUatg  gelegen  bezeichnet  wird,  war  dann  im  W.  der  Stadt.  Das  ei^ebt 
sich  daraus,  dass  nach  c.  87  die  Griechen  die  Geschlagenen  f^ixQ*^  ^^^  noXttog  xave- 
Jfm^ttv,  worauf  sich  die  Beaiegten  in  das  Lager  ngog  j§  noXti  retteten.  Wäre  dieaea 
im  Oaten  von  Akragaa  geweaen,  so  hätten  sie  nicht  bis  zur  Stadt  verfolgt  werden 
können.  Schubring,  Akragas  66.  67  setzt  beide  Lager  im  W.  der  Stadt  an,  das  ini 
zirtop  Xoifiüv  auf  dem  Gipfel  des  Monserrato,  das  mit  Graben  versehene  km  Abbange 
des  Monserrato  nach  dem  Flusse  Hypaas,  und  sagt  S.  67,  die  geschlagenen  Karthager 
hätten  sich  gerettet  ^in  das  Lager  bei  der  Stadt",  dann  hätten  sie  auch  diea  aufge- 
geben und  aich  „in  das  andere  Lager  auf  dem  Gipfel  des  Toros'*  (Monserrato)  zurück- 
gezogen. Aber  Diodor  sagt  nirgends,  dass  sie  das  als  olnt  anta^tv  rffg  noX^vg 
bezeichnete  aufgegeben  haben ;  sie  blieben  vielmehr  in  demselben.    Nach  dem  Vor- 


Zu  Buch  V,  Kap.  2  u.  3,  Seite  88—93.  427 

hergehenden  müssen  die  zwei  Lager  folgendermassen  angesetzt  werden :  das  ovx  aftta- 
»riv  T^f  noXetjg  befindliche  grössere,  besser  verschanzte,  am  unteren  Abhang  des 
Berges  Monserrato  (wie  Schubring) ;  das  i7t£  iiytov  lotfcav  östlich  von  der  Stadt,  weiter 
von  ihr  als  jenes,  nach  Favara  zu.  Dies  wird  genommen,  nicht  aber  jenes.  —  lieber 
das  Local  der  Schlacht  zwischen  Daphnaios  und  den  Karthagern  spricht  Schubring, 
Historisch-geographische  Studien  etc.  Rhein.  Mus.  N.  F.  28,  S.  134.  —  Steinigen  von 
Feldherren  kommt  noch  vor:  Akrotatos  in  Akragas  Diod.  XIX,  71;  L.  Cinna  in  Rom 
von  Veteranen  mit  Steinwürfun  angegriffen  App.  B.  C.  II,  126.  Tac.  Eist.  II,  29  im 
römischen  Heere.  So  ist  auch  wohl  das  uiaie  ßaXXeiv  bei  Thuk.  VI,  84  zu  verstehen. 
In  anderer  Weise  oben  Xen.  Hell.  I,  2,  (3.  —  In  Betreff  der  Angriffspunkte  auf  die 
Mauern  von  Akragas  stimme  ich  mit  Schubring  überein.  Dass  das  Gürabmal  Theron's,  das 
nach  ZIII,  86  niedergerissen  werden  soll,  also  dagelegen  haben  muss,  wo  die  Mauern 
angegriffen  wurden,  nicht  da  lag,  wo  das  jetzt  tomba  di  Terone  genannte  Monument 
steht,  ergiebt  sich  aus  dem  Zusammenhang.  —  Bei  Diod.  XIII,  86  braucht  man  x^^ffn^ 
TOP  naga  rriv  noliv  norafiov  nicht  mit  Dindorf  in  t.  tt.  t:  noXiv  tonov  zu  verändern. 
Wo  der  Fluss,  unmittelbar  die  Stadt  berührend,  sie  schützte,  konnte  er  zugeschüttet, 
mithin  abgeleitet  werden.  —  Aus  den  Belagerungsgeschichten  von  Akragas  und  Sy- 
rakus  geht  hervor,  dass  damals  das  Begraben  der  Leichen  gebräuchlich  war ;  auch  in 
den  Nekropolen  von  Selinus,  über  die  wir  neuerdings  durch  Gavallari  Aufschluss 
erhalten  haben  im  Bullettino  della  Commissione  no.  5.  Pal.  1872.  4  sind  Skelette  ge- 
funden worden ,  und  zwar  sowohl  in  der  nördlichen  älteren ,  wie  in  der  westlichen 
jüngeren  Nekropolis.  ^—  Listen  bei  Grelegenheit  der  Belagerung  von  Akragas:  List 
des  Daphnaios:  Polyaen.  V,  7;  List  des  Himilkon  Polyaen.  V,  10,  4;  Frontin.  III, 
10,  5.  —  Nach  Diod.  XIII,  89  war  der  Weg  nach  Gela  voll  ywanttSv  xa\  naiSmv 
ayttfxl^  7ra(}9^ivoic ,  aH  r^v  awtjd-ri  rgviftiu  tfs  odomoQlav  avvrovov  %a\  xaxonadftuv 
vniQayovöav  fjmaßaXkofXivdn  SuxaQti^ovvy  xov  (foßov  rag  ypvxag  ^xtttvovrog. 


Drittes   Kapitel. 

S.  93.  Dionysios  der  ältere,  lieber  ihn:  J.  F.  G.  Retter,  Sioula  Dionysio- 
rum  tyrannis  ex  antiquitate  repetita,  Giess.  1726.  4.  Guil.  Schweckendieck,  De  Dio- 
nysio  priori,  Siculorum  tyranno,  Gott.  1832.  8.  Göttling,  Zur  Charakteristik  Diony- 
sius'  des  Aelteren,  in  s.  gesamm.  Abhandl.  aus  dem  class.  Alterthum,  Bd.  I  Halle 
1851.  8.  S.  352—80.  B.  Niehues,  De  Dionysio  majore  Syracusanorum  tyranno,  Monast 
1856.  8.  Todt,  Dionysius  I.  von  Syrakus.  Progr.  von  Treptow  a.  R.  1860.  4.  H.  Krü- 
ger, De  Dionysii  majoris  vita,  Lips.  1868.  8,  sowie  die  betreffenden  Abschnitte  des 
Grote'schen  Werkes,  Bd.  V  und  VI  der  deutschen  Uebersetzung;  Plass,  Tyrannis  der 
Griechen  II,  197—240;  E.  Laichmann,  Gesch.  Griechenlands  vom  Ende  des  pelopon- 
nesischen  Krieges,  Bd.  2,  Lpz.  1854,  S.  239  —  287,  welcher  letztere  eine  Sammlung 
der  von  Dionys  berichteten  Gharakterziige  gegeben  hat,  in  den  N.  Jahrb.  XV.  Supple- 
mentband, Lpz.  1849,  S.  306—12.  —  Sein  Geburtsjahr.  Er  wird  Tyrann  im  Früh- 
jahr 405  V.  Ghr.,  Ol.  93,  3;  er  war  damals  nach  Gic.  Tusc.  V,  20  25  Jahre  alt,  ist 
also  geboren  430  v.  Ghr.  —  Seine  Herkunft.  Er  war  Syrakusaner;  das  zeigt  seine 
Betheiligung  an  der  Politik  in  Syrakus ,  und  wird  gesagt  von  Val.  Max.  I,  7 ;  Sohn 
des  Hermokrates  nach  Diod.  XIII,  91 ;  Polyaen.  V,  2,  2.  Nach  Gic.  Tusc.  V,  20  war 
er  bonis  parentibus  et  honesto  loco  natus,  nach  Polyb.  XV,  33  kx  ^rifioriKijg  xal 
taniirijg  vno&immg  oQfiri&fCg.  Bei  Plut.  Apophth  reg.  (Hutt.  VIII)  heisst  er  Mtwiij^  xaX 
nivrig\  Diod.  XUI,  96  sagt:  ix  ygafiftariu^g  xal  toü  rv^ovrog  idtnirov  —  iytvijdri 
Tvgawog.  Nach  Hellad.  ap.  Phot.  cod.  279  wäre  sein  Vater  ovrjXärrig  gewesen.  Das 
ist  nicht  glaublich,   da  Dionys  ein  gebildeter  Mann  war,  was  sein  Verkehr  mit  Her- 


428  Anliang  III.    Belege  und  ErlKaterungen. 

mokrates  und  anderen  Leuten  dieses  Ranges  und  seine  späteren  literarischen  Be- 
schäftigungen und  Liebhabereien  (Dichtkunst  s.  u.,  Geschichte  Snid.  s.  v.  .liopifotos, 
Medicin  Ael.  V.  H.  XI,  11)  beweisen.  Isokr.  V,  26  nennt  ihn  nokXoorog  SvQaxovai&v. 
Jedenfalls  steht  fest,  dass  er  nicht  von  vomehmer  Herkunft  war.  Beim  Beginn  seiner 
Öffentlichen  Laufbahn  war  er  yQttfifdttttvg  Diod.  XIII,  96;  Deinosth.  in  Lept.  162  und 
Polyaen.  V,  22:  vnriQtTtÜv  xal  yQ€c^uar(viov  rot^  aTQarijyoig ;  hntinitni  sind  ünterbe- 
anite,  d.  h.  Beamte,  die  nur  Befehle  der  -vorgesetzten  Behörde  zu  erfüllen  haben. 
Schümann,  Griech.  Alterth.  P,  425.  Dass  ein  vnrfQ^Trjg  unter  Umständen  eine  nicht 
geringe  Persönlichkeit  war,  sieht  man  aus  der  Geschichte  des  Empedokles,  s.  Bd.  I 
S.  4'M.  Ein  vTitioirtig  der  arQftrifyoi  konnte  höchst  wichtige  Functionen  zu  versehen 
haben.  Man  bedenke,  dass  die  azQarijyoi  wechselten,  und  dass  daher  in  den  Händen 
<Ier  stehenden  Beamten  nothwendigerweise  die  Details  der  Militärverwaltung  lagen. 
Ein  erster  vnrig^Tijg  der  atQaxriYoi  konnte  somit  unter  Umständen  das  Amt  eines 
Kriegsministers  oder  eines  Generalstabschefs  zu  versehen  haben.  —  Vorbedeutun- 
gen seiner  Macht:  Val.  Max.  I,  7,  6;  Tertull.  Opp.  p.  346  Rig.  (M  11,  200), 
Dionysii  Siciliae  tyrannidem  Himeraea  quaedam  somniavit,  Heraclides  prodidit;  Schol. 
Aesch.  de  falaa  leg. ;  femer  Cic.  Div.  I,  33;  Ael.  V.  H.  XII,  46;  Plin.  VIII,  64.  Nach 
Cic.  Div.  I,  20  träumte  seine  Mutter,  dass  sie  einen  Satyr  geboren.  —  Dionys  ge- 
langt zur  Macht;  seine  ersten  Thaten:  Diod.  XIII,  91—96.  Bei  Diod.  XIII,  91 
wird  erzählt,  wie  Dionys  zu  ungesetzlicher  Verfolgung  der  Feldherren  auffordert,  riuv 
J*  nQ)^6vtoiv  Cvf*i'OVVtfov  rov  /liovvatov  xata  rovs  vofiovg  tag  9ogvßQvvta,  4*iXi(rros 
—  —  t^iriae  ra  nQoarifxa  —  —  uaX  nQogixi  flnoviog  oti  xad^*  oXtiv  rriv  rifUgav ,  ar 
C%uiovr  f&iXioaiv,  ixrioH  tu^vqiov  vn^Q  avrov  etc.  Es  war  also  gesetzlich,  Rednern, 
die  gegen  die  Ordnung  fehlten,  nicht  das  Wort  zu  entziehen,  sondern  eine  Geldstrafe 
aufzulegen.  Einen  ähnlichen  Gebrauch  finden  wir  im  republikanischen  Florenz.  1260 
nahmen  die  Sanesen  und  die  verbannten  florentiner  Ghibellinen  Deutsche  in  Sold 
und  suchten  nun  die  Florentiner  zur  Schlacht  hervorzutocken,  um  sie  dann  mit  Hülfe 
der  Deutschen  zu  besiegen.  Dies  ist  wenigstens  die  Ueberlieferung  bei  Villani,  der 
Buch  6,  Gap.  77  die  Vorfälle  in  der  florentinischen  Volksversammlung  erzählt.  Teg- 
ghiaio  warnt  vor  dem  Kriege.  Si  levö  Messer  Cece  de'  Gherardini  per  dire  il  simiglianie 
ch'  avea  detto  Messer  Tegghiaio:  gli  anziani  gll  comandaro  che  non  dicesse,  e  era 
peoa  libbre  cento  chi  aringasse  contra  il  comandamento  degli  anziani.  II  Cavaliere 
le  volle  pagare  per  contradire  la  detta  andata;  non  vollono  gli  anziani,  anzi  rad- 
doppiarono  la  pena;  ancora  volle  pagare,  e  cosi  infine*  libbre  trecento,  e  quando  an> 
cora  volle  dire  e  pagare,  fu  comandamento  pena  la  testa  e  cosi  rimase. 

S.  93.  Wenn  Plat.  Ep.  VIII,  354  sagt,  dass  die  Syrakusaner  10  Feldherren  ge- 
steinigt haben,  so  ist  das  mit  Grote  V,  656  n.  14  für  eine  Verwechselung  mit  den 
Vorfällen  bei  Akragas  zu  halten. 

S.  95.  üeber  Hipparinos  Diod.  XVI,  6;  Plut.  Dion  3;  Ar.  Pol.  V,  5,  6;  vgl. 
Ar.  Pol.  V,  4,  5;  V,  8,  3.  4.  Nach  Plat.  Ep.  VIII,  353  und  Plut.  D.  3  wäre  Hip- 
parinos College  des  Dionys  gewesen ;  das  passt  doch  auch  nicht  einmal  bei  der  ersten 
Wahl.  —  S.  95.  Ueber  die  Leibwache  Ar.  Pol.  III,  10,  10,  wo  Jemand  den  Syra- 
kusanem  vorschlägt  dem  Dionys  (nur)  Tooovrovg  rovg  (fvlnxag  zu  geben,  womit  er 
keinen  Schaden  thun  könne;  Polyaen.  V,  2,  2.  —  S.  96.  Dionys  wird  Tyrann 
Anf.  405  V.  Chr. ;  er  stirbt  nach  38jähr.  Herrschaft  nach  den  Lenäen  des  J.  367  v.  Chr. 
Das  Marm.  Par.  lin.  63  verwechselt,  indem  es  408  v.  Chr.  angiebt,  sein  erstes  Auf- 
ti-eten  mit  seiner  Erwerbung  der  Tyrannis.  lust.  V.  8  setzt  in  405/4  das  exilinm  des 
Dionys,  worüber  Völkerl.  88  unten  spricht.  Nach  Pkit.  Symp.  VIII,  1  starb  Euripf- 
des  an  dem  Tage  x«5^  ijv  iyet'vii9tj  /liovvaiog  6  nQtaßvtffiog  röiw  iif  ZixtUtf  rv^armp. 
Es  mUsste  heissen  (y€r^&ri  seil.  rvQavrog,  so  sagt  Diodor  XIII,  96,  welcher  XIII,  103 
den  Tod  des  Euripides  erwähnt.  —  Aus  meiner  ganzen  Darstellung  geht  hervor,  dam 


Zu  Buch  V,  Kap.  3,  Seite  93—99.  429 

ich  die  allgemein  angenommene  Unterscheidung  zwischen  der  älteren  und  der  jünge- 
ren Tyrannis  für  Sicilien  nicht  anerkenne.  Dionys  und  Agathokles  sind  ebenso 
wie  Phalaris  und  Gelon  Producte  der  inneren  Entwickelung  der  Staaten ,  die  aller- 
dings durch  die  auswärtigen  Verhältnisse  •  beeinflusst  wurde.  Noch  Agathokles  ist, 
wie  die  älteren  Tyrannen»  ein  Product  der  demokratischen  Reaction  gegen  die 
Oligarchie.  * 

S.  97.  lieber  die  Apoliobildsäule  bei  Gela  fügt  Diod.  XIII,  108  Details 
hinzu.  Es  ist  zu  bemerken,  dass  die  Statue  des  griechischen  KoloniengrUnders  Apollon 
die  sch(5n8te  Beute  war,  welche  die  Punier  dem  phönicischen  Kolonistengotte  schicken 
konnten :  Melkarth  hatte  Apoll  besiegt.  Nach  Schubring,  Studien  S.  8t ,  war  der  Apollo- 
tempel auf  dem  Monte  Longo,  westlich  von  Gela.  Derselbe,  S.  95  ff.,  erklärt  die 
Östlich  von  Terranova  befindliche  Säule  (S.  Bd.  I,  S.  135),  die  gewöhnlich  für  einen 
Ueberrest  des  Apollotempels  genommen  wird,  für  einem  Persephonetempel  angehtfrig, 
mit  Erinnerung  an  Herod.  YII,  153. 

S.  97.  Ueber  die  Schlacht  bei  Gela  habe  ich  Bd.  1,  S.  392  unten  und  aus- 
führlicher bereits  in  meinen  Beiträgen  zur  Berichtigung  der  Karte  Siciliens  S.  30  ge- 
sprochen; auch  das  von  Siefert,  Gelon,  Alt.  1867.  4.  dagegen  auf  S.  29  Bemerkte 
vermag  mich  nicht  umzustimmen.  Etwas  anders  als  ich  fasst  Schubring  die  Sache 
auf,  der  in  s.  Hi8t.-geogr.  Studien  über  Alt-Sicilien ,  Eh.  M.  N.  F.  28,  S.  65  ff.  dar- 
über handelt.  Ihm  stimmt  bei  0.  Meltzer  in  der  Anzeige  meines  1.  Bandes,  N.  Jahrb. 
1873,  S.  233.  Auch  er  erklärt,  wie  ich,  die  Annahme  eines  westlich  von  (xela  fliessen- 
den Stromarmes  für  nothwendig  zum  Verständniss  der  Belagerung,  aber  aus  anderen 
Gründen  als  den  von  mir  vorgebrachten.  Mit  seinen  Gründen  hängt  auch  seine  An- 
setzung  des  karthagischen  Lagers  zusammen ,  der  ich  nicht  völlig  beistimmen  kann. 
Dies  Lager  ist  bei  ihm  etwa  Vs  einer  deutschen  Meile  lang,  was  mir  zu  viel  scheint. 
Wenn  er  ferner  S.  83  sagt,  die  Worte  Diodor's  XIII,  108,  Himilkon  habe  sein  Lago( 
naQu  TOf  Ttottt^uov  aufgeschlagen,  nöthigten  uns,  anzunehmen,  dass  es  sich  am  Flusse 
entlang  zog,  so  ist  das  richtig;  aber  es  folgt  nicht  daraus,  dass  es  nicht  auch  am 
Meere  war,  im  Gegentheil,  Diod.  XIII,  110  steht:  xal  yecQ  ovtf  toxv^tofi^t^ov  to  (j^qos 
ilX^v  antxv  to  nag«  tov  ctlyiaXov  Trfg  axQaronidetag  —  also  zog  sich  das  Lager  auch 
am  Meere  entking  und  ist  südlicher  anzusetzen  als  Seh.  thut.  Femer  sagt  Seh.  85, 
dass  der  Ort,  wo  die  Flotte  angriff,  zu  trennen  sei  von  dem,  wo  die  Italioten  an- 
greifen. Deshalb  braucht  der  M.  Longo  noch  nicht  zwischen  beiden  zu  sein.  End- 
lich sagt  Seh.  84:  mit  den  Keltern  Hess 'Dionys  d$e  etwa  schon  ausgeschifften  Pro- 
viantzüge auf  dem  Wege  vom  Meere  zum  Lager  abfangen.  Seh.  nimmt  als  Landungs- 
punkt der  Flotten  die  Gegend  westlich  vom  M.  Longo  an.  Dann  ist  aber  ein  Abfangen 
von  Zügen  zwischen  diesem  Orte  und  dem  karthagischen  Lager  unmöglich.  Griechische 
Reiter  konnten  nicht  zwischen  das  Meer  und  das  karthagische  Lager  dringen  und 
noch  weniger  ihren  Raub  in  Sicherheit  bringen.  Aber  aus  Diod.  XIII,  109  ergiebt 
sich  auch  eine  andere  Thätigkeit  der  Reiter.  P.  sagt:  roTg  ^  innhvaiv  xal  raTg 
vavaXv  indQKTO  ras  ayoQas  dqaiQeia^ai  tag  xo/utioftivag  roTg  JTa^/i^Joi'/o/c  (x  tfjg  Mag 
imxQauiag,  d.  h.  die  Schiffe  lauerten  den  zur  See,  die  Reiter  den  zu  Lande  gebrach* 
ten  Yorräthen  auf.  Die  Reiter  schwärmten  also  nördlich  vom  Lager,  das  nicht  die 
Ebene  einnahm,  sondern  vielmehr  auf  dem  Mte  Longo  und  nördlich  davon  war.  So 
war  es  zugleich  fest,  dicht  bei  der  Stadt  und  nahe  dem  Meere,  drei  wichtige  Yor- 
theile,  welche  die  Schubring'sche  Ansetznng  nicht  in  demselben  Masse  bietetr  Offen- 
bar griff  die  griechische  Flotte  das  Lager  fast  direct  an.  Durch  die  Schubring'sche 
Entdeckung  des  Flussarmes  westlich  von  der  Stadt  ist  aber  das  richtige  Yerständniss 
des  diodorischen  Berichtes  über  die  Schlacht  an  der  Hand  der  localen  Ueberreste  erst 
möglich  geworden. 

S.  99.    Schicksal  der  Frau  des  Dionys.  Diod.  XIII,  112;  XIY,  44  nebst  Plut 


430  Anhang  III.    Belege  nnd  Erläuterungen. 

Dion  3,  wonach  sie  sich  selbst  tödtet.  In  dem  Roman  Chariton's  kommt  eine  Tochter 
des  berühmten  Hermokrates  unter  dem  Namen  Kalirrhoe  vor. 

S.  99.  Topographisches  über  Haus  und  Werfte  des  Dionys  s.  bei  Schubring, 
Achradina,  Rh.  Mus.  N.  F.  20,  8.  15  ff.^S.  34-36.  Noch  heute  sieht  man  in  der 
Gegend,  wo  Dionys  Rohr  benutzte,  um  die  Thorfliigel  zu  verbrennen,  solche  Rohr- 
haufen^  Sowohl  Diod.  XIII,  75  (Ende  des  Hermokrates),  wie  XIII,  113  (Dionys), 
kommt  das  Thor  der  Achradina  in  Verbindung  mit  der  ayoQa  vor.  Bei  Cic.  Tusc. 
y,  23  kommen  die  portae  Achradinae  vor,  wo  das  Grabmal  des  Archimedes  ist. 

S.  100.  Die  Geloer  und  Kamarinäer  kommen  nach  Leontini,  die  Inntlg  nach 
Aetna:  Diod.  XIII,  113  wo  AXtvfiv  aus  XIV,  7.  58  statt  ^AxQfn^tvnv  von  Wesseling  her- 
gestellt ist.  Bei  Xen.  Hell.  II,  3,  5  steht  fälchKch  Kttinrriv,  und  es  ist  durch  itm- 
arakriaay  das  feindliche  Verhältniss  der  Reiter  zu  Dionys  verdunkelt.  Dass  bei  Diod. 
XIII  zwischen  113  und  114  eine  Lücke  ist,  sah  Niebuhr,  Vortr.  über  alte  Gresch.  III. 
212.  213;  vgl.  Grote  V,  672,  n.  14. 

S.  101.  Der  Friede  noch  405  im  Herbst  geschlossen,  nach  Grote  V,  673,  ViSlkerl. 
191,  gegen  Niebuhr,  Wachsmuth,  Aem.  Müller,  Niehues,  welche  404  annehmen.  ->  Der 
nach  Diod.  XIII,  114  nach  Afrika  abziehende  Himilkon  lässt  nach  XIV,  8  Kampaner 
(pvXnxrji  'ivixa  rcSv  xata  ZixiUnv  lonnv.  Wahrscheinlich  besetzen  diese  Halaisa. 
das  nach  XIV,  16  zur  Zeit  dieses  Friedensschlusses  von  den  Karthagern  gegründet 
sein  soll. 


Tiertes   Kapitel. 

^  Quelle  desselben  bes.  Diod.  XIV,  7  —  9.  34.  37.  40  —  47. 

S.  101.  Spuren  der  Schiffshäuser  des  Dionys:  Schubring,  Aohradina  26. 
nach  Diod.  XI V,  7.  Dass  alle  Wohnungen  der  Stadt  vertheilt  wurden,  beweist  der 
Ausdruck  titg  oixiag  bei  Diod.  1. 1.  Die  zu  Bürgern  gemachten  Sklaven  nannte  Dio- 
nys vsonoXiras  Diod.  1.  1.  —  Das  Anweisen  von  Städten  an  neue  Einwohner,  nnter 
Austreibung  der  alten,  kommt  schon  vor  Hom.  Od.  4,  176,  wo  Menelaos  dem  Odys- 
seus  eine  Stadt  geben  will,  fiiav  nohv  t^ttianaSag,  d.  h.  xfvtoaag. 

S.  102.  Ermahnung  zum  Ausharren,  an  Dionys  gerichtet  von  Heloris  (mit 
Erwähnung  des  hratfiov)  und  Fhilistos  (rot;  axflovg  ibcofifrov)  Diod.  XIV,  8;  von 
Heloris  und  Megakles  Diod.  XX,  78 ;  statt  Heloris  Ellopides  genannt  Ael.  V.  H.  IV, 
8;  vgl.  Flut.  Cat.  maj.  24,  Flut  de  rep.  sen.  ger.  I  [ng);  nach  Liv.  XXIV,  22  hat 
Dionys  selbst  gesagt,  man  dürfe  nicht  freiwillig  zuriicktreten.  Nach  Tim.  ap.  Flut 
Dion  35  leugnete  Fhilistos,  das  Wort  gesprochen  zu  haben,  tov  ax^lovg  kXx6ftivw  ist 
Erinnerung  an  das  Wort  des  Iros  zu  Odysseus  Od.  18,  10.  Dionys  selbst  sieh  stand- 
haft zeigend  Flut.  Apophth.  reg.  (Hutt.  VIII,  p.  90).  Isoer.  6.  49  nimmt  an,  die 
Worte  seien  gesprochen,  als  die  Karthager  Syrakus  bedrängten. 

S.  102.  Dass  die  Kampaner  über  Agyrion  nach  Syrakus  zogen,  sagt  Diod. 
XIV,  9,  worüber  oben  S.  371.  Zur  Sache  bemerke  ich  gegen  Grote,  dass,  wenn  die 
Kampaner  sonst  keinen  Freund  hatten,  bei  dem  sie  ihr  Gepäck  ablegen  konnten,  als 
Agyris,  sie  wohl  zu  ihm  gehen  mussten.  Wenn  aber  Agyrion  aus  dem  Wege  lag,  so 
diente  der  Umweg  dazu,  die  zu  überfallenden  Feinde  sicherer  zu  machen.  In  Betreff 
des  Kampfes  um  Syrakus  s.  Schubring,  Bewässerung  von  Syrakus,  Fhilol.  XXII, 
S.  621. 

S.  103.  Die  Geschichte  der  Stadt  Enteila  wird  trefflieh  durch  ihre  Münzen 
erläutert.  Es  sind  Münzen  dreifacher  Art  von  ihr  vorhanden :  1 }  alte  Silberroünzen . 
Frau  an  einem  Altar.  -  Rev.  Ochs  mit  Menschenkopf.  2)  Kampanische  Münzen  in  Silber 
und  Bronze :  bärtiger  oder  weiblicher  Kopf.  Rev.  Fferd  oder  Fegasos.    3}  Münzen  aus 


Zu  Buch  V,  Kap.  4,  Seite  99—103.  431 

rOmisoher  Zeit  (Torr.  XXIX,  3  —  8).  Man  sieht  aus  den  kampanisohen  Münzen  £n- 
tella's,  dass  diese  Stadt  sich  unter  den  Kampanern  einer  gewissen  Bltttbe  erfreute.  — 
Auch  in  Aetna  haben  die  Kampaner  auf  den  Rev.  ihrer  Münzen  das  Pferd  gesetzt, 
sodass,  da  auch  Münzen  rümischer  Zeit  von  Aetna  vorhanden  sind,  auch  hier  sicli  die 
Geschichte  der  Stadt  deutlich  in  den  Münzen  ausprägt.  Vgl.  Saunas,  Le  monete  delle 
antiche  citt4  di  Sicilia,  Tav.  III,  wo  2  — 5  die  kampanischen,  6—18  die  der  römi- 
schen Zeit  angehangen  Münzen  sind.  No.  1  ist  eine  Zeus-Eleutheriosmünze,  welche 
nach  dem  Sturze  der  Kampanerherrschaft  durch  Timoleon,  Diod.  XYI,  82  geprägt 
ist.  —  Eine  andere  von  Kampanem  bewohnte  Stadt  Siciliens  war  Nakone.  Ihr 
Name  ist  erhalten  von  St.  B. :  Naxorti,  Berkel  und  Holste  lesen  nach  einer  Glosse  bei 
Suidas:  Naxtivri.  Sonst  kommt  sie  in  den  Schriftstellern  nicht  vor.  Aber  es  sind  Münzen 
von  ihr  vorhanden,  von  denen  eine  erst  seit  Kurzem  bekannte  sie  als  von  Kampanem 
bewohnt  erweist.  Die  schon  länger  bekannte  Münze  ist:  Weibl.  Kopf  NAKONAION. 
Rev.  Bakchos  auf  einem  Maulthier  sitzend,  3  Kugeln  Mi  I  n.  437  abgeb.  Mi  S.  I  pl. 
XI,  11.  Diese  Münze  stammt  aus  der  Zeit  vor  der  Niederlassung  der  Kampaner  in 
Nakone.  Diese  Niederlassung  hat  zuerst  nachgewiesen  De  Luynes,  Sur  quelques  m^- 
dailles  des  Campaniens  en  Sicile,  Ann.  d.  Inst.  I,  p.  150—155,  nachdem  eine  dahin 
gehörige  Münze  publicirt  worden  war  von  Millingen,  Anc.  coins.  1821,  p.  33,  Taf. 
II,  14.  Seitdem  haben  über  diesen  Gegenstand  gehandelt:  Friedlander^  Nakone  und 
die  Münzen  der  sicil.  Kampaner,   Berl.  Bl.  f.  Münz-,  Siegel-  und  Wappenkunde  I, 

1863,  S.  266;  Taf.  XII;  G.  Romano,  Nacona  e  i  Campani  in  Sicilia,  Ann.  d.  Inst. 

1864,  p.  55—67,  nebst  Tav.  d'agg.  C.  endlich  Fr.  Imhoof-Blumer,  Inedita  m.  Samml. 
altgr.  Münzen,  Berl.  Bl.  V,  nebst  Taf.  LIV,  12  und  13.  Friedländer  ist  zu  dem  Re- 
sultat gelangt,  dass  N.  eine  Seestadt  war.  Bei  dem  Interesse  der  Sache  wird  es 
gestattet  sein,  die  in  den  cit.  Schriften  behandelten  Münzen  einer  genauen  Betrach- 
tung zu  unterwerfen.  Einige  derselben  gehören  unzweifelhaft  Nakone  an.  Diese  haben 
die  Inschrift  NAKSiNAZ  oder  NAKaNAIilN  und  einen  weibl.  Kopf  auf  der  einen, 
einen  Pegasos  oder  ein  Pferd  auf  der  anderen  Seite.  Dagegen  ist  es  zweifelhaft,  ob 
diejenigen  Münzen,  welche  nicht  den  vollen  Stadtnamen  tragen,  überhaupt  Nakone 
angehören.  Friedländer  schreibt  Nak.  folgende  Bronzen  zn.^  Lorbeerbekränzter  Kopf 
des  Poseidon.  Rev.  Dreizack  mit  2  Delphinen  und  NA.  Nun  sind  ganz  ähnliche  Münzen 
bekannt  von  Hieron  (Torr.  CIV,  1—6)  und  Syrakus  (Torr.  LXXXI,  4),  nicht  mit  NA, 
wohl  aber  mit  anderen  Buchstaben,  die  sicher  keine  Initialen  von  Städtenamen  sind, 
sodass  ich  es  nicht  für  nothwendig  halte,  dass  gerade  das  NA  diese  Bedeutung 
haben  sollte.  Die  ähnliche,  von  Imhoof  angeführte  Münze  ohne  NA  steht  und  fällt  mit 
der  Friedländer'schen.  Eine  zweite,  von  Imhoof  hinzugefügte  Münze,  hat  einen  bär- 
tigen lorbeerbekränzten  Kopf  und  im  Rev.  einen  Krieger,  hinter  demselben  N.  Hier 
erinnere  ich  an  die  bei  Torr.  XL VIII  abgebildeten  ähnlichen  Mamertinermünzen,  die 
nur  nicht  N  haben,  das  mir  jedoch  allein  nicht  für  Nakone  zu  sprechen  scheint.  Die 
dritte  von  Imhoof  Nakone  beigelegte  Münze,  wird  von  demselben  jetzt  richtiger  Aetna 
zugeschrieben.  —  Romano  schreibt  Nakone  folgende  Münzen  zu:  Lorbeerbekr.  un- 
bärtiger Kopf.  Rev.  Kantharos,  3  Kugeln  und  NA.  Auch  hier  bleibt  die  Attribution 
höchst  zweifelhaft.  Aus  dem  Dreizack  der  von  ihm  Nakone  zugeschriebenen  Münze 
hat  Friedländer  geschlossen,  dass  N.  eine  Seestadt  war.  Nach  dem  obigen  muss  das 
dahingestellt  bleiben;  Gorcta,  Delle  antiche  citta  della  Sicilia  d'ignota  situazione, 
Nap.  1869.  4.  p.  35  hält  S.  Gono  bei  Riesi  (der  Namenähnlichkeit  wegen)  für  Nakone. 
Münzen  der  kampanischen  Stadt  Calatia,  die  keine  Seestadt  war,  haben  übrigens  auch 
einen  Dreizack.  Es  verdient  bei  dieser  Gelegenheit  bemerkt  zu  werden,  dass  unter 
den  kampanischen  Städten  Italiens  gerade  diese  Stadt  durch  die  Anwendung  des 
Pferdetypus  den  sicilischen  Kampanermünzen  am  meisten  entspricht;  sonst  ist  der 
menschenköpfige  Stier  das  kampanisohe  Wappen.    Vgl.  Sambon,  Recherches  sur  les 


432  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

monnaiea  de  la  presqu'ile  italique  etc.  Naplea  1870,  pl.  XII,  49.  Aus  Samniom  haben 
den  Pferdetypus  Benevent  undLarinuui;  Sumbon  pl.  XIII,  6  u.  12.  In  Apulien  haben, 
ihn  Arpi  und  Salapiae,  was  vielleicht  für  die  sicilische  Greschiehte  von  Bedeutung  ist 
(S.  u.  zu  Kap.  9).  Ich  spreche  hier  noch  die  Vermuthung  aus,  dass  die  sicilischen 
M  Unzen,  welche  nachdem  auf  ihnen  befindlichen  Monogramm  bald  Tauromenion,  bald 
Atabyrion  zugeschrieben  werden,  vielmehr  den  Kampanern  Siciliens  gehören.  Das 
Mon.  kann  auch  KAM  aufgelöst  werden.  Ueber  diesen  Gegenstand  bei  einer  anderen 
Gelegenheit.  —  Bie  Stellen  über  die  Kampaner  in  Sicilien  unter  Dionys  I.  sind  -.  Diod. 

XIII,  44.  62.  (80.)  85.  Die  in  diesen  Stellen  erwähnten  Kampaner  sind  die  ersten,  welche 
nach  Sicilien  kamen.  Nach  Romano  wären  es  die  Tynrhener  gewesen,  von  denen  Thuk. 
VII,  53.  54  als  von  HUIfstruppen  der  Athener  spricht.  Aber  Diod.  XIII,  44  sagt: 
OUT  Ol  riüar  hno  tdßv  Xakxidifav  roig  ^A&tiynloiQ  (ig  ro¥  n^off  ^vgaxovaiovg  noXtfiov 
jjifiiaB-tofiivoi,  xnl  fitta  rrjv  rittttv  TtajaninXtiniotig  ovx  «if/or  rovg  fnad-odoTTJaorrag, 
d.  h.  sie  waren  zu  spät  in  Sicilien  eingetroffen.  Andere  kommen  vor:  XIII >  80; 
XIY,  8.  9.  15.  58.  87.  Romano  in  der  angef.  Abhandlung  nimmt  noch  andere  Kam- 
panermttnzen  Siciliens  an;,  doch  bedarf  dies  weiterer  Prüfung,  lieber  Osker  in  Ua- 
laisa  s.  unten.  Ort  Italion  bei  Katane  Diod.  XXIV,  0. 

S.  103.  Dionys  und  Lysandros.  Derselbe  Spruch  beiden  zugeschrieben  Plut. 
de  glof.  AI.  I,  9;  Plut.  Lys.  2;  PI.  conj.  praec.  2;  PI.  Apophth.  reg.  und  Lac.  — 
S.  104.    Verfahren  des  Spartaners  Aristos  (Diod.  XIV,  70  ^^/ri;;)  in  Syrakus  Diod. 

XIV,  10.  Nach  Plut.  Pelop.  31  schicken  die  Lakedämonier  dem  Dionys  arQnTfiyovg 
xftl  a^fioOTttg. 

S.  104.  Die  Annahme  einer  älteren  Burg  an  der  Stelle  des  Athenetempels,  die 
Amoldt,  Timoleon  S.  107  nach  Raoul-Rochette  zu  billigen  scheint,  ist  unstatthaft. 
Zur  Zeit  des  Dionys  stand  der  sog.  Athenetempel  bereits  (Bd.  I,  S.  244),  also  kann 
die  nach  Diod.  XIV,  10  neuummauerte  Burg  dort  nicht  gestanden  haben. 

S.  104.  Zum  Waffenraub  bei  der  Ernte  (Diod.  XIV,  10)  vgl.  das  Verfahren 
des  Phalaris  bei  Polyaen.  V,  1,  2. 

S.  104.  Die  Leontiner  wieder  selbständig  und  chalkidisch  Diod.  XIV,  14  und 
Xen.  Hell.  II,  3.  5;  über  die  Zeit,  ob  vor  oder  nach  dem  Frieden  Völkeri.  99.  100. 

S.  104.  Die  Eroberung  verschiedener  Städte  (Diod.  XIV,. 14.  15)  seUt 
Plass  II,  215,  n.  3  mit  Recht  nicht  in  das  Jahr  403  allein.    S.  hierüber  ob.  S.  3<>8. 

S.  105.  Ueber  Katane  s.  Ad.  Holm,  Das  alte  Catania,  Lüb.  1S73.  4.  —  Was 
Naxos  anbetrifft,  so  findet  sich  der  Name  11P0KAH2:  auf  naxischen  Münzen  und 
wurde  schon  von  Carelli  auf  diesen  Verräther  gedeutet.  Aber  der  Kleinheit  der 
Schrift  wegen  muss  er  auf  den  Münzen  flir  einen  Künstlernamen  gelten,  und  dass 
Künstler  und  Staatsmann  identisch  waren,  das  anzunehmen  haben  wir  keinen  Grund. 
Aber  gleichzeitig  sind  beide  Proklos  allerdings.  Man  vorgleiche  über  den  Künstler 
Prokies  A.  von  Sallct,  Die  Künstlernamen  auf  griechischen  Münzen,  Berl.  1870.  8. 
S.  34.  35.  Derselbe  erwähnt  S.  35  eine  aus  dem  Besitze  von  Sambon,  der  sie  schon 
in  seinen  Recherches  sur  les  anciennes  monnaics  de  Tltalie  meridionale.  Nap.  1863.  4. 
p.  24  (in  der  Ausg.  von  1870,  p.  142)  besprochen  hatte,  in  das  Berliner  Münzkabinet 
übergegangene  naxische  Silbermünze:  Apollokopf.  Rev.  Sitzender  Satyr  (Diobol),  mit 
der  Prokiesmünze  in  Stil  und  Typus  übereinstimmend,  und  mit  der  Inschrift  iVKO/ro.if/ 
statt  NABl^N'  Sie  ist  nach  meiner  Ansicht  von  den  Naxiern  in  Mylai  geprägt  wor- 
den, wo  diese  ja  eine  Zeit  lang  (394  v.  Chr.)  eine  neue  Heimath  fanden,  s.  Diod.  XIV, 
87.  — Details  der  Eroberung  von  Naxos,  das  einen  Hafen  besitzt,  bei  Polyaen.  V,  2,  5. 

S.  105.  Hadranon.  Gründung  Diod.  XIV,  37;  Name  der  Stadt  daselbst 
•WJo«j/oi^,  ebenso  XVI,  68;  XVI,  69  die  Einwohner  "Adgavlittt,  ebenso  XXIII,  4, 
auf  den  Münzen  AJPANITAN ,  St  B  *A^Qavov  noltg  £ixu/ag  iv  Jj  Atrvy  norafiov 
ofjtavu^ov  l/oi'crit*  kfytrai  di  xal  ünainxSg  *A^q«vioc.    Hier  vermutbet  Meineke  eine 


Zu  Buch  V,  Kap.  4,  Seite  103—108.  433 

Ltt^e,-die  er  ansflUIt:  liyetnt  ik  xol  agaevixtif  [6  l4^(>avos'  o  TtoXfTjjg]  ^A^Q^viog, 
Ich  luibe  Bd.  I,  S.  S40  lidgavtot  als  Fhisflnamen  genommen.  Ueberdies  kann  de^  Fluss 
nicbt  l^^Qtxvov  geheiBsen  haben ,  eodase  der  Ausdrack  des  St  B  schlecht  bleibt,  ro 
I4&^v6v  hat  aueh  Plut.  Tim.  iSL  16.  Nymphodor  bei  Ael.  H  A  XII,  20:  "Mq(cv6c 
lau  n6Xic,  Vgl.  Ebert,  Diss.  Sic.  I.  Regim.  1825.  8,  p.  183.  184.  Bei  Sil.  XIV,  250 
beisst  die  Stadt  HadraniUD;  bei  Plin.  III,  91  kommen  die  Hadranitani  Tor;  von 
Cicero  werden  Stadt  und  Einwohner  meines  Wissens  nicht  erwähnt,  was  sehr  auffal- 
lend ist.  ^  Vgl.  Faz.  237,  Gl.  408,  Houel  III,  24—20,  nebst  PI.  155.  156.  Biscari, 
Viaggio  etc.  Pal.  1817.  8,  p.  57—60,  der  Mauerreste  aus  Quadern  ohne  MSrtel,  SttttE^ 
mauern,  auf  denen  nach  localer  Tradition  der  Hadranostempel  gestanden  haben  soll, 
o.  A.  erwShnt.  Gio.  Sangiorgio  Mazsa,  Storia  di  Adem6,  Oat.  1820.  8,  mit  8  Kupfer- 
tafeln. D.  233.  Die  Münzen  s.  bei  Saunas,  Le  Monete  delle  cittÄ  etc.  Tay.  2. 

S,  105.  Halaisa.  Grrttndung  von  Halaisa  Arohonideios  Diod.  XIV,  16.  N^h 
0.  Meltier,  in  N.  Jahrb.  1873,  Bd.  107,  S.  232  ist  die  Notiz  Diodor's  1.  1.:  tivh  64 
ipaaiv  vno  KftQxri^tnfiüiv  ixria&eu  rriv  "jUai-actv  nttS^  tv  »aigcv  '//u/Axwv  rtjv  ngeg  tov 
jHivvaiw  iigi^vftv  Ivoiiiattr^,  auf  die  Kampaner  zu  deuten,  die  nach  XIV,  8  Himilkon 
damals  in  Slcilien  zurtfckUess.  Die  xipig  sind  wohl  Ephoros,  wie  XIII,  109  und 
XIV,  62.  Der  in  der  grossen  Inschrift  CI  5594  In  Halaisa  vorkommende  FIuss  'O^«- 
xwevoQ  beweist  Anwesenheit  von  Oskem  auch  hier,  was  Meltzer's  Annahme  bestätigt, 
und  zugleich  beweist,  dass  die  tivig  nicht  im  Unrecht  waren.  In  derselben  Inschrift 
kommt  das  von  Diodor  1.  1.  erwähnte  ^AnoXXMvuov  als  Ugov  tov  jinokhavog  vor; 
ebendas.  erscheint  auch  ein  *u46quvuIov,  Auf  den  Münzen  von  Halaisa,  die  spät  sind, 
erinnert  der  Typus  des  Apollokopfes  an  das  ^AnokXiov^tov  bei  Diodor;  es  wird  auf 
ihnen  zu  dem  Stadtnamen  APX  hinzugefügt;  auf  einer  römischen  Münze  steht 
HALAESA  AROCHONIDA.  —  Die  Notiz  Diodor's  1.  1.,  dass  noch  andere  Orte  des 
Namens  Halaisa  in  Sicilien  seien,  hat  Schubring  im  Bericht  über  seine  Reisen  in  den 
Monatsber.  der  Berl.  Akad.  1866,  S.  756  zu  der  Vermuthung  verwerthet,  dass  ein 
anderes  Halaisa  das  heutige  S.  Agata,  ebenfalls  an  der  Nordkttste,  gewesen  sei.  —  Bei 
Cic,  Verr.  ü,  7  und  75  Halaesa,  bei  Plin.  IH,  91  Hiüesini.  —  Vgl.  Faz.  227.  228.  CK 
354—358,  (G.  Lancil.  Castello,  princ.  di  Torremuzza)  Storia  di  Alesa,  racc.  da  Seli- 
nunte  Drogonteo,  Pal.  1753.  4,  n^bst  desselben  Diss.  sopra  una  statua  di  marmo> 
scov.  nelle  rovine  deir  antica  citt4  di  Alesa.   Pal.  1749.  D.  267. 

S.  107.  In  den  an  der  Mauer  Arbeitenden  sieht  Nitzsch,  Graoehen  S.  47  einen 
besonderen  Arbeiterstand.  Mit  Unrecht,  denn  es  heiset  bei  Diod.  XIV,  18:  rov  ano 
Tj^c  x^9^^  oxXov  Ti&Qoixnv,  und  zwar  wählt  er  nur  rovg  iv^itovg  avdgas  aus.  Das  sind 
also  alle  nicht  wohlhabenden  auf  dem  Lande  wohnenden  Leute:  Ackerbauer,  Hirten 
und  Handwerker.  Ueber  die  Mauer  spricht  Schubring,  Bewäss.  von  Syrakus  622,  wo 
er  auch  nachzuweisen  sucht,  dass  Dionys  schon  damals  auch  die  südliche  Mauer  be- 
endet haben  müsse;  XV,  13  gebe  Diodor  dann  nur  ein  Resum6  der  gesammten  Ar- 
beiten. Aehnlioh  wie  Schubring  denkt  Volquardsen  S.  104  über  Diodor  XV,  13.  Ich 
kann  es  nicht  als  nothwendig  betrachten,  dass  die  ganze  Mauer  bereits  vollendet  sein 
muaste,  als  die  Karthager  die  Stadt  belagerten.  Schubring,  Achradina  S.  27  will  bei 
Diod.  XIV,  18  ro  tiqog  rot;  *B$a7rvXoig  vnagx^^  ttt^og  in  r.  n.  r.  ^E^ctTr.  aQ^ft  r.  an* 
dem.    Ueber  die  Latomie  BufSfilaro  spricht  Schubring,  Bewäss.  etc.  S.  624. 

S.  108.  Ueber  die  Rüstungen  des  Dionys  Diod.  XIV,  41—43;  Rttstow,  Griech. 
Kriegswesen  S.  207.  Von  den  Tempeln  wurden  die  Trgovaoi  und  »nie^odofÄot  als 
Werkstätten  benutzt:  Diod.  XIV,  41.  —  Dass  nicht  erst  von  Dionys  Penteren  gebaut 
sein  sollen,  dafür  hat  man  Herod.  VI,  87  citirt,  wo  bereits  eine  nevTrigi)^  vorkommt, 
aber  Sehömann  hat  im  Greifswalder  Lectionacat.  1838  gezeigt,  dass  hier  ntpisrtigig 
zu  lesen  ist.  Bai  Plin.  VU,  207.  2ü8,  wo  die  Fortschritte  im  Kriegsohiffsbau  aufge- 
zählt werden,  heisst  es :  quadriremem  Aristoteles  Carthaginienses,  quinqueremem  Mne-^ 

Holm,  Gesch.  Sicilicns.  II.  28 


•knmrim.M  1 


434  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

Bigiton  Salaminios,  sex  ordinum  Xenagoras  Syraousios  (sc.  primos  feciase).  Letzteres 
geht  dann  ohne  Zweifel  auf  Dionys.  —  Bei  Diod.  XIV,  42  will  Schubring,  AcbraoUna 
27  statt  des  sinnlosen  tov  vvv  xniov^ivov  Ufiivog  lesen :  rov  viou  oder  toS  Anxxicv 
xaL  Itft,  —  Dass  Dionys  ein  xQvnrhv  vitaQtov  hatte^  sagt  Polyaen.  Y»  2,  14;  es  war 
natürlich  in  seiner  Burg. 

S.  109.  Doppelehe  des  Dionys  Diod.  JCIV,  44,  wonach  beide  Hochzeiten  n^Qk 
tov  avthv  xQOPw  Stattfanden,  nach  Plut.  Dion  3  waren  sie  nßiie^  /<«$;  XIV,  107  die 
Antwort  der  Rheginer.  Bei  Ael.  V  H  XII,  47  und  XIII.  10  ist  Verwirrung  in  den 
Namen  der  Frau  und  der  Schwester  Dion's.  Dies  Beispiel  einer  Doppelehe  ist  hin» 
zuzufügen  in  dem  betr.  Abschnitt  von  Hermann's  PrivatAlterthnmem  f  29,  7.  Nach 
Plut.  Tim.  6  wollte  D.  anfangs  die  Tochter  des  Lokrers  Aristeides  heirathen,  s.  daa. 
dessen  Antwort. 

S.  HO.  Den  Vergleich  der  Verfolgung  der  Karthager  mit  der  siciliaiii- 
schen  Vesper  macht  Grote  V,  695.  Die  Stelle  Diod.  XIV,  46  von  der  Verfolgung  der 
Karthager  wird  ansftthrlich  erklärt  von  0.  Meltzer  N.  Jahrb.  1873,  Bd.  107,  8.  233. 
Er  denkt  bei  den  lotnol  ZiKtlewai  besonders  an  Messana  und  glaubt,  dass  die  in 
Syrakus  und  diesen  sikeliotischen  Städten  wohnenden  karthagischen  MetOkenkolo- 
nien  älter  sein  möchten  als  das  6.  Jahrh.  v.  Chr.  Da  sonst  keine  uralten  Ph5nicier- 
niederlassungen  in  den  sikeMotisehen  Städten  erwähnt  werden,  kann  ich  in  unserer 
Stelle  auch  keinen  Beweis  dafUr  finden :  ovx  hUyot  i^v  AuQXfiSwtufv  fxovr  4r  raXc 
ZvQnxovüatg  heisst  doch  nicht :  Mitglieder  einer  uralten  phOnicischen  Kolonie,  sondern 
aus  Karthago  ausgewanderte  Leute. 


Fttnftes   Kapitel. 

Hauptquelle  Diod.  XIV,  47  —  77. 

S.  111.  Die  Belagerung  von  Motye  ist  von  Schubring,  Motye  —  Lilybaeum, 
Phiiologus  XXIV,  1,  S.  49  ff.,  nach  den  hierüber  vorhandenen  Berichten  der  Alten: 
Diod.  XIV,  48—53  und  Polyaen.  V,  2,  6  behandelt  worden.  Wir  haben  durch  diese 
Arbeit  eine  klare  Einsicht  in  die  Belagerung  gewonnen:  doch  sind  noch  nicht  alle 
Schwierigkeiten  gelüst,  welche,  in  der  Bestimmung  der  Punkte,  an  denen  die  Schiffe 
lagen,  und  in  dem  Nachweis  der  Strecke,  welche  von  den  griechischen  Schiffen  zu 
Lande  zurückgelegt  wurde,  bestehen.  Diod.  XIV,  48  sagt,  dass  Dionys  seine  Kriegs- 
schiffe na{>a  rov  atsnkouv  xov  Ufiivog  ivttilxiiae.  Schubring  deutet  diese  Worte  S.  54 
so:  „um  den  Worten  Diodor's  möglichst  gerecht  zu  werden,  müssen  wir  uns  denken, 
dass  die  Kriegsschiffe  auf  dem  Continent  zwischen  Punta  Palermo  und  dem  Orte,  wo 
der  Molo  an  das  Land  stiess,  standen.''  Punta  Palermo  liegt  südlich  vom  Molo;  Seh. 
denkt  sich  also  den  Standort  der  griechischen  Kriegsschiffe  südlich  vom  Molo;  ao 
äussert  er  sich  auch  S.  59 :  „Die  Kriegsschiffe  standen  an  der  Sttdostseite  des  Hafens.'' 
Nun  ist  aber  bei  dieser  Annahme  folgende  Schwierigkeit.  Diese  Kriegsschiffe  wer- 
den, wie  wir  aus  Polyaen  lernen,  über  eine  20  Stadien  (21/2  Millien)  breite  Landzunge 
in's  äussere  Meer  geschafft.  Wo  ist  dieselbe  zu  suchen?  Sie  kann  nur  ganz  im'Norden 
der  Bucht  angenommen  werden,  und  das  thut  auch  Schubring,  indem  er,  um  dort 
Land  zu  bekommen,  wo  jetzt  Wasser  ist,  voraussetzt,  dass  die  Insel  Borrone  mit 
dem  Festlande  bei  S.  Teodoro  zusammengehangen  habe  (S.  56).  Aber  nach  Schubring 
lagen,  wie  wir  sahen,  die  Schiffe  gar  nicht  an  dieser  Landzunge,  sie  lagen  nach  seiner 
Ansicht  südlich  von  dem  Damme,,  den  Dionys  neu  machte,  und  waren  somit  durch 
diesen  Damm  von  dem  Gewässer  getrennt,  welches  an  die  Landzunge' stiess.  Indem 
nun  Seh.  diese  Schwierigkeit  keineswegs  verkennt,  sagt  er  S.  58:  J)ie  Schiffe  wur- 
den zu  Lande  nach  einem  20  Stadien  breiten,  ebenen  und  lehmigen  Orte  unter  der 


Zu  Buch  V,  Kap,  5,  Seite  109-M6.  435 

Landzunge  gebraoht, diese  Strecke  wurde  mit  Brettern  belegt  und  die  Schiffe 

auf  Walzen  von  dem  inneren  in's  äussere  Meer  hinttbergeroUt/^  Es  war  bei  der  An^ 
Setzung  der  Schiffe  aUdlich  vom  Damm  allerdings  nothwendig,  dass  sie  zu  Lande  nach 
dem  20  Stadien  breiten  Orte  gebracht  wurden,  über  den  man  sie  dann  hinüberrollte. 
Aber  gesagt  wird  es  nirgends.  Und  wenn  es  geschehen  wäre ,  so  hätte  es  doch  nur 
auf  Walzen  geschehen  kOnnen,  und  dann  wäre  einfach  von  den  Schriftstellern  zu 
melden  gewesen,  dass  nicht  20  Stadien,  sondern  etwa  30,  denn  soviel  betrug  dann 
die  ganze  Strecke,  auf  Walzen  zurückgelegt  wurden.  Da  dies  nicht  gesagt  ist,  niuss 
es  als  unwahrscheinlich  angesehen  werden,  dass  die  Schiffe  südlich  vom  Damme 
atänden,  und  es  ist  eine  andere  Erklärung  der  Stelle  zu  suchen.  Wir  haben  zunächst 
den  20  Stadien  breiten,  das  äussere  vom  inneren  Meere  trennenden  Raum  zu  finden. 
Wir  erhalten  ihn  noch  nicht,  wenn  wir  nur  die  nördlichste  Inselspitze  mit  dem  Oap 
S.  Teodoro  verbinden;  wir  müssen  einen  Schritt  weiter  gehen  und  aus  dem  sehr 
seichten  Golfe  noch  mehr  Land  liinzufügen  und  annehmen,  dass  derselbe  sich  damals 
bis  in  die  Nähe  von  Motye  selbst  erstreckte.  Erst  dann  ist  das  Land  hier  etwa  20 
Stadien  breit.  Dann  müssen  wir  aber  auch  annehmen,  dass  hier,  nordwestlich  von 
Motye,  die  Kriegsschiffe  des  Dionys  standen,  woraus  folgt,  dass  hier  der  ttgjrlovg 
rov  Xtfjiivos  war,  von  welchem  Diodor  spricht.  Dann  bedeutet  Af/4171'  nicht  mehr  die 
gesammte  Bucht  von  Motye»  die  man  auch  als  dessen  Hafen  betrachten  kann,  sondern 
vielmehr  einen  inneren  Hafen,  der  hiernach  nördlich  von  Motye  anzunehmen  ist. 
Dionys  stellt  sich  nach  Diod.  XIY ,  50  in\  ih  otofxa  rov  Xifjtivog  auf,  d.  h.  auf  der 
Landzunge,  über  welche  die  Schiffe  geschafft  wurden,  und  konnte  so  mit  seinen 
Katapulten  seine  Flotte  in  ihrem  Kampfe  gegen  die  Feinde  unterstützen.  ^  Aehn> 
lieber  Transport  von  Flotten  über  Land  kommt  vor  in  Hannibars  Kampf  gegen  Ta- 
reut,  Polyb.  YIU,  36,  s.  Lorentz,  De  vett.  Tarent.  reb.  gestis.  II  Lucc.  1841.  4^  der 
p.  24,  not.  10,  Graev.  Thes.  ant.  It.  IX  p.  5  citirt,  wonach  Gonsalvo  von  CQrdova 
dasselbe  bei  Tarent  that.  Auch  Sultan  Muhammed  verfuhr  so  bei  der  Belagerung 
von  Constantinopel,  s.  Biogr.  g6n^r.  Bd.  XXXII,  p.  843. 

S.  111.  Bei  Diod.  XIY,  48  haben  die  Handschr.  *JlyxvQai.  Aber  aus  XIY,  54 
sieht  man,  dass  'uiXixvat  zu  lesen  ist.  Aus  XIY,  48  ergiebt  sich,  dass  Halikyai  nicht 
zu  den  sikanischen  Orten  gerechnet  wurde ;  es  war  also  damals  offenbar  ely misch. 

S.  113.  Yersiegelte  Ordres  an  die  Flottenfllhrer  Diod.  XIY,  55;  Front. 
Strat.  I,  1,2;  Polyaen.  Y,  10,  2.  Bei  Diod.  XIY,  55  ist  statt  iis  rr^v  Aißvriv  zu  lesen : 
^n\  rr^  AtXvßatov  axgecv. 

S-  113.  In  diesen  Krieg  und  in  diese  Periode  desselben  muss  die  von  Polyaen. 
Y,  10,  5  erzählte  Geschichte  gehören  von  dem  Kampfe  zwischen  Himilkon  und  den 
Feldherren  des  Dionys,  ntQl  ro  KQovto»;  welches  Einwohner  hat.  Yielleicht  ist  hier 
an  den  Monte  Pellegrino  zu  denken.  -^  Es  bedarf  nicht  der  Bemerkung,  dass  Ti- 
maios'  Zahlen  glaublicher  sind. 

S.  114.  Die  Einnahme  von  Messana  stellt  Plass  II.  219  so  dar:  „Weil  indess 
die  messenischen  Reiter  in  des  Dionys  Heere  dienten  und  Orakelsprüche  auf  diesen 
hinzuweisen  schienen,  fiel  man  nicht  ab,  brachte  Weiber,  Kinder  und  Kostbarkeiten 
in  Sicherheit  und  zog  nach  dem  festeren  Peloris,  um  sich  hier  zu  vertheidigen.  So 
rückte  Himilkon  in  Messene  ein  und  hielt  daselbst  Winterquartiere.^  Ich  finde  nicht, 
dass  mit  diesen  Worten  die  Ueberlieferung  Diodor's  (XIY,  56.  57}  in  annehmbarer 
Weise  umgeformt  ist.  Gegen  Plass  leugnet  Niehues  42,  n.  22,  dass  Him.  in  Messana 
überwinterte ;  die  Karthager  hätten  vielmehr  vor  Syrakus  überwintert.  —  Gleich  nach 
der  Seeschlacht  bei  Katane  Sturm,  wie  sich  ergiebt  aus  der  Bede  des  Theodoros  bei 
Diod.  XIY,  68;  etwas  später  nach  XIY,  61. 

S.  116.    In  die  Zeit  vor  der  Belagerung  von  Syrakus  gehört  die  von  Polyaen. 

28* 


436  Anbaiig  III.   Belege  und  ErlftuteruDges. 

V,  2,  8  erzählte  List  des  Dionys  mit  den  Kftstellen,  durch  deren  Beeatgmng  die  Feinde 
ihre  Macht  schwächten. 

S.  116.  Topographie  der  Belagerung  von  Syrakos,  welche  Ton  Diodor 
ausführlich  XIV,  61—76  erzählt  ist.  AlB  Himilkon  mit  seineM  Heere  tot  Syrakus 
eingetroffen  ist,  xauoxiivüfatv  iv  r$  fv  Jios  vtipt  d.  h.  das  Hauptquartier  des  Feld* 
herm  war  am  Olympieion.  Von  dem  Heere  selbst,  welches  rö  loiirw  nlH&ot  genannt 
wird,  heisst  es  dann :  iy  ttp  nttQttxetfiivp  roTiip  xmttötQatonidkvctv,  Kni/ttw  r^  rnUm^ 
araJiovs  ^Mixa.  Da  der  Anapos  in  dieser  Gegend  etwa  12  Stadien  Ton  den  Mauern 
von  Syrakus  entfernt  ist  —  bei  Plut.  Dion  27  sind  10  Stad.  angegeben  —  so  ist  dM 
Lager  nürdlich  vom  Anapos  anzunehmen.  Weiter  heisst  es  in  o.  63 ,  dass  er  r«  t^s 
^j^xgnätv^g  Ttgotiautor  besetzte  und  die  Tempel  der  Demeter  und  Köre  beraubte,  so- 
wie, dass  er  Gräber  niederriss,  unter  andern  die  des  Gelon  nnd  der  Demarete.  Er 
hat  also  auch  die  Neapolis  südwestlich  vom  Theater  besetzt.  Dann  macht  er  (c.  63) 
eine  Mauer  um  sein  Lager  und  baut  3  ipQovgia  am  Meere :  ro  fihv  inl  r«£f  UXtififtv^w, 
To  ^  inl  fiiaov  rov  Xifi^vog,  ro  Jk  xara  rov  v€w  rov  /Itig,  Die  Lage  des  ersten  ist 
klar,  es  sollte  die  Einfahrt  in  den  Hafen  schützen,  das  zw^te  haben  wir  uns  an  der 
Punta Caderini  (Daskon)  zu  denken;  das  dritte  endlich  entsprach  der  Pollchne  (c.  72}; 
es  ist  also  fUr  dies  Fort  die  Angabe  „am  Meere"  nicht  genau.  So  beherrscht  er  mit 
diesen  3  Forts  und  dem  Lager ,  dessen  nördlichere  Lage  durch  die  Aeusserung  in 
c.  70  bestätigt  wird;  dass  die  Athener  tiiv  avtifv  na^tfAßol^y  gehabt  hätten,  den 
ganzen  Süden  von  Syrakus.  Den  Angriff  macht  Dionys  von  Westen  her :  negul^nv 
inl  ro  trjt  Kvttviis  Uqw  ,  welches  westlich  vom  Olympieion  jenseits  des  Ajiapoa  war 
(c.  72).  Dionys  lässt  nun  Reiter  und  Söldner  einen  Scheinangriff  auf  to  tt^s  rnv 
fitüoyciov  dyaT€u'ov  fii^og  des  Lagers  machen  und  greift  mit  den  Übrigen  Truppen 
die  (pQovQia  an,  sowie  nebenbei  auch  noch,  wie  es  scheint,  das  Lager  selbst,  in  wel* 
chem  sich  jetzt  auch  das  karthagische  Hauptquartier  befand.  Nun  wird  zuerst  das- 
jenige  Fort  von  Dionys  genommen,  „welches  Polichne  heisst"  (c.  72) ,  also  dringt  hier 
Dionys  zwischen  Sumpf  und  Lager  ein  und  fasst  die  Feinde  im  Centmm.  Wenn  nnn 
weiterhin  den  Reitern  ein  Theil  des  Erfolges  gegen  das  Daskonfort  zugeschrieben 
wird,  so  ist  anzunehmen,  dass  dies  andere  sind  als  die,  welche  das  Haupth^^r  an- 
gegriffen haben.  —  Zuletzt  schlägt  (c.  74)  der  siegreiche  Dionys  sein  Lager  am  Olym- 
pieion auf;  die  Feinde  sind  überall  abgeschnitten.  —  Grote  V,  706,  n.  105  bezieht 
auf  diesen  Krieg  das  Manöver  des  Leptines  bei  Polyaen.  Y,  8,  2.  ^  Bei  Diod.  XIV, 
62  ist  von  üs&fofnvai  an  Confusion,  Gr.  V,  7ü9  n.  107. 

S.  118.  Von  der  Seuche  im  karthagischen  Heere  spricht  Diod.  ZIV,  71  sehr 
ausfuhrlich ;  man  hat  mit  Recht  gefunden ,  dass  Diodor's  Quelle  und  Diodor  selbst 
hier  ein  Seitenstttck  zur  thukydideischen  Beschreibung  der  Pest  in  Athen  haben 
geben  wollen. 


Sechstes  KapiteL 

Hauptquelle  Diod.  XIV,  78.  87.  88.  90.  91.  95.  96.  100—109.  111.  112.  In  c.  93 
ist  eine  Geschichte  von  Uparäischen  Seeräubern  erzählt. 

S.  122.  Von  dem  von  Diodor  XIV,  78  berichteten  Vorfall  mit  den  Söldnern 
scheint  eine  abweichende  Darstellung  erhalten  bei  Polyaen.  V,  2,  1.  Damach  war 
Dionys  in  Lebensgefahr,  rettete  sich  aber  durch  Demttthigung.  Am  Schluss  heisst 
es:  ^lovvaios  ovx  ig  /attxgap  h  AsovUvois  ni(ftaxiia«g  avtois  r^v  iavtov  SvBttfiWt 
annvtug  xurrpcovriatv.  Dann  hätten  diese  Söldner  allerdings  Leontini  nicht  lange 
gehabt.     Diod.  1.  1.  ist  Midfiaiovg  Conj.  Oluver's  für  das  handschr.  Mt^if^ralovt, 


\ 


Zu  Bach  V,  Kap.  5  u.  6,  Seite  li6*-123.  437 

S.  12s.  Die  Gründung  der  Stadt  TwSttQig  erzählt  Diodor  XIV,  78.  Ptol. 
nennt  sie  Twdmqiov.  Einw.  bei  Diod.  XIV,  69  Tw^oQitn^^  auf  Münaen  TYN/IA- 
Pf  TAN,  lat.  Tyndaritani.  In  Betreff  der  Wahl  des  Namena  ist  an  beachten ,  dass 
Diod.  XrV,  78  sagt :  of  Miooiinoi  r^y  noXiv  »pofÄuaar  Tw^ufU^a^  und  die  Messenier 
besonders  die  Dioskuren  verehrten;  vgl.  Paus.  III,  26,  3,  wonach  sie  sagten  tohg 
Ato^ovQovf  jiiäklov  u  aifTotc  xal  ov  Aaxtdaiftioyiotg  nQogfptiiv,  Vgl.  Welcker,  Griech. 
GOtterl.  II,  425.  Uebrigens  galt  Tyndaris  schon  als  altheiliger  Ort.  Orestes  kam  da- 
hi^,  nachdem  er  sich  in  Rhegion  hatte  sühnen  lassen,  und  er  brachte,  wie  es  scheint, 
den  Kultus  der  Artemis ,  die  später  in  dieser  Gegend  verehrt  wurde ,  mit  sich  {nsQl 
tfis  €VQio(tag  rüp  ßovitoXixttv  vor  den  Ausg.  Theokrifs).  Nun  war  allerdings  die  Ar- 
temis Limnatis  Messenien  und  Lakonien  gemeinsam,  und  am  Fusse  der  Burg  Ithome 
war  ein  Tempel  dieser  Göttin;  dennoch  scheint  die  Stadt  Tyndaris  Artemis  nicht 
besonders  verehrt  lu  haben.  Die  Münzen,  welche  vorzugsweise  die  Dioskuren  1  so- 
dann den  alten  Heros  Agathymos,  die  Helena  und  andere  Gtötter  zeigen,  haben, 
wie  es  scheint,  Artemis  nicht,  sodass  ich  annehmen  möchte,  dass  in  der  Wahl  des 
Namens  Tyndaris  durch  die  messenisohen  Kolonisten  und  in  der  verhältnissmässigen 
•Zurücksetzung  des  alten  Artemiskultus  etwas  demonstratives  gegen  Lakonien  liegen 
eollte.  —  Vgl.  über  Tyndaris  Faz.  231.  32.  Gl.  367 --70.  F.  Ferrara,  Anticfai  edificii 
ed  altri  monumenti  in  Sicilia.  Pal.  1814.  4,  mit  4  Kupfern,  welche  erste  Lieferung 
eines  nicht  weiter  fortgeführten  Werkes  von  Tjrndaris  handelt.  Serradif.  V,  48  ff., 
der  sonderbarer  Weise  auf  S.  49  die  von  Diod.  XTV,  78  dem  Dionys  zugeschriebenen 
Kriegsthaten  den  Tyndaritanem  zurechnet.  D.  274—76.  Auf  den  Einflnss  der  1000 
Lokrer,  die  nach  Diod.  XIV,  78  Messana  neu  gründen  halfen,  scheint  Sambon,  Re- 
eherches  sur  les  monnaies  de  la  presqu'tle  Italique.  Napl.  1870.  4.  p.  339,  die  von 
ihm  p.  336  unter  No.  5  und  6  beschriebenen  lokrischen  Didrachmen  zurückzuführen, 
welche  einerseits  den  geflügelten  Blitz,  andererseits  den  einen  Hasen  verschlingenden 
Adler  zeigen,  was  ja  einen  Sieg  über  die  Hasenstadt,  d.  h.  über  Messana,  andeuten 
kann.  Mir  scheint  diese  Deutung  nicht  ganz  passend.  Man  kann  doch  nicht  sagen, 
dass  die  1000  Lokrer  Messana  besiegt  haben. 

S.  123.  In  Betreff  Messana^s  ist  noch  zu  bemerken,  dass  nach  Paus.  IV,  26,  2 
nach  der  Schlacht  bei  Aigospotamoi  die  Messenier  in  Naupaktos  nach  Italien  und 
Sicilien  gingen;  vgl.  Diod.  XIV,  78,  und  umgekehrt  die  in  diesen  Ländern  befind- 
lichen Messenier  nach  der  Schlacht  bei  Leuktra  nach  dem  Peloponnes  zurückkehr- 
ten. —  Nach  Polyaen.  V,  2,  17  nimmt  Dionys  Messana;  wann?  —  Was  ist  femer  unter 
Amphipolis  bei  Polyaen.  V,  2,  11  zu  verstehen?  —  Bei  Diod.  XIV,  78  ist  handschr. 
Lesart  Zfifvfov,  wofür  Oluv.  ZfQyifTioy^  Dind.  Mivairov  lesen  will. 

S.  123.  TttvQOfjiiviov.  Nach  Diod.  XIV,  59  gründen  es  Ol.  96.  1=396  v.  Chr. 
Sikeler,  von  Himilkon  unterstützt;  nach  c.  96  belagert  es  Dionys  Ol.  96,  3^:394 
V.  Chr.;  nach  c.  96  erobert  es  Dionys  Ol.  97,  lss:392  v.  Chr.  und  setzt  Söldner  dort 
als  Bewohner  ein ;  nach  Diod.  XVI,  7  vereinigt  Ol.  105,  38=358  v.  Chr.  Andromachos 
die  aus  dem  von  Dionys  zerstörten  Naxos  noch  übrigen  Bürger  und  gründet  Tauro- 
menion,  so  genannt  ano  r^f  in\  rov  Tavgov  fiov^C'  Dies  hat  G.  F.  Unger,  Die  Ab- 
fassungszeit des  sogen.  Skylax,  im  Philol.  33,  S.  38.  39  falsch  verstanden,  indem  er 
annimmt,  dass  Naxos  358  v.  Chr.  durch  Uebersiedelung  seiner  Bewohner  nach  Tau- 
romenion  entvölkert  wurde ;  Naxos  existirte,  wie  wir  wissen,  lange  nicht  mehr.  Tau- 
romenion  bezeichnet  Strabon  VI,  2,  3  als  eine  Gründung  rmv  iv  "^ßXr^  Zayxlaümf,  mit 
welcher  Notiz  Cluver  nichts  zn  machen  wusste.  Amoldt,  Timoleon  S.  92  macht  dar- 
aus eine  .»sikelische  Ansiedlung  der  Zanklaier  ans  dem  grösseren  Hybla,''  und  auch 
Schabring ,  Umwandemng  des  megarischen  Meerbuaens  4$3 ,  scheint  an  Sikeler  zu 
denken.  Aber  dann  waren  es  keine  Zanklaier  und  man  hätte  statt  ZttyxXnfatr  ZiKt- 
luv  zu  lesen.  Wenn  ZayKXaiw  richtig  ist,  können  wir  uns  die  Sache  nur  in  folgender 


438  Anhang  TU.    Belege  und  ErlSuterangen. 

Weise  denken.    Als  Messana  durch  Himilkon  zerstört  wurde,  lOste  sich  der  alte  Bür- 
gerverband im  Grossen  und  Ganzen  auf.   Diod.  XIV.  78  lässt  allerdings  die  Annahme 
zu,  dass  viele  alte  Messeoier  in  die  mit  Lokrem,  Medmäem  und  peloponnesisehen 
Messeniern  neubevölkerte  Stadt  zurückkehrten,   aber  alle  werden   es  nicht  gethan 
haben.    Die  alten  ZanklSer,  die  ja  sich  immer  etwas  von  den  Messeniern  geschieden 
hielten,  gingen  nach  Hybla,  wahrscheinlich  dem  aetnäischen,  und  von  da  nach  Tau- 
romenion.    Wenn  somit  in  Tauromenion  ein  starkes  ionisches  Element  war  (Naxier 
und  Zankl&er),  war  nichtsdestoweniger  die  of&cielle  Sprache  der  Tauromenit^er  der 
dorische  Dialekt ,  wie  man  aas  den  Inschriften  sieht.    Tauromenion  hatte  eine  ge- 
mischte Bevölkerung,  welche  des  dorischen  Dialektes  sich  amtlick  bediente,  weil,  als 
die  Stadt  entstand,  der  Einfluss  von  Syrakus  in  Slcilien  überwog.  —  Die  Einwohner 
bei  Diodor  XVI,  7  TavQOfifvtrai ;  auf  den  Münzen  TAY  PO  M  ENI  Tut  Df,  lat.  Tanrome- 
nitani.  —  Vgl.  über  Tauromenion  Faz.  56,  Cl.  107—14,  Houel  II,  31—55.  J.  Gartella 
e  Rocco,  Breve  relazione  de'  piü  rimarchevoli  antichi  monumenti  esistenti  nella  citti 
di  Taormina,  in  der  Nuova  Raccolta  di  Opuscoli  IV,  Pal.  1791,  p.  1  und  von  dems. 
Lettera  intorno  a'  pregi  dell'  antica  citti  di  Taormina  in  den  Opuscoli  XV,  Pal.  1 774, 
p.  141,  sowie  Discorso  storico-critico  intorno  all'  origine  della  citt4  di  Taormina,  dett. 
dal  Sgr.  Lor.  Geta  Caraccioli,  Opusc.  XVIII,  Pal.  1777,  p.  153—242.  Serradifalco  V, 
31  ff.  D.  456—62,  endlich  die  Publication  einer  schon  älteren  Arbeit:  G.  Di  Giovanni, 
Dissertazioni  sulla  storia  civile  di  Taormina,  volgarizzam.  con  aggiunte  di  A.  Pieral- 
lini, Pal.  1870.  8.  —  Nach  Diod.  XIV,  88  gab  efr  wenigstens  zwei  Akropolen  in  Tau- 
romenion.   Er  sagt  von  Dionys:  fitäg  fjilv  atcp^TroXuoe  ixv^iivOi  —  fjurn  dh  ravta  tig 
t6  €t€qov  fi^Qog  naQdtmamv  tUriytty^  tr^if  dvpafjiv  tfg  t^  noXiv.    Wenn  das  richtig 
ist,   so  hat  man  anzunehmen,  dass  das  jetzt  sogen.  Castello  di  Taormina  und  das 
noch  höher  gelegene  Felsennest  La  Mola  die  beiden  Akropolen  gewesen  seien.    Da 
es  jedoch  vorher  bei  Diodor  nur  heisst :  tkqI  ttiv  xttia  r^v  texQonoXiv  (pvXax^y,  so  ist 
in  Diodor's  oben  citirten  Worten  ein  Fehler  zu  vermuthen  und  statt  fnag  ftiv  äxQ.  zu 
lesen  r^p  fjih  «xq.    Dann  haben  wir  nur  eine  Burg,  und  diese  ist  das  jetzige  Castello. 
Es  heisst  bei  Diodor,  dass  die  Sikeler  den  Dionys  /{  vTKQdf^itov  xonmv  bedrängen» 
das  war  dann  bei  La  Mola.    Die  Münzen  scheinen  erst  der  hieronischen  Zeit  an- 
zugehören,   da  die  aus  Silber  geprägten   dem   Litreniusse  folgen.     Sehr  zahlreich 
und   theilweise'  sehr  schön    sind  die   Typen  der  Bronzemünzen,    unter  denen    die 
auf  Apollon  bezüglichen  hervorragen.    Mit  dem  Archagetas  knüpfte  Tauromenion  an 
Naxos  an. 

S.  124.  Nach  Diod.  XIV,  88  steilen  sich  mit  den  Akragantinem  auf  die  republi- 
kanische Seite  die  Meaaiinoi,  welche  rove  ra  Jioi^vaiov  (fQwovvrttg  vertreiben.  Nach 
Grote  VI,  7,  n.  10  passen  die  Messener  nicht  hierher,  die  ja  nach  Diod.  XIV,  78 
nur  aus  Freunden  des  Tyrannen  bestehen.  Auch  mir  scheint  nach  dem  Znsammen- 
hange  Mtaarjvioi  falsch  und  vielmehr  KafiaQ^vaioi  zu  lesen.  —  Das  am  Schluss  von 
Diod.  88  erzählte  gehört  offenbar  schon  in  Ol.  96,  4. 

S.  124.  Grossgriechenland.  Ueber  Sybaris  Diod.  XI,  90;  XII,  10.  Kriege 
delr  Tarentiner  Diod.  XI,  52;  Paus.  X,  10,  6;  X,  13,  10;  Siris  Str.  VI,  1,  15;  lust. 
XX,  2;  Herod.  VIII,  62.  Metapont  Mannert,  Italia  II,  232.  Ueber  Thurii  Schiller, 
De  rebus  Thuriorum,  Gott.  1838.  4  und  Th.  Müller,  De  Thuriornm  republica,  Gott. 
1838.  4;  Diod.  XII,  23.  Grotefend,  Zur  Geographie  und  Geschichte  von  Alt-Italien, 
Hannov.  1841.  4,  Heft  IV,  nimmt  S.  42  an,  dass  der  Bund  der  italischen  Städte  gegeft 
Dionys  es  war,  der  sich  stolz  zuerst  Grossgriechenland  nannte.  —  Die  Lukaner  (d.  i. 
Söhne  des  Lichtgottes  Leukos),  A^imavot  bei  Diod.  und  Strabon,  Aovuavol  bei  Ptol., 
auf  ihren  Bronzemünzen  isl  ihr  griechischer  Name  AYKIANOIf  ihr  oskischer  im  Gen. 
plur.  AOYKANOM  s.  Friedländer,  Die  oskischen  Münzen,  S.  57.  Vgl.  überh.  Str. 
V,  3,  1 ;  VI,  1,  1.  2.    Sie  erscheinen  schon  vor  dem  peloponnesisehen  Kriege.    El 


Zu  Buch  VI,  Kap.  6,  Seite  124—131.  439 

erzählt  nämlich  Polyaen.  II,  10,  sowie  Frontin.  11,  3,  12,  von  den  Kriegen  cTer 
Thnrier  gegen  die  Lukaner,  unter  der  Anführung  des  tLleandridas,  des  Ytftsers'des 
Gylippo«.  Vgl.  Th.  Müller,  De  Thur.  rep.  p.  30.  31  und  R.  Loreatz,  Veterum  Ta- 
rent.  res  gestae  I,  p.  9,  n.  8,  der  mit  Eecht  annimmt,  dass  die  Lukaner  damals  noch 
weiter  im  Innern  wohnten,  sodass  vielleicht  eine  Verwechselung  derselben  mit  dea 
Chonem  oder  Oenotrem  obwalte;  so  kommen  auch  bei  Str.  VI,  1,  15  die  Samniter 
zu  früh  vor.  Dauernd  in  die  G^chichte  Grossgriechenlands  greifen  sie  jedenfalls  erst 
seit  Ol.  96,  396  v.  Ohr.  ein:  Diod.  XIV,  91.  —  Ueber  die  italischen  BevOlkerungs- 
verhältnisse  vgl.  auch  Nissen's  Templum.  —  Die  MUnzen  der  Lukaner:  Sambon,  Re- 
oherches  etc.  p.  258  und  Friedländer,  Die  oskischen  Münzen,  S.  57;  sie  schliessen 
sich  theils  an  Metapont  an  (Silbermlinze  Sambon  pl.  20,  25),  theils  stimmen  sie  mit 
*<len  brettischen  ttberein,  Friedländer  1.  1.  —  Vgl.  6.  Antonini,  La  Lucania  2  voll. 
Nap.  1795—97.  4,  wovon  Parte  I  in  vol.  I  die  Geschichte  behandelt. .—  Auch  Dionys 
giebt  Bürgerfrauen  an  Söldner  Diod.  XIV,  66. 

S.  129.  Bei  Diod.  XIV,  101,  wo  Aäov  Oonj.  Niebuhr's  für  Xahv  xal  ist,  wird 
statt  iXni^oc  zu  lesen  sein  inavodov. 

S.  130.  Heloris  ist  nach  Diod.  XIV,  103  der  Sjrakusaner  n^^tvyoig  /liovvmov. 
Der  Name  des  Flusses  richtig  bei  Polyb.  I,  6  und  Polyaen.  V,  3,  2,  falsch  bei  Diod. 
XIV,  104. 

S.  131.  Ueber  Kauion ia  Diod.  XIV,  106.  Abermale  ward  die  Stadt,  von  Bar- 
baren, zur  Zeit  des  Pyrrhos  zerstört  Str.  VI,  1,  10;  Paus.  VI,  3,  12,  und  die  Ein- 
wohner gründeten  ein  neues  Kaulonia  in  Sicilien:  St  B  h.  v.,  wo  es  heisst  (^an  xal 
aXXrj  ZaiiXtag.  Diese  wird  für  die  Calloniana  des  It.  Ant.  gehalten.  So  sagt  auch 
Schubring,  Hist.-geogr.  Studien  über  Al^-Sicilien,  Rh.  Mus.  N.  F.  28,  S.  117:  Callo- 
niana kommt  in  die  Gegend  von  Sommatino  und  Ravanu3i^  zu  liegen ,  und  es  ist  in 
diesem  Namen  die  von  St  B  erwähnte  Stadt  Kaulonia  wiederzofiaden.  Ueber  das  ita- 
lische Kaulonia  vgl.  Mannert  194;  Sambon,  Recherches  317;  R.  Rochette,  Obeerv. 
Bur  les  types  des  monnaies  de  Oaulonia  in  M4m.  de  TAoad.  des  Inscr.  T.  XIV,  2 ; 
Ad.  Holm,  La  Triquetra,  Pal,  1871.  8,  p.  25. 

S.  131.  Bei  dem  Namen  ded  Rheginers  Phyton  denkt  man  an  Ibykos  aus  Rhe- 
gion,  der  nach  Suidas  4>vtCov  Sohn  war.  —  Von  der  Eroberung  Rhegion's  spre- 
chen auch  Front.  III,  4,  3,  Philoetr.  vit  Apoll.  7,  2  und  Arist.  Oec.  II,  1349  B,  der 
von  Diod.  XIV,  Hl  abweichend  so  erzählt:  'Priyiov  6k  xaraXapoiv,  ixxXtjaiav  awaya- 
ytjv  tine  diort  dixa(ag  fjilv  av  f^av^gano^ia&eTfv  vn  avtov  ^  vvv  fiivxoi  rä  ffg  rbv 
noXefxov  avriXiafiiva  ;^(>7y/'rrra  xof4iaafJ€vog  xnl  vti^q  ixuarov  otouaxog  TQfts  fAvag  atf'ijaiiv 
ttvrovg'  ol  6k  ^Prjytvoif  oaa  not  fftf  ttinolg  anoxtXQVfAfiiva ,  (fjupavij  inoCowf,  xnl  ol 
nnoQoi  Traget  rtov  tvnQQtoiiQOiv  xnl  naga  TtSv  ^ipiov  ^avet^ofiivoi  InoQtattv  S  ixiXeve 
XQfIftata*  Xaßtav  6i  ravitt  nag  ahrmf  tä  rc  acSfittra  ravta  ovdkv  i^rrov  tini^oTOf  rd  ts 
tt  tote  rflf  uTioxfXQVfjifiivtt  ffitfavij  anavta  ^Xaßev.  Hiemach  hat  sich  Dionys  viel 
schlechter  benommen,  als  nach  Diodor,  ich  glaube  daher  nicht,  dass  man  den  diodo- 
rischen  Bericht  auf  Timaios  zurückführen  kann,  der  nach  Volq.  S.  87  gerade  für  die 
Eroberung  von  Rhegion  Diodor's  Quelle  sein  soll,  weil  er  das  schlimmste  von  Dionys 
berichtet :  wir  sehen  hier,  dass  Diodor  eben  nicht  das  schlimmste  hat.  —  Bei  Polyaen. 

V,  2,  9  ist  offenbar  Himera  für  Rhegion  gesetzt.  —  Zerstörung  von  Rhegion  Strab. 

VI,  1,6.  —  Dionys,  nicht  zufrieden,  Rhegion  erobert  zu  haben,  wollte  die  Rhe^ner 
auch  moralisch  vernichten  und  Hess  sie  vom  Mimendichter  Xenarchos,  Sophron's 
Sohn,  als  feige  darstellen:  Suid.  s.  v.  ^Pr^yivovg,  cf.  Ebert,  Dlss.  Sic.  Regim.  1825. 
d,  p.  186—191.  —  Dionys  Hess  sich  einen  Palast  in  Rhegion  errichten,  wo  Platanen- 
pflanzungen Staunen  erregten.  Plin.  Xü,  7  sagt  hieriiber:  Dionysius  prior  Siciliae 
tyrannus  Rhegium  in  urbem  transtulit  eas  domus  suae  miraculum ,  ubi  postea  factum 
gymnasium.  —  Wem  die  Hervorhebung  der  Bedeutung  des  Dionys  zu  stark  erscheint. 


440  Anhang  III.    Belege  und  Erläaterangen. 

der  bedenke,  dase  ein  Erfolg  der  Karthager  auch  die  an  sich  14is8Jgen  Perser  za 
grösseren  Anstrengungen  angetrieben  haben  würde. 


Siebeates   Kapitel. 

S.  133.  Befestigung  und  Versohttnerung  von  Sjrakus  IHod.  XV,  13.  Damals 
erhielt  Syrakus  den  Umfang,  welchen  Str.  VI,  2,  4  zu  180  Stad.  angiebt.  Athen 
hatte  nach  Thuk.  II,  13  mit  den  langen  Mauern  und  den  Häfen  178  Stadien  Um&ng. 
Selbst  Aurelian's  Rom  kam  Syrakus  an  Umfang  nicht  gleich,  und  das  augnatoische 
bleibt  weit  hinter  der  sicilischen  Grosestadt  zurück. 

S.  133.  Gründung  von  Lilybaion  Diod.  XXII,  10.  Ueber  Lilybaion  besonders 
Schubring.  Motye-Lilybaion,  im  Philologus,  24,  S.  49--82,  mit  1  Karte. 

S.  134.  Ueber  Kr o ton  und  seine  Lage  Liv.  XXIV,  3:  AeL  V  H  XU,  61.  Vgl 
R.  Grosser,  Geschichte  und  Aiterthümer  der  Stadt  Kroton,  2'Thle.  Minden  1866. 
67.  8.  Dionys  herrschte  12  Jahre  Über  Kroton  nach  D.  Hai.  XX,  7,  nach  welchem 
Dionys  auch  ^InnmiKig  nviarriafv  ix  r^c  iaurtStv  ovg  dn^yayev  iig  £ixMav,  Grosser 
S.  64  meint,  die  Nichterwähnung  der  Eroberung  Kroton's  deute  auf  eine  Verstümme- 
lung des  diodorischen  Werkes  an  dieser  Stelle,  wir  sahen,  dass  auch  anderes  aus 
dieser  Periode  des  Dionys  bei  Diodor  fehlt:  es  sind  also  Fehler  in  der  Disposition 
seines  Werkes.    Vgl.  auch  lust.  XX,  5. 

S.  134.  In  diesen  Wirren  scheint  auch  Terina  eine  Bolle  gespielt  zu  haben. 
Ueber  dasselbe  vgl.  ausser  Bd.  I,  S.  409  Sambon ,  Recherches  etc.  p.  363 ,  der  über 
die  aus  der  Aehnlichkeit  terinäischer  MUnztypen  mit  den  Typen  anderer  Städte  %n 
erkennenden  Bündnisse  der  Stadt  Terina  mit  anderen  Städten  spricht.  Die  Münze 
No.  23  erinnert  durch  ihre  Inschrift  JIAN^INA  an  eine  Münze  von  Hipponion; 
No.  25  an  rheglnische  Münzen ,  an  Münzen  von  Medma  und  an  Obole  mit  der  In- 
schrift NOYKPINSIN,  über  welche  Sambon  p.  341  spricht,  indem  er  StB  s  y.  Nov- 
xQltt,  das  eine  Stadt  Tyrrheniens  genannt  wird ,  vielmehr  auf  eine  Stadt  am  tyrrhe- 
nischen  Meere  deutet,  nach  ihm  Nocera  am  Savuto,  südlich  von  Cosenza.  No.  2S 
erinnert  mit  dem  Hasen  des  Rev.  an  Messana;  Ko.  29  mit  dem  Seebebs  an  Kroton. 
So  scheinen  allerdings  diese  Münzen  zu  zeigen,  dass  Terina,  welches  sich  in  seinen 
Münzen  an  so  viele  Städte  anschloss,  eine  Zeitlang  eine  Art  von  Mittelpunkt  für 
föderative  Bestrebungen  in  Grossgriechenland  gebildet  hat,  wahrscheinlich  gegen 
Dionys,  und  deshalb  spreche  ich  hier  so  ausführlich  davon.  Ueber  Terina's  Schicksal 
drückt  sich  Sambon  p.  363  ungenau  aus,  indem  er  sagt,  Dionys  habe  das  Gebiet  der 
Stadt  den  Lokrem  gegeben,  denen  nach  p.  334  die  Gebiete  von  Kaulonia,  Scylla- 
cium,  Mesma,  Hipponium ,  Terina  zu  Theil  geworden  sein  sollen.  Aber  Diod.  XIV, 
106.  107  nenüt  nur  Kaulonia  und  Hipponion;  Str.  VI,  1,  10  Skylletion.  Nach  Diod. 
XVI ,  5  hatten  die  Bruttier  Terina  im  J*  356  v.  Chr. ;  Hannibal  zerstörte  es  nach 
Str.  VI,  1,  5. 

S.  134.    Thurii  und  Boreas  Ael.  VH  XII,  61. 

S.  134.  Plünderung  des  Tempels  der  Here  Lakinia  Ath.  VII,  541  nach  Aristo- 
teles.   Ueber  das  Gewand  s.  Gnhl  und  Koner,  Leben  d.  Gr.  u.  R.  S.  196. 

S.  134.  Beziehungen  des  Dionys  zu  den  Ländern  des  adriatischen 
Meeres:  Diod.  XV,  13.  14.  Daselbst  (c  14)  wird  die  parische  Kolonie  auf  der  Insel 
Pharos  erwähnt  und  XV,  13  heisst  es:  an^ixtav  aniotakxa^i  tlg  tov  \4dgiar  ov  nol- 
Xoig  n^otfQov  tnoiv  ixTixws  vv  n6Xtv  xi^v  ivofittCofiiytiv  Aiaaov,  Lissos  lag  auf  dem 
illyrischen  Festlande.  Nun  sagt  aber  Ps.  Skymnos  v.  413.  414:  viiaoq  xar  avfv^ 
^  Ifattv,  ^faaa  liyofiirtjf  £vQttxo0i^v  Ifj^vaa  r^y  anoix/ttv.  Diese  Insel  lasa,  jetzt  Lissa 
genannt,  während  Pharos  jetzt  Lesina  heisst,  war  also  auch  eine  syrakusanische  Ko- 


Ztt  Buch  y,  Kap.  7,  Seite  133—135.  441 

.loiiie.  Skyl.  23  nennt  4»aQQg  vijaos  *EU.riv\g  xal  "iaaee  vijaog  xal  noXeis  ^ElXfivlSig 
«vTit«.  Inde«!  nun  so  von  Dlodor  Lissos  alt  Kolonie  des  Dionys  beseicfanet  wird, 
von  Skymnos  Ibse  als  syrakusanische  Kolonie,  ist  Müller  zu  Skyiax  (G.  Min.  I,  30)  auf 
den  Gedanken  gekommen,  daas  bei  Diodor  statt  Maaw  za-scfareiben  sei  *'i<faav.  Er 
ftthrt  Niebuhr  an,  der  in  seinen  Kl.  Schriften  I,  p.  117  Issa  als  dionysische  Kolonie 
beaeichne,  also  auch  wohl  bei  Diodor  einen  Fehler  annehme.  Man  vgl.  darüber  auch 
B.  Rochette,  Histoire  des  ötabliss.  col.  des  Grecs,  übersetzt  bei  Oapozzo,  Memorie 
a.  H.  w.  II,  140.  141.  R.  Roch,  schreibt  die  Kolonie  in  Issa  ebenfalls  der  dionysischen 
Zeit  zu.  Anderer  Ansicht  ist  Grotefend,  Zur  Geogr.  und  Gresch.  von  Altitalien  IV, 
.35,  welcher  annimmt,  dass  Issos  keine  syrakusanische  Kolonie  war,  und  dass,  wenn 
Skymnos  sie  als  solche  bezeichnete,  dies  nur  daher  rührte,  dass  Issa  von  Skylax  23 
mit  Pharos  zusammen  genannt  wird ,  bei  der  Gründung  von  Pharos  aber  die  Parier 
von  Dionys  unterstützt  wurden.  Auch  in  diesem  Falle  müsste  man  wohl  eine  Ver- 
wechselung von  Issa  mit  Lissos  annehmen,  nur  nach  entgegengesetzter  Richtung 
hin.  —  Ferner  war  nach  Str.  VII,  5,  5  TgttyovQtov  auf  dem  Festlande,  nahe  bei  Issa 
gelegep,  ^laaiiav  Tttiafia.  Auch  bei  Polyb.  XXXII,  18  stehen  TifayoCquiv  und  ^Enfnw 
unter  den  Issiem.  So  ist  die  Schlussfolgerung  erlaubt,  dass  diese  beiden  StUdte  mit- 
telbar syrakusanischen  Ursprunges  waren.  Von  dieser  Ansicht  ist  geleitet :  Kiepert, 
Atlas  von  Helhis ,  3.  Ausg.  Karton  auf  T&fel  XII.  Hier  finden  sich  an  der  Küste 
zwischen  Tragyrion  und  £petion  Siculi  angegeben.  Bei  Plin.  III.  141.  142  finde  ich 
in  dieser  Gegend  Sicum  und  Siculotae.  —  ^A^Qiag  gegründet  von  Dionys  nach  Etym. 
m.  h.  V.,  vgl.  .Plin.  III,  120.  121  die  ausführliche  Beschreibung  von  Atria  an  der 
Pomttndung,  wo  die  fossa  Philistina  erwähnt  wird.  Nun  wissen  wir  aus  Plut.  Dion 
11,  dass  Philisfbs,  als  er  aus  Syrakus  verbannt  wurde,  zu  Freunden  Big  rdv  *ASQ(nv 
g^ng.  Dieselben  Worte:  ttg  rov  ^Aögin^ ,  kommen  auch  bei  Diod.  XV;  13  vor,  aber 
hier  bedeuten  sie:  in  das  adriatische  Meer;  vgl.  G.  Koch,  Comment.  in  Plut.  vit. 
Dionis,  1862.  8,  p.  13.  Das  Zusammenti'effen  der  Namen  Philistos  und  Atria  an  der 
PomUndung  beweist,  dass  das  von  Dionys  gegründete  ^A^Qittg  die  dort  gelegene  Stadt 
dieses  Namens  war,  und  nicht  etwa  die  gleichnamige  Stadt  in  Picenum,  wofür  andere  die 
dionysische  Kolonie  gehalten  haben,  wie  0.  Müller,  Etrusker  I,  145  und  noch  neuer- 
dings Sambon,  Recherches  etc.  p.  73.  An  das  Hatria  der  Pomündung  denkt  dagegen 
wieder  H.  Genthe,  lieber  den  etruskischen  Tausehhandel  nach  dem  Norden,  Frankf. 
1873.  4,  S.  23.  Hatria  an  der  Pomündung  war  schon  eine  alte  Stadt;  sie  wird  von 
Liv.  V,  33  als  Tuscorum  colonia  bezeichnet.  In  der  Nähe  der  Stadt  sind  mehrfach 
Vasen  gefunden  worden,  besonders  spätere  mit  rothen  Figuren,  vgl.  Jahn,  Einleitung 
in  die  Beschreibung  der  Vasensämmlung  des  Königs  Ludwig,  S.  LXXIV,  auch  Vasen 
mit  absichtlicher  Nachahmung  des  alten  Stils,  ders.  S.  LXXI.  —  lieber  Ankon  Str. 
V,  4,  2 :  *Ayxiav  f^kv  'EkkijMief  ZvQttxoveltav  nriOfAtt  riSv  (fvyovrtav  triv  ^lovvahv  tVQttv- 
vida.  Bei  Plin.  III,  lU  lesen  wir:  Numana  a  Siculis  condita,  ab  iisdem  colonia  An- 
cona.  Solin.  2,  10:  Anconam  a  Siculis.  Dass  Siculi  in  Picenum  in  altor  Zeit  ge- 
wohnt haben,  vor  den  Umbrem,  Etruskern  und  Ghdliem,  habe  ich  Bd.  I,  S.  360  eben 
aus  Plin.  lU,  111  vermuthet,  und  halte  es  für  wahrscheinlich,  dass  Numana  auf 
aolchen  altsikelisohen  Ursprung  von  Plinius  zurückgeführt  wird.  Indess  lag  es  ja  an 
der  Küste  (Mannert,  Geogr.  von  Italia  I,  462),  und  so  könnte  es  auch  aus  dionysi- 
scher Zeit  stammen. 

S.  135.    Bei  Diod.  XV,  13  muss  Delphi  mit  Dodona  verwechselt  worden  sein. 

S.  135.  Plünderung  des  Tempels  der  Eileithyia  zu  Pyrgoi  Str.  V,  2,  8.  Diod. 
XV,  14  berichtet  es,  ohne  den  Namen  der*Gottheit  zu  nennen.  Arist.  Oec.  II,  1349  B 
nennt  sie  Leukothea,  ebenso  Polyaen.  V,  2,  20.  Bei  Beiden  wird  weiter  berichtet, 
wie  Dionys  die  vavrat  um  die  von  ihnen  gemachte  Beute  betrügt.  .Bei  Ael.  V.  H.  I, 
20  werden  Apoll  und  Leukothea  genannt.    Allerdings  ist  Leukothea  als  Seegottheit 


442  Anhang  III.    Belege  nnd  Erläuterungen. 

wabrschemiicher  m  dem  Hafenorte  als  Eileiihyia;  dennoch  wird  letzterer  Name  rich- 
tiger Bein,  eben  weil  man  nicht  sieht,  weshalb  man  auf  ihn  verfallen  sein  sollte,  weira 
er  nicht  überliefert  war. 

S.  136.    Blindniss  des  Dionys  mit  den  Galliern  lustin.  XX,  5. 

S.  1 36.  Ueber  das  YerhÜltniss,  in  welchem  Dionys  zu  den  Tarentinern  stand, 
giebt  die  Erzählung  bei  Polyaen.  Y,  S,  2  Anfschluss.  Leptines  fährt  von  Lakedaimon 
zurück  und  steigt  mit  den  Schiffsleuten  in  Tarent  an's  Land.  Diese  lässt  das  taren- 
tinische  Volk  ungeschoren,  weil  es  Lakonier  sind ;  Leptines  aber  will  man  ergreifen, 
und  er  kann  sich  nur  durch  eine  Verkleidung  wieder  an  Bord  retten.  Wann  dies 
geschehen,  lässt  sich  nicht  bestimmen:  merkwürdig  sind  die  vielen  lakonischen  See- 
leute. Dagegen  unterhielt  Dionys  officiell  sehr  freundliche  Beziehungen  zn  Tarent; 
Euphor.  ap.  Ath.  XV,  700  Über  ein  prachtvolles  Geschenk  des  Dionys  im  Prytaneion 
zu  Tarent. 

S.  137.  Dionys  und  Konon,  Lys.  de  bon.  Arist.  19  ff.  Vgl.  A.  Schäfer,  The- 
mistokles  und  Hieron.  Lysias'  Olympische  Rede.  Philologns  18^  187^190,  der  mit 
Westermann  daran  festhält,  dass  Lysias  auch  als  Gesandter  in  Syrakus  w:ar.  —  Es 
ist  nicht  zu  verkennen,  dass  bei  den  asiatischen  Hellenen  die  Interessen  des  Handels 
einen  mächtigen  Impuls  zum  Frieden  gaben. 

S.  137.  Dionys  |hilft  Sparta  387  v.  Chr.  Xen.  Hell.  V,  1,  26—28.  —  D.  hilft 
Sparta  373  v.  Chr.  Diod.  XV,  45—47. ;  Hell.  VI,  2,  33-^36.  Dionys,  Iphikrates  und 
die  Athener  Diod.  XVI,  57.  —  S.  138.  D.'s  Truppen  im  Peloponnes  369  v.  Chr. 
Xen.  Hell.  VII,  1 ,  20—22 ;  Diod.  XV,  70.  Ueber  die  griechische  Reit»«i  RUstow. 
Gr.  Kriegsw.  S.  135.  —  S.  139.  D.  hilft  Sp.  368  v.  Chr.  Xen.  H.  VII,  1,  28-32; 
Diod.  XV,  72 ;  Plut.  Ages.  33.  In  dem  Bericht  von  der  .,thränenloseV  Schlacht  und 
den  Freudenthränen  in  Sparta  steckt  rhetorische  Uebertreibung. 

S.  139.  D.  Wohlthäter  Athen's  CI  85^  nebst  85«  und  vol.  I,  p.  897,  sodass  sich 
369  V.  Chr.  ergiebt.  Vgl.  Br.  de  Pr.  p.  269,  n.  4;  £p.  Phil.  10  in  Demosth.  ed. 
Bekker,  Lps.  1854,  I,  p.  110.  Das  Dekret  des  Bündnisses  zwischen  Athen  nnd  Dio- 
nys nach  dem  fragm.  Text  in  Eph.  arch.  n.  30  und  Bangab6,  Ant.  hellen.  II,  p.  36  ff. 
n.  379  scharfsinnig  restituirt  und  erläutert  von  A.  Kirchhoff,  Philol.  12.  571  ff. 

S.  14G.  Des  D.  Gesandtschaft  nach  Olympia.  Diod.  XIV,  109;  XV,  7;  Lys. 
fragm.  or.  33  ap.  Dion.  Hai.  jud.  de  Lys.  29;  Cram.  anecd.  Paris.  I,  p.  303.  Grote 
VI,  25  u.  29  setzt  die  Rede  des  Lysias  in  Ol.  99—384  v.  Chr. ,  und  nimmt  2  Sen- 
dungen des  Dionys  Ol.  98  und  99  an  (VI,  23).  Vgl.  auch  Gr.  V.  367.  368.  Aber 
die  von  Grote  hervorgehobene  Verschiedenheit  des  Eindruckes,  den  nach  Diod.  XIV, 
lu9  und  XV,  7  auf  Dionys  die  von  ihm  erlittene  Niederlage  machte,  scheint  nur  anf 
schlechter  Darstellung  Diodor's  zu  beruhen.  Volq.  104  ist  gegen  Grote.  AusUlhrlieh 
A.  Schäfer,  Themistokles  und  Hieron  von  Sjrrakus.  Lysias'  Olympische  Rede.  Phi- 
lologus  .18,  187—190.  Seh.  ist  der  Ansicht,  dass  die  Begebenheit  allerdings  in  Ol.  98 
gehöre,  meint  aber,  dass  bei  der  politischen  Stellung  des  Lysias  gegen  Sparta  der 
Vorgang  .»nicht  Lysias  zum  Urheber  hat.**  Der  Standpunkt  der  Rede  ist  der  der  po- 
litischen Freunde  Xenophon's,  zu  denen  auch  Themistogenes  von  Syrakus  (Xen.  Hell. 
lU,  r  gehörte.  Aehnlich  wie  Lysias  drückt  sich  Isokrates  in  seinem  Panegyricas 
aus,  der  380  v.  Chr.  in  Olympia  vorgetragen  wurde.  Nach  seiner  Orat.  ad  Phil.  34 
hatte  er  derb  an  den  Dionysios  geschrieben. 

Ol.  99  =»384  V.  Chr.  liess  der  Sieger  im  Stadion,  der  Kauloniat  Dikon  sich  als 
Syrakusaner  ausrufen  Diod.  XV,  14;  Paus.  VI,  35  {{fnl  xQnuaai). 

&.  141.  Dionys  und  Artazerxes,  welche  bei  Diod.  XV,  23  ol  (Afytütot  r«r 
rdrc  öwaatwv  genannt  werden,  werden  auch  von  Aristid.  Panath.  I,  p.  177  Jebb 
zusammengestellt.     Der  Schol.   dazu   sagt   von  Dionys  ovroc  y^q  v^^^  ßcvUfnvoi 


Zu  Bach  V.  Kap.  7  u.  S,  Seite  136-144.  443 


S'o;  tify^EXXicJa  /ucrct  rov  INöüov  uiQfattodai ,   ix€ivov  drjXiaüttvTOf  €tvii3,   log  EffOQog 
hrooit. 


Achtes   Kapitel. 

S.  142.  Kriei:  mit  Karthago.  Diod.  XV,  1^-17.  Schon  oben  (S.  373)  ist  die 
auffallende  Kürze  und  UnbeBtimmtheit  der  Darstellung  besprochen.  Man  sieht  nicht : 
zogen  die  Karthager  in  Sicilien  nach  Osten  vorwärts?  zog  Dionys  gegen  sie,  die  ihn 
vielleicht  erwarteten?  Meine  Vermnthung,  dass  das  Kgonov  bei  Diod.  XV,  16  die 
ElQxjii  ist,  hat  wenigstens  nichts  gegen  sich;  Heirkte  war  jedenfalls  ein  Kqohov, 
und  das  nahe  Panormos  wird  XV,  17  genannt.  Wenn  wir  indess  berücksichtigen, 
dass  auf  einer  Münze  von  Himera  ( Imhoof - Blnmer ,  Griechische  Münzen,  in  Berl. 
Blätter  V,  S.  13  ff.,  abgeb.  Taf.  LIII,  9)  Kronos  dargestellt  und  mit  Namen  genannt 
ist,  so  konnte  das  bei  Diodor  genannte  Kronion  auch  der  S.  Calogero  zwischen  Hi- 
mera und  Thermae  sein.  A.  Schäfer,  Zur  G^sch.  von  Karthago,  Rh.  Mus.  N.  F.  XV, 
391,  liest  bei  Diod.  XV,  16,  wo  der  Name  des  Sohnes  fehlt:  avrl  Ji  ixidov  (des 
Magen)  arQt€Ttijfhv  xariarriaav  *jivpmva  top  vtov  avrov  viov  fjilv  navteXiSg,  ffQovtifiatog 
(F*  fvyevoug  ovra  xal  JtdtpoQov  avSg^it^e,  —  Dass  Dionys  den  Karthagern  die  Kriegs- 
kosten in  Raten  bezahlte,  schliesst  Grote  VI,  36  wohl  mit  Recht  aus  Plat  £p.  VII, 
333:  ffJlA*  &an(Q  vvv  xovvavtCov^  6  natriQ  avrov  tfoQOv  ird^aTO  tfiQUv  rolg  ßaQßiiQOig, 
-  Die  Karthager  378  v.  Chr.  Ol,  100,  3  in  Italien  Diod.  XV,  24. 

S.  143.  Abmauerung  der  Sttdspitze  Italiens,  von  Dionys  projectirt  Str.  VI, 
1,  IG;  nach  Plin.  III,  10  vielleicht  ein  Kanal,  der  dort  möglich  wäre. 

S.  143.  Letzter  Krieg  des  Dionys  gegen  Karthago.  Sein  Tod  Diod.  XV,  73; 
der  Tod  zunächst  veranlasst  ^i«  to  nXfj^g  reSv  ffx<poqrid'4vr(ov  vyQiav  bei  Gelegenheit 
des  dramatischen  Sieges  in  Athen,  ^ach  lust.  XX,  5  insidiis  suorum  interficitnr. 
Vgl.  Plut.  Dion  6  über  Dion  und  den  jüngeren  Dionys  beim  Tode  des  älteren.  lustin. 
1.  1.  erzählt  vorher:  dux  belli  Anno  Carthaginiensis  erat;  cujus  inlmicus  Suniatus, 
potentissimus  ea  tempestate  Poenorum,  cum  odio  ejus  graecis  literis  Dionysio  adven- 
tum  exercitus  et  segnitiam  ducis  familiariter  praenuntiasset,  comprehensis  epistolis  pro- 
ditionis  ejus  damnatur.  —  Flottenmanöver  des  Anno  Polyaen.  V,  9.  —  Leichen- 
begängniss  des  Dionys  Diod.  XV,  74.  Plut.  Pelop.  34;  Athen.  V,  206,  wonach 
Timaios  wegen  der  nvga  des  Dionys  bewundert  wird;  offenbar  war  er  der  Erbauer 
des  Scheiterhaufens. '  Nach  Cic.  N.  D.  III,  35  wurde  Dionys  in  Tympanidis  rogum 
illatus.  Begraben  wurde  Dionys  nach  Diodor  1.  1.  xard  t^v  dxgonoXiv  ttqcs  raig  ßa~ 
aiXioi  xttXovfiävatg  nvXnig.  —  Diod.  II,  5  Sagt,  dass  Dionys  ix  fdiäg  t^g  rtoy  ^vga^ 
xoa(<av  noXiiog  i^rfyayev  inl  rag  argat^/ag  neC^v  fjikv  Siodixa  fivgtä^ag,  Inmig  6k 
fiVQlovg  xn\  diaxiUovg^  vavg  61  }iaxg«g  iS  ivog  Xifji4vog  t^xgaxoolag.  Das  ist  nicht  mit 
einem  Male  geschehen;  vgl.  Diod.  XIV,  47;  XTV,  103,  sowie  Ael.  V.  H.  VI,  12. 

S.  144.  Urtheil  des  P.  Scipio  über  Dionys  Polyb.  XV,  35.  Zeugniss  des 
Theophr.  mgl  xmgwv  ß'  bei  Phot.  (M  IV,  288).  Urtheil  des  Isokrates  V,  26.  Plut. 
de  sera  num.  vind.  7  (Hutt.  X):  axonu  yng^  d  /tiovvaiog  iv  dgx^  t^g  rvgavv£6og 
eJtoxE  61XIJV,  tog  ov6e\g  av  *EXXiiv<ov  ^xci  £ixiX(av  dvdotttxov  vnh  Ktxgx^^ovCtav  yiro^ 
/uiiriv,  Plut.  Dion  7:  ttdftfittvxtvovg  Jsff/novgt  olg  6  ngtaßvwegog  ^lovvaiog  ^rj  S€6€^ 
Ijävijv  ttnoXiinuv  ifiv  fiotagx^av.  —  Im  Text  wäre  vielleicht  Dionys  als  Organisator 
des  Militärwesens  noch  mehr  hervorzuheben  gewesen.  Hierin  mnss  er  einzig  dage- 
standen haben. 

S.  144.  Fioünzwirth Schaft  des  Dionys.  Die  nach  SyrakuS  verpflanzten 
Krotoniaten  sind  5  Jahre  arrXtjtg  Diod.  XIV,  106.  —  Ueber  den  Zehnten  s.  Degen- 
kolb^  Die  lex  Hieronica,  Berl.  1861,  S.  89.  —  Schiffsgeld  Aristot.  Oecon.  II,  p.  1349  B. 


444  Anhaiig  III.    Belege  und  £rläateniiigen. 

DionyB  lässt  anfangs  die  Bürger  %w  Qewfnnang  einer  Stadt  <fvo  atatijoag  haarov 
geben  und  giebt  das  Geld  wieder  zurück;  dann  nimmt  er  ea  €lg  tn^  vavniiytur.  — 
Viebgeld  Arist.  Oecon.  II.  —  Verkauf  der  amvr^  ri  nag*  avrov  ebendas.  —  Steuer 
von  200/0  Arist.  Pol.  V,  9,  5.  Vgl.  Dio  Cassins  47,  16;  48,  31  über  ähnliche  Maß- 
regeln der  Triumvim.  Nach  Flut.  Apophth.  reg.  merkt  Dionys,  dass  die  Bürger 
nichts  mehr  haben,  als  sie  anfangen  ihn  au  verlachen.  —  Zinngeld  Ar.  Oec.  II,  1.  1. 
ebendas.  wie  er  Geld  von  den  Bürgern  geliehen  hat  und  sich  nun  alles  Geld  bringen 
ISsst,  worauf  es  weiter  heisst  iniuo^f/as  ;(fa(Mt»r^^a  iUSmni  ri^  ^^x/*V  ^^  Svrauivjfv 
dQtiXuiig,  x«^  t6  r<  oifgilofiivov  nfortqov  awiijreyxuv  nQof  avwop,  d.  h.  sie  Heferten 
ihm  so,  was  er  ihnen  schuldig  war.  Dieser  prapnurn;^  ist  eine  Contremaike.  Uns  ist 
von  solchen  dionysischen  Contremarken  kein  Beispiel  erhalten.  Ueber  das  Zinngeld 
auch  Poll.  IX,  79.  Eine  andere  Spur  der  Finanzwirthschaft  des  Dionys  habe  ich  nach 
mittelalterlichen  sicilianischen  Yolksüberlieferungen  nachgewiesen  im  AreUvio  storico 
Siciliano  I,  1873,  p  201^206.  ^  Eine  andere  Münz  Verschlechterung  oder  ReductioD 
hat  man  ans  Poll.  IX,  79  geschlossen.  Hier  heisst  es:  xal  ro  voftiafAiuov  jittaQoq 
dqaxfJtng  Ta/viv  avtl  fitäg,  womit  zusammengestellt  wird  Poll.  IX,  Wl :  ro  fdirroi  £t- 
xfXixov  Tttlnvrav  iXa/iorov  ta^viVf  t6  fM^v  iifjifftror,  mg  *jigt0jorilrig  liyti,  r^rrm^ag  xa\ 
tlxoai  tovg  vovfifiovg^  rb  (f^  varfQOv  dvtidtxttj  dvvaadxti  6k  tbv  rovfifior  t^iet  iifiioßoha. 
Suchen  wir  zunttchst  diese  letzte  Stelle  in  ihrer  Bedeutung  zu  würdigen.  Sie  besagt, 
dass  das  sicitische  Talent  das  kleinste  war,  aber  nicht  immer  denselben  Wertfa  hatte, 
sondern  dass  sein  Werth  um  die  Hälfte  sank.  Anfangs  betrug  es  nach  Aristoteles  24 
uuromi,  später  nur  12.  Nun  hat  man  sich  anderweitig  Kenntniss*  vom  sicitiachen  Taleat 
zu  verschaffen  gewusst.  Aus  den  Zahlen  der  grossen  tauromenitanischen  Inschrift  hat 
man  nachgewiesen  (Franz,  Eiern,  epigr.  gr.  p.  221  ff.) ,  dass  das  sicilische  Talent  in 
120  Li  treu  getheilt  war,  und  aus  dem  bei  Diod.  XI,  26  angegebenen  Werthe  des 
Damareteion  weiss  man,  dass  120  Litren  gleich  24  attischen  Drachmen  waren.  Wenn 
nun  Pollux  sagt,  dass  das  sicilische  Talent  anfangs  24  nummi,  dann  12  nummi  ge- 
golten habe  und  ein  nummus  gleich  11/2  Obolen  gewesen  sei,  so  entsteht  die  Frage,  wie 
sich  diese  Angaben  vereinigen  lassen  mit  dem  aus  Diedor  bekannten  Factum,  dass  das 
Talent  den  Werth  von  24  Drachmen  hatte ;  auch  wird  das  Verhältniss  des  nnmmus  zur 
litra  bestimmt  werden  müssen.  Ueber  diesen  Gegenstand  hat  sich  zunächat  Mommsen 
geäussert  in  s.  Geschichte  des  rüm.  Münzweseos  S.  80.  Er  hat  ohne  weiteres  ange- 
nommen ,  dass  vovfifiog  ursprünglich  gleichbedeutend  mit  litra  sei.  Daraus  folgt,  dsss 
das  sicilische  Talent  ursprünglich  120  nummi  hatte.  Wenn  nun  Pollux  aus  Aristo)- 
teles  berichtet,  dass  das  alte  sicilische  Talent  24  nummi  hatte,  so  ist  daa  nicht  das 
wirklich  alte,  sondern  ein  bereits  verschlechtertes,  und  zwar  auf  den  fünften  Tbeil 
seines  Werthes  herabgesetztes.  Wenn  wir  uns  aber  umsehen,  von  wem  diese  Ver- 
schlechterung ausgegangen  sein  könnte,  so  bietet  sich  uns  Dionys  dar,  der  zu  solchen 
Finanzoperationen  sehr  geneigt  sein  musste.  Nun  findet  sich  sonst  keine  dem  ent- 
sprechende Nachricht  aus  dem  Alterthum,  wohl  aber  die  oben  sus  Pollux  angeführte: 
ro  vöfjitiifittTiov  riitaQag  ^Qa^/nag  taxvev  ärrl  fiiag.  Wenn  hier  gesagt  wird,  dass 
durch  Dionys  eine  Drachme  den  Werth  von  vieren  bekam,*  so  entspricht  das  aller- 
dings nur  unvollkommen  dem,  was  wir  veriangen  würden,  denn  nach  diesen  Ver- 
hältniss wären  aus  120  Litren  nicht  24,  sondern  vielmehr  30  geworden,  und  das  ^Ite 
Talent^  hätte  30  Litren  gehabt.  Indem  nun  trotzdem  Mommeea  diese  SteUe  zu  seiner 
Combination  benutzt,  ist  er  gezwungen,  sie  für  ungenau  au  erklären.  Pollux  hätte 
sagen  sollen:  nipwe  ^Qa/jing  statt  i4xrnQag  dQaxfing.  Aber  noch  an  einem  anderen 
Punkte  sieht  M.  sich  genöthigt,  eine  üngenauigkeit  anzunehmen.  Numsus  soll  gleich 
Litra  sein.  Während  nun  in  der  oben  angeführten  Stelle  Aristoteles  sagt,  dass  ein 
nummüs  gleich  P/t  Obolen  sei,  sagt  er  anderswo  (Poll.  IX,  80),  die  Litra  Swm^^i 
oßokhv  4iyirtnov.   Ein  äginäischer  Obol  beträgt  1,03  gr.,  drei  halbe  Obole.  d.  h.  atti- 


Zu  Bttch  y,  Kap.  8,  Seite  144.  445 

scher  Wührtiiig  1,09  gr.,  während  man  aus  der  weiteren  arisioteliBchen  Angabe  (Poll. 
IX,  81),  dasB  ein  JixalitQüv  ein  korinthischer  Stater,  d.  h.  ein  attitches  Didrachmon 
sei,  sowie  aus  der  diodorischen  Stelle  Über  das  Damareteion  mit  Recht  geschlossen 
hat,  dass  eine  sicilische  Litra  nur  0,87  gr.  betrug.  Hiemach  wäre  in  der  aus  Poll. 
IX,  87  angeführten  Stelle:  ro  fi^ptoi  2:ix€Juxov  etc.  der  Fehler  anzunehmen,  dass  der 
nummus  drei  halbe  Obole  betragen  habe,  sowie  in  der  anderen  Stelle:  ar«l  ro  »^o- 
fitOfittTtov  etc.  der  Fehler,  dass  die  Zahl  4  statt  5  geaetet  wäre.  —  Nach  Mommsen 
hat  Hultsch  die  Sache  untersucht:  Jahn's  Jahrb.  1862,  8.  Heft,  S.  661.  Er  nimmt  mit 
Mommsen  an,  dass  von  Anfang  an  nummus  und  litra  gleichbedeutend  waren,  er  nimmt 
femer  mit  ihm  an,  dass  Dionys  den  Werth  der  litra  herabsetzte,  und  dass  das  «{»xaioy 
jctkavTov  bei  Poll.  IX,  87  das  von  Dionys  herabgesetzte  ist,  aber  er  findet  in  der 
Stelle  IX,  79  keinen  Fehler,  während  er  den  in  IX,  87  zugiebt.  Es  handelt  sich  für 
ihn  daram,  die  zwei  einander  scheinbar  widersprechenden  Nachrichten:  i)  eine 
Drachme  galt  4  Drachmen  und  2)  24  Litren  treten  an  die  Stelle  von  120,  von  denen 
die  erste  bei  PoUux  ausdrttcklich  steht ,  die  zweite  aber  aus  PoUux  durch  Interpre- 
tation entnommen  wird,  mit  einander  zu  vereinigen.  Das  scheint  ihm  dadurch  ge- 
schehen zu  kennen,  dass  er  annimmt,  es  sei  von  Dionys  durch  eine  einem  Staat»- 
bankerott  gleichkommende  Massregel  die  Geltung  der  Silberdrachme  vervierfacht,  die 
der  Silberlitra  verfünffacht  worden;  es  brauchten  also  in  Zukunft  für  jedes  Talent 
alter  Schuld,  das  24  Drachmen  oder  120  Litren  entsprach,  nur  6  Drachmen  oder  24 
Litren  zurUckgezahli  zu  werden.  Der  Name  Talent  und  die  Eintheilung  in  120  Litren 
blieb,  sodass  nun  eine  .Mttnzlitra  5  Rechnungslitren,  1  Mttnzdrachme  20  Bechnungs- 
litren  entsprach.  Diese  Ansicht  hat  viel  eigenthttmliches.  Es  fällt  auf,  dass  nach 
derselben  nicht  alle  Münzen  gleichmässig  an  Werth  erhöht  worden  sind,  sondern  die 
kleinen  in  anderem  Verhältniss  als  die  grossen.  Bisher  galt  eine  Drachme  5  Litren, 
nun  plötzlich  nur  4.  Wer  also  in  seinem  Vermögen  mehr  LitrenstUcke  hatte,  kam  bei 
dieser  Wertherhöhnng  der  Münzen  in  entschiedenem  Vortheil  gegen  den,  welcher  mehr 
Drachmen  hatte.  Und  wie  stand  es  mit  den  Stücken,  die  zwischen  Litra  und  Drachme 
in  der  Mitte  lagen?  Galten  sie  hinfort  das  fünffache  von  früher,  wie  die  Litra,- oder 
nur  das  vierfache,  wie  die  Drachme?  Und  wamm  überhaupt  diese  ungleiche  Verän- 
derang  des  Bestehenden?  So  löst  auch  Hnltsch's  Annahme  die  Schwierigkeit  nicht. 
Dieselbe  ist  indess,  wie  wir  sahen,  hauptsächlich  nur  dadurch  entstanden,  dass  die 
Stelle  Poll.  IX,  79  mit  der  anderen  bei  Poll.  IX,  87  in  Verbindung  gebracht  worden 
ist.  Wenn  man  indess  die  Stelle  IX,  79  genauer  ansieht,  so  findet  man,  dass  sie 
gar  nicht  den  Sinn  hat,  welchen  ihr  Mommsen  und  Hultsch  beilegen.  Sie  ist  im  Zu- 
sammenhang mit  dem  Vorhergehenden  zu  verstehen.  P.  sagt :  rov^  fiivtot  Zv^axo^ 
alovg  xttTTiT^Qip  nor^  avi  a^VQiov  vofxloat  ^lovvaiog  xatriPayxttüfy  *  xal  t6  voftiafiaTiou 
rlxraQag  ^Qn^fiag  ^Arrixag  ta^viv  avtl  fitäg.  Die  letzten  Worte  handeln  gar  nicht 
von  Silbermünzen  wie  man  gemeint  hat,  und  somit  gar  nicht  vom  Werthe  von  Talent, 
Drachme,  Litra  u.  s.  w,  sie  handeln  nach  dem  Vorhergehenden  nur  von  Zinnmünzen, 
und  es  wird  gesagt,  dass  diese,  im  Werthe  von  1  Drachme,  doch  4  Drachmen  gal- 
ten; es  wird  nur  der  fictive  Werth  angegeben,  welchen  Dionys  seinen  Zinnmünzen 
beilegte,  von  einer  Herabsetzung  des  Talents  u.  s.  w.  ist  gar  nicht  die  Bede.  Wir 
haben  also  auch  nicht  nach  den  Mitteln  zu  suchen,  Poll.  IX,  79  mit  IX,  87  zu  ver- 
einigen, da  sie  sich  nicht  widersprechen.  Was  bleibt  nun  für  IX,  87  übrig?  Dass 
das  alte  sicilische  Talent  24  nummi  hatte,  das  spätere  12.  Es  veranlasst  uns  jetzt 
nichts  mehr  dazu,  das  „alte'*  so  zu  deuten,  dass  es  ein  nur  wenige  Jahre  unter  Dionys 
Bestehendes  gewesen  sei  (an  sich  schon  eine  bedenkliche  Erklärang,  da  sie  Aristo- 
teles eine  grosse  Unkenntniss  über  das  wirklich  alte  Talent  zumuthet) ;  es  war  wirk- 
lich ein  altes.  So  wird  denn  auch  wegfällig,  dass  ursprünglich  nummus  gleich  litra 
in  Sicilien  war,  wir  können  vielmehr  aus  der  diodorischen  Nachricht  über  das  Dama- 


446  Anhaog  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

reteion  schliessen,  daas  der  sicilische  nummus  «nfiings  eine  Drachme  war,  denn  das 
Talönt  hatte  damals  24  Drachmen  und  nach  PoUux  in  alter  Zeit  24  nummi.  So  war 
in  Tarent  der  Nummus  ein  Didrachmon.  Dass  die  Litra  im  3.  Jahrh.  v.  Chr.  noch 
denselben  Werth  (auch  als  Rechnungsmttnze)  hatte,  wie  im  5.  Jahrh.,  sieht  man  dar- 
aus, dass  die  hieronischen  Münzen  gerade  so,  wie  die  geionischen  und  das  Damare- 
teion,  nach  Massgabe  einer  Litra  von  0,87  gr.  eingetheilt  waren.  Sp&ter  betrug  dann 
der  nummus  nach  Arist.  bei  Poll.  IX,  87  drei  halbe  Obole.  So  bleibt  nur  die  Un- 
genauigkeit  des  Aristoteles  ttbrig,  der  bei  Poll.  IX,  79  und  80  Litra  und  äginSischen 
Obol  gleichsetzt. —  Anleihen,  davtiüdfievog  naQa  ttSv  noXtiwv xifv^p^ar«  Arist.  Oecon. 
II,  1349  B.  Mündelgelder  ebendas.  So  machte  es  auch  Agathokles  Diod.  XX,  4.  An- 
leihen der  Syrakusaner  zur  Zeit  des  athenischen  Krieges  Thuk.  VII,  4S. 

Besonders  in  Folge  des  Verfahrens  des  Dionys  waren  nach  Plut  Tim.  2  die 
meisten  Stüdte  vno  ßaQßaQüfr  fdtyndtov  xal  fttQaiit^imv  a/uia&iov  besetzt.    Folgende 
Uebersicht  zeigt,  dass  mit  diesen  Worten  nicht  zuviel  gesagt  ist.   Selinus  wird  von 
den  Karthagern  zerstOrt,  Himera  ebenfiills,  409  y.  Chr.,  jenes  ersteht  nur  schwach, 
dieses  gar  nicht  wieder.    Thermae  wechselt  schnell  seine  Bewohner,  denn  von  den 
Puniern  gegründet,  hat  es  bald  griechische  Bevölkerung.    Akragas  hat  seit  der 
Zerstörung  406  bis  Timoleon  ca.  340  nur  geringe  Bedeutung.    Gela  wird  von  den 
Karthagern  zerstört  405,  Diod.  XIII,  113,  die  Einwohner  gehen  nach  Leontini;  später 
{397  V.  Chr.)  ist  der  Ort  wieder  bewohnt,  Diod.  XIV,  47,  aber  nur  schwach,   nach 
Diod.  XIV,  68;  auch  in  Dion's  Zeit  kommt  Gela  vor,  Diod.  XVJK  9;  erst  durch  Ti- 
moleon wird  es  wieder  bedeutend  Plut.  Tim.  35.   Kamarina  verliert  seine  Bewohner 
im  J.  405' Diod.  XIII,  111.  113;  hat  bald  wieder  Einwohner,  ist  jedoch  nur  schwach 
bevölkert,  Diod.  XIV,  47.  68 ;  es  wird  erst  durch  Timoleon  bedeutender  Diod.  XVI,  82. 
Leontini  von  Dionys  erobert  Diod.  XIV,  15  (s.  auch  XIII,  113  und  XIV,  14),  von 
ihm  an  Söldner  gegeben  [s.  oben  S.  436) ;  in  dieser  Beziehung  ist  von  Bedeutung, 
dass  in  Leontini  Vasen  mit  oskischen  Komödienfiguren  gefunden  worden  sind,  0.  Jahn, 
Einleitung  in  die  Beschreibung  der  Vasensammlung  König  Ludwig's.  S.  CCXXVIII. 
L.  kommt  in  Dion*s  Geschichte  vor.    Timoleon  schafft  die  Einwohner  nach  Syrakus 
Diod.  XVI,  82;  unter  Agathokles  und  spSter  kommt  L.  wieder  vor.    Katane  an 
Kampaner  'gegeben  Diod.  XIV,  15;  vgl.  XIV,  66  und  68;  auch  spSter  noeh  jeden- 
falls mit  gemischter  Bevölkerung,  s.  Holm,  Das  alte  Catania,  Lttb.  1873.  4.    Naxos 
wird  zerstört.    Tauromenion  erhalten  erst  Sikeler,  dann  Söldner,  dann  Griechen, 
s.  oben  S.  437.    Messana  wird  von  den  Karthagern  zerstört,  dann  von  Dionys  mit 
Fremden  hergestellt  Diod.  XIV,  78,  396  v.  Chr.    Dass  alle  diese  Städte  unter  der 
dionysischen  Dynastie  entweder  nicht  autonom  waren  oder  ganz  unbedeutend,  ist  somit 
klar,  woraus  sich  als  natürlicher  Schluss  ergiebt,  dass  sie  keine  eigene  MÜnzprSgung 
hatten.  Dieser  Annahme  widersprechen  die  Thatsachen  nicht;  sie  bestätigen  sie  viel- 
mehr. Ich  glaube  nicht,  dass  Silbermünzen  jener  Städte  aus  der  beregten  Zeit  nach- 
gewiesen werden  können.    Es  tritt  also  mit  dem  J.  400  ein  wichtiger  Abschnitt  in 
der  Geschichte  des  sicilischen  Münzwesens  ein.    Bis  dahin  haben  wir  die  mannigfal- 
tigen Münzen  der  verschiedenen  sicilischen  Städte;  nun  münzt  eine  Zeitlang  ununter- 
brochen nur  Syrakus.    Dies  Factum  lässt  sich  auch  aus  dem  schönen  Friedländer- 
Sallet'schen  Berliner  MUnzkatalog  herauslesen,  wo  der  vollkommene  Stil  in  Sicilien, 
durch  wenige  Münzen  anderer  Städte   eingeleitet,   fast  nur  von  Syrakus  vertreten 
wird,   bis  zuletzt  ein  paar  Münzen  von  Tauromenion,  Gela,  Messana  kommen,   die 
jedenfalls  nachdionysisch  sind.  —  Ihre  Namen   haben  die  Dionyse   nicht  auf  ihre 
Münzen  gesetzt.  —  Wie  Dionys  I.  gegen  hellenische  Städte  verfährt,  so  auch  Lyvander, 
z.  B.  gegen  Sestos.  —  Es  ist  bemerkenswerth ,  dass  im  Mittelalter  der  Hohenstanfe 
Friedrich  IL,  ein  ebenso  guter  Politiker  wie  Dionys,  ihm  auch  in  der  Verpflanzung 
ganzer  Einwohnerschaften  ähnlich  war.    Er  hat  in  Sicilien  Augusta  und  Terranova 


Zu  Buch  V,  Kap.  6,  S.  144—148.  447 

gegründet,  Centorbl,  Oapizzi  und  Traina  wüst  gelegt.  Vgl.  Amari,  Stör,  dei  Mnsulm. 
di  Sicilia  III,  616. 

S.  146.  lieber  die  Münzen  der  Karthager  in  Sicilien  vgl.  Numismatique 
de  l'ancienne  Afrique.  Vol.  U.  Gopenh.  1861.  4,  p.  74  —  84  (die  folgenden  Seiten  be- 
handeln die  nach  der  Ansicht  des  Verf.  in  Afrika  geschlagenen  Münzen)  und  W.  S. 
W.  Vanx,  On  the  coins  i'easonably  presumed  to  be  those  of  Carthage,  Lond.  1863,  8, 
der  selbst  sagt,  dass  seine  Ansichten  fast  durchgängig  dieselben  sind  mit  denen  der 
Verf.  der  Numismatique.  In  beiden  Werken  werden  übereinstimmend  für  in  Sicilien 
geprägt  erklärt  die  Tetradrachmen,  welche  die  Inschriften:  1)  Kart-chadasat,  *2)  Ma- 
chanat,  3}  Ammachanat,  4)  Scham machanat,  5}  Mechasbim  haben,'  von  denen  die  erste 
offenbar  Karthago  bedeutet,  die  zweite  bis  vierte  Festung  bezeichnend,  auf  Panormos 
als  den  Ort  der  Prägung  geht,  während  No«  5  wahrscheinlich  qnaestor  bezeichnet. 
Die  Typen  dieser  Münzen  sind:  1}  Cereskopf.  Bev.  Palme  hinter  einem  Pferd.  2)  Vor- 
dertheil  eines  Pferdes  mit  fliegender  Nike  darüber.  Bev.  Palme.  3)  Ebenso  ohne  Nike. 
4)  Pferd  mit  Nike  darüber.  Bev.  Palme.  5)  Herakleskopf  mit  der  Löwenhaut.  Bev. 
Pferdebüste  mit  Palme  dahinter.  6)  Weiblicher  Kopf.  Bev.  Pferdebüste  mit  Palme. 
7)  Weiblicher  Kopf  mit  eigenthümlicher  Mütze.  Bev.  Schreitender  Löwe  mit  Palme 
dahinter.  Inschrift  1  kommt  vor  auf  Typ.  1.  2.  Inschr.  1  und  2  auf  Typ.  2.  3.  4. 
Inschr.  3  auf  Typ.  5.  6.  Inschr.  4  auf  Typ.  6.  7.  Inschr.  5  auf  Typ.  5.  Sodann 
kommen  dieselben  Typen  bloss  mit  einzelnen  Buchstaben  statt  der  vollständigen  In- 
schriften, und  endlich  auch  ohne  alle  Inschriften  vor.  Die  einzelnen  Buchstaben  deuten 
die  Verf.  der  Numismatique  theils  als  Abkürzungen  der  oben  angeführten  Worte, 
theils  als  solche  von  Namen  sieilischer  Orte;  Vaux  sieht  darin  Magistratsnamen;  an 
Ortsnamen  möchte  auch  ich  nicht  denken.  Doch  sind  in  Herakleia  punische  Münzen 
geprägt,  aber  mit  ganzer  Inschrift:  ms  melkart,  Tetradrachmen,  in  den  Typen  den 
syrakusanischen  ähnlich,  abgeb.  bei  Ugdulena,  Snlle  monete  punico-sicnle  Tav.*  I, 
No.  18;  vgl.  den  Friedländer -Sallet'schen  £jitalog  No.  631.  Von  den  Münzen  von 
Thermae,  die,  obschon  mit  griechischer  Inschrift,  doch  der  karthagischen  Herrschaft 
anzugehören  scheinen,  ist  oben  S.  425  die  Bede  gewesen.  Auffallend  ist,  dass  Typus  7 
auch  in  Leontini  mit  der  Inschrift  AEONTINON  vorkommt,  Totr.  XXXIX,  1,  ein 
Exemplar  bei  Di  Stefano  in  Gatania;  der  Bevers  auch  in  Hyele  mit  der  Inschrift 
HEAHTSIN,  Friedländer-Sallet  No.  542.  Wie  ist  das  zu  erklären?  —  In  Betreff  der 
Münzen  mit  AJA  kann  ich  hier  nur  die  mir  bekannten  Typen  angeben»  eine  ausführ- 
liche Besprechung  des  Gegenstandes  mit  den  Belegen  auf  einen  anderen  Ort  verspa- 
rend. I.  Silber.  1]  Jugendlicher  Kopf.  Bev.  Menschenköpfiger  Stier.  2)  Jugend- 
gendlicher  Kopf.  Bev.  Protome  eines  menschenköpfigen  Stieres.  3)  Pallaskopf.  Bev. 
Schwan  über  Wellen.  4)  Jugendlicher  Kopf.  Bev.  Springendes  Pferd.  5)  Adler  über 
Hase.  Bev.  Delphin,  Muschel.  6)  Weiblicher  Kopf.  Bev.  Quadriga.  II.  Bronze. 
7)  Weiblicher  Kopf.  Bev.  Springendes  Pferd,  darüber  Helioskopf.  8)  Weiblicher 
Kopf  mit  breiter  Binde.  Bev.  Menschenköpfiger  Stier,  darüber  Heiioskopf.  9)  Sprin- 
gendes Pferd.  Bev.  Protome  eines  menschenköpfigen  Stieres.  10}  Jugendlicher  lor- 
beerbekränzter  Kopf.  Bev.  Pegasos.  11)  Hahn.  Bev.  6  Kugeln.  Ueber  die  von  Einigen 
auf  einzelnen  dieser  Münzen  vorgezogene  Lesart  ZIZ  kann  ich  hier  nicht  sprechen ; 
vgl.  Ugd.  Tav.  II,  No.  6  und  Friedländer-Sallet  No.  632. 

S.  146.  Volksversammlungen  in  Syrakus  unter  Dionys  Diod.  XIV,  45.  64. 
Arist.  Oecon.  II,  1349  B:  ixxXriaiav  noir;attg, 

S.  147.  Steinbruchgefängnisse  Ael.  Y.  H.  XII,  44.  Plut.  Dion  29.  Cic  Verr. 
y .  55.  Dass  Mich.  Angelo  da  Caravaggio  auf  die  Aehnlichkeit  der  Grotte  mit  einem  €re- 
hörgang  aufmerksam  machte,  sagt  Mirabella  in  s.  Beschreib,  von  Syrakus  unter  No.  131 . 

S.  147.  Dionys  liess  tödten  fxvQlovs  n  ^«^  nkUovg  Plut.  de  fort.  AI.  H,  5;  vg\. 
Grote  VI,  42,  n.  104. 


448  Anhang  III.    Belöge  und  Erlinterungen. 

8.  147.  Gtoachiditett  von  der  Grausamkeit  des  Dionys  Plnt.  Dion  9.  Tra^ 
bant  getödtet,  Marsyas  wegen  eines  Traumes  getödtet  Oic.  Tuse.  V»  20 ;  einen  schwats- 
haften  Barbier  lässt  er  an's  Kreuz  schlagen  Plut.  de  garr.  13 ;  8tfhne  des  Lokrers  Ari- 
steides  getödtet  Plut.  Tim.  6.  lieber  Antiphon  s.  o.,  fXbex  s.  Verwandten  s.  n.  — 
Argwohn  Plut.  Dion  9;  Cie.  Tuse.  V,  20:  vom  Scheeren  und  Brennen  des  Bartes 
und  von  den  Yorsiehtsmassregeln  in  seinem  Palaste.  Dionys  stets  gi^ansert:  Diod. 
■XIV,  2;  versebopt  den  trunkenen,  tödtet  den  nttchtemen  Jüngiing  Piut.  Ap.  r^. 
[Hutt.  VIII,  91).  D.  will  sich  ein  Mittel  angeben  lassen,  nachstellende  Feinde  her- 
auszufinden Plut.  Ap.  reg.;  Polyaen.  V,  2,  3;  Stob.  IH,  42;  ISsst  tac  fiovaovffyov^ 
xul  Tffc  irai^mg  ausforschen  und  foltern  Polyaen.  V,  2,  12;  List:  Polyaen.  Y,  2,  4; 
List  gegen  Söldner  Polyaen.  Y,  2,  U;  sonstige  Listen  Polyaen.  Y.  2,  14^16,  wo  In 
Ubemerkenswerth  ist,  dass  Dionys  den  Bttrgem  auf  Feldzügen  erst  100  Stad.  von 
der  Stadt  Waffen  gab;  Spione:  nQogayiuy^dcu  Plut.  Dion  28  [nvf  xaXoufUyvg  n^og- 
aytoyi^ac) ,  it(Mgayufy(Zg  Plut.  de  curios.  16.  Ygl.  die  7tOTay»y£^ig  Ar.  Pol.  Y,  9,  3. 
Ygl.  Müller,  Dor.  11,  154  Anm.  GOttling,  Gesamm.  Abh.  I,  365  und  Über  Hierons 
ähnliches  Yerfahren  Bd.  I,^  S.  420.  Dionys  veriieirathet  die  Frauen  der  Altbttrger 
mit  den  Neubürgem  Diod.  XIY,  66. 

S.  148.  Behandlung  von  Yer wandten.  Yerbannungen  Diod.  XY,  7;  Plui. 
Dion  11;  Plut.  1.  1.  und  Nepos  Dion  3  sagen ,  dass  Philistos  pnt  nach  dem  Tode 
Dionys'  I.  zurückkehrte,  während  Diodor  Philistos  und  Leptines  zusammen  surttck- 
kehren  lässt;  Leptines  aber  fällt  nach  Diod.  XY,  17  bei  Kronion.  Die  andere,  ans 
Plut.  Tim.  15  hergenommene  Schwierigkeit,  welche  Grote  YI,  29,  n.  71  vorzuliegen 
scheint,  kann  ich  nicht  finden.  D.  lässt  die  Mutter  seiner  lokrischen  Gattin  tOdten, 
welche  beschuldigt  wurde  ftatufpagf^axevitv  t^  *A^iatofi«xV[^i  Plut.  Dion  3.  Bei  Plut. 
de  fort.  AI.  II,  5  heisst  es  von  ihm  fit^ti^  tinonvi^ac  und  n^ous  tov  ad^hfov, 
ähnlich  Ael.  Y.  H.  XIII,  45 ,  nur  dass  hier  steht  firit^Qa  ^idq^igt  ifa^fAdxotg,  Es 
wird  seine  Mutter  mit  seiner  Schwiegermutter,  der  Lokrerin,  verwechselt  sein.  D.  will 
seine  Mutter  nicht  verheirathen,  da  er  die  Naturgesetze  nicht  zu  überwinden  vermOge ; 
Plut.  Ap.  reg.  Dionys,  Polyxenos  Plut.  Dion  21. 

S.  148.  Dionys  und  Damokles  Cic.  Tuse.  Y,  21;  Philo  ap.  Euseb.praep.  ev. 
YIII,  14;  Hör.  Od.  III,  1,  17;  Pers.  Sat.  III,  40;  Macrob.  Somn.  Scip.  I,  10;  Boetfa. 
cons.  ph.  UI,  15;  Sidon„  Apoll.  III,  13.  —  Cheirisophos  Schmeichler  Dionys'  des 
älteren  Ath.  YI,  249. 

S.  148.  Die  Geschichte  von  den  zwei  Freunden.  Dämon  und  Phintias  nach 
Aristoxenos  nt^l  Ilv&ayo^ucov  fiiov,  welcher  die  Geschichte  von  Dionys  in  Korinth 
gehört  hatte,  bei  lambl.  vit.  Pyth.  233  und  Porph.  v.  P.  59;  hier  wird  es  veran- 
staltet, um  die  P3rthagoreer  auf  die  Probe  zu  stellen.  Kurz  im  Cod.  Laur.  LYI,  1  in 
einer  Aufzählung  von  ipiXttaiQoi  fol.  15 v  so  erzählt:  if^vrUtg  xal  ddfinv  üvqqumov^ 
aiot  nvS^yoQiioi-  iv  tov  M^v  xmtaxQi&^vrog  vno  ÖMvvaUv  6  MriQoc  iviyywJ9aro 
ano^avälv  Itcv  ixeZvoe  fAfi  $XSi^  r$  toQtOfiivri  (fol.  16 r)  flfi^t^y  ^  ^h  t^  ^^Q^  ^^vf 
idtovg  dmrticidfievog,  iX&a>v  tijg  iyyvffs  tov  ifUov  tjXeü&iQtif^i '  &avfiäfmg  Si  o  rv^yvog 
xuxttvov  «tnlkvoi  x«l  tqItov  iavrw  ni/jotg  <fUov  awiiQi&firiaev,  Femer  Cio.  de  ofF. 
m,  10,  Tuse.  Y,  22;  Fin.  II,  24;  Diod.  X,  4;  Yal.  Max.  lY,  7 ;  Pseudoquint.  deel. 
16;  Lactant.  inst.  Y,  17,  Moerus  und  Selinuntius  nach  Hygin.  257  (hieraus  Schiller); 
Euephenos  und  Eukritos  nach  Polyaen.  Y,  2,  21,  wo  die  Begebenheit  folgender- 
massen  eingeleitet  wird:  Pythagoreer  aus  Parion  (Kemer)  in  Mysi^,  hindern  die 
Metapontiner,  sich  an  Dionys  anzuschliessen ,  daher  der  Zorn  des  Tyrannen.  Er 
bemächtigt  sich  des  Euephenos ,  dieser  bittet  um  Frist ,  inti  itvixßotog  d^tltpfj  iaU 
fiQi  iv  ITaQitfi  etc.  Ygl.  E.  Rohde,  Die  Quellen  des  Jamblichos  in  seiner  Biogr. 
des  Pythagoras,  Rh.  M.  N.  F.  XXYII,  S.  56,  n.  1 ,  der  für  das  Fortleben  der  Ge- 
schichte im  Mittelalter  auf  die  Gesta  Romanorum  c  108  verweist,  wo  die  pytha* 


Zu  Buch  V,  Kap.  8,  Seite  147—150.  449 

goreischen  Freunde  zu  zwei  Räubern  geworden  sind.  Auf  orientalische  Analogien 
macht  aufmerksam  Mordtmann,  in  der  Gartenlaube  1869,  S.  151  ff.  Die  eine  findet 
sich  in  Meidani's  Sprichwörtern  der  Araber;  diese  Geschichte  ereignet  sich  unter 
dem  Könige  Numan  von  Hira  und  der  die  Bürgschaft  übernehmende  ist  ein  Christ; 
die  andere  ist  aus  einer  arabischen  Handschrift  gezogen;  sie  ist  dadurch  merkwür- 
dig, dass  der  Hinzurichtende  nicht  einen  persönlichen  Freund,  sondern  einen  der 
Richter  zum  Bürgen  erwählt. 

S.  149.    Gottlose  Streiche  des  Dionys  Ath.  XY,  693;  Arist.  Oec.  II;  Ael. 

V.  H.  I,  20;  Plut.  Is.  et  Os.  71 ;  Cic.  N.  D.  III,  34;  Val.  Max.  I,  1  aus  Cicero,  wo 
Olympia  im  Peloponnes  und  £pidauros  falsch  sind.  Nach  Polyaen.  V,  2,  19  lässt  er 
die  ava^r^fxara  des  Asklepios  verkaufen,  dann  wieder  einziehen.  In  der  Rede  des 
Theodoros  bei  Diod.  XIV,  67  wird  Dionys  6  in  aatßf^tf  ^myofjaafi^vog  genannt. 

S.  14Q.    Verhältniss  zu  seinen  Frauen  Plut.  Dion  3. 

S.  150.  Dionys  will  Dichter  sein  Diod.  XV,  7,  wo  auch  gesagt  wird:  rovg  iv 
TovTote  ^o^av  fxoftas  fÄtmiiunaTo,  Bekannt  ist  besonders  Richelieu's  Verhältniss  zu 
Corneille.  Bei  Richelieu  sind  Argwohn  und  Grausamkeit  fast  in  demselben  Masse 
vorhanden  gewesen  wie  bei  Dionys,  und  auch  an  persönlichem  Muthe  hat  es  dem 
französischen  Minister  ebenso  wenig  gefehlt,  wie  Dionys.  R.  hat,  wenn  er  die  katho- 
lische Religion  auch  nicht  verachtete,  doch  als  Cardinal  sich  mit  Protestanten  gegen 
den  Kaiser  verbündet ;  endlich  ist  es  sCin  eigen thümliches  Zusammentreffen,  dass  seine 
berühmteste  Waffenthat,  sein  eigentlichstes  Kriegswerk,  die  Eroberung  von  La  Ro- 
chelle war,  wie  die  glänzendste  That  des  Dionys  die  von  Motye,  und  dass  auch  bei 
La  Rochelle  ein  aufgeschütteter  Damm  das  Mittel  der  Eroberung  bildete.  —  Vgl.  über 
Dionys  als  Dichter  femer  Cic.  Tusc.  V,  22;  Plut.  Tim.  15;  sowie  Bemhardy,  Griech. 
Lit.  II,  2,  58 ;  Welcker,  Die  griechischen  Tragödien  S.  1229—1236 ;  Meineke  Anal.  Alex, 
p.  136  f.,  Ders.  Com.  Graec.  I,  361  ff.  —  S.  150.  Dionys  und  Philoxenos  Diod.  XV, 
6;  Plut.  de  fort.  AI.  II,  1;  de  4;ranqu.  12;  Ael.  V.  H.  XII,  44;  Cic.  ad  Att.  IV,  6; 
Athen.  I,  6.  7;  Suid.  s.  v.  Schol.  in  Ar.  Plut.  179  und  290.  Luc.  de  merc.  cond.  35; 
adv.  ind.  15;  Schol.  Theoer.  id. 7.  —  S.  150.  Dionys  lässt  den  Tragiker  Antiphon 
tödten  Ar.  Rhet.  II,  6;  Plut.  de  Stoic.  repugn.  37;  Plut.  de  adul.  27;  Philostr.  vit. 
Soph.  I,  15,  3.  Das  beste  Erz,  hatte  Antiphon  gesagt,  sei  das,  woraus  die  Statuen 
von  Harmodios  und  Aristogeiton  gemacht  seien.  —  S.  150.  Dionys  dichtet  besonders 
Tragödien  Ael.  V.  H.  XIII,  18;  war  nicht  tpihyyiXm  Ael.  1.  1.;  kauft  die  Schreib- 
tafel des  Aischylos  Luc.  adv.  ind.  15;  de  non  aud.  cai.  14;  Cic.  Tusc.  V,  22;  Plut. 
de  fort.  AI.  II,  5;  Amm.  Marc.  XV,  5;  kauft  die  Schreibtafel  des  Euripides  Vita 
Eurip.  Havn.  Neue  Wörter  des  Dion3r8  Äthan,  bei  Ath.  III,  98 ;  Hellad.  Epp.  Socr. 
35.  Stücke  des  Dionys :  ^Aßwvig  Ath.  IX,  401 ;  Das  Fragment  von  Haupt  im  Hermes 
III,  141  hergestellt.  "Alnfii^va  Stob.  Serm.  XCVHI,  vol.  III  p.  228  Mein.  "Exrogog 
XvTQa  Tzetz.  Chil.  V,  178.  Arj^a  Stob.  CV,  vol.  IV  p.  18  M.  S.  Beruh.  II,  2,  59, 
der  nach  Mein,  in  Schol.  II.  XI,  515  auch  ACvog  als  Titel  findet,  handschr.  iv  Xt/i^, 
Der  berühmte  Vers:  ^  yaQ  Tvgawlg  adtxlag  fiiJTtig  t[(f>v  steht  Stob.  Flor.  XLIX,  vol. 
n  p.  285  Mein.     Vgl.  überhaupt  Nauck,  Trag.   Gr.  rell.  p.  617.    —  Paiane  Ath. 

VI,  260. 

S.  151.  Der  jüngere  Dionys  über  seinen  Vater  Plut.  Tim.  15.  Geistreiche  Worte 
des  älteren  D.  mehrfach  gelegentlich  aufbewahrt.  Plut.  Ap.  reg.:  nifog  tov  nv&o/nevov, 
ei  axoXd^ot,  fxtjdinors  if4ol  tovto  ^vfißa(ri.  D.  bevorzugt  einen  Schlechten,  damit  die 
Syrakusaner  Jemand  anders  mehr  hassen  als  ihn.  Plut.  Sol.  20 :  Gesetze  des  Staates 
und  Gesetze  der  Natur.  Plut.  de  fort.  AI.  I,  9:  toi;;  iitv  nalSag  «otQttyaloig,  rovg 
<r  ttv^Qag  oQxoig  f^anaräv.  II,  1 :  an  ein  Versprechen  erinnert,  sagt  er:  /^i;  svtfQai- 
vofievog  vno  aov  nag  ov  ^dfg  /(»övor,  €V(pgava  »ayto  a€  ralg  iXnlaiv  —  flüchtigen 
Gennss  mit  flüchtigem  Genuss  vergeltend;  II,  5;  de  audit.  7;   sui  laud.  10;  Dion  5; 

Uolm,  G«8oh.  SicilienB.  U.  29 


450  Anhang  III     Belege  und  Erlänteningen. 

Galb.  1 :  über  die  Tyrannen  von  Pherae.  Zuletzt  Sieg  in  Athen  Diod.  XV,  74 ;  Taete. 
Chil.  V,  180.  —  EttbuioB  verspottet  den  Tyrannen  in  einem  Dionysios  betitelten 
Stücice  Ath.  VI,  260.  Der  komische  Dichter  Ephippos  rechnete  es  unter  die  Qualen 
/liovva(ov  ^Qct/jai:*  ixfiad-tiv  Ath.  XI,  482. 

8.  152.  Schriftsteller  an  seinem  Hofe,  lieber  Philoxenos  und  Karkinos 
8.  unten.  Aischines  der  Sokratiker  L.  D.  II,  ö3.  —  Aristippos.  Vgl.  bes.  H.  de  Stein, 
De  philosophia  Gyrenaica,  Gott.  1655.  S,  p.  57  ff.  Wenngleich  die  meisten  Ge- 
schichten von  Aristipp  in  Syrakus  sich  auf  seinen  Aufenthalt  daselbst  zur  Zeit  des 
jüngeren  Dionys  beziehen,  so  gehen  doch  deutlich  auf  seinen  Aufenthalt  daselbst  zur 
Zeit  des  älteren  Schol.  Luc.  adv.  Menipp.  p.  20,  7  {na(}^y  Jtowaii^  rtß  nQtaßvxt);]  und 
Uegesand.  ap.  Ath.  XII,  544  (Aristipp  und  Antiphon).  Nach  Galen.  I,  p.  b  ed.  Kfihn 
kam  Arist.  nach  Syrakus  in  Folge  eines  Schiffbruches.  Da  nun  nach  Acro  z.  Uor. 
£p.  I,  17,  23  ff.  Plato  ^invenisset  enm  naufragum*',  so  wird  auch  der  erste  Aufenthalt 
des  Aristipp  in  Syrakus  mit  dem  Phiton's  gleichzeitig  gesetzt  —  um  389  v.  Chr.  — 
Xenarchos  Suid.  s.  v.  'Pijyivovg. 

S.  152.  Theoporap  und  Eubulos  über  D.  Ath.  VI,  260.  261.  D.  itptlJdo  twi- 
XütnoövTttiVf  onatf  navatoptai  oi  ^LVQftxoatot  rov  ^unvuv  xai  ^(d-vcxiOB-a*  fitr  alirilwy 
Plut.  Ap.  Reg.  Nach  demselben  giebt  er  dem,  der  sich  einen  Acker  kaufen  will,  alles 
Geld  zurück.  Nach  dems.  schilt  er  seinen  Sohn,  dass  er  nicht  verstehe  mit  dem  Geide 
sich  Freunde  zu  erwerben.  Hunger  ist  nach  ihm  der  beste  Koch  Plut.  Inst.  Lac.  1. 
Cic.  Tusc.  V,  34. 

S.  153.  Dionys  und  Plato  n.  Siehe  Hermann,  Geschichte  der  platonischen  Phi- 
losophie S.  63.  65.  H.  Th.  Karsten,  De  Piatonis  quae  feruutur  epistolis.  Traj.  nd 
Bhen.  1864,  p.  128.  133.  K.  Steinhart,  Piaton's  Leben,  Lpz.  1873.  b,  mit  der  besonnenen 
Beurtheilung  von  0.  Heine  in  N.  Jahrb.  1873,  Bd.  107,  S.  321  ff.  In  Betreff  der  Glaub- 
würdigkeit der  Reisen  Platon's  nach  Sioilien,  hat  man  Folgendes  zu  bedenken.  Sie  sind 
durch  eine  doppelte  Ueberlieferung  festgeatellt,  einnuil  durch  die  Biographen  Platon's, 
und  sodann  durch  die  Erzähler  sicilischer  Dinge.  Die  letzteren  müssen  jedenfalls  als 
unbefangenere  Berichterstatter  gelten,  und  von  dem  aus  solchen  Quellen  von  Plutarch 
Ueberlieferten  kann  somit  Gebrauch  gemacht  werden.  Die  Zeit  von  Platon's  Aufenthalt 
bei  Dionys  I.  ergiebt  sich  aus  Ep.  VII,  324,  wo  gesagt  wird,  dass  Piaton  damals  40 
Jahre  alt  war.  Diese  Angabe  passt  ziemlich  gut,  da  PI.  wahrscheinlich  Ol.  87,  3  ge- 
boren ist,  da  er  ferner  auf  Aigina  verkauft  sein  soll,  und  Aigina  gerade  Ol.  97,  4— 
98,  2  mit  Athen  in  Krieg  war.  Hermann  setzt  deshalb  Platon's  Aufenthalt  in  Syrakus 
389  V.  Chr.  Ol.  97,  4.  PI.  ging  nach  Sicilien,  nach  Uegesandros  bei  Ath.  XI,  507  rm 
^vaniüv  x^Q'^*  ebenso  nach  Appul.  de  dogm.  Plat.  I,  4;  L.  D.  III,  18;  um  einen  Staat 
nach  seinem  Sinne  zu  gründen  nach  Plut.  phil.  c.  princ.  4,  Themist.  Or.  17,  215;  nach 
seinen  Feinden  aber  des  syrakusanischen  Wohllebens  wegen,  Olymp,  vit.  Piat.  Vgl.  Diud. 
XV,  7 ;  L.  D.  III,  16;  P4ut.  Diou  45.  Manche,  wie  Zeller  in  Pauly  R.  £.  VI,  1686,  Todt, 
Dionys  26  und  Karsten  134,  nehmen  an,  dass  Dion  den  Piaton  nach  Sioilien  gesogen, 
nach  Nep.  Dion  2 ;  doch  halte  ich  dies  ftir  eine  Verwechselung  mit  der  zweiten  Reise ; 
zur  Zeit  der  ersten  übte  Dion  schwerlich  schon  einen  solchen  Einfluss  aus  und  war 
auch  wohl  noch  nicht  so  geistig  entwickelt,  dass  er  auf  einen  solchen  Wunsch  ver- 
fallen wäre.  Er  wird  erst  durch  Piaton  in  die  Philosophie  geführt  sein.  Grote  VI. 
32.  33  denkt  sich  die  Sache  so :  PI.  kommt  nach  Sicilien,  um  den  Aetna  zu  studiren, 
und  auch  nach  Syrakus,  wo  er  durch  pythagoreische  Empfehlungen  Dion  kennen  lernt 
der  sich  fttr  ihn  begeistert  und  ihn  dem  Dionys  empfiehlt.  —  Xenophon,  Sohn  des 
Gryllos,  hält  sich  nach  Ath.  X,  427  bei  Dionys  auf.    Wann? 

S.  154.  Venetische  Pferderace  durch  Dionys  verbreitet  Str.  V,  1,4.  Sie  war 
schon  vorher  bekannt,  und  wird  bereits  von  Alkman  erwähnt. 

S.  155.    Dionys  selbst  Chirurg  Ael.  V.  H.  XI,  11. 


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Zu  Bach  V,  Kap.  8,  Seite  152—156. 


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452  Anhang  III.    Belege  und  Erläaterungen. 


Neuntes   Kapitel. 

S.  156.  Ueber  des  jüngeren  Dionys  und  Dion's  Geschichte  vgl.  J.  Zenzes, 
De  Dionysio  minore  Syracusanorum  tyranno,  Berol.  1870.  8.  Th.  Lau,  Das  Leben 
des  Syrak&saners  Dion,  Prag  1860.  8,  sowie  die  bereits  oben  citirte  Schrift  von 
H.  Th.  Karsten,  De  Piatonis  qvae  feruntur  epistolis.  Traj.  ad  Rh.  1864.  8,  endlich 
ausser  Grote  auch  Lachmann  II,  S.  288—310. 

S.  157.  Lebensweise  des  jüngeren  Dionys.  Worte  seines  Vaters  Über  ihn  in 
Betreff  des  ivög.  iltv».  yvvaiov  und  der  Benutzung  des  Reichthumes  zur  Gewinnung 
von  Freunden  Plut.  Ap.  reg.  Dionys  macht  Hoizarbeiten  Piut.  Dion  9.  Bei  Geie- 
*  genheit  einer  Widmung  ^Anoklioyog  vlov  kavrov  avriyoQivaev  Piut.  de  fort.  Alex.  II,  5. 
Die  quadrigae  alborum  equorum  bei  Llv.  XXIV,  5  beziehen  sich  wohl  auf  den  jün- 
geren Dionys.  —  Dass  bei  seiner  Thronbesteigung  Dionys  IL  ca.  28  Jahre  alt  war, 
beweist  Zenzes  p.  15:  Heirath  des  Dionys  398  v.  Chr.,  andererseits  hat  Dionys  II. 
im  J.  356  einen  Sohn  Apollokrates,  den  er  in  der  Burg  zurücklässt.  Nach  lust  XXI, 
1  und  Diod.  XV,  74  war  seine  Herrschaft  anfangs  mild.  Dionys  tOdtet  seine  Brüder 
lust.  XXI,  1 ;  Ael.  V.  H.  VI,  12.  Das  ist,  wie  Br.  de  Pr.  275  mit  Recht  bemerkt, 
jedenfalls  übertrieben ;  es  könnte  nur  Hermokritos  sein,  der  damals  umgebracht  wurde ; 
die  anderen  kommen  noch  später  vor.  —  Ueber  die  Macht  Dionys'  11.  Ael.  V.  H.  VI,  12; 
Nep.  Dion  5;  Diod.  XVI,  9;  Plut.  Dion  14.  —  Fortsetzung  der  Politik  seines  Vaters 
im  Osten  durch  Dionys  II:  Xen.  Hell.  VII,  4,  12,  wonach  Diopys  für  die  Spartaner, 
welche  damals  Dion  das  Bürgerrecht  gaben,  gegen  die  Thebaner  im  J.  366  eintrat; 
Diod.  XVI,  5  :  xatic  (f^  t^v  'JnovXCav  (Füo  itiiXug  UtiOi,  ein  von  Grote  VI,  54  bezweifeltes 
Factum.  Vgl.  jedoch  Zenzes  p.  18;  diese  Städte  werden  auch  bei  Diod.  XVI,  10  als 
xara  top  ^A^qCuv  befindlich  erwähnt.  Die  Existenz  dieser  Kolonien  ist  so  wenig  in 
den  Besitz  der  Geschichte  Übergegangen,  dass  Mommsen,  Unterital.  Dialekte  S.  93 
sich  dahin  äussert,  es  würden  keine  griechischen  Kolonien  an  der  apulischen  Küste 
erwähnt.  Vielleicht  waren  die  zwei  Städte  Arpi  und  Salapiae,  welche  den  l'ypus 
des  springenden  Pferdes  auf  ihren  Münzen  haben.  S.  Sambon,  Recherches  p.  196, 
n.  1.  2.  6,  p.  197,  n.  16.  21  und  p.  216,  n.  1.  2.  5,  p.  217,  n.  8.  Vielleicht  nahm 
Dionys  besonders  kampanische  Söldner  zu  Kolonisten  in  diesen  beiden  Städten,  so 
würden  sich  jene  Typen  erklären.  Eine  SilbermUnze  von  Arpi  (Sambon  pl.  XV,  n.  5) 
erinnert  mit  Demeterkopf  im  Avers,  spr.  Pferd  mit  Stern  im  Rev.  sehr  an  sicilische 
Münzen.  Allerdings  liegt  von  diesen  Städten  nur  Salapia  an  der  Küste,  Arpi  mehr 
im  Innern ;  aber  das  kann  kein  Hinderniss  für  unsere  Annahme  abgeben,  da  die  syn- 
.kusanische  Herrschaft  auch  hier  sich  sehr  wohl  in's  Innere  erstrecken  konnte.  Uebri- 
gens  sollen  Elpiae  und  Salapiae  bereits  Kolonien  von  Kos  und  Rhodos  gewesen  sein : 
Müller,  Dor.  I,  112. 

S.  157.  In  Betreff  des  Krieges  mit  Karthago  sucht  Zenzes  15  n.  6  zu  beweisen, 
dass  er  nicht  sogleich  durch  einen  Friedensschluss  beendigt  worden  ist,  wie  man  nach 
Diod.  XVI,  6  annehmen  müsste ;  der  nach  Plut.  Dion  14  noch  bestehende  Krieg  mit 
den  Karthagern  und  der  bei  Plut.  Dion  16  erwähnte  (noX^/uov  ttvoe  iuneaoyras)  schei- 
nen ihm  Fortsetzungen  des  noch  von  Dionys  I.  begonnenen  Krieges  zu  sein,  der  erst 
364  V.  Chr.  beendigt  wurde. 

S.  158.  Trinkgelage  des  Dionys.  Arist.  in  Syrac.  pol.  (M  II,  172)  ap.Ath.  X,  435; 
Plut.  Dion  7 ;  Ael.  V.  H.  II,  41 :  Die  ganze  Familie  trunkliebend ;  Nachricht  über  die 
Gelage,  in  denen  der  berühmte  Philosoph  Xenokrates  (rj  riSv  XoiSv  ioQTy)  siegte,  und 
über  die  verschiedenen  Kränze,  die  er  erhielt,  und  die  er  t^  '^Qf^v  ^^  ^9^  ^^"^  &vgw' 
ioTtoTi  aufsetzte;  Ath.  X,  437 ;  L.  D.  IV,  8;  Sat.  (fr.  2  M  III,  160)  ap.  Ath.  XH,  541. 
Ob  Duris  fr.  31  (M  II,  477)  ap.  Ath.  XII,  535 :  /fiovvatos  ^varCSa  xn\  xQvaovv  ar^ror 


Zu  Buch  V,  Kap.  9,  Seite  156--161.  453 

inl  TiiQovTf  fiftiXdfißttve  jQttyixov  auf  Dionys  IL  geht?  S.  auch  unten  bei  Kap.  10 
am  Ende  der  Note  über  Dionysios  und  Dionysos. 

S.  158.  Dions  Herkunft  Dlod.  XVI,  6;  Plut.  Dion  3;  nach  Nep.  10  wäre  er 
Im  J.  408  geboren.  Sendungen  Dion's,  besonders  ngog  Kagx^6ov(ovg  Plut  D.  ö.  Dion's 
Einfluss  bei  Dionys  Plut.  D.  6.  7.  Nach  Jamblich.  vit.  Pyth.  199  hat  Dion  dem  Piaton 
mit  Aufwand  von  100  Minen  ein  vom  Pythagoreer  Philolaos  verfasstes  Werk  ver- 
schafft, vgl.  L.  D.  VIII,  1,  15;  etwas  anders  zwei  Notizen  bei  L.  D.  VIII,  7.  Bei 
Plat.  Ep.  VII,  347  wird  das  Vermögen  Dion's  auf  100  Talente  geschätzt.  Das  Rai- 
sonnement  bei  Plut.  D.  10  ist  vollkommen  der  Sachlage  entsprechend« 

S.  159.  Pia  ton  geht  nach  Syrakus  auf  Dion's  Veranlassung:  Plut.  D.  10.  Er 
kam  bald  nach  dem  Regierungsantritt  des  jüngeren  Dionys  Nep.  D.  3;  Plut.  D.  11; 
vgl.  Plat.  Ep.  VII,  327.  Nach  dems.  VII,  329  wäre  Dion  4  Monate  nach  Platon's 
Ankunft  in  Syrakus  von  Dionys  aus  Sicilien  entfernt  worden.  In  Betreff  der  Zelt 
seiner  RUckkehr  nach  Griechenland  macht  schon  Plass  n,  244,  1  darauf  aufmerksam, 
dass  sie  durchaus  nicht  feststeht.  Nach  Corsini,  Symb.  litt.  p.  112  wäre  Plat.  367 
— 65  in  Sicilien  gewesen.  Das  beruht  auf  der  Annahme,  der  zu  Anfang  Plat.  Ep.  II 
erwähnte  Besuch  Platon's  in  Olympia  habe  nach  diesem  Aufenthalte  in  Sicilien  statt- 
gefunden. Aber  Karsten  hat  p.  19  und  129  nachgewiesen,  dass  diese  Anwesenheit  in 
Olympia  dieselbe  ist ,  wie  die  in  Ep.  VII,  350  erwähnte ,  die  in  das  Jahr  360  fällt. 
Somit  lässt  sich  hieraus  nichts  über  die  Dauer  des  zweiten  Aufenthaltes  Platon's  in 
Sicilien  schliessen.  —  Aufzug  beim  Empfang  Platon's  Plut.  D.  13;  Nep.  D.  2;  Plin. 
VU,  30  (hier  fälschlich  Dionys  I.  zugeschrieben);  Sol.  32,  6:  Ael.  V.  H.  IV,  18.  - 
Grote  VI,  49  vergleicht  in  Betreff  des  Einflusses,  den  Piaton  auf  Dion  ausübte,  den- 
jenigen ,  welchen  der  Philosoph  Sphairos  ein  Jahrhundert  später  auf  die  spartanischen 
Könige  Agis  und  Kleomenes  hatte.  —  In  Betreff  des  Zustandes,  in  welchem  der  Ge- 
setzgeber einer  Stadt  dieselbe  finden  muss,  damit  ihm  seine  Aufgabe  erleichtert  werde, 
vgl.  Plat.  Legg.  IV,  709.  710:  <P4qe  rfi},  vofio^^ja,  tC  aoi  xal  nw^  noXiv  f^^voav  dt^fisv,^ 
Sar  ix  Ttop  lointov  avTog  ripf  vroliv  IxavtS^  diotxrjaai;  —  Tvgavvov/u^ijv  ftoi  <foT€  r^ 
nohVf  (fi^att '    TVQavvoe  cT  Harof  v^s  xcrl  fiviijutov  xal  eiffiad^rfg  xal  avd^eiof  xal  fjLeyU' 

kon^fnrjs  (fvafi. «^»"/»ff»  Tipo^t^fC»  ^^  xat    äXXo,  äXia  t6  ysvia&ai  ri  in    ttvrov 

vof4,o9ärtfv  tt^iov  intt(vov  xaC  tiva  Tvjpiv  ih  raifTOP  ayayitv  avrto,  —  ix  rvQovvCdog 
aQlatipf  ff'Tjs  yiviad-ai  noXtv  av,  tag  (paivei,  fjierd  vofio&irov  yi  axgov  xal  tvquvvov 
xoOfiioVf  xal  ^^tfjtt  TC  xal  raxi^or  av  fiernßaXetv  (ig  tovto  ix  tov  rotovrov.  Das  passt 
einigermassen  auf  Syrakus  unter  Dionys  II. >  d.  h.  auf  die  Situation  völlig,  und  was 
den  Charakter  des  Tyrannen  anbetrifft,  so  war  es  wenigstens  erlaubt,  Hoffnungen  zu 
hegen.  Ich  freue  mich,  in  der  Würdigung  dieser  Stolle  mit  0.  Heine,  N.  Jahrb.  1873, 
S.  328  übereinzustimmen.  Vorliebe  für  die  Geometrie  am  syrakusanischen  Hofe  dnrch 
Piaton  eingeführt  Plut.  de  adul.  et  am.  10.  Nach  dems.  c.  10  fin.  behandelte  Piaton 
den  Dionys  nicht  nachsichtiger  als  andere  Schüler. 

S.  161.  Entfernung  Dion's  Diod.  XVI,  6,  wonach  Dion,  als  er  von  der 
Absicht  des  Dionys  ihn  zu  tödten,  hört,  to  /nh  ngeSrov  ixQv<fi&fj  TiaQa  t^ai  rmv  ifiXtov, 
^era  dt  ravia  ftpvyev  ix  rijg  ZixiX(ag  elg  JleXonovvrjoov,  Anders  Plut.  D.  14  nach 
Timaios,  wo  ihn  Dionys  €v&vg,  wg  elx^ ,  sig  axauov  setzt,  was  der  Darstellung  in 
Plat.  Ep.  VII,  329  entspricht,  wonach  er  ihn  a/nucQov  eig  nXoZov  ifAßtßdaag,  iS^ßaXtr 
ajlfjL(og\  nach  Nep.  D.  4  navem  ei  triremem  dedit,  qua  Corinthum  deveheretur.  Nach 
Plut.  D.  17,  Val.  Max.  IV.  1  hat  sich  Dion  auch  in  Megara  aufgehalten;  Diod.  XVI, 
6  erzählt  sogleich  sein  Bestreben,  gegen  Dionys  Krieg  anzustiften.  Dass  Dion  schon 
366  in  Hellas  war,  ergiebt  sich  aus  Plut.  D.  J7:  xaintg  avtoTg  totc  ngo&vfjitog  inl 
rovg  Sr^ßalovg  avfxfiaxovvrog  (nämlich  Dionys),  also  ist  Diodor's  Angabe,  XVI,  6,  der 
Dion's  Entfernung  aus  Syrakus  erst  Ol.  105,  3—358  v.  Chr.  berichtet,  falsch.  Diodor 
hat,  wie  so  oft,  sich  Thatsachen  für  ein  bequemes  Jahr  aufgespart. 


454  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

S.  162.  Grund  der  Entlassung  Platon's  nach  Plut.  D.  16:  iv  rovrqt  if^  no- 
kifiov  iivog  ifiTnaovTog  «non^fin^i  rov  Ularmva.  Hiertfber  äussert  sich  0.  Heine, 
N.  Jahrb.  107 ,  S.  329 ,  indem  er  bei  der  Benutzung  solcher  Nachrichten  nur  eine 
„nicht  ganz  unmögliche  Dichtung"  herauskommen  sieht:  ,,nian  weiss  weder,  welcher 
Krieg  gemeint  ist,  noch  sieht  man,  von  welchem  Einfluss  ein  Krieg  auf  dies  persön* 
liehe  Verhältniss  sein  konnte."  Von  diesen  Einwürfen  wäre  der  zweite  von  Bedeu- 
tung, wenn  sich  nicht  klar  machen  Hesse,  dass  ein  Krieg  allerdings  von  Einfluss  auf 
jene  Verhältnisse  sein  mtisste.  Man  erwäge  Folgendes.  Dion  war  bereits  entfernt, 
und  Dionys-  konnte  Piaton  nur  dadurch  zurückhalten,  dass  er  mit  ihm  umging  und  so 
in  ihm  die  Hoffnung  erweckte,  etwas  für  Dion  und  die  gute  Sache  thun  zu  kOnnen. 
Wenn  nun  ein  Krieg  ausbrach,  so  musste  Dionys  offenbar  Syrakus  verlassen,  und  im 
Felde  hätte  er,  wenn  er  auch  Piaton  mit  sich  genommen  hätte,  doch  nicht  viel  mit 
ihm  verkehren  können;  ihn  aber  in  Syrakus  zurückzulassen,  ging  auch  nicht  an,  da 
Piaton  selbst  nicht  wünschen  konnte,  allein  und  ohne  Zweck  dort  zu  bleiben.  So 
war  es  selbstverständlich,  dass  Piaton  unter  diesen  Umständen  gehen  durfte,  wohin 
er  wollte.  So  zeigt  die  Prüfung  einzelner  durch  Plutarch  überlieferter  Angaben,  dass 
seine  Nachrichten  über  die  Zeit  Dionys'  II.  nicht  unwahrscheinlich  sind,  und  wir  sind 
um  so  mehr  berechtigt,  uns  ihm,  dem  aus  anderen  Gründen  gewählten  Führer,  anzu- 
schliessen. 

S.  162.  Die  Zeit  der  dritten  Reise  Platon's  ist  ebenfalls  nur  ungefähr  zu 
bestimmen.  Corslni  setzt  sie  361.  360;  vgl.  Plass  II,  246,  2.  Er  war  zurück  beiden 
olympischen  Spielen  Ol.  105  —  360  v.Chr.,  wo  er  mit  Dion  zusammentraf.  Ferner 
erzählt  Plut.  Dion  19,  dass,  als  Piaton  nach  Syrakus  gekommen  war,  Helikon  eine 
Sonnenfinsterniss  vorhersagte,  die  bald  darauf  eintrat.  Diese  fand  statt  Ol.  104,  3— 
361  V.  Chr.  am  12.  Mai  um  4  Uhr  Nachmittags  s.  Zenzes  p.  29  nach  Barth61^my.  ~ 
Ueber  die  dritte  Reise  Plut.  Dion  17—21;  L.  D.  III,  1,  16;  Nep.  Dion  3.  4.  Diodor 
hat  beide  Reisen  nicht.  —  Piaton  wird  das  letzte  Mal  von  Dionys  entfernt,  nach 
Plut.  Dion  19  wegen  Platon's  Anhänglichkeit  an  Dion;  nach  Plat.  £p.  VII,  348—350 
in  Folge  eines  Aufstandes,  dessen  Herakleides  beschuldigt  wurde,  der  in's  karthagische 
Gebiet  und  von  da  nach  Korinth  floh;  daher  Streit  zwischen  Piaton,  Theodotes  und 
Eurybios  einerseits  und  Dionys  andererseits.  Nach  Diod.  XVI,  6  ist  Herakleides  da- 
gegen mit  Dion  fortgegangen.  —  Das  Wort  Platon's  beim  Abschied  an  Dionys  Plut. 
D.  20  von  L.  D.  III,  21  auf  den  älteren  Dionys  bezogen.  —  S.  163.  Scheidung  der 
Arete'vou  Dion  Plut.  D.  21 ;  Nep.  D.  4.  —  S.  164.  Dion  unterstützt  Piaton  in  Athen 
Plut.  D.  17;  Ath.  XI,  508.   Nach  Onetor  hat  Dionys  dem  Piaton  80  Talente  geschenkt 

L.  D.  ra,  9. 

S.  164.  Nach  Plat.  £p.  VII,  350  hat  Piaton  den  Dion  nicht  zum  Kriege  an- 
getrieben; nach  Cic.  Cr.  III,  34  ad  liberandam  patriam  impulit,  instruzit,  armavit; 
nach  Ael.  V.  H.  III,  17:  ^Utova  xitrriyayev  eig  ZixfUar.  Man  war  also  im  Altertfaum 
der  Meinung,  dass  Piaton  Dion  angetrieben  habe,  und  der  Verf.  der  Plat.  Briefe 
sucht  Piaton  dagegen  zu  vertheidigen.  Dass  die  Akademie  antrieb,  ist  dagegen  klar: 
Curtius  G.  G.  III,  544.  —  Nach  Diod.  XVI,  6  hat  Dion  auch  die  Korinther  ersucht 
aw^Tiikttßia&ttt  Trjg  fXsv&fQittg  tuiv  ZvQaxoaitov,  über  den  Erfolg  seiner  Bitten  ist  nichts 
gesagt.  —  Die  Stimmung  Dion's  schildert  Ar.  Pol.  V,  8,  17.  —  Dem  Demosthenes 
erschien  Dion's  Versuch  hoflnungslos :  adv.  Lept.  179.  —  S.  165.  Mondfinstemiss  9.  Ang. 
357,  Zenzes  30,  —  Ueber  die  Schiffe  Dion's  Plut.  D.  25 ;  Diod.  XVI,  6 ;  Nep.  D.  5 ;  nach 
Dem.  Lept.  162  ein  nloiov  argoyyvXov,  ebenso  Synes.  ad  Paeon.  108.  —  Bei  Plut 
D.  24  ist  nach  naai  wohl  sogleich  zu  lesen:  idiq  di  ngos  avrov.  —  Genossen  Dion's 
nach  Plut.  D.  22:25,  nach  Diod.  XVI,  10:30.  Soldaten  nach  Plut.  D.  22:800, 
nach  Diod.  XVI,  9:  1000,  nach  Ael.  V.  H.  IV,  8  :  2000;  nach  Ar.  Rhet.  ad  AI. 
9  :  3000.  ^  S.  166.  Name  des  Befehlshabers  von  Minoa  noQaXos  bei  Diod.  XVI,  9; 


Zu  Buch  V,  Kap.  \)  u.  10   Seite  162—170.  455 

Jfi/vceXof  bei  Plut.  D.  26.  —  S.  168.  Die  Ma^naioi  bei  Diod.  XVI,  0,  die  Dindorf 
jetzt  schon  ganz  fortlässt,  sind  offenbar  nur  aus  den  KafjttQii^atoi  durch  Irrthum  der 
Abschreiber  wiederholt.  S.  Bd.  I,  365.  Schubring,  Histor.-geogr.  Studien  über  Alt- 
sicilien  im  Rh.  Mus.  N.  F.  XXVllI,  S.  13o  zieht  es  vor,  zu  emendiren  und  will 
Kaijfufvtttoi  lesen.  —  Nach  Diod.  XVI,  9  lässt  DIon  sich  5000  Rüstungen  nachfah- 
ren, die  nach  Plut.  D.  29  später  in  Syrakus  ankommen' als  nach  Diod.  XVI,  10.  Nach 
Plut.  D.  27  hat  Dion  5000  Bewaffnete,  als  er  vor  Syrakus  ankommt;  nach  Diod.  XVI, 
1)  hat  D.  vor  Syrakus  bald  20,000  Bewaffnete,  und  nach  XVI,  10  beim  Einzug  in  die 
Stadt  50,000.  —  S.  167.  Die  Geschichte  nHt  dem  Boten  Plut.  D.  26.  Dass  der  Bote 
eine  Strecke  zu  Lande  zurücklegt,  motivirt  sich  durch  die  Ungewissheit  Über  den 
augenblicklichen  Aufenthaltsort  des  Dionys.  ^  Bei  Plut.  D.  27  wird  das  handschr. 
MttXQas  in  "^AnQag  emendirt.  —  S.  168.  Bei  Plut.  D.  29  steht  xaTu  ras  MinUdnq 
TTiUftff,  wo  man  mit  Recht  emendirt:  Tifuvttidag.  Bei  Plin.  III,  89  kommt  die  Quelle 
Temenites  vor,  s.  Bd.  I,  S.  341.  —  Wenn  Plut.  D.  29  sagt,  dass  Dion  m'i^h  J^n  riii 
\4xQ«^iy^St  und  dann  zum  Volke  von  der  Sonnenuhr  herab  sprach,  so  ist  dies  nicht 
genau  ausgedrückt,  denn  die  Sonnenuhr  stand  im  unteren  Theile  der  Achradina. 
Lachmann  S.  300  nimmt  an,  dass  Plutarch  vernruthet  habe,  die  Akropolis  müsse  höher 
gelegen  haben  als  die  übrige  Stadt,  weil  eben  eine  Akropolis  gewöhnlich  höher  liegt; 
und  es  ist  in  der  That  ein  solcher  Irrthum  nicht  unwahrscheinlich.  —  lieber  rar  ntr- 
ränvl«  Bd.  I,  389.  Sie  sind  wohl  nicht  identisch  mit  den  ßaaiXkfi  xaXovfjiivaig  nvXais 
bei  Diod.  XV,  74 ,  die  ich  vielmehr  als  ein  inneres  Burgthor  betrachte.  S.  meinen 
Plan.  —  S.  108.  lieber  die  militärischen  Massregeln  Dion's  zum  Schutze  der  Stadt 
und  zum  Angriff  auf  die  Burg  spricht  Schubring,  Achradina  45.  —  lieber  die  List 
des  Dionys  Diod.  XVI,  12;  Plut.  D.  30;  Polyaen.  V,  2,  7;  lust.  XXI,  2.  —  S.  169. 
Die  Ortsbeschreibung  der  Schlacht  ist  bei  Diod.  XVI,  12  offenbar  verdorben.  Vgl. 
Schubring,  Achrad.  45.  —  800  Söldner  des  l^rannen  sind  im  Kämpfte  gefuHen,  nach 
Dtod.  XVI,  13. 


Zehnten   Kapitel. 

S.  170.  KttQxivos  (Welcker  XtiQjcTvog).  Der  Name  bedeutet  Krebs,  das  Münz- 
Symbol  von  Akragas,  woher  die  Familie  des  Dichters  stammt.  Vgl.  über  diese  Dich- 
terfamilie Welcker,  Griech.  Trag.  p.  1016  ff.,  Meineke,  Com.  Gr.  I,  Exe.  1;  Beruh. 
II,  2,  54.  Den  älteren  K.  verspottet  Ar.  Pax  787.  lieber  Xenokles  Ar.  Ran.  96;  Thesm. 
175.  Er  war  JtoJfxafAtixavog  nach  Plat.  ap.  Schol.  Pac.  792,  siegt  mit  einer  Tetralo- 
gie Ael.  V.  H.  II,  8;  seine  Dichtung  erkennbar  nur  in  der  Parodie  Ar.  Nub.  1266  ff. 
lieber  den  jüngeren  Karkinos  Suidas;  Plut.  de  glor.  Ath.  7,  wo  seine  Aerope  citirt 
wird.  „Eine  Reihe  von  Fragmenten  (neun  Titel  werden  citirt  Welcker  p.  1062—67) 
zeigt,  dass  er  einen  glatten,  fliessendon  Stil  (s.  die  längste  Stelle  Diod.  V,  5)  schrieb» 
löit  einer  Neigung  fllr  Sentenzen;  sie  klingen  aber  matt"  Bemh.  1.  1.  Die  16  Verse 
bei  Diod.  V,  5  behandeln  die  Beziehungen  der  Demeter  und  Persephone  zu  Sicilien. 
K.  war  nach  Diodor  oft  in  Syrakus  anwesend. 

S.  170.  Nach  Suid.  S.  v.  jiiovvaiog  — ■  viog  rov  StxiUag  rvQ«pvov  »nl  aiftog 
TVQavvog  xal  (fiXoaoffog  iniaroXag  xa\  ne^l  reav  noirjfiattov  'B?ri/«(>/MOv.  Eudok.  Viol. 
p.  136  TVQavvog  <ftX6ao<fog.  —  Nach  Plat.  Ep.  VII,  341.  varfQov  Ji  xal  axovia  yeyQa- 
tfdvai  avTov  ntQk  iv  tot«  i^xovat  ist  mit  0.  Heine,  N.  Jahrb.  1873,  Bd.  107,  S,  328 
anzunehmen,  dass  es  unechte,  unter  Dionys'  II.  Namen  verfasste  philosophische 
Schriften  gab.  —  Von  der  nicht  löblichen  Thätigkeit  des  Mimendichters  Xenarchos, 
des  Sohnes  des  berühmten  Sophron,  ist  oben  bei  Rhegion  die  Rede  gewesen,  vgl. 
Bemh.  II,  2,  469. 


456  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

S.  170.  4*1  ko^ivoe.  üeber  ihn  Suid.  h.  v.,  Eudokia;  Hesych.  s.  v.  Jovlt^ra, 
Er  war  in  Sicilien  bei  Dionys  Paus.  I,  2,  3;  Ath.  I,  6;  Diod.  XV,  6;  in  den  Lato- 
mien  Luc.  de  merc.  cond.  35 :  Suid.  s.  v.  flg  XatofiCag  und  anayi  /*€  ilg  tag  laro- 
fUas  und  ^Pilo^ivov  yQafdfiaTiov  \  Diogen.  VIII,  54;  Prov.  Vat.  IV,  37;  Apostol.  XIX, 
26 ;  Vn,  70 :  er  schrieb  nur  O,  d.  h.  ov,  auf  die  Bitte  des  Dionys,  zu  kommen.  Ur- 
sache der  Ungnade  nach  Ath.  1.  1.  und  Schol.  Ar.  Plut.  170  und  290  das  Verhältniss 
des  Dichters  zur  Geliebten  des  Tyrannen  Galateia.  Er  giebt  seinen  xlfjQog  in  Sicilien 
auf:  Plut.  de  vit.  aer.  al.  S  (Hutt.  XII),  den  er  natürlich  der  Freigebigkeit  des  Dionys 
verdankte.  Schriften :  KvxXioxfj  {  raXärsia,  worauf  Ar.  Plut.  790  anspielt,  also  schon 
Ol.  97,  4  bekannt;  vgl.  Schol.  Ar.  1.  1.;  Ael.  V.  H.  XII,  44;  Ath.  I.  6.  7;  Scbol. 
Theoer.  XI,  1;  VI,  7.  Eine  Reconstruction  des  Ganges  des  Gedichtes  versucht  0. 
Ribbeck,  Die  Idyllen  des  Theocrit ,  Preuss.  Jahrb.  Juli  1873,  S.  73.  74.  Wenn  ich 
S.  152  und  170  den  Entstehungsort  des  Gedichtes  nach  dar  Sage  (Ael.  1. 1.)  bezeich- 
net habe ,  so  liegt  darin  natürlich  nicht  eine  Billigung  derselben ,  mit  der  ja  auch 
Diod.  XV,  6  nur  dann  stimmt,  wenn  hier  die  weitere  Nachricht  fehlt,  dass  er  später 
doch  auf  längere  Zeit  in  die  Latomien  kam.  —  ^ieinvov  Ath.  XI,  476.  487 ;  XIV,  643 
und  sonst.  —  Ktofiaatijg  Suid.  s.  v.  ^AvtiyivCdrig.  —  Mvaoi  Ar.  Pol.  VIII,  7,  9.  — 
Vgl.  über  Philozenos  L.  A.  Bepglein.  De  Philoxeno,  Gott.  1843.  8.  W.  Klingender,  De 
Phlloxeno,  Marb.  1845.  8.  Ausgabe  des  Philoxenos,  Timotheos,  Telestes,  von  G.  Bip- 
part, Lips.  1843.  8.  —  Parasiten  desselben  Namens  bei  Ath.  I,  5.  6;  VI,  239.  241 
u.  sonst.  Suid.  Ar.  Ban.  934  u.  sonst.   S.  den  Art.  Philoxenos  in  Pauly's  R.  £. 

S.  172.  Archestratos  von  Gela.  Titel  seines  Werkes  ^HSvn^&eia ,  andere 
Ausdrücke»  wie  demvoloyta,  yaar^ovoftCa  u.  a.,  bezeichnen  nur  mit  charakteristischem 
Ausdruck  den  Inhalt.  Von  Ennins  in  s.  Hedyphagetica  stark  benutzt,  s.  Enn.  ed. 
Vahlen  p.  166  ff.,  p.  XCI.  Sammlung  der  Bruchstücke  bei  Schneider  in  s.  Ausgabe 
der  Hist.  anlm.  des  Aristoteles,  Lips.  1811.  8,  p.  42  ff.,  vgl.  LIII — ^LXXV,  von  Busse- 
maker  in  den  Didot'schen  Poetae  bucolici,  Par.  1851,  p.  77—86;  W.  Ribbeck  im  Rk. 
Mus.  11,  200-~225;  Bemhardy  II,  2,  484.  Bemh.  giebt  sich  grosse  Mühe  Arch.  zu 
vertheldigen,  dem  er  es  zum  Ruhme  anrechnet,  dass  er  gegen  die  ,,falsche  Künstelei 
der  Syrakusaner  und  Italioten''  eifert.  Das  kommt  aber  darauf  hinaus,  dass  er  findet 
(Ath.  Vn,  311),  diese  verstünden  gute  Fische  nicht  zuzubereiten,  sondern  verdürben 
sie  mit  Essig  und  Silphion,  wodurch  denn  freilich  nicht  gerade  bewiesen  wird,  waa 
Bemh.  beweisen  möchte,  dass  Arch.  kein  „Vergnügung"  war.  —  Vgl.  auch  den  Art. 
in  Pauly's  R.  E.  und  von  Sicilianem :  I  Frammenti.  della  gastronomia  raccolti  e  vol- 
garizzati  da  Dom.  Scina,  Pal.  1823.  8.  A.  Di  Giacomo,  Sopra  un  frammento  di  Ar- 
chestrato,  im  Giom.  di  scienze  iett.  edarti  per  la  Sioilia,  Pal.  1825,  T.  XI,  p.^230.  — 
C  härm  OS  aus  Syrakus  recitirte  nach  Ath.  I,  4  bei  Tafel  Verse  auf  die  Speisen  und 
war  in  Messana  sehr  beliebt.  Aehnlich  Pamphilos  der  Sicilier  Ath.  I,  4.  —  Auch 
ein  &avfiatonoi6g  bei  Alexander  war  aus  Syrakus:  Philistides,  nach  Ath.  I,  20; 
XII,  538.  —  Polyxenos  der  Sophist  (Plut.  Ap.  reg.)  bei  dem  jüngeren  Dionys.  — 
Die  Beliebtheit  Platon's  in  Sicilien  beweist  der  Umstand,  dass  sein  Schüler  Her- 
modoros  mit  den  Schriften  seines  Meisters  einen  förmlichen  Handel  trieb,  namentlich 
nach  Sicilien,  Zenob.  V,  6. 

S.  172.  Von  Philosophen  hielteii  sich  ausser  Piaton  bei  Dionys  ü.  auf: 
Aischines  der  Sokratiker  L.  D.  II,  63.  Er  ging  J»  anoglav  dahin  L.  D.  61 ;  III,  36; 
war  vertraut  mit  Aristippos  L.  D.  II,  82,  mit  Piaton,  Plut.  de  adul.  et  am.  39,  wonach 
ihn  Piaton  dem  Dionys  empfahl.  Aristippos  s.  Plut.  Dion  19,  L.  D.  11,  77.  80, 
s.  auch  unten.  Vgl.  Bern.  Serio,  Intorno  air  Influenza  della  filosofia  di  Aristippo  sui 
costumi  dei  Siciliani  in  den  Effemeridi  scientif.  e  letter.  p.  la  Sicilia  1833  und  1834, 
wo  jedoch  dem  Aristipp  zugeschrieben  wird,  was  in  der  Zeit  und  in  der  Verfassung 
von  Syrakus  lag.   Eudoxos,  der  berühmte  Astronom,  kam  nach  Syrakus  zu  Dionys, 


Zu  Buch  V,  Kap.  10,  Seite  170—173.  457 

vielleicht  zu  D.  11.,  aber  nur  Platon's  wegen:  Ael.  V.  H.  VII,  17.  Sein  Lehrer  in  der 
Medicin  war  der  Syrakusaner  Philistion,  L.  D.  VIII,  86  nach  Kallimachos.  Schüler 
des  Eudoxos  war  der  oben  erwähnte  Helikon  von  Kyzikos,  Fiat.  £p.  XIII,  360.  — 
Eine  zusammenhängende  Darstellung  des  literarischen  Treibens  am  dionysischen 
Hofe  habe  ich  deshalb  nirgends  gegeben,  weil  diese  Tyrannen  die  Förderung  von 
Literatur  und  Wissenschaft  nie  ernstlich  im  Auge  hatten.  Es  kamen  aus  verschie- 
denen Grttnden  tüchtige  Leute  nach  Syrakus;  aber  der  syrakusanische  Hof  erhielt 
durch  sie  nicht  einen  besonderen  Charakter ,  wie  ihn  der  hieronische  erhalten  hatte. 
Piaton,  Aristipp,  Aischines,  Eudoxos,  Philoxenos  haben  keine  ihrer  geistigen  Bedeu- 
tung entsprechende  Stellung  bei  Dionys  I.  und  IL  eingenommen.  —  In  dieselbe  Zeit 
fallen  noch  4  berühmte  Sicilianer,  die  auswärts  lebten :  der  Arzt  Henekrates,  berühmt 
durch  seinen  Hochmuth  (er  nannte  sich  Zeus) ,  der  in  seinem  Auftreten  seinen  Lands- 
mann Empedokles  copirte,  Ath.  VII,  289:  der  Kyniker  Moni  mos,  Sklave  in  Ko- 
rinth,  zur  Zeit  da  Diogenes  dort  lebte  (L.  D.  VI,  3],  beide  aus  Syrakus;  Timagoras 
von  Gela  und  Simias  von  Syrakus,  die  sich  als  Schüler  des  Stllpon  der  megarisohen 
Schule  anschlössen,  L.  D.  II,  12,  2.  3.  Die  megarische  Schule  musste  für  Sicilianer, 
bei  denen  die  Traditionen  eines  Gorgias  lebten ,  viel  anziehendes  haben ,  vielleicht 
gehören  auch  Euklid  und  Stilpon  direct  oder  indirect  Sicilien  an.  Aeltere  sicilische 
Philosophen  waren  ausser  den  bekannten  gewesen :  Empedotimos  (Suid.  h.  v.);  Petron 
von  Himera,  schon  von  Hippys  erwähnt  (Plut.  de  def.  or.) ;  Ekphantos  von  Syrakus 
(Stob.  Ecl.  I,  16);  Hiketas  von  Syrakus,  der  zuerst  die  Axendrehung  der  Erde  be- 
hauptet hat  (Gic.  Ac.  pr.  2,  39  nach  Theophrast).  Vgl.  V.  Di  Giovanni,  Storia  della 
filosofia  in  Sicilia.  Pal.  1873.  vol.  I. 

S.  173.  Ueber  den  Widder  handeln  Heydemann,  Der  Bronzewidder  im  Museum 
zu  Palermo,  Archäol.  Ztg.  1870,  nebst  Abbild,  nach  einer  Photographie;  Lewis,  On 
a  bronze  ram  now  in  the  museum  at  Palermo,  Journal  of  Philology,  vol.  IV;  Ant. 
Salinas,  Relazione  del  Real  Museo  di  Palermo,  Pal.  1873.  4,  p.  41.  42,  sowie  auch 
D.  78,  wo  man  das  Historische  kurz  zusammengestellt  findet. 

S.  173.  Ueber  die  sicilischen  Stempelschneider  ist  jetzt  zu  vergleichen 
A.  von  Sallet,  Die  Künstlerinschriften  auf  griechischen  Münzen,  Berl.  1871.  8,  spea 
S.  47  —  50.  Wir  kennen  die  Namen  folgender  Künstler,  die  Stempel  für  sicilische 
Münzen  geschnitten  haben.  Kimon.  S.  Sallet  S.  29.  Er  ist  besonders  durch  seine 
schönen  Dekadrachmen  auf  die  Nachwelt  gekommen,  hat  aber  auch  syrakusanische 
Tetradrachmen  gearbeitet.  Der  Typus  der  kimouischen  Dekadrachmen  ist  der  mit 
dem  Netze.  —  Euainetos  Sallet  S.  17.  Ebenfalls  Dekadrachmen  und  syrakusanische 
Tetradrachmen,  er  hat  aber  auch  katanäische  Tetradrachmen  und  Drachmen  gemacht ; 
s.  hierüber  Ad.  Holm,  Das  alte  Catania,  Lüb.  1873.  4,  S.  42.  43,  und  endlich  auch 
für  Kamarina  gearbeitet;  s.  Sallet's  Ztsohr.  für  Numismatik  I,  289.  Das  EYAl  auf 
kamarin&ischen  Didrachmen  ist  von  Salinas  nach  schwachen  Spuren  EYUi:  (Examen 
etc.  pl.  XV,  7),  von  Leake,  Numism.  Hell.  p.  53  EYM  (rivog)  gelesen.  Der  Kopf- 
schmuck auf  seinen  Dekadrachmen  besteht  aus  Kornblättem ,  wie  nachgewiesen  hat* 
Salinas,  Del  tipo  delle  teste  muliebri  nelle  monete  di  Siracusa,  in  Bull.  d.  comm. 
No.  6,  Pal.  1873,  p.  21  ff.  —  Von  folgenden  Künstlern  haben  wir  syrakusanische 
Tetradraohmen.  Eumenos.  Sallet  22  nebst  Salinas,  Examen  de  quelques  contrefa^ons 
antiques  des  t^tradrachmes  de  Syracnse.  Rev.  Num.  1864  mit  pl.  XV.  Köpfe  mit  Netz 
oder  Aehren,  Salinas,  Del  tipo  etc.  p.  22.  —  Eukleidas,  Sali.  21.  Weiblicher  Kopf  mit- 
Helm  en  face,  auch  Kopf  mit  Netz,  Salinas,  1.  1.  —  EYS,  wahrscheinlich  Euthymos, 
Sali.  21.  —  Phrygillos,  Sali.  38.  Kopf  mit  Aehren.  —  Sosion  —  so  Salinas,  Examen 
p.  7,  nach  einem  Northwick'schen  Exemplar  —  oder  Soson  —  so  Sali.  3()  nach  einem 
Münchner  und  einem  Sambon'schen.  —  IIAPME,  wahrsch.  Parmenides,  Sali.  33  — 
Nur  ausserhalb  Syrakus  thätig:  Exakestidas,  Sali.  16.   Kamarinäische  Tetradrachmen 


458  Anhang  III.    Belege  und  Eriätiterungeo. 

und  Didrachmen/  letzt,  bei  Salinas,  I.  1.  pl.  XV,  6.  --  Herakleidas ,  Sali.  26.  Kata- 
näisehe  Tetradraohmen ,  abgeb.  bei  Salmas,  Le  monetc  delle  citta  etc.  Tav.  19  n. 
17  u.  20.  —  Choirion,  Sali.  41.  Katanäische  Tetradrachmen  und  Drachmen;  abg.  bei 
Salinas,  Le  monete,  19,  19  u.  32.  —  Prokies,  Sali.  34.  Katanäische  Tetradracfamen 
(Salinas  19,  21)  und  naxiiM^he  Didrachmen.  —  Zu  den -bisher  genannten  Silbermünzen 
kommen  auch  syrakusanischo  Goldmünzen  von  Kimon  und  Euainetos,  wie  gezeigt  hat 
De  Luynes,  Rev.  Nnm.  1840,  p.  21:  Weibl.  Kopf.  Rev.  Herakles  mit  dem  L(5wen 
kämpfend.  Auch  auf  einer  syrakusanischen  Bronzemünze  haben  sich  die  Kttnstler- 
initialen  4>PY  gefunden :  Weibl.  Kopf.  Rev.  Rad  mit  £YPui  und  Delphinen.  V^l. 
Raoul'Rochette,  Lettre  k  M.  Schom  p.  83  und  die  Abbild,  am  Ende  der  Vorrede.  — 
Von  allen  genannten  Künstlern  scheint  keiner  auch  für  aussersicilische  Städte  gear- 
beitet zu  haben,  denn  es  ist  nicht  sicher,  dass  IIAPMK  auf  Münzen  von  Thurii  den 
syrakusanischen  Parmenides  bezeichnet.  —  Eine  besonders  merkwürdige  Thatsaefae 
ist,  dass  nidht  selten  zwei  Künstler  an  derselben  Münze  gearbeitet  haben»  indem  einer 
den  Stempel  für  die  Vorderseite,  der  andere  den  für  die  Rückseite  machte.  Auf  diese 
Thatsache  hat  zuerst  der  Hzg  von  Luynes  in  der  Rev.  Num.  1843  aufmerksam  ge- 
macht; sie  ist  dann  von  Imhoof  bei  Sali.  19  weiter  nachgewiesen  worden.  So  kommen 
zusammen  vor :  Eumenos  und  Euthymos,  Eumenos  und  Euainetos  (in  doppelter  Weise, 
Sali.  19),  Eumenos  und  Eukleidas,  Phrygillos  und  Euthymos.  Aus  solchem  Zusam- 
menwirken der  Künstler  ergiebt  sich  Übrigens  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  ihre 
Gleichzeitigkeit.  Bei  diesen  Paaren  kommt  Kimon  nicht  vor;  dennoch  war  er  offen- 
bar Zeitgenosse  der  anderen,  da  er  mit  Euainetos  sowohl  in  Dekadrachraen  wie  in 
Goldmünzen  gewetteifert  hat.  —  Es  fragt  sich  nun,  in  welche  2^it  diese  Künstler 
gehören.  Von  den  hierüber  geäusserten  Ansichten  können  nur  die  der  beiden  be- 
deutendsten Forscher,  Salinas  und  v.  Sallet,  berücksichtigt  werden.  Ersterer  in  der 
cit.  Abh.  Del  tipo  etc.,  lässt  ihre  Thätigkeit  um  430  v.  Chr.  beginnen.  Etwas  später 
als  Salinas  scheint  Sallet  sie  zu  setzen ,  indem  er  S.  40  sie  ^mehrere  Decennien  vor 
Philipp  von  Makedonien''  setzt;  vgl.  auch  S.  7.  S.  92  des  ersten  Heftes  seiner  Zeitschr. 
f.  Numismatik  sagt  derselbe :  „Die  Dekadrachmen  sind  nicht  in  der  Zeit  des  Verfalles, 
317—289  unter  Agathokles,  sondern  fast  100  J.  früher  geprägt.'*  Mir  scheint  es  am 
richtigsten,  die  Zeit  jener  Künstler  um  400  zu  setzen ;  eine  genauere  Bestimmung  für 
alle  zu  treffen ,  wird  unmöglich  sein.  Auf  die  Zeit  -um  400  deutet  im  Allgemeinen 
der  Umstand,  dass  im  Namen  Eumenos  sich  bald  E  bald  H  angewandt  findet.  Denn 
wenn  auch  keine  bestimmten  Nachrichten  darüber  vorhanden  sind,  wann  in  Svrakns 
die  langen  Vocale  eingeführt  wurden,  so  ist  es  doch  wahrscheinlich,  dass  es  ein  wenig 
vor  400  geschah.  Auf  die  Zeit  um  410  deutet  sodann  der  andere  .  Umstand ,  dass 
unter  den  Münzen  mit  Künstlernamen  katanäische  und  naxische  sind,  unter  jenen 
solche  mit  dem  Namen  Euainetos.  Nun  sind  Katane  und  Naxos  403  v.  Chr.  von 
Dionys  erobert  worden,  und  Naxos  entstand  unter  diesem  Namen  nicht  wieder.  Aller- 
dings Hesse  sich  gegen  die  Folgerung,  dass  jene  Münzen  vor  403  geprägt  sein  müssen, 
zweierlei  anführen.  In  Betreff  Katane's,  dass  die  Stadt  unter  demselben  Namen  fort- 
bestand. Aber  sie  hatte  erstens  grösstentheils  unhellenische  Bevölkerung,  und  sie 
stand  zweitens  unter  Dionys,  Grund  genug  zur  Annahme,  dass  sie  nicht  prägte,  jeden- 
falls nicht  mit  den  alten  Stempeln.  Auch  Sallet,  2^itscbr.  flir  Numism.  I,  21'],  ist  der 
Meinimg,  dass  die  katanäischen  Münzen  des  Euainetos  vor  403  fallen.  In  Betreff  der 
Stadt  Naxos  ist  die  Thatsache  von  Bedeutung,  dass  es  mit  den  naxischen  Prokles- 
münzeu  völlig  übereinstimmende,  mit  NEOnOAl  bezeichnete  giebt,  die  also  aus  einem 
neuen  Naxos  stammen.  Ich  habe  jedoch  (S.  432)  wahrscheinlich  zu  machen  gesucht, 
dass  diese  Münzen  in  Mylai  geprägt  sind,  wo  die  Naxier  sich  um  394  v.  Chr.  auf- 
hielten. So  kann  Prokies  sehr  wohl  schon  vor  403  für  Naxos  gearbeitet  haben.  Wenn 
nun  so  jene  Künstler  schon  vor  405  für  Kamarina  (Euainetos),  vor  403  für  Naxos 


Zu  Buch  V,  Kap.  10,  Seite  J  73— 175.  459 

arbeiteten,  so  wird  dennoch  eine  Hauptthätigkeit  derselben,  die  für  Syrakua,  theil- 
weise  nach  400  zu  setzen  sein,  und  zwar  insbesondere  die  an  den  Dekadrachmen,  die 
höchst  wahrscheinlich  für  Dionys  I.  geprägt  sind,  wohl  im  Wetteifer  mit  den  aller- 
dings früheren  akragantinischen  Dekadrachmen.  Dies  ist  auch  die  Ansicht  Sallet's, 
der  S.  211  annimmt,  dass  die  Dekadraphmen  des  Euainetos  einige  Zeit  nach  400  ge- 
prägt sind.  Er  setzt  freilich  hinzu:  „wenn  es  derselbe  Euainetos  ist,''  aber  warum 
sollte  er  es  nicht  sein?  Warum  sollte  nicht  Euainetos  etwa  von  400—380  gearbeitet 
haben?  es  wäre  dann  durchaus  nicht  unannehmbar,  dass  er  schliesslich,  der  ver- 
änderten Kunstrichtung  entsprechend,  selbst  seinen  Stil  ein  wenig  geändert  hätte. 
S.  hierüber  die  schönen  Bemerkungen  Sallet's,  Kttnstlerinschr.  S.  19.  20.  —  Die  Ar- 
beiten der  syrakusanischen  Stempelschneider  der  Zeit  um  400  sind  nicht  ohne  EinBuss 
nach  aussen  und  auf  die  spätere  Zeit  geblieben.  So  sind  die  sohönsten  punisch-sici- 
lischen  Tetrad raehmen :  Weibl.  Kopf.  Bev.  Pferdebüste  vor  Palmbaum,  in  ihrem  Avers 
eine  Nachahmung  des  von  Euainetos  geschaffenen  Typus,  der  in  Syrakus  später  noch 
sowohl  unter  Agathokles,  wie  auch  unter  Hiketas,  wieder  aufgenommen  wurde ;  s.  De 
Luynes,  Rev.  Numism.  1840  und  1S43.  Nachahmung  einer  Euthymosmünze  weist 
Sallet  21  in  einem  roheren  punischen  Tetradrachmon  nach.  Endlich  kommt  der  von 
Kimon  geschaffene  Kopf  auf  kilikisohen  Münzen  vor,  z.  B.  des  Phamabazos  378—373, 
s.  Brandis,  Das  Münz-,  Mass-  und  Gewichtswesen  u.  s.  w.  S.  350.  351.  Dies  Factum 
beweist  zugleich ,  dass  Kimon  für  Syrakus  zwischen  400  und  380  arbeitete,  und  giebt 
andererseits  einen  interessanten  Beleg  für  die  Kulturströmung  auf  dem  Mittelmeere.  — 
Die  Dekadrachmen  haben  sämmtlich  —  ISIN. 

S.  173.  Klage  über  das  sinnliche  italische  und  sicilische  Leben  Plat.  Ep. 
VII,  326.  Geschichte  von  den  Pythagoreem  Neanthes  (Fr.  22a  bei  M  III,  7}  bei 
Jambl.  Vit.  Pyth.  189.  Aeusserung  des  Polyarchos:  (Fr.  5  bei  M  II,  276)  bei  Ath. 
XII,  545.  —  Sklavenschulen  in  Syrakus  Ar.  Pol.  I,  2,  22. 

S.  175.  Schmeichler  kurzsichtig  Ath.  VI,  249  (das.  250  dasselbe  von  Hieron); 
Theoph.  ap.  Ael.  V.  H.  VI,  12;  Plut.  de  adul.  13;  iust.  XXI,  2.  JtowaoxoXaxeg 
Theophr.  bei  Ath.  X,  435.  Schmeichler  Damokles  Ath.  VI,  249.  50;  das.  über  die 
gemeine  Gesinnung  der  Schmeichler  des  jüngeren  Dionys. 

;S.  175.  DionysioB  und  Dionysos.  ,S.  Bachofen,  Das  Mutterrecht.  S.  321.  Hier- 
her gehörige  Thatsachen  sind  folgende :  D»  II.  ward  in  Korinth  Metragyrt  s.  u.  Sohn  ' 
einer  Lokrerin,  beging  er  in  Lokri  Ausschweifungen,  die  nach  Bachofen's  Darlegung 
an  alte  Sitten  dieser  Stadt  sich  anschliessen.  Er  beschenkte  Piaton  und  Aristipp  mit 
langen  Purpurkleidern,  die  als  weibliche  bezeichnet  werden,  S.  Empir.  Pyrrh.  3,  p.  169 
Bekk. ;  vgl.  die  anderen  Stellen  über  diesen  Gegenstand,  welche  zusammengestellt  sind 
bei  H.  V.  Stein,  De  philos.  Cyrenaica,  Gott.  1S55.  8.  p.  67  ff.  Nach  Dio  Chrysost. 
Or.  37  (Corinth.)  p.  526  Emp.  gab  es  Standbilder  Dionys'  des  älteren,  welche  ro 
oxrjfjia  tov  ^tovvöov  hatten,  natürlich  wirkte  auch  der  Name  Dionysios  zu  der  An- 
nahme gerade  der  Dionysosattribute  mit.  Es  entsteht  hier  die  Frage,  ob  sich  Dio- 
nysios auch  Altäre  errichten  Hess,  auf  denen  man  ihm  als  Dionys  opferte.  Das  ist 
nicht  überliefert,  aber  durchaus  wahrscheinlich.  Wir  werden  auch  hier  an  Lysandros 
erinnert,  welcher  der  erste  Grieche  war,  der  sich  Altärb  errichten  Hess.  Wir  sind 
über  den  Fortgang  dieser  Vergötterung  der  sicilischen  Tyrannei  wenig  unterrichtet, 
und  es  lässt  sich  insbesondere  von  Dionys  11.  und  Agathokles  in  dieser  Beziehung 
nichts  bestimmtes  nachweisen  (höchstens  dass  sich  nach  Plut.  de  fort.  AI.  II  5  Dio- 
nys II.  ^AnoXkvtvog  vtov  nannte),  aber  bei  dem  Besten  von  allen,  bei  Hieron  IL,  ist 
doch  ersichtlich,  dass  sein  Bild  auf  den  Münzen  an  Herakles  erinnern  sollte  (Torr.^ 
XCIX,  1—4),  sowie  auf  den  bekannten  Philistismünzen  seine  Frau  offenbar  als  Per- 
sephone  erscheint.  —  Möglicherweise  gehört  auch  die  bekannte  Geschichte  von  den 
xaXKnvyoi,  welche  Ath.  XII,  554,  wie  es  scheint,  nach  Klearchos  erzählt,  in  die 


460  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

Zeit  Dionys'  II.  oder  I.  Wenn  554c  die  Worte  ot  toti  aus  Klearchos  sind,  miisste 
die  Gegebenheit  etwas  vor  Klearchos  vorgefallen  sein.  Da  indess  Klearchos  Schüler 
des  Aristoteles  war,  so  passt  auch  dann  noch  die  Zeit  der  Dionyse.  Man  ist  geneigt, 
einen  Kultus  der  sinnlichen  Schönheit,  wie  er  in  dieser  Geschichte  hervortritt,  etwa 
in  die  Zeit  des  Praxiteles  zu  setzeti  (ca.  350  v.  Chr.).  Ueber  die  fHr  eine  Kallipygos 
gehaltene  Aphroditestatue  in  Neapel  s.  Bemoulli,  Aphrodite,  Lpz.  1873,  S.  341  ff. 
Die  daselbst  S.  342  nach  Müller,  Arcbäol.  377,  2  angegebene  Replik  in  Syrakus  ist 
ebenso  wie  die  S.  286  nach  Müll.  377,  5  angeführte  Anadyomene,  nichts  anderes  als 
die  S.  255  beschriebene,  1804  gefundene  Aphrodite  des  Museums  von  Syrakns,  in  der 
einige  eine  Kallipygos  (weil  in  Syrakus  gefunden),  andere  eine  Anadyomene  (wegen 
des  Delphins)  sehen  wollten. 

S.  175.  Handel  von  Massalioten  in  Syrakus:  Demosth.  adv.  Zenothemin,  ge> 
halten  nach  Ol.  106,  2.  Die  Massalioten  Hegestratos  und  Zenothemis  haben  eine 
Schurkerei  mit  einem  dem  Hegestratos  gehörigen  Schiffe  vorgehabt,  das  Korn  von 
Syrakus  nach  Athen  brachte. 

S.  176.  Ueber  die  syrakusaniscben  Münzen  •—  Cereskopf  mit  Delphin.  Rev.  Pe- 
gasus —  ähnliche  Münzen  von  Emporiai  s.  de  Luynes  in  der  Rev.  Numism.  1^40, 
p.  85 — 88.  —  Ueber  den  Münzfund  von  Rosas  in  Spanien,  wo  sicilische  Obole  und 
Litren  von  alterthUmlichem  (xepräge  nebst  Münzen  von  Emporiai  gefunden  wnrden, 
deren  Gepräge  von  grösster  Aehnlichkeit  war,  s.  Archäologische  Zeitung  (Anzeiger) 
1862.  S.  289. 


Elftes   Kapitel. 

S.  177.  Die  Geschichte  von  dem  Briefe  berichtet  mit  umständlicher  Schilderung 
auch  Polyaen.  V,  2,  7. 

S .  177.  Verschiedene  Angaben  über  die  Truppenzahl ,  mi t  der  Herakleides 
nach  Syrakus  kam,  s.  bei  Plut.  Dion  32  und  Diod.  XVI,  16.  Vgl.  Grote  VI,  81,  n.  103. 
Ueber  Herakleides  selbst  Plat.  Ep.  VU,  348.  349. 

S.  178.  Ueber  die  Abweichungen , der  Quellen  in  Betreff  des  Todes  des  Phili- 
stos  s.  o.  S.  374. 

S.  179.  Nicht  klar  ist  die  Beziehung  einer  Notiz,  die  sich  bei  St.  B.  s.  v.  Mfiri 
aus  Theopompos  findet.  Es  heisst  dort:  nQoataxai  Sl  rijs  noUws  ^aav  rtSv  füv  ^v- 
Qccxovöitov  *ui9^if  xal  *HQttxki(dfig ,  idSv  (fi  futfd-otpoQtov  *j4Qx^ktxoe.  Wenn  die  hier 
genannten  Söldner  die  auf  Seiten  der  syrakusaniscben  Bürger  kämpfenden  sind,  so 
kann  man  die  genannten  Worte  nur  auf  die  Zeit  beziehen,  wo  Dion  zeitweilig  nicht 
in  Syrakus  war.  Aber  es  ist  auch  möglich,  obschon  nicht  wahrscheinlich,  dass  die 
Söldner  die  dionysischen  in  der  Burg  sind;  dann  gehörte  die  Notiz  in  die  Zeit  vor 
der  Ankunft  des  Nypsios.  Der  Ausdruck  nQoatnxfjg  ist  ein  allgemeiner,  der  eben 
andeuten  soll,  dass  die  betreffenden  Personen  ausserordentliche  Aemter  bekleideten. 
Ob  der  hier  genannte  ^A&fivig  der  bekannte  Schriftsteller  Athanis  ist,  lässt  sich  nicht 
entscheiden. 

S.  179.  Kampf  zwischen  Dion's  Söldnern  und  den  Syrakusanem  bei  Dion's  Ab- 
zug nach  Leontini  Diod.  XVI,  17  und  Plut.  D.  39.  Nach  letzterem  fallen  von  den 
Syrakusanem  ov  nolXoC.  nach  Diodor:  noXknhg  anoßalovrfs  anextanriattv.  Es  liegen 
also  verschiedene  Quellen  vor. 

S.  180,  Ueberfall  des  Nypsios.  Diod.  XVI,  18—20;  Plut.  D.  41-46.  Nvii'tog 
ist  N'eanoUrrjg  nach  Diodor  und  Plutarch.  Ich  erkenne  in  dem  Namen  dieses  Nea- 
politaners einen  oskischen  Namen.  Wir  finden  auf  einer  Inschrift  in  Ischia  einen 
NYMH'IOZy  s.  Mommsen,  Unteritalische  Dialekte  S.  197,  die  oskische  Form  Numsius 


Zu  Buch  V,  Kap.  10.  11,  Seite  175—187.  461 

weist  Mommsen  1. 1.  S.  282  nach.  Aus  Numsius  ist  später  Numisius  und  bei  den  Römern 
Numerius  geworden.  Mir  scheint  es  durchaus  nicht  auffallend,  wenn  die  sicilischen 
Griechen  ihn  statt  Nympsios  vielmehr  Nypsios  nannten.  So  war  zu  Timoleon's  Zeit 
Mamerkos  ein  Italiker,  kein  Grieche.  Die  Ueberschwemmung  Siciliens  mit  Italikem 
muss  damals  gross  gewesen  sein.  —  Bei  Diodor  haben  wir  nach  genauer  erzählter 
Seeschlacht  Ueberfali  des  Nypsios  in  der  Nacht;  afia  cT  ^^/^^  schicken  die  Syraku- 
sauer  zu  Dion ;  dieser  kommt  und  siegt.  Bei  Piutarch  ist  in  Betreff  der  Seeschlacht 
nur  die  Notiz  r^aaaQag  ttSv  v€iSv  ^Xaßov  specieller  als  bei  Diodor ;  dann  Angriff  des  . 
Nypsios,  vielleicht  noch  in  der  Nacht;  zu  Dion  wird  geschickt,  nach  c.  42,  3  i\fi4^itg 
xfcratfe^ofiiifTit;  Berathung  in  Leontini;  ytvofi^vrig  vvxtog  (c.  44),  ziehen  sich  die  Söld- 
ner in  die  Burg  zurück;  die  Syrakusaner  werden  Ubermttthig,  schliessen  Dion  aus; 
noch  in  der  Nacht  bricht  Nypsios  wieder  hervor ,  ngoütvaijs  tijs  iifAiifag  ( c.  45 ) ,  also 
am  zweiten  Tage  wird  Dion  wieder  aufgefordert  zu  kommen;  in  der  Nacht  (c.  46  fin.) 
werden  die  Söldner  besiegt,  und  c.  47  beginnt  sodann  mit  den  Worten  17^^^«  «T  log  t^v, 
Diodor  verschweigt  also  den  zweiten  Ausfall  des  Nypsios  ganz  und  drängt  alles  in  eine 
viel  kürzere  Zeit  zusammen,  sodass  ihm  auch  für  die  Erzählung  des  Wankelmuthes 
der  Syrakusaner  kein  Raum  bleibt.  Wenn  Diodor's  Darstellung  ein  Exoerpt  aus  Ti- 
maios  sein  sollte,  so  wäre  es  wenigstens  ein  solches,  bei  dem  man  von  dem  excer- 
pirten  Schriftsteller  nicht  viel  wiederfinden  würde. 

S.  180.  In  topographischer  Beziehung  ist  zu  beachten,  dass  Schubring, 
Achradina  S.  47  bei  Plut.  c.  42  statt  tov  xiv^vvov  jiQog  rr^v  *j4xQa^ivTiv  nXtjaiaCovtog 
lesen  will  triv  *jiQx-  nXin^ovvxoq.  Allerdings  ist  der  plutarchische  Ausdruck  bedenk- 
lich. Wenn  die  Soldaten  die  Häuser  plünderten,  so  ist  anzunehmen,  dass  es  die  in 
Achradina  waren ,  doch  ist  möglich ,  dass  sie  sich  nach  der  Erstürmung  der  Hauer 
sogleich  links  in  die  Neapolis  gewandt  hätten,  statt  das  eigentliche  bewohnte  Achra- 
dina ,  das  A.  auf  der  Höhe,  zu  stünnen ,  welches  wegen  der  vielen  Steinbruche  an 
seinem  Südrande  leichter  zu  vertheidigen  war. 

S.  181.  Nach  Diod.  XVI,  20  kommt  Dion  ngog  ja  'E^ajivka,  nach  Plut.  45  €tg- 
ißaXs  dia  taiy  nvliov  dg  Tr,v  'Rxarofintdov  kiyofjLivriv;  ixajo/Ltnf^og  ac.JlTod  bezeichnet 
eine  Halle  von  100  Fuss  Länge. 

S.  182.  <PaQa^  ^TraQTiatijg  Plut.  D.  49;  Comp.  Tim.  2;  Ath.  XII,  536,  wegen 
seiner  TQvtfri  vielmehr  für  einen  2:tx(XiioTrig  gehalten.  —  lieber  die  Lage  der  Stadt 
N^a  spricht  Schubring,  Akragas  S.  3;  sie  muss  180  Stadien  oder  22  Hill,  östlich 
von  Akragas  gelegen  haben.  —  Nach  Plut.  D.  49  hätte  Dion  700  Stad. ,  also  über 
17  deutsche  Meilen,  in  15  Stunden  zurückgelegt. 

S.  184.  In  Betreff  der  Gesinnung  Di on's  vgl.  Plut.  D.  52,  in  Betreff  seiner 
Verfassungspläne  53:  imvoti  di  rrjv  fiiv  axoaTov  ^fifjtox^ajiav,  tag  ov  noXtretcfv  alXic 
navronoiliov  ovaav  noXiUitaP  xaru  tov  Illartova  (Resp.  VÜI.  557  d)  xoXovitv,  Aa- 
xatpixov  Si  7«  xai  KQrjTtxov  ox^fJin  fiii^afi€vog  ix  (fi//uot;  xal  ßaaiUiag  itQiaxoxQarlav 
Mxov  xriv  imaraTovaav  xal  ßftaßfvovaav  ra  fifyiaxat  xa&tüTavai,  xal  xoafiiiv.  Diese 
Scheu  vor  der  vollen  Demokratie  theilten  übrigens  damals  Manche,  wie  das  klar  her- 
vorgehoben wird  Plut.  Tim.  22:  H^^Ufi  xal  fiiaog  el^t  navrag  üyogäg  xal  nohrtCag 
xal  ßrifiarog,  i^  tiv  aviifvaav  avxoig  ot  nliiaxot  tiSv  Tv^dwtov.  Es  ist  sehr  bemer- 
kenswerth,  dass  noch  in  der  Mitte  des  4.  Jahrh.  v.  Ohr.  die  alte  Anschauung  von 
der  Tyrannis  als  von  einem  Product  der  inneren  Entwickelung  der  Staaten  herrscht ; 
es  zeigt  sich  hier  der  Unterschied,  den  man  jetzt  zwischen  der  älteren  und  jüngeren 
Tyrannis  zu  machen  pflegt,  als  nicht  begründet,  wie  er  denn  auch  für  Syrakus  nicht 
vorhanden  ist.  —  Natürlich  wollte  Dion  die  Burg,  die  er  nicht  niederriss  (Plut.  D. 
53),  gebrauchen,  um  dem  Volke  seine  Verfassung  aufzuzwingen. 

S.  187.  lieber  Kallippos  Plut.  D.  17.  28.  54;  Ath.  XI,  508,  wonach  er  Mit- 
schüler Dion's  bei  Piaton  war.    Pkit.  Ep.  VII,  333,  wonach  die  Freundschaft  aus 


462  Anbang  III.    Belege  and  Erläüterangen. 

f^emeinsehafdicher  Theilnahme  an  Mysterien  entstanden  wäre.  Nach  Hot.  D.  53 
erhielt  K.  20  Tal.  yon  den  Feinden  Dion's.  Vorsichtsmassregeln  des  K.  Nep.  D.  9.  — 
Aeussernng  der  Veraweiflung  Dion's  Plut.  Ap.  R.  (Hutt.  VIII,  93). 

S.  188.  Leichenbegängniss  Dion's  durch  die  Syrakusaner  Nep.  D.  10.  Grab- 
Schrift  Anth.  Pal.  VII,  99,  übersetzt  von  Appul.  Apol.  —  In  der  Geschichte  Dien'» 
iBt  das  gute  Verhältniss  bemerkbar,  in  welchem  er  zn  den  {Karthagern  steht.  Doch 
darf  man  darin  nicht  eine  Bestätigung  der  Beschuldigungen  der  Camarilla  (S.  161) 
finden.  Wenn  es  sich  um  eine  Anklageschrift  gegen  Dion  handelte ,  w&re  allerdings 
manches  zusammenzubringen ,  und  vor  allem  würde  die  Landung  in  Minoa  nic^t  als 
das  Werk  des  Zufieills,  sondern  als  die  Folge  einer  Verabredung  mit  den  Karthagern 
erscheinen.  Es  wUre  dann  das  Unternehmen  Dion's  ein  mit  karthagischer  Hülfe  un- 
ternommener Versuch ,  sich  selbst  an  Dionys'  Stelle  zu  setzen.  Aber  der  letzte  Tbeil 
der  Geschichte  Dion's  widerspricht  dem ;  es  bedürfte  neuer  Voraussetzungen,  um  seine 
Muthiosigkeit  zu  erklären,  und  für  diese  natürlich  denkbaren  Voraussetzungen  fehlt 
jeder  Anhalt.  Bei  dem  Zustande  unserer  Quellen  ist  das  im  Texte  gesagte  aliein 
Geschichte;  alles  andere  entfernte  M($glichkeit ,  die  ich  indess  nicht  umhin  konnte 
hier  anzudeuten. 

S.  189.  Angebliche  Münzen  Dion's.  Vgl.  Gius.  Romano,  Sopra  aicune 
monete  che  ricord.  la  sped.  di  Agatocle  in  Afnca,  Par.  1862.  4  und  die  Abh.  von 
De  Luynes  in  der  Rev.  Numism.  1S40  und  1843.  —  Romano  nimmt  an,  dass  die  be- 
kannten Pegasosmünzen  durch  Dion  in  Syrakns  und  Sicilien  eingeführt  seien.  Hier- 
nach wäre  eine  engere  Verbindung  zwischen  Dion  und  Korinth  anzunehmen,  als  nach 
den  Historikern  vorauszusetzen  ist;  vgl.  Diod.  XVI,  6  und  Pint.  D.  53,  wonach  die 
Verbindung  schwerlich  zum  Vollzug  gekoipmen  ist.  Merkwürdig  ist  allerdings,  dass 
es  eine  Pegasosmünze  mit  der  Inschrift  jiEONTTTfON  oder  —  S2N  giebt  (Brit.  Mu- 
seum nach  Leake  und  Sammlung  Lentinelli  in  Syrakus) ,  da  in  der  Geschichte  Dion's 
seine  Beziehung  zu  dieser  Stadt  sehr  deutlich  hervortritt,  aber  da  Romano  selbst 
diese  leontinische  Münze  vielmehr  in  die  Zeit  Timoleon's  setzt,  so  wird  auf  dies  Ar- 
gument nichts.^u  geben  sein.  —  Nach  Romano  hat  Dion  bereits  auf  Zakynthos,  wo 
er  vor  seiner  Abfahrt  nach  Sicilien  verweilte,  angefangen,  Münzen  zu  prägen,  und 
zwar  aus  Elektron,  nämlich  die,  welche  im  Avers  einen  Apollokopf,  im  Rev.  einen 
Dreifuss  haben.  Romano  sucht  dies  dadurch  zu  beweisen,  dass  er  aus  Mus.  Hunt. 
Zakynthos  Xo.  1  eine  Münze  anführt,  welche  bei  diesen  Typen  im  Rev.  die  Inschrift 
ZA  .LISINOS  hat.  Sie  wiegt  11  gr.  Dieses  Nominale  gab  jedoch  nach  Romano  Dion 
in  iSyrakus  auf  und  prägte  nur  folgende  3  Elektronmünzen:  1)  Apollokopf.  Rev. 
Artemtskopf.  Gew.  6,85  —  6,55  gr.  2)  Apollokopf.  Rev.  Dreifuss  3,66  —  3,50  gr. 
3}  Apollokopf.  Rev.  Lyra  1 ,85  gr.  Femer  wären  nach  Romano  aus  der  dionisehen  Zeit 
auch  die  ältesten  syrakusanischen  Kupfermünzen:  1)  Pallaskopf.  Rev.  Stern  zwischen 
Delphinen.  2)  Pallaskopf.  Rev.  Hippokamp.  3)  Weiblicher  Kopf.  Rev.  In  4  Theile 
getheiltes  Quadrat.  4)  Weiblicher  Kopf.  Rev.  Rad,  darin  2  Fische  und  SYPA.  5)  Pal- 
laskopf Rev.  Polyp.  6)  Areskopf  Rev.  Pegasos.  Diesen  Ansichten  Romano's  stehen 
die  allerdings  wenig'er  ausführlich  entwickelten  anderer  Gelehrten  schroff  entgegen. 
De  Luynes  will  die  Pegasosmünzen  vielmehr  der  Epoche  Timoleon's  zuschreiben,  s.  u. 
bei  Timoleon.  In  Betreff  der  Elektronmünzen  hat  sich  sodann  A.  v.  Sallet,  Zeitschrift 
für  Numismatik  I,  S.  92  dahin  ausgesprochen ,  dass  die  mit  Apollokopf  und  Dreifuss 
oder  Lyra  später  sind  als  Dion.  wohl  aus  dem  3.  Jahrh.  v.  Chr.,  s.  auch  Fiiedländer- 
Sallet,  Katalog  der  Berliner  Münzsammlung,  zu  No.  425.  Er  führt  keinen  Grund  fOr 
seine  Entscheidung  an ;  wir  werden  alsbald  eine  Thatsache  kennen  lernen ,  die  viel- 
leicht mit  zu  derselben  beigetragen  hat.  -^  Was  nun  noch  die  Kupfermünzen  betriül, 
so  ist  zu  bemerken,  dass  man  mit  grösserem  Rechte  die  unter  No.  1  und  2  ange- 
führten bereits  in  den  Anfkng  des  4.  Jahrh.  v.  Chr.  setzen  wird.    Diese  Ansicht  ist 


Zu  Buch  V,  Kap.  U.  u.  12,  Seite  188-190.  463 

heutzutage  ziemlich  verbreitet,  und  de  Luynes  selbst  scheint  sie  getheilt  zu  haben, 
was  ich  aus  folgendem  Umstände  schliesse.  £r  besass  von  Nr.  2  ein  Exemplar,  das 
in  Motye  gefunden  war,  und  er  hat  in  seiner  Sammlung  diesen  Umstand  mit  dem 
Jahr  der  Zerstörung  von  Motye,  allerdings  ungenau,  notirt.  Zufälliger  Weise  be- 
sitze auch  ich  ein  in  Motye  gefundenes  Exemplar  derselben  Münze,  und  ich  bin 
ebenfalls  geneigt,  sie,  da  Motye  seit  397  v.  Ohr.  nicht  wieder  bewohnt  worden  ist, 
deshalb  für  vor  397  geprägt  zu  halten.  —  Wenn  nun  so  de  Luynes  die  Ansichten 
Bomano's  nicht  theilt,  hat  er  selbst  die  Ansicht  aufgestellt,  dass  der  Typus  des  Zeus 
Hellanios  von  Dien  herstamme.  Diese  Münzen  finden  sich -abgebildet  bei  Torremuzza 
Taf.  82.  De  Luynes  erklärt  die  Geeignetheit  des  Zeus  Hellanios  für  Dion  dadurch,  dass 
dieser  nach  Sicilien  gekommen  sei ,  unterstützt  von  Freiwilligen  aus  ganz  Griechenland. 
Wenn  nun  deren  Zahl  auch  nicht  eben  gross  war  —  denn  Dion  hatte  vorzugsweise 
Söldner  bei  sich,  so  war  die  That  Dion's  immerhin  eine  Befreiung  Siciliens  durch 
Hellas.  Aber  ein  Umstand  spricht  auch  gegen  diese  Annahme.  Mit  Sicheriieit  lassen 
sich  die  Münzen  mit  Zeus  Hellanios  erst  nach  Agathokles  nachweisen  (s.  u.),  und  es 
muBs  deshalb  durchaus. zweifelhaft  erscheinen,  ob  sie  wirklich  schon  mit  Dion  auf- 
treten.  Hierbei  ist  noch  bemerkenswerth,  dass  der  Kopf,  welcher  als  Zeus  Hellanios 
bezeichnet  ist ,  vollkommen  derselbe  ist  mit  dem  Apollokopf  der  besprochenen  Elek- 
tronmünzen, die  somit  auch  als  späteren  Ursprungs  betrachtet  werden  dürfen;  —  es 
mag  sein,  dass  dieser  Umstand  mit  zu  dem  Urtheil  beigetragen  hat,  welches  v.  Sallet, 
wie  wir  sahen,  über  die  Zeit  dieser  Münzen  fällte.  —  So  haben  sich  alle  positiven 
Vermuthungen  über  die  dem  Dion  zuzuschreibenden  Münzen  als  angreifbar  und  schwan- 
kend erwiesen,  und  man  kann  mit  Becht  ganz  im  G«gentheil  sagen,  dass,  da  sidi 
aus  der  grossen  Reihe  syrakusanischer  Münzen  keine  aussondern  lassen,  die  entschie- 
den auf  Dion  hinweisen,  er  überhaupt  im  Münzwesen  von  S3nrakus  keine  Neuerungen 
herbeigeführt  haben  wird.  Wie  die  Dionyse  die  alt«n  Typen  der  syrakusanischen 
Silbermünzen  beibehalten  haben,  so  hat  es  offenbar  auch  Dion,  der  so  kurze  Zeit 
Regierende,  gethan :  neue  führte  erst  Timoleon  ein,  der  Neugründer  von  Syrakus. 


Zwölftes  Kapitel. 

S.  190  ff.  Ueber  Timoleon  vgl.  J.  F.  J.  Amoldt,  Timoleon.  Eine  biogra- 
phische Darstellung,  Gumb.  1850.  8.  Vgl.  femer  die  Ausgabe  von  Plutarch's  Aemi- 
lius  PauUus  und  Timoleon  von  J.  Ch.  Held,  Solisb.  1832.  8  und  dessen  Prolegomena 
in  Plutarchi  vitam  Timoleontis'in  3  Kapiteln,  erschienen  zu  Baireuth  1831.  1834. 
1837.  1841,  ferner  die  Ausg.  von  Plutarch's  Timoleon  durch  0.  Siefert,  Lpz.  1861 ; 
den  Abschnitt  in  Grbte's  Griech.  Geschichte  VI,  S.  110—158  der  deutschen  üeber- 
setzung;  denjenigen  bei  Lachmann  II,  310—329  und  den  Artikel  Timoleon  in  Pauly's 
K.  E.  VI,  2,  1976 — 80  von  Cless.  Ich  verweise  besonders  auf  Amoldt's  Schrift,  in 
deren  Anmerkungen  alle  Detailfragen  mit  grösster  Gründlichkeit  und  in  einer  Aus- 
führlichkeit behandelt  worden  sind,  wie  sie  für  mich  bei  dem  Umfange  dieses  Buches 
nicht  zu  erreichen  war. 

S.  190.  Kallippos'  Herrschaft  über  Syrakus  Diod.  XVI,  36.  Ueber  die  Zeit- 
bestimmung vgl.  Plut.  D.  56.  57,  wonach  Dion  an  den  Koreen  ermordet  wurde,  die 
nach  Diod.  V.  4.  5  als  Erntefest  (Ebert,  2:ixiX.  30)  wohl  in  den  August  fielen;  also 
da  er  nach  Diod.  XVI  unter  dem  Archen  Diotiiios  ermordet  wurde,  wohl  354  v.  Chr. 
Anf.  Ol.  106,  3.  Nach  Diod.  XVI,  36- waren  in  Ol.  106,  4—353  v.  Chr.  zwei  Auf- 
stünde gegen  Kallippos;  es  ist  mit  Amoldt  S.  52,  n.  50  zu  vermuthen,  dass  Diodor 
den  ersten  derselben  hätte  in  Ol.  106,  3  setzen  sollen.  Bei  einem  dieser  beiden  Auf- 
stände konnte  der  Philosoph  Ekidemos  aus  Kypros  umgekommen  sein,   der  Grenosse 


464  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

Dion'B  (Plut.  D.  22),  der  nach  Oic.  de  div.  I,  25  quinquennio  nach  dem  Tode  des 
Alexander  von  Pherae  starb,  dessen  Tod  in  358  v.  Chr.  fällt.  Vgl.  Am.  S.  52,  n.  50. 
Witz  des  KallippoB  über  den  Verlust  von  Syrakus  und  den  Gewinn  von  Katane. 
Plut.  D.  58:  (paaU'  nvTOv^  itnfiv,  oji  noltv  dnoX<ol€X(bg  rvQOkvriajiv  kflrupfv,  der  sich 
nach  meiner  Ansicht  nur  dadurch  erklärt,  dass  xanpoVf  Schüssel,  auch  rv^xrijanv, 
Käsereibe,  bedeutete.  Schicksal  der  Familie  Dion's  Plut.  Dion  58;  Tim.  33.  Nach 
Demosth.  inkg  *Po{}fAio)vos ^  03  (KnXUnnov  tov  vvv  ovjog  iv  ZixtXUt)  scheint  (denn 
Demosthenes  könnte  sich  ja  geirrt  haben)  Kallippos,  als  die  ßede  gehalten  wurde, 
Ol.  107,  3  —  350  V.  Chr.  noch  gelebt  zu  haben;  vgl.  Am.  55,  n.  75.  —  üeber  das 
eigen thUmliche  Messer,  mit  welchem  Dion  ermordet  wurde  Plut.  D.  58. 

S.  191.  Ende  des  Hipparinos  Ath.  X,  436;  Parthen.  Narr.  24.  Hipparinos 
scheint  es  mit  Dion's  Anhängern  gehalten  zu  haben-.  Br.  de  Pr.  285.  ~  lieber  Ny- 
saios  Ath.  X,  436;  Ael.  V.  H.  II,  41;  Plut.  de  sera  num.  vind.  16.  —  Dionys  in 
Lokroi  Str.  VI,  1,  8;  Ar.  Pol.  V,  6,  7;  lust.  XXI,  2.  Seine  Schandthaten  daselbst 
nach  Klearchos  von  Soloi  bei  Ath.  XII,  541;  Ael.  V.  H.  IX,  8;  vgl.  Grote  VI,  108. 
Die  Zeit  der  Rache  musste  für  die  Lokrer  damals  gekommen  sein ,  als  Dionys  nach 
Syrakus  znrUckgekehrt  war.  —  Dionys  in  Bhegion  Diod.  XVI,  45.  Nach  Str.  VI, 
1,  7  fjiiQog  Ti  TOV  xriafioLtog  aralafituv  *t>oißiav  ixaleafr\  nach  Plut.  de  fort.  AI.  II,  5 
nannte  er  sich  selbst  Apollon's  Sohn. 

S.  192.    Leontini's  Schicksale  Diod.  XVI,  16.  36;  Plut.  Tim.  1. 

S.  192.    Raubschiffe,  von  sicilischen  Tyrannen  geschickt  Liv.   VII,  25.  26. 

—  S.  193.  Anführer  der  Karthager  Hannon  nach  Diod.  XVI,  67;  Magon  nach 
Plut.  Tim.  17  ff.,  während  nach  dems.  c.  19  Hannon  nur  zur  See  commandirt.  Die 
Details  der  karthagischen  Rüstung  nach  Diodor  1.  1. 

S.  193.  Weissagung  über  den  Untergang  des  Griechenthums  in  Sicilien  Plat.  £p. 
VIII,  353.  In  £p.  VIII.  356  wird  der  Rath  gegeben,  ein  dreifaches  Rönigthum,  nadi 
Analogie  des  zweifachen . in  Sparta,  aus  Dionys,  Hipparinos  und  dem  Sohne  Dions 
bestehend,  für  Syrakus  zu  bilden. 

S.  194.  Frühere  Geschichte  Timoleon's.  Von  Held  wird  in  s.  Aufgabe 
der  plutarchischen  Biographie  des  Aemilius  P.  und  des  Timoleon  p.  539  als  Geburts- 
jahr Timoleon's  411  v.  Chr.  angenommen,  Ol.  92,  2.  Allerdings  ist  der  Grund,  auf 
den  er  sich  bei  dieser  Annahme  stützt ,  nicht  zutreffend ,  denn  die  Schlacht  der  Ko- 
rinther gegen  die  Argiver  und  Kleonäer,  in  der  Timoleon  nach  Plut.  Tim.  4  seinem 
Bruder  Timophanes  das  Leben  rettete,  wird  nicht  mit  Held  in  das  Jahr  393  y.  Chr 

—  Ol.  96,  4  gesetzt  werden  können,  worüber  ich  sogleich  sprechen  werde.  Nichts- 
destoweniger passt  das  Jahr  411  als  Geburtsjahr  Timoleon's  ungefähr.  Denn,  wenn 
dasselbe  angenommen  wird,  war  Timoleon,  als  er  337  v.  Chr.,  Ol.  1 10^  4  starb,  75  Jahre 
alt,  was  anzunehmen  nichts  hindert.  Nach  400  v.  Chr.,  Ol.  95,  1  kann  er  wenigstens 
unmöglich  geboren  sein,  dann  wäre  er  nur  62  Jahre  alt  geworden.  Wir  dürfen  also 
annehmen,  dass  T.  im  J.  410  v.  Chr.  geboren  ist.  Den  Geburtstag  Timoleon's  ent- 
nimmt man  aus  der  Nachricht  des  Nepos  (Tim.  5),  dass  Tim.  seine  HauptschUcjiten 
an  seinem  Geburtstage  gewonnen  habe ,  dann  wäre  es,  nach  der  Schlacht  am  Krimisos 
zu  urtheilen,  der  27.  Thargelion  gewesen.  Da  aber  Plutarch  diese  Nachricht  nicht 
hat,  so  ist  sie  als  Beweis  für  den  Geburtstag  Timoleon's  von  zweifelhaftem  Werth,  in 
anderer  Beziehung  wird  noch  unten  von  ihr  die  Rede  sein.  —  Der  Name  des  Vaters 
des  Timoleon  ist  bei  Diod.  XVI,  65  Tiraainetos,  bei  Plut.  Tim.  3  Timodemos.  — Was 
nun  die  oben  erwähnte  Schlacht  der  Korinther  gegen  die  Argiver  und  Kleonäer  be- 
trifft, so  kann  man  sie  nicht  mit  Held  für  die  zwischen  den  Mauern  bei  Korinth  im 
J.  393  gelieferte  halten.  Denn  in  dieser  Schlacht  waren  auf  beiden  Seiten  Korintfaer: 
Xen.  Hell.  IV,  4.  Sie  entspricht  daher  nicht  der  Andeutung  bei  Plut.  Tim.  4.'  Da- 
gegen hat  passender  Rehdantz  den  Krieg  des  J.  368  v.  Chr.,  Ol.  102,  4,  welcher  von 


Zu  Buch  V,  Kap.  12,  Seite  194^197.  465 

Xen.  Hell.  VII,  1,  25  erzählt  wird,  hierher  gezogen.  In  diesem  Kriege  schlössen 
unter  Chabrias  bei  Epidauros  Athener  und  Korinther  die  Argiver  ein.  Allerdings 
werden  die  Kleonaer  nicht  mit  genannt,  aber  das  kann  kein  Beweis  gegen  diese 
Annahme  sein.  Einen  schwerer  wiegenden  Gegengrund  hat  Arn.  35  gefunden  zu 
haben  geglaubt,  indem  er  sagt,  Chabrias  habe  nur  Miethstruppen  aus  Korinth  gehabt 
und  korinthische  Adlige  wie  Timoleon  würden  doch  nicht  als  Söldner  unter  Chabrias 
gedient  haben.  Aber  Xenophon*s  Bericht  sagt  gar  nicht,  dass  Chabrias  nur  Söldner 
aus  Korinth  hatte.  Er  sagt :  vno  if  rtov  ^f  rcr  XaßQiov  ^ivwv  xal  *A&fivaCatv  xtd  Ko- 
ffir(^iwv.  Es  sind  also  die  Söldner  von  den  athenischen  und  korinthischen  Bürgern 
in  Chabrias'  Heer  vollkommen  gesondert,  und  Xenophon  widerspricht  keineswegs  der 
Annahme,  dass  Korinther  als  Bürger  ihrer  Stadt  gegen  Argiver  in  dieser  Sbhlacht 
im  Kampfe  waren.  Wir  dürfen  also  einstweilen  die  Schlacht  des  J.  368  als  die  von 
Plut.  Tim.  4  gemeinte  betrachten.  Nach  Plut.  Tim.  4  und  Nep.  Tim.  1  hat  sich 
Timophanes  wirklich  der  Tyrannis  bemächtigt,  ebenso  nach  Ar.  Pol.  V,  5,  9;  nach 
Diod.  XVI,  65  wäre  es  beim  Versuche  geblieben.  Vorzugsweise  aber  ist  die  Ver- 
schiedenheit gross  zwischen  Plutarch  und  Diodor  in  Betreff  der  Zeit,  wann  Timo- 
phanes ermordet  wurde.  Nach  Diodor  fand  dieselbe  statt  um  oder  kurz  vor  Ol.  108, 
3  _  346/5  V.  Chr. ,  und  beim  Eintreffen  der  syrakusanischen  Gresandtschaft  war  der 
Process  Timoleon's  noch  unentschieden.  Nach  Plutarch  waren  dagegen  bereits  20  Jahre 
seit  dem  Morde  verflossen.  Plutarch's  Ansetzung  stimmt  aus  allgemeineh  Gründen 
besser  als  die  diodorische ;  es  braucht  in  dieser  Beziehung  nur  darauf  hingewiesen  zu 
werden,  dass  wir  uns  den  Tyrannen  Timophanes  wie  den  Tyrannenmörder  Timoleon 
eher  als  vierzigjährig,  denn  als  sechszigjährig  zu  denken  haben.  Wir  können  aber 
auch,  wenn  wir  Plutarch  folgen,  die  Tyrannis  des  Timophanes  besser  in  die  sonst 
bekannte  korinthische  Geschichte  einreihen.  Nach  Xen.  Hell.  VII,  4,  6  nahmen 
nämlich  die  Korinther  Ol.  103,  3  —  366/5  v.  Chr.  Miethstruppen  an,  um  sich  gegen 
Argos  und  Athen  zu  sichern;  dies  war  dann  die  Gelegenheit,  welche  Timophanes 
benutzte,  um  sich  der  Tyrannis  zu  bemächtigen.  Dann  ist  er  364  v.  Chr. — Ol.  104,  1 
ermordet  worden.  Vgl.  Am.  S.  38  ff.  —  lieber  den  doppelten  Namen  des  Sehers, 
den  Theopomp  Satyros,  Ephoros  und  Timaios  aber  Orthagoras  nannten  (Plut.  Tim.  4),* 
vgl.  Arn.  36.  —  lieber  den  Mord  des  Timophanes  vgl.  Plut.  T.  4 ;  Plut.  p;-aec.  reip. 
13;  Nep.  T.  1.  Nach  Plut.  Mord  auf  der  Burg;  nach  Diod.  XVI,  65  durch  Timoleon 
selbst  auf  dem  Markte.  Dass  Telekleides  ebenfalls  gegenwärtig  war,  schliesst  Grote 
VI,  1 12  aus  Plut.  T.  7 ,  wo  Telekleides  zu  Timoleon  sagt :  av  vvv  xaXtoc  ayatv^ar^s, 
xvQavvov  ttvi^QfpUvai  ffoSofifv,  ap  dk  (favXtos ,  ad€X(f6v.  Diod.  XVI,  65  schreibt  diese 
Ansicht  dem  Senate  von  Korinth  zu.  Ueberall  in  der  Vorgeschichte  Timoleon's  sieht 
man,  wieviel  besser  Plutarch  gearbeitet  hat  als  Diodor.  Nach  Nep.  T.  1  war  Timo- 
leon nicht  in  dem  Zimmer,  wo  der  Mord  geschah. 

S.  195.  Die  Zeit  der  Abfahrt  Timoleon's  nacfi  Sicilien  bestimmt  sich  nach 
Amoldf  s  tiberzeugender  Ausführung  S.  81  ff.  auf  den  Frühling  des  J.  344  v.  Chr.  — 
zweite  Hälfte  von  Ol.  108,  4;  welches  Resultat  übereinstimmt' mit  Clinton  F.  Hell. 
App.  X»  p.  282  Kr.  Nach  Held,  Proleg.  II,  2,  4  Herbst  345;  so  auch  Volq.  97.  98; 
Zahl  der  Schiffe  Timoleon*a  Diod.  XVI,  66  rixtugag  TQi^Qug  nlriQuiaag  xal  xa^vrav" 
xovaag  xQ€lg.  Nach  Plut.  Tim.  8  wie  im  Texte.  Nach  Ar.  Rhet.  ad  AI.  9  kommt  er  mit 
9  Trieren  den  Syrakusanern  zu  Hülfe. 

S.  197.  Fahrt  der  Karthager  nach  Syrakus  nach  Diod.  XVI,  67  Ol.  108,  4, 
richtiger  Ende  108,  3  —  345  v.  Chr.  Vgl.  Am.  71.  —  Nach  Diod.  XVI,  68  nimmt 
Hiketas  Syrakus  3  Tage  vor  dem  Eintreffen  Timoleon's  in  Rhegion.  Nach  Diod.  XVI, 
68  Verfolgungsversueh  der  Karthager  [ineßaXovxo)  als  Timoleon  nach  Tauromenion 
entkonunt;  Plut.  Tim.  11  erwähnt  nur  die  Sendung  einer  Gesandtschaft  dahin.  Das 
Einlaufen  voal50  karthagischen  Trieren  in  den  grossen  Hafen  von  Syrakus  erwähnen: 

Hol»,  Oesch.  SicUiens.  II.  30 


466  .  Anhanfe  III.    Belege  und  Erlauteningeti. 

Diod.  XVI,  69,  Afist.Rhet.  ad  AI.  9  und  Plut.  Tim.  17.  Fttr  die  Zeitbestimmung 
dieses  Ereignisses  sind  die  ersten  beiden  wertfalos,  weil  Arist.  sich  allgemein  aus- 
drückt ,  Diodor  aber  überhaupt  die  Reihenfolge  der  Begebenheiten  dieser  Zeit  verwirrt 
hat.  Aus  Plut.  Tim.  17  hat  dagegen  Grote  VI,  12(3  mit  Recht  geschlossen,  dass  die 
Einfahrt  der  150  Schilfe  erst  nach,  der  Besetzung  Ortygia's  idurch  Timoleon  stattfand. 
Nach  dems.  c.  11  Ist  dagegen  schon  vorher  eine  karthagische  Flottenabtheilnng  im 
syrakusanischen  Hafen;  es  ist  also  klar,  dass  wir  eine  doppelte  Einfahrt  karthagi- 
scher Schiffe  anzunehmen  haben. 

S.  198.    In  Betreff  der  Eroberung  von  Syrakus  durch  Timoleon  behauptet 
Diöd.  XVI,  ()S,  dass  gleich  nach  der  Schlacht  bei  Hadranon  Ol.  108,  4  nach  unserer 
Annahme  Frlihj.  341  v.  Chr.  Timoleon  Epipolae  und  Tyche  tiberfiel  und  crobert^^; 
ferner  XVI,  69,  dass  er  Ol.  109,  1  —  344/3  v.  Chr.  Achradina  und  Neapolis  in  seine 
Gewalt  bekam,  XVI,   70  endlich,  dass  er  Ol.  109,  2—343/2  v.  Chr.  auch  Ortygia 
erhielt.    Plut.  Tim.  13  sagt  dagegen,  dass  50  Tage  nach  llmoleon's  Ankunft  anfSici- 
lien  Ortygia  von  Dionys  an  ihn  überliefert  wurde,  und  dass  er  erst  später  die  anderen 
Stadttheile  e^iiielt.  Für  Plutarch  sprechen  Rhet.  ad  AI.  'd  und  Nep.  T.  2  nw  unent- 
schieden, wie  auch  Am.  102   ztrgiebt.    Aber  die  Innere  Wahrscheinlichkeit  ist  für 
Plutarch.    Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  Diod.  XVI,  68  nicht  Recht  haben  kann, 
.   wenn  er  angfiebt ,  dass  nach  der  Schlacht  bei  Hadranon  die  Korinther  „im  Lauf*  von 
da  nach  Syi*akus  gelangten  und  es  nahmen.   In  Betreff  der  Veranlassung  der  falschen 
Angaben  Diodor's,  welche  natürfich  eine  Folge  der  falschen  Zeitbestimmung  der  Erobe- 
rung Ortygias  sind,  stellt  Amoldt  S.  102  die  Ansicht  auf,  dass  bei  Diodor  eine  Ver- 
wechselung der  Zerstörung  "der  Burg  von  Ortygia,  welche  erst  nach  der  Einnahme  der 
übrigen  Stadttheile  343  v.  Chr.  stattfinden  konnte,  init  ihrer  Einnahme  in  Ft>Ige  des 
Abzuges  des  Dionys  eingetreten  ist;  während  Volq.  S.  99  die  Ansicht  aufgestdlt  hat, 
dass  die  Notiz  bei  Diod.  XVI,  71,  Theopomp  habe  seine  sicilischen  Geschichten  mit 
diesem  Jahre  (Ol.  109,  2  —  348  v.  Chr.)   und  der  Vertreibung  des  jüngeren  Dionys 
{hcTiTtoat^  ^UovvgCov  tov  nwrigov)  geschlossen,  den  Diodor  bewogen  habe,  unter  Vor- 
aussetzung der  Richtigkeit  dieser  Angabe  seine  Auszüge  aus  Tlmaios  darnach  urnzn- 
modeln.    Volquardsen's  Ansicht  ist  wahrscheinlicher ,  nur  muss  man  sie  da'hin  erwei- 
tem, dass  die  ganze  Geschichte  der  Eroberung  von  Syrakus  bei  Diodor  aus  Theopomp 
stammt.    Volq.  101  schreibt  den  Fehler,  ins  J.  343  die  Vertreibung  des  Dionys  statt 
der  Schlacht  am  Krimisos  zu  setzen ,  det  von  Diodor  benutzten  Literatorgeschicbte 
zu.  Diese  sofl  Apollodor  sein  (Volq.  12),  und  es  wäre  möglich,  dass  derselbe  einen 
solchen  Fehler  begangen  hätte.    Man  kann  jedoch  nicht  glauben ,  dass  Diodor  dieser 
Notiz  zu  Liebe  die  Details  in  XVI,  68  und  09  erfunden  haben  sollte,  was  man  doch 
nftch  Volq.  annehmen  müsste.    Einfacher  tind  natürlicher  ist  die  Annahme ,  dass  die 
ganze  falsche  Ansetzung  der  successiven  Eroberung  von  Syrakus  wirklich  von  Theo- 
j[)omp  herstammt,  und  wer  sie  nicht  billigt,  thut  es  nur,  weil  er  nun  einmal  der  Theorie 
von  der  einen  Quelle  nicht  untreu  werden  will,  einer  Theorie,  die  einer  solchen  Treue 
nicht  werth  ist.  —  Bei  der  üebergabe  von  OrtygiA  schweigt  Plutarejh  von  Bedingun- 
gen; nach  Kep.  T.  2  hat  sich  Dionys  auf  Gtade  und  Ungnade  ergeben  (cum  intsr- 
ficere  posaet,  nolult  —  wohl  nur  Phrase) ;  nach  Diod.  XVI,  70,  der  dfesmal  Glauben 
verdient:  imoonovdov  ^^orta  tA  fdia  ^^QijfiftTa, 

S.  199.  Dionysios  in  Korinth.  Dahin  gebracht  wird  er -nach  Plut.  Tim.  13 
fnl  Uliig  v*w\-,  nach  Polyb.  XII,  1  tadelte  l^maios  unpassender  Weise  den  Theopomp, 
dass  er  Eitatt  eines  Kriegsschiffes  ein  Handelsschiff  genannt ;  auch  Diod.  XV7,  70  sagt : 
ir  jLttxQ^  fftQttyy'eXfp  nloitif,  er  Stimmt  also  mit  Theopomp  ifberein ,  worüber  ich  oben 
gesprochen  habe  (S.  377).  Grote  VI,  123,  n.  67  bemei^t  mit  Recht,  dass  Pölybios 
ohne  genügenden  Grund  unpassend  finde,  dass  Timaios  den  llieopomp  berichtigt  habe. 
Die  Sache  ist  niclrt  so  unwichtig,  wie  Polybios  meint.    Wenn  Timoleon  den  Dionys 


•        Zu  Buch  V,  Kap.  12  u.  lii,  Seite  198-201.  467 

• 

in  eiaer  Triore,  also  in  eiaem  schnell  fahrenden  Sliaatsschiffe  nach  Korinth  sandte;  so 
behandelte  er  ihn  ehi*envoller,  als  wenn  er  ein  Handelsschiff  für  ihn  nahm.  Die  Fahrt 
in  ei  Dem  Handel  sschiife  wäre  schon  ein  Zeichen,  sehr  gefallener  Grösse  gewesen.  Dies 
dachte  vielleicht  Theopouip  selbst,  und  deswegen  Hess  er  Dionys  auf  einem  Handels- 
schiffe die  Fahrt  machen.  — Dionys  in  Leukas  landend  Plut..!?.  15.  —  S.  199.  Anek- 
doten über  Dionys  II.  Plut.  Tim.  14.  15;  lust.  XXI,  5;  Ael.  V.  H.  VI,  12;  XII,  60; 
Plut.  Ap.  r.  Sprichwort  Jiovvatog  Iv  Ko^yC^ö^ip  von  den  Lakedämoniern  Philipp  ge- 
genüber gebraucht  Bei  lustin  I.  1.  zuletzt:  inter  has  tarnen  dissimulationum  artes 
insimulatus  est  adfectatae  tyrannidis,  nee  aliter  quam  dum  contemnitur,  liberatUB  est. 
Nach  Klearch  bei  Ath.  XII,  541  hat  Dionys  als  jutfTQayvQTris  sein  Leben  beschlossen. 
Schulmeister  ist  er  geworden  nach  Aristox.  bei  Porph.  vit.  Pyth.  59  und  Jambl. 
V.  Pyth.  T^'^,  femer  nach  lust.  XXI,  5  und  Val.  Max.  VI,  9;  hier  propter  inopiam; 
nach  Gic.  Tusc.  III,  12  usque  eo  imperio  carere  non  potuit;  ferner  Cic.  ad  fam.  IX, 
Ib,  1;  Luc.  somn.  23;  Ov.  ex  p.  IV,  3,  39.  40.^  Ueber  diesen  Gegenstand,  welcher 
im  vorigen  Jahrhundert  Viele  interessirt  zu  haben  scheint,  werden  folgende  Schriften 
citirt:  F.  G.  Roloff,  Nov.  vet.  auctorum  qui  Dionysium  F.  Siciliae  tyrannum  literas 
Corinthi  docuisse  tradunt,  vindiciae.  Traj.  a^  Viadr.  1737.  4;  femer  Dissertatione 
posteriore  praetermissa  quaedam  de  Dionysiis  Siciliae  tyrannis  in  acad.  Frideric.  a.  d. 
III  non.  Maj.  1736  publ.  tuebuntur  F.  G.  Rolof&us  ac  G.  L.  Roloffius.  Praemittitur 
Gel.  Heumanni  epist.  de  Dionysfo.  4;  sowie  J.  M.  Wenck,  Bex  in  ludo  s.  de  Diony- 
sio  II  tyranno,  a  magistrorum  numero  non  segregando,  Darmst.  1752.  —  In  Korinth 
sah  Aristoxenos  den  Dionys  und  hörte  von  ihm  [noXitixtc  v/^tv  dtr^ytizo)  die  Geschichte 
des  Dämon  und  Pfaintias  Jambl.  vit.  Pyth.  233.  Uebrigens  vgl.  in  Betreff  der  Peri- 
patetiker  als  Quellen  das  oben  S.  375  gesagte.  —  Zusammenkunft  mit  Philipp  von 
Makedonien  wohl  Ol.  100,  3/4  —  337  v.  Chr.,  als  der  König  von  Makedonien  wegen 
des  beabsichtigten  Perserkrieges  die  Abgeordneten  aller  Griechen  nach  Korinth  berief 
Arnoldt  S.  118  nach  Böhnecke,  Forschungep  I,  S.  564;  vgl.  Gem.  Pleth.  Hell.  I,  41.— 
Dionys  in  Korinth  gestorben  Ael.  V.  H.  IX,  8.  —  Das  Mobiliar  des  jüngeren  Dionysios 
vom  Tyrannen  Dionysios  von  Herakleia  gekauft  Memnon  bei  Phot.  224  (M.  III,  529). 


Dreizehntes  Kapitel. 

S.  200.    Nach  Plut.  T.  2  t  sind  die  Namen  der  Anführer  der  korinthischen  Hülfs- 
truppen  /liivaQx^^  ^"^^  JrfifiaQirog ,  bei  Gem.  Pleth.  Hell.  I,  48  steht  /iij/naoxog  und 

S.  201.  BQitttQi  werden  von  Diodor  genannt  bereits  im  J.  445  v.  Chr.  XII,  22,. 
doch  misbräuchlich.  Vgl.  über  sie  Str.  V,  3,  1  und  VI,  1 ;  Diod.  XVI,  15,  wo  Bov- 
Qlovg  xHQtaaäfAfvot  nur  Besiegen  derselben  bedeuten  kann.  Nach  lust.  XXIII,  1  sind 
sie  im  Walde  erzogene  Lukaner,  welche  Räuber  werden  und  mit  Hülfe  einer  Frau 
Namens  Brattia  ein  von  600  Afrikanern  besetztes  Kastell  des  Dionys  erobern,  worauf 
sie  sich  ex  nomine  mulieris  Bruttii  nennen :  Nachbildung  der  älteren  Sagen,  in  denen  ein 
Volk  nach  dem  Namen  eines  Königs  heisst.  «Kiepert,  Er  laut,  zum  Schulatlas  der  alten 
Welt,  stellt  den  Namen  der  ^^rrioi  mit  dem  der  keltischen  BQ^xtavol  zusammen, 
dabei  erinnernd,  dass  er  auch  die  Sikeler  für  Kelten  halte.  Vgl.  Nissen,  Templum  S.  126 
—129,  der  sich  dahin  entscheidet,  dass  die  Brettier  ein  ver  sacrum  der  Lukaner  waren, 
und  passend  Paus.  X,  17,  9  über  den  Namen  ^%t  Baka^ol  vergleicht.  —  Vgl.  über  die 
Bruttier  G.  Barrii  de  antiqn.  et  situ  Calabriae,  Rom.  1737.  fol.,  nebst  Aceti  proleg.  dazu. 
0.  Fazioli,  Ricerche  sn  i  Bruzl,  Nap.  1839—46,  III  voll.  fol.  —  Ueber  die  sehr  schönen 
Münzen  der  HgitTioi  vgl.  Mionnet,  PI.  LXV,  sowie  Sambon,  Recherches  etc.  p.  313  ff.. 
Die  brettischen  Münzen  zeigen  einerseits  Aehnlichkeit  mit  denen  der  Lukaner  (Fried- 

30» 


468  Anhang  III.    Belege  und  firlSuterujigeA. 

länder,  Oskische  Münzen  S.  57),  andererseits  mit  denen  des  Agathokles  (Aoordniui^ 
des  Haares  des  Apollokopfes,  abgeb.  im  Catalogue  of  the  greek  eoina  of  tbe  British 
Mnsenm.  Italy.  Lond.  1873,  p.  323)  und  besonders  des  Königs  Pyrrlios;  sie  scheinen 
hauptsächlich  um  das  Ende  des  4.  Jahrh.  v.  Chr.  und  in  der  ersten  Hälfte  des  3.  ge- 
prägt zu  sein  und  lassen  auf  eine  nicht  geringe  Bildung  des  Volkes  schliessen. 
S.  201.    Katane  dem  Timoleon  nützlich  Plnt.  Tim.  18. 

S.  202.     Aus  den  Worten  Plut.  Tim.  18:   tpqa^dpisvoq  rhv  neQlßolov  r^c  '^X9^^^- 
vr^q  xa\  ovvarjjttg  lolg  i^vfiaai  tiqos  TTjy  ax^nolty  haben  Amoldt  und  Siefeit  ge- 
schlossen,  dass  Achradina  nicht  bis  an  den  grossen  Hafen  reichte.     Gegen  sie 
Schubring,  Achradina  S.  49.    Wenn  in  awaipag  die  Herstellung  von  etwas  noeh  nichl 
dagewesenem  ausgedrückt  sein  sollte,  so  mOsste  sie  es  auch  in  ^^|a/ifro;  sein,  und 
das  ist  unmöglich.    Also  ist  beides,  die  Ummauerung  von  Achradina  und  die  Ver- 
bindung dieser  Ummauerung  mit  der  Akropolis  in  Ortygia,  nur  die  Wiederheratellung 
eines  schon  frilher  vorhanden  gewesenen  Zustandes.  Aber  es  liegt  auch  die  Veranlaasusg 
der  Angabe  Plutarch's  klar  vor.    Soeben  noch  hatten  Achradina  und  Ortygia,  die 
beiden  Schwesterstädte,  sich  feindlich  gegenüber  gestanden,  und  während  dieser  Feind- 
schaft hatte  der  alte  Zusammenhang   ihrer  Festungswerke  am  Hafen  unterbrochen 
werden  müssen:  die  Befestigungen  sCf essen  nicht  mehr  an  einander.    Jetzt  musste 
Timoleon  den  alten  Zusammenhang  wiederherstellen.    Ebendasselbe  gilt  auch  von  den 
Worten:   ifQu^a^ivog  i6v  nfgCßolov  tijg  *AxQ»^^viig.  'Achradina,  sonst  durch  Mauern 
von  Tyche  und  Neapolis  getrennt,   hatte  in  der  letzten  Zeit  dieselbe  Herrschaft  ge- 
habt wie  diese  Stadttheile.   Man  hatte  deshalb  die  Mauern  zwischen  Achradin*  einer- 
seits und  Tyche  und  Neapolis  andererseits  geschwächt  und  lückenhaft  gemacht.   Jetzt 
war  Achradina  in  die  Hand  des  Beherrschers  von  Ortygia  gefallen;   deshalb  wurde 
schnell  der  Mauerring  von  Achradina  wiederhergestellt. 

S.  203.  Nach  Diod.  XVI,  69  ziehen  sich  die  Karthager  tig  triv  iSiav  inix^äfant 
zurück,  nach  Plut.  T.  20  sig  Aißvtiv.  Hanno's  Verschwörung  nach  Inst  XXI,  4.  Wer 
die  Combination  gewagt  findet,  muss  bedenken,  dass  uns  aus  dem  Alterthum  fast  nur 
Berichte  über  Factisches  erhalten  sind.  Alles  Memoirenhafte,  besonders  wenn  es  in- 
ternationale Verhältnisse  betrifft,  fehlt.  Auch  in  Betreff  des  Agathokles  können  meine 
Comblnationen  gewagt  erscheinen,  dennoch  glaube  ich,  dass  auch  mit  den  von  mir 
vermutheten  geheimen  Beziehungen  zwischen  Syrakus  und  Karthago  das  Mass  der 
wirklich  vorhandenen  noch  nicht  erschöpft  ist. 

S.  204.  Zerstörung  der  Zwingburg  mit  allgemeiner  Theiinahme  des  Volkes  auch 
in  Perugia  1860. 

S.  204.  In  Betreff  det  Ausbildung  der  Demokratie  durch  Timoleon  vgl.  Plut. 
T..24;  Diod.  XVI,  70,  nebst  Arn.  146,  n.  91,  der  die  Fälle  aufzählt,  in  denen  unter 
Timoleon  das  Volk  entschied:  Plut.  T.  33  (Hber  Hiketas'  Familie);  Plut.  T.  34  and 
Polyaen.  V,  12,  2  (über  Mamerkos);  Plut.  T.  37  und  Neg».  T.  5  (Tim.*s  P^txsess;; 
Plut.  T.  39  und  Diod.  XVI,  90  (Ehrenbezeugungen) ;  Plut.  T.  38  (wann  ein  Korinther 
zum  Feldherm  gewählt  werden  soll).  Wenn  man  jedoch  bedenkt,  dass  schon  zii  Du- 
ketios'  Zeit  die  syraknsanische  Volksversammlung  ähnliche  richterliche  Befugnisse 
ausübt,  wie  hier  in  Sachen  des  Mamerkos,  und  dass  nach  Ar.  Oec.  II  selbst  Dionys 
das  Volk  befragte,  so  wird  man  obige  Fälle  nicht  als  besonders  charakteristisch  för 
die  durch  Timoleon  gestärkte  Demokratie  ansehen, 

S.  204.  Ueber  den  Amphipolos  handelt  Ebert,  SiTuii^v  p.  108  — 130.  Die 
Stellen  sind:  Diod.  XVI,  70;  Cic.  Verr.  II,  51;  IV,  61.  Als  Amtsname  für  einen 
Priester  kommt  Amphipolos  in  Sicilien  vor:  in  Kentoripa  CI  5742:  Au  t^^m  if^qt- 
noXivaag,  ferner  in  Melite  CI  5754  aiKftnoXevaag  ^^f^  Avyevarip.  Sonst  in  Aigot 
erwähnt :  ^AnoHtavog  aiA^Cnolog  bei  Plut.  Qu.  gpr.  24 ,  wo  jedoch  Ebert  120  das  Wort 
als  Amtsname  nicht  mit  Sicherheit  erkennen  will.  —  Analogien  der  Jahresbenennang 


Zu  Buch  V,  Kap.  13,  Seite  201-207.  469 

nach  Priestern  finden  sich  vielfach,  in  Sicilien  wird  nach  Ausweis  der  Inschriften  das 
Jahr  nach  Priestern  bezeichnet:  in  Gela  inl  ItQanoXov  CI  5475,  in  Akragas  ^nl  Uqo- 
^vztt  CI  549J  ,  und  so  war  es  auch  auf  der  Insel  Melite ,  inl  hgo&vrov  CI  5752.  — 
Ueber  die  genera  bei  Cic.  Verr.  II,  51  ist  oben  S.  418  gesprochen.  Die  Neuerung, 
welche  Timoleon  beim  Amphipolosamte  einführte,  bestand  ohne  Zweifel  nur  darin, 
dass  es  jährlich  wechselte,  und  dass  da^  Jahr  nach  dem  jedesmaligen  Amphipolos 
benannt  wurde:  ein  Dank  gegen  Zeus,  dass  er  die  Stadt  befreit  hatte,  eine  Erinne- 
rung an  die  dem  Zeus  Eleutherios  zu  der  Zeit  gewidmete  Verehrung,  da  die  Deino- 
meniden  vertrieben  wurden.  Diese  Betrachtung  spricht  überdies  dafür,  dass,  wenn 
die*  Zeus  Eleutheriosmünzen  wirklich  älter  sein  sollten  als  Timoleon,  jedenfalls  durch 
ihn  der  Typus  besonders  in  Aufnahme  kam.  S.  unten  über  Timoleon's  Münzen.  — 
Namen  von  syrakusanischen  Amphipoloi  sind  aus  Inschriften  nicht  bekannt,  in  den 
Schriftstellern  kommen  nur  folgende  vor:  bei  Diod.  XVI,  70  der  erste,  Kallimenes, 
bei  Cic.  Verr.  II,  51  Theomnastus,  und  IV,  61  Heraclius.  Von  der  Schenkung  des 
römischen  Bürgerrechtes  (nach  Diod.  XVI,  70  und  XIII,  35)  wird  im  3.  Bande  die 
Rede  sein. 

S.  205.  Schilderung  des  Zustandes  von  Syrakus  in  seiner  Verlassenheit  bei 
Plut.  T.  22 :  4  f^^v  ^v  SvQttxovaaig  «yoqd  Si  i^rifiCav  ovxto^  nöXXr\v  xai  ßa&iiav 
i^i<fvatv  vltiv ,  aMTTf  Tovg  tnnovg  h  ßvry  xarttvifAca&ai ,  rtiSv  innoxofjoti'  fv  ry  X^V 
»nrotxitfiivioVf  al  dk  aXXat  noXeiSj  nXtjv  7ravrtX<Sg  oXiytav  iXaqjfov  iyivovto  /Ltearal  xal' 
Qvtav  ayQltov  e\A.  Hier  ist  ciXXai,  noXitg  sonderbar,  da  Plut  nur  von  Syrakus  zu 
reden  hat ;  aber  es  auf  die  Stadttheile  von  Syrakus  zu  beziehen ,  welche  allerdings 
noXfig  genannt  werden  können,  ist  doch  auch  nicht  möglich ,  weil  «yoga  und  aXXat 
noXfig  keinen  richtigen  Gegensatz  bilden.  —  In  Griechenland  waren  damals  ähnliche 
Zustände  wie  in  Sicilien,  s.  H.  Dondorff,  Der  Verfall  des  hellenischen  Lebens  400 — 
338,  in  der  Ztschr.  für  Gymnasialwesen  1872,  S.  542.  Vgl.  Isoer.  Archid.  28;  Isoer. 
Phil.  40.  50.  Isocrates  dachte  daran,  aus  Heimathlosen  Kolonien  in  Kleinasien  zu 
gründen. 

S.  205.  Nach  Äthan,  bei  Plut.  T.  23  kamen  50,000  neue  Bürger  ans  Italien 
und  Sicilien,  10,000  aus  Griechenland,  nach  Syrakus.  Ich  nehme  die  60,000  wegen 
des  Gegensatzes  in  c.  25  als  Bürger;  sodass  Frauen  und  Kinder  nicht  mitgezählt  sind. 
Nach  Diod.  XVI,  82  kamen  5000  neue  Bürger  aus  Korinth;  nach  demselben  gingen 
40,000  nach  Syrakus,  10,000  erhielt  Agyrion.  Ueber  letztere  Stadt  s.  oben  S.  372. 
Seltsam  ist  der  von  Diodor  1.  1.  gebrauchte  Ausdruck  üg  xriv  ^vQoxooictv  rr^v  a^tai- 
OiTov.  Ueber  diese  Frageir  s.  Am.  S.  135  ff.,  der  auch  S.  137  darauf  aufmerksam 
■macht,  dass  die  Kolonisten  nicht  so  schnell  in  Griechenland  zusammengebracht  wer- 
den konnten.  Allerdings  begünstigte  der  oben  erwähnte  Zustand  Griechenlands  eine 
solche  Auswanderung. 

S.  206.  Von  dem  Verkauf  der  Bildsäulen  ausgenommen  die  des  Gelon  Plut.  T. 
23,  und  nach  Dio  Chrys.  or.  37  auch  eine  des  Dionysios  als  Dionysos.  S.  o.  S.  459. 

S.  206.  Krieg  mit  Hiketas  Diod.  XVI.  72.  Friede  Diod.  XVI,  77,  in  dem  Jahre, 
wo  die  Karthager  kamen  Ol.  110,  1  —  340/39  v.  Chr.  Nach  Am.  141  war  der  Friede 
schon*  ein  Jahr  früher.  Er  erinnert  daran ,  dass  nach  Diod.  XVI,  73  IHmoleon  eine 
Abtheilung  Söldner  von  1000  Mann  unter  Deinarchos  und  Demaretos  nach  dem 
Wßsten  aussendet  (Plut.  T.  24} ,  damit  sie  nicht  müssig  seien ;  da  musste  denn  wohl 
kein  Krieg  mehr  mit  Leontini  sein.    Ueber  Hiketas  und  Leptines  ferner  Plut.  T.  24. 

S.  206.    Ueber  Entella  Diod.  XVI,  73. 

S.  207.  Feldzug  gegen  die  Karthager.  Das  Jahr  herkömmlich  nach  Diodor 
alB  Ol.  110,  1  —  339  V.  Chr.  angenommen.  Dagegen  Cless  in  Pauly's  R.  E.  VI,  1979, 
der  die  Sohlacht  am  Krimisos  Ol.  109,  3  —  342  ansetzt,  und  in  ausführlicher  Darle- 
gung Volquardsen  S.  99,  der  Ol.  109,  2— M3  v.  Chr.  annimmt.    Nach  ihm  zeigt 


470  Anhang  III.    Belege  und  Erläuternngen. 

Plut.  T.  21.  22,  dasB  bald,  nachdem  in  so  kurzer  Zeit  ganz  Syrakus  bcfi^it  war,  man 
Troilui'  TToXffiov  ix  ^^ißviji  erwartete,  und  zwar  hovg  öfQtf.  Ob  er  aber  zu  der  erwar- 
teten Zeit  wirklich  stattfand,  d.  h.  ob  die  Karthager  mit  ihren  Vorbereitnngen  in 
einem  Jahre  fertig  wurden,  ist  eine  andere  Frage.  Vor  der  Schlacht  bei  Himera 
brauchten  sie  nach  Diod.  XI,  t  drei  Jahre  zu  ihren  Bilstungen.  Sonach  ergiebt  sich, 
dass  das  diodorische  Jahr  der  Schlacht  am  Krimisos  unwahrscheinlich  ist;  ob  aber 
dieselbe  343  oder  342  geliefert  wurde,  kann  man  nicht  entscheiden.  343  wünschten 
die  Karthager  den  Römern  GlUck  zu  ihrem  Siege  iiber  die  Samniten  (Liv.  YII,  3^;, 
in  Folge  des  nach  Liv.  VII,  27,  34S ,  nach  Diod.  XVI,  60,  344  geschlossenen  Ver- 
trages .  sie  hatten  also  damals  Müsse  sich  um  fremde  Angelegenheiten  zu  bekümmern. 

S.  207.  Zahl  der  Truppen  Timoleon's  Plut.  T.  25  und  Diod.  XVI,  7R.  In  der 
Comp.  T.  heissen  die  Söldner  «t«*to/.    Vgl.  Am.  156.  157. 

S.  208.  Der  Krimisos.  Ich  habe  in  meinen  Beitr.  z.  Bericht,  der  Karte  des 
alten  Sicil.  S.  19  nachgewiesen ,  dass  der  S.  Bartolomeo  Krimisos  hiess.  Aber  die 
Schlacht  kann  dort  nicht  geliefert  sein ,  weil  er  zu  weit  nördlich  fliesst.  Man  mnss 
also  annehmen,  dass  der  Fluss  von  Enteila  ebenfalls  Krimisos  hiess;  so  gab  es  in 
Sicilien  zwei  Himeras,  zwei  Hypsas.  In  Betreff  der  genaueren  Bestimmung  der  Lo- 
calität  der  Schlacht  ist,  da  uns  Schubrings  Forschungen  noch  nicht  vorliegen,  eine 
Auseinandersetzung  von  V.  Di  Giovanni  nachzulesen,  die  sich  in  einer  Note  s.  Escur- 
sione  archeologica  II,  in  der  Zeitschrift  La  Sicilia,  Pal.  1865,  p.  345  findet.  Er  geht 
von  der  Betrachtung  aus,  die  Karthager  hätten  die  Absicht  gehabt,  die  syraknsa- 
nische  Besatzung  von  Entella  zu  überfallen.  Nun  sagt  allerdings  Plut.  T.  25  nur  im 
allgemeinen,  sie  seien  gegen  die  Korinther  gezogen,  d.  h.  gegen  Deinarchos  und  De- 
maretos,  die  nach  c.  24  in  die  karthagische  Provinz  gezogen  sind,  wo  sie  Tiolui 
noXXag  den  Karthagern  abnehmen.  Aber  bei  Diod.  XYl,  73  wird  als  wichtiges  Re- 
sultat dieses  Feldzuges  hervorgehoben:  (xQuirfattv  S^  xal  tfjg  ^EvH)Jifig.  War  aber 
einmal  Entella  von  den  Griechen  erobert,  so  musste  eine  der  ersten  Aufgaben  der 
Karthager  darin  bestehen,  diese  Stadt  wiederzugewinnen,  und  so  ist  Di  Giovanni'8 
Voraussetzung  vollkommen  begründet.  Weiter  findet  nun  Di  Giovanni  das  Flussthal 
des  Beiice  östlich  von  Salaparuta  durchaus  der  Schilderung  entsprechend,  welche  die 
alten  Schriftsteller  von  der  Gegend  geben,  in  welcher  die  Schlacht  stattfand.  Di  Gio- 
vanni lässt  die  Schlacht  stattfinden  ne'  luoghi  dove  corrono  a  perdersi  nel  fiume  Be- 
iice altri  circostanti  torrenti  e  da  una  parte  della  ripa  si  offrono  caverne  e  sprofondi 
cui  accenna  chiaramente  Plutarco  (c.  2S :  fo  Tti^tov  to  tkqi  avtov  vno  nolXtrg  ovrayxtiaq 
xa\  qtiQa^yttg  vnoxiifjiivov)  e  al  presente  hanno  nome  di  gtotte  nere.  Und  weiterhin; 
la  pianura  che  il  fiume  Beiice  cuopre  delle  sue  acque  quando  ingrossa,  e  da*  mulini 
detti  della  donna,  sino  all'  ultimo  mulino  o  mulino  vecchio  di  Salaparuta,  e  le  caviti 
e  fosse  (o  i  torrenti)  sono  sopra  ai  primi  mulini  avvicinandosi  alla  via  dIBntella.  Hier- 
bei ist  liur  ein  Punkt  zu  beachten.  Nach  Di  Giovanni  wäre  die  Schlacht  am  Beiice 
da  geliefert  worden,  wo  derselbe  aus  den  beiden  Quellfltissen  schon  zu  einem  einzigen 
geworden  ist;  dagegen  spricht  aber  der  Name  Krimisos.  Der  Bolice  hiess  Hypsas. 
sobald  er>aus  ^en  zwei  QuellflUssen  sich  vereinigt  hatte ;  Krimisos  hiess  nur  der  eine 
dieser  beiden  und  zwar  der  östliche,  der  bei  Entella.  Da  nun  die  Schlacht  am  Kri- 
misos, nicht  am  Hypsas  stattfand,  müssen  wir  sie  an  den  Beiice  sinistro  verlegen,  der 
ebenfalls,  wie  die  Karte  zeigt,  eine  Ueberschwemmungen  ausgesetzte  Niederung  durch- 
strömt. Daraus  ergiebt  sich,  dass  die  Karthager  bereits  den  westlichen  Beliee  über- 
schritten hatten,  was  die  Schriftsteller  nicht  erwähnt  haben.  —  Das  Omen  mit  den 
Adlern,  von  denen  der  eine  eine  Schlange  trägt,  der  andere  aber  gewaltig  schreit 
(Plut.  T.  26),  erinnert  an  die  akragantinischen  Münzen,  nur  dass  auf  diesen  2  Adler 
in  der  beschriebenen  Weise  nicht  mit  einer  Schlange,  sondern  nur  mit  einem  Hasen 
vorkommen;  die  Schlange  erscheint  mit  einem  einzigen  Adler.  —  Bei  Polyaen.  V, 


Zu  Buch  V,  Kap.  VA,  Seite  207-214.  471 

X2,  'S  fuhrt  Tiiuoleou  vor  der  Schlacht  eineo  xQV^.^og  au.  —  Bei  Diod.  XVI,  77  fehlt 
hinter  nojafiov  wahrscheinlich  der  Name  und  hinter  fAVQitop  das  Wort  nQXffiltov.  — 
Mit  Beeht  bemerkt  Arn.  165,  dass  bei  Diod.  XVI,  79^.  80  eine  so  schnelle  Beendi- 
gung der  Schlacht,  wie  sie  aus  Plutarcb's  Darstellung  zu  entnehmen  ist,  nich^  ersicht- 
lich wird;  dieser  Umstand  lässt  auf  Verschiedenheit  der  Quellen  fUr  die  beiden  Schrift- 
aielWr  sohliessen.  —  Zu  dem  Trlij&os  ixnta^aTMp  aQyvgav  r«  xal  ;(^vadttf  bei  Diod. 
XVI,  81  vgl.  man  Diod.  XIII,  88,  wo  bei  der  Belagerung  von  Akragas  den  unzufrie* 
'deoieQ  Söldnern  als  Pfand  gegeben  werden  ra  Tfa^ä  rmv  ix  KaQx^^Soya^  0TQaTtvof4,iv(ov 
noTTiQta ,  ^wa»  gegen  die  Zweifel  von  Am.  167  zu  bemerken  ist.  Das  Datum  der 
SoUaeht  nach  Am.  162,  n.  77  der  7.  Juni  (339). 

S.  210.  Zum  Feldherrn  erwählt  Geskon,  Annon's  Sohn,  nnfvya^tvfjiivoq  Diod. 
XVI,  81.    Von  seinen  Schicksalen  spricht  auch  Polyaen.  V,  11. 

S.  211.  '  Die  Schicksale  der  treulosen  Söldner  werden  anders  berichtet  bei  Plut. 
T.  30  als  bei  Diod.  XVI.  82.  —  Wenn  Plut.  T.  30  sagt:  ovnoi  ngov^gov  "ßX^ai 
Xi»ti<f«f^^r(Mf  KuQxvJovltüv,  so  kommen  doch  hellenische  Söldner  in  karthagischem 
Dienst  schon  bei  d^r  Eroberung  von  Selinus  Diod.  XIII,  58  und  bei  der  von  Motye 
vor,  Diod.  XIV,  53.  —  Bei  Plut.  T.  30  ist  VfT«f  Conj.  für  das  handschr.  'Ugdg.  — 
Die  Beschuldigung,  an  der  Plünderung  des  delphischen  Tempels  Theil  genommen  zu 
haben,  ward  auch  gegen  Archidamos  und  seine  Leute  gerichtet  Diod.  XVI,  24. 

S.  212.  KakavQlav  steht  bei  Plut.  T.  31.  Dafttr  hat  Kind  vermuthet  FaXtgiav 
oder  rakttQCav.  Soll  das  G^liano  sein,  wofUr  Galaria  gehalten  wird,  so  passt  es 
nicht,  da  Gägliano  zu  weit  nördlich  liegt.  KaXnvQiav  wird  richtig  sein;  dieser  Ort 
la^  dann  südlich  vom  Damyrias. 

S.  213.  Ueber  den  Frieden  mit  Karthago  Diod.  XVI,  82;  Plut.  T.  34.  Be- 
dingungen: laq  fihv 'EXlvividag  noXus  andtfag  IXev&^QUf  (ivtui  j  top  öl''jl}.vx9r  xaXov- 
fAtvov  TfoiafAov  oQiQV  flvci  tijg  ixar^gtov  InixQUTiiag ,  Piod.  1.  1.  Hieraus  folgt  nicht, 
wie  Manche  angenommen  haben,  dass  der  Halykos  ein  Fluss  westlich  von  Selinus 
war,  d.  h.  der  Fluss  von  Halikyai.  Mit  Recht  sagt  darüber  Am.  179.  180,  dass  ge- 
rade aus  der  ausdrUckliöhen  Erwähnung,  dass  die  griechischen  Städte  frei  sein  sollen, 
sich  ergiebt,  dass  der  Halykos  nicht  im  Westen  der  westlichsten  derselben,  Selinus, 
floss,  denn  danp  wäre  die  ausdrückliche  Erwähnung  der  Freiheit  der  Griechenstädte 
Überflüssig  gewesen,  da  es  einer  Garantie  ihrer  Freiheit  von  Syrakus  jetzt  nicht  mehr 
bedurfte.  Der  Friedensschluss  besagte,  dass  die  Griechenstädte  frei  sein  sollten,  wo 
sie  auch  lägen;  im  übrigen  sollte  aber  das  Gebidt  der  Karthager  wie  zuvo^*  an  den 
Halykos  (Platani)  reichen.  Man  darf  hinzufügen,  dass  gerade,  weil  schon  in  einem 
früheren  Friedensvertrage  (383  v.  Chr.),  den  Diod.  XV,  17  anführt,  der  Halykos  als 
GrenzflusB  genannt  wird,  der  Name  Halykos  hier  (XVI,  82)  nicht  ohne  besonderen 
Zusatz  in  einem  anderen  Sinne  gebraucht  werden  durfte;  eine  solche  Zweideutigkeit 
in  einem .  Friedensvertrage  hätte  Veranlassung  zu  endlosen  Streitigkeiten  gegeben. 
Dass  Selinus  von  karthagischem  Gebiete  eingeschlossen  war,  lässt  sich  auch  daraui^ 
schliessen,  dass  IMmoleon  sich  nicht  so  sehr  um  diese  Stadt  kümmert,  wie  um  die 
anderen  Städte  der  Südküste.  Bei  Plut  T.  35  werden  nur  Gela  und  Akragas  als 
Städte,  in  welche  Timoleon  Kolonisten  sandte,  erwähnt;  Selinus  nicht. 

S.  214.  Plut.  T.  34:  mgl  to  ^«v/ua  tT}v ''JßoXov.  Hier  emendirt  Clnvev  'l^Xaßov, 
und  man  ist  ihm  gewöhnlich  gefolgt.  Aus  dem  Lex.  Ms.  Apostol.  hat  D'Orville  405 
"AßoXog  als  Flussnamen  in  Sicilien  nachgewiesen.  Choirobosc.  in  Theodos.  ap.  Bekk. 
Ind.  Anecd.  p.  1299  hat  !///?oHaf,  a,  ovo/ua  noiafiov;  Bekk.  Anecd.  I,  p.  322:  ^j4ßoXw^ 
nojafAog  inl  Tavgofisvitfiv.  Ein  Fluss  bei  Tauromenion  passt  natürlich  nicht  in  den 
Rückzug  des  Mamerkos.  St.  B.  nennt  bei  "AßoXka  noXig  SixiXlag  keinen  Fluss.  Dies 
AboUa  ist  vielleicht  das  heutige  Avola,  auch  diese  Gegend  passt  nicht  für  den  vor- 
liegenden Fall.  Wenn  somit  auch  Abolos  ein  «ieilischer  Flussname  ist,  so  passt  doch 


472  Anhang  IIT     Belege  und  Erläuterungen. 

für  den  Rückzug  des  Mamerkos  der  Alabon  zu  gut,  aL»  dass  man  nicht  einatweiten 
an  ihn  denken  sollte.  —  -Ueber  den  Namen  Mamerkos  s.  Mommsen,  Unterital.  Dia- 
lekte S.  356.  —  Ueber  Mam.  macht  Grote  VI,  148  not.  117 'die  Bemerkung,  dass  er. 
-  wenn  er  nach  Nep.  Tim.  2  aus  Italien  kam,  jedenfalto  ein  Grieche  war,  nach  den 
Versen  zu  urtheilen ,  die  Ptut.  T.  31  von  ihm  berichtet.  Das  ist  nicht  nothwendig 
Auch  ein  Sabeller  konntcTso  viel  Griechisch  lernen,  dass  er  in  dieser  Sprmdie  an  dichteD 
vermochte. 

S.  215.  Tim.'s  Sorge  für  die  hellenischen  Städte  der  Insel  Plut.  T.  35;  Diod. 
XVI,  82  (Eamarina).    Ueber  Agsrrion  ebendas. 

S.  216.  Timoleon's  Tod  nach  Am.  191 :  336  v.  Chr.  —Ol.  110,  4,  nach  Fortman. 
Hiero  p.  50 :  337  v.  Chr.  —  Nep.  T.  5 :  proelia  maxima  natali  suo  die  fecit  omnta 
quo  factum  est,  ut  eins  diem  natalem  festum  haberet  universa  Sicilia.  Dies  ist  du 
älteste  uns  Überlieferte  Beispiel  einer  Geburtstagsfeier  im  Alterthum ;  s.  Chr.  Petersen, 
Ueber  die  Geburtstagsfeier  bei  den  Griechen  in  Jahrb.  f.  class.  Philol.  2.  Supplementbd. 
Lpz.  1856.  57,  S.  298.  Wir  dtlrfen  die  Feier  seines  Geburtstages  durch  das  Volk  als 
historisch  betrachten ,  woraus  allerdings  noch  nicht  folgt,  dass  er  an  diesem  Tage  seine 
Hauptsiege  gewonnen  hat. 

8.  218.  Ueber  Timoleon's  Frömmigkeit  Plut.  T.  36.  Praec.  reip.  ger.  2tK 
Nep.  T.  4.     Die  AhxQ^ajla  kommt  sonst  nicht  als  Grottheit  vor. 

S.  218.  Nicht  auf  Timoleon^  passt  die  von  Am.  193  ttber  ihn  gemachte  Bemer- 
kung: „dass  in  der  Politik  das  reinste  Streben  nutzlos  bleibe,  wenn  man  es  nicht 
versteht,  nur  das  zu  sehen,  was  ist,  und  nur  das  zu  wollen,  was  sich  erreichen  lässt  '- 
Timoleon  hat  gesehen,  was  war,  nämlich  Schwäche  und  Verwirrung,  and  nur  das 
gewollt,  was  sich  erreichen  Hess,  nämlich  Kräftigung  des  hellenischen  Elementes  anf 
Sicilien.  Ueber  die  Zukunft  vermag  Niemand  etwas,  und  es  ist  kein  Vorwurf  für 
Timoleon,  dass  ein  Agathokles  nach  ihm  kam.  Die  Geschichte  rühmt  Solon,  Perikles, 
Karl  als  grosse  Männer.  Und  wie  lange  hat  die  Monarchie  Karl's  gedauert?  Perikles 
hat  seiner  Stadt  Einrichtungen  gegeben,  die  ohne  dauernden  Beistand  eines  Perikles 
schwerlich  zum  Heile  des  Volkes  gereichen  konnten,  und  Solon  hat  es  noch  eriebt, 
dass  an  Stelle  der  Freiheit  die  Tyrannis  in  Athen  trat.  Niemand  kann  behaupten, 
dass  Timoleon  die  Herrschaft  des  Agathokles  verschuldet  hat.  Hätte  er  sie  etwa 
durch  eine  andere  Verfassung  verhindert?  durch  welche?  durch  eine  aristokratische f 
Es  gab  eine  natürliche  Aristokratie  schon  lange  nicht  mehr 'in  Syrakus,  und  als  bald 
nach  Timoleon's  Tode  sich  eine  künstliche  Aristokratie,  eine  Oligarchie,  in  der  Stadt 
bildete ,  da  war  gerade  diese  es ,  welche  die  Tyrannis  nach  sich  zog.  Also  brachte 
gerade  das  Verlassen  der  Bahnen  Timoleon's  den  Syrakusanem  Unglück.  Amoldf  s 
Worte  passen  dagegen  vollkommen  auf  Dion's  Bestrebungen.  —  Mit  Recht  citirt  Grote 
VI,  155  für  Timoleon's  Stellung  in  Syrakus  das  Wort  des  Xenophon,  Oeoon.  21,  12 
von  dem  (^(Tor,  ro  i&eXovrtov  aQ^tip  *  auiftog  Sk  6i6ojat  rois  aXiidipAc  <ro>if>Qcavvy  rirf- 
Xeofiivotg. 

S.  218.  Münzen  des  Timoleon.  G.  Romano,  Sopra  alcune  monete  etc.  Parigi 
1862.  4  nimmt  an,  dass  der  Typus  des  Zeus  Eleutherios  in  allen  drei  Metallen  von 
Timoleon  in  Syrakus  eingeführt  wurde:  1)  Gold.  Zeuskopf.  Rev.  Pegasos.  2}  Silber. 
a)  Zeuskopf.  Rev.  Pferd,  b)  Zeuskopf.  Rev.  Pegasos.  3)  Bronze,  a)  Zenskopf.  Rev. 
Blitz,  b)  Zeuskopf.  Rev.  Pferd.  Derselben  Ansicht  ist  der  Herzog  von  Luynes  in 
der  Revue  Numismatique  1843.  Dagegen  nehmen  Brandis,  Münz-,  Maass-  und  Ge- 
wichtssystem u.  s.  w.  S.  277  und  C.  Gemmellafo,  Cenno  sopra  una  moneta  ined. 
'  d'Imera  im  Giorn.  Gioenio  1856,  p.  26^32,  an,  dass  der  Typus  des  Zeus  Eleutherios 

in  Sicilien  älter  ist.  Von  den  Pegasosmünzen  (Münzen  mit  korinthischen  Typen),  die 
ja  nach  Romano  in  Syrakus  zuerst  von  Dion  geprägt  wurden ,  lässt  derselbe  jedoch 
Einige  deutliche  Hinweisungen  auf  Timoleon  tragen.    So  deutet  er  das  TI  auf  einer 


Zu  Buch  V,  Kap,  13,  Seite  215—218,  473 

derselben  (No.  24  bei  Romano^  auf  Timoleou,  und  die  Binde  auf  derselben  Münze 
darauf,  dass  ihm,  wie  Plut.  T.  8  erzählt,  im  delphischen  Tempel  eine  geweihte  Binde 
aufs  Haupt  fiel;  in  No.  21  und  22  deutet  nach  Romano  eine  Fackel  auf  das  Omen, 
welches  ihm,  ebenfalls  nach  Plut.  T.  8,  bei  der  Abfahrt  zu  Theil  wurde.  —  Diese  Pe- 
gasosmünzen  (Pallas-  oder  vielmehr  Aphroditekopf;  s.  Curtius  Monatsber.  der  Berli- 
ner Akad.  1869,  S.  475;  Rev.  Pegasos)  betrachtet  als  die  wahren  Timoleonmfinzen 
Raoul-Rochette,  Sur  les  mM.  Siciliennes  de  Pyrrhus  etc.  p.  244,  wobei  er  seine 
Lettre  ä  M.  le  Marquis  Arditi  in  den  Ann.  d.  Inst.  I ,  p.  340  ff.  citirt.  Ebenders. 
erklärt  sich  gegen  die  von  Haus,  Esame  della  entehre  medaglia  antiea,  battnta  in 
nome  di  tutti  i  Siciliani,  im  Giom.  delle  scienze  etc.  XYIII,  p.  71  ff.  aufgestellte  An- 
sicht, wonach  die  Münzen  mit  der  Inschrift  SIKEAISiTAN  aus  Timoleon's  Zeit  sein 
sollen;  diese  Münzen  sind  allerdings  später,  wie  ihr  Kunstcharakter  zeigt.  —  Von 
den  Münzen  mit  korinthischem  Typus  sagt  Friedländer,  Das  Münzkabinet,  Berl.  1871, 
S.  47,^  dass  sie  ,, vielleicht  der  Zeit  Timoleon's  angehören."  Auch  Curtius,  Griech. 
Colonialmünzen ,  in  v.  Sallet's  Zeitschrift  f.  Numismatik  I,  1,  1873,  S.  15  sagt:  „So 
kehrte  Syrakus  zu  den  korinthischen  Typen  zurück ,  als  es ,  durch  Timoleon  befreit, 
sich  gleichsam  neugegründet  als  dankbare  Tochter  fUhlte ;  auch  in  etwas  älteren  Serien 
tritt  zuweilen  der  Pegasos  selbst  mit  Koppa  wieder  aui."  Letzteres  beruht  auf  der 
Notiz  V.  Sallet's  in  der  Wiener  Numismat.  Zeitschrift  1870,  p.  277—70,  wonach  sich 
in  Berlin  eine  Pegasosmünze  befindet ,  welche  ZYPAK02ISIN  und  9  hat.  Ob  aber 
diese  Münze,  in  der  v.  Sallet  eins  der  wenigen  Beispiele  einer  Goncordienmünze  steht, 
älter  ist  als  Timoleon*?  Nach  allem  angeführten  darf  daran  festgehalten  werden,  dass 
von  Timoleon  die  S3rrakusanischen  Pegasosmttnzen  stammen.  —  Nach  meiner  Meinung 
hat  Timoleon  auch  den  Zeus-Eleutherios -Typus  in  Syrakus  eingeführt.  Wir  sahen, 
dass  der  Pegasos  auch  bei  diesen  Münzen  eine  wichtige  Rolle  spielt.  Allerdings  setzt 
Brandis  1. 1.  die  Zeus-Eleutherios-Münzen  aus  Bronze  viel  früher;  aber  diese  Ansetzung 
häng^  zusammen  mit  der  Mommsen'schen  Theorie  von  der  Herabsetzung  der  Litra  auf 
V5  durch  Dionys  (von  Brandis  hauptsächlich  als  eine  Erhöhung  des  Kupferwerthes 
auf  das  Fünffache  aufgefasst),  die  von  mir  oben  bestritten  ist  (S.  445).  Wie  sehr  es 
zu  Timoleon's  sonstigem  Yerüthren  stimmen  würde,  wenn  er  den  Zeus  auch  dur^h 
Prägung  von  ^Münzen  mit  Kopf  und  Namen  desselben  geehrt  hätte,  sahen  wir  oben. 
Der  Zeus-Eleutherios-Typus  findet  sich,  ausser  in  Syrakus,  auch  in  Agyrion,  Henna 
und  Aitna,  wo  er  überall  die  durch  Timoleon  bewirkte  Befreiung  von  Tyrannenherr- 
schaft bezeichnen  wird.  Von  Agyrion  und  Aitna  ist  bei  Diod.  XVI,  82  ausdrücklich 
berichtet,  dass  Timoleon  die  dortigen  Tyrannenherrschaften  aufgehoben  hat,  sodass, 
wenn  wir  in  diesen  Städten  Zeus-Eleutherios-Münzen  finden,  diese  sehr  wohl  von  Timo- 
leon herrühren  können,  und  so  ist  um  so  mehr  für  die  Einführung  des  Zeus-Eleuthe- 
rios-Typus auch  In  Syrakus  durch  Timoleon  eine  überwiegende  Wahrscheinlichkeit 
vorhanden.  —  Durch  Timoleon  erst  ward  es  wieder  möglich,  dass  sich  eine  Münz- 
prägung von  Bedeutung  ausserhalb  Syrakus  bildete.  Es  würde  sich  für  den  Nach- 
weis der  Richtigkeit  dieser  Behauptung  besonders  um  Akragas  und  Gela,  als  *der 
bedeutendsten  Städte,  handeln.  Doch  kann  ich  von  Akragas  nur  Bronzemttnzen  in 
diese  Zeit  setzen,  während  von  Gela  Schubring  mit  Recht  eine  Silbermünze,  die  be- 
kannte Eunomiamünze,  in  diese  Zeit  gesetzt  hat  (Schubring,  Münzen  von  Gela  S.  146}. 
Schliesslich  erwähne  ich  noch ,  dass  Romano  auch  den  auf  Münzen  von  Hadranon, 
Kentoripa,  Tauromenion  sich  findenden  Apollokopf  für  von  Timoleon  herrührend  er- 
klärt; Beziehungen  Timoleon's  zu  diesen  Städten  liegen  bei  Diod.  XVI,  68.  69.  82  vor. 


474  Anliang  III.    B6leg;e  uad  ErMiiiterangen. 


Sechstes  Buch. 
ErstesKapiteL 

S.  219.  Ueber  AgathoklesG.  Hamning,  De  Agatbocie  Sioulo,  Tr^.  lSa5.  8. 
Klinkmüller,  De  prineipatu  Agatfaoclis  lustino  ducc^,  Sor.  1844.  4.  0.  Kalmus,  Leben 
des  Agatbokles.  I.  Treptow  1865.  4.  H.  Wiese.  De  Agathoole  SyracusaiK>riim  ty- 
raoDo,  Mouast.  1867.  S,  sowie  Ferrari,  Der  Krieg  des.  Agatbokles  gegen  K^^rthago.  l. 
Bril.  1872.  4,  nebst  Plass,  Tyraunis  II,  269—96;  Grote  VI,  737—780  und  d.  Art.  in 
Pauly's  B.  E.  I,  I,  527  —  34.  Ein  Programm  von  Chevalier,  Prag  1869  über  Aga- 
tbokles kenne  ich  nicht. 

S.  219.  Jugend  des  Agatbokles.  Ag.  starb  nach  Diod.  XXI,  16  (Hoesch.) 
72  Jahre  alt,  nach  einer  Regierung  von  2$  Jahren,  im  J.  289  v.  Chr.,  er  war  abio 
geboren  361  v.  Chr.  Es  irrt  Luc.  Macr.  10,  der  ihm  ein  Alter  von  75  Jahren  giebt, 
trotz  seines  Citates  des  Timaios.  Vgl.  Plass  II,  270,  n.  1.  Zum  Geburt^ahr  361 
stimmt  auch  die  Angabe  des  Polyb.  XII,  15,  dass  er  18  J.  alt  nach  Syrakus  kam, 
nämlich  im  J.  343  mit  den  damals  von  Timoleon  herbeigezogenen  Kolonisten;  nach 
Diod.  XIX,  2  wäre  er  freilich  7  Jahre  alt  nach  Syrakus  gekommen.  —  Ag.  Sobn 
eines  Töpfers  und  selbst  TQpfer  Plut.  Ap.  r.  (Hutt.  VIII,  92);  Plut.  de  sui  lau<te  13 ; 
Polyb.  XII,  15;  XV.  35;  Diod.  XIX,  2;  lust.  XXU,  1.  -  Sagen  Diod.  XIX,  2.  In 
der  grösseren  Zahl  derselben  sieht  Ferrari  nur  eine  Nachdichtung  der  Cyrussage ;  fUr 
das  Omen  des  Bienenschwarmes  cit.  er  Plin.  XI,  55;  Val.  M.  I,  6,  4;  Liv.  XXIV,  10; 
Ael.  V.  B.  XII,  45.  46.  Vgl.  über  G«lon  Bd.  I,  S.  2U,  über  Dionys  oben  S.  4%S, 
über  Hieron  II.  lustin.  XXIII,  4.  —  Unsittliches  Leben  des  Agath.  in  seiner  Jugend 
Diod.  XIX,  3;  Tim.  (Fr.  145  M)  ap.  Polyb.  KU,  15;  lustin.  XXII,  1. 

S.  220.  Bei  lust.  XXII,  1  ist  Aetnaeos  falsch,  da  es  offenbar  die  sogieioh  ge- 
nannten Kampaner  sind,  die  trotz  Diod.  XVI,  82  in  Aetna  wohnen.  Es  musste  nach 
Diod.  XIX,  3  Agrigentinos  heissen.  —  Die  Zeit  der  Heirath  des  Agatbokles  läset 
sich  aus  dem  Umstände  schliessen,  dass  er  nach  Diod.  XX,  34  im  J.  309  einen  erwach- 
senen  Sohn  hatte,  der,  selbst  im  J.  307  getödtet,  einen  Sohn  hinterliess.  Also  mag 
sich  Ag.  um  333  verheirathet  haben.  S.  Fortman,  Hiero  p.  5o  not.  —  Bei  Diod. 
XIX,  4  hätte  statt  xat^f46v€v  fv  'IraUif  stehen  müssen :  än^l&tv  iis  'IraXiav. 

S.  223.  Ag.  in  Verbindung  mitHamilkar  nach  lust.  XXII,  2:  peculiaria  in  ipsum 
(Amilc.)  officia  sui  repromittens  (Ag.),  qua  spe  inpletus  Amilcar  societatem  cum  eo 
motu  eins  potentiae  iungit,  ut  quantum  virium  Agathocli  adversus  Syracusanoe  de- 
disset,  tantum  ipse  ad  incrementa  domesticae  potentiae  reciperaret.  In  diesen  Worten 
liegt  die  Absicht  Hamilkar's,  sich  zum  Herrscher  von  Kartha^  zu  machen,  angedeutet, 
was  man  bisher  nicht  genügend  erkannt  hat.  Ag.  erhielt  von  Ham.  5000  Afrikaner 
nach  lustin.  Auch  Diod.  XIX,  6  deutet  eine  frühere  Verbindung  mit  den  Karthagern 
an:  rot;;  aur^  TtQortQoy  avfÄnoQfvd-ivzas  n()hg  KuQx^^^vCovg,  Der  bei  Diod.  XIX,  5 
erwähnte  Eid  firidh  hnvma&r^oia&tti  rjjl  dtifioxQaritf  ist  bei  lust.  XXU,  2  in  obsequia 
Poenorum  inrare,  er  hat  also  zugleicb  versprochen,  die  Karthager  nicht  zu  befehden. 
Bei  Diod.  XIX ,  65  werden  aw&ijxM  zwischen  Agatbokles  und  den  Karthagern  an- 
gedeutet. 

S.  224.  Die  600  heissen  bei  Diod.  XIX,  5  avr^^gior,  cap.  6  iT€a^t(€(,  bei  lust. 
XXII,  2  senatue.  Als  Häupter  werden  von  Polyaen.  V,  3,  8  Tisarchos,  Anthropinos 
und  Diokles  genannt. 


Zu  Bm:h  VI.  K^p.  J  ".  -'.  Seite  219— 2H:3.  475 


1  

Zweites   Kapitel. 

S.  22<).  Polyb.  IX,  2:^  behauptet  von  Agathokles,  'dass,  nachdem  er  otuoTuros 
xnßa  T^j'  xftraaKevqv  rf^s  t^vraarfiag  gGWQBen.  sei,  er  spater  rnufQornjog  doxii  ytyovivat 
x€H  nQtfoinrog.  —  Einfaches  Auftreten  des  Agathokles  —  ovxi  tftadijfia  aviXaßtv  ovrf 
^o(tvifot)ovg  dxtv  ovrt  6vgivrtv^(Kv  iCffltüafv  —  und  Sorge  für  Wehrhaftigkeit  der 
Stadt  Diod.  XIX,  }).  Auch  als  er  den  KOnigstitel  annahm,  legte  er  kein  Diadem  an 
Diod.  XX.  54. 

S.  226.  Belagerung  von  Messana,  Polyaen.  V,  15  etwas  abweichend  jerEählt 
bei  Diod.  XIX,  65,  wo  karthagische  Gesandte  die  Eroberung  der  Stadt  verhindern 
durch  Berufung  auf  avy&^ai.  Grote  u.  A.  bringen  mit  Unrecht  den  erst  später  auf- 
tretenden zweiten  Hamilkar  in  diese  Geschichte  hineinv  Der  Zusammenhang  ist  fol- 
gender. In  Sicilien  gebot  noch  der  erste  Hamilkar,  der  Agathokles  begünstigte; 
aber  die  Behindernng  des  Ag.  in  der  messenischen  Angelegenheit  ging  vom  kartha> 
gisohen  Senate  selbst  aus.  Diod.  XIX,  71  haben  wir  wieder  die  den  Ag.  fördernde 
Vermittelnng  des  ersten  Hamilkar;  Syrakus,  d.  h.  Agathokles,  sollte  die  Hegemonie 
haben.    XIX,  72  wird  deshalb  auch  Hamilkar  vom  karthagischen  Senate  getadelt. 

S.  226.  Akrotatos  von  den  Aki*agantinem  geholt  Diod.  XIX,  70.  Droysen, 
Hellenismus  II^  94  sagt ,  die  Akragantiner  übergehend :  „Die  Tarentiner  nahmen  den 
Spartaner-KOnig  Akrotatos  in  Sold."*  Akr.  war  nicht  König.  Dr.  hat  hier,  wie  auch 
sonst  in  diesem  Abschnitt,  den  Tarentinern  mehr  Einfluss  und  Macht  sugeschrieben, 
als  sie  hatten.  —  Bei  Diod.  XIX,  71  schliessen  Akragantiner,  Geloer  nnd^  Messenier 
mit  Ag.  Frieden;  c.  102  sind  die  Messenier  die  einzigen  Feinde  des  Agathokles,  und 
doch  komnlt  ebendas.  Akragas  als  feindlich  vor. 

S.  231.  Zu  bemerken,  ist  die  Aeusserung  von  Diod.  XIX,  72:  x'^qU  y«Q  rwr 
av/Lt^axtov  xcti  kov  älktov  rtav  fx  ^vQrtnovätüv  xnraygaff^vttov  iig  thv  OTQardap  uia^o- 
(poQovg  inil^xiovg  il^f  TteCovg  fiii>  fivQ^ovg,  Innug  i5h  TQtaxtXiovg  nfvTrtxocfiovg.  Die 
xarayQatf^ftfg  sind  also  ausgehobene  Bürger,  und  Ag.  hat  an  Söldnern  nur  10,000 
zu  Fuss  und  3500  Reiter.  Wenn  wir  dagegen  lesen  (Diod.  XVI,  9),  dass  die  von 
Dionys  I.  hinterlassene  Macht  betrug:  100,000  M.  zu  Fuss  und*  10,000  Heiter,  welche 
nicht  syrakusanische  Bürger  gewesen  sein  können,  so  sieht  man,  dass  Agathokles 
mit  mehr  Syrakusanem  und  weniger  Söldnern  regierte  als  Dionys.  Hierbei  ist  aller-» 
dings  nicht  zu  übersehen,  dass  wohl  die  meisten  Syrakusaner  unter  Timoleon  herein- 
gekommene Neubürger  waren ;  es  fehlte  ihnen  die  alte  Anhänglichkeit  an  Syrakusens 
frühere  freie  Verfassung.  Auch  die  anderen  sicilischen  Städte  stellen  dem  Agathokles 
Tmppen,  Diod.  XIX,  72.  XIX,  71  wird  ihr  Verhältniss  so  bestimmt  rag  cT'  iMm 
ndaag  avrovofdovg  eimi,  rrjv  rfyt^oviav  i^ovriav  £vQaxoa((t)v. 

S.  232.  Der  zweite  Hamilkar  Gisgonis  filius  genannt  von  lust.  XXII,  3.  Nach 
Diod.  XIX,  106  kommt  er  erst  im  J.  3)1  v.  Chr.  nach  Sicilien;  aus  lustin  ist  jedoch 
zu  schliessen ,  dass  er  bereits  vor  diesem  Jahre  dort  gewesen  ist ,  offenbar  seit  dem 
J.  314,  wo  der  erste  Hamilkar  abgesetzt  wurde  Diod.  XIX.  72.  Vgl.  A.  Schäfer  im 
Rhein.  Mus.  XV,  393—395,  Wiese  p.  33  und  Grote  VI,  742,  über  dessen  Irrthum  in 
Betreff  des  ersten  Auftretens  des  zweiten  Hamilkar  oben  gesprochen  ist. 

S.  232.  Handabhauen  von  den  Karthagern  geübt  Diod.  XIX,  103.  Grote  VI, 
745  n.  25  bemerkt,  dass  sogar  Caesar  das  tbnn  Hess:  B.  G.  VIII,  44.  Bei  Diod.  XIII, 
57  sind  es  die  Hände  der  Getödteten,  die  umhergetragen  werden. 

S.  233.    Schlacht  gegen  die  Karthager  am  Eknomos  Diod.  XIX,  108.  109;  kurz 

,     abgefertigt  von  lust.  XXII,  3.    Vgl.  Schubring,  Hist.-geogr.  Studien  über  Altsicilien, 

im  Rh.  Mus.  N.  F.  XXVIII,  S.  134:  „Die  Schlacht  wurde  lange  verzögert,  bis  die 

Griechen  von  einem  Hinterhalte  aus  Detaohements  der  Karthager  vernichteten.    Dieser 


476  AnhaDg  III.    Belege  und  Erläuterangen. 

Hinterhalt  wird  hinter  der  Kuppe  nördlich  von  Casa  Ferrami,  53  Meter  hoch,  verbor- 
gen gewesen  sein."  Nachdem  die  Griechen  geschlagen  sind,  flieht  ein  Theil  „nach 
Norden  am  Fluss  entlang,  ein  Theil  durch  denselben  nach  dem  Lager."*  C.  Filib. 
Pizzolanti,  Delle  memorie  istoriche  deü'  antiea  citta  di  Gela,  Pal.  1753.  4,  hält  das 
heutige  Licata  für  Grela,  wo  dann  allerdings  die  geographische  Disposition  dieser 
Schlacht  einige  Schwierigkeiten  macht.  Er  kann  dann  natürlich  den  Eknomos  nicht 
mehr  flir  den  Berg  unmittelbar  an  Licata  erkl&ren,  er  muss  ihn  etwas  weiter  nach 
Westen  setzen.  Er  nimmt  deshalb  an,  dass  das  karthagische  Phalarion  S.  Nicoolo- 
Polixia  war,  und  dass  Agathckles  in  Rakalmallina,  Östlich  vom  Himeras,  aber  nörd- 
lich vom  Stretto,  stand,  wo  man,  worauf  P.  Gewicht  legt,  den  Fluss  zu  Fuss  durch- 
schreiten kann.  S.  Niccolo  und  Rakalmallina  sind  5  Mill.  von  einander  entfernt,  was 
die  40  Stadien  ausmacht,  Über  die  sich  nach  Diod.  XIX,  109  der  Rückzug  ausdehnte. 
Bei  dieser  Anordnung  der  beiden  Lager  bleibt  immer  die  Frage,  warum  Agathokles, 
der  ja  Gela,  nach  Pizzolanti,  Licata  hatte,  sein  Lager  soweit  nOrdÜch  von  dieser  Btadt 
legte,  wenn  die  Feinde  so  nahe  im  Westen,  bei  Polixia,  standen ,  und  wie  er  es  an- 
fing, als  Geschlagener  wieder  in  ihre  Nähe,  nämlich  nach  Gela-Licata  zu  rttcken.  Es 
ist  also  Pizzolanti B  Annahme:  Grcla  =  Licata ,  unmöglich.  —  Bei  Diodor  bleibt  eine 
Schwierigkeit.  XIX,  109  sagt  er  von  den  geschlagenen  Griechen:  ^(fevyov  <r  ol  fiiv 
üg  rov  ^JfiiQuv  norafiov ,  ol  (T  tig  trir  n€tQ(fißoXiiv,  Auch  die  in  das  Lager  Fliehen- 
den mussten  ja  über  den  Fluss.  Schabring's  oben  cit.  Erklärung :  ,^ein  Theil  am  Fluss 
entlang,  ein  Theil  durch  denselben  nach  dem  Lager"  entspricht  wenigstens  nicht  den 
Worten  Diodor's. 

S.  234.    In  diese  Zeit  scheint  die  von  Polyaen.  VI,  41,  1  erzählte  Begebenheit 
zu  gehören.  —  Wann  erobert  Agathokles  Leontini:  Polyaen.  V,  3,  2? 


Drittes   KaplteL 

S.  235.  Zug  des  Agathokles  nach  Afrika  Diod.  XX,  3—18;  29—34;  38--44; 
54 — 72,  wo  auch  die  gleichzeitigen  sicilischen  Begebenheiten  erzählt  sind.  lust.  XXH, 
4—8.    Ferrari,  Der  Krieg  des  Agathokles  u.  s.  w.  S.  19  ff. 

S.  236.  Nach  lust.  XXII,  4  ziehen  1600  Syrakusaner  aus  der  Stadt  fort;  von 
Mord  ist  keine  Rede.    Anders  Polyaen.  V,  3,  5. 

S.  237.  Datum  dbr  Sonnenfinstemiss  Wiese  39  n.  1.'  Bei  Frontin  I,  12,  9  ist 
aus  der  Sonnenfinstemiss  eine  Mondfinstemiss  gemacht. 

S.  238.    Verbrennung  der  Schiffe  Diod.  XX,  7;  lust.« XXII,  6.  ^  Dass 

Agath.  sich  bemühte,  sich  rechtzeitig  Schiffe  wieder  zu  verschaffen,  sieht  man  aus 

der  Notiz  bei  App.  B.  Pun.  67,  dass  sich  von  Ag.  angelegte  vet^w  in  Hippagreta 

,  zwischen  Karthago  und  Utika  befanden.  —  Wegen  des  Yerbrennens  der  Schiffe  vgl. 

Thuk.  III,  85  und  Diod.  XVH,  23. 

S.  238.  Ueber  den  Marsch  des  Agath.  spricht  Grote  VI,  750  nach  Barth, 
Wanderungen  durch  die  Küstenländer  des  Mittelmeeres  I,  131  — 133..  B.  nimmt  an, 
Ag.  sei  gelandet  an  der  Ostseite  des  westlich  von  Cap  Bon  (Prom.  Mercurii)  gelegenen 
Meerbusens.  Hier,  finden  sich  sehr  ausgedehnte  Steinbrüche,  entsprechend  Diod. 
XX,  6 :  unoßtßaaas  r^  4vva/jiv  jiQog  rag  xaXovfiivai  uiaxo^iag.  Auch  Megalepoh's 
(Diod.  XX,  8}  setzt  B.  hierher.  —  lust.  XXU,  5  bezeichnet  die  karthagischen  Städte 
als  sine  uUis  munimentis.  Vgl.  Grote  VI,  750,  n.  38.  Nach  Procop.  B.  Vand.  I, 
5,.  15  Hess  auch  Geiserich  alle  Städte  seines  Gebietes,  ausser  Karthago,  aus  Mistrauen 
unbefestigt,  was  dann  ihre  Eroberang  durch  Belisar  begünstigte. 

S.  238.  Es  heisst  bei  Diod.  XX,  8:  nqog  thv  uitvxov  Tvvrita  »alovfi€vov 
'^^vafiv^ag  ^)^iiQwCaro  ti^  nokiv^  anix^vCuv  KoQX^^^^og  diCx*^(ovg  Crttdiüvg,   Hier  ent- 


Ztt  Buch  VI,  Kap.  2  n.  3,  Seite  234—252.  477 

stehen  zwei  Fragen:  ist  ^evxos  Tvvmg  gleich  Tt^;  nnd  lAt  die  Zahl  2000  lichtig? 
Wesseling  nimmt  die  beiden  Städte  als  verschieden  an;  Grote  VI,  75],  n.  40  dage- 
gen für  identisch.  Da  nun  Tunes  bekanntlich  nahe  bei  Karthago  liegt  (120  Stad. 
nach  Pal.  I,  67,  XIV,  10;  15  mp.  nach  Liv.  XXX,  9),  so  nimmt  Grote  einen  Irrthnm 
in  der  Zahl  2000  an.  Gr.  erinnert  daran,  dass  Tunes  oft  der  Ausgangspunkt  der 
Operationen  gegen  Karthago  war:  im  J.  396  Diod.  XIV,  77  ;  bei  Begulus  Polyb.  I,  30; 
bei  Matho  und  Spendius  P0I..I,  73.  So  ist  es  auch  in  unserem  Kriege  Diod.  XX,  17 
der  Fall.  Es  fragt  sich  nur,  ob  XX,  17  und  XX,  8  dieselbe  Stadt  gemeint  ist.  Da 
nun  XX,  8  steht:  xarioxatpi  rag  nolnQ^  WO  auch  Weiss-Tunes  inbegriffen  ist,  XX, 
1 7  aber  Tunes  Mauern  hat,  so  nehme  ich  Weiss-Tunes  als  von  Tunes  verschieden  an. 
Die  2000  Stadien  bei  Diodor  XX,  8  halte  ich  jedoch  unter  allen  Umständen  für  falsch. 

S.  239.  lieber  Bomilkafs  Absichten  lust.  XXII,  7,  wo  er  selbst  auf  Amilca- 
rem,  patruum  sunm,  hinweist.  —  Schlacht  bei  Diod.  XX,  10^13.  Grote  VI,  752 
findet  die  karthagische  Macht:  40,000  M.  zu  Fuss  und  1000  Reiter,  nicht  zu  gross, 
da  noch  im  3.  pun.  Kriege  die  Stadt  700,000  £inw.  hatte :  Str.  XVIII,  3,  15.  —  Be- 
schreibung der  ehernen  Bildsäule  des  Kronos  Diod.  XX,  14.  —  Nach  Movers,  Phö- 
nicier  I,  300  wurden  anfangs  einzige  Kinder  als  Opfer  verlangt. 

S.  242.    Zwei  Gesandtschaften  nach  Syrakus  nimmt  an  Wiese  p.  46. 

S.  242.  Grote  VI,  755,  n.  48  spricht  Über  die  sich  ans  Diod.  XX,  17  ergebende 
Lage  von  Hadrumetum.  Wegen  des  dort  gesehenen  Feuers  mttsste  es  HamamalTsein. 
Da  aber  aus  anderen  Gründen  wahrscheinlich  sei,  dass  Hadrumetum  bei  Susa  lag,  so 
sei  Diodor's  Angabe  unrichtig,  und  er  hätte  in  diesem  Zusammenhange  nicht  von 
Hadrumetum  sprechen  sollen.' 

S.  243.  lieber  die  Lage  des  £uryelos  mit  Rücksicht  auf  den  von  Diod.  XX, 
29  gewählten  Ausdruck  iS^ntaif;av,  welcher  anzudeuten  scheint,  dass  der  Enryelos 
ausserhalb  des  Festungsringes  von  Syrakus  lag,  habe  ich  oben  S.  386  gesprochen. 

S.  246.  Echetla,  welches  Diod.  XX,  32  im  Znsammenhange  mit  den  €(ebieten 
von  Leontini  und  Kamarina  erwähnt,  sucht  Schubring,  Studien  u.  s.  w.  Rh.  Mus. 
N.  F.  XXVIII,  S.  112  in  Vizzini  oder  Licodia. 

S.  247.  Sohn  und  Enkel  des  Agalhokles  heissen  bald  Archagathos.  bald  Aga- 
tharchos. 

S.  249.  Heber  die  Zustände  in  Kyrene  vgl.  Grote  Vi,  761  ff.  Ders.  765  über 
den  neginXovg  des  Ophelias  nach  Str.  XVIII,  3,  3.  —  Die  Soldaten  des  Oph.  hatten 
auf  dem  Marsehe  eine  Zeitlang  nur  Lotos  zu  essen:  Theophr.  H.  PI.  IV,  3.  >-  lieber 
den  Marsch  Diod.  XX,  42;  Grote  VI,  766,  n.  86  vergleicht  die  Schilderung  bei  Lucan. 
Phars.  IX,  382 — 940.  -r  lieber  den  Ontergang  des  Ophelias  berichtet  auch  Polyaen. 
V,  3,  4,  dass  Ag.,  nachdem  er  erfahren  üpai  (piXonatia,  o/ti^^oy  avrtp  rov  t^iov  vlov 

oUytüp  IjfAtQtSv.  So  wird  des  Ophelias  Aufmerksamkeit  von  Agathokles  abgezogen, 
und  dieser  kann  ihn  überfallen  und  tödten. 

S.  252.  Bei  Diod.  XX,  54  ist  a(ptartix6tag  schwer  erklärlich ,  da  Agath.  Utika 
ja  noch  nicht  gehabt  hatte.  Deshalb  conj.  Wiese  54,  n.  2  avTecf^rixoTac,  Grote  VI, 
768,  n.  93  ovx  dtptaxrixoTag,  Vgl.  Polyb.  I,  82.  A.  Schäfer,  Rh.  Mus.  N.  F.  XV,  397 
vertheidigt  jedoch  aiftatiixojag  durch  die  Erklärung:  Utika  sei  wie  andere  nobilis- 
simae  urbes  (lust.  XXII,  6)  zu  Agath.  ttberg^angen,  dann  aber  wieder  zu  Karthago 
zurückgetreten. 

S.  252.  Da  nach  Diod.  XIX,  7 1  Agath.  Selinus  den  Karthagern  abgetreten  hatte, 
so  konnte  statt  üg  ^eXtvovvra  XX,  56  etg  t^v  JEeXtvowriav  gelesen  werden.  —  Den 
Umstand,  dass  bei  Diod.  XX,  56  Kepfaaloidion  und  Heraklei«  zusammen  ge- 
nannt werden,  hat  man  zur  Erklärung  der  Münzen  benutzt,  welche  beider  Städte 
Namen  zusammen  tragen.     Diese  MüAzen  sind  zum  ersten  Mal  genau  beschrieben 


478  Anlianf?  III.    Belege  und  Krlatiteningeii. 

worden  von  Dr.  Imhoof-Blamer  in  den  Berliner  Blättern  u.  s.  w.  Bd.  V.  Die  Inschrift 
ist  auf  dem  A^vers  EK  KE^t^AAOr.ilOY,  auf  dem  Revers  HPAKAEiaTAN,  Es  ist 
also  eine  Münze  der  Stadt  Uerakleia,  aber  die  Einwohner  derselben  stammen  aas 
Kephaloidion.  Es  wäre  wUuschenswerth,  die  Gelegenheit  angeben  zu  können,  bei  der 
eine  solche  Besiedelung  Herakieia's  durch  Kephaloiditaner  stattgefunden  hat.  Positive 
Kachrichten  darüber  fehlen.  Nun  war  Uerakleia  noch  zur  Zeit  Dion's  karthagisch 
und  hiess  Minoa  Diod.  XVI,  9;  Plut.  D.  25;  wurde  aber,  da  es  östlich  vom  Halykos 
liegt,  durch  Timoleon  hellenisch.  Wie  nun  Timoleon  flir  neue  Einwohner  in  Akragss 
und  Gela  sorgte,  wird  er  es  auch  mit  Uerakleia  gemacht  haben,  und  diese  Uera- 
jkleioten  sind  nach  unseren  MUnsen  aus  Kephaloidion  gekommen.  So  erklärt  sich  die 
Inschrift.  In  derThat  ist  bei  Diod.  XIX,  71  Herakleia  wieder  eine  hellenisebe  Stadt. 
Auf  dem  Zuge  des  Agath.  durch  die  Insel  sind  nach  Romano  die  bei  Cammarata 
gefundenen  Münzen  vergraben  worden,  welche  den  Ausgangspunkt  fiir  die  Schrift 
Sopra  alcune  monete  etc.  Par.  Ib62.  4  bilden. 

S.  253.  Ueber  die  von  Eumachos  (Diod.  XX,  57.  58)  eroberten  Städte  sagt  Grote 
VI,  770,  n.  97,  es  sei  ein  vergebliches  Bemühen,  sie  genau  bestimmen  zu  wollen. 
,,Das  zweite  Hippuakra  soll  Hippo  Regius  sein,  Toka  mag  vielleicht  'Fueoa  Terebin- 
thina  in  Byzakion  sein.'' 

S.  254.    Bei  Diod.  XX,  00  ist  für  ^y  rj  noXu  vielleicht  zu  lesen  Iv  nn  tiöIh. 

S.  254.  Die  etruskische  Hülfe  für  Agath.  (Diod.  XX,  61)  ist  ein  interessantes 
Factum.  Die  Etrusker  sind 'den  R5mem  im  J.  307  feindlieh,  weangleloh  niclit  in 
offenem  Kriege.  Die  Römer  schliessen  306  einen  Vertrag  mit  Karthago.  Allerdings 
hat  Ag.  auch  sonst  etruskische  Söldner  (Diod.  XIX,  106;  XX,  11;  XXI,  3);  aber  die 
18  Schiffe  sind  doch  von  Stadtbehörden  geschickt.  So  ist  das  Zusanmenstehen  von 
Etrurien  und  Syrakus^m  J.  307  gegen  Rom  und  Karthago  bemerkenswerth. 

S.  255.  Ag.  nimmt  den  Königstitel  an  Diod.  XX,  54,  nachdem  Antigenes  ihn 
angenommen  hatte,  307  v.  Chr.  Droysen,  Uellenism.  I,  454  hat  jene  Annahme  durch 
Antigonos  'in  306  v.  Chr.  gesetzt,  woraus  dann  auch  i"^  A^Üiokles  sich  dasselbe 
Datum  ergäbe.  Diodor  bringt  sie  bei  Agathokles  in  Verbindung  mit  dem  Angriff  aaf 
Utika,  äer  307  zu  setzen  ist.  >  Uebrigens  brauchte  sich  Agadiokies  in  dieser  Hinsicht 
nicht  nach  Antigonos  zu  richten;  er  konnte  Dionys  vor  Augen  haben;  s  Kirchhoff 
im  Philol.  XII,  576.  Es  ist  jedoch  keineswegs  sicher,  dass  Droysen  Recht  hat,  eine 
Anzahl  von  Begebenheiten  in  306  zu  setzen,  die  nach  Diodor  in  307  fallen. 

S.  256.  Zur  Opferung  der  schönsten  Gefangenen  durch  die  Karthager  (Diod. 
XX,  65)  citirt  Grote  VI,  773,  n.  10  Herod.  VII,  180  von  den  Persern. 

S.  257.  Rückkehr  des  Agathokles  nach  Afrika  erst  im  J.  306  nach  Plass  H. 
287,  der  nachzuweisen  sucht,  dass  hier,  wie  oft,  Diodor  zu  viel  in  ein  Jahr  zusam- 
mendrängt. 

S.  258.  Vertrag  zwischen  Rom  und  Karthago  im  J.  306  nach  Liv.  IX,  43;  vor- 
her im  J.  348  nach  Liv.  VII,  27-,  344  nach  Diod.  XVI,  69.  Die  Verträge  stehen  bei 
Polyb.  III,  22  ff.,  der  freilich  den  ersten  in  das  J.  509  v.  Chr.  setzt.  Dass  diea  jedoch 
irrig  ist,  hat  Mommsen,  Rom.  Ghronol.  S.  320  ff.  erwiesen.  Vgl.  Mommsen,  R  0. 
19,  417.  419.  500;  dazu  jedoch  auch  Aschbach,  Ueber  die  Zeit  des  Abschlusses  der 
zwischen  Rom  und  Karthago  errichteten  Freundschaftsbündnisse,  Sitzungsber.  derphil- 
hist.  Classe  der  Wiener  Akademie.  1859,  und  bes.  S.  434  daselbst.  Das  Jahr  3U6  ist 
also  von  grosser  Bedeutung:  Auseinandersetzung  zwischen  Rom  und  Karthago;  Auf- 
geben Afrika's  durch  Agathokles ;  definitiver  Auseinanderfall  des  grossen  makedoni- 
schen Reiches:  Rom  und  Karthago  bleiben  als  Hauptmächte  auf  dem  Schauplätze. 


Zu  Buch  VI.  Kap.  3  ii.  4,  Seite  252— i6S.  479 


Yiertes   KftpiteL 

Hauptquelle  Diod.  XX,  71.  72.  77.  79.  89.  90.  101.  104.   Fragm.  des  XXI.  Boches. 
8.  258.    Des  Agathokles  Grausamkeit  gegen  Segesta  Diod.  XX,  71.    Grote  VI, 
77G  vergleicht  damit  die  That  der  Pheretime  in  Barka  bei  üerod.  IV,  202.    Man 
künnte  der  Ansicht  sein,  dass  nicht  zur  AlMchreckung,  sondern  nur  um  Geld  zu  be- 
kommen, Agathokles  in  Segesta  gewüthet  habe,  doch  glaube  ich  das  nicht. 

S.  258.  In  den  Friededsbedingungen  Diod.  XX,  79  deuten  die  Worte  rac  nolng 
Tifiaac  Tag  ngotiQov  vn  aifzove  yiyfvrifjiivag  darauf  hin,  dass  die  alte  Halykösgränze 
wiederhergestellt  wird.  —  Nach  Val.  Max.  7,4,1  wäre  Friede  zwischen  Karthago 
und  Agathokles  geschlossen  worden,  während  dieser  noch  in  Afrika  stand.  S.  über 
die  UnmöglKhkeit  solchen  Friedens  A.  SchSfer  im  Bh.  Mus.  N.  F«  XV,  S.  394. 

S.  260.  Bei  Diod.  XX,  89  statt  «vo  tw^s  loifov  wohl  ano  tov  loipov  zu  lesen, 
da  der  X6<fos  schon  erwähnt  ist.  —  lieber  die  Orte  ToQyiov  und  *L4fißuefg  bei  Diod. 
XX,  89  spricht  Corcia,  Delle  antiche  citt&  della  Sicilia  d'ignota  situazione,  Nap. 
1 S69.  4,  p.  52  .ff. ;  für  Togyiov  ist  die  handschr.  Lesart  roQytov ,  schon  von  Cluver 
jedoch  in  Togyiov  emendirt,  nach  Hesych.  T&^iov  o^og  h  £ixiUtfy  onov  veoTttvovatv 
oi  yvnes,  a(f*  ov  xal  avrol  roQyot.  Corcia  findet  Tögyiov  in  Galtavuturo,  was  castello 
degli  avoltoi  bedeute,  wieder. 

S.  260.  Der  bei  Diod.  XX ,  90  vorkommende  unklare  Ausdruck :  dniij  xQ^vov 
avaX<6aag  ttg  ri^  rcS»*  noUfJLi^v  nagudootv^  von  D&iuokrates  gebraucht,  ist  von  Piass 
II,  291  richtig  so  gedeutet  worden ,  dass  er  sich  auf  die  nun  folgenden  zwei  Jahre 
bezieht.  £r  enthält  nicht  etwa  eine  Becapitulation.  Deshalb  unterlässt  es  Diodor, 
der  diese  Andeutung  für  genügend  gekalten  haben  muss,  in  den  nächsten  Jahren  von 
Sicilien  zu  sprechen,  und  es  kommt  in  den  3  folgenden  Jahren  von  sicilischen  An- 
gelegenheiten nur  der  Ueberfall  von  Lipara  vor. 

S.  261.  Expedition  nach  Lipara  Diod.  XX,  101.  Kallias  handelte  ausfuhrlich 
davon,  wie  er  auch  von  den  Bömem  ausftlbrlich  handelte ,  mit  denen  Ag.  in  Berüh- 
rung gekommen  sein  muss.  Die  Bemerkung  über  die  Bache  der  Götter  ist  offenbar 
Timäisch. 

S.  261.  lieber  Kleonymos  Diod.  XX,  104;  Liv.  X,  2;  Ar.  mir.  78,  vgl.  J.  J. 
Bospatt,  Kleonymos  von  Sparta  in  Italien,  Philologus  23,  72  ff.  Gegenüber  der 
Ueberschätzung  der  Wirksamkeit  des  Kleonymos  durch  Droysen  II,  95.  96,  vgl.  die 
kurze  und  treffende  Charakteristik  bei  Mommsen  B.  G.  I^  378. 

S.  261.  Agathokles  und  Kerkyra  Diod.  XXI,  2.  Droysen  I,  559.  560,  der  in 
Anm.  14  dieser  Seite  auseinandersetzt,  welche  Beziehungen  zwischen  Ptolemaeus  und 
Agathokles  sich  aus  der  kerkyräisohen  Expedition  des  Agathokles  schliessen  lassen. 
Hierher  geh(ht  Polyaen.  V,  3,  6,  da  Phoinike,  wie  Droysen  560  nachweist,  die  Ker- 
kyra gegenüberliegende  Stadt  ist.  Allerdings  giebt  der  unerwartete  Ausgang  des 
Krieges  um  Kerkyra  dem  Gedanken  Baum ,  ob  nicht  die  GrOsse  des  agathokleischen 
Sieges  übertrieben  ist. 

S.  262.  Agathokles  überfällt  Kroton,  Diod.  XXI,  3.  4;  Inst.  XXIII,  1.  —  Ueber 
des  Ag.  Verbindung  mit  Pyrrhos  Plut.  Pyrrh.  9.  10;  Diod.  XXI,  4.  In  Betreff  der 
Heirath  des  Pyrrhos  und  der  Lanassa  sagt  Droysen  I,  577  Anm.  57 :  „Offenbar  musste 
Ptolemaeus  diese  Verbindung  befördern,  damit  der  Vertreter  seiner  Sache  in  Grie- 
chenland desto  grössere  Gewalt  erhielt/ 

S.  262.  Auch  der  Tyrann  Nabis  von  Sparta  trieb  ein  Seeräubergeschäft  im  Grossen, 
Polyb.  XIII,  8 ;  ebenso  der  l'yrann  Kleon  von  Sikyon  Ael.  V.  H.  XII,  43. 

S.  263.  Agathokles  und  Hipponion  Diod.  XXI,  S:  inivtiov  des  Ag.  in  Hip- 
poüion  Str.  VI,  1.  5.    Ueber  viioQi^  des  Ag.  in  Hippagreta  in  Afrika  s.  o.  S.  476. 


480  Anhang  IIT.    Belege  und  Erläuteningeu. 

S.  263.  Tod  des  Agathokles.  Diod.  XXI,  16  spricht  von  Gift.  Inst.  XXIII,  2 
redet  von  vis  morbi,  was  keinen  Widerspruch  gegen  Diodor  enthält,  da  der  morbus 
ja  aus  Gift  entstehen  konnte.  Dagegen  entstehen  allerdings  bei  ihm  die  Streitig- 
keiten zwischen  Sohn  und  Enkel  aus  dieser  desperatio.  Das  Gejammer  bei  Instin 
rUhrt  Br.  de  Presle  333  wirklich.  Politische  Gründe  für  die  Rücksendung  der  Theoxena 
wirksam :  Droysen  I,  602  und  560. 

S.  264.  Urtheil  ttber  Agathokles  Polyb.  XV,  35.  Ag.  selbst  auf  TOpferei  hin- 
weisend Diod.  XX,  63;  Flut.  Ap.  R.  (Hutt.  VUI,  92),  wo  auch  andere  Anekdoten 
von  Agathokles.  Ag.  empfindlich  wegen  seiner  KahlkOpfigkeit  Diod.  XX,  54;  Ael. 
V.  H.  XI,  4.  ' 

S.  264.    Nach  Ar.  Mir.  106  findet  Ag.  bei  den  Peuketiern  an  einer  Hirsehkuh 
eine  ihr  von  Diomedes  angelegte  /oilx^  füll,   die  er  üq  ro  rov  Awq  Uqov  stiftete 
Aehnliche  Sagen  bei  vielen  Völkern.    Hier  sollte  sie  den  Agathokles  als  würdigen 
Nachfolger  des  Diomedes  in  der  Achtung  und  dem  Gehorsam  der  Einwohner  Cala- 
briens  bezeichnen. 


Fttnftes   Kapitel. 

S.  266.  Timaios.  Nach  Suid.  ^Avd^ouaxov  TavQofiivCtfis.  Nach  Diod.  XXI.  17 
tfvyndfy&tU  vn  l4ya&oxk^ovg  (x  rrj^  2iJifU»g.  Müller,  Fr.  bist.  gr.  I,  p.  L  nimmt  an, 
das  sei  310  v.  Chr.  geschehen,  wollir  er  Diod.  XX,  4  citirt.  Doch  ist  hier  von  Mord 
die  Rede ;  freilich  spricht  lustin  anders  s.  o.  Ich  denke  vielmehr  an  Diod.  XIX,  72, 
wonach  Agath.  314  v.  Chr.  nach  dem  Frieden  mit  den  hellenischen  St&dten  der  Insel 
aSfiSi  TTQogriyiTo  rag  noUtg  xal  tu  x^Q^'^-  Damals  wird  Ag.  auch  Tauromenion  an 
sich  gebracht  haben,  und  Timaios  ist  vielleicht  sofort  nach  Athen  gegangen,  wo  er 
nach  Polyb.  XII,  25  h  nfvrijxovra  awe^tis  hrj,  nach  dems.  XII,  25 d  oxf^hv  hti  ntr- 
T^xovra  zubrachte.  Falls  er  wirklich  sogleich  nach  Athen  ging,  kann  mit  MfiUer  1. 1. 
angenommen  werden,  dass  er  nach  Verlauf  der  50  Jahr^  wieder  nach  SicUien  zurSck- 
kehrte ;  da  aber  mOglich  ist,  dass  er  sich  zuerst  noch  anderswo  aufhielt,  kann  er  auch 
in  Athen  gestorben  sein.  Auch  lieg^  in  den  Worten  des  ^Timaios  bei  Pol.  XU,  25  h 
nicht  nothwendig,  wie  Mttller  meint,  dass  er,  als  er  sie  schrieb,  nicht  mehr  in  Athen 
war.  Ueberdies  wird  einem  OOjährigen  Manne  eine  Seereise  nicht  gerade  leicht,  und 
zur  See  mttsste  er  doch  Athen  verlassen  haben.  —  Ueber  den  Stil  des  Timaios  nr- 
theilen  Cic.  de  or.  II,  14;  Brut.  95;  Dionys.  Halic.  II,  p.  15;  Plut.  Nik.  1.  —  Ti- 
maios von  der  Geburt  Alexander's  bei  Cic.  N.  D.  II,  27  (Fr.  137);  über  den  Tod 
des  Euripides  Plut.  Symp.  Qu.  VIII,  1  (Fr.  119);  über  Hermokrates  De  subl.  IV,  3 
(Fr.  103)  und  Plut.  Nik.  1  (Fr.  104) ;  über  Alexander  und  Isokrates  De  subl.  IV,  1 
(Fr.  138);  Rede  Timoleon's  vor  der  Schlacht  Polyb.  XII,  25  (Fr.  134);  Rede  des  Her- 
mokrates Polyb.  XII,  25,  0.  p.  (Fr.  97).  —  Siehe  übrigens  das  ttber  Timaios  Gesagte 
Bd.  I,  S.  311.  12. 

S.  269.  Dikaiarchos.  Vgl.  Dicaearchi  fragmenta  ed.  Fuhr,  Darmst.  1841. 
Müller  in  den  Fragmm.  bist.  gr.  II  p.  225  ff.  und  von  Sicilianem  I  frammenti  gred  di 
Dicearco,  raccolti,  tradotti  ed  illustrati  dal  d.  Celidonio  Errante.  11  voll.  Pal.  1823.  8. 
Vgl.  V.  DitJiovanni,  Storia  della  filosofia  in  Sicilia.  Vol.^  I,  PaL  1873.  8,  p.  80-S3. 
Nach  Suid.  *t>€td(ov,  ^ixehtStrigt  ix  noletog  Meaaifvrig,  'jiQtatoxihovg  äxovarijc,  qnlo- 
aoifog  xal  ^riitoQ  twI  yttouiTQrig.  Beziehungen  zum  Peloponnes  Cic.  ad  Att.  VI,  2» 
und  wegen  der  von  Suid.  erwähnten  Schrift  xarafAftQi^aeig  jüv  iv  ITtXonornjaip  6^m. 
—  Seine  Lehre  von  "der  Seele  Cic.  Att.  XIII,  32;  Cic.  Tusc.  I,  10;  I,  31  (Fr.  62  und 
65  M)  (animos  esse  mortales) ;  in  jener  Stellß  wird  der  sermo  quem  Corintbi  habitum 
tribus  libri  exponit,  in  dieser  tres  libri  qui  Lesbiaci  vocantnr,  erwRhnt.    Die  Seele 


Zu  Buch  VI,  Kap.  4  u.  5,  Seit«  26;i— 27a*  481 

Harmonie  der  vier  Elemente  Plat.  plac.  phil.  IV,  2,  5  (Fr.  64  M),  de  hominum  interitu 
Cic.  cons.  ad  Tutl.  (Fr.  68  M).  Wenn  man  bedenkt,  dass  die  vier  Elemente  des  Di- 
kaiarchos  im  Grunde  dieselben  sind  wie  die  des  Empedokles,  so  erscheint  es  bemer- 
kenswertb»  dass  auch  bei  Empedokles  die  harmonische  Mischung  der  Elemente  eine 
wichtige  Rolle  spielte  (Bd.  1,  S.  272).  Allerdings  haben  wir  keine  eigentliche 
Seelenlehre  von  Empedokles-,  aber  ist  denn  eine  Seelenlehre  mit  den  Grundsätzen 
des  Dikaiarchos  vereinbar?  Auch  Dikaiarchos'  Festhalten  an  der  Weissagung  stimmt 
zu  der  Zauberlehre  des  Empedokles.  Ich  kann  nicht  umhin,  hier  Reminiscenzen  eines 
sicilischen  Philosophen  an  einen  anderen  zu  finden.  Ueber  Weissagungen  Plut.  plac. 
phil.  V,  1,  4  (Fr.  70  M);  Cic.  de  div.  I,  50  (Fr.  69 M).  Di  Giovanni  sucht  den  Wi- 
derspruch zwischen  der  Materialität  der  Seele  und  der  Möglichkeit  der  Weissagung 
durch  die  Annahme  zu  beseitigen,  dass  D.  einen  Unterschied  zwischen  der  sterblichen 
Seele  und  dem  unsterblichen  Geiste  gemacht  habe.  Titnl  r^g  tis  TQOifwriov  xara-' 
ßdanüs  Ath.  XIV,  641;  XIII.  594  und  Cic.  ad  Att.  VI,  2  (Nachtheil  der  Lage  Grie- 
chenlands) (Fr.  71— 73M),  dass  ein  guter  Staat  kein  Seestaat  sein  müsse-.  Plat.  Legg. 

V,  747.  —  D.  regum  cura  permensus  montes  Plin.  H.  N.  II,  162  (Fr.  53) ;   Höhe  des 
Atabyrios :   Gemin.  elem.  astron.  (Fr.  5S).  —  Landkarten  L.  D.  V,  51 ;  Cic.  ad  Att. 

VI,  2;  yrig  ntQioJoe  erwähnt  lo.  Lydus  de  menss.  p.  164  (Fr.  52).    Scheidung  der 

Länder  rouj  tv!hi((t  ax^nit^  Agathem.  Fr.  55  M.    Ausdehnung  der  Erde  ebendas. 

(Fr.  54);   die  Erde  globosa  Marc.  Cap.  VI,  590  (Fr.  53).  —  Ueber  die  negiiiyijaig 

'EXkidog  Malier  Geogr.  min.  I,  297  ff.,  sowie  238  ff.,  nebst  Einleitung  L  ff.  und  LXXX, 

sowie  Müller,  Fr.  hist.  gr.  II,  230  ff.  —   h  nQuini»  tkq)  ßitar  erwähnt  L.  D.  III,  4 

(Fr.  24;.  —  Ueber  des  D.  homerische  Studien,  Sengebusch,  Homerica  dissertatio  prior 

p.  S4--86.  —  7r*(>k  "Alxaiov  Ath.  XV,  668  (Fr.  34),  xorraßos  und  Xotrayri  als  sicilische 

Wörter  nachgewiesen  von  Dikaiarchos  Ath.  XI,  479;  XV,  666;  vgl.  0.  Jahn,  Kotta- 

bos  auf  Vasenbildern,   im  Philologus  XXVI,  2,  S.  218  ff.  -  Ueber  Sophokles,  Euri- 

pides  und  Aristophanes  s.  die  Fragmente  37  —  42  bei  M.  —  Ueber  die  Wettkämpfe 

s.  die  Fragm.  43-47  M.  —  Ueber  den  ßiog'EXXdJos  spricht  ausführlich  Müller  p.  228  ff., 

der  auch  die  Ansichten  Anderer  erwähnt.  —  m^l  rijg  h  'fXt'tfi  &vafag  Ath.  XIII,  603 

(Fr.  19  M).  —  Die  Fragmente  des  T^inoXtrixog  Fr.  22.  23  M,  vgl  Osann,  Beitr.  z. 

griech.  n  .röm.  Literat.  II,  p.  9  ff.    Die  Fragmente  stehen  bei  Ath.  IV,  141 ;   Phot.  37 

[il^og  noXiiiing  ^ixaiuQXfxov];   vgl.  auch  Cic.  ad  Att.  XIH,  32.  —  Vorlesung  der 

TioXiTiCa  ZnitQTiaT(3v  in  Sparta  nach  Suid.  s.  v.  ^lixaittQx^g.  —  Dass  Cicero  zu  seinem 

Buche  de  gloria  den  Dikaiarchos  benutzte,  nahm  Osann  an. 

S.  272.  Euhemeros.  Ueber  ihn  werden  bereits  in  Panly's  R.  E.  folgende 
Arbeiten  citirt :  Sevin,  Recherches  sur  la  vie  et  les  ouvrages  d'Evh^möre,  in  den  M^m. 
de  l'Acad.  des  Inscr.  T.  VIII,  p.  107  ff.;  Fourmont,  Dissertation  surl'ouvrage  d'Evh^- 
m6re  ebendas.  XV,  265  ff. ;  Foucher ,  Sur  le  Systeme  d'Evh^m^re  ebendas.  XXXIV, 
435  ff.,  462  ff. ;  XXXV,  1  ff..  39  ff. ;  ferner  Abschnitt  in  Fabricii  Bibl.  Gr.  III,  p.  616; 
in  Creuzer's  Symbolik  I,  1 ,  p.  113  ff.  der  älteren  Ausgabe ;  Böttiger,  Ideen  zur  Kunst- 
mythologie  I,  p.  186—195;  Hoeck,  Kreta  III,  326  ff.;  Lobeck,  Aglaoph.  I,  138  ff.; 
Clinton,  Fast!  Hellen.  I,  p.  481  ff.  Dazu  ist  noch  gekommen:  ein  Aufsatz  Über 
Euhemeros  in  Gerlach,  Historische  Studien  I,  p.  137—154;  Ganss,  Quaestiones  Euhe- 
mereae,  Kempen  1860.  4;  C.  M.  Kan,  De  Euhemero,  Gron.  1862.  8.  —  Ueber  die 
Stellung  des  Euhemeros  in  dem  System  der  Mythologie  s.  auch  Preller  in  Paulys 
R.  E.  V,  348;  über  die  neueren  Euhemeristen  vgl.  Petersen,  Griech.  Mytholo«:ie  in 
Erach  und  Gruber's  Encycl.  Sect.  I,  Bd.  82,  S.  29.  30.  Narbone  in  s.  Bibliografia 
Sicola,  Pal.  1850,  I,  p.  35  citirt  noch:  Frammenti  raccolti  etc.  da  Celidonio  Errante, 
s.  1.  et  a.  und  Gius.  Grosso  Cacopardo,  Memorie  di  Evhemero,  nel  Maurolico  No.  6, 
Mess.  1833.    Nur  in  geographischer  Beziehung  behandelt  Euhemeros:  Ph.  H.  KUlb, 

Holm,  Qeiich.  SiciUonA.  II.  3 1 


482  Anhang  III.    Belege  und  Erlftatenmgen. 

Länder-  und  Völkerkunde  in  Biographien,  Berlin  1846,  Bd.  I,  S.  137—141.  —  Euhe- 
meros  aus  Kos:  Ath.  XIV,  658;  aus  Tegea  Flut.  plac.  phil.  I,  7;  aus  Akragas  Clein. 
AI.  Protr.  p.  20  Potter;  Amob.  adv.  gentes  IV,  29;  nach  gewöhnlicher  Annahme 
aus  Messene,  nach  Polyb.  bei  Strab.  II,  4,  2;  Ael.  V.  H.  II,  31  u.  A.  Gewöhnlich 
wird  dies  Messene  für  das  sicilische  gehalten;  doch  muss  man  gestehen,  dass  ein 
besonderer  Grund  dafür  bisher  nicht  vorgebracht  worden  ist.  Gauss  meint,  dass  der 
freidenkende  Philosoph  wahrscheinlicher  ans  einer  Kolonie  stamme  als  aus  dem  eigent- 
lichen Griechenland,  wo  in  religiösen  Dingen  nicht  dieselbe  Freiheit  herrschte.  Der 
Grund  ist  nicht  sehr  triftig,  denn  er  lebte  keinenfalls  viel  in  Sicilien  und  hat  doch 
die  Freiheit  gehabt,  welche  Gauss  für  die  Aufstellung  seiner  Lehre  in  Griechenland 
vermisst.  —  Das  Epitheton  B(Qyatog,  welches  ihm  Eratosthenes  beilegte  Str.  II,  4,  2 
und  I,  3,  1,  bezieht  sich  nur  darauf,  dass  er  ihn  für  einen  LUgner  erklärte;  der  als 
Lügner  berüchtigte  Antiphanes  hatte  seine  Vaterstadt  Berga  in  Verruf  gebracht.  — 
Nach  Diodor  VI  bei  Euseb.  praep.  ev.  II,  2  war  Euhem.  Zeitgenosse  des  Königs 
Kassandros,  der  Ol.  122,  3  starb,  und  in  den  letzten  drei  Jahren  seiner  Regiertm^ 
wohl  zuerst  die  Müsse  fand,  an  die  Veranstaltung  von  Seefahrten  zu  denken.  —  to 
TQlrov  TJ}f  IfQaq  atayQat^tis  citirt  von  Ath.  XIV,  658;  leQttl  avayQaifttC  pflegten  in  den 
Tempeln  vorhanden  zu  sein.  Bericht  über  den  Inhalt  des  Werkes  bei  Diodor  VI. 
erhalten  in  Euseb.  Praep.  ev.  II,  2;  femer  Diod.  V,  41 — 46,  wo  die  Insel  Panchaia 
beschrieben  wird,  ohne  dass  freilich  des  Euhemeros  Name  genannt  ist.  Panchaea  ward 
für  wirklich  existirend  auch  von  den  Römern  gehalten:  Verg.  Georg.  III,  139;  IV. 
379;  Ov.  Met.  X,  309;  Tib.  III,  2,  33.  Vgl.  Ktilb  I,  141.  Die  übrigen  Stellen,  in 
denen  Notizen  aus  Euhemeros  gegeben  werden,  sind  nach  der  Reihenfolge  bei  Kan, 
p.  40  if.:  Lactant.  de  falsa  rel.  I,  17  (Venus);  Ath.  XIV,  658  (Harmonia);  Hygin 

II,  12  (Minerva);  13  (Pan) ;  42  (Venus);  Minuc.  Felix,  Oct.  p.  189  (Geburt  und  Gräber 
der  Götter) ;  Etym.  M.  s.  v.  ßQOjo^,  Es  urtheilen  femer  über  ihn  Cic.  N.  D.  I,  42; 
Plut.  Is.  Ob.  23;  Sex.  Emp.  adv.  Math.  I,  17;  Festus  s.  v.  Sus  Minervam;  Lact,  de 
ira-ll;  Amob.  adv.  g.  IV,  29;  August.  Civ.  D.  VI,  7;  VII,  26;  Theophil.  ad  Antol. 

III,  p.  75;  Lydus  de  mens.  p.  224.  —  Von  den  Atlantiera  spricht  Diod.  III,  56— f»l. 
—  lieber  die  Uebertragung  des  Euhemeros  in's  Lateinische  durch  Ennins,  wovon 
Fragm.  erhalten  sind  bei  Lactantius,  s.  Vahlen,  Ennianae  poesis  reliquiae,  Lips.  1^54. 
Quaestiones  Ennianae  p.  XCIII.  Gegen  Vahlen  nimmt  Gauss  p.  9  an,  dass  die  Ueber- 
tragung des  Ennius  in  Prosa  war. 

S.  276.  Philemon  nach  Str.  XIV,  5,  8  aus  Soloi  in  Kilikien,  nach  Suid.  Hcsyeh. 
Eudok.  und  dem  Anon.  itfQl  xto^.  aus  Syrakus,  nach  dem  Anon.  seit  Ende  Ol.  112 
in  Athen  als  dramatischer  Dichter  aufgetreten.    Unter  seinen  Stücken  war  auch  ein 

S!  276.  Ueber  Achaios,  Sosiphanes,  Apollodoros  s.  die  Literaturgeschichten. 
Eudoxos  L.  D.  Vin,  8,  5.  —  Boiotos  Ath.  XV,  698  und  Alex.  Aet.  ibid.  699.  - 
Ueber  Kall  las  und  Antandros  ist  die  Hauptstelle  Diod.  XXI,  17;  vgl.  dens. 
XXI,  16.  Antandros  wird  nur  an  jener  Stelle  erwähnt;  Kallias  auch  sonst;  vgl. 
Müller,  Fr.  H.  Gr.  II,  382.  383.  In  Fr.  1  ist  von  den  Paliken  die  Rede;  in  Fr.  2 
von  der  IlavoQfiittg ,  in  Fr.  3  von  der  Heilung  der  durch  Schlangenbiss  Vergifteten 
durch  den  Speichel  gewisser  Leute  (noch  jetzt  beobachtetes  Factum) ;  in  Fr.  4  von 
den  liparischen  Inseln;  in  Fr.  5  von  Kom.  —  Von  Athanas  ist  Bd.  I,  S.  309  aus- 
führlich dre  Rede  gewesen. 

S.  276.  In  Betreif  der  den  Sikelioten  eigenthümlichen  Bildung  ist  zu  erwiihnea, 
dass  Diod.  XXII,  5  von  Apollodoros,  Tyrann  von  Kassandreia,  sagt:  dx^  <f^  rir^tf*'- 

xöT«  ifjv  Zix(X(av  tvQttvvoig.  —  So  kommt  bei  Gurt.  VIII,  5  ein  ex  Sicilia  Cleo,  noo 
ingenii  solum ,  sed  etiam  nationis  vitio  adulator,   vor.    Das  waren  die  natürlichen 


Zu  Buch  VI,  Kap.  5,  3eite  276  u.  277.  483 

Folgen  der  Tyraunenherrschaft.  Der  Spartaner  Pharax  ward  wegen  seiner  rgvtfij  yiel- 
mehr  fUr  einen  Sikelioten  gehalten:  Ath.  XII,  536. 

S.  276.  Kunstwerke  aus  Ag.'s  Zeit  Diod.  XYI,  83.  Inder  v^aos  wird  erwähqt 
der  olxog  6  ifyjxovTuxXtvog  genannt,  welcher  dta  ro  ßuQQQ  tiov  ^gyojv  vnsQai^tav  topg 
t«5v  S-idiv  vaovs  iTnatiftuaiccs  hv^iv  vno  lov  daifioviov  xignvvtaS^ilg.  Man  darf  wegen 
der  Aehqlichkeit  dieser  Geschichte  mit  der  des  alten  Agathokles  Diod-  VIU,  9  eine 
Verwechselung  mit  diesem  annehmen.  .Die  in  der  Achradina  gelegei^  Ruine  Caaa 
dei  sessanta  letti  verdient  natUrlleh  nicht  diesen  Namen,  Denn.  341.  Ausserdem  7r(3(>;/oi 
naQ«  Tor  fiixQov  l^^iva,  die  in  Hosaik  den  Namen  Agathokles  trogen.  Endlich  Kunst- 
werke im  Athenetempel  Cic.  Verr.  IV,  55. 

S.  277.  Münzen  des  Agathokles.  Mit  Agathokles'  Namen  bezeichnet  sind 
folgende  Classen: 

1)  Gold,  ä)  PaUaskopf.  Rev.  Geflügelter  Blitz :  ArA90KAK0£  BAZrAEOZ. 

b}  Weiblicher  Kopf  mit  Elophantenkopffell  bedeckt.  Rev.  Pallas,  geflügelt,  speer- 
werfend ;  Eule  ArABOKAHOj:.  Diese  Münze ,  von  der  nur  ein  einziges  Exemplar 
bekannt  ist,  welches  sich  im  Wiener  kaiserlichen  }i[abinet  befindet,  ist  am  besten 
abgebildet  auf  der  Tafel  zur  Schrift  von  Dr.  Imhoof-Blumer,  Die  Flügelgestalten  der 
Athene  und  Nike  auf  Münzen,  Wien  1871.  8,  No.  2.  Der  weibliche  Kopf  stellt  nach 
meiner  Ansicht  die  Theoxena,  dritte  Gemahlin  des  Agathokles  dar ;  ich  spreche  über 
diesen  Gegenstand  an  einer  anderen  Stelle. 

2)  Silber.  Weiblicher  Kopf  K0PA2,  Rev.  Nike  ein  Tropaion  befestigend  oder 
in  den  Helm  einen  Namen  eingrabend;  Triquetra  AFAeOKAEOJS:. 

3)  Bronze.  Kopf  der  Artemis  Soteira.  Rev.  Geflügelter  Blitz  AFAeOKAEOi: 
BAXIAEOi:. 

In  Betreff  dieser  Münzen  äussert  sich  G.  Romano,  Sopra  alcune  monete  scoverte 
in  Sicilia,  che  ricordano  la  spedizione  di  Agatocle  in  Africa,  Par.  1862.  4  dahin,  dass 
2  zuerst  in  Afrika  geprägt  worden  und  dann  in  Syrakus  besser  nachgeprägt  worden 
sei.  Es  giebt  nämlich  Exemplare  von  nachlässig  geschnittenem  Stempel  und  solche 
von  besserem,  la  und  3  sind  später  als  2,  weil  jene  den  Zusatz  BASIAEOS  zum 
Namen  tragen.  Nach  meiner  oben  von  1  b  gegebenen  Erklärung  ist  auch  diese  Münze 
später,  da  Agathokles  erst  spät  die  Theoxena  heirathete.  Romano  hat  ferner  be- 
merkt, dass  die  früher  begonnene  Prägung  der  Pegasosmiinzen  von  Agathokles  fort- 
gesetzt wurde,  und  dass  man  diesem  Fürsten  diejenigen  dieses  Typus  verdankt, 
welche  mit  A^  und  a^  bezeichnet  sind,  indem  jenes  Monogramm  Agathokles,  dieses 
Antandros  bedeute. 

Den  Einfluss  des  Agathokles  auf  das  sicilisehe  Münzwesen  behandelt  nach  einer 
besonderen  Seite  hin  meine  Schrift:  Ad.  Holm,  La  Triquetra  ne'  monumenti  deir 
antichitä,  Pal.  1871.  8.  Estratto  della  Rivista  Sicula,  Die.  1871.  Ich  habe  hierin 
nachzuweisen  versucht,  welchen  Gang  das  Symbol  der  Triquetra  durch  die  verschie- 
denen Länder  der  alten  Welt  gemacht  hat,  welches  seine  ursprüngliche  Bedeutung 
war  und  wann  sich  dieselbe  modificirt  hat.  Ursprünglich  Symbol  der  Hekate  und  des 
Mondes,  ist  es  erst  von  Agathokles  zum  Symbol  der  dreispitzigen  Insel  Sicilien  ge- 
macht worden.  Wenn  dies  richtig  ist,  haben  wir  also  anzunehmen,  dass  die  ältesten 
sicilischen  Münzen  mit  der  Triquetra,  auch  wenn  sie  nicht  den  Namen  des  Agathokles 
tragen,  dennoch  erst  aus  der  Zeit  dieses  Fürsten  stammen.  Es  handelt  sich  hier  vor- 
zugsweise um  die  jüngsten  syrakusanisehen  Tetradrachmen.  Ihr  Typus  ist  folgender : 
Weiblicher  Kopf  mit  Kornblättem.  Rev.  Quadriga,  darüber  Triquetra,  darunter  Buch- 
staben :  fi/,  Nl^  NK,  ff>l.  Der  Typus  des  weiblichen  Kopfes  ist  derjenige ,  welchen 
Euainetos  geschaffen  hat,  was  natürlieh  nicht  beweist,  dass  er  nur  zu  Euainetos  Leb- 
zeiten gebraucht  wurde,  wodureh  allerdings  die  Münzen  100  Jahre  älter  würden. 
Auch  unter  dem  noch  späteren  Hiketas  ward  der  Typus  des  Euainetos  gebraucht. 

31* 


484  Anhang  III.    Belege  nnd  Erläaterangen. 

Da  die  wegen  der  Triquetra  dem  Agathokles  zuzuschreibenden  Tetradracfamen  die 
erwähnten  Buchstaben  haben,  so  gewinnt  die  von  Romano  gemachte  Bemerkung,  dass 
diese  Buchstaben  auf  Agathokles  hindeuten,  an  Wahrscheinlichkeit   Freilich  U&sst  sich 
nicht  verkennen,  dass  darum  noch  nicht  bewiesen  ist,  dass  a  Agathokles  bedeu- 
tet.   Es  kommt  nämlichj  auch   auf  einer  Goldmünze    vor,    die  sich  durch  die  In- 
schrift lEPONOS  als  diesem  KOnige  angehOrig  kund  giebt.    S.  Raoul-Roehette,  M e- 
dailles  siciliennes  de  Pyrrhus,  pl.  1,  n.  15.   Durch  Zusammenstellung  der  Typen  lassen 
sich  auch   noch   andere  Münzen  der  Zeit  des  Agathokles   zuweisen.     Einen   recht 
eigenthümlichen  Charakter  hat  der  weibliche  Kopf,  welcher  sich  auf  den  agathoklei- 
schen  Silbermttnzen  findet  und  durch  die  Inschrift  als  Kopf  der  Kora  bezeichnet  ist. 
Er  trägt  einen  Aehrenkranz,  und  das  Haar  hängt  in  zwei  Massen  im  Nacken.    Ganz 
denselben  Kopf  haben  aber  die  bei  Torrem.  LXXIII ,  18  und  LXXIV,  3—5  abgebil- 
deten syrakusanischen  Tetradrachmen,  die  somit  auch  der  agathokleischen  Zeit  zu- 
geschrieben werden  dürfen.  Wenn  man  nun  sieht,  dass  von  diesen  LXXIII,  18  eben- 
falls eine  Triquetra  und  a^  hat,  so  findet  man  darin  eine  Bestätigung  der  obigen 
Combinationen,  und  sieht  man  ferner,  dass  bei  den  übrigen  (LXXIV,  3—5)  sich  statt 
der  Triquetra  ein  Stern  findet,  so  wird  man  geneigt,  auch  dieses  Beizeichen ,  wenn 
nicht  geradezu  der  agathokleischen  Zeit  allein,  so  doch  jedenfalls  der  späteren  Zeit, 
etwa  dem  3.  Jahrh.  v.  Chr.  zuzuschreiben.   Ein  ganz  ähnlicher  Typus,  wie  die  soeben 
besprochenen  Tetradrachmen  ihn  zeigen,  findet  sich  auch  auf  Bronzemttnzen.    So  hat 
in  Bomano's  angeführter  Schrift  No.  31  denselben  Kopf  wie  der  auf  den  Tetradrach- 
men des  Agathokles  befindliche,   nebst  der  Inschrift  2YPAK02:iSlN.   Rev.  Biga  im 
Galopp,  darüber  Stern,  bisweilen  Triquetra,  darunter  verschiedene  Buchstaben,  ge- 
wöhnlich A  oder  A.    S.  auch  Torr.  LXXXV,  4  —  14,  daselbst  3  ist  eine  Quadriga. 
So  würden  auch  diese  Bronzen  in  die  agathokleische  Zeit  gehOren.   Dieselbe  Anord- 
nung des  Haares,  wie  auf  den  genannten  Münzen,  hat  auch  der  Kopf  der  Münzen  bei 
Torr.  LXXXV,  18—21,  deren  Revers  eine  Fackel  in  einem  Kranze  zeigt.  Auch  hier 
wäre  deshalb  agathokleische  Zeit  oder  wenigstens  Einfluss  derselben  zu  vermuthen.  — 
Nach  Romano  zu  No.  27  gehören  auch  die  BronzemUnzen :  Pallaskopf:  Rev.  Pegasus 
Torr.  LXXXIIl,  18  oder  statt  des  Pegasus  ein  Reiter  Torr.  LXXXI,  12.  13  der  Zeit 
des  Agathokles  an.    Der  Reiter  kommt  später  unter  Hieron  viel  vor.  —    Nach  Ro- 
mano 32  ist  noch  aus  agathokleischer  Zeit  die  Bronzemünze :  Lorbeerbekränzter  Apollo- 
kopf mit  losem  Haar  im  Nacken;  Rev.  Pegasus  mit  Buchstaben  Torr.  LXXXII,  14—19; 
unter  diesen  Buchstaben  findet  sich  auch  k  wie  auf  der  Goldmfhize  des  Agathokles 
bei  Torr.  CI,  1.  Dasselbe  Zeichen  £  findet  sich  auch  auf  den  erwähnten  Bronzemünzen 
mit  weiblichem  Kopf  und  Gespann  im  Revers.    Bemerkenswerth  ist  übrigens,  dass 
die  Goldmünze  von  Syrakus  mit  weiblichem  Kopf,  dem  in  ähnlicher  Weise  das  Hasr 
im  Nacken  lose  hängt,  abgebildet  bei  Raoul-Rochette,  M^dailles  sicil.  de  Pyrrhus  PI. 
I,  13.  14  und  bei  de  Luynes,  Choix  de  m^d.  gr.  pl.  VII,  10  (nach  R.-R   Kopf  der 
Hera),  auch  schon  von  R.-Rochette  p.  268  der  Abhandlung  in  die  Zeit  des  Agathokles 
gesetzt  wird.    Derselbe  p.  270  setzt  in  dieselbe  Zeit  die  Münze:  Pallaskopf;  Rev. 
Schiessende  Artemis  (Gold  und  Silber  Torr.  LXVIU,  18  und  LXXI,  1).  —  Endlich 
hat  Romano  in  seiner  Schrift:  Iconografia  numismatica  dei  tiranni  di  Siracusa,  P^l. 
1858.  4  nachzuweisen  versucht,  dass  wir  sogar  auf  einer  Münze  (Bronze)  das  Portrait 
des  Agathokles  haben.    Es  sind  die  Münzen,   deren  Avers  einen  Herakleskopf,  nnd 
deren  Revers  einen  Lüwen  mit  einer  Keule  darüber  zeigt.    Im  Herakleskopf  sieht 
Rom.  ein  Bild  des  Agathokles.    Doch  hat  er  in  seiner  späteren  Schrift:  Sopra  aicune 
monete  etc.  an  dieser  Ansicht  nicht  mehr  so  unbedingt  festgehalten,  die  sich  nicht 
hinreichend  begründen  lässt.  Daran  freilich  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  diese  Münzen 
der  agathokleischen  Zeit  angehören,  das  zeigen  schon  die  Ueberprägungen,  zu  deren 
Besprechung  ich  jetzt  Übergehe. 


Zu  Buch  VI.  Kap.  5  u.  6,  Seite  277.  278.  485 

Es  ist  durohaos  nichts  seltenes,  dass  Münzen  benutzt  wurden,  um  andere  Münzen 
darauf  zu  prägen ,  aber  keine  sicilischen  MUnzen  sind  so  häufig  zu  diesem  Behufe 
benutzt  worden  als  die  agathokleischen.  Man  kann  nicht  umhin,  darin  einen  Beweis 
des  Hasses  und  der  Abneigung  zu  sehen,  welche  die  agathokleische  Herrschaft  ein- 
geflösst  hatte,  und  welche  so  gross  war,  dass  man  nach  der  Beendigung  derselben 
jede  Gelegenheit  benutzte,  um  die  Erinnerung  daran  auszulöschen.  Die  MUnzen,  welche 
in  dieser  Weise  verwandt  worden  sind,  sind  die  folgenden  Brohzemünzen :  -1)  He- 
rakleskopf; Bev.  Löwe.  2)  Soteirakopf;  Rev.  Geflügelter  Blitz.  3)  Weiblicher  Kopf; 
Rev.  Gespann.  Nur  No.  2  trägt  den  Namen  des  Agathokles,  aber  die  gleiche  Ver- 
wendung von  1  und  3  fügt  einen  neuen  Beweis  zu  den  früher  beigebrachten  hinzu, 
dass  auch  sie  agathokleisch  sind.  Ueber  diese  Münzen  sind  folgende  Typen  geprägt 
worden,  ein  akragantinischer  und  zwei  syrakusanische :  1)  Apollokopf;  Rev.  Zwei 
Adler  über  einem  Hasen,  Akragas.  Saunas  XIV,  15 — 20.  2)  Lorbeerbekrän^er 
jugendlicher  Kopf  ^102:  E^AANIOY  (der  von  de  Luynes  bereits  Dion  zugeschrie- 
bene Typus);  Rev.  Adler  über  einem  Blitz.  Torr.  LXXXIV,  5.  3)  Herakleskopf  mit 
Löwenrachen;  Rev.  Pallas  Promachos  ZYPAKOSISIN,  vgl.  Romano  zu  No.  31  und 
dess.  Iconographie  etc.  p.  20  pl.  No.  8.  Der  Typus  der  Pallas  Promachos  stammt, 
nach  Ausweis  der  Groldmünze  des  Agathokles  11>)  übrigens  schon  von  diesem  Fürsten 
her,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  die  agathokleische  Pallas  Flügel  hat,  die  andere 
nicht.  —  Urtheil  über  die  Münzen  der  agathokleischen  und  pyrrhischen  Zeit:  Fried- 
länder-Sallet,  Das  königliche  Münzkabinet,  Beri.  1873,  S.  133. 


Sechstes   Kapitel. 

Ueber  die  Zeit  vom  Tode  des  Agathokles  an  handeln  schon  die  Hieron 
betreffenden  Schriften ,  besonders  das  gründliche  Werk :  J.  C.  H.  de  Gaay  Fortman, 
De  Hierone  Hieroclis  filio  Syracusano,  ZwoU.  1835.  8.  A.  Petry,  Hieron  II.  von  Sy- 
rakus,  Elberf.  1861.  4.  Schneiderwirth  im  Heiligenstädter  Programm  1861,  sowie  der 
Artikel  Hieron  in  Pauly's  R.  R.  III,  1299—1309  von  Haakh. 

S.  278.  lieber  die  Eroberung  Messana's  durch  die  Mamertiner  Polyb. 
I,  7;  Diod.  XXI,  18.  Hiemach  freundliche  Aufnahme,  dann  verrätherischer  Ueberfall. 
Anders  Festus  s.  v.  Mamertini:  Mamertini  appellati  sunt  hac  de  causa:  cum  de  toto 
Samnio  gravis  incidisset  pestilentia,  Sthenius  Mettius  eins  gentis  princeps  convocata 
civium  suorum  contione ,  exponit  se  vidisse  in  quiete  praecipientem  Apollinem ,  ut  si 
vellent  eo  malo  liberari,  ver  sacrum  vovercnt,  id  est,  qnaecunque  vere  proximo  nata 
essent,  immolaturos  sibi.  Quo  facto  levatis  post  annnm  vicesimum,  deinde  eiusdem 
gener is  incessit  pestilentia.  Rursum  itaque  consultus  Apollo  respondit  non  esse  per- 
solutum  ab  iis  votum,  quod  homines  immolati-non  essent,  quos  si  expulissent,  certe 
fore  ut  ea  clade  liberarentur.  Itaque  ii  iussi  patria  decedere  cum  in  parte  ea  Siciliae 
consedissent,  quae  nunc  Tauricana  dicitur,  forte  parantibus  hello  cemere  Messanensi- 
bns  auxilio  venerunt  nitro  eosque  ab  hoste  liberarunt  provinciales.  Quod  ab  meritum 
eorum  ut  gratiam  referrent,  et  in  suum  corpus  communionemque  agrorum  invitarunt^ 
eos  et  nomen  acceperunt  unum  ut  dicerentnr  Mamertini,  quod  coniectis  in  sortem 
duodecim  deorum  nominibus  Maraers  forte  exierat,  qui  lingua  oscorum  Mars  signifi. 
catar,  cuius  historiae  auctor  est  Alfius  libro  primo  belli  Carthaginiensis.  Allge- 
meiner drücken  sich  aus  Zonar.  VIII,  8  und  Str.  VI,  2,  3.  Bei  Dio  Cass.  Exe.  Val 
40  heisst  eS:  Kafinnvol  (fQOVQtTv  avriiv  (Messana)  vn  'AyaS^oxliovs  Ta/^^yTtg,  aqttyiig 
T€  jMv  inix^iQiiov  inoiijaavfo  xnl  r^y  noXiv  xarioxov.  Ueber  die  Erzählung  des  Alfius 
bei  Festus  bemerkt  mit  Recht  Mommsen,  Die  unteritalischen  Dialecte,  Leipz.  1850.  4, 
S.  196,  dass  sie  ganz  den  Charakter  einer  städtischen  Tradition  der  Mamertiner  selbs 


486  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

tiügt.  Offenbar  ist  die  gutmüthige  Ackertheilung  der  Messaner  gefälscht.  Wie  sich 
die  späteren  Mamertiner  ihrer  Eroberung  schämten,  mögen  sie  auch  ihres  Ursprungs 
sich  geschämt  und  sich  aus  dem  zusammengelaufenen  Schwann  eines  Condottiere  in 
einen  heiligen  Lenz  der  Samniter  verwandelt  haben,  nachdichtend  die  alte  National- 
sage,  welche  die  Samniter  aus  einem  heiligen  Lenz  der  Sabiner  heryorgehen  Hess- 
Nicht  verwerfen  möchte  dagegen  Mommsen  die  Erzäfflung  von  der  Benennung  des 
Volkes  nach  dem  erloosten  Gotte,  und  ebenso  ist  ihm  die  Erwähnung  des  Apollo,  der 
in  der  sabinischen  Sage  nicht  vorkommt,  nicht  zufällig,  er  mag  neben  dem  Mamers 
als  specieller  Patron  der  Mamertiner  gegolten  haben.  Letzteres  wird  dureh  eine  in 
Messina  vorhandene  Inschrift  in  oskischer  Sprache  bestätigt,  welche  nach  Mommsen 
l.  l.  196  den  ersten  Jahren  der  Existenz  der  Mamertiner  in  Sicilien  angehört.  Sie  ist 
in  Mommsen's  genanntem  Buche  S.  193  am  correctesten  abgedruckt  und  lautet  ZTENi:^ 
KAAimX  ZTATTIUIZ  \  MAPAZ  rrOiVnT[E2  NlYMSälWZ  \  NIBJAEHi 
OrnSENZ  I  ETNETM  TSILTO  MAMEPTII^O  \  AITITEAAOYNHt  XAKORO, 
d.  h.  Stenius  Calinius  Statii  fil.  Mara  Pomptius  Nnmerii  f.  meddices  fecerunt  et  po- 
pulus  Mamertinus.  Apollini  sacrum.  Es  weihen  also  in  dieser  Inschrift  die  beiden  Me- 
dices  und  die  Gemeinde  der  Mamertiner  etwas  dem  Apellunes,  und  man  sieht  hieraus, 
dass  Apoll  von  den  Mamertinem  hoch  geehrt  wurde,  was  sich  Übrigens  auch  aus  den 
mamertinischen  Münzen  ergiebt.  Was  es  ist,  das  gewidmet  wurde,  wissen  wir  nicht. 
Mommsen  denkt  an  die  Stadtmauer  selbst.  Die  Inschrift  wurde  an  dem  Platze  Giu- 
decca  gefunden  (M.  193).  La  Giudecca  ist  nach  Dennis  475  gleich  Str.  Cardines;  die 
alte  Stadtmauer  könnte  also  sehr  wohl  da  gelaufen  haben.  Die  Inschrift  belehrt  uns 
über  die  Verfassung  der  Mamertiner  dahin,  dass  sie  zwei  Medices  an  ihre  Spitze  hatten, 
womit  es,  wie  M.  196  sagt,  nicht  im  Widerspruch  steht,  dass  wir  sie  im  Kriege  gegen 
Hieron  von  einem  Feldhenn  [arQaTrjyos)  Kios  angeführt  finden  (Diod.  XXII,  13).  £s 
ist  damit  zu  vergleichen,  was  Strab.  VI,  2,  3  von  den  Lukanem  sagt:  ihre  Ver- 
fassung sei  sonst  demokratisch  gewesen,  im  Kriege  aber  sei  von  den  Magistraten  ein 
König  ernannt  worden  —  ähnlich  wie  bei  gefährlichen  Kriegen  in  Rom  die  Consuln 
einen  Dictator  ernannten.  —  Das  Jahr  der  Occupation  Messana*s  dttrch  die 
Mamertiner  ist  nicht  überliefert.  Sie  wird  gewöhnlich  in  2S4,  auch  in  282  gesetet. 
Schubring  in  seinen  historisch-geographischen  Studien  über  Alt-SidKen,  im  Bh.  Mus. 
N.  F.  28,  S.  69,  entscheidet  sich  für  287  v.  Chr.  Mir  scheint  es  besser,  die  9  Jahre  des 
Hiketas  von  288—79  zu  setzen,  sodass  auch  die  Einnahme  von  Messana  in  288  fiele. 
—  Die  Münzen  der  Mamertiner  (fast  nur  Bronze)  sind  grösstentheils  sehr  schön. 
Mit  oskischer  Inschrift  MAMEPTINOYM  ist  nur  eine  bekannt:  Artemiskopf  nach  r. 
Bev.  Omphalos.  Inschrift,  Friedländer,  Osk.  Münzen,  Taf.  VIII.  Sie  haben  also  sehr 
schnell  die  griechische  Sprache  für  gewisse  officielle  Zwecke  angenommen.  Ob  sie 
auch  noch  Messanioi  sich  genannt,  ist  nicht  so  klar.  Allerdings  ist  der  kämpfende 
nackte  Mann  auf  dem  Rev.  der  mamertinischen  Münzen  bei  Torr.  XL VIII,  1—4  ganz 
ähnlich  dem  Pheraimon  auf  der  Münze  Torr.  L,  6,  deren  Avers  den  Peloriaskopf  hat, 
und  der  Peloriaskopf  ist  sonst  mit  einem  Revers  verbunden,  der  die  Inschrift  ME£- 
XANTSIN  trägt ,  sodass  also  jene  Pheraimonmünze  aus  der  Zeit  sein  wird ,  aus  der 
die  sonstigen  Pheraimonmünzen  sind,  aber  darum  ist  doch  noch  nicht  gewiss,  dass 
diese  Zeit  die  mamertinische  ist ,  wenngleich  nicht  geläugnet  werden  kann,  dass  der 
kämpfende  Mann  ein  sehr  gutes  Symbol  der  kriegerischen  Mamertinergemeinde  sein 
würde.  Indess  spricht  die  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  dieser  Typus  erst  durch 
die  Mamertiner  aufkam;  dann  wäre  erwiesen,  dass  sie  sich  sowohl  Messanioi  wie 
Mamertinoi  nannten.  —  Der  erwähnte  Typus,  ein  nackter  Krieger,  kehrt  in  verschie- 
denen Variationen  auf  dem  Revers  mamertinischer  Münzen  wieder,  bald  kämpfend, 
bald  ruhig  stehend,  bald  ein  Pferd  am  Zügel  haltend,  bald  auf  einem  Felsen  sitzend. 
Torr.  XLVIII  und  XLIX  giebt  die  Belege  hierzu.    Der  das  Pferd  führende  JttngHog 


Zu  Buch  VI,  Kap.  6,  Seite  278.  487 

wird  auf  Münzen  von  Nuceria,  wo  er  ganz  ähnlich  vorkommt,  für  einen  der  Dloskuren 
gehalten,  s.  Friedländer,  Osk.  Münzen,  S.  21  und  Taf.  IV.  Der  Avers  dieser  Münzen 
hat  entweder  Areskopf,  Zeuskopf  oder  Apollokopf.  Andere  Mamertinermünzen  haben 
im  Rev.  eine  nach  rechts  stürmende  Pallas,  etwas  verschieden  von  der  auf  lukani- 
sehen  Münzen  befindlichen,  Friedländer  T.  VIII,  1  u.  5.  Ein  anderer  Typus  des  Rev. 
ist  die  stehende  Nike,  ähnlich  eine  capuanische  Münze,  Friedländer,  T.  III,  15.  Ein 
anderer  ist  der  stossende  Stier;  derselbe  Typus  findet  sich  in  Tauromenion  und  Sy- 
rakus.  Andere  sind :  der  Adler ,  auf  einem  Blitz),  mit  oder  ohne  Schlange ;  Hermes 
mit  Widder;  ein  Gespann;  ein  Hund.  Auf  dem  Avers  findet  sich  ausser  den  oben 
genannten  Köpfen  noch  der  Herakleskopf.  Merkwürdig  ist  eine  Imhoofsche  Münze, 
auf  der  der  Apollokopf  des  Avers  die  Beischrift  APXAFETAZ  hat,  während  der 
Rev.  Blitz  und  Traube  nebst  MAME  hat;  der  Avers  ist  ein  Beleg  für  die  oben 
erwähnte  Tradition  von  dem  Ursprung  der  Kolonie.  —  Ausbreitung  der  ma- 
mertinischen  Herrschaft.  Plut.  Pyrrh.  23:  noXla  rolg  "EXkriaiv  ivoxlovyrwv, 
iviove  ^k  xal  ifOQoig  nenotij/jiiveDv  vTTOTtXsis.  Nach  dems.  24  sind  10,000  Mamertiner 
gegen  Pyrrhos  nach  Italien  hinübergegangen.  Mit  den  Karthagern  sind  sie  verbündet 
nach  Diod.  XXII,  7.  Doch  haben  sie  das  punische  Gebiet  nicht  geschont  Polyb.  I,  8. 
Also  waren  sie  nur  gegen  Pyrrhos  mit  den  Karthagern  verbündet.  Polyb.  I,  8  sagt 
von  den  Mamertinem :  noXla  fiiQii  tti^  ZixtUaq  ((poQoXoyow,  Sie  hatten  jioXXa  ifQovgia 
nach  Diod.  XXII,  13.  Nach  Diod.  XXIII,  2  haben  sie  Kamarina  und  Gela  avanrn- 
Tovg  gemacht.  Endlich  haben  sie  sich  sogar  an  Akragas  gewagt,  wenn  Fortman 
1.  1.  p.  65  not.  Recht  hat,  folgende  Worte  bei  Polyb.  I,  43  auf  die  Mamertiner  zu 
beziehen :  x<t^  ov  xai^v  imßdXovjo  naQaanov6iTv  avrovg  (die  Akragantiner)  ol  reSv 
ZvQaxovaCtov  fita&otpogoi y  welche  Stelle  Schubring,  Akragas  S.  76  mit  Recht  dunkel 
nennt.  Die  Mamertiner  würden  hier  als  ehemalige  syrakusanische,  d.  h.  agathokleische 
Söldner,  die  sie  ja  auch  waren,  bezeichnet.  Sie  hätten,  ehe  sie  Messana  überfielen, 
sich  Akragas'  verrätherisch  zu  bemächtigen  versucht,  der  Ausdruck  nct^aaTrov^ftv  ist 
der  genaue  Ausdruck  für  das,  was  sie  in  Messana  thaten,  vgl.  Diod.  XIV,  9  von 
Entella  und  Polyb.  I,  10  von  Rhegion. 

S.  278.  Hiketas  Diod.  XXI,  18;  XXII,  2,  wo  es  heisst:  ^yivr^as  (St  xal  'Ixitag 
TiQog  aXXi^Xovg  noXifxov  ivarrjaofievoi  nageraSayro  negl  top ''Yß?Miov,  Schubring,  Hi- 
storisch-geogr.  Studien  über  Altsicilien  S.  110  nimmt  an,  dass  b"YßXaiog  einen  Berg 
bezeichne.  „Das  wäre  dann  die  kalte,  steinige,  wilde  Hochebene  im  Westen  von 
Ragusa.''  Hybla  Heraia  ist  nämlioh  nach  ihm  Ragusa.  Dass  bei  dem  Hyblaios  an 
das  südliche  Hybla  zu  denken  ist,  ist  klar ;  ich  glaube  nur  nicht,  dass  6  "YßXaiog  einen 
Berg  bezeichnet,  ich  sehe  vielmehr  einen  Flussnamen  darin,  nach  Analogie  von  Mo- 
jvxavog.  Münzen  des  Hiketas  giebt  es  nur  aus  Gold.  Weiblicher  Kopf  2:ypaJ(0- 
SIQN;  Rev.  Nike  in  einer  Biga  EIIIIKETA  Torr.  CII,  1—3.  Das  inl  bezeichnet 
den  Hiketas  als  Magistrat,  nicht  als  König.  Ueber  den  Typus  des  Kopfes  s.  oben 
S.  459.  Torr.  CII,  4  hat  zwar  dieselben  Typen  in  Silber,  aber  nur  nach  Haverkamp. 

S.  278.  Phintias  Diod.  XXII,  2:  Gründung  von  Phintias,  anfängliche  Grau- 
samkeit, dann  Milde  des  Herrschers;  7:  Traum.  Nach  Schubring,  Stud.  S.  69  ff. 
regierte  Phintias  etwa  von  286  —  280.  Derselbe  hat  ausführlich  nachgewiesen,  dass 
nicht,  wie  bisweilen  angenommen  wird,  Phintias  es  war,  der  Gela  zerstörte.  Akragas 
hat  karthagische  tfQovQa  zur  Zeit  des  Pyrrhos,  Diod.  XXII,  10:  nv  t^/oi',  ontog  fAtj 
fPiviCag  dwaativor^  axmSv.  Dennoch  mögen  die  Karthager  im  ganzen  mit  Phintias 
befreundet  gewesen  sein.  Ausdehnung  seiner  Herrschaft. bis  Agyrion  Diod.  XXII,  2. 
Ag.  wird  hier  wieder  von  Diodor  eine  gewisse  Ehre  gegeben.  Münzen  des  Phintias 
giebt  es  nur  in  Bronze.  Während  auf  dem  Rev.  sich  beständig  der  Eber  findet,  hat 
der  Avers  1)  Apollokopf,  2)  Artemiskopf,  3)  Korakopf  Der  Artemiskopf  ist  der  auf 
den  Bronzemünzen  des  Agathokles ,  der  Korakopf  der  auf  den  Silbermünzen  desselben 


488  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

Königs  Torr.  CVII,  1—5.  —  Ueber  die  Stadt  Phintias  («/»»y?»«?,  n^os]  handelt  be- 
sonders Schubring  in  der  erwähnten  Abhandlung:  Historisch-geographische  Studien, 
Abschn.  I,  woselbst  besprochen  werden:  die  Gründung  und  Lage  von  Phintias,  die 
gelolschen  Inschriften  in  Phintias.  Seh«  setzt  die  Zerstörung  von  Gela  durch  die 
Mamertiner  282  v.  Chr  ,  die  Gründung  von  Phintias  281  oder  280.  —  Phintias  erwähnt 
bei  Diod.  XXIV,  1;  Cic.  Verr.  lU,  192  (Phintiam);  Ptol.  4*&iw&ia  (etwas  Uindein- 
wärts;  ausserdem  hat  er  noch  im  Westen,  an  der  Mündung  des  Sossfos  IltviCa  . 
Vgl.  Faz.  136.  137.  CI.  261--63.D.  311.  Endlich  handelt  Schubr.  noch  S.  13ß  ff.  über 
die  Stadt  Phintias  der  Geloer,  woselbst  er  ihre  inneren,  sich  aus  den  Inschriften 
ergebenden  Verhältnisse  erläutert.  Von  den  Inschriften,  die  die  Einwohner  als  Geloer 
bezeichnen,  sind  nach  Schubring  75  zwei  von  Gela  mit  nach  Phintias  gebracht,  zwei 
andere  aber  in  Phintias  geschrieben. 

S.  279.  (:foiv<av  DHal.  XX,  8.  Plut.  Pyrrh.  23.  Bei  Diod.  XXII,  7  ön^wi, 
offenbar  falsch. 

S.  280.  Ueber  Rhegion's  Eroberung  durch  die  Kampaner  Polyb.  I,  6.  7;  III,  26; 
App.  Samn.  9,  1,  3;  DHal.  XX,  4.  5;  Diod.  XXII,  1-3;  DioC.  p.  170  Mai,  p.  589  Val. 

S.  281.  Pyrrhos  in  Sicilien.  Summarisch  berichtet  Paus.  1, 12,  5,  wo  es  zum 
Schlüsse  heisst,  dass  P.  mit  seinen  Epiroten  gegen  die  Karthager  eine  Seeschlacht 
habe  liefern  wollen,  tot«  dl  o  Uvqqosi  «c  ^TTii."^»;,  inTs  vavalv  lg  Ttiimtia  avrj^^iTo 
ftetg  loiTiats,  Nach  Dio  C.  p.  169  M  ix  nokXov  x(*oiov  StxMag  itfiifitvoq.  Ueber 
die  Hauptquellen,  Diod.  XXII :  Plut.  Pyrrh.  22—24 ;  D  Hai.  XX,.  8.  9 ;  lust.  XXIIr  3 
ist  oben  S.  379  die  Rede  gewesen.  Von  Neuem  vgl.  Niebuhr's  Rom.  Cksch.  III  und 
die  anderen  römischen  Geschichten;  Droysen,  Hellenismus  U,  90  ff.,  146 — 156;  Plass. 
Tyrannis  II,  den  Artikel  Pyrrhos  in  Pauly's  R.  E.  und  die  kleine  Schrift  von  G.  Hertz- 
berg, Rom  und  König  Pyrrhos,  Halle  1870.  8. 

S.  281.  Ueber  die  Veranlassung  und  den  Beginn  des  Zuges  des  Pyrrhos  nach 
Sicilien  äussert  sich  Plut.  Pyrrh.  22:  t^xw  ix  ZtxtKng  aiSg^g  jixQdytdra  xal  ZvQn- 
xovüag  xnl  A^ovttvovg  iy^HQ^Cofteg  avrifi ,  und  ebendas.  Kiytav  €vd-vg  iiim^i^it  itQo- 
Siaktiofitvov,  £an(Q  et<o&€i,  raig  noUai.  Es  war  also  des  Pyrrhos  bemerkenswerthe 
Gewohnheit,  zuvörderst  die  Diplomatie  wirken  zu  lassen. 

S.  282.  Einen  Vertrag  des  P.  mit  Rom,  den  App.  Samn.  12  mit  den  Worten 
fAitit  Jtjv  (nax^iv  xal  rag  nQog  'PtofiiUovg  aut^&ijxttg  itg  £ixeliav  diinhi  andeutet,  weist 
Droysen  II,  147  n.  120,  mit  Recht  zurück. 

S.  282.  Die  Chronologie  der  Thaten  des  Pyrrhos  auf  Sicilien  lasst  sich  aus  den 
Quellen  nicht  mit  Sicherheit  entnehmen.  Plass  II,  300  ist  zu  dem  Ergebniss  gelangt, 
dass  Pyrrhos,  der  im  J.  278  nach  Sicilien  kam,  im  FrÜhj.  277  den  Krieg  gegen  Kar- 
thago begann,  aber  erst  276  zur  Belagerung  von  Lilybaion  schritt.  Droysen  II,  153 
setzt  dagegen  die  Belagerung  von  Lilybaion  bereits  in  276.  Jedenfalls  ist  P.  erst 
276  wieder  in  Italien. 

S.  282.  Ueber  die  ersten  Erfolge  des  P.  in  Sicilien  vgl.  DHal.  XX,  8,  wo  So- 
sistratos  als  Beherrscher  von  Syrakus,  Thoinon  als  Phrurarch  bezeichnet  werden, 
sowie  Diod.  XXII,  8. 

S.  283.     Diod.  XXII,  10  sagt:    xal  JiQtottjv  noXtv  'HQuxkunv  TiQogriyaytTO,  ifQOv- 

pnatXti  TtQogixäQrjöttv.  Hier  ändert  Cluv.  ^ACtUvag  in  Ma^a^ov;  Corcia,  Delle  anticbecitta 
di  Sicilia,  Nap.  1869.  4,  p.  49  nimmt  die  Aenderung  an,  und  mit  der  Motivimng,  dass 
zwischen  Herakleia  und  Selinns  keine  andere  Stadt  sei  als  Mazara.  Gerade  dies  zeigt 
aber,  dass  die  Conj.  nicht  richtig  ist.  Wir  verlangen  nach  Herakleia  eine  Stadt  zwi- 
schen Herakleia  und  Selinus,  aber  Mazara  liegt  nicht  dort,  sondern  westlich  von  Se- 
linus.    Es  mnss  also  bei  Azones  sein  Bewenden  haben. 

S.  283.    Die  Karthager  haben  nach  2i0naras  VIII,  5  aus  Furcht  vor  Pyrrhos 


-Zu  Buch  V,  Kap.  6,  Seite  279—286.  489 

Söldner  aus  Italien  zu  Hülfe  genommen.  Dr.  II,  152,  n.  134  meint,  diese  SOldner 
könnten,  ^da  Lukanier,  Bruttier,  Samniten  allen  Anlass  hatten,  Pyrrhös'  ("einde  nicht 
zu  unterstützen,  doch  nur  aus  dem  römischen  Italien  und  dann  nur  mit  römischer 
Bewilligung  gekommen  sein.''  Aber  Leute,  die  Geld  verdienen  wollen,  fragen  nicht 
nach  Gründen  hoher  Politik.  Wenn  Dr.  in  ders.  Anm.  sagt:  „Diodor's  Schweigen 
(über  die  Anwesenheit  von  Römern  in  Lilybaion)  ist  wohl  bedeutsam»^  so  vergisst 
er,  dass  wir  nur  Excerpte  aus  Diodor  haben. 

S.  2S5.  Ueber  das  Verfahren  des  P.  gegen  die  Sikelioten  spricht  ausführlich 
DHal.  XX,  8.  Vgl.  Dio  Cass.  p.  177.  178.  Mai  und  p.  59ü  Vales.,  in  der  Ausgabe 
von  L.  Dindorf,  Lpz.  1863,  I,  p.  67  und  68. 

S.  285.  Nach  lustin.  XXIII,  3 :  conserto  proelio  cum  superior  fuisset  hätte  Pyrrhos 
vor  seinem  AbZuge  noch  einen  Sieg  über  die  Karthager  erfochten;  ich  nehme  viel- 
mehr einen  Irrthum  lustin's  an.  —  Die  20,000  M.  zu  Fuss  und  3000  Reiter,  mit  denen 
Pyrrhos  aus  Sicilien  nach  Tarent  kommt  (Plut.  Pyrrh.  24),  entsprechen  der  Zahl  der 
Truppen,  die  er  das  erste  Mal  hatte  (Plut.  P.  15).  Niederlage  zur  S^eo  in  der  Meer- 
enge durch  die  Karthager  Plut.  P.  24;  App.  Samn.  12.  —  Pyirhos  und  die  Mamer- 
tiner  (S.  289)  Plut.  P.  24. 

S.  286.  Münzen  des  Pyrrhos,  in  Sicilien  geprägt.  Vgl.  Raoul-Rochette, 
Memoire  sur  les  mMailles  siciliennes  de  Pyrrhus  etc.  in  den  M^m.  de  l'Acad.  des 
Inscr  T.  XIV,  2,  Par.  1840.  t,  mit  2  Tafeln.  Die  Angaben  bei  Droysen  II,  151  können 
in  ihrer  Kürze  irrige  Ansichten  über  die  hierher  gehörigen  Münzen  erwecken,  besonders 
als  ob,  was  nicht  der  Fall  ist,  die  sicilische  und  die  dodonaische  Gottheit  auf  der- 
selben Münze  figurirten.   Die  höchst  wahrscheinlich  Sicilien  angehörigen  iMünzen  sind : 

1)  Gold,  a)  Artemiskopf;  Rev.  Nike,  mit  Kranz  und  Tropaion  schwebend  BA- 
ZIAESIZ  nrPPOY  Torr.  CHI,  1—3. 

b)  Pallaskopf;  Rev.  wie  bei  a.   R.  Roch.  I,  2. 

2)  Silber,  a]  Korekopf,  fast  gleich  dem  der  agathokleischen  Tetradrachmen ;  Rev. 
Pallas  Promachos ,  ähnlich  wie  auf  den  syrakusanischen  Bronzemünzen,  deren  Avers 
einen  Herakleskopf  enthält  (abgeb.  bei  Torr.  LXXXIIl,  1  —  4),  und  von  denen  oben 
die  Rede  war,  da  sie  über  agathokleische  Münzen  geprägt  sind.  BAüTAESi^  IIYP- 
POY.  Abgeb.  bei  R.  Roch.  I,  1—3.  Hier  hat  No.  1  hinter  dem  Kopf  eine  Fackel, 
wie  bei  Torr.  LXXXV,  7,  hinter  dem  freilich  etwas  anderen  Kopfe  No.  3  aber  eine 
Biene,  wie  Torr.  LXXXV,  3,  von  welcher  Münze  oben  die  Rede  war. 

b)  Zeuskopf  mit  Eichenkranz.    Rev.  Hera  —  nach  R.  Roch.  Ceres  —  sitzend 
BAZrAESlZ  nyPPOY.   Abgeb.  R.  Roch.  I,  7. 

c)  Jugendlicher  behelmter  Kopf;  Rev.  Verschleierte  Frau  auf  einem  Hippokamp 
sitzend,  einen  Schild  vor  sich  haltend  BAZIAEas  HYPPOY  R.  Roch.  I,  4.  5. 

3)  Bronze,  a)  Verhüllter  Kopf  der  Phthia  (Mutter  des  Pyrrhos)  4>efA2:\  Rev. 
Blitz  BAZTAEÜZ  IIYPPOY  Torr.  CHI,  11.  12.  Der  Blitz  ist  ähnlich  wie  auf  den 
Bronzemünzen  des  Agathokles,  nur  ohne  Flügel ;  bei  Leake  indess  geflügelt.  R.  Roch. 
253  hält  den  Kopf  des  Avers  für  einen  Herakopf. 

b)  Korakopf  wie  in  2a;  Rev.  Ceres  sitzend  BAZTAESIX  HYPPOY  R.  Roch.  I,  8. 

c)  Pallaskopf;  Rev.  Nike  Tropaion  errichtend  jB^-T/^ÄiZ^"  77 YPPOY.  Bei  Torr. 
CHI,  8  statt  Pallaskopf  vielmehr  Areskopf. 

d)  Pallaskopf  Rev.  Aehre  in  einem  Kranze  BAZfAEOZ  HYPPGY  Torr.  CHI,  9. 

e)  Artemiskopf.    Rev.  Nike,  Tropaion  tragend  BAJSfAEnz  HYPPOY  Torr, 
cm,  10. 

Nach  R.  Rochette  wären  auch  die  Münzen  mit  der  Inschrift  ZIKEA/SITAN, 
die  Alessi,  Lettre  4  M.  Gerhard,  in  Bull.  d.  Inst.  1833,  p.  8—15,  der  Zeit  Hie- 
ron*s  II.  zuschrieb,  von  Pyrrhos,  der  ja  nach  Polyb.*  VII,  4.  5  König  aller  Sikelioten 
wurde. 


490  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

Beziehungen  zu  den  Münzen  des  Pyrrhos  zeigen  die  der  B^itjtot.  Sie  haben 
auch  1}  Die  kämpfende  Pallas  Sambon  p.  315,  No.  12.  13.  2,  Die  auf  einem  Hippo- 
kamp  sitzende  GOttin  (Thetis;  Sambon  314,  No.  7,  pl.  23,  25.  3;  NikeTropaion  krän- 
zend Samb.  p.  315,  No.  10.  11,  pl.  24,  45. 


Siebentes   KApitel. 

S.  286.    Bei  Plaut.  Menaechm.  II,  3  lesen  wir:  Non  ego  te  nori,  Menaechmum, 
MoBcho  prognatum  patre?   Qui  Sjracusis  perhibere  natus  esse  in  Sicilia.    Ubi  rex 
Agathocles  regnator  fuit  et  iterum  Pintia,   tertium  Liparo  qui  in  morte  regnum 
Hieroni  tradidit,   Nunc  Hiero  est.    Diese  Stelle  eines  Komikers  hat  zuerst  als  ein 
historisches  Document  betrachtet  Reineccius  in  s.  Historia  lulia  II,  p.  419  ff.,  der  die 
beiden  sonst  nicht  vorkommenden  Herrscher  Pintia  und  Liparo  als  Nachkommen  des 
Agathokles  betrachtet.   Die  Unmöglichkeit  dieser  Annahme  hat  Hkh.  in  Pauly's  B.  £. 
III,  1301  nachgewiesen.    Doch  glaubt  derselbe  im  Ubiigen  mit  den  von  ihm  citirten 
Burigny  (Röfiexions  sur  un  passage  de  Piaute  in  den  H6m.   de  TAcad.  des  Inscr- 
XXXiy,  p.  95  ff.},  Sainte-Croix  (M^m.  sur  les  anciens  gouvernements  de  Sicile,  ibid. 
XLVIII,  p.  137]  und  Visconti,  Iconogr.  grecque  II,  p.  26  ff.,  dass  die  Namen  histo- 
risch sind,   obschon  er  einige  dichterische  Ungenauigkeiten  bei  Plautus  anninmit. 
Richtiger  urtheilte  schon  Casaubonus  in  seinem  Commentar  zu  Polyb.  I,  7.    Aus 
Münzen  hat  die  Existenz  syrakusanischer  Herrscher  Namens  Phintias  und  Liparo  be- 
weisen wollen  Calcagni,  De'  r^  di  Siracusa  Finzia  e  Liparo,  non  ricordati  dalle  storie, 
riconosciuti  ora  con  le  monete.  T.  I,  Finzia,  Pal.  1808;  T.  II,  Liparo,  Pal.  1809.    Für 
den  ersteren  liegt  ihm  der  Beweisgrund  daftlr,  dass  die  bekannten  Phintiasmttnzen  nicht 
einem  akragantinischen ,  sondern  einem  syrakusanischen  Herrscher  angehören,  darin, 
dass  der  auf  ihnen  sich  findende  Artemiskopf  mit  dem  Artemiskopf  auf  syrakusani- 
schen Hitnzen  vollkommen  identisch  ist,  während  andererseits  Artemis,  wie  Calcagni 
meint,  in  Akragas  gar  nicht  verehrt  wurde.    Letzteres  ist  natürlich  ebenso  unbe- 
weisbar wie  unglaublich ;   in  Bezug  auf  ersteres  aber  muss  man  sagen,  dass  es  nicht 
unmöglich  ist,  dass  MUnztypen  von  einer  Stadt  auf  die  andere  herübergenommen  wur- 
den.   Es  ist  also  für  Phintias  der  Beweis  nicht  geführt,  dass  er  ein  Syrakusaner  war. 
Noch  weniger  aber  ist  Liparo's  Existenz  bewiesen.    Hierfür  beruft  sich  G.  auf  eine 
SUbermünze,  die  er  folgendermassen  boschreibt:  Männlicher  Kopf  nach  r.  AllIAPOY- 
Rev.  Pegasus  KL    Aber,  wie  Millingen,  Ancient  coins  of  greek  eitles  and  Kings, 
Lond.  1831.  4,  pl.  I,  No.  25  zeigt,  ist  die  von  Calcagni  gemeinte  Münze  eine  krotonia- 
tische,  sie  hat  nicht  AlIIAPOY,  sondern  AI2:aP02:,  und  nicht  KI,  sondern  JCA 
AJsaros  ist  der  Fluss  von  Kroton.    Vgl.  Sambon,  Recherohes  etc.  p.  327,  No.  55,  sowie 
für  eine  ähnliche  Bronzemünze,  abgeb.  pl  24,  No.  43,  pag.  328,  No.  82.  —  In  die  Kate- 
gorie der  Namen  auf  —  Ü.N,  die  mit  Ortsnamen  zusammenhängen,  können  ausser  den 
Bd.  I,  S.  402  angeführten  mit  mehr  oder  weniger  Sicherheit  noch  gerechnet  werden: 
Andron  Polyaen.  V,  2,  4;  Pacon  Diod.  XIX,  10.     Patron,  ein  lykischer  Name,  den 
Bachofen,  Lykien  S.  19  selbst  mit  der  Stadt  Patara  in  Verbindung  setzt;  Neon  ein 
Korinther  Plut.  Tim.   18;    Menon  Diod.  XXI,  18;    Akion  Vater  des  Kamarinäers 
Psaumis ,  ein  anderer  Akron  Freund  des  Empedoklos ;  Stilpon ,  Name  eines  Philo- 
sophen aus  Megara  und  eines  Feldherrn  des  Agathokles,  Diod.  XXI.  8;  Stilpai,  Stadt 
in  Siciiien,  nach  St.  B.   Umgekehrt  soll  von  Selon  Soloi  abgeleitet  sein :  Plut.  Sol.  26. 

S.  287.  Hieron.  Vgl.  die  oben  citirten  Schriften.  H.  ward  nach  Polyb.  VII,  8. 
Liv.  XXIV,  5  und  Val.  Max.  VIII,  13  über  90  Jahre  alt;  nach  Luc.  de  longaev.  n> 
aus  Domotr.  Callat.  starb  er  92  Jahre  alt.  Er  starb  215  v.  Chr.,  ist  also  307  v.Chr. 
geboren.    Hieron's  Jugend.    Nach  lust.  XXIII,  4  patre  Hieroclito,  nobili  viro,  cuioa 


Zu  Buch  VI,  Kap.  7,  Seite  286.  287.  491 

origo  a  Gelone  manabat.  Man  sieht  an  dem  falschen  Namen  des  Vaters  wieder  die 
Unzttverlässigkeit  des  lustinus.  Richtig  sagt  Paus.  VI,  2,  12  'Uqiov  *l€Q9xX^ovg\  so 
sagt  auch  die  in  Syrakus  aufbewahrte  Inschrift,  abgedruckt  CI  No.  5368.  Nach  Polyb. 
VII,  8  ou  nXovtov,  ov  So^av^  ov^  itegov  ov^iv  ix  T^f  tvx^i  %J0ifA0v  naqttknßiov.  Nach 
Zpn.  VIII,  6  ovT€  TittTQoS'tv  inufavitav  ^x^y  ttvti,  fttit^o&ev  d^  xal  dot/jlci^  TrQogiixtov. 
Nach  Flut.  Marc.  14  war  Archimedes  sein  avyy^v^g.  Die  Mutter  eine  Magd-,  Aus- 
setzung des  Knaben;  andere  Wunder  lust.  XXIII,  4.  —  Ein  syrakusanisches  Heer 
zur  Zeit  des  Agathokles  in  Friedenszeit  im  Lager  bei  Aetna  Diod.  XXI,  16.  — 
Mergana  bei  Polyb.  I,  8  ist  nach  Haltaus,  Greschichte  des  ersten  punischen  Krieges 
S.  90  Morgantion.  —  Zwei  Feldherren  gewählt,  Polyb«  I,  8 ;  gerade  wie  einst  Hippa- 
rinos  und  Dionysios;  Plnt.  Dion  3,  oder  wie  Megakles  und  Dion,  Plut.  D.  30.  Einer 
von  beiden  verschwindet  dann  nach  einiger  Zeit  und  lässt  dem  anderen  die  Herrschaft. 
S.  287.  Heirath  des  Hieron.  Philistis.  Nach  Polyb.  I,  9  heirathet  Hieron 
die  Tochter  des  angesehenen  Syrakusaners  Leptines;  aber  weder  Polybios,  noch  sonst 
ein  alter  Schriftsteller,  hat  den  Namen  der  Frau  Hieron's  überliefert.  Nach  Plut. 
Dion  1 1  hat  eine  Tochter  des  Leptines ,  Bruders  des  Dionysios  I. ,  den  Historiker 
PhilistoB  geheirathet.  So  erklärt  sich  das  Zusammenkommen  beider  Namen  in  der 
hieronischen  Zeit.  Offenbar  war  der  Schwiegervater  Hieron's  ein  Nachkomme  des 
Historikers  Philistos  und  der  Tochter  des  Leptines,  daher  nannte  er  seine  Tochter 
Philistis.  —  Leptines  kommt  als  agathoklei scher  Feldherr  vor  Diod.  XX,  56  u.  62, 
im  J.  307  V.  Chr.;  es  ist  vielleicht  der  Schwiegervater  Hieron's.  Es  wäre  interessant 
zu  sehen,  wie  dieselbe  Familie  von  Dionys  bis  Hieron  in  hohen  Staatsämtern  auf  der 
Seite  der  Tyrannen  blieb.  Nun  kommt  bei  Diod.  XVI,  45  u.  72  ein  Leptines  als  Feind  Ti- 
moleon  s  vor,  in  den  Jähren  351  u.  342,  und  dieser  könnte  ein  Sohn  des  nach  Diod.  XV, 
17  im  J.  383  gefallenen  Bruders  des  Dionys  gewesen  sein.  Der  im  J.  307  genannte 
Leptines  würde  dann  für  den  Enkel  des  342  verbannten  zu  halten  sein,  lieber  die  In* 
Schriften  des  Theaters  s.  unten.  —  lieber  die  ganze  Philistisfrag« :  Torremuzza,  Siciiiae 
inscr.  p.66.  Th.  Panofka,  Lettera  al  Duca  di  Serradifalco  sopra  una  iscrizione  del  teatro 
Siracusano.  Poligr.  Fiesolana.  1825.  8.  F.  Osann,  De  Philistide  Syracusanorum  regina, 
Giessen  1825.  4.  Raoul-Rochette,  Memoire  sur  les  m^dailles  siciliennes  de  Pyrrhus  et  sur 
quelques  inscriptions  du  meme  äge  et  du  mSme  pays.  M^m.  de  Tacad.  des  Inscriptions 
T.  XIV,  2  mit  einer  Tafel  Inschriften ;  die  Abhandlung  ist  auch  abgedruckt  in  seinen 
M^moires  de  numismatique  et  d'antiquit^  p.  49—1 19;  endlich  A.  Salinas,  Di  due  monete 
della  regina  Filistide,  Fir.  1869.  8  (aus  dem  Periodico  di  Numismatica  e  Sfragistica  I,  5). 
Dass  Mannert  in  s.  Geographie  Sioiliens  S.  336  Münzen  wie  Inschrift  der  Philistis  für 
moderne  Fälschung  erklärte,  erwähne  ich  nur  der  Curiosität  wegen.  Die  früheren  An- 
sichten über  die  Persönlichkeit  der  Philistis  hat  Torremuzza  zusammengestellt.  Osann 
und  Panofka  haben  zu  gleicher  Zeit  das  Richtige  gefunden.  Ob  auf  den  Münzen  wirk- 
Jich  das  Porträt  der  Philistis  sich  finde,  darüber  sind  abweichende  Ansichten  aufgestellt 
worden.  R.  Röchet te,  auf  die  Aehnlicbkeit  des  Kopfes  mit  dem  Demeterkopf  auf  den 
Münzen,  welche  die  Inschrift  i:iKEAlSlTAN  tragen,'  hinweisend,  nimmt  an  ,  dass  es 
ein  Demeterkopf  sei.  Gins.  Romano,  Iconografia  numismatica  de'  tiranni  di  Siracusa, 
Pal.  1858.  4  schliesst  sich  p.  6  der  Ansicht  R.  Rochette's  an,  wobei  er  jedoch  dar- 
auf Nachdruck  legt ,  dass  man  so  bekomme  una  specie  di  apoteosi  che  rappresen- 
tolla  sotto  le  forme  di  Cerere,  also  eine  Darstellung  der  Philistis  als  Göttin.  Salinas 
ist  für  einfaches  Porträt  der  Philistis.  Unter  der  Voraussetzung,  dass  es  Poi'trät  der- 
selben sei,  hat  man  sogar  seit  Torremuzza  auf  den  Umstand  Grewicht  gelegt,  dass 
nicht  überall  der  Kopf  eine  Person  desselben  Alters  verräth ,  man  hat  gemeint ,  das 
Porträt  der  Philistis  in  versohiedenen  Lebensattem  zn  besitzen.  Dem  gegenüber  hat 
R.  Roohette  darauf  hingewiesen,  dass  sich  solche  Verschiedenheiten  hinlänglich  durch 
die  Verschiedenheit  der  Stempel  erklären.    Neuerdings  ist  durch  eine  Entdeckung 


492  AnhaQj^  III.    Belege  und  Erlänterangcn. 

W.  Helbig's  die  ganze  Frage  ihrer  Entscheidung ,  und  zwar  in  dem  seit  Osann  mi 
Panofka  angenommenen  Sinne  zugeführt  worden.  Man  lese  den  Aufsatz  desseibci 
Hieron  IL  und  Philistis  auf  einem  agrigentiner  Relief.  Rhein.  Mus.  XXVII,  1,  S.  l' 
— 156.  Es  befindet  sich  nämlich  im  Brit.  Museum  ein  im  Meere  bei  Girgenti  ^tW 
denes  Marniorrelief ;  abgeb.  Ancient  Marbles  in  the  British  Museum  X,  Taf.  32,  wer 
ches  2  Kolossalköpfe,  nach  rechts  gewandt,  enthält,  einen  männlichen  und  einer 
weiblichen,  von  denen  erstcrer  den  hinteren  Theil  des  letzteren  deckt.  Der  mänDÜcr' 
Kopf  entspricht  dem  Kopfe  auf  der  Münze  bei  Mionnet,  pl.  68,  2,  der  weiblicbc 
ß8,  8.  Es  sind  also  üieron  und  Philistis,  die  hier  dargestellt  sind,  und  Heibig  svt 
,,die  Züge  auf  den  Münzen  stimmen  mit  den  auf  dem  Relief  ersichtlichen  volUtüodif' 
überein ;  die  Anordnung  der  Binde  und  des  Schleiers  am  Kopfe  der  Philistis  ist  \ik- 
wie  dort  dieselbe.''  Es  trägt  nämlich  der  männliche  Kopf  einen  Helm,  der  weiblich 
eine  aus  zwei  Streifen  bestehende  Binde.  Durch  das  Relief,  dessen  Kunstch&rakter 
insofern  merkwürdig  ist,  als  es  eine  doppelte  Fläche  hat,  indem  der  Kopf  Hierttsi 
erhabener ,  derjenige  der  Philistis  flacher  gebildet  ist,  letztere  auch  ein  mehr  en  Ut' 
gebildetes  Auge  hat,  wie  in  der  älteren  Kunst,  wird,  was  früher  fast  sicher  vxr,  m 
völlig  sicher,  denn,  wie  Heibig  mit  Recht  sagt,  die  neben  Hieron  dargestellte  Fra 
kann  keine  andere  sein  als  dessen  Gattin.  —  In  Betreff  der  Chronologie  de: 
Machterlangung  Hieron's  sind,  den  Quellen  entsprechend,  verschiedeDe  Aosiit 
ten  aufgestellt  worden.    Paus.  VI,  12,  2  sagt  von  Hieron:  t^j/  ai^xh^  ^^X^^  hu  ^'f- 

Man  sieht,  dass  vor  *OXi>fi7Ti«Sog  die  Zahl  g'  fehlt.   Ol.  126,  2  ist  275  v.  Chr.  D:p? 
als  richtig  angenommen,  wäre  die  erste  Folge,  dass  bei  Lncian.  de  longaev..  r- 
Hieron  70  Jahre  regiert,  diese  Zahl  auf  60  zu  beschränken  wäre.   So  erlangte  flie^i 
also  die  Herrschaft  275  v.  Chr.    Damit  stimmt  Inst.  XXIII.  4  post  profectiooem  < 
Sicilia  Pyrrhi  magistratus  Hiero  creatur  und  Zon.  VIII,  6  tt»p  ZvQoxaaiw  xp«Ti,'jp, 
/u*Fff  T^  tov  JTvftQov  ^wyriv.    In  Betreff  der  Regiemngszeit  des  Hieron  sagt  Polyb 
VII,  8  Ifij  Tttvjfixovjn  xnl  ritiaQa  flaatlivaag.    Wenn  wir  nun  berücksichtigen,  diS 
nach  dems.  I,  9  er  ßaatlthi  nQogr^yoQivi^vi  nach  der  Besiegung  der  Mamertiner  »i 
Longanos,  so  ist  daraus  zu  schliessen,  dass  diese  Schlacht  stattfand  im  J.  269v.(br 
Dies  nimmt  auch  Casaub.  zum  Polyb.  I,  9  an.    Nun  folgt  aber  auf  diese  Notii  \*^ 
Pol.  I,  10  sogleich  die  Erzählung  von  der  Einmischung  der  Römer  auf  den  Wödsc- 
einer  Partei  unter  den  Mamertinern;  und  daher  hat  Hkh.  in  Pauly's  B.  £.  VIA'^' 
jenen  Feldzug,  sowie  die  Erhebung  Hieron's  zur  Königswürde  in  265  v.  Chr.  gesetit 
seine  Wahl  zum  Feldherrn  fällt  dann  269,   und  von  dieser  Erhebung  zum  Feldhem 
rechnet  nach  seiner  Meinung  Polyb.  die  54  Jahre,  die  er  ßaatXtvattg  gelebt  h«btn 
soll.    Dagegen  führt  Fortman  p.  29  und  93  aus,  dass  mehrere  Expeditionen  BieroQ^ 
gegen  die  Mamertiner  zu  unterscheiden  seien:    1)  Polyb.  I,  8,   271  oder  270  v  CIl' 
n€(Qa  noiag  nach  der  Eroberung  Rhegion's  durch  die  Römer,  wobei  nach  Zon.  ^^"  ^' 
auch  schon  Hieron  geholfen  hätte;  2)  die,  in  welcher  die  Schlacht  am  Longtoos  vtf- 
fiel,  269  v.  Chr.;   3)  muss  eine  neue  Expedition  angenommen  werden,  welche  die  &^ 
mischung  der  Römer  zur  Folge  hatte,  sodass  über  die  Jahre  269—65  nichts  überlieiert 
ist.    Es  kann  nämlich  (Fortman  p.  93)  diese  Expedition  nicht  dieselbe  sein,  vie  di^ 
welche  mit  seiner  Ausrufung  zum  König  endete,  weil  nach  Diod.  XXII,  13  nach  der 
Schlacht  am  Longanos  (wo  übrigens  Diodor  den  Hieron  schon  König  nennt),  die  Ma- 
mertiner bereit  waren,  ^***  Ixuri^ltig  anavTav  rtp  ßua%lii,  wenn  nicht  Hannib»!  eiö'^'^ 
Trappen  eingeführt  hätte  {nach  Diodor  ^'  d.  h.  40  Soldaten,  wofür  Wesseling  /  ^  ^^ 
1000  liest).    Man  dachte  also  damals  in  Messana  noch  nicht  an  die  Römer.  -  ^^^ 
ich  glaube  mit  Fortman,  dass  man  auf  die  summarische  Darstellung  bei  Poiybios  l  ' 
kein  chronologisches  System  bauen  kann.    Da  Zonaras  schon  271  Hieron  Feldh^^ 
sein  lässt  und  die  Angabe  über  die  Regienmgszeit  Hieron's  (Polyb.  VII,  S;  <^^°  '^^' 


Zu  Buch  VI,  Kap.  7  u.  8,  Seite  287—299.  493 

fang  der  Königshemchaft  Hieron's  in  269  setzt,  so  stimme  ich  F.  bei.  Es  ist  zu 
beachten,  1}  dass  Polyb.  I,  8  Tia^a  noJag  nach  der  Einschliessung  Rhegion's  durch 
die  Römer  Messana  von  den  schon  von  Hieron  geführten  Syrakusanern  angegriifen 
werden  lässt,  was  doch  auch  eine  chronologische  Bestimmung  enthält,  und  2)  dass 
Polyb.  I,  8  ausdrücklich  die  Wahl  Hieron's  zum  Feldherrn  von  seiner  Wahl  zum 

Könige  unterscheidet:  xar^atfiaftr  UQ/ovrag  -^  —  xal  rov  ufin  ravta  ßuaiUvanria 
'fi^tova,  dass  er  dann  I,  9  enähh  ßaa$Xfvg  ngoiriyoQtvfhii,  und  dass  derselbe  Polybios  es 
ist,  der  ihn  VII,  8  54  Jahre  lang  König  sein  lässt,  sodass  er  hier  offenbar  nicht,  wie 
Hkh  1304  annimmt,  an  seine  Wahl  zum  Strategen  dachte.  —  Ohne  klare  Begründung 
sind  die  Zahlen  bei  Brunet  de  Presle  S.  386.  Plass  II,  306—8  ist  für  die  Jahre  275 
und  270;  er  citirt  noch  Krüger  zu  Clinton  F.  H.  Append.  X.  Man  vgl.  auch  die 
Anm.  6  bei  Droysen  II,  S.  268,  welcher  jedoch  nicht  zugeben  will,  dass  gleich  nach  der 
Schlacht  am  Longanos  die  Karthager  die  Burg  von  Massana  besetzt,  hätten ;  Hieron  habe 
nur  „aus  Rücksicht  auf  die  Punier"  (S.  269)  die  Eroberung  von  Messana  unterlassen. 
Solche  Rücksichten  sind  schwer  glaublich.  Dass  ^zwischen  dem  Siege  am  Longanos 
und  der  Einmischung  der  Römer  mehrere  Jahre  liegen,^*  ist  vollkommen  richtig,  aber 
nicht  so,  dass  auch  die  Karthager  sich  nicht  schon  gleich  eingemischt  hätten. 

S.  29t.  Die  Schlacht  am  Longanos  Pol.  I,  9  und  Diod.  XXII,  13.  Dieser 
hat  die  falsche  Form  uiolxavoq,  Ueber  die  geographischen  Fragen,  die  sich  hieran 
knüpfen,  habe  ich  Bd.  I,  S.  345  gesprochen. 

S.  298.    Der  Parallelismus  zwischen  Hellas  und  Sicilien  lässt  sich  so  darstellen : 
Schlacht  bei  Salamis :  Schlacht  bei  Himera : 

Blüthe  von  Athen ;  Herrschaft  der  Stadt      BlUthe   von  Syrakus  und  Akragas ;  die 
in  staatlicher  und  literarischer  Hinsicht.      Sikeler  unterworfen ;  Empedokles  u.  s.  w. 

Peloponnesischer  Krieg: 
Spartanische  Hegemonie;  Dionys 
Epaminondas  Timoleon 

Die  Makedonier.  Agathokles  und  Hieron. 

(Siehe  S.  494,:  Genealogie  von  Agathokles  und  Hieron  II.) 


Aehtes   KApitel. 

S.  299.  Ueber  Theokrit's  Leben  ist  ausser  den  unten  angeführten  Schriften 
von  Fritzsche,  Ädert  und  Finkenstein  besonders  zu  vergleichen^.  J.  Hauler,  De  Theo- 
criti  vita  et  carminibus  diss.  inaug.  Frib.  1855.  8.  —  Th.'s  Herkunft.  Suid.  llQa^a- 
yoQov  xul  ^lUvi^g,  ol  d^  Sifil^ov,  ^v^uxoatog'  ol  öi  tfaai  KtSov  *  fitTtpufjaf  d^  iv  2^v^ 
(^axovaaig.  Kos  als  Geburtsort  Theokrit's  haben  unter  anderen  angenommen:  Ahrens 
im  Philologus  VII,  412,  und  Fritzsche,  der  jedoch  selbst  auf  die  von  Ameis  in  Jahn's 
Jahrb.  1846  (Bd.  45)  p.  197  angeführten  Gegengründe  hinweist.  Nach  dem  ihm  in 
den  Mund  gelegten  (XXII)  Epigramm  der  Anth.  Pal.  IX,  434  ist  er  etg  äno  raw 
nokltSv  SvQaxoaltar ,  vtof  fl^a^nyo^ao  7i(Qtxk(tTtJ9  ri  *i>iXivijg.  Es  ist  hieraus  mit 
Bergk  zu  schliessen,  dass  der  Vater  als  ein  Mann  aus  dem  Volke,  die  Mutter  da- 
gegen als  von  edler  Abkunft  betrachtet  wurde.  Nach  dem  yirog  des  Dichters  in  den 
Handschriften  Theokrit's  war  er  £vQt(x6aiog  t6  yivog,  nargog  I^ifuxidou  (richtiger  £4- 
fit^ov)  tog  avTog  ifrjai  (Id.  7,  21),  hfioi  di  ro  ^i^i^iJa  fntifVfAOv  (hat  Hyovai  *  Jo*€t 
yag  aifiog  jtg  jifv  jiQogoilfiv  tJrai^  naiiQn  J*  ia^rixivai  Ilga^ttyofmv  »ai  fitjrlga  *9>iUvav. 
Dass Theokrit Simichidas  genannt  wurde,  erklärt  Schol.  Id.  7,  21  so:  r/aal  (f^  joioviov 
uno  nttjQlov  (Cod.  L.  narQtatov]  xXfif^tivai  £if4ix^dov  roi;  JliQtxXfofg  r"7v  'ÖQ/ofifv^tof. 
Hier  emendirt  Hauler  nnt^utov  und  erklärt  so :  Simichidas  war  des  Theokrit  Stiefvater, 


494 


Anhang  III.    Belege  und  ErlUoteningen. 


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Zu  Buch  VI,  Kap.  8,  Seite  290.  495 

weshalb  dieser  sich  nach  ihm  nannte.    Perikles  kam,  als  die  Thebaner  Orchomenos 
zerstörten,  346  v.  Chr.  nach  Kos,  sein  Sohn  Simichidas  heirathete  später  die  Mutter 
des  selbst  in  Syrakus  geborenen  Theokrit     So  erklärt  sich  auch  die  Hervorhebung 
von  Orchomenos  in  Id.  16,  104.    Ohne  Zweifel  hat  Hauler  die  Notiz  des  Schol.  Id. 
7,  21   richtig  erklärt.    Deshalb  ist  jedoch  die  Sache  selbst  noch  nicht  nothwendig 
richtig.    Mir  scheint  vielmehr  auch  der  Name  Simichidas  auf  Sicilien  hinzuweisen. 
Wenigstens  kommt  Slmichos  meines  Wissens  nur  als  sicilischer  Name  vor,  als  der 
eines  allerdings  fabelhaften  Tyrannen  von  Kentoripa,  bei  Porphyr,  vit.   Pyth.   21, 
Hierzu  kommt  noch,  dass  im  7.  Idyll  im  Ganzen  drei  angenommene  Namen  vorkom- 
men :  Lykidas ,   Sikelidas ,  Simichidas.     Unter  diesen  Umständen  kann  ich  der  her- 
kömmlichen Erklärung  derselben,  wonach  bei  den  beiden  letzten  die  Namen  der  Vät^r 
für  die  der  SOhne  gesetzt  sein  sollen,  kein  grosses  Gewicht  beilegen;  auch  Sikelidas 
scheint  mir  nur  auf  Sicilien  hinweisen  zu  sollen.  —  Die  Stellen  Theokrit's,  welche 
Sicilien  als  seine  Heimath  bezeichnen,  sind:  Id.  11,  7:  6  KvxXwijj  6  nao  tcfiiv;  28,  16: 
d^fierigag  ano  /.'^oio;,   was  unmittelbar  darauf  als  Syrakus  erklärt  wird;   endlich 
16,  8:  ccl  dk  (die  Chariten)  axv^o^ivm  yvfÄvoTs  noaXv  ofxttJ*  ttiaiv,  —  Theokrit's  Zeit. 
Ausführlich  handelt  hierüber  Hanler  p.  16  —  30.    Am  spätesten  setzt  den  Theokrit 
Munatus  beim  Schol.  vnoS'.  id.  17,  wonach  er  noch  zur  Zeit  des  Ptolemaios  Philo- 
pator  gelebt  hätte,  der  von  222  —  205  regierte.    Hauler  zieht  hi^pfür  auch  den  Vers 
des  MoschoB  3,  100  herbei,  wo  Theokrit  als  noch  lebend  erwähnt  wird.   Da  nun  Mo- 
sches Freund  des  Aristarchos  war,  dieser  aber  um  235  geboren  ist,  so  müsste  aller- 
dings Theokrit  noch  um  220  gelebt  haben.   Aber  da  die  bei  Moschos  vorhergehenden 
Verse  unächt  sind,  so  ist  die  Deutung  der  betreifenden  Erwähnung  Theokrit's  unklar. 
Wir  haben  somit  keine  Veranlassung,  Theokrit  noch  um  220  als  lebend  zu  betrachten. 
Im  Argum.  Id.  4  wird  er  als  um  Ol.  124  =  284  v.  Chr.  blühend  bezeichnet,  d.  h.  um 
den  Anfang  der  Regierung  des  Ptolemaios  Philadelphos.   Auf  die  Zeit  dieses  Königs 
weisen  auch  die  theokriteischen  Gedichte  selbst  hin,  bes.  Id.  16  und  17.    Die  Dati- 
rung  dieser  Gedichte  ist  besonders  von  Hauler  einer  ausführlichen  Untersuchung  un- 
terworfen worden.   In  Betreff  des  17.  Idylls  stimme  ich  mit  Hauler  durchaus  übercin. 
Ueber  das  16.  kommt  Hauler  in  seiner  längeren  Auseinandersetzung  (p.  27  —  29}  zu 
dem  Resultate,   dass  es  in  265  v.  Chr.  falle.    Da  nach  v.  76  ff.  ein  Krieg  mit  Kar- 
thago zu  drohen  scheint ,  so  muss  ich  annehmen ,  dass  das  Gedicht  in  die  Zeit  fällt, 
da  die  Karthager  durch  ihr  Eindringen  in  Messana  die  Hoffnungen  vereitelt  hatten, 
welche  Hieron  auf  den  Sieg  am  Longanos  setzen  durfte,  s.  Diod.  XXII,  fin.,  also  in 
269  V.  Chr.,  nach  dem  oben   (S.  492)   über  die  Machterlangung  Hieron's  Gesagten. 
Hauler  p.  29.  30  hat  auch  für  Id.  14  die  Zeit  festzustellen  gesucht  und  240  v.  Chr. 
angenommen,  in  welchem  Jahre  nach  seiner  Meinung  Theokrit  wieder  in  Syrakus 
anwesend  war.    Aber  wenn  auch  das  Gedicht  in  Sicilien  spielt,   so  berechtigt  doch 
nichts  dazu,   den  Dichter  selbst  in  Sicilien   anwesend  zu  denken  und  das  Jahr  240 
auch  nur  annöhemd  zu  vermuthen.  —  Theokrit's  Lehrer  und  Freunde  geben  weitere 
Daten  für  Theokrit's  Chronologie  selbst.    Nach  seiner  Lebensbeschreibung  nxovaxriq 
yfyove  4»iXTiTä  xaX  l^axlrinta^ov  iv  fivrjfiot'ivH  (Id.  7,  40).    Ueber  die  Zeit  des  Phi- 
letas  spricht  nach  Suidas  Hauler  p.  7—9,  er  setzt  p.  9  dieselbe  zwischen  340  und  270, 
und  wir  haben  allerdings  bis  340  zurückzugreifen,  da  er  nach  Suidas  bereits  zur  Zeit 
des  Philipp  von  Makedonien  lebte.    Vgl.  über  die  übrigen  Freunde  Hauler  p.  9—13. 
Dass  Aratos  in  Kos  sich  um  274/3  aufhielt,  hat  Usener  nachgewiesen :  Epigramm  von 
Knidos,  Rh.  M.  N.  F.  XXIX,  S.  42.  Um  dieselbe  Zeit  muss  nach  dem  Vorhergehen- 
den Theokrit  in  Kos  gelebt  haben.    Hauler  ist  auch  der  Ansicht,  dass  ein  Aufenthalt 
Theokrit's  in  Samos  wahrscheinlich  ist.  —  Der  dunkele  Vers  Ovid.  Ibis  551 :  Utve 
Syracosio  praestricta  fauce  poetae»  Sic  animae  laqueo  sit  via  clausa  tuae,  —  hat 
einem  Schol.  zu  der  falschen  Behauptung  Veranlassung  gegeben,  dieser  Dichter  sei 


496  Anhang  III.    Belege  und  Erläuternngen. 

Theokrit,  der  auf  Hieron's  Befehl  hingerichtet  sei,  weil  er  dessen  Sohn  durch  Schmäh- 
gedichte  beleidigt  habe.  Ueber  die  üandschriften.  Scholieu  und  Ausgaben  Theokrit's 
vgl.  Bernhardy,  Griech.  Liter.  3.  Ausg.  II,  2,  S.  .509—71.  Ich  habe  in  den  Citaten 
die  deutsche  Uebersetzung  von  Moerike  und  Notter,  Stnttg.  18.Ö5.  8  benutzt.  — 
S.  304.  Die  bukolische  Poesie.  Vergl.  von  neueren  Darstellungen:  Giov.  Yen- 
timiglia,  De'  poeti  Siciliani  libro  primo,  Nap.  1(563.  A,  nur  die  bukolischen  Dichter 
des  Alterthums  behandelnd.  Finkenstein,  Arethusa  oder  die  bukolischen  Dichter  des 
Alterthums  I,  Berl.  17S9.  4.  Naeke,  Opuscula  philologica  I,  Bonn  1842.  8.  J.  Ädert, 
Theocrite,  Geneve  1843,  8.  Welcker,  Ueber  den  Ursprung  des  Hirtenliedes  in  s.  Kl. 
Schriften  I,  Bonn  1844.  8.  A.  Th.  H.  Fritzsche,  De  poetis  Graecorum  bucolicis.  Gisa. 
1844.  8.  Notter,  vor  s.  Uebersetzung  Theokrit's,  Stuttg.  1855.  Zimmermann,  vor  s. 
Uebcrs.  Stuttg.  1856.  D.  Scinä,  Storia  letteraria  di  Sicilia  dei  tempi  Greci,  Pal.  1859. 
8,  p.  239—291.  0.  Ribbeck,  Die  Idyllen  des  Theokrit  in  den  Preuss.  Jahrbüchern 
Juli  1873,  S.  58—99,  und  die  sonstigen  von  Fritzsche  in  s.  kleinen  Ausgabe  (2)  S.  4 
zusammengestellten  Schriften,  sowie  den  Artikel  von  L.  Schmidt  in  Pauly's  R.  £.  I, 
2  und  Bernhardy,  Gr.  Lit.  II,  2,  554—574.  —  Ursprung  dor  Bukolik.  Abhand- 
lung nf()l  tljg  tifQiafatg  xm>  ßovxoXixcjy  vor  den  Handschriften  der  Bukoliker.  Ihr  Inhalt 
ist  im  Texte  wiedergegeben.  Femer  von  lateinischen  Grammatikern  Probus  und  Ser- 
viuB  zu  Anfang  i^irer  Comm.  zu  Verg.  Bucol.,  Donat.  vit.  Verg.  c.  21 ;  Isid.  Orig. 
I,  38,  endlich  Diomedes,  De  oratione  III,  p.  483  Putsch,  p.  486  Keil,  die  ich  als 
eigentbümliehe  Varianten  bietend  hierher  setze.  Bucolica  dicuntur  poemata  secundum 
Carmen  pastorale  conposita.    Instituta  autem  sunt,  sicut  quidam  putant,   in  Laconia. 

vel,  ut  alii,  in  Sicilia.    Nam  inter  Lacedaemonios  et  Siculos  varia  fuit  conditio. 

A  Siculis  autem  origo  quae  trahitur,  haec  est.  Ant(;quam  Hiero  rex  Syracusas  ez- 
pugnaret,  morbo  Sicilia  laborabat.  Variis  et  adsiduis  caerimoniis  Dianam  placantes 
finem  maus  invenerunt,  eandem  Lyaeam  cognomiuaverunt,  quasi  solatricem  malonim. 
Inde  res  in  consuetudinem  ti'acta  est,  ut  greges  rusticorum  theatrnm  ingredorentor  et 
de  Victoria  canerent,  habitus  vero  huius  modi  videbatur.  Erat  panis  magnus  omnium 
ferarum  imagine  conpletus  et  uter  cum  vino  et  follis  cum  omnium  leguminum  genere. 
Inerat  et  Corona  in  capite  et  in  manu  pedum  clavatum ,  atque  ita  victorum  fores  mul- 
titudo  circumibat,  Carmen  in  victoriam,  quam  adepti  fuerant,  canebant,  et  de  eo  folle 
limina  frugibus  spargebant.  Nonnulli  et  in  Italiam  et  in  Lydiam  et  in  Aegyptam 
transisse  creduntur  (kann  nur  bezeichnet  haben,  dass  auch  in  Lydien  solch  Wandern 
von  Hirten  mit  Gesaug  gebräuchlich  war),  quos  Lydiastas  et  bucolistas  appellaverunt. 
Quamquam  est  et  alia  opinio,  circum  pagos  et  oppida  solitos  fuisse  pastores,  conpo- 
sito  cantu  precari  pecorum  et  frugum  hominumque  proventum  atque  inde  in  hune 
diem  mauere  nomen  et  ritum  Bucolicorum.  Putant  autem  quidam  hoc  genus  carminum 
primum  Daphnin  conposuisse,  deinde  alios  conplures,  inter  quos  Theocritnm  Syracu- 
Sanum  quem  noster  imitatur.  Die  nt^l  t^^  (vq,  angeführten  griechischen  Verse,  welche 
die  Hirten  singen ,  haben  pnapeisches  Metrum ;  sie  sind  jedoch,  zu  zweien  vereinigt, 
fast  ganz  den  sogen,  bukolischen  Hexametern  gleich ,  d.  h.  solchen ,  die  eine  Cäsur 
nach  dem  vierten  Dactylus  haben.  Diese  Cäsur  findet  sich  bei  Homer,  aber  öfter 
bei  Theokrit.  Nach  Plotius  de  mctris  p.  2632  Putsch,  haben  Daphnis  oder  Thyrsia 
sie  erfunden.  Worauf  sich  bei  Diomedes  die  Nachricht  von  der  Eroberung  von  Sy- 
rakus  durch  Hieron  bezieht,  lässt  sich  nicht  sagen.  Vielleicht  ist  von  Daphnis  die 
Rede  auch  bei  Isid.  Or.  3,  21,  wo  die  handschriftliche  Lesart  ist:  fistulam  quidam 
putant  a  Mercurio  inventam,  alii  a  Fauuo  quem  Graeci  vocant  Pana,  nonnulli  eam  ab 
Idi  (oder  uno)  pastore  Agrigentino  ex  Sicilia,  wo  vielleicht  statt  Idi  zu  lesen  ist: 
Daphnide.  —  Anderweitige  Herleituug  der  bukolischen  Poesie.  Ath.  XIV,  619  von 
Diomos.  Sonst  kommt  Diomos  als  Liebling  des  Herakles  in  Attika  vor.  Daphnis  als 
Erfinder  der  Bukolik  Diod.  IV,  84.    Stesicboros  Erfinder  der  Bukolik  nach  Ael.  V.  H. 


Zu  Buch  VI,  Kap.  8,  8.  304—310.  497 

X,  18.  —  Ueber  die  grosse  Bedeatung  des  Wettkampfes  für  alle  Richtungen  des 
Lebens  der  Griechen,  und  wie  die  WettkUmpfe  in  alle  geistigen  Bestrebungen  hinein- 
spielon,  s.  d.  Art.  «ydürfs  in  Pauly's  R.  E.  I,  1,  572.  —  Eine  interessante  Beziehung  , 
zwischen  der  Volkspoesie ,  welche  der  Bukolik  zu  Grunde  lag,  und  gewissen  in  Sici- 
Ken  besonders  gepflegten  literarischen  Bestrebnngen  ergiebt  sich  aus  der  Erwägung 
folgender  Stelle  der  Abhandlung  von  F.  Nietzsche,  Der  Florentinische  Traetat  Über 
Homer  und  Hesiod.  Rhein.  Mus.  N.  F.  XXVIII.,  S.  220:  „Was  für  einen  Sinn  kann 
es  nnn  haben,  dass  inmitten  einer  'Sehule  der  Rede*  eine  so  ausführliche  Erzählung 
vom  Wettkampfe  der  beiden  ältesten  und  berühmtesten  Dichter  ihren  Platz  hatte? 
Ich  sehe  eine  einzige  Möglichkeit  ein ;  es  ist  jener  Wettkampf  das  gi-osse  Einleitnngs- 
Stück  im  Lehrbnche  des  Aleidamas,  in  dem  durch  das  berühmteste  mjrthische  Exempcl 
das  Wesen  der  gorgianischen  Beredsamkeit  als  uralt  dargestellt  werden  sollte.  Der 
grösste  und  weiseste  DichAr,  Homer ,  wird  als  Zeuge  und  Repräsentant  jener  Kunst 
des  Extemporirens,  cr/<JiWC<ff,  der  Redemanieren  di«  ßQaxvTattov ,  dt«  yvt^fimi*,  Jr' 
tthiyfiartov  n.  s.  w.  vorgeführt,  nach  der  auch  sonst  iiblichen  Sitte  der  grossen  grie- 
chischen Neuerer  und  Entdecker,  sich  durch  Homer  gleichsam  sanctioniren  zu  lassen- 
Welche  Wichtigkeit  Aleidamas ,  nach  dem  Vorgange  des  Gorgias ,  auf  den  «vtoaxi- 
ötttOfiog  legt,  erörtert  Vahlen,  Der  Rhetor  Alkidamas,  Berichte  der  Wiener  Akademie 
d.  Wissenseh.  1864,  p.  22  ff.''  Ich  habe  im  Texte  über  die  Wichtigkeit  der  Räthsel- 
frage  und  der  Improvisation  für  die  sicilianische  Volkspoesie,  zunächst  der  neueren 
Zeit,  gesprochen.  Hier  sehen  wir,  wie  einerseits  die  sioilische  Rhetorik,  andererseits 
die  volksthttmliche  hellenische  Poesie  ebenfalls  beides  in  hohen  Ehren  hält.  Dies  ge- 
stattet einen  für  Siciliens  Kultur  in  doppelter  Beziehung  wichtigen  Schluss.  Wenn 
Gorgias  dergleichen  Exempel  nahe  lagen ,  so  wird  er  sie  in  Sicilien  selbst  gefunden 
haben,  wo  noch  heute  diese  Geistesübung  im  Gebrauche  ist.  Wir  erhalten  also  erstens 
ein  ziemlich  sicheres  Zengniss  über  eine  verbreitete  Art  der  sicilischen  Volkspoesie, 
die  wir  sonst  noch  nicht  so  direct  kennen  gelernt  hatten,  und  wir  sehen  zweitens 
von  neuem  bestätigt,  dass  Gorgias  ein  echter  Sicilianer  und  seine  Schöpfung,  die 
Rhetorik,  eine  echt  sicilische  Kunst  war.  —  Beziehungen  zum  Hirtenleben  bei  Hermes 
Preller,  Griech.  Mythologie  I,  249;  bei  Pan  ders.  I,  460;  bei  Apoll  I,  168;  bei  Ar- 
temis Hymnia  I,  190  nach  Paus.  VIII,  5,  8;  XIII,  1.  Ueber  den  musikalischen  Trieb 
der  Arkadier  spricht  Polyb.  V,  20.  —  Aneh  fttr  den  von  mir  hervorgehobenen  me- 
lancholischeren Charakter  der  sicilischen  Hirtenpoesie  lässt  sich  die  moderne  Analogie 
anführen.  Ein  Sicilianer  M.  Raeli  Romano  spricht  in  der  Rivista  Europea,  Firenze, 
Ott.  1873,  p.  292  über  den  Charakter  der  siciiianischen  Poesie  und  sagt:  Uno  del 
tipi  a  noi  piü  eomuni  puoi  ravvisare  nel  semplice  e  neghittoso  pastore,  che  in  sul 
meriggio,  sdraiato  al  rezzo,  innalza  gli  occhi  al  sole  e  imbocca  1a  silvestra  zampogna, 
d'onde  trae  fiebili  suoni  che  rompono  i  silenz!  monoton!  della  campagna.  Es  ist 
völlig  die  Situation  des  ersten  theokriteischen  Idylls  mit  seinem  Klagegesang  auf 
Daphnis*  Tod. 

S.  310.  Id.  7.  Ueber  den  Schauplatz  des  Gedichtes,  ob  Kos  oder  Unteritalien 
s.  Fritzsehe  I,  197,  welcher  auch  die  von  andern  darüber  aufgestellten  Ansichten 
bespricht.  Mir  scheinen  die  für  Kos  sprechenden  Gründe  Übenviegend ;  doch  kann 
ich  V.  1  h  Tov  'Mfvra  nicht  für  richtig  halten.  Es  moss  ein  Fluss  von  Kos  gemeint 
sein.  Da  nun  5,  123  ebenfalls  h  tovZ^Xivra,  und  sicher  von  einem  unteritalischen 
Flusse,  vorkommt,  so  halte  ich  es  nicht  für  möglich,  dieselben  Worte  im  Anfange 
von  Id.  7  von  einem  ganz  anderen  Haieis  '^u  verstehen,  und  ich  nehme  mit  Fr.  an, 
dasB  in  7,  1  der  Name  ursprünglich  anders  gelautet  hat.  In  Lykidas  vermuthet 
Ribbeck  S.  79  not.  den  Kreter  Astakidas,  erwähnt  von  Kallimachos  Epigr.  24  (22). 
Dies  Epigramm  zeigt  weite  Verbreitung  der  Hirtenpoesio  zur  Zeit  des  Theokrit;  die 
Bukoloi  scheinen  nicht  blos  in  Kos,  sondern  auch  in  Alexandria  zu  Hause  gewesen 

Holm,  Qesch.  Siciliens.  II  32 


49S  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

zu  sein.  —  ISovxoXoi  (loa  Kratinos  Ath.  XIV,  <J.i8.  —  Man  vgl.  vom  Kvxloftfß  des 
Euripides  v.  49  ff.  mit  Theokrit's  Id.  4,  45;  5,  3;  5,  100;  8,  79.  —  üeber  Phi- 
loxenos  s.  o.  S.  456.  —  Ueber  Herroesianax  Schol.  Theoer.  8,  55.  —  Ueber  Eriphanis 
Klearchofl  bei  Ath.  XIV,  C19.  Vgl.  Ribbeck  S.  61.  —  Ueber  Sositheos  Bernhardy 
Gr.  Lit.  II,  2  (3),  S.  74.  —  S.  316.  Id.  5.  Auf  meine  Zweifel  über  die  Gerechtigkeit 
des  Schiedsprnches  antwortet  Ribbeck  67,  der  mich  jedoch  nicht  überzeugt.  Komatas 
taugt  nicht  mehr  als  Lakon.  —  S.  316.  Id.  10.  Nach  Ath.  XIV,  619  heisst  das  Lied 
der  Schnitter  Airv^Qütig.  —  8.  316.  Id.  1.  Dass  in  diesem  Gedichte  dem  Daphnis 
Schicksale  zugeschrieben  werden,  die  sich  mit  den  sonst  von  ihm  berichteten  nicht 
verejnigen  lassen,  sah  D.  J.  van  Lennep  in  seiner  Disput,  de  Dapbnide  Theocriti  et 
aliorum.  Comm.  inst.  Belg.  class.  III,  vol.  H,  1820,  p.  157  ff.  Doch  stimmt  die 
Deutung,  welche  Lennep  dem  Gedichte  giebt,  die  Auffassung  des  Verfaältoisaes  des 
Daphnis  zur  Aphrodite  u.  s.  w.  nicht  ganz  mit  der  un8r%en  ttberein,  die  sich  viel- 
mehr an  die  von  Fritzsche  anschliesst.  S.  I,  11  —  13  |der  grossen  Ausgabe,  wo  die 
sonstigen  Schriften  citirt  werden,  in  denen  dieser  Gegenstand  behandelt  ist.  Die 
Ansichten  der  früheren  hat  ausfuhrlich  entwickelt  K.  Fr.  Hermann,  De  Daphnide 
Theocriti,  Gott.  1853.  4.  Herrn,  unterscheidet  fUr  unser  Gedicht  zwei  Mädchen,  qna- 
rnm  alterius  fastidio  molestias  amori  creaverit,  alterius  desiderio  eiusdem  vim  ex- 
pertus  Sit.  Sputer  hat  noch  darüber  gehandelt  Bücheier  in  den  Neuen  Jahrb.  f. 
Philol.  1860,  Bd.  81,  p.  359;  zuletzt  A.  Krumbholz,  Quacstionum  Theocritearum  spe- 
cimen  primnm,  Drcsd  1873.  8.  (Rostocker  Dissertation).  —  S.  317.  Id.  27.  Der  von 
Fr.  II,  213  versuchte  Beweis  der  Unächtheit  des  Gedichtes  hat  in  so  weit  keine  Be- 
gründung, als  er  sich  darauf  stützt,  dass  der  Daphnis  von  Id.  27  nicht  der  alte  sici- 
lische  Heros  sei.  Es  ist  klar,  dass  nicht  überall ,  wo  bei  Theokrit  ein  Daphnis  vor- 
*kommt,  es* jener  alte  Heros  ist.  Wer  die  Identität  des  Daphnis  in  den  theokriteischen 
Gedichten  ausser  Id.  27  festhalten  will,  wird  genöthigt,  zu  ziemlich  willkürlichen 
Deutungen  seine  Zuflucht  zu  nehmen,  wie  solche  z.  B.  K.  Fr.  Hermann  hat  aufstellen 
müssen,  der  aus  jenen  Gedichten  in  der  cit.  Abhandlung  eine  recht  bunte  Geschichte 
zusammensetzt.  Daphnis  heirathet  die  Nais  (8,  93 ) ;  aber  diese  Heirath  ist  nicht 
amoris,  sondern  aü}(^{)oavvTjg  praemium.  Nun  kann  er  diese  Flussnymphe  nicht  oft 
sehen,  darf  aber  dennoch  nicht  mit  einer  andern  Verkehr  haben  (Sage  bei  Diodor  nnd 
Aelian).  Eine  nicht  mit  Namen  genannte  x(oQa  (1,  83)  ist  in  ihn  verliebt;  er  aber 
flieht  sie  und  verliebt  sich  dagegen  in  eine  ^fr^a^  eine  Fremde  (7^  73),  welche  ihm 
nicht  zu  Theil  wird,  das  ist  der  Grund,  weswegen  er  stirbt.  Man  kann  unmöglich 
diese  complicirte  Geschichte  annehmen,  und  wird  zugestehen  müssen,  dass  Daphnis 
bei  Theokrit  nicht  überall  derselbe  ist.  In  Id.  6  und  8Jsind  es  gewöhnliche  Hirten, 
die  den  Namen  Daphnis  führen,  und  so  ist  auch  für  Id.  27  die  Annahme  eines  ge- 
wöhnlichen Hirten  dieses  Namens  statthaft,  in  Id.  f  und  7  dagegen  ist  es  der  alte 
Heros.  Wo  ein  Daphnis  als  handelnde  Person  in  einem  theokriteischen  Gedich'te  auf- 
tritt, ist  es  ein  beliebiger  Hirt  (Id.  6.  8.  27);  der  jalte  Daphnis  kommt  nur  in  den 
Reden  oder  Liedern  der  handelnden  Personen  vor;  es  ist  von  ihm  die  Bede  Id. 
1.  7.  Dass  dieselben  Namen  nicht  immer  dieselben  Personen  bei  Theokrit  bezeich- 
nen, hat  Fr.  selbst  in  der  kl.  Ausg.  zu  4,  3S  nachgewiesen.  —  S.  317.  Id.  11  ist  von 
Seume  in  seinem  Spaziergang  nach  Syrakus  übersetzt.  —  S.  319.  Den  Contrast 
zwischen  Stadt  und  Land  läugnet  bei  Theokrit  Beruh.  Gr.  Lit.  II,  2,  493.  94. 
Gegen  ihn  Fr.  Kl.  Ausg.  S.  10  Anm.,  der  in  Betreff  des  7.  Idylls  vollkommen  Recht 
hat.  Aber  Id.  7  ist  ja  eben  der  Vertreter  der  künstlichen  Bukolik,  das  Gedicht ,  in 
welchem  die  verkleideten  Stadtherren  Schäfer  spielen;  so  ist  in  diesem  Gedichte- der 
Contrast  zwischen  Stadt  und  Land  ein  wesentliches  Moment  des  Ganzen.  Ebendes- 
wegen aber  beweist  Id.  7  für  die  wirklichen  bukolischen  Gedichte  Theokrit's  nichts.  — 
Id.  8.  9.  3  als  sicilische,  4.  5.  10  als  italische  Lieder  charakterisirt  von  Hauler  p.  65, 


Zu  Buch  VI,  Kap.  8.  Seite  316-319.  499 

der  deswegen  annimmt,  daas  Theokrit  auch  in  ünteritaiien  sich  eine  Zeitlang  aufge- 
halten habe ,  was  nicht  unwahrscheinlich  ist.    Es  ist  bemerkenswerth ,   dass  in  den 
italischen  Idyllen  ein  derberer,  realistischerer  Ton  herrscht.  — S.  319.    Id.  18.  Nach 
der  vTioS-hfStq  hat  Th.  einiges  ^x  xov  TtQwrov  ^rr/aixoQov  'El^vrjg  genommen.    In  v.  49 
findet  sich  eine  Reminiscenz  an  Sappho.    Dagegen   scheint  in  v.  30  eine  Entlehnung 
aus  dem  Orient  vorhanden  zu  sein.   v.  29 — 31  lauten:  IfntQu  Sre  Xt^or  «r^J()«^f  xoajuog 
itQovQif  */I  xaTKft  xvTittotaaog  5  «(»^«rt  Sitfoalog  innog  SlSs  xnl  «  ^odoxQfog  *KX4va  ^a- 
xf6a(fjLovi  Hoa/Aog     Das  Gleichniss  mit  dem  thessalischen  Pferde  ist  dem>  Uebersetzer 
Notter  so  sonderbar  vorgekommen,  dass  er  es  S.  19  eine  ,^chlimme",  „unschickliche" 
Vergleichung  nennt.    Wir  können  aus   diesem   offenen  Oeständniss  wenigstens  das 
entnehmen,  dass  einer  sich  innerhalb  der  Grenzen  der  hellenischen  Gfedankenwelt  be- 
wegenden Anschauung  der  Vergleich*  sehr  auffallend  vorkommt.    Um  so  nothwen- 
diger  wird  es,  eine  Erklärung  des  Ursprunges  eines  solchen  Gleichnisses,  wenn  sie 
einige  Wahrscheinlichkeit  hat,  nicht  von   der  Hand  zu  weisen.     Die  orientalische 
Analogie  ist  gegeben  durch  die  Stelle  des  Hohenliedes  1,  9,  welche  in  der  grie- 
chischen   Uebersetzung  so   lautet:    rtu   YnTup  ^ov   (v   apfiaai  4>aQnio   mfjiodoad  ae ,   ri 
nlrialov  ftov.    Vergl.  über  diesen  Gegenstand  die  kleine  Schrift:  Stäudlin,  Theokpt's 
Idyllen  und  das  Hohelied,  in  Paulus'  Memorabilien ,  Jena  1791.  2.  Stück  S.  162  ff. 
Stäudlin  fUhrt  noch  eine  Reihe  anderer  Stellen  an ,  in  •  denen  ebenfalls  Anlehnung 
au  das  Hohelied  bei  Theokrit  stattfinde;   sie  sind  jedoch  nicht  beweisend,  mit  Aus- 
nahme einer.    Er  vergleicht  Theokr.  18,  20  —  29  mit  Hohel.:6,  8—10,  wo  in  beiden 
Gedichten    zuerst  die  Zahl  der  anderen  Frauen   (Hohe!.)   oder  Mädchen '(Theokr.) 
berichtet  wird,    nämlich  60  und  80  im  Hohenlied,  4 mal  60  bei  Theokrit,  worauf 
dann  in  beiden  Gedichten  folgt,  dass  die  eine  doch  noch  schöner  ist  als  alle  an- 
deren, und  das  wird  durch  Vergleichungen  gezeigt,   bei  denen  in  beiden  Gedichten 
die  Morgenröthe  eine  Rolle  spielt.    Die  gleiche  Folge  ähnlicher  (bedanken  in  bei- 
den Gedichten  ist  bemerkenswerth  und  schwerlich  dem  Zufall  zuzuschreiben.    Die 
Art  der  Entlehnung  ans  dem  Orient  giebt  Stäudlin  S.  162  dahin  an,    dass  ,,nach 
mehreren  Auslegern  Theokrit  an  dem  Hofe  des  Ptolemaeus  Philadelphus  durch  den 
Kanal  der  70  Dolmetscher  aus  dem  Hohenliede  geschöpft  habe.'*   Jedenfalls  ist  klar, 
dass  es  Theokrit  in  Aegypten  möglich  sein  musste,    den  Charakter  und  manche  ein- 
zelne Proben  orientalischer  Poesie  kennen  zu  lernen,  sodass  eine  directe  oder  indi- 
recte  Entlehnung  von  18,  30  und  von  18,  20—29  aus  dem  Hohenliede  durchaus  nicht 
als  unwahrscheinlich  bezeichnet  werden  kann.   Ich  fUhre  noch,  da  Stäudlin's  Abhand- 
lung wenig  bekannt  zu  sein  scheint ,  die  von  Stäudlin  in  dieser  Beziehung  citirten 
Kritiker  an:  Warton  ad  Theoer.  23,  26;  Schwebel  ad  Bion.  8,  1;  Hariess  ad  Theoer. 
18;  S.  Wesley,  Dissert   ad  lib.  lobi,  Lond.   1736  diss.  4,  p.  27;  Lowth,  De  sacra 
poes.  Ebraeorum  p.  613.    üebrigens  darf  nicht  tibersehen  werden,  dass  in  Betreff  der 
Form  und  einiger  Ausdrücke  von  Theokr.  18,  29—31  eine  heimische  Reminiscenz  vor- 
zuliegen scheint  an  die  angeblich  vou  Homer  improvisirten  Verse :  *Avt^og  f^iv  aji<favog 
nalfffg,    nvQyot  dk  nokmog,  "fnnoi   if*  av   n^SCov  xoüfiog,   vrjeg  cfi  Oalnaarjg ,  Aaog  J* 
tiv  ayoQ^aixtt^ud'og  iigoQtiaa^ttt  u.  s.  w.,  vgl.  Nietzsche  im  Rh.  Mus.  N.  F.  XXVIII, 
S.  248.  —  Den  orientalischen  Ursprung  der  bukolischen  Poesie  überhaupt,  nicht  die 
Entlehnung  einzelner  Stellen,  sucht  nachzuweisen  L.  de  Sinner,  La  po^sie  bucolique 
chez  les  Grecs.    Extr.  du  Journal  g^n^ral  de  Instruction  publique  s.  I.  et  a.    Seine 
Beweisführung  ist  folgende.    Wie  kommt  es,  fragt  er,   dass  nicht  Griechenland,  das 
doch  ein  so  entwickeltes  Hirtenleben  hatt«,  die  bukolische  Poesie  hervorgebracht  hat, 
sondern  gerade  Sicilien?     Die  Heimath  des  Hirtenlebens  und   der  Hirtenpocsic  ist 
Asien.   Die  asiatische  Hirtenpoesie  konnte  leicht  nach  Nordafrikijk  verpflanzt  werden, 
und  ebenso  leicht  erklärt  sich  der  Uebergang  von  hier  nach  Sicilien,   zumal  da  die 
Karthager  so  lange  einen  Theil  der  Insel  beherrscht  haben.    S.  citirt  als  Beleg  für 

32* 


500  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterungen. 

den  Verkehr  afrikanischer  Hirten  mit  griechischen  in  Sicilien  Id.  1,  23 — 25  und  fbacht 
auf  das  Vorhandensein  des  Refrains,  wie  im  Thcokrit,  so  im  Hohenliede,  aufmerksam. 
Sinner's  Hypothese  entbehrt  des  Beweises.  Ueberliefert  ist  im  Gregentheil  dorischer 
Ursprung  der  Hirtenpoesie.  —  Für  den  Einfluss  des  orientalischen  Elementes  auf  die 
sicilische  Poesie  sind  auch  von  den  italienisclien  Gelehrten  manche  eingetreten,  unter 
andern  der  berühmte  Gioberti  in  seinem  Primato  p.  508,  citirt  von  VinC.  Di  Giovanni, 
Del  genio  Orientale  nelia  poesia  antica  e  modenia  Siciliana  p.  173  ff.  des  ersten  Bandes 
seiner  Filologia  e  Letteratura  Siciliana,  Pal.  1871.  8,  der  sich  auch  selbst  für  die 
Annahme  dieses  Einflusses  entscheidet.  —  S.  321.  ddvXli^v;  Demin.  von  fMo^, 
in  nachtheokriteischer  Zeit  Benennung  der  Gedichte  Tbeokrit's,  obechon  in  der  Ab- 
handlung Tifgl  tijs  TiSv  ßovxoXtxiov  iniyQttffijf  p.  7  Fr.  der  Name  als  von  Tkeokrit 
selbst  herrUhrrad  angegeben  ist.  Es  ist  klar,  daas  üJuXXiov  soviel  bedeutet  wie 
fnxQov  noirj/aa;  das  beweist  die  angeführte  Abhandlung  p.  7  Fr.,  femer  Isid.  Origg. 
],  39:  idyllium  paucorum  versuum,  distichon  duorum,  monostichon  unlus,  endüeh 
der  Gebrauch,  welchen  Plin.  ep.  4,  14  von  dem  Worte  macht,  indem  er  epigrammats, 
idyllia,  eclogas  als  Bezeichnung  seiner  kleinen  hendecasyllabi  anwendet.  Dagegen  ist 
nicht  so  klar  wie  es  kommt,  dass  tiJvlXiov  ein  kleines  Gedicht  bedeutet.  Verschie- 
dene Ansichten  darUber  hat  sehon  [die  angeführte  Abhandlung  aufgestellt:  ano  rov 
ffJovi,  Tj  d-ctoQ^a  oder  ano  tov  Mto  to  ofiom '  ioixorfs  yitQ  .xotQ  n^qtinotq  ^Mv  oi 
Xoyoi,  oder  endlich:  weil  ein  Gedicht  (2Joi  loyou^  d.  k.  eine  Art  der  Bede  ist.  Vgl 
über  diesen  Gegenstand  W.  Ohrist,  lieber  das  Idyll,  in  den  Verhandlungen  der 
26.  Versamml.  der  Philologen  in  Würzburg,  Lpz.  1869,  p.  40—58,  der,  wie  vor  ihm 
L.  Schmidt  in  Panly's  R.  E.  I,  2,  2517  an  den  auch  in  der  erwähnten  AbhaBdlnng 
n€Ql  TTjg  ttSv  ßovx.  iniyg.  angedeuteten  Gebrauch  des  Wortes  für  die  Arten  der  Pin- 
darischen  Melik  denkt.  Andere  deuten:  kleine  Bilder,  so  Fr.  Kl.  Auag.  S.  31  nnd 
Bernhardy  II,  2,  568  („wir  denken  unwillkürlich  an  Genrebilder^),  Sinner  meint  ein- 
fach :  Form  ist  Gedicht ,  also  ist :  kleine  Form  =  kleinee  Gedicht.  Die  Sache  wird 
sich  schwerlich  ganz  aufklären  lassen.  —  S.  321.  Nach  Suidas  hat  Theokr.  noefa  ge- 
schrieben: n^oizlSsg^  iXn^JeSf  vfjivoi,  ri()(oh'ai ,  iniX^Jiitt  fi^ltf,  iXtyitig^  tafift9i,  im- 
yQttfÄfxaTtt,  Für  unächt  erklärt  sind  von  Reinhold,  De  genuinis  Theocriti  carminibus  et 
suppositiciis,  Jena  1819,  alle  Idyllen  nach  4em  18. ,  nebst  12  u.  17;  gegen  ihn  hat  Wissowa, 
Theocritus  Theocriteus,  Bresl.  1828,  den  Bestand  Theokrits  vertheidigt ;  yon  D.  Heinsias 
20.  27 ;  von  Reiske  25.  j24 ;  von  Warton  21.  17  und  18,  von  G.  Hermann  23;  von  Eich- 
Stadt  22. 26  ;  von  Ahrens  18—28 ;  v.  0.  Härtung,  Quaest.  Moscheae.  Bonn  1865  alle  Epie«. 

S.  321.  Bion,  nach  Suid.  s.  v.  B^ox^uos  auf  dem  Landgute  Phlossa  bd  Smyrn» 
geboren,  lebte  nach  dem,  Moschos  zugeschriebenem  Rlageliede  auf  ihn,  grOsstentbeils 
in  Sicilien,  wo  er  an  Gift  starb  (v.  126).  Auf  die  unächten  vv.  94—99  kennen  keine 
Zeitbestimmungen  gebaut  werden.  —  Moschos  nach  Suid.  s.  v.  Afo'a/o^  ein  yvm(»' 
fiog  des  Aristarchos.  Vgl.  die  eingehende  Chfirakteristik  beider  in  Bemh.  6r.  Lit. 
II,  2,  502—4. 

S.  322.  Gebrauch  des  Wortes  ßovxoXog,  ßovxoXnx^€iv.  Moschee  sagt  in 
seinem  Klagelied  auf  Bion  8  — 12:  '^(>;^<7«  ^^ixfXixal  rtS  nivS^og^  ^9X^''^  Mtiicm. 
'yiJovee,  nl  nvxtvoiaiv  o^vQOfjitvat  norl  (fvXXoig,  Ndfiaa».  tm;  £tx(Xjoitg  ayyiiXtett  ins 
^yige&oiaag,  Om  Biiov  xid-vax^v  6  ßaixoXog,  ojji  auv  avrf  Kai  to  fiiXog  r49rmxf  *«l 
üiXfTOy  /IwQig  aoidd.  Es  wird  also  Bion  als  ßtoxoXog  bezeichnet.  In  v.  20  desselben 
Gedichtes  heisst  er  auch  6  ralg  dy^Xataiv  i^da/nog,  und  In  v.  59  ff.  wird  Galateia 
eingeführt,  wie  wir  auch  unter  Bion's  Gedichten  ein  sehr  niedliches  Fragment  habev, 
worin  Galateia  vorkommt.  Dass  er  ein  wirklicher  Hirt  gewesen,  ist  nirgends  ersicht- 
lich; offenbar  war  er  es  nur  in  dem  Sinne,  wie  der  Lykidas  des  7.  theokriteisehen 
Idylls,  den  er  auch  in  seinem  eigenen  7.  Idyll  angebracht  hat:  er  nahm  die  Maske 
eines  Rinderhirten  an.    Also  steht  ßwxoXog  im  uneigentlichen  Sinne.    Nicht  anders 


Zu  Buch  VI,  Kap.   8,  Seite  321  -323.  501 

steht  es  um  fitokoltaC^tv  bei  Bion  und  Moschos.  Eigentlich  bukolisches  im  ursprüng- 
lichen, theokriteischen  Sinne  ist  wenig  in  Bions  Gedichten;  dennoch  heisst  es  von 
ihm  bei  Moschos  3,  126:  alX*  inl  Koti^t}  ^ixtXixov  ji  Uytuve  xal  adv  ri  ßüjxolida^ev, 
wo  augenscheinlich  ßovxoXta^tiv  für  Dichten ,  Singen,  überhaupt  steht.  Das  bestätigt 
sich  durch  Bion's  Id.  3,  worin  Kypris  zum  Bion  kommt  und  ihm  sagt:  fÄÜniiv 
fioi,  (f>iXe  ßtSra,  Xtißtttp  xov  "Egatra  (f/Jacrx£  —  worauf  er  ihn  lehrt  oaa  ßioxoX(aaßov, 
und  der  Gegenstand  dieser  Poesie  ist  nach  v.  7.  8  die  Erfindung  der  Musikinstru- 
mente, also  nicht  ein  specielles  Uirtenthema.  Es  bedeutet  also  bei  Bion  und  Moschos, 
denen  sich  natürlich  ein  Freundeskreis  angeschlossen  hatte,  ßoirnoXin^dv :  Dichten, 
wie  ein  verkleideter  ßovxoXog  es  thut,  dem  nicht  bloss  die  eigentlichen  Hirtenstoffe, 
sondern  alle  lieblichen,  sanften,  traurigen  Stoffe  zur  Verfügung  stehen ;  das  eigentlich 
heroische,  kräftige,  wird  ausgeschlossen.  Dem  entspricht  bei  Bion  7,  10  die  Anfüh- 
rung des  ßmxoXog  Paris.  —  So  sahen  wir  schön  zweimal  eine  Gesellschaft  von  Freun- 
den, die  sich  den  Namen  ßovxoXoi  beilegten  und  als  solche  zarte  Lieder  sangen:  in 
Kos  zur  Zeit  Theokrit's  und  in  Syrakus  unter  Bion  und  Moschos.  Aber  diese  Ver- 
kleidung blieb  noch  lange  beliebt.  Wir  finden  an  einem  ganz  verschiedenen  Orte,  in 
römischer  Zeit,  eine  sogar  sehr  gut  organisirtcj  Gesellschaft  von  ßovxoXot :  in  Perga- 
mon  in  Klcinasien,  nach  Ausweis  der  von  C.  Curtius  im  Hermes  VII,  1 ,  S.  39  publi- 
cirten  Inschrift  No.  12,  in  welcher  die  pergam.enischeh  Bukoloi  ihren  Vorsteher,  der 
den  Titel  Archibukolos  führt,  Soter,  den  Sohn  des  Artomidoros,  ehren,  weil  er  in 
frommer  und  würdiger  Weise  einen  dem  Dionysos  als  Führer  —  xad^tjyefitiip  —  geweihten. 
Mysteriendienst  geleitet  hat.  Nach  dem  Namen verzeichniss  den  18  bukoloi  folgen  die 
Namen  der  2  v^vodiöaaxaXoi  —  worauf  2  ebenfalls  der  Gesellschaft  angehörige  2*#Aiiv#ot 
namhaft  gemacht  werden ;  den  Schluss  macht  ein  /oQtjyog,  Es  haben  sich  hier  also  die 
bukoloi  zu  Dionysosmysterien  vereinigt.  (Einiges  nach  mündl.  Aeusserungen  üsener's.)  ■ 
S.  323.  Ich  führe  aus  dem  Vaterlande  der  Bukolik  einen  frappanten  Beleg  für 
die  in  gewissen  Jahrhunderten  herrschende  Neigung  zur  Nachahmung  des  Hir- 
tenlebens an.  Vino.  Di  Giovanni  (f  1627)  berichtet  in  seinem  Palermo  restaurato 
p.  95  der  Ausgabe  von  Di  Marzo,  Pal.  1872.  8,  vol.  X  der  Biblioteca  storica  di  Si- 
cilia:  Quivi  (an  einem  Orte  der  Umgegend  von  Palermo)  il  dottor  Gio.  Guglielmo 
Bonincontro  si  fece  un  luogo  pastorale,  con  capanne,  tuguri,  un  boschetto  ed  altri 
Inoghi  silvestri.  Era  di  umor  filosofico ;  si  vestiva  di  pastore  e  da  ninfa  facea  vestire 
sua  moglie ;  c  sonando  ora  sue  ciaramelle  (Sackpfeife)  ora  i  flauti  a  guisa  di  pastore, 
con  sua  moglie  si  prendeva  diletto  o  spasso ;  cosa  non  solamente  di  gusto  a  lui ,  ma 
di  sommo  piacere  a  chi  lo  vedeva  e  sentiva.  Es  muss  uns  jetzt  sonderbar  erschei- 
nen, dass  ein  ernsthafter,  vielleicht  bejahrter  Doktor  mit  seiner  Frau  den  Hirten 
spielte  und  sich  darüber  freute,  wenn  andere  sich  das  Schauspiel  betrachteten.  — 
S.  323.  üeber  die  Arcadia  vgl.  P.  Emiliani-Giudici,  Storia  della  letteratnra  italiana. 
Fir.  1865,  vol.  II,  p.  266  ff.  Die  arkadische  Gesellschaft  ward  in  Rom  gegründet, 
aber  in  zwei  Jahren  gab  es  in  ganz  Italien  über  1300  Arkadier,  sämmtlich  Dichter. 
In  allen  bedeutenderen  Städten  waren  Zweiggeseli Schäften ,  unter  Oberhirten  (custodi 
di  mandra)  stehend.  Die  Statuten  enthielten  folgenden  bezeichnenden  passus :  in  coetu 
et  rebus  Arcadicis  pastoritius  mos  perpetuo,  in  carminibus  autem  et  orationibus, 
quantum  res  fert,  adhibetor.  Es  sollte  also  in  der  Arcadia  gerade  so  zugehen,  wie 
auf  Kos  und  bei  Bion  und  Moschos :  man  nennt  sich  Hirt  und  beobachtet  die  äusseren 
Formen  des  Hirtenlobens,  macht  aber  darum  nicht  bloss  Hirtengedichte.  Bei  Bion  und 
Moschos  hat  die  Poesie  einen  bestimmten  sanften  Charakter,  und  daran  fehlte  es  Huch 
der  Arcadia  nicht,  deren  Zweck  sogar  war  (Emiliani-Giudici  II,  270),  dem  herrschen- 
den schlechten  Geschmacke  in  der  Poesie  entgegenzutreten  und  dieselbe  in  eine  na- 
türlichere Bahn  zu  lenken.  In  Bezug  auf  die  Organisation  können  der  Arcadia  aber 
mehr  die  pergamenischen  Bukoloi  gleichgestellt  werden. 


502  Anhaug  III.    Belege  und  Erläuterungen. 


Neuntes   Kapitel. 

S.  325.    Das  syrakuslanische  Theater.  Cic.  Verr.  IV,  ^3  in  der  Beschrei- 
bung der  Neapolis:  quam  ad  summam  theatrum  maximum.   Nach  Diod.  XVI,  93  war 
es  das  schönste  Siciliens,  da  ihm  das  von  Agyrion  fAtta  xo  küv  2vQ€t7toa£iav  xakkiüjov 
luv  xarn  Six^Xiav  erseheint.     Die  Stelle  bei  £ust.  Od.  III,  68  Über  Demokupos  My- 
rilla  ist  Bd  I,  S.  426  citirt.    Mit  dem  syrakusanischen  Theater  zusammenhängende 
Vorfälle  werden  erwähnt  Diod.  XIII,  94 :  ^iaq  J*  ovar^s  iv  laTs  2vQax9vaaic  rtiv  &ifnv 
T^f  ttJialXttyrf^  itiv  ix  tov  d^eaTgov  na^ijv  tig  rt/v  noktv  (o  .Itovvaieg)^  Plut.  Dion3S; 
Piut.  Tim.  34  (Tod  des  Mamerkos)  und  38;  lust.  XXII,  2,  wo  Agathocles  populum 
in  theatrum  ad  concionem  vocari  iubet.  -—  Von  Neueren  berichten  über  das  syraku- 
sanischo  Theater:   Mirabella,  Syrac.  N.  136;  Bonanni  p.  77  der  Ausgabe  Pal.  1717 
fol.;  speciell  handelt  über  das  Theater  von  Syrakus  Cos.  Gaetani,  Memoria  suU'  antico 
teatro  e  gli  antichi  acquidotti  Siraousani,  con  tav.  in  rame,  im  7.  Bande  der  Nuova 
Kaccolta  di  opuscoli  etc.  p.  171—190.    Von  Reisenden  führe  ich  an:  Bartels  III,  126 
—  136;  Munter,  Deutsche  Ausgabe  358—64;  Houel  III,  p.  85—92  und  Fl.  147—149; 
nach  ihm  hat  über  der  Nymphengrotte  an  der  Fels  wand  ein  Triglyphenfries  existirt 
pl.  149;  er  bildet  ebendas.  die  in  der  Latomia  del  paradiso  von  ihm  gesehenen  um- 
gestürzten Pfeiler  mit  Treppenstufen  ab.    Kephalides  II,  28  ff.;    Hughes  I,  98  ff . ; 
Parthoy  18S— 190.    Die  betreff.  Abschnitte  in  den  Beschreibungen  von  Syrakus  von 
Logoteta  und  Capodie.ci  liegen  mir  nicht  vor.    Leake  spricht  über  das  syrakuaanische 
Theater  in  den  1839  geschriebenen  Topographical  and  historical  notes  on  Syracuse 
in  den  Transactions  of  the  Royal  Society  of  Literature  2  Ser.  vol.  3,  Lond.  1850, 
p.  237  — :a7,   spßciell  p.  271  ff.;  Dennis  p.  349.     Am  ausführliehsten  und  durch  die 
von  Cavallari  herrührenden  Tafeln  lehrreichsten   ist  Serradifalco  IV,  p.  132  —  143; 
Taf.  16—22.    Auf  der  malerischen  Ansicht  Taf.  17  erscheint  das  Theater  noch  gerade 
89  durch  den  Aquäduct  verbaut  und  mit  Bäumen  besetzt,  wie  im  vorigen  Jahrhun- 
dert bei  Houel.    Vgl.  endlich  Wieseler,  Theatergebäude  und  Denkmäler  des  Bühnen- 
Wesens,  GÖtt.  1851.  4,  p.  27.  28,  und  desselben  Griechisches  Theater;  in  der  Allg. 
Encycl.  (Ersch  und  Gruber)  I,  83,'  S.  187.  —   Die  Inschriften  des  llieaters.    Zu- 
erst wurden  gefunden  die  von  Keil  3  und  7,  im  J.  1756,  durch  den  Grafen  Ges.  Gae- 
tani, 8.  dessen  soeben  citirte  Memoria,  bes.  p.  176;  vgl.  auch  Biscari,  Viaggio  per 
tutte  le  antichitä  della  Sicilia,  Pal.  1817,  p.  89.    Die  Inschriften  sind  zuerst  heraus- 
gegeben worden  von  A.  Pigonati,  Stato  presente  degli  antichi  monumenti  Siciliani, 
Nap.  1767,  fol.  tav.  XII,   woraus  sie  dann  mitgetheilt  hat  Torromuzza  in  s.  Siciliae 
inscriptionum  coUectio,  Pan.  1784.  fol.  p.  65.  66.    Die  Inschrift  von  Keil  2  fand  der 
Cav.  Landolina  im  J.  1S04,   s.  Miliin,   Magasin  encydopödiquo  1805,  T.  VI,  p.  381; 
Memorie  encidopediche  Romane  sulle  belle  arti  1806,  T.  1,  p.  2S.    Die  Inschriften 
der  Keile  4  und  5  soll  der  Pfarrer  Logoteta  gefunden  haben  s.  Mem.  encicl.  p.  151.  — 
Alle  aufgefundenen  Inschriften  hat  J^andolina  in  einer  Copie  im  syrakusanischen  Mu- 
seum zusammengestellt,  wonach  sie  herausgegeben  sind  im  Classical  Journal  1812, 
T.  VI,  p.  391.    Femer  finden  sie  sich  bei  Donaldson,'  Suppl.  to  the  antiquities  of 
Athens,  Lond.  1830.  fol.  p.48— 5J,  Taf.  4.  5;  Th.  Mommscn,  im  Rhein.  Mus.  IV,  1845, 
S.  626;  vgl.  Bull.  d.  Inst.  1846,  p.  84;  endlich  Franz  iu  Ol  ür.  n.  5369  in  ausführlicher 
Behandlung  nebst  p.  1242.  Von  ihnen  handeln  ferner:  Osann  und  Panofkajn  den  oben 
(S.  492)  citirten  zwei  Schriften  über  die  Philistis;   Letronnc  im  Journal  des  Savants 
1827,  p.  387  ff.;  Göttling  im  Rhein.  Mus.  II,  1834,  S.   103  ff.,  S.   189  ff.;  Raoul-Ro- 
chette  im  Journal  des  Savants  IS.'iO,  p.  64  ff.  und  in  der  oben  bei  Gelegenheit  der 
Philistis  citirten  Abhandlung  in  den  Memoires  de  Tlnstitut.  XIV,  2,  1S40,  p.  257  ff., 
wo  auf  planche  II  die  Inschriften  von  Keil  2.  3.  4.  7  abgebildet  sind.    Bei  Serradifalco 


Zu  Biicli  VI,  Kap.  9,  Seite  325-327.  503 

tav.  XX  sind  2.  3.  4.  5.  7  abgebildet.  —  Von  Keil  1  ist  keine  Inschrift  vorhanden; 
die  Mauer  ist  schlecht  erhalten.  —  Keil  2  enthält  BA2l!AIZZA2  NHPHr/tOZ.  Ueber 
die  Nereis  Paus.  VI,  12,  3;  Polyb.  VII,  4,  5;   lust.  XXVIII,  3  und  obon  S.  494.  — 

Keil  3.  BAZIAIXZAZ  4»IAfZTI.iOZ  S.  oben  S.  491.  —  Keil  4.    BA£tA 

NO2:.  Es  ist  zu  ergänzen  BAZIA[E:}2:  rEAa]N02:  oder  BAi:rA[ESl2:  IEPSI]N02l, 
S.  unten.  —  Keil  5.  Nach  frllher  gesehenen  Spnren  ist  die  Inschrift  herzustellen 
AI 02  OAYMHIOY.  Göttling  las  nur  noch  ZOAY ,  Raoul-Rochette  nur  2.  Die 
Wasserleitung,  welche  üb^  diesen  Theil  der  Sitze  des  Theaters  fllhrte,  ist  Schuld 

an  der  Zerst((rung  dieser  Inschrift.  —  Keil  6.  Hier  las  Landolina  IT  AN,  ,.J AN. . 

Haonl-Rochette  nur  ein  2,  Güttling  nichts.  —  Keil  7.  [HP]AKAE02  [K]PA[TEPO] 
4>P0N0Z  ist  die  wahrscheinlichste  Lesart  der  von  verschiedenen  Gelehrten  in  ab- 
weichender Weise  gelesenen  Inschrift.  —  Keil  8.  LandoKna  hat  A.  .,A.,.P Jetzt 

ist  nichts  mehr  vorhanden.  —  Keil  9.  Landolina  fand  ein  7,  jetzt  ist  nichts  mehr 
da.  Den  Grund  der  Ansetzung  der  Namen  an  der  Maner  hat  'am  besten  GOttling 
dargelegt;  Kaoul-Rochetto  hat  mit  Recht  an  Tae.  Ann.  II,  S3  erinnert:  equester 
ordo  cunenm  Germanici  appellavit,  qni  luniorum  dicebatur.  In  Betreff  der  Verthei- 
lung  der  Namen  hat  ebenfalls  Göttling  die  wahrscheinlichsten  Ansichten  aufgestellt. 
Der  mittlere  Keil  ist  dem  olympischen  Zeus,  dem  höchsten,  speciell  in  Syrakus  ver- 
ehrten Gotte  gewidmet,  rechts,  im  Osten,  schliessen  sich  Menschen,  links  andere 
Götter  an.  Nach  den  von  Landolina  gesehenen  Bachstaben  des  6.  Keils  vermuthet 
Göttling  hier  IIANTPO^POY  AAMATP02,  in  Keil  8  und  9  hätten  dann  die  Namen 
Artemis  und  Apollon  gestanden.  Für  Keil  I  nimmt  Gröttling  den  Namen  des  Königs 
Gelon  in  Anspruch,  woraus  folgt,  dass  in  Keil  4  Hieron's  Name  stand.  Diese  Ver- 
muthungen  haben  viel  fUr  sieh;  freilich  ist  in  Keil  6  die  Ergänsnng  problematisch 
und  man  vennisst  unter  den  geehrten  Gottheiten  nngem  Athene,  deren  Name  sich  in 
K.  6  einfügen  lässt.  In  Betreff  der  Menschennamen  ist  auffallend,  dass  FhilistiB  und 
Nereis  nebeneinander  stehen  und  ihnen  nur  ein  menschlicher  Name  vorsteht,  in  Keil  4, 
wo  es  zweifelhaft  ist,  ob  man  G^lon  oder  Hieron  lesen  soll.  Wenn  nämKch  den  Platz 
in  Keil  4,  der  als  der  Mitte  am  nächsten,  der  ehrenvollste  ist,  Hieron  einnimmt  und 
ihm  seine  Gemahlin  Philistis  folgt,  warum  kommt  dann  nicht  vor  Nereis  zuerst  deren 
Gemahl  Gelon?  Ich  möchte  deswegen  annehmen,  dass  Hieron  seinen  eigenen  Naiften 
keinem  Keile  geben  Hess,  dass  neben  dem  Keil  des  olympischen  Zeus  sich  der  des 
Gelon  befand,  (Keil  4),  worauf  dann  in  3  und  2  in  der  richtigen  Rangordnung  Phi- 
listis und  Nereis  und  zuletzt  Hieronymus  folgte.  Die  Verrauthung  Göttling's,  dass 
Bilder  der  betreffenden  Personen  sich  über  den  Namen  be&nden,  steht  auf  schwachen 
Füssen. 

S.  327.  Ueber  die  Gegend  oberhalb  des  Theaters  bandelt  ansftlhrlich 
Sehubring,  Bewässerung  von  Syrakus,  Pfailol.  22,  591:  „Bevor  das  Theater  in  den 
Felsen  eingeschnitten  war,  führte  oben,  wo  später  die  obersten  Sitzstofen  sich  be- 
fanden, eine  tiefe,  gleichfalls  in  den  Felsen  gehauene  Gräbeiißtrasse  von  0— W  daran 
vorbei,  die  heute  noch  fast  ganz  eriialten  ist.  Sie  beginnt  auf  dem  Rttcken  zwischen 
^em  Ohr  des  Dionys  und  dem  Theater,  und  setzt  sich  über  dem  Theater  und  dann 
weiter  westlich  fort,  wo  sie  in  einem  grossen  Bogen  anf  das  Plateau  heraufftihrt  Als 
nun  das  Theater  gebaut  vrnrde,  nahm  man  die  südliche  Wand  der  Gräberstraeee,  so- 
weit sie  im  Bereich  des  Theaters  liegt,  weg  und  machte  den  Weg  selbst  zu  dem 
Corridor,  welcher  das  Theater  mit  Säulenhallen  umzog.  Die  nördliche  Wand  hin- 
gegen ist  unverletzt  geblieben  und  über  dem  freundlichen  Theater  ragt  noch  die 
Frontwand  mit  den  ernsten. Grabkammem  hervor,  zwischen  welchen  man  auf  zwei 
Felsentreppen  zum  Plateau  heraufsteigen  kann.  In  dieser  Wand  befindet  sich  nun  in 
der  Mitte  das  von  den  ciceroni  sogenannte  Nympheum,  rechts  und  links  von  Grab- 
grotten umgeben,  selbst  eine  ähnliche  Höhle.    Das  Nympheum  ist  weiter  nichts  als 


504  Anhang  III.    Belege  und  Erläuterangen. 

ein  die  Übrigen  an  Pracht  überragendes  Qrabgewülbe.  Es  bat  auch  Nischen  und  unten 
in  diesen  die  behauenen  Steinbänke,  auf  welche  die  Todtenvasen  gestellt  zn  werden 
pflegten.  In  verhältnissmässig  viel  späterer  Zeit  führte  man  nun  hier  das  Wasser 
des  von  ihm  benannten  Nympheumaquäductes  hinein/'  Die  so  festgestellte  Thatsache, 
dass  eine  vorhandene  Gräberstrasse  durch  das  Theater  zerstOrt  werden  musste,  er- 
klärt sich  wohl  am  besten  durch  die  schon  früher  von  una  ausgesprochene  Annahme. 
dass  das  Theater  anfangs  viel  kleiner  war  und  weniger  Sitzreihen  hatte;  so  konnten« 
Theater  und  Gräberstrasse  neben  einander  bestehen.  Bei  ^er  Erweiterung  des  Thea- 
ters musste  dann  eine  Wand  der  Gräberstrasse  zum  Opfer  fallen. 

S.  327.  lieber  dasOhrdesDionys  Serrad.  IV,  146.  149.  lieber  die  Ansicht 
des  Abb6  Chaupy  s.  Bartels  III,  133. 

S.  328.    Der  grosse  Altar  wird  erwähnt 'von  Diod.  XVI,  S3:  xal  o  nX^aiov 

Xoyov.  Nach  Capodieci  Antichi  monum.  di  Siracusa,  Sir.  1S16,  vol.  II,  p.  17.  18  ist 
dieser  Altar  durch  Ausgi'abungen  in  den  Jahren  1780  und  1813  entdeckt  worden. 
Ueber  ihn  handelt  Serrad.  IV,  146—148,  nebst  Tav.  14  und  Vignette  auf  p.  116. 
P.  146  sagt  Serradifalco :  fn  per  lieta  fortuna  negli  scavamenti  del  1839  discoperto. 
Seine  Existenz  war  also  wieder  vergessen  worden.  Ueber  den  Altar  zu  Olympia 
spricht  Paus.  V,  13,  den  von  Parion  beschreiben  Guhl  und  Koner,  Leben  der  Griechen 
und  Römer  S.  54;  den  von  Pergamon  Ampelius  c.  8,  vgl.  Brunn,  Bull.  d.  Ist.  1871 
p.  28  ff.   Opfer  der  450  Stiere  Diod.  XI,  72. 

S.  328.  Festung  aufEpipolac.  Mirabella  beschreibt,  was  er  davon  gesehen 
hat,  an  dem  Orte  Mongibellisi  befindlich^  unter  No.  190  seines  Planes  als  Labdalon; 
über  diesen  Irrthum  8,  oben  S.  387.  Er  sagt:  stupenda  hodieque  vestigia  superdnnt. 
Ipse  cum  quaedam  inter  ruinas  saxa  commensurassem ,  novemdecim  palmos  longa ,  et 
lata  ad  proportionem  inveni.  Unter  No.  191  bespricht  er  dann  die  via  spbterranea,  die 
er  selbst  aufgefunden  haben  will ,  sie  ist  tarn  lata  planaque ,  ut  duo  equites  iunetim 
peruadere  possint.  Integra  fahrt  er  fort,  apparebat  scala  cochlearis,  per  cuins  gradua 
adscendebatur  ad  castellum  Labdalum,  eaqu«  tam  lata  et  plana,  ut  equis  insidentes 
per  illam  non  pedetentim,  sed  cursim  et  magno  impetn  descendere  atque  ascendere 
possint.  Femer  erwähnt  er  die  annull  vivo  saxo  incisi,  sowie  die  grosse  Höhe  des 
^  Ganges.  Mehr  auf  die  topographische  Disposition  der  Mauern  eingehend,  besehreibt 
Bonanni  die  Festung  p.  90  und  91  der  Ausg.  Pal.  1717;  er  nennt  sie  richtig  Euryelos 
und  redncirt  etwas  die  Wunder  des  von  Mirabella  gepriesenen  unterirdischen  Ganges. 
Im  18.  Jahrh.  fand  die  Festung  besonders  Beachtung  bei  Munter,  der  S.  367 — 71  der 
deutschen  Ausgabe  davon  spricht,  und  S.  368  einen  kleinen  Plan  davon  giebt;  er 
nennt  sie  Labdalon.  Ebenso  Bartels  III,  120—124,  der  MUnter's  Zeichnung  am  Ende 
des  Bandes  vergrössert  wiedergiebt.  Houel  erwähnt  die  Festung  nicht.  Am  ge- 
nauesten ist  Cavallari  auf  Tafel  26  und  27  des  vierten  Bandes  von  Serradifalco,  wo 
im  Texte  S.  150  — 153  die  Anlagen  beschrieben  werden*  —  Es  musste  bei  einigem 
Kostenaufwand  noch  manches  durch  Ausgrabungen  zu  finden  seii^i;  so  ist  der  von 
Munter  und  Bartels  erwähnte  runde  Saal  unter  dem  Festungshofe  bei  Cavallari  nicht 
mehr  vorhanden.  Munter  sagt  S.  370  darüber:  „In  der  Mitte  unter  der  Festung,  wo 
die  Uauptgänge  zusammenlaufen ,  war  ein  grosser  runder  und  gewölbter  Saal .  das 
schönste  von  allen  solchen  Gewölben,  die  ich  in  Unteritalien  gesehen  habe.^  Ebenso 
Bartels  S.  123. 

« 

Die  culturhistorische  Seite  von  Hieron's  Regierung  ist  mit  dem  bisher  Besproche- 
nen noch  lange  nicht  erschöpft,  es  wird  noch  manches  seine  Zeit  Betreffende  im 
3.  Bande  seinen  Platz  finden,  in  dessen  Bereich  ja  auch  der  grösste  Theil  seiaar 


Zu  den  Karten  und  Plänen.  505 

Regierung  fällt.  Nur  das  rein  griechische  musste  hier  besprochen  werden.  Dagegen 
hat  alles,  was  mit  Rom  zusatnmenhängt ,  sei  es  dlrect  Sicillen  berührend,  sei  es  in- 
direct,  in  Folge  der  Beziehungen  zwischen  Rom  und  Karthago,  wenn  auch  theilweise 
schon  in  diesem  Bande  angedeutet,  doch  in  eingehender  Darstellung  dem  dritteu  Bande 
vorbehalten  werdeft  müssen,  der,  wenn  der  erste  im  Grossen  und  (ranzen  Sicilien 
allein,  dtfr  zweite  Sicilien  in  seiner  Beziehung  zu  Griechenland  behandelte,  Sicilien 
in  seiner  Verbindung  mit  Italien  gewidmet  sein  wird. 


IV. 

Zu  den  Karten  nnd  Plänen. 


VIII.  Ich  freue  mich,  für  diesen  Band  auch  filr  Syrakus  die  inzwischen  ver- 
öffentlichten Generalstabskarten  haben  benutzen  zu  können.  Für  die  Hauptkarte  habe 
ich  auf  die  Wiedergabe  der  modernen  Wege  u.  s.  w.  verzichten  müssen,  da  das  Bild 
der  Belagerung  dadurch  verdunkelt  worden  wäre.  Im  Carton  habe  ich  dagegen  die 
Generalstabskarte  mit  ihren  jetzigen  Wegen  u.  s.  w.  wiedergegeben ,  die  hier  schon 
deswegen  wichtig  sind,  da  die  Wege  (abgesehen  von  der  durch  zwei  Parallelstriche 
kenntlich  gemachten  Chaussee)  noch  dieselben  sind  wie  im  Alterthum. 

IX.  Mit  Benutzung  der  Karte  zu  Schubring's  Akragas,  Lpz.  1870.  4,  die  ihrer- 
seits auf  der  Generalstabskarte  fusst.  Wenn  auf  dieser  Karte  von  einem  „sogen. 
Asklepiostempel^  die  Rede  ist,  so  denke,  ich  das  zweifelnde  Beiwort  im  3.  Bande  zu 
rechtfertigen. 

X.  Ich  habe  die  betr.  Generalstabskarte  auf  I  :  100,000  reducirt,  wodurch  die 
Uebersichtlichkeit  sehr  gewonnen  hat.  Meine  Abweichungen  von  Schubring  sind 
S.  434  gerechtfertigt.     Für  Lilybaion  bin  ich  durchaus  Schubring  gefolgt. 

XI.  Hier  hat  keine  Reductionlstattgefunden.  Mein  Exemplar  dieses  Blattes  der 
Generalstabskarte  ist  so  undeutlich,  dass  ich  die  Zahl  beim  Theater,  125,  falsch  ge- 
lesen haben  kann.  Smyth  hat  nämlich  847  engl.  Fuss.  Ders.  giebt  für  das  Kastell 
1305',  für  Mola  1585'. 

XII.  Auf  den  Monte  Longo  setze  ich  nach  Schubring  den  Apollotempel. 

XIII.  üeber  diese  Epoche  liegt  der  Plan  bei  Serradifalco  vor,  von  dem  ich,  wie 
man  sieht,  in  einzelnen  Punkten  abweiche.  Die  Stellen  der  Alten  für  die  einzelnen 
Nummern  sind:  1)  Diod.  XIV,  7.  Bei  Plut.  Tim. J  22  bezeichnet  in  den  Worten  oi- 
uovov  triv  ax^av  aXXa  xal  rag'oixCa^  xnl  tu  fjivijfiara  t(3p  rvQavvwv  arivQdpfv  das 
Wort  axQa  die  Befestigunga werke  der  Burg,  die  oixiai  und  ^iij^rrra  den  Inhalt  der- 
selben. Nach  PI.  T.  22  an  Stelle  der  «xQa  durch  Timoleon  die  dtxaatiiQia,  —  2)  Diod. 
XIV,  7.  —  3)  Plut.  Dion  29.  —  4)  5)  Diod.  XV,  74  von  Dionys  II :  tov  naHoa  fn- 
yaXoTiQtntog  &nt(ßng  xara  t^v  axQonoXtv  TtQog  raig  ßaaiXCov  xaXovftiratg  nvXaig,  Da  die 
Burg  natürlich  ausser  dem  äusseren  Eingang,  den  nivranvXa,  noeh  manche  innere 
Thore  hatte,  so  sind  die  ßaa.  n.  als  ein  inneres  prächtiges  Thor  aufzufassen,  etwa 
wie  sich  im  Innern  des  Kastells  von  Neapel  der  Triumphbogen  des  Königs  Alfons 
befindet.  —  6)  Plut.  D.  29.  —  7)  tiiv  axQonoXiv  nnixtCxiatv  Plut.  D.  29.  Diod.  XVI, 
12:   ano  »uXtirtrig  efg  d^aXaimv.    Doch  kann  sie  im  0.  nur  bis  an  die  Mauer  des 


506  Anhang  IV.   Zu  den  Karten  nnd  Plänen. 

Arsenals  gegangen  sein.  Nach  Diod.  XVI,  19  sind  TrvXa*  darin.  —  8j  Diod.  XIV,  7.  - 
9)  Das  Arsenal  des  grossen  Hafens  ist  su  verstehen  Diod.  XIII,  112,  nnd  auch  nod 
Diod.  XIV,  49  s.  Schubring,  Aehradina  8.  29.  —  10)  Diod.  XIII,  75.  113;  Plot 
D.  29.  —  U)  Diod.  XIII,  75.  113;  Cic.  Thsc.  V,  23.  -  13)  Diod.  XVI,  83.  - 
U)  Flut.  D.  29  nach  Emendation.  --  15)  16)  Diod.  XIV,  18;  XV,  13.  —  17)  Diod. 
XVI,  20;  Ltv.  XXIV,  32;  XXV,  25.  —  Nach  letzterer  Stelle  war  das  Thor  Hex&pyh 
nicht  in  Tyche,  denn  Marcellus  Ist  durch  Hexapyla  eingedrungen  und  hat  dennoch 
l^che  nicht  borUhrt.  —  18)  Flut.  D.  45.  —  19)  S.  oben  S.  386  u.  477.  —  20—24}  S.  oIm-d 
S.  436. 

XIV.  Dagala  bezeichnet  6ine  corrente  meno  rapida  in  modo  che  Ferba  e  g\i  arbusti 
potessero  ivi  crescere  libcramente ,  S.  Cusa,  La  palma,  Pal.  1873,  p.  57.  FUr  dies« 
Gegend  hat  mir  auch  eine  Kartenskizze  von  der  Hand  des  Prof.  V.  Di  Giovanni,  der 
aus  Salaparuta  stammt,  vorgelegen. 


Berichtigungen. 


3.    47  Z. 

17  V. 

0. 

sUtt  250  lies  200. 

-  127   - 

21  V. 

u. 

-     Verfassers  lies  Verfahrens 

-  176    - 

20  V. 

n. 

-     Diony's  lies  Dion's. 

-  195   - 

13  V. 

u. 

-     a34  344. 

-  264    - 

21   V. 

u. 

-     dem  F.  lies  der  F. 

Druck  T*n  Breitkopf  «nd  Hirtel  Id  Leipzig. 


C.  S.  Fanaifiti 


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zur  Zeit  der  athenischen Belad      1  r" i  )^ 


Hafen 


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Das  Terrain  ncuhden  Karten  des K. Italien.^ 
/  UeJorinis  eher  Weg. 

i  ^^^"*  ond  Schdfilager  derAthet 
^  SfeUung  der  Athener  in  der  Seh 
^        *        *       •     Syrakuscuier  in  d 

6  Wiese  wo  dJfusferunq  gehalten  w 

7  Aufgang  der  Athener. 

8  Kuktos. 

9  }'orwerk  desselben. 
W  Angefangene  Athenische  Aordmtk 
II  Athenische  Süd  mau  er, 
tZ- 13  Athen  ischeJ)ojtftelmauer. 
iH   /'."  Syrak.  Geaeninauer, 
15  fylis.  ^ 
Iti  i**J  Gegen  werk, 
//  »3  -    Gegen  mau  er, 

1^  AV-fi?  f}fr(s  auf  dem    PI  finm  "•''"-'*    - 


voß^cv  Hafen 


lemifttempel 
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■i.   Ss^^fn.(hslorli.PetlilJ4rlHfiei 

6.  ■    ■     liite/iiilfHipfi . 

7.  CaprUedrsPhalarii. 
S.  Sogrn.  Grnü  /»<f/*tf(i . 
O       •   ■     AsklfpUstrmpfi 


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i.  Zfilstfiiifiri .  '"',, 

j.   Sofffnjhslorii.  Polluj-tfUipei . 
G.    -    •     f'it/raiitriiitfl . 

S.  &iffi-n.  Gmh  T/iervii^ . 

9      ■   ■     Ask-lfpiostrnii}rl 

W.     •    •    Crret  iKProserpinataiip, ' 

/?.  Xwriln  Liigfi-  lürsf/ii-ri 
t'l.  Foiiff  itriiioi-li . 


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Dioikv»  I.  -Hieron  B 

/  Burg  lies  Dtonys. 
2  .Vatii*r    drsVionijA 
3.  Pffitapyia . 
'/  ürttb  des  Diontfft 
.5.  Kaniifilhor 

6.  Sontientilir.  ^ 

7.  Maupv  Dimis. 
<y. .  irscrut/  flrs  klein<:*fi  Uaff*nn . 
.9    "    "    '      -     cp'osscti   '    " 
10.  Marhi. 
H.    Thoi' d4>r  Jchradirut. 

fi     Thrafer. 

/.?  .'iUar  Hi^ron'ft. 

ff.    TcniffutLscltes  Tlur. 

/.}/(/..  t/o iJi*rn  de^iDwnynt . 

17.  Hexafvßii . 

18.  Hekaiompedm .  (- 
19  Euryelos. 

^0  92  Di'Pi  Fortfi 

irn/^^f.  Layt^r  derKarthay^r. 

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